Viele von euch kennen hoffentlich die kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten YPG und YPJ. Diese haben einen (oder sogar den) entscheidenden Beitrag zum Besiegen des IS in Syrien geleistet, teilweise unterstützt durch Luftangriffe der USA.
Nun ist es so, dass die YPG und ihr nahestehende Gruppen in Nordsyrien ein System der Rätedemokratie erschaffen haben, das sich an den Lehren Abdullah Öcalans orientiert. Öcalan wiederum basiert seine Gesellschaftsvision des "demokratischen Konföderalismus" auf den Lehren von Murray Bookchin, es handelt sich um eine Form des Anarcho-Syndikalismus wie er bereits Anfang des letzten Jahrhunderts relativ erfolgreich in Spanien praktiziert wurde, bis er durch die Faschisten Francos brutal niedergeschlagen wurde.
Öcalan ist der wichtigste Kurden-Führer der Neuzeit. Als Anführer der PKK sitzt er seit Jahrzehnten in türkischer Einzelhaft, hat dort seine Ansichten langsam gewandelt, und spricht sich seit vielen Jahren für den gewaltlosen Widerstand gegen die türkische Herrschaft in Kurdistan aus. Mit anderen Worten: die PKK hat offiziell dem Terrorismus abgeschworen.
Die Türkei definiert die syrische YPG, die in Nordsyrien (Rojava) ein funktionierendes System der Selbstverwaltung geschaffen hat, deutlich moderner als sonstwo in der Region, und vor allem anti-sexistisch und basisdemokratisch, als Arm der PKK, und damit als terroristische Vereinigung.
Natürlich ist das nicht komplett an den Haaren herbeigezogen. Die YPG ist ideologisch tatsächlich nah an der PKK, und auch das Personal hat Überschneidungen.
Kommen wir zu Deutschland. Die deutsche Politik und Sicherheitsbehörden machen sich sehr gern und häufig zum langen Arm des Diktators Erdogan, und setzen in Deutschland türkische Interessen durch. So wird kurdischer Widerstand kriminalisiert, zum Beispiel ist schon das Zeigen der Flaggen der YPG illegal.
Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: die anti-islamistischen, demokratischen Kurden, die mit Unterstützung der USA den IS besiegt haben, werden in Deutschland kriminalisiert, und die deutschen Behörden sind Erdogan in dieser Sache hörig. Immer wieder werden Kurden und ihre Unterstützer unter fadenscheinigen Begründungen verfolgt, und oft auch vor Gericht gestellt. Gerade wurde der Fall eines deutschen Kämpfers bekannt, der in Syrien gegen den IS gekämpft hat, und dem die Staatsanwaltschaft jetzt die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorwirft.
Auch kurdische Kulturvereine und andere Unterstützer des kurdischen Kampfes für Freiheit und Demokratie werden von deutschen Behörden regelmäßig verfolgt und kriminalisiert.
Die Motivation der deutschen Politik ist hierbei klar.
Deutschland macht sehr gute Geschäfte mit Erdogan, die man nicht gefährden möchte.
Außerdem stehen die Kurden dort für eine basisdemokratische Selbstorganisation, und die etablierten Mächte in Deutschland können es natürlich nicht gut finden, wenn sich zum Beispiel Betriebe oder Stadtteile basisdemokratisch selbst organisieren. Das heißt auch die Ideologie der YPG ist für das Establishment gefährlich, da sie eine realistische, offensichtlich gut funktionierende, und gleichzeitig linksradikale Politik repräsentiert.
Die Sache ist natürlich noch viel komplexer, ich habe es jetzt nur oberflächlich angerissen. Was sagt ihr dazu, dass die deutschen Behörden freiwillig Erdogans Drecksarbeit machen und demokratischen Widerstand unterdrücken?
Wenn es Fragen zur genauen Ausgestaltung des demokratischen Konföderalismus gibt, und was diesen so fortschrittlich macht (nicht nur aus Sicht der Region), oder dazu wie genau die deutschen Behörden auf vielfältige Weise legitimen kurdischen Widerstand und damit kurdisches Leben in Deutschland unterdrücken, dann her damit.
Für den Anfang ein Link:
Klammheimliche Bilderverbote und andere Formen der Repression in Deutschland
P.S.
Wenn ich hier jetzt ein Foto Öcalans zeigen würde, um die Sache zu illustrieren, wäre das übrigens auch illegal. Ziemlich bizarr, oder?