„
Widerlicher Kerl“, dachte Hanna und besah sich Archys schmieriges Grinsen. „
Ich hätte nicht gedacht, dass auch unter den Turianern so aalglatte Kerle sind.“ Sie schenkte Archy eines ihrer seltenen Lächeln und sagte: „
Sagen Sie mir, hat diese Masche irgendwann schon einmal funktioniert?“ Sie erwartete keine Antwort und bekam auch keine. Dras dauerte das entschieden zu lange, er stellte sie kurz vor und beließ es bei den Spitznamen. Der Kroganer war, mit einem Wort: kroganisch. Er war aufs Blutvergießen aus, eine Eigenschaft die seiner Spezies inne lag. Und dabei wollte Hanna ihn keineswegs stören. „Wer zurückbleibt, bleibt zurück“, grunzte der Alien. „
Gefällt mir. Damit kann ich arbeiten“, sagte die Blondine nonchalant und zuckte mit den Schultern, bevor sie ihre Vindicator durchlud. „Gehen wir?“ Die Frage kam von Dras, der scheinbar nicht mehr Zeit als nötig vertrödeln wollte. „
Après vous.“ Einer für alle, alle für einen – die drei Musketiere: Turianer, Kroganer, Batarianer. Und D’Artagnan war in dieser Geschichte eine Frau.
*
Es wunderte Seeva, wie die Qualität der C-Sec Captains im Laufe der Jahrhunderte nachgelassen hatte. Sie erinnerte sich an einen Turianer, der mit militärischer Brillanz ein ganzes Roter Sand-Kartell ausgehoben hatte, nur mit einer Handvoll Männern. Da war einmal eine Asari gewesen, die vom Pflichtbewusstsein durchdrungen einen bekannten Mehrfachmörder und Vergewaltiger gestellt und nicht erschossen, sondern vor Gericht gebracht hatte, obwohl dieser aus einer mächtigen und einflussreichen Familie stammte, bald schon gegen Kaution freikam und seinen „Sieg“ feierte – bevor er Seeva über den Weg lief. Und sie dachte an den einen Salarianer, der einst Captain des 12. Reviers war und später als rechte Hand des salarianischen Ratsmitglieds diente. Das waren Polizisten, denen selbst der Spectre ehrfurchtsvoll Respekt zollte. Heute musste sich die Polizeieinheit mit Typen wie Yuhki abgeben und dieser Rarkin schien keinen Deut besser. Und das bezog sich nicht auf das Aussehen. Zwar fand Seeva, dass männliche Turianer die mit Abstand attraktivsten Wesen im Universum waren, diesen hässlichen Kerl hätte sie aber nicht einmal in ihrer jungfräulichen Phase ins Bett gelassen. Sein Aussehen hätte sie ihm durchaus verziehen, die späte Begrüßung jedoch nicht. Scheinbar schien dem Mann, er hatte sicherlich im turianischen Militär gedient, trotz kreischender Projektile der Ernst der Lage nicht bewusst zu sein. „Es wäre mir lieber gewesen wir hätten uns unter angenehmeren Umständen kennengelernt… Haben Sie schon irgendeinen Anhaltspunkt, wo Beyo Vhan gerade ist?“, fragte er. „Es wäre mir lieber, wir hätten uns gar nicht kennengelernt“, dachte die Asari und sagte mit ruhiger, aber unterschwellig anklagender Stimme: „
Das stimmt, Commander T’Saari von den Spectres. Captain, meinen Sie wirklich, dass Beyo Vhan unser vordringlichstes Thema sein sollte?“ Das dichte Explodieren einer Granate ließ eine Antwort obsolet erscheinen. Sie hob die Stimme: „
Alle herhören, Spectre-Befehl: Dieses Revier untersteht jetzt meinem Kommando. Bringen Sie alle entbehrlichen Beamten an die Hauptbarrikade und konzentrieren Sie das Feuer auf die Flowers im direkten Vorfeld.“ Sie schaute zu Rarkin, dann zu Yuhki. „
Sie zwei bewegen sich auch dorthin. Belegen Sie die Stellung der Flowers mit Sperrfeuer.“ Seeva wog ihre Schrotflinte in der Hand. „
Ich gehe selbst raus. Verstanden?“ Die beiden Captains nickten gehorsam. „
Gut.“ Seeva schritt wieder gen Seitengasse, deutete auf zwei menschliche Beamte. „
Sie zwei, kommen Sie mit.“
*
Hanna prallte fasst gegen den Kroganer. Der rotgepanzerte Alien blieb unvermittelt stehen, deutete auf etwas direkt vor ihm. „
Das ist C-Sicherheit“, sagte Hanna. Sie erkannte das Logo ihrer Behörde. „Sieht so aus als wären alle Gangs des Bezirks hier versammelt.“ Dann sah sie, wie rechts von ihrer Position Mündungsfeuer aufflammte und sie erkannte van Zan wie einen Schatten von der schießenden Gruppe aus verschwinden. „
Da ist mein Trupp. Sieht so aus, als würden sie die Kerle in die Zange nehmen.“ Hanna dachte kurz nach. „Wir greifen von dieser Seite aus an, fallen den Flowers in den Rücken.“ Das Chaos wäre perfekt und die Schlacht, wenn alle einen kühlen Kopf bewahrten, gewonnen. „
Alle einverstanden? Dann los!“
*
Seeva flog heran wie ein Speer. Die beiden Schützen, die sie mitgenommen hatte, schossen von einer sicheren Stellung aus. Sie zogen die Aufmerksamkeit der Flower auf sich, zumindest den Rest davon. Der plötzliche Tod ihrer Anführerin hatte den Gewalthaufen in ein flüchtiges Etwas verwandelt. Ein paar der mutigeren oder verzweifelteren versuchten dennoch das Revier einzunehmen – und scheiterten. Plötzlich war Seeva zwischen ihnen, eine Asari zwischen Menschen. Ein Spectre zwischen Kriminellen. Ein Wolf zwischen Schafen. Die Schrotflinte in der Rechten, die Pistole in der linken Hand jagte sie durch die Reihen der Flowers und stiftete Blut, Tod, Chaos. Eine weitere Gruppe griff in das Geschehen ein, Mensch, Kroganer, Turianer und ein – Seeva meinte zuerst sich geirrt zu haben – Batarianer. Sie fielen den Flowers in den Rücken, die ohnehin mehr als kopflos waren. Als die Zahl ihrer Toten die zwanzig überschritten hatte, warfen die restlichen Gangmitglieder die Waffen fort. Manche flohen, andere hob die Hände und riefen verzweifelt ihre Aufgabe aus. Diese Gang hatte diesen Tag zu ihrem eigenen Untergang gemacht. Die anderen kriminellen Banden hatten den Kampf gegen das Revier nicht aufgenommen und der Spectre war sich sicher, dass das Machtgefüge in diesem Bezirk in den nächsten Monaten kippen würde. Seeva schaute auf die dampfenden Eingeweide eines Mannes vor ihr. Seine Hand war zur Faust geballt, ein stummer Protest gegen die Niederlage. „
Feuer einstellen!“, rief die Asari den Polizisten zu, die mit der Waffe im Anschlag aus dem Revier auf die Straße kamen.
Hanna näherte sich dem Schlachtfeld, die Waffe auf die Flowers gerichtet und schussbereit. Die meisten hatten ihre Waffen fallen gelassen, schauten sie mit einer Mischung auf Wut und Verzweiflung an, gewürzt mit Scham. Ein glatzköpfiger, schwer tätowierter Flower versuchte scheinbar Hanna mit seinem Blick zum Explodieren zu bringen. Die Blondine grinste, der Rausch des Kampfes war noch nicht verflogen. Sieben Ziele hatte sie in den letzten Minuten präzise vernichtet, eine zufriedenstellende Leistung, auch wenn sie sich vornahm den Schießstand ab jetzt häufiger mit Langwaffen aufzusuchen. Der Glatzkopf knurrte und Hanna drückte ihm den noch warmen Lauf der Vindicator an die Stirn. „
Wie’s aussieht seid ihr gefickt.“ Dann fiel ihr Blick auf Syren Vox. Sie lächelte, ließ von dem Flower ab und marschierte zu dem Turianer herüber. „
Vox!“ Sie streckte ihm die Hand entgegen, ergriff die seine und schüttelte sie herzhaft fast so, als habe sie ihn viele Tage nicht gesehen. „
Freut mich, dass Sie es geschafft haben. Ich sehe die anderen sind auch wohlauf.“ Der Turianer mochte irritiert ob ihrer guten Laune sein, Hanna aber strahlte über das ganze Gesicht. Sie konnte nicht anders. Die Waffe in der Hand wiegend, die Panzerung, die ihre Bewegung minimal und doch merklich beeinflusste, das wissen, dass sie besser war als jene, die sie gerade in die Nachwelt befördert hatte. Es war etwas Animalisches in ihr geweckt worden, etwas was Professionalität und Training mit dem Drang zum Kampf verband. Sie nickte der Gruppe aus van Zan, Thadera und Saenia Sorax zu.
„
Sie da?“ Die scharfe Stimme schnitt wie ein Schwert. Hanna wandte sich um. Eine Asari kam auf sie zu, mit langen Schritten und Autorität im Gang. Die Blondine erkannte sie augenblicklich – und sie war sich sicher, dass auf der Spectre ihr letztes gewaltsames Zusammentreffen nicht vergessen hatte. Ein langer blauer Finger deutete auf Hanna. „
Es war klar, dass ich Sie hier antreffen würde.“ Hanna setzte eine unschuldige Miene auf. „
Tut mir leid, kennen wir uns?“ Die Wangen der Asari nahmen einen dunkleren Blauton an, vermutlich das Äquivalent zum Rotwerden bei den Menschen. „
Bitte?“ „
Aaah“, machte Hanna, nickte wissentlich. „
Dich hab ich doch vor ein paar Monaten mal gef…“ „
Ilias!“, fauchte die Asari nun so heftig, dass Hanna den Satz nicht beendete. „
Schluss mit dem Affentheater! Sie und Beyo Vhan und wen Sie sonst noch dabei haben…“ Ihr Blick heftete sich auf Syren Vox, man konnte sehen, wie ihre Gehirnwindungen arbeiteten. Ein Blick zur Gruppe um van Zan und wieder zurück ließ einen Schluss zu. „
Ich hätte wiederum nicht gedacht, dass ich Sie hier antreffen würde, Mister Syren Vox. Mein Name ist Seeva T’Saari aber aufgrund Ihrer Gefährten nehme ich an, dass Sie wissen wer ich bin und weshalb. Also… wo ist Beyo Vhan?“