Heute war in unserem CSP-Weihnachtsklaneder Türchen 19 dran. Dahinter verbirgt sich eine von mir geschriebene Kurzgeschichte. Lektor war Jünger des Xardas. Was haltet ihr von der Story?

Innos ist mit den Tapferen!

Wie waren sie bloß in diesen Schlamassel geraten? Torge war es, der die Fremden zuerst sah, schmutzige Gestalten am Rande der Straße. Sie winkten freundlich, als Torges Gruppe näherkam. Einer hielt sogar einen Laib Brot in die Höhe. Also brachen die Männer aus ihren Verstecken im Unterholz, zuerst Nimtsche, dann Torge, danach Lusch und als letzter Jannek. Bei den Göttern, waren sie hungrig! All die Tage mit knappen Rationen hatten an ihnen gezehrt. Kein Wunder, dass sie so unvorsichtig vorgingen. Es war längst zu spät, da fiel Jannek das Rot unter den schmutzigen Hüllen der Fremden auf – das Rot des Königs.

„Na Kameraden, hungrig?“, fragte der mit dem Brot in der Hand. Sein Lächeln erinnerte Jannek an einen Wolf. Wie war es nur so weit gekommen? Waren Jannek und seine Freunde blind? Nein, sie alle hatten bloß Augen für das Brot gehabt und übersahen dabei das Offensichtliche. Schlamm bedeckte die Fremden in einer gehörigen Schicht, doch die Umrisse von Rüstungen waren klar erkennbar. Jetzt saßen sie in der Falle. Zu den vier Fremden, die sie gesehen hatten, gesellten sich acht weitere und machten damit ein Dutzend voll. Ein ganzes Dutzend Soldaten, das Jannek und die anderen Deserteure umstellte. Nimtsche der Hohlkopf, der noch immer nichts bemerkte, streckte seine Hand nach dem Brot aus. Flugs zog der Wolf es weg und sprach mit gespielter Naivität: „Brot gibt’s nur für tapfere Männer. Seid ihr denn auch tapfer?“

Oh dieser Kerl gefiel Jannek überhaupt nicht. Selbst Nimtsche schien jetzt ein schwaches Licht aufzugehen. „J… J… J… Aber ja doch“, stotterte der Hohlkopf, dem der knurrende Bauch die Angst im Kopf übertönte.

„Fein, fein…“, sprach der Wolf, brach einen Kanten aus dem Laib und schob ihn sich in den Mund. Schmatzend fuhr er fort: „Vier tapfere Milizen sitzen in zerrissenen Waffenröcken im Unterholz.“ Er zupfte Nimtsches Wappen glatt: „Na habt ihr ein Glück, dass ihr so weit weg von Gotha auf uns trefft.“ Der Wolf schluckte runter: „Aber Innos liebt schließlich die Mutigen. Das wird wohl der Grund sein.“ Als der Kerl das Brot an einen seiner eigenen Männer gab und der es verwahrte, trieb es Nimtsche die Tränen ins Gesicht.

„Nun wollen wir uns alle vorstellen.“, flötete der Wolf: „Kane lautet mein Name und dieser schmutzige Haufen ist meine Einheit. Ich weiß, bei all dem Dreck ist das schwer zu erkennen. Was allerdings auch so seine Vorteile bietet.“ Dem Torge legte Kane die Hand auf die Schulter und drückte den kräftigen Keulenschwinger nach unten: „Wer bist du denn, mein großer Freund?“ Der Hüne gab nicht sofort nach, darum trat ihn einer der Soldaten in die Kniekehle, dass er jaulend in den Schmutz stürzte. „Verzeih mir, du bist so ein großer Kerl und ich mag es nicht, wenn einer die Sonne verdeckt, der keine Wolke ist.“, mit seinen Händen hielt sich Kane den Bauch: „Wir kommen aus Vengard, wo wir uns die Wänste vollgeschlagen haben. Und weil wir hörten, dass auf Gotha die Orks ziehen, haben wir Ausrüstung und Proviant für die ganze Festung dabei. Aber das mit den Orks kann nicht stimmen. Sonst wärt ihr ja nicht hier.“ Jannek, der seit zwei Tagen nur noch Regenwasser aus der hohlen Hand getrunken hatte, überkam das Gefühl dringend pinkeln zu müssen. „Da muss also jemand gelogen haben. Wie unerhört von den Paladinen.“ Zittern überkam Lusch, denn Kane packte ihn am Kinn und drehte Luschs Kopf mal hierhin mal dahin, um ihm forschend in die Augen zu sehen: „Nur lügen Streiter Innos‘ nie. Und hält uns der Herr des Feuers nicht alle an, immer wahr zu sprechen, unsere Eide zu achten und unserer Pflicht nachzukommen? Also, was machen vier Milizen so weit weg von einem Ort, den sie eigentlich gegen Orks verteidigen müssten?“

Diesmal war die Frage nicht rhetorisch, der Hauptmann wartete auf eine Antwort. Er bekam keine. Die Zeit für Lügengeschichten war vorbei und die Wahrheit bedurfte keiner Worte. „Attus!“ Der Angesprochene unter Kanes Männer trat vor. „Mir ist so, als hätten wir eine Bande Deserteure vor uns. Ist dir auch so?“

„Jawohl Hauptmann“, antwortete Attus.

„Was macht man denn üblicherweise mit Verrätern?“, fragte Kane erneut in gespieltem Ton.

Wie einstudiert brüllten alle Soldaten des Hauptmanns: „MAN KNÜPFT SIE AUF!“

„Wirklich alle?“

„DIE GANZE BANDE!“, tönte der Chor.

„Mhhh, die ganze Bande.“, wiederholte Kane. Da gab Nimtsche plötzlich Fersengeld. Es schmatze der Matsch, bei jedem seiner Schritte. Doch trotz des Bodens machte der Hohlkopf schnell ein paar Meter gut.

Das Spannen des Bogens war kaum zu hören, wohl aber der Schuss. Ein letztes großes Planschen aus Erde und Wasser bezeugte Nimtsches Tod. „Einer ist immer dabei“, sagte Kane, den die versuchte Flucht völlig kalt ließ. „Was wir bei all unseren Sachen dummerweise nicht dabei haben, sind Stricke. Also können wir euch Verräterpack nicht anständig hängen.“ Für Jannek klang es, als ob der Hauptmann an dieser Stelle tatsächlich um Entschuldigung bat. Lusch nässte sich ein, da Kane sein Schwert zog. Selbst bei allem Schmutz und Wetter war der dunkle Fleck für jeden gut erkennbar. Kommentarlos versenkte der Hauptmann die Spitze seiner Klinge in Luschs Kehle. Von den Soldaten verzog keiner eine Mine. Weder Freude noch Mitleid stand in ihren Augen. Jetzt war es an Jannek, zu bibbern. Blase und Kehle waren in der Erwartung seines Todes wie verknotet. Die Ängste, die er in diesem Moment ausstand und vor denen er und die anderen eigentlich geflohen waren, fühlten sich unbeschreiblich an. Torges Blick wurde leer, wie der von Schlachtvieh. Da wischte der Hauptmann sein Schwert wieder sauber und steckte es weg: „Wenn Innos gewollt hätte, dass das hier wirklich mit vier Toten endet, dann hätten wir Stricke dabei gehabt. Zu desertieren, ist nicht nur Verrat, sondern auch sehr dumm. Milizen dürfen meinetwegen dumm sein, so lang sie wenigstens mutig sind. Die da…“, Kane zeigte auf den toten Lusch, dann in die Richtung, in der Nimtsche gefallen war, „… die waren ausschließlich feige. Bei aller Gnade nicht zu gebrauchen, wenn es drauf ankommt.“ Der Soldat mit dem Brot tauchte wieder auf, teilte es in zwei und hielt es Torge und Jannek hin. Obwohl es nicht besonders frisch war, kitzelte der Geruch Jannek in der Nase. Erst stülpte sich sein Magen um, dann der seines Freundes. Nur kam da nicht mehr viel.

„Esst, sobald ihr wieder könnt. Wenn wir am Ziel sind, werdet ihr die Kraft brauchen, denn wir werden bei Gotha was zu tun bekommen. Denkt immer dran, Innos ist mit den Tapferen.“