Alexis... Kassandra? Wieder diese beiden Namen, die Chloe heute Mittag schonmal erwähnt hatte und von denen Amany weder wusste, wer sie waren, noch was ihnen zugestoßen war, welches das Mädchen so aus der Fassung geraten ließ.
Das Mädchen weinte herzzerreißend, wollte weg laufen und sich verkriechen, doch Amany hielt sie davon ab.
Ein wenig hilflos blickte Amany das Mädchen an und nahm sie schließlich tröstend in den Arm. Chloe war zu erschöpft oder zu sehr in ihren eigenen Angst erstarrt, dass sie es zu ließ.
"Ich weiß, dass du Angst hast. Aber niemand wird dir etwas antun. Du wirst nicht so enden, wie Alexis und Kassandra." versuchte sie das Mädchen zu beruhigen. Gleichzeitig blickte sie zu den anderen rüber, wo Sigurd Yu irgendwas zu erklären versuchte. Amany verstand zwar nicht, was er sagte und seine Gesten waren ziemlich verwirrend. Er deutete auf seinen Hals und formte etwas, was man verschieden deuten konnte. Erwürgen? Erhängen? rätselte die Ägypterin in Gedanken, verwarf diesen aber gleich wieder, weil es null Sinn ergab.
Chloe beruhigte sich langsam wieder und als sie sich ein wenig rührte, ließ Amany sie los und dann sah sie auch, was Sigurd meinte. Den Ring um ihren Hals!
Auch wenn Neferu es sich nicht anmerken ließ, damit hatte sie nicht gerechnet. Mit irgendeiner leicht illegalen Anfrage ja, aber der Ägypter kam direkt mit Mord als Thema an. Und dann fragte er auch nicht nach jemanden der einen Mord ausführen sollte, nein er suchte einen bestimmten Mörder. Mord war grundsätzlich nicht der Alltag einer Händlerin und auch Neferu bildete da keine Ausnahme. Wer in solchen Milieus Nachforschungen anstellte konnte sich leicht die Finger verbrennen, oder selbst zum Ziel werden. Die Ägypterin hatte nur wenig Lust selbst zur Zielscheibe zu werden.
Jedoch, die Tatsache das der junge Mann von Südägypten bis nach Alexandria gekommen war und das jemand von hier aus Mörder bis nach Süden schickte, Neferu war ein wenig neugierig geworden. Vielleicht war es mehr als nur ein Mord, immerhin liefen auch wichtige Handelsrouten über Baranis. Am Besten war es wohl diesen Lateef bei seinen Nachforschungen zu unterstützen, aber diese nicht selbst durchzuführen. Falls es eine unschöne Reaktion geben sollte, so würde sie dann auch den Verursacher treffen. Falls man überhaupt etwas finden würde, die Spur des Ägypters war aus Neferus Sicht mehr als dürftig.
"Ich muss sagen, ihr überrascht mich erneut, ich bin mir nur nicht sicher ob zum Guten.", erklärte die Händlerin nachdenklich und musterte Lateef abschätzig.
"Ich handle mit vielen Dingen, jedoch nicht mit Giften und verkehre auch nicht mit gedungenen Mördern oder Giftmischern. Das endet häufig ungesund, wisst ihr?", verkündete die Schwarzhaarige energisch und beobachtete das Gesicht des Übersetzers sehr genau. Dann fiel ihr Blick wieder auf dem Pfeil.
"Dennoch kenne ich Leute, die vielleicht Menschen kennen die eure Frage beantworten können. Falls ich diese finden kann werdet ihr aber wohl selbst mit ihnen verhandeln müssen und ihre Preise zahlen, was auch immer das sein mag. Ihr versteht sicher das ich nur ungern zur Zielscheibe von Mördern werde möchte.", sagte sie entschuldigend. "Ich könnte Silos nach jemanden suchen lassen der euch damit..helfen kann.", fügte sie an und zeigte abfällig auf den Giftpfeil.
"Jedoch, ihr könnt sicher Latein, Quid pro Quo. Ich will nicht unhöflich erscheinen, jedoch bin ich Geschäftsfrau. Euch zu helfen scheint Risiken, Zeit und Geld zu kosten und ich denke wir kennen uns nicht so gut das ich es umsonst tun würde. An was habt ihr als Gegenleistung gedacht?"
Ihre Reaktion war wie er sie erwartet hatte. Sie stritt ab mit derlei Dingen zu tun zu haben, aber sie "kannte Leute" die vielleicht etwas wussten. Die Worte eines Wolfs im Schafpelz. "Ich verstehe das, nur zu gut. Wer bringt schon gerne sein Leben in Gefahr?" Natürlich kam dann die Frage der Gegenleistung. Lati seufzte kurz. "Nun, viel habe ich nicht mehr da, aber wenn ihr den Rest meines Geldes haben wollt?" Er hielt ihr seinen Geldbeutel hin, so dass sie am Gewicht erkennen konnte dass er wirklich nicht mehr sehr voll war. "Oder aber ich kann euch anbieten diesen Gefallen abzuarbeiten....falls ihr Bedarf an einem Übersetzer habt? Oder auch irgendeine andere Tätigkeit?" Auch wenn es körperliche Betätigung sein sollte, die ihm eigentlich nicht lag, diese Sache sollte es wert sein. "In jedem Fall gebe ich euch mein Wort dass ich euch dafür zurückzahlen werde."
Yu Jiao hatte den Worten der Priesterin gelauscht und dachte nun über ihre Worte nach. In diesem Land war alles so anders als daheim. Zahlreiche Götter die für verschiedene Aspekte des Lebens veranwortlich waren und wiederum neue Götter gebaren. Ein wenig klang diese Isis nach Xiwangmu, die legendäre Unsterblichkeit welche als Vermittlerin zwischen himmmlischen und irdischen Reichen diente und Menschen das Geheimnis der Unsterblichkeit lehren konnte. Doch Xiwangmu gebiert keine Kinder, kein Horus wachte über das Reich der Mitte. Xihe gebärt an jedem Tag der Woche eine neue Sonne, wäscht diese bei ihrer Heimkehr und hängt sie zum trocknen an den großen östlichen Weltenbaum. Das wusste in China doch jedes Kind! Und wofür die Unterwelt beherrschen wenn doch die Seelen nach dem Tod das selbe Leben wie vor ihm fortführen? Letztendlich war es doch sehr verwirrend, aber auch interessant. Sie hatte bei ihrer Reise schon immer gerne etwas über die Ansichten der Barbaren gelernt und auch diese Isis klang faszinierend und zumindestens sehr symphatisch. Vielleicht herrschten diese Götter ja wirklich über dieses Ägypen, immerhin hatte sie das Reich der Mitte verlassen.
Der Geist des gelben Kaiser residierte dort in seinem Garten, zusammen mit den Siling doch er war jetzt weit weg. Ebenso wie die Geister ihrer Ahnen!
Erneut tauche kurz der fürchterliche Gedanke auf, den sie sich schon häufig auf der Reise gestellt hatte. Was würde passieren wenn sie hier in der Fremde starb? Würde ihr Geist zurück in die Heimat finden, oder sich verirren und niemals die Geister ihrer Vorfahren finden.
Plötzlich riss sie Sigurd aus ihrem düsteren Gedankengang, worüber sie nicht umbedingt unglücklich war. Ihre bestürzte Miene verwandelte sich sofort zu einem interessierten Blick. Der Riese sprach bewusst langsam und machte eine ernste Miene, seine Worte mit Gesten unterstreichend. Yu Jiao lächelte verständisvoll, verstand aber fast nichts was er von ihr wollte. Mit fragenden Blick versuche sie das Anliegen des Barbaren zu verstehen. Er gestikulierte mit seinen Händen an seinem Hals, hatte er vielleicht Schmerzen dort? Nein, das schien unwahrscheinlich, das Wort für Schmerz kannte sie, es sah eher aus wie jemand der versuchte einen anderen zu erwürgen.
Drohte er ihr etwa? Sein Gesichtsausdruck schien äußerst ernst, jedoch sah die Chinesin auch keinen Grund warum er ihr drohen sollte. Nachdenklich rieb sie sich mit der Hand über die linke Wange, während Sigurd weitersprach. Ferreus war Eisen, aber was wahr nochmal anulus? Und servi war Diener oder so ähnlich. Die Chinesin presste konzentriert die Lippen aufeinander, wie gerne hätte sie doch in der kurzen Zeit schon mehr Latein gelernt. Strafe und Tod verstand sie auch, was irgendwie wieder den Gedanken mit der Drohung verstärkte.
Jedoch zeigte er jetzt nicht auf sie, sondern auf das kleine Mädchen welches gerade bei der Isis Statue mit Amany sprach. Vermutlich auf griechisch, das Gespräch würde sie vermutlich verstehen! Dann bemerkte sie schließlich den Eisenring um den Hals von dieser Chloe, so war sie genannt worden. Langsam formte sich ein Gedanke, jedoch war sie sich nicht sicher ob er richtig war und vor allem wie sie Sigurd um Bestätigung bitten konnte.
Stockend begann sie zu formulieren: "Puella, serva? Ferreus anulus exitio esse?" Sie sah den Hünen fragend an, sicher das er ihren holprigen Satz nicht verstand oder er etwas komplett anderes gemeint hatte.
Ihre Reaktion war wie er sie erwartet hatte. Sie stritt ab mit derlei Dingen zu tun zu haben, aber sie "kannte Leute" die vielleicht etwas wussten. Die Worte eines Wolfs im Schafpelz. "Ich verstehe das, nur zu gut. Wer bringt schon gerne sein Leben in Gefahr?" Natürlich kam dann die Frage der Gegenleistung. Lati seufzte kurz. "Nun, viel habe ich nicht mehr da, aber wenn ihr den Rest meines Geldes haben wollt?" Er hielt ihr seinen Geldbeutel hin, so dass sie am Gewicht erkennen konnte dass er wirklich nicht mehr sehr voll war. "Oder aber ich kann euch anbieten diesen Gefallen abzuarbeiten....falls ihr Bedarf an einem Übersetzer habt? Oder auch irgendeine andere Tätigkeit?" Auch wenn es körperliche Betätigung sein sollte, die ihm eigentlich nicht lag, diese Sache sollte es wert sein. "In jedem Fall gebe ich euch mein Wort dass ich euch dafür zurückzahlen werde."
Mitleidig lächelnd betrachtete die Ägypterin den leicht bestückten Lederbeutel des Übersetzers. Scheinbar war in Baranis nicht sehr viel Geld als Übersetzer zu verdienen, welch eine Schande. Hier in Alexandria lagen die Dinge anders, Menschen aus aller Welt kamen in die Stadt und verwandelten es zu einem Tumult aus fremden Zungen. Wohl denen die einen Einklang zwischen diesen Lauten herstellen konnten. Sie war fast schon verwundert das er nicht schon früher hier sein Glück versucht hatte, aber auch jetzt trieb ihn ja nicht sein Glück nach Alexandria. Sondern der Drang nach Aufklärung, vielleicht sogar Vergeltung. Wer wusste schon was in diesem Geist vor sich ging.
"Nun ich will euch sicher nicht das letzte Hemd abnehmen, also behaltet euer Geld lieber vorerst. Bei dem was ihr sucht werden ihr es vermutlich brauchen, wenn nicht sogar noch viel mehr. Wenn ihr mir euer Wort gebt, den Gefallen nach euren Möglichkeiten zu vergelten, so werde ich euch das glauben. Mir wird sicher etwas einfallen wo ein talentierter Mann wie ihr seinen Nutzen hat.", erklärte sie wohlwollen und schenkte dem Ägypter ein Lächeln.
"Wenn ihr einverstanden seid, so dürft ihr euch zunächst als mein Gast betrachten. Das wird euch den Besuch in Alexandria erleichtern, das erste Mal kann sehr.. erschlagend sein!", sprach sie freundlich und musste kurz schmunzeln. Neben dem Vorteil das sie diesen Lateef nicht suchen musste, würde das auch verhindern das der Übersetzer auf eigene Faust durch die Stadt lief und Leute nach Mördern oder ähnliches fragte. Alexandriner witterten Landeier zehn Meilen gegen den Wind und würden sofort versuchen ihn auszunehmen. Sie winkte Silos zu sich heran und der ältere Diener trat neben sie.
"Silos, du wirst den Herren Lateef bei seinem Vorhaben unterstützen und nach den entsprechenden Leuten Ausschau halten.", erklärte sie und Silos nickte gehorsam.
"Wie ihr wünscht, domina. Wer kümmert sich derweil um die ausstehenden Frachtpapiere für die bevorstehende Handelsfahrt nach Ostia. Ihr selbst habt doch morgen das Treffen mit dem Herren Marcus.", antwortete Silos dienstbar und sah seine Herrin fragend an. Neferu schaut kurz nachdenklich drein, dann wandte sie sich zu Lateef.
"Ich nehme an ihr seid nicht nur des Sprechens mächtig, sondern auch des Schreibens? Wenn ihr damit einverstanden seid, könntet ihr vorerst bei der Übersetzung und Niederschrift der Papiere für die Fahrt behilflich sein, während Silos für euch die richtigen Ansprechpartner sucht.",sprach sie und sah Lateef fragend an.
"So kann ich mir auch direkt ein Bild von euren Fähigkeiten machen und ihr dürft mir dann auch gerne Fragen zu Alexandria stellen wenn ihr möchtet.", fügte sie noch wohlwollend hinzu.
Yu Jiao blickte ihn lange Zeit überlegend an, scheinbar darüber nachdenkend, was er ihr wohl gesagt hatte. Am Ende fing sie an stockend zu formulieren: "Puella, serva? Ferreus anulus exitio esse?" Sigurd dachte kurz darüber nach, was sie meinen konnte – grammatikalisch klang es für ihn verwunderlich, aber es klang fast, als hätte sie mehr oder weniger den Sinn seiner Worte verstanden. Also nickte er. „Ita.“, bestätigte er nochmal, ohne groß ins Detail zu gehen, „Ferrarium egemus.“, er blickte rüber zu Chloe und Amany und bemerkte den Blick der Ägypterin, der gerade ebenfalls auf dem Eisenring lag. Sie sprach obendrein die Kleine an, auf den Ring hinweisend. Hat sie es auch erkannt?, dachte sich der Jüte und wollte bereits hingehen – wobei er sich im letzten Moment stoppte und nochmal halb umdrehte. „Sequite.“, erklärte er den Fremden und der Heilerin, dabei mit seinem Arm den Weg weisend und selbst vorausgehend.
*
Sie konnte die Tränen nicht stoppen, selbst als die junge Frau sie in ihre Arme schloss. "Ich weiß, dass du Angst hast. Aber niemand wird dir etwas antun. Du wirst nicht so enden, wie Alexis und Kassandra.", versuchte Amany sie zu beruhigen. Als wenn du ihn aufhalten könntest…dachte sich das kleine Mädchen, das ihren Gefühlen freien Lauf ließ. Es dauerte eine Weile bis sie sich soweit beruhigt hatte, dass sie wieder klare Worte von sich geben konnte – es konnte aber auch daran liegen, dass sie seit ihrem Erwachen nicht mehr getrunken hatte und jetzt quasi dehydriert war. Die Ägypterin sah es jedenfalls als Beruhigen an, denn sie ließ Chloe los und lächelte sie zuversichtlich an. Ganz plötzlich machte Amany aber große Augen und gestikulierte auf Chloe, an eine Stelle direkt unter ihrem Kinn. Das Mädchen warf ein Blick hinunter und erkannte den Grund für die Reaktion der jungen Frau: sie trug immer noch den Ring, den ihr Meister ihr aufgehängt hatte. „Du wirst ihn für immer tragen…“, hatte er ihr gesagt, an dem Tag, an dem er ihn ihr um den Hals gehängt hatte: es war genau ein Tag nach den Ereignissen in der Folterkammer gewesen. Ihr Meister hatte sie dabei angegrinst, immer noch auf den High, den er verspürt hatte, als er die beiden anderen Mädchen zerlegt hatte. Chloe konnte sich sogar noch an das vertrocknete Blut erinnern, dass auf seinen Kleidern und seinem Gesicht zu sehen war.
Sie hätte jetzt wohl wieder losgeweint, wenn sie gekonnt hätte. Stattdessen stolperte sie weg von der Ägypterin, sich plötzlich ganz schwach fühlend. Bevor Amany irgendetwas machen konnte, schlossen sich ihre Augen und sie fiel nach hinten. Mitten in die Arme des Jüten. Verdammt war das knapp…dachte sich Sigurd und schaute sich das Gesicht des Mädchens im Licht der fast vollständig verschwundenen Sonne an, Sie hat doch nicht…dachte er, als er die ihm bekannten Zeichen erkannte – er hatte seit seiner Versklavung oft genug unter Dehydration gelitten, genauso wie seine Mitsklaven. Schnell blickte er die Ägypterin an, die gerade noch erleichtert aussah – sein Blick beendete dies augenblicklich. „Aqua!“, rief er ihr zu, darauf hoffend, dass sie verstand, „Aquam eget!“
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Ita. Ferrarium egemus. Sequite. = lat. für „Ja. Wir brauchen einen Schmied. Folgt mir.“ Aqua. Aquam eget! – lat. für „Wasser! Sie braucht Wasser!“
Entsetzt beobachtete sie, wie Chloe von ihr weg stolperte. Schwach und das Bewusstsein verlierend. Amany sprang zwar schnell auf ihre Beine und eilte ihr hinter her. Doch es war zu spät. Noch bevor sie das Mädchen erreichen konnte, brach sie zusammen, in die Arme des Jüten. Das war knapp. dachte sich die Ägypterin erleichtert, als sie Sigurd mit dem Mädchen im Arm erreicht hatte.
Amany sah ihn schließlich verwirrt an, als er die Worte „Aqua“.... „Aquam eget“ rief.
"Aqua?" wiederholte sie die Worte fragend, formte mit ihren Händen ein imaginäres Gefäß und führte dieses zu ihrem Mund, für trinken. Er schien zu nicken.
"Nakia, schnell... Sie brauch Wasser." rief sie schließlich der Heilerin auf ägyptisch zu, die noch begeistert Yu und Chen von ihren Göttern erzählte und das ganze garnicht mit bekommen hatte.
Die Heilerin, schnell einer anderen Frau anweisend Wasser zu besorgen, eilte mit Yu und Chen zu den anderen.
Nakia sah sich das Mädchen an und wies alle Beteiligten an, ein Stück beiseite zu gehen. Dann kam auch schon die andere Frau mit einem Krug Wasser. Behutsam griff sie unter den Oberkörper des Mädchen´s, hob sie ein wenig an und benetzte ihre Lippen mit Wasser.
"Trink, Chloe... trink." sagte sie leise.
Mit vorsichtig Zügen trank Chloe Schluck für Schluck, doch sie war noch zu schwach.
"Es ist schon spät und Sie muss sich ausruhen. Am besten dort drüben im Tempel." erklärte die Heilerin und sah schließlich zu Yu.
"Wärst du bitte so freundlich und übersetzt für mich." bat Nakia die Chinesin, als Sigurd verwirrt drein blickte.
Yu Jiao war gerade damit beschäftigt über die letzten Worte des Barbaren nachzudenken, als plötzlich das kleine Mädchen zusammenklappte und direkt in die Arme des Riesen fiel. Die Chinesin hatte schon fast Angst das er das abgemagerte Ding zerquetschen würde, aber er ließ sie nur sanft zu Boden gleiten. Sigurd schrie nach Wasser, aber bevor die Asiatin nach ihrem Trinkschlauch suchen konnte, hatte man auch schon einen Krug herbeigetragen. Vorsichtig ließ man das belebende Nass in ihren offenen Mund fließen, aber Chloe blieb weiter recht benommen. Bestürzt schaute sich Yu das Mädchen an, es war generell in schlechter Verfassung und wohl mehrmals geschlagen worden. Gingen die Barbaren hier so mit kleinen Mädchen um?
Nakia die Heilerin sprach plötzlich wieder Yu Jiao an und bat sie erneut zu übersetzen. Die Chinesin hätte es vielleicht albern gefunden, dass gerade sie, eine Fremde aus einem Land tausende Meilen entfernt, übersetzen sollte. Jedoch war die Situation viel zu dringlich für solche Gedankenspiele und so durchforschte sie ihre Gedanken nach dem Wort für Tragen.
"Sigurd, porta Chloe!", sprach sie zum Hünen und zeigte auf das Mädchen in seinen Armen. Dann drehte sie sich zum Inneren des Tempels um.
"In Templum.", fügte sie hinzu und zeigte zu der Stelle welche Nakia wohl gemeint hatte. "Sodes.", fügte sie noch freundlich hinzu, befürchtend das ihr schlechtes Latein sehr unhöflich wirkte.
Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
Latein:
Porta = Trage!
in Templum = in den Tempel
Sodes= bitte; wenn du so gut sein willst
Eine junge Ägypterin mit einem weißen Tuch über ihrem Kopf wanderte an den Händlern der Karawane vorbei. Sie interessierte sich nicht für die Neuankömmlinge, sondern mehr für die alexandrinischen Händler, die sie aufsuchten. Sie hatte bereits mehrere von ihnen angesprochen, immer wieder dieselbe Frage mit derselben Antwort: „Braucht ihr eine Arbeiterin?“ und „Nein.“ Da wird man ja noch verrückt!, dachte sich Sari, nicht wissend, woran es lag, dass niemand ihr eine Arbeit geben wollte, Langsam fange ich an zu glauben, dass das alles hier Sexisten sind!
Nach ihrem Treffen mit Titos hatte sie vergeblich versucht eine Einstellung im Palast zu suchen, woraufhin sie dem Sofós ihren Rauswurf beichten musste – er war nicht wirklich erfreut gewesen. Seit Tagen versuchte sie nun eine Anstellung zu finden, dabei hoffend, dass die einheimischen Händler großzügiger waren, wenn sie ein erfolgreiches Geschäft abgeschlossen hätten.
"Eine merkwürdige Frage für einen Übersetzer, wie ihr mir sicher zustimmt.", hörte sie plötzlich eine weibliche Stimme unweit ihrer Position.
Sie blickte rüber und erkannte eine junge Ägypterin, mit zwei Dienern im Schlepptau, die gerade mit einem ziemlich erschöpft aussehenden jungen Mann sprach. Der Kleidung nach schien die Frau eher zu der wohlhabenderen Sorte zu gehören. Vielleicht hab ich ja mit der mehr Glück, als bei dies’n Knausern…dachte sich Sari und fing an zu lauschen.
Das Gespräch erwies sich als deutlich interessanter, als sie erwartet hatte. Und ich dachte sie wäre die interessante Person…überlegte sich Sari, als die wohlhabende Frau ihrem Diener irgendwelche Anweisungen gab, Aber dieser Fremde…vielleicht sollte ich an ihm dranbleiben…, wobei sie den Gedanken schnell verwarf, dass Bespitzeln deutlich entspannter war, als einen Job zu suchen.
Die Leute verstanden ihn glücklicherweise sehr schnell und gaben dem Mädchen zu Trinken – auch wenn diese eher unwillig trank und in einer Art Halbschlaf verweilte. Die Heilerin bat Yu um irgendwas und die Fremde brauchte eine Weile, bevor sie Sigurd anschaute. Hatte das etwas mit mir zu tun?, wunderte sich der Jüte, als die Chinesin anfing ihm etwas zu sagen: "Sigurd, porta Chloe!“, das klang wie ein Befehl, aber von welchen Tor redet sie?, „In Templum.“, Im Tempel? Das Tor im Tempel?, „Sodes.“, sie bittet mich darum…ok. Ich weiß zwar nicht, was das für ein Tor im Tempel ist, aber wenn Yu mich darum bittet, sage ich nicht nein…, dachte er sich und ging in die Richtung, die man ihm gezeigt hatte, Chloe tragend, nach einem Tor Ausschau haltend.
Der geschorene Riese schien zu verstehen was die Chinesin meinte, auf jedenfall erhob er sich mit Chloe in den Armen. Dann ging er, das kleine Mädchen tragend, in die Richtung welche ihm gezeigt worden war. Dabei schaute er recht verwirrt zwischen Garten und Tempel umher, scheinbar nicht genau wissend wo er mit Chloe hin musste. Yu Jiao wusste es allerdings auch nicht und so sah sie fragend zu Nakia während sie dem Hünen durch den Garten folgte. Inzwischen leuchtete auch schon der Sternenhimmel über dem Garten, aber keiner der Anwesenden schenkte ihm momentan besonders Beachtung.
"Wo soll er das Mädchen hinbringen?", erkundigte sie sich bei der Priesterin.Die Priesterin war bisher hinter ihnen gelaufen, ging aber jetzt ein paar Schritte voran, hinein in den Tempel. Sie erreichten einen kleinen Raum mit Feuerschalen, in denen mehrere steinerne Bänke angeordnet waren. Die Priesterin blieb schließlich mitten im Raum stehen und drehte sich wieder zu der Chinesin um.
"Ihr könnt ihm sagen das er sie bitte auf der Bank hinten links ablegen soll, möglichst vorsichtig.", sprach sie zu Yu und verwies auf die entsprechende Bank.
"Ibi sodes, Sigurd.", sprach Yu Jiao zu dem Jüten und zeigte nochmal bestätigend auf die entsprechende Steinbank.
Sie erreichten das Dorf nach Sonnenuntergang. Es war ziemlich dunkel geworden, denn Wolken lagen am Himmel, weswegen die beiden Männer die Pferde nur vorsichtig zwischen den bewässerten Feldern hindurch manövrierten. Sie erwarteten, dass nur Stille und Dunkelheit sie begrüßen würde, denn die meisten Einwohner müssten bereits schlafen, aber vom Ufer des nahegelegenen Flusses – der auch nur einer der vielen Seitenarme war, die vom See zum Nil führten – hörten sie laute Geräusche und konnten Fackelschein erkennen. „Wir sollten ohne die Pferde weiter.“, schlug Raneb vor und ohne sich um eine Antwort zu kümmern, kletterte er bereits vom Pferd, „Mal sehen wer das ist.“ Titos tat es ihm gleich und sie banden ihre Pferde an einen nahegelegenen Pfosten und schlichen weiter vorwärts, Richtung Geräuschkulisse und Fackeln.
Zunächst wurde es mit jedem näherkommenden Schritt lauter, als es plötzlich so laut wurde, dass sie einige Worte wahrnehmen konnten: „Auf die Pferde!“; „Los, los!“; „Bewegt euch ihre Lahmärsche!“ und ähnliches. Dann konnten sie Tiergeräusche wahrnehmen, Pferde wie Kamele, bevor das Geräusch vom Reiten zu hören war – vom Wegreiten. Es wurde mit jedem Moment leiser, weswegen die beiden Verborgenen nun zügig den Fluss erreichten, die Vorsicht bereits vergessend. Sie sahen nur noch die Nachzügler der Gruppe wegreiten, Richtung Westen. „Sie reiten nach Sais.“, erkannte Raneb auf der Stelle und drehte sich um. „Wer waren die Typen?“, fragte Titos, der seinem Verbündeten zurück zu den Pferden folgte. „Ich weiß es nicht.“, erklärte der Ältere, „Aber es klang nicht wie eine Karawane…ich hab ein ungutes Gefühl…“, er blieb für einen Moment stehen und blickte in eine bestimmte Richtung, „Sieh!“, rief er seinem Kameraden mit ausgestreckten Arm zu. Titos folgte dem Blick zu einer Stelle, die gerade vom Mond beschienen wurde, der kurz durch die Wolkendecke brach: es war eines der Häuser des Dorfes, teilweise verbrannt; sie konnten auch die Leiche eines erwachsenen Mannes in der Nähe erkennen, dem der Schädel eingeschlagen worden ist. Titos blickte zurück zu seinem Gefährten. „Wer auch immer sie sind.“, fasste er die Erkenntnis in Worte, „Wir müssen sie aufhalten.“
Sigurd suchte noch nach dem Tor, als Yu Jiao die Heilerin Naskia etwas fragte. Er drehte sich zu den beiden Frauen um, hörte den ihm unverständlichen Worten zu – wobei er das Wort Mädchen verstand – und dann fing Naskia an ihm und ihr mit Gesten den Weg zu weisen, während sie selbst voranging. Auf diese Weise erreichten sie einen kleinen Raum, indem nur Feuerschalen und eine Bank aus Stein erkennbar waren. "Dort bitte, Sigurd.", sprach Yu Jiao in Latein und verwies auf diese Steinbank, wobei sie weitere Gesten benutzte um auf Chloe zu verweisen. Der Jüte legte sie behutsam auf die Bank. Nachdem er ihren Kopf darauf gebettet hatte und sie loslassen konnte, beschaute er sich ihr schlafendes Antlitz genauer. Sieht so Thyri jetzt aus?…wunderte sich der Germane, sich an seine kleine Schwester erinnernd, die er seit ihrer beider Versklavung vor sieben Jahren nicht mehr gesehen hatte, Sie müsste jetzt in ihrem Alter sein, er bemerkte, dass sich der Brustkorb der Kleinen hob und senkte, ein Zeichen, dass sie nun fest schlief, Ob ich sie jemals wiedersehen werde? Er verblieb so für eine kurze Weile. Dann nahm er einen tiefen Atemzug und drehte sich zu den Anderen um, überprüfend was sie so trieben.
Während sich die Priesterin jetzt um das kleine Mädchen kümmerte, drehte sich Yu Jiao wieder zu ihrem Bruder um. Dieser war ihr schweigend gefolgt und hatte sie auch die ganze Zeit gewähren lassen. Sein Gesichtsausdruck war auch nicht mehr so abweisend wie vorhin, wobei die Chinesin schon der Meinung war das er ruhig mehr lächeln könnte. Als Anstoß lächelte sie ihn jetzt zufrieden an. "Das lief doch ganz gut.", sagte sie gutgelaunt auf chinesisch zu ihrem Bruder. Dieser lächelte sie leicht feixend an.
"Sicherlich. Eine interessante Szene, diese ägyptische Barbaren, der Riese und dazwischen meine Schwester die dafür sorgt das man sich versteht. Zielführend.", anwortete er worauf Yu Jiao fröhlich grinste und nickte. Dann wurde ihr Blick nachdenklich und sie legte ihre Stirn in Falten. "Heee! Machst du dich etwa über mich lustig?", fragte sie eingeschnappt und schlug ihn kurz schwach mit der flachen Hand. Chen schenkte ihr ein freches Grinsen. "Wie könnte ich Schwester? Ich will deine Leistungen nicht schmälern, aber inwiefern hat uns das auf unserer Suche weitergeholfen?", fragte er skeptisch und sah seine Schwester fragend an. Diese warf ihm einen trotzigen Blick zu.
"Ich lerne Leute aus der Gegend kennen, dass ist sicher hilfreich. Außerdem scheinen sie nett zu sein und ich konnte diese fremde Sprache üben. Wir kommen wohl kaum weiter, wenn wir wie du da stehen und alle grimmig anschauen.", erwiderte sie sehr schnell auf chinesisch. Chen sah seine Schwester nachdenklich an, er war sich noch nicht sicher, wie ein Straßenmädchen und ein Mann der die hiesige Sprache nicht konnte, ihnen nützlich sein sollte. Aber er hatte ja auch keinen besseren Plan.
"Ich gebe auf, vielleicht hast du Recht. Es ist schon dunkel geworden, vielleicht solltest du deine neue Freundin fragen ob sie eine Möglichkeit kennt wo man die Nacht verbringen kann. Oder vielleicht die Priesterin.", sagte Chen entgegenkommend und lächelte seine Schwester an. Sofort verschwand der kämpferische Ausdruck in ihrem Gesicht und wurde durch ein sanftes Lächeln ersetzt. "Gerne doch.", antwortete sie triumphierend und ging leichten Schrittes zu Amany.
"Amany, wenn ich dich etwas fragen dürfte? Inzwischen ist es schon nacht geworden und ich vermute die Tore von Alexandria werden schon verschlossen sein. Denkst du es gibt in diesem Dorf eine Möglichkeit zu schlafen? Wenn es niemanden stört können wir ja vielleicht auch bei unseren Pferden schlafen.", fragte sie die Ägypterin gutgelaunt und mit einem bezaubernden Lächeln.
Mitleidig lächelnd betrachtete die Ägypterin den leicht bestückten Lederbeutel des Übersetzers. Scheinbar war in Baranis nicht sehr viel Geld als Übersetzer zu verdienen, welch eine Schande. Hier in Alexandria lagen die Dinge anders, Menschen aus aller Welt kamen in die Stadt und verwandelten es zu einem Tumult aus fremden Zungen. Wohl denen die einen Einklang zwischen diesen Lauten herstellen konnten. Sie war fast schon verwundert das er nicht schon früher hier sein Glück versucht hatte, aber auch jetzt trieb ihn ja nicht sein Glück nach Alexandria. Sondern der Drang nach Aufklärung, vielleicht sogar Vergeltung. Wer wusste schon was in diesem Geist vor sich ging.
"Nun ich will euch sicher nicht das letzte Hemd abnehmen, also behaltet euer Geld lieber vorerst. Bei dem was ihr sucht werden ihr es vermutlich brauchen, wenn nicht sogar noch viel mehr. Wenn ihr mir euer Wort gebt, den Gefallen nach euren Möglichkeiten zu vergelten, so werde ich euch das glauben. Mir wird sicher etwas einfallen wo ein talentierter Mann wie ihr seinen Nutzen hat.", erklärte sie wohlwollen und schenkte dem Ägypter ein Lächeln.
"Wenn ihr einverstanden seid, so dürft ihr euch zunächst als mein Gast betrachten. Das wird euch den Besuch in Alexandria erleichtern, das erste Mal kann sehr.. erschlagend sein!", sprach sie freundlich und musste kurz schmunzeln. Neben dem Vorteil das sie diesen Lateef nicht suchen musste, würde das auch verhindern das der Übersetzer auf eigene Faust durch die Stadt lief und Leute nach Mördern oder ähnliches fragte. Alexandriner witterten Landeier zehn Meilen gegen den Wind und würden sofort versuchen ihn auszunehmen. Sie winkte Silos zu sich heran und der ältere Diener trat neben sie.
"Silos, du wirst den Herren Lateef bei seinem Vorhaben unterstützen und nach den entsprechenden Leuten Ausschau halten.", erklärte sie und Silos nickte gehorsam.
"Wie ihr wünscht, domina. Wer kümmert sich derweil um die ausstehenden Frachtpapiere für die bevorstehende Handelsfahrt nach Ostia. Ihr selbst habt doch morgen das Treffen mit dem Herren Marcus.", antwortete Silos dienstbar und sah seine Herrin fragend an. Neferu schaut kurz nachdenklich drein, dann wandte sie sich zu Lateef.
"Ich nehme an ihr seid nicht nur des Sprechens mächtig, sondern auch des Schreibens? Wenn ihr damit einverstanden seid, könntet ihr vorerst bei der Übersetzung und Niederschrift der Papiere für die Fahrt behilflich sein, während Silos für euch die richtigen Ansprechpartner sucht.",sprach sie und sah Lateef fragend an.
"So kann ich mir auch direkt ein Bild von euren Fähigkeiten machen und ihr dürft mir dann auch gerne Fragen zu Alexandria stellen wenn ihr möchtet.", fügte sie noch wohlwollend hinzu.
Lateef atmete sichtlich innerlich auf. Sie bestand nicht auf Geld sondern gab sich mit einem körperlichen Dienst zufrieden. Hätte sie dem nicht zugestimmt, so wäre seine Reise jetzt wahrscheinlich zu Ende gewesen, denn er hatte keine Ahnung wo er hier in der Fremde auf Anforderung mehr Geld herbekommen sollte. "Dann ist es abgemacht." Er nickte auch dem älteren Begleiter der jungen Herrin zu. Wenn sie hier wirklich einige Kontakte hatten, war es vielleicht sogar besser wenn dieser Silos vorerst alleine loszog. Ein Fremder an seiner Seite der derlei Fragen stellte würde wohl zu viel Aufsehen erregen. "Ja Herrin, ich kann auch schreiben." erwiderte er höflich. Er ließ sie vorangehen um sich zu den Dokumenten, welche er übersetzen sollte, führen zu lassen. "Nun, eine Frage fällt mir tatsächlich ein - diese ganze, glorreiche Fassade der Stadt: Was steckt dahinter? Ist die Stadt sicher? Ist ein Mörder, wie der den ich verfolge, dort ungewöhnlich? Oder gibt es dort viele seiner Sorte?....." Pompöse Orte waren meist mehr als bloß ein schöner Anblick. Ihn interessierte es wirklich wie viel Intrigen in dieser Stadt gesponnen wurden. "Hm?" Ohne stehen zu bleiben drehte er sich einmal kurz um. Ihm war als....hatte er sich das eingebildet? Wurde er vielleicht wegen dieser Sache ein wenig wahnhaft. "Verzeiht. Mein Verstand spielte mir wohl einen Streich....."
Sterne funkelten bereits am Nachthimmel, während der Mond von einzelnen kleinen, durchziehenden Schleierwolken verdeckt wurde. Amany hatte sich ein paar Schritte von den anderen entfernt und saß nun mit dem Rücken an Tempelwand gelehnt am Boden. Sie war nach diesem verrückten Tag einfach nur noch erschöpft.
Dennoch war sie nah genug dran, um die Unterhaltung zwischen Yu und ihrem Bruder mit an zu hören. Sie schmunzelte und auch wenn sie kein Wort davon verstand, worüber die beiden sprachen, schienen sie Geschwister typisch zu streiten.
Während sie die beiden beobachtete, fragte sie sich, wie es wohl sein musste jemand zu haben, der einen liebte und beschützte?! Allerdings verwarf sie den Gedanken gleich wieder, sie war alleine.
Plötzlich wandte sich Yu an die junge Ägypterin und wollte wissen, ob es hier Möglichkeiten zum übernachten gab. Sie schlug sogar vor bei den Pferden zu schlafen.
Amany überlegte einen Augenblick und noch bevor sie antworten konnte, mischte sich die Heilerin ein.
"Verzeiht, ich habe zufällig euer Gespräch mit angehört." begann die Heilerin entschuldigend, warf nochmal einen Blick auf die schlafende Chloe und sprach weiter.
"Ihr dürft gerne hier im Tempel übernachten, wenn ihr wollt." Nakia deutete auf ein paar leere Steinbänke.
Amany ließ sich das nicht zweimal sagen. Gähnend stand sie auf und suchte sich ein ruhiges Eckchen....
10.01.2019
14:23
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Sigurd – Dorf Sais, am See Mareotis – Ende März 167 n.Chr. – Nachtzeit
Der Jüte beobachtete wie die beiden Fremden sich stritten – denn obwohl er kein Wort verstand, so war zumindest das offensichtlich. Ob sie ein Liebespaar sind?, dachte sich Sigurd, sich daran erinnernd, dass seine Eltern auch häufiger in so einer Art und Weise miteinander gestritten hatten. Von der Mimik beider streitenden Parteien ausgehend, war scheinbar Yu Jiao die Siegerin. Daraufhin wendete sie sich um und ging zur jungen Ägypterin, die sich bereits hingesetzt hatte, an einer der Tempelwände gelehnt. Die Chinesin sprach sie auf Griechisch an, aber bevor Amany etwas sagen konnte, trat die Heilerin dazu – scheinbar verstehen sie sich gut, dachte sich der Jüte, denn die Mimik aller drei Frauen sprach von Einverständnis. Amany stand daraufhin unvermindert auf und ging zu einem der Steinbänke, die in den Räumlichkeiten verteilt waren – ihrem Gähnen und leichten Austrecken der Gliedmaßen nach zu urteilen, schien sie sich fürs Schlafen vorzubereiten. Es ist ja auch schon spät, dachte sich der Jüte und trat nach draußen. Eine der wenigen Dinge, die er an diesem Teil der Welt schätzte, waren die Nächte: während es am Tag fast schon brütend heiß werden konnte, war es in den Nächten – sofern das Wetter mitspielte und das tat es oft – meist weder zu kalt, noch zu warm. Jetzt war es auch nicht anders, auch wenn vom Osten her Wolken kamen. Sehen aber nicht wie Regenwolken aus…dachte sich Sigurd und ging zurück zu dem Schlafplatz, auf dem er zuvor gelegen hatte. Er setzte sich hin, stellte aber fest, dass er nicht mehr so müde war wie zuvor. Ich hab ja auch weiß Tyr wie viel schon geschlafen in letzter Zeit…dachte er sich und lehnte sich gegen die äußere Tempelwand hinter sich, gen Osten blickend und leicht dösend.
"Ich danke euch sehr Nakia. Mein Bruder und ich nehmen euer Angebot mit Freuden an.", bedankte sich Yu Jiao hocherfreut, faltete die Hände und verbeugte sich höflich vor der Priesterin. Dann drehte sie sich um und schritt beschwingt und freudestrahlend zurück zu ihrem Bruder.
"Wir dürfen die Nacht im Tempel verbringen.",erklärte sie gutgelaunt und blieb erwartungsvoll vor ihrem Bruder stehen. Dieser nickte zufrieden, dann drehte er sich kurz zu der Priesterin um und verbeugte sich ebenfalls höflich vor dieser. Anschließend drehte er sich wieder zu seiner Schwester um.
"Vielleicht lag ich ja falsch. Und du richtig.", bemerkte er bewusst leise. Während sich auf Yu Jiaos Gesicht ein breites triumphierendes Lächeln bildete, beschloss Chen ihr nicht zuviel Zeit zum feixen zu geben. "Dann sollten wir wohl unsere Sachen holen gehen. Unsere Pferde mögen sicher sein, aber ich würde nur ungern unsere Habe unbeaufsichtigt lassen. Zu viele Dinge die lange Finger in Verlockung führen könnten.", schlug er vor und die Chinesin lächelte zustimmend. "Dann los.",entgegnete sie motiviert und klatschte kurz in die Hände. Sie schaute sich kurz um. Die Priesterin kümmerte sich um das Mädchen, Amany hatte sich auf einer Bank niedergelassen und auch Sigurd schien an die Wand gelehnt leicht wegzudämmern. Die Asiatin konnte es verstehen, auch sie fühlte eine leichte Müdigkeit in sich aufsteigen. Sie schüttelte das Gefühl ab und folgte ihrem Bruder. Noch war keine Zeit zum Ruhen.
Yu legte den kleinen Sattel und die Decken neben der Steinbank ab, während ihr Bruder Satteltaschen und anderes Gepäck auf den Tempelboden niederlegte. Dann legte sie vorsichtig einen kleinen länglichen Stoffbeutel auf der Steinbank ab. In ihm befanden sich die beiden dizi Querflöten, welche mit zu ihrem wertvollsten Besitz zählten. Sie schaute auf die abgelegte Habe, es war nicht viel aber genug zum Leben. Manches war mit ihnen aus China gekommen, anderes hatten sie auf der Reise erworben, Viel mussten sie nicht mehr von den Pferden holen. Eilig gingen die beiden Asiaten zurück zu den Stallungen, Chen holte seine chinesische Armeearmbrust und eine Tasche voller Bolzen. Auch Yu Jiao nahm ihren Köcher mit den Pfeilen und hängte ihn sich rechts um die Hüfte, dann legte sie sich ihren Bogen um die Schulter. Er war handgefertigt, inspiriert von den Bögen der nördlichen Steppenvölker jenseits des Reiches. Zuletzt nahm sie ihr Schwert auf, natürlich nicht das Familienschwert welches ihrem Bruder anvertraut worden war. Aber eine feine Arbeit von einem hervorragenden Schmied, leicht aber tödlich. Mit der Schwertscheide in der rechten Hand folgte sie ihrem Bruder zurück zum Tempel. Der Himmel über ihnen war klar und voller Sterne. Normalerweise hätte sie sich ein wenig Zeit genommen die Sternenbilder zu betrachten, aber nach dem langen Tag war sie zu erschöpft und wollte sich lieber schnell hinlegen.
Die beiden Asiaten waren gerade an den Treppen des Tempels als Chen plötzlich stehenblieb. Sein Blick war in den dunklen Horizont gerichtet. Yu Jiao die schon auf den Stufen war drehte sich fragend zu ihm um: "Was ist los?" Der Blick ihres Bruders war starr und fokussiert, sie trat neben ihn und schaute auch in die Dunkelheit.
"Was schaust du ins Dunkle?", fragte sie erneut und sah ihn neugierig an. Ihr Bruder hob ermahnend die Hand. "Still. Hör hin.", ermahnte er sie.
Die Chinesin lauschte in die Stille der Nacht. Sie hörte nichts. Zunächst. Dann meinte sie etwas zu vernehmen,Getrappel jedoch schwach und entfernt. "Reiter?", fragte sie ihren Bruder. "Ja, genau. Noch entfernt, aber wenn man lange gegen die Xiongnu streitet bekommt man ein Gefühl dafür. Die Dunkelheit trägt das geräusch weit über den Boden der Wüste. Wenn du genau hinschaust siehst du auch kleine leuchtende Punkte am Horizont. Fackeln. Und auch in der Nacht kann man die Schatten bemerken welche der aufgewirbelte Sand in der Dunkelheit zeichnet.", erklärte der Chinese seiner Schwester mit leiser Stimme. Angestrengt schaute sie in den Horizont, aber ihr Blick war noch nicht so geschult wie der ihres Bruders.
"Was denkst du, eine Karawane?", fragte sie vorsichtig. Chen sah nachdenklich aus, schüttelte aber entschlossen den Kopf.
"Zu schnell und keine vernünftige Karawane reist mehr zu dieser Tageszeit. Eine Patrouille wäre möglich, jedoch...unwahrscheinlich zu dieser Zeit. Und auf so einem Wege.", erklärte Chen und schaute sie angespannt an. "Ich will nichts herbeibeschwören, aber sie sind auf dem Weg hierhin. Und ich habe Zweifel das sie gute Absichten haben.", sprach er skeptisch. Jetzt konnte auch schon Yu Jiao die Punkte am Horizont erkennen. Nervös sah sie ihren Bruder an, vielleicht waren es ja doch Soldaten, oder sie drehten noch ab. Chen fasste sie an ihre Schulter.
"Geh in den Tempel, informiere diese Priesterin das sich Reiter nähern. Wenn sie von keinen Patrouillen weiß...", er dachte kurz nach und sah zum zweiten Stock des Tempelgebäudes, "dann nimm deinen Bogen und geh in das Obergeschoß. Von dort hast du einen guten Überblick. Ich bleibe in der Nähe des Tores und ziehe mich in den Tempel zurück falls sie feindselig sind.", verkündete er entschlossen. Yu Jiao sah ihn zögernd an, doch sein Blick ließ keine Widerworte zu. Die Chinesin lief die Treppen hoch, sich das Schwert umgürtend. Dann rannte sie durch das Tor hinein in das Herz des Tempels. Chen sah ihr kurz nach und drehte sich dann wieder zum Horizont, seine Armbrust langsam spannend.
Die Abmachung war getätigt, ein Gewinn momentan noch für beide Seiten nicht in Aussicht. Aber auch wenn dieser Lateef augenscheinlich momentan den besseren Abschluss gemacht hatte, so war sich Neferu sicher das sich diese Investition auszahlen würde. Manchmal musste man einfach auf seinen Instinkt vertrauen. Die vier setzten sich nun in Bewegung, zurück in Richtung Stadt. Neferu und Lateef gingen voraus, gefolgt von Hent und Silos. Die Ägypterin hatte recht gute Laune und steuerte beschwingt auf das große Stadttor zu, den Fragen des Übersetzers folgend. Gerade als sie fast das große Tor passiert hatten, schaute sich ihr neue Begleiter auf einmal kurz um, als ob er etwas gesehen hätte. Neferu entgegnete zunächst nichts zu seiner Entschuldigung, sondern lächelte nur verständnisvoll. Dann drehte sie sich kurz im gehen zu Silos um und warf diesem einen fragenden Blick zu. Dieser schaute skeptisch zurück und ließ seine Augen dann kurz leicht kreisen. Neferu verzog für eine Sekunde kurz angestrengt den Mund, dann warf sie ihm einen vielsagenden Blick zu, der von Silos mit einem kurzen Heben der Augenbrauen bestätigt wurde. Damit war diese stumme, nur ein paar Sekunden dauernde Kommunikation beendet.
Neferu wandte sich wieder ihrem Gast zu, während Silos gewohnt neugierig die anderen Passanten durch das Tor musterte. Oftmals konnte man alte Bekannte erblicken und so Rückschlüsse auf ihre Geschäfte ziehen. Die Händlerin hingegen ergriff jetzt das Wort:
"Gewöhnt euch daran, dies kann im Gedränge der Großstadt öfter passieren.", erklärte sie beschwichtigend und kicherte kurz. Genau in diesem Moment traten sie auch durch das Stadttor, direkt hinein in das erwähnte Gedränge. Neferu trat nah an Lateef heran, damit dieser nicht auf einmal in der Menschenmenge unterging.
"Bleibt dicht bei mir, wir wollen ja nicht das ihr verloren geht.", erklärte sie und ging einen kleinen Schritt voraus.
"Um eure Frage zu beantworten, wie ihr jetzt wohl deutlich seht, dies ist eine große Stadt mit tausenden Menschen aus aller Welt. Wo Licht ist, ist auch Schatten das wird wohl selbst in Baranis so sein. Nur ist hier alles größer, wodurch es auch die Schatten werden.", erzählte sie während sie sich durch die Menschenmenge drängte.
"Es ist sicher, sofern man die falschen Orte meidet und seine Sinne beisammen hat. In dunklen Gassen wohnen dunkle Gestalten und auch im Hafenviertel gibt es Ecken die ihr höchstens bei Tage besuchen solltet. Gerade wenn ihr dort nicht aufgewachsen seid wie ich.", ermahnte sie den Südägypter und warf ihm kurz einen ernsten Blick zu.
"Was die andere Frage betrifft, viele Menschen bedeuten auch viele Probleme. Manche Leute lösen ihre Probleme mit Gewalt und ich bin sicher es gibt Leute die dies auch für andere Leute ausführen. In so einer großen Stadt kann sich jeder gut verstecken auch Mörder.", erklärte sie weiter und wich gekonnt einem Passanten aus der Lateef dann leicht anrempelte. "Kontrolliert eure Habe.", merkte Neferu beiläufig an und fuhr erst fort als der Übersetzer kein Fehl vermeldete.
"Was euren Mord angeht, dieser klingt etwas anders als ein normales Verbrechen. So was kommt hier auch selten vor. Jedoch... erst vor wenigen Tagen wurde ein hiesiger einflussreicher Händler ermordet. Direkt in seiner gut bewachten Wohnung. Für mich ein Anzeichen das es hier ein paar professionelle Mörder geben könnte. Ob es klug ist nach solchen Leuten zu suchen, bleibt jedem selbst überlassen.", erzählte Neferu und ging etwas langsamer damit Lateef gut folgen konnte. Dann kamen die drei Personen an einer Tür an, Silos war während des Gangs durch die Menge unaufällig in den Menschenmassen verschwunden. Neferu öffnete die Tür und ging voraus. Mit einer Geste forderte sie auf zu folgen. "Die Hauptstraße ist um die Zeit brechend voll, deswegen ist es wohl klüger eine kleine Abkürzung zu nehmen.", verkündete sie zu Lateef und lächelte süffisant.
Sie waren mitten in einem größeren Lager mit verschiedenen Krügen und Amphoren, welches angenehm kühl in Vergleich zu draußen war. Entschlossen schritt Neferu durch die Lagerhalle und nahm dann eine der drei Türen welche auf der anderen Seite aus dem Lager führten.
Nach zwei kleinen Räumen befanden sie sich wieder draußen, nur in einer kleinen Gasse abseits der Hauptstraße. Erneut schritt die Ägypterin voran, sehr zielstrebig und bei der ersten Kreuzung sofort nach rechts abbiegend. Kurz darauf kam eine weitere Kreuzung bei welcher sie wieder rechts abbog und dann bei der dritten wiederum nach links ging. Das ganze Viertel schien nur ein einzelnes Wirrwarr aus Gassen zu sein, viele der Häuser waren etwas höher und häufig verdeckten Sonnensegel die Sicht nach oben und spendeten Schatten vor der Sonne.
"Ich gebe zu, wenn man sich hier nicht auskennt verläuft man sich sehr schnell, aber dafür kommt man schnell voran. Falls ihr aber mal alleine durch die Stadt wollt, nehmt besser die Hauptstraße. Und nehmt niemals nachts diese Gassen." entschuldigte sich die Ägypterin bei dem verwirrt aussehenden Übersetzer, den letzten Satz als Mahnung aussprechend. "Was die Morde angeht, es ist wohl nicht ungewöhlich das ein reicher Händler in Alexandria sich Feinde macht. Feinde die Mörder anheuern. Aber wie liegt die Sache bei eurem Bekannten wenn ich fragen darf? Hatte er eine einflussreiche Position die ihm Feinde eingebracht hat? Baranis ist meiner Meinung nach viel zu weit zu entfernt, um jemanden aus Alexandria ohne Grund für einen Mord zu entsenden.", fragte Neferu den Übersetzer neugierig während sie nun wieder etwas langsamer durch die Gassen schlenderten.
Sari folgte der kleinen Gruppe, bestehend aus zwei Frauen und zwei Männern, wobei einer der Männer offensichtlich älter war. Er wirkt wie ein Sklave…dachte sich die Verborgene, als sie für einen Moment zu nahe an den Fremden aus Baranis kam, wodurch er anfing sich verwirrt umzuschauen. Das war knapp…dachte sie sich, bereits wieder in sicherer Entfernung, Scharfe Sinne dieser Typ…ganz klar nicht normal…sie fing an zu grinsen Ich muss heute kein‘n Job mehr suchen, kein‘n Job mehr suchen, Job mehr suchen, Job mehr suchen…, musizierte sie in ihren Gedanken, frohlockend, wobei sie hinterher kichern musste. Aber die Aufmerksamkeit des Übersetzers zwang sie trotzdem zu Vorsichtsmaßnahmen. Kaum waren sie in die Stadt eingetreten, nutzte die junge Frau eine Seitengasse um unbemerkt auf das nächste Dach zu klettern. Egal wie hoch es auch ist, niemand schaut je nach oben…dachte sie sich, während sie in hockender und schleichender Haltung über das Dach wanderte. Hier oben nutzte sie diverse Hindernisse, wie Schornsteine oder die Neigung mancher Dächer, um sich vor Blicken zu verbergen, die zufälligerweise doch nach oben gerichtet waren – und sofern sie jemand doch sah, war sie meist bereits weg, bevor die Person genügend Zeit hatte darüber nachzudenken, ob dort wirklich etwas gewesen ist. Sie brauchte zwar ein paar Momente, aber mit ihrem geübten Blick entdeckte sie die Gruppe fix und behielt sie von da an stets im Blick.
Als die Gruppe in ein Lager eintrat, bemerkte die Verborgene, dass der alte Mann verschwunden war. Wo…wo…blickte sie sich kurz um und bemerkte seinen Kopf gerade so inmitten der Menge, sich scheinbar umschauend, bevor er wieder verschwand, Scheinbar bin ich erwischt worden…diesen Teil sollte ich bei meinem Bericht auslassen. Sie betrat nun das Dach des Lagers, darauf wartend, dass jemand rauskam, aber es kam niemand. Also doch…dachte sich Sari, diesen Trick von anderen Malen, als sie bei Beschattungen bemerkt worden war, kennend. Sie drehte sich um und suchte das andere Enden des Gebäudes, wo am wahrscheinlichsten ein zweiter Ausgang war – dabei halfen ihr, ihr Wissen über die Straßen von Alexandria. Gerade noch rechtzeitig bemerkte sie die Gruppe in einer Gasse, als sie just in diesem Moment um eine Kreuzzug bogen. Glücklicherweise war die Verborgene auf dem Dach schneller, als die drei: nicht nur war der Weg hier im Großen und Ganzen kürzer, nein, Sari hatte während ihrer Ausbildung auch Wege und Mittel kennengelernt, sich möglichst schnell und trotzdem leise von einem Ort zum anderen zu bewegen.
Sie will mich eindeutig loswerden…dachte sich Sari, denn sie erkannte, dass die junge Ägypterin diejenige war, die den Weg vorgab, Vielleicht ist sie doch interessanter, als angenommen. Sie mussten hier und da über eine Gasse, von Dach zu Dach springen und Sonnensegel versperrten ihr mehrmals die Sicht, aber sie blieb an der Gruppe dran – glücklicherweise versuchte die Ägypterin keine weiteren durchtriebenden Tricks, indem sie bei einem toten Winkel in ein Haus trat. Auf diese Weise war Sari in Hörreichweite, als sie mitten in einer der Gassen stehenblieben – sie kniete sich auf der Stelle hin und kroch zum Vorsprung des Daches um zu sehen ohne gesehen zu werden. Die Ägypterin sprach den Übersetzer wieder an und die Verborgene spitzte ihre Ohren.
Der Jüte war weggenickt, hinterher nicht wissend wie lange es gewesen ist. Zumindest nicht zu lange…stellte er fest, denn die Wolkendecke hatte bereits das Dorf erreicht, zerbrochen in kleinere Wolkengruppen. Sigurd stand auf, immer noch nicht so geschmeidig, wie er es gewohnt war. Die Wunden sind wahrlich ein Ärgernis…dachte er sich und ging wieder in den Tempel hinein. Er sah Yu Jiao, die gerade mit der Heilerin sprach. Die Schnelligkeit mit der sie sprach und ihre Mimik sahen besorgt aus. „Quid est?“, fragte er herantretend und neugierig dreinblickend – sofern man das bei den Bandagen erkennen konnte, „numquidnam problema forsit datne?“, und erst jetzt bemerkte er, dass die kleine Frau mit Schwert und Bogen bewaffnet war, „Hostes?“, fügte er energisch hinzu.
Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
Quid est? numquidnam problema forsit datne? Hostes? = lat. für „Was ist? Gibt es etwa (irgend)ein Problem? Feinde?“