Fantastic Four - Geschichte eines Lebens
Die Fantastic Four gehören mit Spider-Man zu den Lieblings-Comicfiguren meines Bruders. Zwar hatte er als Teenager in den 90ern Spawn gesammelt und wünschte sich die Kräfte von Green Lantern, doch seine eigentlichen Helden waren Marvelfiguren. Wenn ich ihn als Kind in den Sommerferien in der Großstadt besuchte, schleifter er mich für gewöhnlich ins Kino und es war ihm super wichtig, mit mir die Fantastic Four Filme zu sehen. Diese heute ungebliebten Streifen waren lange meine Hauptreferenz für das Quartett. Keine gute Werbung für Marvels First Family. Desinteresse bestimmte mein Gefühlsleben gegenüber ihnen.
Später begegnete ich einem Pastiche der vier als Oberschurken in DCs The Planetary und war fasziniert. In einem lange verschollenen Essay von Alan Moore über Stan Lee, schrieb der alte Comiczauberer wie Lees Fantastic Four Stories den jungen Alan als Kind beeinflusst haben. Da war klar, okay an diesen Figuren muss irgendwas sein, was ich schlicht nicht sehe. Seitdem hielt ich Ausschau nach einem FF Comic, der mir diese Sache zeigen würde. Im Comic-Combo wurde ich dann vor ein paar Tagen davon überrascht. Da lag er... Fantastic Four - Geschichte eines Lebens, mit einem anziehenden Coverart.
Ich besitze schon einen Geschichte eines Lebens Comic und liebe das Konzept. Tatsächlich wäre ich nicht drauf gekommen, dass Marvel noch andere Figuren dieser Behandlung unterziehen würde, dabei liegt das eigentlich auf der Hand. Spider-Man - Geschichte eines Lebens erzählte eine Biographie Peter Parkers. Darin arbeitete sich der Comicautor an eigenen Interpretationen großer Spider-Man Story-Arcs ab und verwob sie zu einer zusammenhängenden Lebensgeschichte. Damit fing er die Essenz von Peter Parkers Spider-Man ein. Unheimlich gut. Dasselbe hatte ich nun mit den Fantastic Four vor mir.
Wie die Geschichte Spider-Mans beginnt auch die von Reed Richards, Ben Grimm, Susann & Johnny Storm in den 60er Jahren. Die Sowjets haben gerade Yuri Gagarin ins All gebracht und Kennedy wünscht sich von Richards, dass die NASA nachzieht. Dr. Richards Raumschiffkonzept wird zwar in Windeseile gebaut, aber es ist derartig unkonventionell, dass die NASA nicht weiß wie man es testen sollte ohne Menschenleben zu gefährden. Also bringt Richards ein Team zusammen, welches das Schiff vom Testgelände entwendet und eigenmächtig ins All fliegt.
Dabei nimmt die Origin der FF ihren Lauf. Der experimentelle Treibstoff reagiert mit kosmischer Strahlung, die Crew wird dem Gemisch ausgesetzt und Richards erhält einen kurzen Blick auf ein unermessliches Grauen in den Weiten des Alls. Nach dem schreckhaften Erwachen in einem NASA-Krankenhaus haben die Vier ihre Kräfte und werden bald von den USA als Superheldenteam hofiert (die Sache mit dem Raumschiffklau unter den Tisch gekehrt). Für eine Weile wirken die Vier beinahe glücklich. Sicher Ben Grimm ist als The Thing entstellt, aber arrangiert sich so gut es geht. Sue und Richard heiraten, bekommen einen Sohn. Johnny wird der coole Onkel, der nie so richtig erwachsen werden will.
Über all dem liegt jedoch der Schatten dessen was Richards gesehen hat. Mr Fantastic weiß vom Weltenverschlinger Galactus und versucht gleich der antiken Cassandra unseren Planeten zu warnen. Doch kaum einer will ihn hören. Er mag zwar ein genialer Kopf sein, ein Superheld sogar, aber Galactus tun die Menschen lieber als Wahnvorstellung ab.
Hierin liegt das alles vorantreibende Element der Erzählung. Richards Besessenheit vom möglichen Ende der Welt treibt ihn in seiner Forschung an und entfremdet ihn langsam von seinem Team, seiner Familie. Er arbeitet mit jedem der ihm bereit ist zuzuhören, Tony Stark, Victor von Doom und jedes Mal bringen diese "Bettgenossen" unvorhersehbare Konsequenzen für Richard mit sich.
Die Zeit schreitet voran. Nein, viel eher läuft sie ab, läuft davon. Aus den 60ern werden die 2010er Jahre. US-Administrationen wandeln sich, globale Konflikte verschieben sich und die FF werden alt. Dabei sieht man es nur den Storm Geschwistern tatsächlich an. Am Ende, unvermeidlich wie Galactus, steht das große Abbrechnen mit den eigenen Unzulänglichkeiten, die ein Leben lang verleugnet wurden, aber losgelassen werden müssen. Es ist ein melancholisches Ende. Denn es ist das Ende der Geschichte eines Lebens.
Was dieser Fantastic Four Comic für mich leistet, ist super. Leider bleibt er hinter der Spider-Man Biographie zurück. Warum das so ist, ist schnell erklärt. Statt sich auf eine Figur zu konzentrieren, erzählt dieser Comic auf etwa derselben Seitenzahl von vier Leben, die sich zwischenzeitlich voneinander lösen. Da bleibt kaum Platz den einzelnen Episoden, Jahrzehnt für Jahrzehnt, diesselbe Tiefe zu verleihen, die sie für Peter Parker hatten. Nichtsdestotrotz fühle ich mich den Fantastic Four nun deutlich näher als je zuvor.