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    Selene - III

    Das ist das seltsamste Symposium, dem ich je beigewohnt habe…dachte sich die junge Herrin, durch den Raum wandernd und alles beobachtend. Alle hier Anwesenden – sie einschließlich – trugen dunkle Roben, die so dick waren, dass selbst Frau von Mann nicht zu unterscheiden war. Obendrein war jeder darüber informiert worden, eine Maske zu tragen, die nur eine Öffnung für Mund und Augen daließ, aber es äußerst schwer machte das Gesicht dahinter zu erkennen.
    Wie üblich für ein Symposium hatten sich alle Anwesenden in Gruppen zusammengefunden und unterhielten sich – wobei sie alle seltsamerweise Selene mieden. Als würden sie wissen, dass ich nicht völlig dazu gehöre…dachte sie sich, während sie versuchte den Gesprächen zu lauschen. Die meisten der Leute sprachen Latein, andere wiederum Griechisch und wiederum andere benutzten Sprachen, die selbst sie nicht kannte. Aber alle sprachen quasi über dieselbe Sache: profanes oder triviales Zeug, vergleichbar mit dem Reden über das Wetter. Dies soll der Ordo biformis Dei sein?, fragte sie sich nicht zum ersten Mal, Es sind zwar mehr als ich gedacht habe, aber warum reden sie an dem Tag wo sie alle zusammenkommen nicht über wichtigere Dinge?

    Amüsierst du dich?“, fragte plötzlich ein herangetretener Maskenträger. Er war bisschen größer als sie und der Stimme nach schien es ein Mann zu sein.
    Sie blieb stehen. „Ich bin so sehr amüsiert, wie man nur sein kann, wenn man von den meisten gemieden wird und der Hausherr sich immer noch nicht gezeigt hat.“, entgegnete sie und verschränkte ihre Arme.
    Die Mitglieder des Ordens reden nun mal nicht mit einer Extranea.“, erklärte er und stellte sich so hin, so dass er das sehen konnte, was sie, „Ein alter Brauch, aber ein äußerst hilfreicher.
    Vorhin hatte sie nur eine Ahnung, aber nun war sie sich sicher wessen Stimme dies war. „Ihr haltet euch aber nicht an den Brauch, Cervus.“, erklärte sie.
    Er kicherte. „Ich bin heute in einer besonderen Situation, weißt du.“, erklärte er und blickte sie an, „Wie gefällt dir die Maske?
    Seit sie in der Villa angekommen war, hatte sie Cervus weder gesprochen noch gesehen – jeglicher Kontakt war via Dienern geführt worden. Einer dieser Diener hatte sie über dieses Symposium unterrichtet und auch über die Kleidungstracht. „Ich hätte nicht erwartet, dass ihr dem Prinzip der Gleichheit soweit folgen würdet, dass selbst ihr dieselbe Maske tragt wie alle anderen auch.“, erklärte sie und blickte sein verhülltes Gesicht an. Die Maske war wahrlich identisch zu ihrer.
    An unserem heiligen Tag sind wir alle gleich.“, erklärte der Dux, wobei er sich zu ihr umdrehte, weswegen sie vermutete, dass er nun angefangen hatte zu grinsen, „Natürlich nur in der Theorie. Einst dienten die Masken dazu uns daran zu erinnern, dass wir alle gleich sind, aber in Wirklichkeit war dies eh nie der Fall.“, er blickte wieder zu seinen Gästen, „Hast du dir einen Namen ausgesucht?

    Die andere Sache über die sie unterrichtet worden war. „Habe ich.“, erklärte sie nickend, bevor sie ihn ihm zuflüsterte.
    Er kicherte. „Ein passender Name, wie wahr.“, erklärte er und drehte sich um, in Richtung eines der Ausgänge aus dem Raum – sie wusste, dass hinter der bewachten Tür eine Treppe war, die direkt in den Garten führte, „Folg mir, wenn du bereit bist. Aber vergess nicht, dass wenn du diesen Weg beschreitest, gibt es kein Zurück mehr.“ Und er ging auf den Ausgang zu und verließ seine Gäste, bevor die Wachen die Tür hinter ihm wieder schlossen.
    Sie hatte die letzten Tage darüber nachgedacht, diesen Schritt zu tun. Sie wusste, dass es ein Risiko war, aber sie wusste auch, dass nur dieser sie voranbringen würde. Also folgte sie ihm.

    Dieser Teil des Gartens, der dem Haus am nächsten war, war mit Pflastersteinen belegt, während man am Horizont die Weinhügel sah, ins Dunkel der Nacht getaucht. Als sie die Treppe verlassen hatte, ging sie nach rechts, den Pflastersteinen folgend, bereits ihr Ziel sehend: in der Mitte hatte man mit Pflastersteinen einen Halbkreis vorbereitet, mit einem Mosaikbild in der Mitte und Bänken im Außenbereich; sechs Personen warteten dort auf sie, in einem Kreis angeordnet und auf sie schauend. Nur Fackeln erleuchteten das Spektakel und keine Wache war in Sicht.
    Sie erkannte Cervus als ersten, trotz der Tracht, denn er stand gleich gegenüber der einzige Lücke in dem Kreis, durch die sie hineintreten konnte. Die meisten anderen Gestalten waren in etwa in seiner oder ihrer Größe und nur zwei von ihnen stachen heraus: der Eine, weil er mindestens zwei Köpfe größer war als sie und der andere, weil sie vermutlich vier Mal Platz in seinem Volumen hätte. Nicht alles kann verborgen werden…dachte sie sich mit Genugtuung, als sie in die Mitte des Kreises trat.

    Knie nieder.“, erklärte Cervus mit bestimmender Stimme und sie tat genau das. Auf diese Weise konnte sie einen genaueren Blick auf das Mosaik unter ihr werfen: es zeigte ein übergroßes Bild von Augustus, der auf dem Deck eines Schiffes stand, zerstörte Schiffe betrachtend. Die Schlacht bei Actium…erkannte Selene auf der Stelle.
    Bist du bereit?“, fragte der alte Mann erneut und sie hob den Kopf, bestätigte es mit selbstbewusster Stimme: „Ich bin für alles bereit.
    Gut.“, erklärte Cervus und fing an, „Dann beantworte mir diese Fragen: nostra arcana adservabis et contra hostis custodiesne?“, fing er an die Worte zu sprechen, über die man sie informiert hatte. Sie hatte aber nicht erwartet sich so eingeschüchtert zu fühlen – die anderen fünf waren plötzlich an sie herangetreten und umzingelten sie quasi.
    Faciam.“, antwortete sie, bevor sie mit der Nase die Luft einatmete.
    Tenetur esse cum eo, biformi Deo, in fidem, mors etiam involvit?“, fragte der Dux die zweite, weit wichtigere Frage.
    Sie zögerte nur für einen Moment. „Faciam.“, erklärte sie sich bereit.
    Erige te.“, befahl der Dux daraufhin und sie kam wieder auf die Beine, obwohl er ihr dabei sogar half, „Tamquam Extranea aggeniculabas et tamquam Soror erigis, Lunae Convisae Feles.“, sprach er ihren neuen Namen innerhalb des Ordens erstmals aus, als er einen Ring aus seinen Gewändern fischte und ihre rechte Hand hob, „Sume hoc anulum tuum quasi signum vinctum. Gere cum dignitati, sed etiam cum cautioni, adversus ollos videre eam non merent.“, wonach er ihn ihr ansteckte.

    Der Ring wog fast nichts und selbst das Silber sah nicht besonders aus. Und doch fühlte sie sich anders, nun da sie ihn trug. Sie konnte ihre Augen für eine Weile nicht von ihm nehmen und erst als Cervus seine Maske auszog und seine Kapuze runternahm, blickte sie wieder hoch. Sie tat es ihm gleich und blickte ihn erwartungsvoll an.
    Der alte Mann erwiderte den Blick mit seinem blauen Auge, genauso wie seinem milchig-blinden und er sah zufrieden aus. „Nun bist du eine von uns, ohne wenn und aber, und als solche hast du das Recht mein Parvum Consilium kennenzulernen.“, erklärte er ihr.
    Der Kleine?, dachte sie, als er sie an die Schulter fasste und umdrehte, Wo wohl der Große ist?
    Die erste Person, die ihr vorgestellt wurde, war der große Mann und als er die Maske herunternahm, erschien ein äußerst bärtiges Gesicht mit dreckig-blonden Haaren, die ihn eindeutig als Barbaren kennzeichneten. Solche Leute gibt es also auch…dachte sie mit einem gewissen Unbehagen.
    Dies ist Furibundus Taurus.“, erklärte Cervus ihr, „Er ist der Tribunus Militaris Summus, der oberster Befehlshaber der Ordenstruppen im Norden. Ich muss wohl nicht erklären warum.“, der Riese fing an zu grinsen und zeigte seine gelbdreckigen Zähne dabei, „In der Schlacht macht er sich besser als bei solchen Anlässen.

    Er führte sie weiter zu der dicken Figur, wobei dieses Gesicht nun äußerst römisch aussah. „Dies ist Thesaurizans Ericius.“, erklärte Cervus, „Er ist der Tribunus Pecuniarum im Norden. Er steuert die meisten Geldströme hier und du wirst wohl öfter mit ihm zu tun haben.
    Wo werde ich euch finden können?“, fragte sie neugierig und lächelte den übergewichtigen Mann an.
    Massilia, meine Liebe.“, erklärte der Buchhalter mit einem Grinsen, „Wo sonst kann man hier im Norden so gute Geschäfte machen? Leider empfehle ich zurzeit keine Besuche – ihr würdet nicht mögen, was die Stadt aktuell mit euch anrichten könnte.
    Danke für eure Empfehlung.“, erklärte die junge Frau, als Cervus sie bereits weiterführte.

    Und dies ist Sussura Vulpes.“, erklärte er, als die Frau ihre Maske ablegte und ihr rotes Haar zum Vorschein kam, „Sie ist der Tribunus Arcanorum und einer der Gründe warum wir euch entdeckt haben.
    Ihr seid wohl für die Informationen im Orden zuständig?“, überlegte Selene laut, wobei sie versuchte das mächtige Make-up der anderen Frau gedanklich abzublättern, „Ich hoffe ihr wisst die Dinge nicht, die ich im Schlafzimmer tue, wenn ich alleine bin.“, wobei sie kokett grinste.
    Wenn ich es noch nicht tue, dann sicherlich bald.“, erklärte die Rothaarige mit einem ähnlichen Lächeln.

    Cervus führte sie weiter. „Zwar gibt es noch andere Namen, die du kennenlernen musst, aber das zu seiner Zeit.“, erklärte er, „Diese drei sind meine wichtigsten Vertrauten und du ihnen unterstellt, selbst wenn nicht auf direktem Wege.
    Und wer hat dann die Ehre mir direkt übergeordnet zu sein?“, fragte sie, als er sie zu einem der beiden verbliebenden Maskierten führte.
    Da deine Hauptaufgabe im Orden das Erschließen von Geldmitteln ist, du aber nur auf dem Rang eines Sectatores bist, wäre dies normalerweise wohl seine Aufgabe.“, erklärte der Dux und wies auf die Person.
    Diese nahm die Maske herunter und ein vertrautes Gesicht kam zum Vorschein. Cornelius…dachte sie sich augenblicklich und konnte ein Lächeln nicht verbergen, während sein Gesicht sich verdunkelte.
    Ihr kennt euch, das weiß ich.“, erklärte Cervus, bevor ihr Gegenüber ein Wort sagen konnte, „Aber vergesst nicht – hier sind die wahren Namen verboten.
    Cornelius schnaubte. „Was heißt ‚normalerweise‘?“, fragte er Cervus mit kaum verstecktem Zorn, „Ich bin der Tribunus Provinciae von Britannien – sie untersteht mir.

    Nur über dein Grab…dachte Selene sich, als Cervus bereits eisig erwiderte: „Und du unterstehst mir, Mordax Meles. Und ich habe entschieden, dass jemand, der dich in den Ruin treiben konnte, dir nicht unterstehen wird.“, er trat so nah an ihn heran, dass sich die Gesichter beider Männer fast berührten, „Hast du schon vergessen, dass im Orden Leistung nicht Seniorität belohnt wird? Oder soll ich dir gleich den Titel des Tribunus entziehen?
    Cornelius blickte ihn weiterhin mit finsterem Blick an. „Nein, Dux.“, antwortete er schlussendlich und wandte sich ab.
    Dann zwing mich nicht dazu dich daran noch einmal zu erinnern.“, beendete Cervus diese Episode und führte Selene zur letzten maskierten Person, die angefangen hatte währenddessen zu kichern. Die junge Römerin erkannte auf der Stelle das Kichern einer Frau, aber auch die Größe verriet dies – diese Person war fast einen Kopf kleiner als sie.

    Das Gesicht hingegen überraschte sie dann doch: es war fremd, mit schrägstehenden Augen und ihr Haar war so schwarz wie die Nacht. Auf ihrem Gesicht war das weiterhin vorherige Kichern immer noch klar zu erkennen, während ihre schwarzen Augen eine ungewöhnliche Anziehungskraft erzeugten, die sie bislang nur bei Cervus und ihrem Vater erlebt hatte.
    Dies ist der Aureus Draco.“, erklärte Cervus in der Zwischenzeit, „Sie ist eine Gesandte, eine Legatus, aus dem fernen Osten, aus Sina.
    Das verblüffte Selene. „Selbst bis dahin hat der Orden Kontakte?“, fragte sie ihn anschauend.
    Bis dort…“, beantwortete die junge Frau vor ihr die Frage, wobei ihr Akzent nicht nur stark war, sondern auch äußerst fremd, „…und darüber hinaus. Zhongguo erstreckt sich in alle Himmelsrichtungen.

    Selene blickte die kleinere Frau an. „Das ist faszinierend.“, erklärte sie und konnte diese Gefühle auch nicht auf ihrem Gesicht verstecken, „Ihr müsst mir eines Tages mehr über eure Heimat erzählen.
    Der eine Tag liegt näher als ihr denkt.“, antwortete die orientalische Frau mit einem warmen Lächeln.
    Das verwirrte Selene nun, aber bevor Cervus ihr das erklären konnte, sagte er nur: „Nun kennt ihr die ersten Mitglieder des Ordens – der Rest wird folgen, glaubt mir. Aber bevor das passieren kann, müssen wir uns unterhalten, unter vier Augen.
    Dies war das Zeichen für die anderen sie nun zu verlassen und zum Symposium zurückzukehren, einer nach den anderen. Die Chinesin war die letzte, die ging, wohl ebenso fasziniert auf die Römerin blickend wie diese auf sie. Kaum waren sie zu zweit, ging Cervus los in Richtung der Weinhügel, selbst wenn aktuell kein Wein angebaut wurde. „Folg mir.“, erklärte er ihr nur.

    Sie gingen solange bis sie auf dem Hügel standen und runterblicken konnten: vor ihnen erstreckte sich Narbo Martius. Die Stadt lag inmitten von Weinhügeln, einem Fluss im Norden und der lebenswichtigen Lagune im Süden, wo Schiffe zu erkennen waren. Obwohl um diese Uhrzeit die Wagen ihre Transporte vollführen müssten und so die Stadt im Fackelschein getaucht sein müsste, war sie pechschwarz und erinnerte eher an eine Geisterstadt. Nur ein Bereich vor den Mauern der Stadt war in Licht getaucht, wodurch Selene sehen konnte was dort vor sich ging: Leichen wurden nebeneinander gelegt, um sie später ordnungsgemäß zu bestatten – sie konnte sie nicht zählen, so viele waren es.
    Siehst du was dort unten passiert, meine Liebe?“, fragte Cervus sie, „Dort passiert genau das, was passiert, wenn der Orden seine Arbeit nicht tun darf.
    Darüber stutzte sie. „Ihr übernehmt die Verantwortung für die Seuche?“, fragte sie, ihren Kopf schüttelnd, „Auch der Mensch kann nicht gegen die Götter bestehen.“, erklärte sie, bevor sie wieder einen Blick auf die Leichen warf, die sie innerlich erschütterten, So viele…,Selbst wir können in solchen Fällen machtlos sein.“, fügt sie hinzu.
    Unsinn.“, schnaubte Cervus, „Wir wussten von der Seuche seit sie im Reich der Parther erstmals auftrat. Wir hätten dafür Sorge tragen können, dass die ersten Erkrankten niemals europäischen Boden hätten betreten können und die meisten Opfer wären von der Seuche verschont geblieben.
    Warum habt ihr es dann nicht getan?“, fragte Selene und blickte ihn neugierig an.
    Wegen den Obscurii natürlich.“, erwiderte er verächtlich klingend.
    Obscurii?“, hakte Selene nach, denn der Begriff sagte ihr gar nichts.
    Ein Geschwür, das wir uns in Ägypten eingefangen haben und wie jede Plage nur schwer wieder loswerden können.“, erklärte der alte Mann und schnaubte erneut, „Sie nennen sich unser größter Feind und es gab eine Zeit, wo das womöglich gestimmt hat. In der Zeit, bevor der Deus uns geführt hat.“, er nahm einen Schritt nach vorne, wodurch sie nun auf seinen Rücken schauen musste, „Er hat uns gezeigt, was wir tun müssen um ihnen überlegen zu sein, selbst wenn wir ihnen von Zeit zu Zeit kleine Siege gewähren müssen.“, er blickte sie an, „Ihre Einmischung war es, die diese Seuche über das Reich gebracht hat, Feles. Und ihre Schuld ist es, dass diese Menschen dort unten nun sterben.

    Sie trat an seine Seite. „Wer ist der Deus?“, fragte sie, auf die Stadt blickend, „Werde ich ihn auch treffen?
    Cervus schüttelte seinen Kopf. „Nur wenigen ist es gestattet das Göttliche Antlitz zu sehen.“, erklärte er, „Solange ihr aber von mir Befehle bekommt, wohl eher nicht.
    Sie blickte ihn an. „Was hat der Deus euch gelehrt?“, fragte sie.
    Zwei Dinge.“, erklärte er, „Erstens: Das die Obscurii nur dann eine Gefahr für den Orden als Ganzes darstellen, wenn sie agieren dürfen. Solange sie nur reagieren und uns hinterherlaufen, sind sie eben die Plage, die sie nun mal sind.“, er blickte sie nun auch an, „Und zweitens: wenn wir nicht diejenigen sein wollen, die reagieren müssen, müssen wir ihnen immer mehrere Schritte voraus sein.
    Das klingt sicherlich leichter als es ist.“, erwiderte Selene skeptisch klingend.
    Und doch einfacher als es sein dürfte.“, erklärte Cervus und trat an sie heran, „Du musst verstehen, Feles, diese Obscurii sind Fanatiker. Wie die Juden in Judea. Mit genauso viel Verstand gesegnet wie ein Esel. Aber genau ihr fanatischer Eifer macht es so schwer diese Plage zu kurieren: genauso wie die Juden nicht in der Lage gewesen sind die Vorteile des Imperiums zu erkennen, blind durch ihren eigenen Eifer für ihren Glauben, so sind auch die Obscurii nicht in der Lage die feinen Linien in der Gesellschaft zu erkennen, die es Leuten wie uns erlauben, ihnen mehrere Schritte voraus zu sein. Und weil sie dazu nicht in der Lage sind, verharren sie in der Reaktion, anstatt agieren zu dürfen.“, er fing an zu grinsen, „Und du bist der beste Beweis dafür.

    Der Beweis?“, fragte Selene verwirrt.
    Glaubst du ich hab dich nur wegen meiner Großzügigkeit vor Meles beschützt?“, fragte er höhnisch, „Du hast bewiesen, dass du gut bist, aber dass hat auch er, einst. Dein Wert liegt mehr in der besonderen Situation, in der du dich aktuell befindest.
    Sie brauchte einen Moment um darauf zu kommen. „Meine Handelsreise.“, antwortete sie, „Ich werde das ganze Imperium besuchen.
    Exakt.“, erklärte Cervus und blickte wieder auf Narbo Martius, seinen Arm darauf ausstreckend, „Der größte Schwachpunkt, den die Obscurii gegen uns nutzen, ist, dass manche von uns zu lange an bestimmten Orten verweilen müssen, ansonsten nützen wir dem Orden nichts. Dadurch kann selbst ein blindes Huhn irgendwann die Fäden der Manipulation zu uns zurückverfolgen.“, er blickte wieder sie an, „Du hingegen bist eine reisende Händlerin, mit übersehbaren Gründen für diese Reise, die selbst die Obscurii nicht verdächtigen werden können. Obendrein bist du eine Frau und eine Fremde, die sie nicht kennen. Deine Reise ist eine einmalige Gelegenheit für den Orden.
    Langsam fingen die Dinge an sich zusammenzufügen, aber doch musste sie die nächste Frage stellen: „Wofür?
    Sein Grinsen wurde breiter. „Sie werden dich nicht kommen sehen.“, erklärte er, „Du wirst das Feuer sein, dass diese Plage ein für allemal ausbrennen wird.

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    Extranea= lat. für Fremde, Fernstehende, Außenstehende
    Schlacht von Actium = https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Actium
    „nostra arcana adservabis et contra hostis custodiesne?“= lat. für „Wirst du unsere Geheimnisse bewahren und sie vor unseren Feinden hüten?“
    „Faciam.“ – lat. für „Ich werde.“
    „Tenetur esse cum eo, biformi Deo, in fidem, mors etiam involvit?“ = lat. für „Wirst du ihm, dem doppelgesichtigen Gott, in Treue verbunden sein, selbst wenn sie dein Tod bedeutet?“
    „Erige te. Tamquam Extranea aggeniculabas et tamquam Soror erigis, Lunae Convisae Feles. Sume hoc anulum tuum quasi signum vinctum. Gere cum dignitati, sed etiam cum cautioni, adversus ollos videre eam non merent.“ = lat. für „Dann erhebe dich. Du bist als Fremde auf die Knie gegangen und als Schwester erhebst du dich nun, Lunae Convisae Feles. Nimm diesen Ring als Zeichen deiner Verbundenheit. Trage ihn mit Stolz, aber auch mit Vorsicht, vor denen die sein Antlitz nicht verdienen.“
    Lunae Convisae Feles = lat. für „vom Mond beschienene Katze“
    Parvum Consilium = lat. für „Kleiner Rat“
    Furibundus Taurus = lat. für „Wütender Stier“
    Thesaurizans Ericius = lat. für „Hortender Igel“
    Sussura Vulpes = lat. für „Flüsternder Fuchs“
    Tribunus Militaris Summus/Pecuniarum/Arcanorum = lat. für „Tribun des obersten Militärs/der Gelder/der Geheimnisse“
    Sectatores = lat. für „Gefolgsleute/Gefolgschaft“
    Mordax Meles = lat. für „Beißende Mader“
    Aureus Draco = lat. für „Goldener Drache“
    Sina = einer der römischen Bezeichnungen für China
    Zhongguo = chin. für „Reich der Mitte“, aber wörtlich wohl nur „Mitte“ oder „Zentrum“
    Obscurii = lat. für „die Verborgenen“
    Deus = lat. für „der Vergöttlichte, die Gottheit“
    "Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das was übrig bleiben muss, wie unwahrscheinlich es auch sein mag, die Wahrheit." - Sherlock Holmes alias Sir Arthur Conan Doyle
    "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du." - Mahatma Ghandi
    "Eine Falle zu erkennen ist eine Sache, sie zu umgehen eine völlig andere." - Ranma 1/2
    "Mein Name ist Ozymandias, König der Könige. Schauet auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt." - Ozymandias
    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
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    Rabenkopf ist offline Geändert von Rabenkopf (24.12.2018 um 09:43 Uhr)
  2. #22 Zitieren
    #16  Avatar von Forenperser
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    Tatsächlich hatten die Götter ein Einsehen und beschlossen dieses Schauspiel zu beenden, indem sie jemanden schickten der den beiden Händlern als Mittler dienen konnte. Dieser jemand war ein Mann, ein gutes Stück größer als Neferu und auch älter vom Aussehen her. Seine Haut war unüblich hell für jemanden aus Unterägypten, ein Umstand unter dem sie beim Marsch durch die Wüste scheinbar gelitten hatte. Sein Ägyptisch war hervorragend und da er auch arabisch konnte, vermutete sie das er in einem der Umschlagplätze für Waren aus Arabica aufgewachsen war.
    Normalerweise versuchte sie Übersetzer zu vermeiden, gingen durch diese doch oft die sprachlichen Feinheiten des Geschäftes verloren und man musste auf ihre Übersetzungen vertrauen. Nicht umsonst hatte sie angfangen aramäisch zu lernen, im Gegensatz zur Seefahrt verstanden Juden nämlich sehr viel vom Handel.
    Nun jedoch blieb ihr keine andere Wahl als den Fertigkeiten und der Ehrlichkeit der Sorgfalt des Übersetzers zu vertrauen.
    "Seid gegrüßt Lateef. Mein Name ist Lucretia Antonius Pius Neferu, aber ihr dürft mich ruhig mit Neferu ansprechen. Ich bin eine örtliche Händlerin hier in Alexandria.", stellte sie sich höflich vor, wobei ihr Blick dabei zuerst auf Lateef ruhte, dann wieder zu Mutarrif wanderte. Geduldig wartete sie bis der Ägypter ihre Worte übersetzt hatte, dann fuhr sie fort: "Ich bin nicht hier um etwas von seinen Waren zu erwerben, auch wenn mich schon die Kunde von ihrer hervorragenden Qualität ereilte.", sprach sie freundlich und lächelte den Araber an.
    "Ich hörte auch das er die Absicht hat seine Waren in Ostia zu verkaufen, ein Handelsort zu dem mich meine Geschäfte schon oft geführt haben. Momentan plane ich eine erneute Reise zu organisieren, ein Schiff habe ich dafür auch in Aussicht.", erklärte sie den Grund ihrer Anwesenheit.
    Nachdem ihre Worte ins arabische gewechselt worden waren, erhob sie wieder ihre Stimme: "Es ist ein großes Schiff, mit viel Stauraum. Raum den ich nicht komplett benötigen werde. Wie er sich denken kann ist die Miete eines Schiffes ein kostspieliges Unterfangen und so suche ich einen Teilhaber. Für einen entsprechenden Anteil an den Kosten, biete ich ihm Platz für seine Waren an." Die Ägypterin machte mit ihrem rechten Arm eine einladende Geste und lächelte den arabischen Händler erwartungsvoll an. Sie beschloß erstmal eine Antwort abzuwarten, es war immer gut ein paar Argumente in der Hinterhand zu behalten.


    Lateef wusste nicht so recht was er von dieser Frau halten sollte. Sie besaß offenkundig Manieren, und hatte scheinbar auch kein Problem damit jemandem direkt eine weniger förmliche, persönliche Form der Anrede zuzugestehen. Allerdings kam er nicht umher sich zu fragen was wohl ihr eigentliches Ziel war. In jedem Fall meinte er eine große Ambition in ihr zu sehen. Doch das war im Moment irrelevant. Pflichtgemäß übersetzte er jedes Wort sinngemäß und ohne große Umschreibungen. Mutarrif schien zunächst äußerst geschmeichelt von ihren Komplimenten. Und als dann das Schiff erwähnt wurde leuchteten seine Augen weit auf. Dann jedoch wandte er sich zunächst wieder Lati zu und raunte ihm etwas auf Arabisch zu. "Mutarrif fragt wann genau dieses Schiff ablegen soll und wie hoch genau seine Beteiligung sein wird. Außerdem interessiert es ihn, was für Geschäfte ihr dort zu tätigen habt und welche Ware ihr transportieren wollt." Wieso ihn das interessierte konnte sich der Ägypter auch bloß selbst denken. Vielleicht sah er sie als künftige, potenzielle Partnerin an? Oder vielleicht auch eher als Konkurrentin, welcher er möglichst nicht helfen wollte? Beides erschien schlüssig.
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    Drachentöter Avatar von numberten
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    Lateef wusste nicht so recht was er von dieser Frau halten sollte. Sie besaß offenkundig Manieren, und hatte scheinbar auch kein Problem damit jemandem direkt eine weniger förmliche, persönliche Form der Anrede zuzugestehen. Allerdings kam er nicht umher sich zu fragen was wohl ihr eigentliches Ziel war. In jedem Fall meinte er eine große Ambition in ihr zu sehen. Doch das war im Moment irrelevant. Pflichtgemäß übersetzte er jedes Wort sinngemäß und ohne große Umschreibungen. Mutarrif schien zunächst äußerst geschmeichelt von ihren Komplimenten. Und als dann das Schiff erwähnt wurde leuchteten seine Augen weit auf. Dann jedoch wandte er sich zunächst wieder Lati zu und raunte ihm etwas auf Arabisch zu. "Mutarrif fragt wann genau dieses Schiff ablegen soll und wie hoch genau seine Beteiligung sein wird. Außerdem interessiert es ihn, was für Geschäfte ihr dort zu tätigen habt und welche Ware ihr transportieren wollt." Wieso ihn das interessierte konnte sich der Ägypter auch bloß selbst denken. Vielleicht sah er sie als künftige, potenzielle Partnerin an? Oder vielleicht auch eher als Konkurrentin, welcher er möglichst nicht helfen wollte? Beides erschien schlüssig.


    Die Ägypterin lächelte zufrieden, als sie am Gesicht des Arabers ablesen konnte das sein Interesse geweckt worden war. Der Köder war geschluckt, jetzt durfte sie ihn nur nicht vom Haken lassen. Sie konnte natürlich nicht überprüfen wie der Übersetzer ihre Worte übermittelte, aber er schien einen ehrlichen Eindruck zu machen und die Worte erzielten ihre Wirkung. Der Händler raunte dem jungen Mann etwas zu, was dieser unmittelbar übersetzte. Neferu schmunzelte, wer nach dem Preis fragte bestätigte nur sein Interesse an der Ware.
    "Selbstverständlich, wer könnte es ihm verdenken. Die Beteiligung die ich mir vorgestellt habe, wären 1200 Drachmen also gut ein Drittel der Miete des Schiffes. Ich werde den Großteil der Ladefläche nutzen, also ist es nur fair das ich den Löwenanteil zahle.", antwortete sie entgegenkommend. Sie fuhr fort:
    "Die Waren welche ich transportieren möchte ist Getreide, vielleicht auch noch kleinere Mengen Papyrus. Das Schiff würde dann voraussichtlich in einer Woche auslaufen, ich plane nämlich es in der Getreideflotte mitfahren zu lassen." Sie wartete kurz ab und merkte das der Begriff Getreideflotte dem Händler vermutlich nicht komplett geläufig war.
    "Ihr könnt ihm sagen, dass Getreide aus Ägypten so einen hohen Wert für Rom hat, dass die Schiffe als Konvoi von der römischen Flotte begleitet werden. Wenn er seine wertvollen Waren auf so einem Schiff transportiert, wären sie damit automatisch sicher vor Piraten.", erklärte sie freundlich.
    numberten ist offline
  4. #24 Zitieren
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    Selene IV

    Die Schiffe kamen Ende Februar in Narbo an. Nicht direkt in Narbo – denn die Curiosi des Ordens hatten sie bereits vorzeitig entdeckt und in eine geschützte Bucht weiter südlich manövriert. Die Stadt hatte zwar augenscheinlich die schlimmste Phase der Seuche hinter sich – die Zahl der täglichen Leichen war auf eine zählbare Menge heruntergegangen – aber Selene war nicht daran interessiert, das Leben ihrer Kinder aufs Spiel zu setzen, weswegen die drei Schiffe abseits landen mussten.
    Die Pristis, Sagitta und Luna waren Liburnen, wobei nur die Prisits über zwei Ruderreihen verfügte. Alle hatten rötliche Segel mit einer schwarzen Katze in der Mitte. Die Prisits hatte eine Standardbesatzung von 100 Ruderern – je 50 für beide Seiten – einem Kapitän, einem Steuermann und einem Nautiker, während die beiden anderen nur die Hälfte an Besatzung hatten – die Offiziere, Soldaten und Passagiere, die mitreisten, nicht mitgezählt. Liburnen konnten sich zwar im Kampf erwehren, aber eigentlich war nicht Kampfkraft ihre Stärke, sondern ihre Schnelligkeit: 14 Knoten unter Segeln und 7 Knoten nur mit den Ruderern.

    Selene und die anderen gingen an Bord und verbrachten bestenfalls zwei weitere Tage in der Gegend, damit sich die Besatzungen erholen konnten – dann segelten sie südwärts. Seit ihrer Initiation hatte Selene Cervus nur noch ein einziges Mal gesehen, nämlich an dem Tag, als er selbst aufbrach. „Um den Obscurii nicht in die Hände zu fallen, darf ich niemals zu lange an einem Ort verbringen.“, erklärte er ihr, „Ich mag zwar diese Villa, aber ich werde sie vermutlich für die nächsten Jahre nicht betreten dürfen – was für eine Schande.
    Er hatte ihr Buchrollen mitgegeben, mit Informationen über den Orden, aber auch über die Verborgenen – wobei er sie angewiesen hatte, diese Texte zu verbrennen, wenn sie sich das wesentlichste eingeprägt hatte. Ebenso gab er ihr einen weiteren Passagier mit auf die Reise: Aureus Draco, die Frau aus dem fernen Osten. Als ihre Kinder sie das erste Mal erblickt hatten, konnten sie nicht aufhören zu starren, und das hatte nicht nur mit ihrem äußerst exotischen Gesicht zu tun. Ihr Kleidung stach ebenfalls heraus: ein langes dunkelblaues Gewand, mit einem aufgeschnitten Rock, an der Oberfläche; eine Art Tunika und Hosen darunter, mitsamt schwarzen Schuhe mit weißen Sohlen; alle Kleider außer der Schuhe waren aus Seide und nicht nur äußerst luxuriös anzuschauen, sondern auch weit praktischer, als das was Selene trug. Die Frau erzählte ihr später, dass diese Kleidung in ihrer Heimat Ruqun genannt wurde.

    Bevor sie abreisten, informierte Tamon – der Kapitän der Prisitis – sie über die Vorkommnisse ihrer Reise. Tamon war ein Nubier, mit der dunkelsten Hautfarbe, die man in Britannien je gesehen hat. Er war nicht besonders groß, kleiner wohl als Gisgo und sah auch nicht so verführerisch aus, dass Selene ihm auf körperlicher Ebene nähergekommen wäre – was selten genug passierte. Er war aber wohl einer der fähigsten Seemänner, die sie je kennengelernt hatte.
    Er selbst erzählte gerne von seiner Zeit als Sklave, als König der Sklaven, seinem Aufstand gegen seinen Besitzer und den ursprünglichen Kapitän der Pristis, wodurch er sein geliebtes Schiff erbeutet hatte und von seiner darauffolgenden Piratenzeit – Selene verstand genug übers Lügen um zu wissen, dass er häufiger maßvoll übertrieb, als die Wahrheit zu erzählen. An der Wahrheit kam er wohl am ehesten ran, wenn er erzählte wie er aus dem Mittelmeer fliehen musste, weil er aufgrund seiner Piratenzeit zu viel Staub aufgewirbelt hatte – auch wenn er diese Geschichte nie ohne eine zusätzliche Abenteuergeschichte erzählen konnte, die einem Odysseus zur Ehre gereicht hätte. Trotzdem war er ein fähiger Seemann, der den Respekt seiner Crew verdient hatte und trotz seiner Liebe fürs Angeben eine deutlich ehrlichere Person war als Selene selbst – es war wohl ein reiner Glücksfall, dass sie ihn überhaupt kennengelernt hatte, als die Händler im Forum von Londinium versucht hatten, ihn übers Ohr zu hauen.
    Seit dem Tag war er ihr Kapitän, nicht für irgendwelche Handelsreisen, sondern für wichtige Missionen wie diese hier. Wäre er nicht an Bord, hätte sie wohl ihre Kinder auf den Landweg mitgenommen anstatt sie segeln zu lassen. Und nur er war auch in der Lage andere Missionen zu erledigen, außer der Schifffahrt. „Im Westen hatten wir mehr Erfolg als im Osten.“, erklärte er ihr mit seiner äußerst tiefen Stimme, „Spätestens, als wir uns Carthago Nova näherten, warnten uns Handelsschiffe vor der Seuche in der Stadt.
    Habt ihr sie gemieden?“, hatte sie gefragt.
    Haben wir, aber deswegen waren wir gezwungen anderswo neuen Proviant zu beschaffen.“, hatte er erklärt, „Glücklicherweise kenne ich noch ein paar gute Orte fürs Jagen aus meiner Piratenzeit. Die anderen Städte entlang der Ostküste Hispanias waren genauso – ich konnte keine Informationen sammeln.
    Dann werden wir sie ebenfalls meiden müssen.“, hatte sie erklärt, „Irgendwelche Nachrichten aus Afrika?
    Es scheint dort hat die Seuche noch nicht so zugeschlagen wie in Europa.“, hatte er erklärt, „Außer in Karthago…die Städte in Hispanien zu meiden ist eine Sache, aber Karthago zu ersetzen, sollte ein Problem werden.

    Trotzdem waren sie losgesegelt und waren bereits an Hispanien vorbei – sie segelten direkt auf Caesarea zu, dem ersten Hafen in Afrika. Bislang hatte sie noch kein Schiff vor einer Seuche gewarnt, was ein gutes, aber auch ein schlechtes Zeichen sein konnte.
    Hippolyt behandelte gerade eine Verletzung am Arm von Publius, dass sich dieser bei einem Trainingskampf mit Gisgo zugezogen hatte – nicht absichtlich, sie war dabei gewesen, aber Blut war geflossen. Hippolyt war der typische griechische Arzt: voller lockiger Bart, ähnlich schwarzen Haare, eine blaue Tunika und nichts darunter – inzwischen war es trotz der Jahreszeit zu warm für Winterkleidung geworden, selbst hier auf offener See. Er hatte im Grunde keine äußerlichen Merkmale, die ihn von einem anderen typischen Griechen unterschieden – ein auf zwei Beinen laufendes Klischee. Zumindest war er ein halbwegs guter Arzt und das Wohlergehen seiner Patienten lag ihm am Herzen – zumindest bis eine schöne Frau, ob alt oder jung, ihn die richtigen Signale sendete.
    Wie alt…ist der Junge?“, fragte die orientalische Frau plötzlich, die unbemerkt an Selene herangetreten war.
    Die Römerin blickte sie an. „In wenigen Tagen wird er sechs.“, erklärte sie ihr.
    Ein junges Alter und doch…unterrichtet ihr ihn bereits…im Kampf?“, fragte die exotische Schönheit, bisschen Probleme damit habend die richtigen Worte in Latein zu finden, „Ist das typisch unter euch…Römern?
    Ich weiß nicht wie andere Familien das handhaben,…“, fing Selene vorsichtig an, „…aber je eher mein einziger Sohn lernt, sich selbst zu verteidigen, desto besser. Obendrein scheint es ihm Spaß zu machen und wenn er es hinkriegt seine Wut unter Kontrolle zu bringen, wird er sogar deutlich fähiger als sein Onkel.
    Die junge Frau nickte. „Danke für die Erklärung, Feles.“, benutzte sie den Tarnnamen ihres Gegenüber.
    Hättet ihr…“, fing Selene an und wies zur Bugreling, die aktuell leer war, „…Lust euch ein bisschen zu unterhalten?
    Gerne.“, antwortete Draco mit einem Lächeln und die beiden Frauen schlenderten zum Bug.

    Nehmt es mir nicht übel…“, fing Selene dort an, „…ich weiß warum der Orden Tarnnamen verwendet, aber euch als Draco zu bezeichnen, ist doch irgendwie komisch.“, wobei sie ein Lächeln aufsetzte.
    Die kleinere Frau kicherte. „Ich weiß…mein Vater war der Drache zuvor…und glaubt mir zu ihm passte der Name ganz außerordentlich…“, sie kicherte erneut.
    Ist er verstorben?“, fragte Selene so taktvoll wie möglich.
    Die junge Frau schüttelte ihren Kopf. „Nein, er ist nur…beschäftigt.“, erklärte sie, wobei sie hinterher der anderen Frau in die Augen blickte, „Wisst ihr, der Deus…sagte, dass ich etwas Besonderes als…Legatus bin, weswegen ich gewisse…Privilegien besitze, die andere nicht haben. Daher, was haltet ihr davon mich Lin zu nennen, anstatt Draco?
    Lin.“, Selene prüfte den Klang, „Ja, das ist besser. Danke sehr.
    Liebend gern.“, erklärte Lin und lächelte wieder, „Und ihr habt nichts dagegen, wenn ich euch Selene nennen darf?
    Natürlich nicht.“, erklärte die rotblonde Frau, „Ihr habt also den Deus getroffen? Wie ist er so?
    Lin kicherte. „Tut mir Leid.“, erklärte sie, „Aber hier kann ich nicht…dieselbe Offenheit zeigen, wie bei meinem Namen.
    Ich verstehe, natürlich.“, entgegnete Selene, leicht unzufrieden, aber sie verbarg es gut, „Vielleicht könntet ihr mir dann mehr über eure Heimat erzählen.

    Oh sehr gerne.“, entgegnete Lin und man konnte richtige Freude auf ihrem Gesicht sehen, „Ich vermisse meine… zǔguó zwar sehr, aber immer wenn ich anderen von ihr…erzähle, kommt es mir so vor, als wenn ich wieder da bin. Was wollt ihr wissen?
    Nun…vielleicht fangen wir beim Namen an.“, erklärte Selene nach kurzem Überlegen, „Zhongguo, war es, nicht wahr? Was bedeutet das?
    Hmmm…“, überlegte die Chinesin, „Reich der Mitte wäre wohl die passendste Übersetzung.
    Mitte?“, fragte die andere Frau, „Das habt ihr schon mal erwähnt – warum Mitte?
    Weil es in der Mitte liegt.“, Lin kicherte, „Wir, mein Volk, die Han, glauben dass…unser Reich in der Mitte aller Schöpfung liegt…und tatsächlich hat sich unser Wissen über die Welt von dieser Mitte aus...ausgebreitet...so ähnlich wie für euch das…Mare Mediterranum, nicht wahr?
    So habe ich darüber noch nie nachgedacht.“, gab Selene zu, „Aber wo ihr es jetzt erwähnt, ja eine gewisse Ähnlichkeit ist vorhanden.“, die Chinesin kicherte, „Sagt mir, wie sieht eure Heimat aus? Ich hoffe es ist nicht so ein Abgrund wie unsere Gelehrten es meinen.
    Das Ende der Welt?“, fragte Lin immer noch kichernd, „Ich hab davon gehört, dass ihr es so nennt und nein – es ist genauso wenig das Ende der Welt wie Daqin…am anderen Ende liegt. Es ist ein großes Land,…fruchtbar und mit vielen Reisfeldern gesegnet. Zwei große Ströme, der Gelbe und der Lange, durchziehen es und schenken den Han…Wohlstand.
    Es gibt also kein großes Meer wie dieses hier?“, fragte Selene und verwies auf die See um sie herum.
    Doch, nur liegt es nicht in der Mitte.“, erklärte die Chinesin, „Es liegt im Osten…und niemand weiß wo es endet.
    Selene machte große Augen, als sie dies hörte. „Genauso wie beim Oceanus Atlanticus.“, erklärte sie überlegend, „Vielleicht liegt dort ja das Ende der Welt…oder doch wieder nur etwas größeres, was wir uns nicht vorstellen können.
    Es wäre zumindest denkbar.“, dachte sich Lin, nickend, „Die Welt ist jedenfalls größer als ich damals angenommen habe, als ich nach Westen aufgebrochen bin.
    Erzählt mir davon…“, bat Selene und die Chinesin fing an zu erzählen.

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    Mare Ibericum = lat. Name für das Alborán-Meer, südlich von Spanien, nördlich von Marokko und Algerien
    Curiosi = Ordensspione/-späher (wörtlich wohl eher so etwas wie „die Neugierigen“)
    Liburne = Standard Kriegsschiff während der Kaiserzeit – kleiner als die vorherigen Schiffe wie Quinquereme oder Hexere, aber fast so groß wie Trieren ( Beispielbild )
    Obscurii = lat. für die „Verborgenen“
    Ruqun = https://en.wikipedia.org/wiki/Ruqun & Beispielbild 1 oder Beispielbild 2
    Caesarea in Mauretania Caesariensis = in der Nähe des heutigen Algiers
    Zǔguó = chin. für Heimat, Vaterland
    Zhongguo = chin. für „Reich der Mitte“, aber wörtlich wohl nur „Mitte“ oder „Zentrum“
    Mare Mediterranum = lat. für „Mittelmeer“
    Daqin = chinesischer Name für das Römische Reich; wörtliche Übersetzung „Großes Qin/China“
    Oceanus Atlanticus = lat. für „Atlantischer Ozean“
    "Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das was übrig bleiben muss, wie unwahrscheinlich es auch sein mag, die Wahrheit." - Sherlock Holmes alias Sir Arthur Conan Doyle
    "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du." - Mahatma Ghandi
    "Eine Falle zu erkennen ist eine Sache, sie zu umgehen eine völlig andere." - Ranma 1/2
    "Mein Name ist Ozymandias, König der Könige. Schauet auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt." - Ozymandias
    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
    "Nichts ist unmöglich, solange du es dir vorstellen kannst." - Professor Hubert Farnsworth
    "Maybe you are right...maybe we can't win this. But we'll fight you regardless. Yes, people will die. Maybe we'll lose half of the galaxy...maybe more. However insignificant we might be: We will fight, We will sacrifice and We will find a way....that's what humans do!" - Commander Shepard
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    Amany / Hinrichtung

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    "Da ist sie." schrie eine Frau ganz in der Nähe und Amany fuhr erschrocken herum.
    Das war unmöglich, niemand konnte sie hier oben sehen. Angespannt und mit angehaltenem Atem krabbelte sie an die Kante des Daches, auf welches sie geflohen war und linste vorschtig hinunter.
    Erleichtert atmete Amany durch, als sie sah, wie eine Frau herzlichst eine andere Frau begrüßte und lehnte sich rücklings an die Hauswand.
    Puh... Glück gehabt. schoss es der jungen Diebin durch den Kopf und stieß die Luft hörbar aus.
    Doch, was nun?
    Hier konnte sie nicht bleiben, die Wachen würden sie sofort gefangen nehmen oder sie gleich an Ort und Stelle töten, wenn sie Sie fanden.
    Aber wo sollte sie hin? Sie hatte niemanden, wo sie hingehen könnte. Nicht einmal ein richtiges zuhause, wo sie sich verkriechen und ausruhen konnte, mal ganz davon abgesehen, dass die Wachen dort noch am ehesten auf sie warten würden, wenn sie ein Heim hätte. Außerdem hatte sie von dem alten Mann noch die Aufgabe erhalten, die Verborgenen zu finden oder zumindest mal einen von ihnen...
    Amany überlegte lange und sah schlussendlich nur eine Möglichkeit... sie musste erstmal die Stadt verlassen.
    Ein leiser Seufzer kam ihr über die Lippen, während sie sich langsam in die Hocke begab und mit geübtem Blick die nähere Umgebung auskundschaftete.

    "Keine Wache zu sehen." murmelte sie zu sich selbst und balancierte auf einem Seil zum nächsten Dach rüber.
    Von dort aus aufs nächste Dach, dann zum einem weiteren Dach, bis es irgendwann über die Dächer von Alexandria nicht mehr vorwärts ging und sie in eine Seitengasse hinunter sprang.
    Inmitten der Seitengassen und den Marktständen konnte Amany unauffällig untertauchen und kam flott voran, bis sie irgendwann den Hafen erreichte.
    "Hey." rief plötzlich eine männliche Stimme.
    Amany drehte sich erschrocken um und sah einen Ägypter auf sie zu kommen, der aus einem Lagerhaus kam.
    "Was machst du hier?" hakte der Ägypter nach.
    "Nichts." antwortete Amany leise und musterte ihren Gegenüber genau.
    "Du hast hier nichts verloren, also verschwinde von hier." gab der Mann mit drohendem Unterton von sich.
    "Ich gehe ja schon." entgegnete die junge Diebin beschwichtigend und ging langsam weiter.

    Am Hafen entdeckte sie schließlich einige Händler, die wohl um Preise feilschten. Aber sicher war sie sich da nicht, dafür war sie zu weit entfernt.
    Ihr Blick fiel auf ein paar Schiffe. Ob sie wohl mit eines dieser Schiffe hier weg sollte? überlegte sie.
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  6. #26 Zitieren
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    Sie verwarf den Gedanken jedoch schnell wieder, sich auf ein Schiff zu schleichen, als sie mit ansah, was mit blinden Passagieren geschah, die für die Überfahrt nicht bezahlen konnten oder nicht wollten.
    Ein junger, unscheinbarer Mann wurde erst brutal an Deck gezerrt und schließlich vom Schiff hinunter geprügelt, als dieser nicht zahlen konnte/ wollte.
    Mit leichten Blessuren, aber dennoch einem zufriedenen Grinsen im Gesicht nahm der Mann reis aus, bevor ihm noch was schlimmeres blühte und ließ zufällig an der Ägypterin vorbei.
    "Da würde ich mich nicht drauf schleichen." meinte der Mann nur im vorbei laufen und deutete auf das Schiff, mit dem er nach Alexandria kam.
    Verwirrt blickte sie dem Mann noch einen Augenblick hinterher, bis er hinterm Lagerhaus verschwunden war.
    Wäre wirklich keine gute Idee. schoss es ihr durch den Kopf, während sie nach anderen Möglichkeiten zur Flucht Ausschau hielt.
    Sie ging weiter und entdeckte ein paar kleine, unbewachte Boote mit und ohne Segel. Amany guckte sich eins mit Segel, eine Felucca aus, welches ein wenig abseits am Holzsteg lag.
    Über die Schulter blickend vergewisserte sie sich, dass sie niemand beobachtete und ging langsam auf die Felucca zu. Noch einmal schaute sie um sich, doch es schien niemand Notiz von ihr zu nehmen.
    Schnell sprang sie auf die schaukelnde Nusschale, stieß sich mit beiden Händen vom Steg ab, während die leichte Brise des Windes sich im Segel verfing und die Felucca vorw#rts schob.
    Mit dem Ruder steuerte sie die Nusschale und fuhr Richtung Sumpfgebiet, als......
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  7. #27 Zitieren
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    Titos I & Titos II

    Die Sklavenmärkte befanden sich im Süden von Alexandria, dort wo die meisten Lagerhäuser zu finden waren, aber eben auch Märkte für alle anderen Waren. „Seht euch diesen Muskelprotz an!“, rief ein Sklavenhändler, ein untersetzter Araber, auf Griechisch, „Wenn ihr einen Gladiatorenkämpfer braucht, dann ist er euer Mann!“, wobei er mit seinen Anpreisungen hier nicht aufhörte.
    Titos hörte aber nicht mehr zu, weil er sich gerade durch die Menge der Zuhörer quetschte. Er hatte ihn von der Straße von oben gesehen, da die Märkte nur über Stufen nach unten erreichbar waren. Er sah auf den ersten Blick unscheinbar aus: ein Ägypter, ein Shendyt tragend und eine Lederweste über dem Oberkörper. Er hatte einen kahlen Kopf, hatte seine Arme verschränkt und blickte mit finsterem Blick rauf zum Holzpodest, wo Menschen als Waren feilgeboten wurden. Der einzige Grund warum Titos ihn überhaupt erkannt hatte, war der Bogen, den er immer mit sich führte: die beiden äußeren Stellen waren rötlich markiert.

    Raneb.“, flüsterte er dem anderen Mann zu, nachdem er zu ihm getreten war, „Weißt du eigentlich wie schwer es ist, dich zu finden?
    Der Ägypter blickte sich nicht um, sondern setzte sein finsteres Starren auf das Podest fort. „Je schwerer es für euch ist mich zu finden, desto schwerer muss es für alle anderen auch sein.“, erwiderte Raneb mit einem schwermütigen Stimme, „Aber wozu soll man gefunden werden? Nur um wieder den Blick auf die dunklen Ecken dieser Welt zu werfen? Nur um wieder seine Klinge zu heben, aber doch nicht zustechen zu dürfen?“, er seufzte, „Was führt dich zu mir, junger Titos?
    Der jüngere Verborgene tat so, als hätte er diese Triade nicht gehört, denn es gehörte irgendwie zu seinem Verhalten. „Ich bin auf der Suche nach einem Sklavenhalter, der seine Sklaven misshandelt.“, erklärte er.
    Einen nur?“, Raneb schnaubte, „Ich könnt dir hunderte nennen, die ihre Sklaven täglich schlagen, täglich demütigen, täglich nur mit elendigem ernähren.“, er schüttelte seinen Kopf, „Sieh allein diesen Araber an – gerade erst mit der Karawane angekommen und schon am quälen seiner Sklaven.
    Damit meinte er den Umstand, dass der Sklavenhändler, der seinen Muskelprotz bereits gut verkauft hatte, gerade dabei war zwei junge Mädchen zu verkaufen, die versucht hatten wegzurennen – ein Fehler, denn nun hielt er sie an ihren Haaren, damit die Zuhörer ihren fast nackten Oberkörper sehen konnten, aber auch um ihnen Schmerz zu bereiten, falls sie so etwas nochmal versuchen würden.
    Wir können nicht die halbe Stadt umbringen, dass weißt du.“, erklärte Titos, sich an die Worte des Sofós erinnernd, „Damit wären wir nicht besser als die anderen.

    Wären wir das?“, er schmunzelte, wobei keine Freude auf seinem Gesicht zu erkennen war, „Ich hab mich schon immer gefragt, wer die Sofoi dazu bestimmt hat, über schuldig und unschuldig zu entscheiden. Wer sagt denn, dass der Orden der einzige ist, der der Welt schadet, hm?
    Titos blickte ihn traurig an. „Ich hab keine Antwort darauf, Raneb.“, erklärte er schlicht, „Aber nach wie vielen wäre es genug? Wie viel Blut muss fließen, bis deine Wut vorüber wäre?
    Er rümpfte seine Nase. „Vermutlich gibt es nicht genug Sklavenhalter dafür.“, er nahm einen tiefen Atemzug, „Gibt es einen weiteren Hinweis auf deinen Sklavenhalter?
    Er brennt seinen Sklaven ein ‚S‘ ein.“, erklärte Titos, „Ich hab ein Mädchen getroffen, es war völlig verstört, sprach sich in der dritten Person an und hatte eine Heidenangst vor allem und jedem.
    Der Ägypter legte eine Hand aufs Kinn, nachdenklich wirkend. „Ich hab auch schon von diesem Mädchen gehört…“, erklärte er, „Chloe, nicht wahr? Sie wurde bereits mehrmals gesichtet, nur hab ich sie bisher nicht gefunden. Wo hast du sie gesehen?
    In den Handwerksvierteln.“, erklärte Titos, „Unweit von Magister Pupius. Sie fuhr mit einem stark im Gesicht vernarbten Mann nach Osten.
    Raneb blickte ihn an. „Im Gesicht vernarbt?“, fragte er, „Hieß er zufällig Bion?
    Titos musste überlegen. „Ja, ich glaub das war sein Name.“, erklärte er schlussendlich.
    Erkenntnis breitete sich auf Ranebs Gesicht aus, kurz bevor Wut sie ersetzte. „Bion dient als Gladiator für einen Mann namens Babylas, davon hat er seine Wunden. Babylas hat diverse Residenzen, in Alexandria und auch außerhalb davon. Wenn Chloe seine Sklavin ist…
    Dann könnte er der Typ sein.“, kam Titos zum selben Schluss, „Weißt du wo diese Residenzen sind?
    Ja, folge mir.“, Raneb führte Titos aus der Menge der Käufer, nur einen weiteren verächtlichen Blick auf den Händler werfend, „Wir werden alle durchsuchen müssen, aber das kann ne Weile dauern. Sie liegen alle um den Sees Mareotis herum verteilt.
    Führ mich hin.“, antwortete Titos nur.

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    Shendyt = https://en.wikipedia.org/wiki/Shendyt
    Sofoi = griech. für „Weisen“ von Weiser


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    "Eine Falle zu erkennen ist eine Sache, sie zu umgehen eine völlig andere." - Ranma 1/2
    "Mein Name ist Ozymandias, König der Könige. Schauet auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt." - Ozymandias
    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
    "Nichts ist unmöglich, solange du es dir vorstellen kannst." - Professor Hubert Farnsworth
    "Maybe you are right...maybe we can't win this. But we'll fight you regardless. Yes, people will die. Maybe we'll lose half of the galaxy...maybe more. However insignificant we might be: We will fight, We will sacrifice and We will find a way....that's what humans do!" - Commander Shepard
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    Sigurd & Amany

    Das nächste woran Sigurd sich erinnerte war Schmerz, als sein geschundener Körper auf das eigentliche Wasser knallte.
    Dann verlor er das Bewusstsein. Nur schemenhafte Erinnerungen waren ihm geblieben, von den kurzen Momenten des Wachsseins: Wasser, Sonne, Boote, Graß, Bäume, Büsche, Schlamm, Matsch und noch mehr Braun.

    Urrrrrr….“, stöhnte der Jüte, als er erwachte. Sein Kopf lag im Schlamm, zur Seite gedreht und er fühlte sich hundeelend. Er brauchte mehrere Anläufe um sich überhaupt auf die Arme abzustützen und sich ein bisschen umschauen könnend: er war im Sumpf gelandet; zumindest gab es überall feuchtes Grass, Wasserlöcher im Boden, hier und da eine Palme und sehr viel Wasser um ihn herum.
    Sigurd war sich nicht einmal sicher, ob er wirklich sah was er sah. Bewegt sich dieses Gebüsch dort drüben…urgh, ich muss kotzen, er kotzte Wasser aus und fühlte sich keineswegs besser, Verflucht noch eins…ist das Gebüsch näher gekommen? …Warum ist das so flach? Und so gräulich? Sind die Gebüsche hier etwa Grau? …hat sich das gerade bewegt? …Ja, verdammt, halluziniere ich gerade etwa? Es bewegt sich! Und es wird schneller! …Wo sind alle die Äste und die Blätter? …Sind das Schuppen? …und was bei Hel ist das da in der Mitte? Ich könnte schwören, dass es aussieht wie ein Maul…es ist ein Maul!

    Gerade noch rechtzeitig war Sigurd auf die Beine gekommen und war zurückgewichen – als das Maul des Tieres bereits nach ihm schnappte und verfehlte. Was ist das für ein langes Maul?!!! , dachte sich der Jüte und wich weiter zurück, nur um die kleinen Beinchen an den Seiten zu bemerken – das Vieh rannte quasi auf ihn zu. Schnell drehte sich Sigurd um und floh vorwärts, teils rennend, teils stolpernd, weil sein Körper solche großen Anstrengungen noch nicht verkraften konnte.
    Er näherte sich dem Wasser und stoppte abrupt ab: noch so ein Vieh kam gerade sein Maul aufreißend, aus dem Wasser geschwommen. Was sind das für Monster?! , war der einzige Gedanke in seinem Kopf, Bin ich etwa gestorben und in Hel gelandet?! Er sprang davon – und bereute es augenblicklich als der Schmerz in seiner Brust noch größer wurde. Grgh…zusammenreißen!, befahl er sich gedanklich und flüchtete dieses Mal nach links, zu einer anderen Insel die mit seiner verbunden war.
    Und er blieb erneut stehen: eine weitere Bestie kam gerade aus dem Wasser. Er blickte hinter sich – die zwei anderen Bestien kamen näher. Ihr Götter…ihr verfluchten Götter!!!, schimpfte er im Geiste und entdeckte den einzigen Weg raus aus der Umkreisung: der nächstgelegene Baum.

    Er stolperte näher, ergriff den Baum und versuchte sich irgendwie hochzuziehen – bei einer Palme ein recht fruchtloses Unterfangen. Nein, Nein, Nein!, dachte er, verzweifelnd, als er ein neues Geräusch von hinten hörte: irgendetwas schlug auf den Boden auf. Er wirbelte herum – sofern man dieses halbkranke Umdrehen so nennen durfte – und entdeckte einen Speer, der sich genau zwischen ihm und den Bestien in den Boden gebohrt hatte.
    Die Augen!“, rief eine Stimme von irgendwoher, „Ziel auf die Augen!!
    Sigurd ließ sich das nicht zweimal sagen: er ergriff den Speer und wollte ihn bereits schwingen…als er ihm um ein Haar aus den Fingern geflutscht wäre. Der Speer war schwerer, als diejenigen die er kannte, was aber weniger am Design lag, mehr daran, dass der Jüte wohl am Ende seiner Kräfte war. Er umfasste den Speer fester und schwang ihn mit so viel Kraft in Richtung des nächstgelegenen Tieres wie er aufbringen konnte – die Bestie fühlte sich nur genervt vom Angriff, aber wich doch zurück.
    Schnell drehte er sich um und schlug der nächsten gerade noch rechtzeitig auf das Maul, bevor es dieses um sein Bein schließen konnte. Beim dritten versuchte er es erneut – nur fing das Vieh den Speer im Maul und zog ihn nach vorne. Sigurd ließ den Schaft noch rechtzeitig los, war aber nun auch seine Waffe los.

    Hierher!“, rief die Gestalt erneut und dieses Mal konnte er die Richtung wahrnehmen – vom Wasser, „Hierher, schell!
    Er erkannte ein Boot, das sich nahe am Ufer befand und der Weg dorthin führte direkt zwischen zwei der Bestien. Ohne groß nachzudenken stolperte er los, wich den Maul eines der Bestien gerade noch rechtzeitig aus und fing an das Wasser unter seinen Füßen zu spüren. Mit letzter Kraft sprang er auf das Boot – und bereute es hinterher, denn er verlor das Bewusstsein.
    "Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das was übrig bleiben muss, wie unwahrscheinlich es auch sein mag, die Wahrheit." - Sherlock Holmes alias Sir Arthur Conan Doyle
    "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du." - Mahatma Ghandi
    "Eine Falle zu erkennen ist eine Sache, sie zu umgehen eine völlig andere." - Ranma 1/2
    "Mein Name ist Ozymandias, König der Könige. Schauet auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt." - Ozymandias
    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
    "Nichts ist unmöglich, solange du es dir vorstellen kannst." - Professor Hubert Farnsworth
    "Maybe you are right...maybe we can't win this. But we'll fight you regardless. Yes, people will die. Maybe we'll lose half of the galaxy...maybe more. However insignificant we might be: We will fight, We will sacrifice and We will find a way....that's what humans do!" - Commander Shepard
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    Die Sonne brannte erbarmungslos von oben herab, wie schon die Tage davor und wohl auch noch die kommenden Tage. Yu zog die weiße Kapuze tiefer in ihr Gesicht herab und zog den Schal über den Mund. Ihre helle Haut hatte schon viele Sonnenbrände während der Reise erleiden müssen und sie war nicht erpicht darauf einen weiteren zu bekommen. Das Kamel schaukelte unter ihr und vor allem roch es streng. Die Chinesin hätte gedacht das sie sich nach tausenden von Meilen an den Geruch von, Kamelen, Dromedaren und Trampeltieren gewöhnt hätte, aber dem war nicht so. Immerhin wurde ihr nicht mehr schlecht von dem Geschaukel, so wie zu Beginn der Reise.


    Pferde, die hatten Eleganz und einen edlen Gang, aber leider waren sie auch nicht für schweres Gelände geeignet. Sie sah sich um, egal ob vorne oder hinten, sie war von Höckertieren umzingelt. Der Karawanenführer hatte gemeint das sie bald die Stadt Palmyra erreichen würden, eine wichtige Stadt der örtlichen Provinz. Syria hieß die Provinz, so erinnerte sich die Asiatin, eine der östlichsten Provinzen von Daiqin. „Nicht Daiqin, Rom!“, korrigierte sie sich gedanklich. Jetzt wo sie in deren Reich waren war es wohl besser sich an die örtlichen Gepflogenheiten zu gewöhnen. Sie mussten nicht mehr auffallen als nötig und das war schon schwer genug. Momentan ließen ihre Klamotten nur eine schmale Augenpartie frei, aber gerade die war allzu ungewöhnlich in diesem Winkel der Welt.


    Yu Jiao seufzte, so viele Monde war es schon her, dass sie die Heimat verlassen hatten und in die seltsame Fremde gezogen waren. 19 Monde, wenn sie es richtig verzeichnet hatte. Sie hatte gekämpft, um mitkommen zu dürfen, dennoch hatte sie in vielen Nächten das Heimweh gepackt. Ihr Bruder hatte sie getröstet, wenn sie geweint hatte und sie hatte dann schnell aufgehört zu weinen. Ihm gegenüber wollte sie keine Schwäche zeigen, ihm beweisen, dass es kein Fehler war sie mitzunehmen.
    Doch auch in seinen Augen hatte sie die Wehmut bemerkt, die Sehnsucht nach den grünen Tälern entlang des Jangtsekiang. Wenn sie am Abend auf ihrer Flöte Klänge aus der Heimat gespielt hatte, um sie zu trösten, hatte Chen immer ergriffen gelauscht. An manchen Abenden hatte er leise mitgesungen, die tiefe Sehnsucht in seinem Herzen entlassen.
    Wie gerne erinnerte sie sich an die Reise aus ihrer Kindheit, entlang des großen Flusses. Zwischen den Schluchten hindurch, einen Blick auf den reißenden Strom, wie er sich durch Qutang, Wuxia und Xiling schlängelte. Oder wie sie das erste Mal das gelbliche Wasser des Huang He erblickt hatte. Erneut seufzte die Chinesin und ließ ihren Blick über den öden Sand streifen. Würde sie je ihre Heimat wiedersehen? Drachenboote die über Fluss glitten, bemannt von buntgekleideten Mannschaften? Das Mondfest feiern, umgeben von ihrer Familie? Wenn sie sich so umsah zweifelte sie daran.


    „Woran denkst du?“, fragte sie auf einmal ihr Bruder, welcher neben ihr auftauchte. Auch er hatte die dunkle Kapuze tief ins Gesicht gezogen. Souverän lenkte er das Kamel neben ihres.
    „Nicht viel mein Bruder. Wann wir wohl dieses Palmyra erreichen werden.“, flunkerte sie ihren Bruder an. Er sollte nicht merken das sie schon wieder Heimweh plagte. Ihr Bruder sah sie mit ernstem Blick an und schaute forschend in ihr Gesicht.
    „Deine Augen sagen mir etwas anderes. Hab keine Sorge Schwester, wir werden Zǔguó wiedersehen.“, erklärte er überzeugt und schenkte ihr ein Lächeln.
    „Aber jetzt müssen wir uns auf das eigentliche Ziel konzentrieren, wir sind im Daiqin. Dort wo dieser Orden seine Wurzeln hat. Wir müssen also aufpassen, ich bin mir sicher sie haben ihre Spione überall. Schon im Land der Anxi hatte ich das Gefühl, dass man uns aufmerksam beobachtet.“
    Wir werden überall angestarrt mein Bruder. Das ist nie ein schönes Gefühl.“, merkte sie frustriert an. Wo sie auch hinging, stets spürte sie die Blicke der Passanten an sich kleben. Fairerweise musste sie jedoch anmerken, dass sie während ihrer Reise auch schon häufig gestarrt hatte. So viele fremde Gesichter, mit merkwürdigen Formen, buschigen dunklen Augenbrauen und ebenso dunkler Haut. Dennoch, häufig fühlte sie sich unwohl, wie damals als ihr dieser Sklavenhändler erzählt hatte das er für eine exotische Schönheit wie sie ihr Gewicht in Gold bekommen würde. Auch wenn es vermutlich ein Kompliment sein sollte, sie hatte es nicht so aufgefasst. Ihren Bruder hatte sie davon auch nichts erzählt, er hätte den Fremden vermutlich am selben Abend verprügelt.


    „Palmyra? Und dann wohin weiter? Werden wir je ein Ziel erreichen?“, fragte Yu resigniert und sah Chen fragend an. Dieser kam noch etwas näher an sie herangeritten. „Werden wir kleine Schwester, von dort aus reisen wir nach Alexandria, etwas weniger als ein Monat sollte das dauern.“

    „Dort ist unser Ziel?“, entfuhr es der Asiatin freudig überrascht. Wusste ihr Bruder wieder mehr als sie wusste?
    „Vorerst. Es ist der wichtigste Hafen in diesem Reich, dort werden wir viele Informationen finden. Außerdem habe ich Gerüchte gehört...“ „Was für Gerüchte?“
    „Gerüchte, meine kleine Schwester, ich informiere dich, wenn ich mehr weiß. Ich will dich nicht mit Geschwätz belasten.“
    „Ich halte das schon aus, ich bin kein kleines Mädchen mehr.“, erwiderte Yu trotzig.
    Chen blickte seine Schwester nachdenklich an. Sie hatte Recht, während der fast zweijährigen Reise war sie vollends zu einer bildhübschen Frau gereift. Eine wahre Verschwendung, hier umgeben von Barbaren. Dennoch für ihn war sie seine kleine Schwester und er wollte ihr keine falschen Hoffnungen machen.
    „Sobald ich mehr weiß erfährst du es als Erstes.“, sprach er beschwichtigend.
    „Hm!“, antwortete Yu nur leicht beleidigt und ritt ein wenig von ihm weg, den Blick abgewandt. Chen musste schmunzeln, manche Dinge hatten sich auch während der Reise nicht geändert.


    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)

    Jangstekiang= größter Fluss Chinas
    Qutang, Wuxia und Xiling = drei berühmte Schluchten durch die der Jangtse fließt
    Huang He = Gelber Fluss
    numberten ist offline Geändert von numberten (29.12.2018 um 01:58 Uhr)
  10. #30 Zitieren
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    Sigurd

    Die Felucca schaukelte wild hin und her, als dieser Mann mit einem kraftvollen Sprung hinein sprang und Amany hatte Mühe nicht selbst ins Wasser zu plumpsen, ganz zu schweigen davon, dass diese Mistviecher immer noch hinter ihnen her waren.
    Geschickt lenkte sie die Felucca weg von diesen Krokodilen. Als dann auch noch der Wind etwas stärker wurde, kamen sie flott voran und sie gewann schnell Abstand zwischen dem Boot und den hungrigen Mäulern.
    Puuh.... Das war knapp... stellte die junge Diebin erleichtert in Gedanken fest, blickte aber vorsichtshalber noch mal über die Schulter.
    Sicher ist Sicher!

    Erst jetzt nahm sie den bewusstlosen Mann so richtig in Augenschein, der zugegebenermaßen eher aussah wie eine Mummie, als ein normaler Mensch.
    Um die Hüfte trug er eine vergilbte Shendyt, keine Sandalen, der Kopf war kahl rasiert, wobei man an den freien Stellen sehen konnte, dass langsam Haare nach wuchsen, während um den Rest des Kopfes, vorallem die Nase und dem gesamten Oberkörper schmutzige und stinkende Bandagen gewickelt waren. Überhaupt roch er ziemlich streng nach Kerker, Fisch, modrigem Sumpf, erbrochenem und Scheiße.
    Amany rümpfte die Nase, während sie den bewusstlosen Körper etwas zur Seite drehte. Ihr Magen begann zu rebellieren und sie hatte Mühe sich nicht selbst zu übergeben.
    Ob er wohl ein entflohener Sklave ist? Und woher kam er? fragte sie sich in Gedanken und ging trotz Übelkeit näher an ihn ran. Ganz gleich woher er auch kam, sie musste zusehen, dass er wieder zu Bewusstsein kommt.
    "Hey, komm zu dir." sagte sie leise auf ägyptisch und versuchte ein wenig unbeholfen den Mann wach zu rütteln. Keine Reaktion!
    Amany überlegte, was sie nun tun sollte. Wenn dem Mann nicht bald die Bandagen gewechselt und geholfen wurde, würde er jämmerlich verrecken. Sie hatte nichts dabei, womit sie ihn frisch verbinden konnte.
    Ein Arzt... schoss es ihr durch den Kopf und sie schaute sich um. Doch wo zum Teufel sollte sie in der Pampa einen Arzt finden? Ihr Blick fiel auf Alexandria.
    "Wach auf. Ich bringe dich zu einem Arzt." Wieder versuchte sie ihn wach zu rütteln, doch wieder keine Reaktion.

    Sie nahm das Ruder in die Hand und steuerte auf Alexandria zu, als Hilfeschreie ihre Aufmerksamkeit erregten. Amany blickte in die Richting, wo die Schreie her kamen und sah ein Mädchen im Wasser herum zappeln.
    "Hiiiillllfffeeeee!" schrie das Mädchen und fuchtelte wild mit ihren Armen herum. Krokodile wurden auf die kleine aufmerksam und schwommen schnell heran.
    "Hör auf herum zu zappeln!" rief Amany auf ägyptisch zurück und lenkte die Felucca auf das Mädchen zu.
    Gerade noch rechtzeitig, denn eines dieser Biester war schon gefährlich nahe an dem Mädchen. Blitzschnell griff Amany mit ihrer linken Hand ins Wasser und griff nach dem Arm des Mädchens, welches vor Erschöpfung drohte unter zu gehen und zog sie hinauf, als das aufgerissene Maul des Krokodils die Wasseroberfläche durch brach. Mit der rechten Hand steuerte sie das Ruder und machte eine scharfe Rechtskurve und entwischte so dem Angriff.
    Nachdem etwas Ruhe eingekehrt war, beobachtete sie das kleine Mädchen, welches etwa 10, 11, höchstens 12 Jahre alt war. Sie stank genauso, wie der bewusstlose Mann. Wieder überkam sie Übelkeit.
    Die kleine jappste nach Luft und spukte schließlich Wasser aus, aber sonst schien es ihr gut zu gehen.
    §Wer seid ihr beiden und wo kommt ihr her?" erkundigte sich Amany nach einer Weile auf ägyptisch, als sich das Mädchen beruhigt und sich hingesetzt hatte. Das Mädchen blickte sie an, doch Amany war sich nicht sicher, ob sie sie verstanden hatte.
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  11. #31 Zitieren
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    Sigurd & Amany

    Das Mädchen wurde richtig durchgespült, als sie durch das Loch in der Latrine in den See gespült wurde. Zunächst versuchte sie dagegen anzukämpfen, aber am Ende ließ sie sich treiben, nicht in der Lage gegen die Kraft des Wassers zu bestehen.
    Sie bemerkte erst, dass die Strömung nicht mehr so stark war, als sie drohte unterzugehen – der Eisenring um ihren Hals wollte sie herunterziehen. Sie wusste genügend übers Schwimmen – mehr aus reiner Notwendigkeit, nicht weil es ihr jemand beigebracht hätte – um zu wissen, dass sie sich oben halten musste, um überhaupt zu überleben.
    Sie schaute sich um und bemerkte, dass sie in irgendeinem Sumpfgebiet gelandet war. Sie schwamm in Richtung des nächstgelegenen Ufers und stoppte abrupt ab: Krokodile tummelten sich dort und einer von ihnen hatte sie gemerkt. Nein, nein, nein…dachte sie noch und versuchte wegzuschwimmen – sie musste Land finden, wo die Schuppentiere sie nicht verfolgen konnten. Leider sah die ganze Gegend keineswegs einladend aus, weswegen sie anfing nach Hilfe zu schreien: "Hiiiillllfffeeeee!"

    Zu ihrer Überraschung wurde sie erhört: eine Felucca kam gerade auf sie zugesegelt, gesteuert von irgendeiner Frau. Die junge Frau rief ihr ein paar Worte zu, die Chloe nicht verstand, aber das war ihr auch egal – jetzt würde sie sogar in das Boot eines Piraten steigen. Was für ein Glück!, dachte sich das Mädchen, als das kleine Boot in Reichweite war und sie zappelte sich mithilfe der Frau an Bord – gerade noch rechtzeitig, wie sich zeigte, denn ein Krokodil hatte gerade versucht zuzuschnappen.
    Erst jetzt bemerkte sie wie müde sie war, denn sie konnte nur über das Schilf des Bootes kriechen. Sie japste nach Luft und musste sich übergeben – hinterher wunderte sie sich, wann sie so viel Wasser geschluckt hatte. Erst dann setzte sie sich hin – und bemerkte den anderen Körper an Bord: es war der Jüte, der ihr all das eingebrockt hatte!

    Die junge Frau sprach sie an, aber erneut in der Sprache, die sie nicht verstand – obwohl ihr jetzt klar wurde, dass es Ägyptisch war. Sie konnte es zwar nicht sprechen, aber sie hatte bereits genügend Leute getroffen, die es gesprochen haben. „Δενκαταλαβαίνω.“, sprach sie auf Griechisch aus, darauf hoffend, dass die junge Frau diese Sprache sprach, wobei das nicht das einzige war, was sie sagte, „Bitte ihr müsst Chloe wieder zu ihrem Meister bringen, bevor er entdeckt, dass sie geflohen ist. Er wird mich fürchterlich bestrafen…“, sie warf dem Jüten einen wütenden Blick zu und spuckte in seine Richtung, „Er wird uns beide bestrafen, bitte, bitte, bitte bringt Chloe zurück zu ihm!“, flehte sie die junge Frau an.

    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)

    Δενκαταλαβαίνω = griech. für „Ich verstehe nicht.“
    "Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das was übrig bleiben muss, wie unwahrscheinlich es auch sein mag, die Wahrheit." - Sherlock Holmes alias Sir Arthur Conan Doyle
    "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du." - Mahatma Ghandi
    "Eine Falle zu erkennen ist eine Sache, sie zu umgehen eine völlig andere." - Ranma 1/2
    "Mein Name ist Ozymandias, König der Könige. Schauet auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt." - Ozymandias
    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
    "Nichts ist unmöglich, solange du es dir vorstellen kannst." - Professor Hubert Farnsworth
    "Maybe you are right...maybe we can't win this. But we'll fight you regardless. Yes, people will die. Maybe we'll lose half of the galaxy...maybe more. However insignificant we might be: We will fight, We will sacrifice and We will find a way....that's what humans do!" - Commander Shepard
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  12. #32 Zitieren
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    Chloe

    Amany lauschte aufmerksam ihren Worten, auch wenn es griechisch war und sie ein wenig Mühe hatte, dass ganze gedanklich zeitgleich zu übersetzen und beobachtete sie dabei, wie sie in Richtung des bewusstlosen spukte. Ganz offensichtlich kannten sich die beiden, oder zumindest sie ihn!
    Wie sie es bereits vermutet hatte, waren die beiden einem skrupellosen und wahrscheinlich auch sadistisch veranlagten Meister entkommen. Amany blickte kurz an Chloe vorbei, zur schlafenden Mummie. Selbst das Mädchen schien nicht ganz ungeschoren davon gekommen zu sein, ihr abgemagerter Körper und ihre müden Augen waren Zeugen von akutem Schlafmangel und zu wenig Essen. Mal ganz davon abgesehen, dass das Mädchen wohl regelmäßig verprügelt worden war, an den Armen sah man noch den ein oder anderen blauen Fleck.
    Umso geschockter war Amany darüber, worum sie das Mädchen bat, nein - förmlich flehte!
    Sie wollte zu ihrem Meister zurück gebracht werden.
    Die kleine musste soviel Angst vor ihrem Meister haben, dass sie eher zu ihm zurück kehrte und weiterhin Schmerzen ertrug, als ein Leben in Freiheit.
    "Ich kann dich nicht zu einem Menschen zurück bringen, der dich quält und dir Schmerzen zu fügt." begann Amany leise auf griechisch. Sie wusste nicht einmal, warum sie dies sagte. Im Grundegenommen konnte ihr das Schicksal dieses Mädchens scheißegal sein. Sie kannte sie nicht und von einem skrupellosen Meister durch Alexandria gejagt zu werden, war auch nicht gerade das, was sie wollte.
    Dennoch, sie konnte und wollte es einfach nicht.
    "Hör zu, Chloe." sprach sie schließlich leise weiter. "Du willst nicht zu deinem Meister zurück. Er wird dir ganz schlimme Dinge an tun, wenn du jetzt zu ihm zurück kehrst. Viel schlimmer, als Prügel, Schlafentzug und nichts zu essen und zu trinken." Amany wusste nur zu gut, was mit jungen Frauen ab einem bestimmten Alter geschah, entweder mussten sie ihren Körper verkaufen oder wurden einfach so missbraucht, wie sie am eigenen Leib erfahren musste.
    Chloe wollte irgendetwas erwidern, doch Amany kam ihr zuvor.
    "Ich bringe euch jetzt erst mal in Sicherheit. Er braucht dringend ärztliche Hilfe." Sie steuerte die Felucca auf Alexandria zu.
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  13. #33 Zitieren
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    Amany

    Die junge Frau fing an griechisch zu sprechen, aber so langsam, als wäre sie es nicht gewohnt. Was sie aber sagte, gefiel Chloe keineswegs. „Nein, nein, der Meister wird-“, wollte sie sagen, aber die Frau ließ das nicht zu, schnitt ihr förmlich das Wort ab.
    "Ich bringe euch jetzt erst mal in Sicherheit. Er braucht dringend ärztliche Hilfe.", wobei sie dabei auf den immer noch bewusstlosen Jüten zeigte.
    Dieser verdammte Jüte!!, schrie sie gedanklich auf und warf ihm einen hassvollen Blick zu, Er ist an allem Schuld! Wegen ihm war Meister zuletzt so grausam zu Chloe! Wegen ihm ist Chloe geflohen!!, sie fing an zu weinen, Wegen ihm werde ich wie Kassandra und Alexis enden!, sie wollte sich erheben, aber die Kraft verließ sie und sie lehnte sich unfreiwillig gegen den Mast des Bootes. Erst jetzt bemerkte sie, dass ihre Augen sich schlossen. Nein, nein, ich will nicht schlafen, ich will keine Alpträume, nicht jetzt, nicht jetzt…aber die Müdigkeit übermannte sie und sie schlief ein.
    "Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das was übrig bleiben muss, wie unwahrscheinlich es auch sein mag, die Wahrheit." - Sherlock Holmes alias Sir Arthur Conan Doyle
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    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
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    "Maybe you are right...maybe we can't win this. But we'll fight you regardless. Yes, people will die. Maybe we'll lose half of the galaxy...maybe more. However insignificant we might be: We will fight, We will sacrifice and We will find a way....that's what humans do!" - Commander Shepard
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  14. #34 Zitieren
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    Chloe

    Amany bemerkte den hasserfüllten Blick, den sie dem bewusstlosen Mann entgegen schleuderte und nach allem was sie von der kleinen erfahren hatte, was ja schon nicht viel war, musste man wohl davon ausgehen, dass sie nicht ganz freiwillig mit ging.
    Doch was bezweckte er mit ihr? War es wirklich sinnvoll die kleine aus einer brutalen, aber doch bekannten Umgebung, in eine für sie völlig fremde Welt zu schmeißen?
    Amany´s Gedanken überschlugen sich, während sie Chloe beobachtete, wie sie anfing zu weinen, versuchte auf zu stehen und schließlich am Mast anlehnend einschlief.
    "Ich bring dich in Sicherheit." flüsterte sie, wohl wissend, dass sie keiner der beiden hören konnte und schaute sich um.
    Vor ihr lag Alexandria, doch so wirklich dorthin zurück wollte sie erstmal nicht. Sie wendete die Felucca und fuhr in die entgegengesetzte Richtung, weg von Alexandria.

    Nach etwa einer halben Stunde und ein paar recht gewagten Manövern, um den Nilpferden aus zu weichen, erreichte sie eine Siedlung Sais.
    Sie steuerte auf den Holzsteg zu, der zu einem Lagerhaus Neret-mehetet gehörte.
    "Du da. Halt!" rief plötzlich eine Wache, die auf den Steg eilte.
    "Bitte, ich brauche Hilfe. Ich habe hier einen schwerverletzten, der dringend ärztliche Hilfe bräuchte." flehte die junge Diebin auf ägyptisch und deutete auf den bewusstlosen Mann.
    Der Wachmann guckte erst etwas skeptisch, doch als er sah, dass sie die Wahrheit sprach, rief er einen seiner Kollegen zu sich.
    "Hey du, hilf mir mal schnell." Ein zweiter Wachmann kam angelaufen, während Amany die Felucca am Steg fest zurrte.
    "Oh man, die stinken ja wie scheiße." hustete der erst Wachmann, der versuchte den bewusstlosen hoch zu hieven.
    Der zweite Wachmann ging zum Mädchen. "Das Mädchen trage ich." sagte Amany und eilte gleich zu Chloe.
    Behutsam nahm sie das Mädchen hoch. "Nein, nein.... Alexis... Kassandra." murmelte die kleine verängstigt vor sich hin und ihr ganzer Leib zitterte.
    "Alles gut, Chloe, schlaf weiter." sagte Amany leise und in beruhigendem Tonfall, so das die kleine Erschöpft auf ihren zusammenbrach.
    Die zwei Wachposten gingen mit dem bewusstlosen voran, eine sandige Straße hinauf, die zur Siedlung führte. In der Mitte war eine Art Markt, wo ein Mann zwischen den Ständen irgendwas von Letopolis rief. Um den Markt herum, waren kreisfürmig die Häuser gebaut worden und Amany konnte zwei Schmiede und eine Weberin entdecken.
    "Heilerin, ich habe hier einen Patienten." rief einer der Wachmänner. Eine grau haarige Frau mit dunkler Haut kam heran geeilt.
    "Bringt sie ins Haus." wies die Frau an und ging voraus. Amany und die Wachmänner folgten ihr.
    "Legt die beiden dort auf die Decken." wies die Frau weiter an und alle gehorchten.
    Kurz bevor die Wachposten wieder zum Lagerhaus gehen wollte, fing Amany sie ab und bedankte sich herzlich bei ihnen.
    Als Amany zu Chloe zurück wollte, hielt sie die Heilerin auf.
    "Ich muss dich bitten, draußen zu warten. Ich werde mich gut um die beiden kümmern und hole dich dann, wenn sie wach sind."
    Amany nickte, wenn auch mit einem komischen Gefühl im Magen und verließ schließlich das Haus.
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  15. #35 Zitieren
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    Chloe & Amany

    Nein, nein, weg mit euch!!, schrie der Jüte, als die Monster mit den großen Mäulern ihm hinterherjagten. Sie kamen aus allen Richtungen, sie schnappten nach ihm und er war so klein verglichen mit ihnen. Weg! Weg!, schrie er verzweifelt, als eines der Bestien ihm den Weg versperrte. Nein!, schrie er noch, als das Maul sich um ihn schloss….

    Sigurds Augen weideten sich beim Aufwachen und er wäre um ein Haar aufgesprungen – wenn ihn nicht der vertraute Schmerz begrüßt hätte und wieder auf das Lager gezwungen hätte. Er musste kurz husten, bevor er die Zähne zusammenbiss – der Schmerz war zwar immer noch stark, aber irgendwie kam es ihm so vor, als wäre er schwächer geworden, seit dem letzten Mal.
    Erst jetzt bemerkte er, dass er auf seinem Rücken lag, denn vor sich sah er den Himmel. Ein recht gelblich-orangener Himmel, mit einer Wolke hier und da. Ich bin frei…kam ihm in den Sinn, als er den Untergang der Sonne mit Tränen in den Augen erblickte, Ich bin frei!, seit sieben Jahren hatte er diesen Gedanken nicht hegen können, aber nun war er frei – und das bleibe ich!, entschied er sich.
    Langsam kamen auch seine restlichen Sinne zu ihm zurück und er konnte Krach hören – Geschrei um genauer zu sein. „Nein, nein, Chloe πρέπει να πάμε πίσω! Δεν Chloe να τελειώσει, όπως ο Alexis!“, hörte er eine vertraute Stimme schreien.

    Sigurd erhob sich, mit Müh und Not, in eine sitzende Position. Er lag in einer Art Garten, umgeben von einer Lehmmauer. Neben ihm lagen weitere Verletzte, selbst wenn keiner so verletzt zu sein schien wie er – sie sahen eher wie die üblichen Patienten eines Arztes aus, mit den sich wiederholenden Wehwehchen. Bei einem gepflasterten Teil des Gartens, unter einer Blätter-Holz-Konstruktion, standen ein paar in weiße Gewänder gekleidete Männer und Frauen, wobei die Männer ein kleines Mädchen festhielten, dass an ihnen zerrte – es war Chloe.
    Πρέπει να πάω πίσω! Πρέπει να πάω πίσω! Ich muss zurück!“, schrie das Mädchen, als Sigurd langsam auf die Beine kam.

    Als das Mädchen ihn sah, hörte es augenblicklich auf. „Tu!!!!“, schrie sie plötzlich auf Latein und zerrte nun in seine Richtung, wodurch sie die beiden Männer überraschte – sie kam frei und rannte auf den Jüten zu. „Wegen dir!“, schrie sie und trat gegen sein Schienbein – ein neuer Schmerz gesellte sich zu dem alten, „Wegen dir!!“, schrie sie erneut, als ihr plötzlich klar wurde, dass sie frei war um wegzulaufen.
    Sigurd wurde das auch bewusst und er hockte sich schnell hin – was er eh gemacht hätte, aufgrund des neuen Schmerzes – und ergriff sie mit beiden Armen, umarmte sie quasi. „Beruhige dich, Kind!“, rief er, so bestimmend wie er nur konnte, „Beruhige dich, Chloe!
    Sie hämmerte gegen seine verletzte Brust und er musste sich wirklich zusammenreißen, sie nicht jetzt auch loszulassen. Die Männer in den Gewändern eilten bereits zu ihnen.
    Sie traf mit ihrem Gehämmere einen Nerv, denn der Schmerz wurde plötzlich deutlich stärker, als sie eine Stelle immer und immer wieder traf. Jetzt reichts!, dachte sich Sigurd und drückte ihr Gesicht gegen seines, „Hör auf!!!“, schrie er mit aller Kraft, die er hatte – und bereute es augenblicklich, denn nun fing auch seine Nase an wieder stärker wehzutun.

    Immerhin erreichte er das, was er wollte – die Kleine, eingeschüchtert, hämmerte nicht mehr und versuchte auch nicht mehr zu entkommen. Das betraf aber auch seine Verstärkung: die Männer mit den Gewändern waren ebenfalls so eingeschüchtert worden, dass sie nur wenige Schritte von ihnen stehengeblieben sind. Er unterdrückte ein Seufzen und blickte dem kleinen Mädchen in die gequälten Augen. „Hör zu.“, befahl er ihr, so autoritär wie möglich klingend, „Es ist bereits ein ganzer Tag verstrichen – Babylas wird bereits wissen, dass du weg bist.“, Schrecken breitete sich auf ihrem Gesicht aus, „Ob du nun zu ihm zurückkehrst oder nicht – er wird dich bestrafen und es wird fürchterlich sein.“, er sah wie die ersten Tränen ihr die Wangen runterkullerten, aber er musste weitermachen, für ihr Wohl – ob es so aussah oder nicht, „Wenn du leben möchtest, musst du bleiben. Verstehst du das?
    Sie blickte ihn für einen Moment an, die Tränen nur kurz zurückhalten könnend, und dann weinte sie so richtig los.
    Sigurd, völlig überfordert von dem, ließ das Mädchen los. Es versuchte nicht noch einmal zu fliehen, also einen Teilsieg hatte er errungen. Aber nun schauten ihn alle der Leute in den Gewändern mit vorwurfsvollen Blicken an, weswegen er sich abwenden musste. Immerhin bleibt sie am Leben, war sein einziger tröstender Gedanke, als er sich wieder setzte. Trotzdem reichte nur ein Blick auf das weinende Mädchen und er fing an sich wieder schlecht zu fühlen.

    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)

    Chloe πρέπει να πάμε πίσω! = griech. für „Chloe muss zurück!“
    Δεν Chloe να τελειώσει, όπως ο Alexis! = griech. für „Chloe will nicht wie Alexis enden!“
    Πρέπει να πάω πίσω! = griech. für „Ich muss zurück!“
    Tu!!!! = lat. für „Du!!!!“
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    "Mein Name ist Ozymandias, König der Könige. Schauet auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt." - Ozymandias
    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
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    Es war schön endlich wieder ein Pferd zwischen den Schenkeln zu spüren, anstatt einem schaukelnden Kamel. Dadurch das sich diese "Römer" sehr in dem Ausbau von Straßen bemühten, waren die beiden Geschwister nach Palmyra auf Pferde umgestiegen. Es waren nicht unbedingt die besten Pferde, keine Klepper, aber schon ein wenig in die Jahre gekommen. Dennoch hatte die Asatin ihre Freude daran mit dem brauen Pferd über die Straße zu reiten. Die Sonne war heute auch manchmal von kleinen Wolken bedeckt, was den Tag etwas angenehmer gestaltete. Auch die Landschaft war interessanter geworden, sie ritten an einem großen See vorbei, auf welchem sich viele kleine Boote tummelten.
    Viel interessanter war jedoch was sich über der anderen Seeseite erhob, eine große Stadt mit einem gewaltigen Turm ganz weit hinten am Horizont. Das musste dieses Alexandria sein, recht beeindruckend was diese Barbaren gebaut hatten. Yu folgte mit ihrem Blick wieder den kleinen Boten auf dem See. Ob das wohl Fischer waren? Oder Transportschiffe? Plötzlich gab ihr Chen ein Handzeichen und verwies auf einen kleinen Ort der sich auf ihrer Seite des Flusses befand. Yu bremste ihr Pferd und schaute sich den Ort an. Viele kleine Lehmhütten, manche mit Vorhöfen, umrankt von Palmen. Das einzige besondere war ein größeres Gebäude welches sich im Inneren des Ortes befand und die kleinen Häuser überragte. Die Chinesin fragte sich was das wohl für ein Gebäude war?

    "Was ist los?"
    , fragte sie ihren Bruder und sah diesen irritiert an. Ihr Ziel lag doch deutlich auf der anderen Seite des Flussufers. Chen trieb sein Pferd im leichten Schritt auf das Ihrige zu und blieb neben ihr stehen. "Hier machen wir erstmal Halt.", erklärte er bestimmt und zeigte erneut auf das kleine Dorf.
    "Das ist Alexandria? Ich habe es mir größer vorgestellt.", fragte Yu ihren Bruder leicht spöttisch. "Mehr so wie das dort!", fügte sie frech an und zeigte auf die Stadt jenseits des Sees. Chen rollte kurz mit den Augen und schüttelte ablehnend den Kopf.
    "Richtig beobachtet allerliebste Schwester. Jedoch bin ich dafür das wir erst überlegen was wir genau machen, bevor wir die Stadt betreten. Oder willst du herumlaufen und Leute nach dem Orden befragen?", schalt er seine Schwester und diese errötete leicht.
    "Natürlich nicht.", erwiderte sie trotzig und wandte kurz ihr Gesicht von ihm ab. "Gut so. Denn es ist eine große Stadt mit vielen Menschen und ich bin mir sicher viele werden uns feindlich gesonnen sein, wenn wir herumlaufen und fragen stellen. Wir dürfen nicht mehr auffallen als nötig. Heimlichkeit ist unsere Waffe.", sprach er im versöhnlichen Ton. Yu welche die Scham überwunden hatte, wandte sich ihm wieder zu.
    "Du hast natürlich Recht, gēge. Aber was sollen wir machen?"
    , antwortete sie bescheiden und sah ihn fragend an. "Nun.", sprach er bedächtig und ließ sein Pferd langsam Richtung Dorf schreiten. "ich denke das überlegen wir an einem schattigen Plätzchen."

    Beide ritten langsam die Anhöhe hinauf, direkt auf das große Gebäude im Zentrum zu. "Was das wohl ist?", fragte sie ihren Bruder und dieser zuckte mit den Achseln.
    "Vielleicht ein Tempel oder eine Schule. Auch die Barbaren werden beten und irgendwo müssen sie lernen ihre Ränke zu schmieden. Was sie wohl anbeten?", entgegnete er abfällig und blickte auf das große Gebäude. Yu Jiao betrachtete erneut das Gebäude, ein Tempel. Sie fragte sich wie dieser wohl innen aussah?
    "Ich habe mal gelesen das sie in dieser Region Götter anbeten, mit menschlichen Körpern, aber mit Tierköpfen. Einer hat einen Adlerkopf, der andere den einer Katze oder Hundes.", sprach sie nachdenklich an ihren Bruder gewandt. Sie hatte versucht soviel wie möglich vor ihrer Reise zu erfahren, aber viele Schriften waren sehr alt, oder basierten auf Hörensagen. Und nachdem was sie auf der Reise mitbekommen hatte, waren hier viele Götter zu Hause.
    "Sollen wir dort Halt machen?", fragte sie ihren Bruder und zeigte auf den Vorplatz des vermeintlichen Tempels wo mehrere Bäume Schatten spendeten.


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    gēge (chin.) = (älterer) Bruder
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  17. #37 Zitieren
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    Titos III

    Dieses Mal war es anders – diese Residenz war nämlich nicht freiwillig verlassen worden.
    Die bisherigen Residenzen des Babylas waren menschenleer gewesen, keine Seele, nicht einmal eine Person, die diese Gegend überwachte oder verwaltete. „Er handhabt es so.“, hatte Raneb ihm erklärt, „Mindestens ein halbes Dutzend Residenzen, entlang des Mareotis und zwischen dem See und Kanopus, und die meisten menschenleer. Er lässt sie verwahrlosen, bis er sich entscheidet umzuziehen und eine der anderen Residenzen zu beziehen.
    Hast du die leeren oder die benutzten Residenzen mal genauer unter die Lupe genommen?“, hatte Titos gefragt.
    Raneb hatte genickt. „Mehrmals, aber das Ergebnis war immer dasselbe.“, hatte er erklärt, „Die leeren waren leer mit Ausnahme einer so dicken Tür, für die du ein Rammbock oder eine Balliste benötigen würdest, um sie zu durchbrechen. Keine Ahnung was dahinter liegt. Und die benutzten waren so mit Gladiatoren gefüllt, dass man glauben könnte, dass Babylas eine Armee aufstellt. Selbst ich konnte mich dort nicht frei bewegen, geschweige denn brauchbare Informationen zur Tage zu fördern.

    Diese Residenz war aber nun anders. Sie war leer – aber nicht ganz freiwillig, dem Anschein nach. Die umfangreiche Gartenanlage war niedergebrannt, einige Hausmauern beschädigt und es lagen Leichen herum – einige waren Sklaven, wie man an den Ketten erkannte, aber andere…wer waren diese Typen?, fragte sich Titos. Sie sahen aus wie einfaches Landvolk, aber waren fast schon wie richtige Soldaten bewaffnet.
    Sie betraten ein Atrium, das sich zwischen den beiden Gebäudekomplexen befand, die dieses Anwesen ausmachten. In der Mitte war eine große Statue des Apollo zu erkennen, äußerst alt und teilweise beschädigt, wenn nicht sogar zerstört. Das Anwesen sah selbst ohne die offensichtlichen Schäden recht verwahrlost aus, was man vor allem an den überwucherten, teils vertrockneten Grass erkannte.
    Sie gingen nach links und betraten das dortige Gebäude. Es hatte den Anschein einer Empfangshalle, mit diversen Sitzen hier und da, aber auch einer Kammer, denn diverse Kisten und Amphoren lagen hier und da herum – leer, wie sich nach einer kurzen Inspektion herausstellte.
    Das ist die Tür.“, erklärte Raneb und meinte eine Tür zu seiner Linken, die aus massiven Holz mit Eisenbeschlägen bestand, „Keine Fenster, keine Löcher, kein Weg hinein ohne Belagerungswaffen zu verwenden.“, fügte Raneb hinzu und verschränkte vor der Tür die Arme, „Nicht einmal ein Schlüsselloch – keine Ahnung wie die dort reinkommen. Man hört auch keinen Laut – wenn also dort irgendwelche Folterkeller sind, dann müssen sie gut geschützt sein.

    Titos berührte das Holz und stellte fest, dass es an einigen Stellen versenkt war – als wenn jemand versucht hatte es zu verbrennen. „Scheinbar interessierte dieser Ort noch jemanden, außer uns.“, erklärte er, wobei das Feuer wohl keine bleibenden Schäden hinterlassen zu haben schien, „Vielleicht sollten wir wirklich versuchen das aufzubrechen.
    Raneb schüttelte den Kopf. „Es ist spät.“, erklärte er, „Und wir haben gerade mal die Hälfte der Anwesen untersucht. Wir sollten zuerst einen Ort finden, wo wir rasten können.“, er schien zu überlegen, „Das Dorf Zau liegt unweit von hier, im Südwesten. Von dort werden wir auch die restlichen Residenzen untersuchen können – sie liegen zwischen dem See und den Ruinen von Letopolis.
    Titos nickte nach einer kurzen Weile. „Ich hoffe nur, wir werden am Ende nicht noch mehr Leichen vorfinden…
    "Wenn du das Unmögliche ausgeschlossen hast, dann ist das was übrig bleiben muss, wie unwahrscheinlich es auch sein mag, die Wahrheit." - Sherlock Holmes alias Sir Arthur Conan Doyle
    "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du." - Mahatma Ghandi
    "Eine Falle zu erkennen ist eine Sache, sie zu umgehen eine völlig andere." - Ranma 1/2
    "Mein Name ist Ozymandias, König der Könige. Schauet auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt." - Ozymandias
    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
    "Nichts ist unmöglich, solange du es dir vorstellen kannst." - Professor Hubert Farnsworth
    "Maybe you are right...maybe we can't win this. But we'll fight you regardless. Yes, people will die. Maybe we'll lose half of the galaxy...maybe more. However insignificant we might be: We will fight, We will sacrifice and We will find a way....that's what humans do!" - Commander Shepard
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    Sigurd&Chloe & Yu Jiao

    Nachdem Amany den Bewusstlosen und die kleine Schlafmütze in der Obhut der Heilerin gelassen hatte, wenn auch ein wenig mit gemischten Gefühlen, schlenderte sie über den Markt und sah sich die Waren an, die auf den Ständen präsentiert wurden.
    Nichts besonderes, eigentlich nur das, was man zum Leben brauchte. In Alexandria war das anders. Je nach dem in welchem Stadtteil man unterwegs war, wurde man förmlich mit wertvollem Plunder erschlagen. Tunikas in allen Formen und Farben, Schmuck aus den edelsten Metallen und natürlich konnten sich das nur die reichen leisten. Anscheinend war dieses Geschäft mit den Luxusgüter recht lukrativ, schließlich verdienten die Händler dort soviel Drachmen, dass sie sich alle Annehmlichkeiten die Alexandria zu bieten hatte, ebenfalls leisten konnten. Für Amany das ideale Jagdrevier, getreu dem Motto: Nimm es den Reichen und verkaufe es an ahnungslose Käufer teuer! So schaffte sie es auch, die ganzen Jahre auf der Straße zu überleben.
    Doch hier war es anders, die Leute verkauften nur das nötigste und Amany dachte nicht im Traum daran jemanden zu bestehlen. Irgendwie hatte dieser Ort etwas friedvolles an sich, mit seinen kleinen Lehmhütten, gackernden Hühner, die hier frei herum rannten, nicht zu vergessen die Hunde und Katzen, die durchs Dorf streiften.
    Wenn... tja, wenn.....

    "Letopolis. LETOPOLIS!! Geht nach Letopolis." schrie wieder der selbe Mann, wie bei ihrer Ankunft.
    Amany erschrak dabei so sehr, dass sie beinahe in einer der Stände hinein lief.
    "Lass dich von dem da nicht verrückt machen." sagte plötzlich eine ägyptische Händlerin in fließendem ägyptisch, die hinter ihrem Stand war.
    "Was ist dieses Letopolis und um was geht es da?" erkundigte sich Amany ebenfalls in fließendem ägyptisch und sah zur Händlerin.
    Die schwarzhaarige Ägypterin, in ihrer hellen Tunika winkte nur amüsiert ab.
    "Dieser Typ ist schon eine gefühlte Ewigkeit hier, er sucht neue Einwohner für eine neue Stadt, glaub ich. Ich höre inzwischen nicht einmal mehr zu." lachte sie.
    "Sehr erfolgsversprechend scheint das ja nicht zu sein, wenn er immer noch hier ist." kicherte die junge Ägypterin, und selbst die Händlerin konnte sich das Lachen nicht verkneifen.
    "Magst du einen Apfel? Ich habe hier wunderschöne und sehr leckere Äpfel zu verkaufen." Die ägyptische Händlerin deutete auf den Stand. Amany blickte auf die sehr appetitlich aussehenden Äpfel, als ihr Magen knurrte.
    "Mögen schon. Ich habe nur leider keine Drachmen." antwortete sie leise und sah verlegen zu Boden. Die Händlerin griff nach einem der Äpfel und hielt ihn Amany vor die Nase.
    "Hier, nimm."
    "Das kann ich nicht annehmen." Die junge Ägypterin wich ein Schritt zurück.
    "Doch, kannst du und nun nimm schon." wiederholte die Händlerin mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.
    "Vielen Dank." bedankte sich die junge Ägypterin, nahm den Apfel ansich und biss ein Stück davon ab. Genüßlich biss sie noch ein Stück ab und noch eins. "Mmh, s... sehr le....cker:" begann die junge Ägypterin mit vollem Mund, schluckte das Stück runter und sprach weiter. "Wie heißt du eigentlich? Ich heiße Amany."
    "Sehr erfreut. Mein Name ist Sahirah." stellte sich die Händlerin lächelnd vor.
    "Sehr erfreut." erwiderte Amany mit einem freundlichen Lächeln.
    Eine weitere Kundin kam an Sahirah´s Stand. "Sieht so aus, als müsste ich noch ein wenig arbeiten. Übrigens, wenn du Pferde magst, mein Bruder hat einen Stall in der Nähe. Kannst gerne später nochmal vorbei kommen Amany."
    "Mach ich." meinte die junge Ägypterin freundlich und ging weiter.

    Pferde? Sie liebte diese wundervollen Geschöpfe. Sie schaute sich den Rest der Siedlung an und suchte den Stall. Etwas abseits fand sie diesen schließlich und ging näher darauf zu.
    Zwei Pferde standen draußen, ein weißes mit schwarzen Punkten und dunklen Schweif + Mähne und das zweite war ein braun/ weiß geschecktes.
    Die Tiere wieherten leise, als sie sich ihnen näherte.
    "Möchtest du eins kaufen?" fragte plötzlich ein recht attraktiver junger Ägypter.
    "Ich fürchte, dass kann ich mir nicht leisten. Sahirah hat mir davon erzählt und ich dachte einfach, ich schau mal vorbei." antwortete die junge Ägypterin etwas verlegen.
    "Meine Schwester hat dich hier her geschickt?! erwiderte er etwas überrascht, ehe er weitersprach.
    ""Kannst ruhig näher ran gehen, meine Tiere fressen dich schon nicht, ich habe sie gerade gefüttert." Er grinste schelmisch.
    "Haha, sehr witzig." lachte Amany und streichelte die beiden Pferde am Kopf.
    "Ich heiße übrigens Ravic." stellte sich der Ägypter vor.
    "Amany." erwiderte die Ägypterin etwas verlegen und wandte sich schnell wieder den Tieren zu.
    "Sehr erfreut. Und wenn du schonmal da bist, dann kannst mir ja bei der Arbeit helfen." grinste der Ägypter und hielt ihr eine Heugabel hin.
    Mit gespielter Fassungslosigkeit wandte sie sich ihm zu, schnappte sich wortlos die Heugabel und fing grinsend an zu arbeiten. Nachdem sie rum blödelnd den Stall ausgemistet hatten und noch weitere Arbeiten erledigt hatten, war es schon recht spät und Amany wollte noch nach der Mummie und Chloe schauen.
    "Ich sollte langsam gehen." sagte sie leise.
    "Ich hoffe doch, dass du Morgen wieder kommst?!" begann Ravic und sah Amany direkt in die Augen, ehe er weitersprach.
    "Der Nachmittag war sehr schön mit dir und ich könnte hier durchaus noch jemand gebrauchen mit den Pferden. Ich würde dich für deine Arbeit auch bezahlen."
    Verlegen blickte sie ihn an. "Ich denk darüber nach." antwortete sie ein wenig durcheinander und winkte hastig zum Abschied.

    In Gedanken versunken ging sie die Anhöhe hinauf und schlenderte über den Markt, als ihr zwei völlig fremd aussehende Menschen auffielen, die unter einem Baum im Schatten saßen.
    Der Mann und die junge Frau hatten sehr helle Haut, schwarze Haare und irgendwie Schlitzaugen. Von weitem betrachtete Amany die beiden, bis die Neugierde überwiegte und sie auf die beiden zu ging.
    "Verzeiht die Störung. Ich bin ein wenig neugierig. Woher kommt ihr?" fragte sie höflich und mit einem freundlichen Lächeln im Gesicht
    eis engel ist offline
  19. #39 Zitieren
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    Selene VI

    Selene tauchte zuerst nur die Zehenspitzen, dann aber auch die Füße, Beine, Hüften und den Oberkörper in das lauwarme Wasser, so dass am Ende nur noch ihr Kopf zu sehen war. „Ahhhh…“, genoss die Frau die Wärme der Thermen. Endlich mal was anderes, als Staub, Hitze und Schweiß…dachte sie sich und lehnte sich zurück gegen die Beckenwand.
    Seit sie vor ein paar Tagen in Iol Caesarea angekommen waren, hat die junge Herrin quasi nur gearbeitet: Land kaufen, Betriebe in die Schuldenfalle treiben, Kontakte schmieden, Informationen sammeln – und dass während die sengende Sonne auf sie hinunterschien und die Luft so schwül war, dass man kaum atmen konnte. Einfach unerträglich – sie hätte echt nicht erwartet, dass sie etwas mehr hassen würde, als die Kälte des Winters, aber die Temperaturen hier in Afrika waren einfach nur schrecklich – und es war gerade Mal März. Sie schauderte vor den nächsten Monaten, die sie entlang der Küste Afrikas verbringen würde – wenn alles nach Plan lief, würden sie Alexandria im Juli oder August erreichen. Sommer in der Wüste Ägyptens, dachte sie sich und wusste bereits jetzt, dass ihr dieser Gedanke alles andere als behagte.

    Als sie in der Stadt angekommen waren, hatte sie augenblicklich ein Opfer an den örtlichen Schrein für Minerva dargebracht, denn es gab keinen Tempel. Die Stadt war bisher von der Seuche verschont geblieben, ein Segen, denn zwei Wochen nur auf Schiffen oder in wilden Buchten zu verbringen, war alles andere als angenehm. Sie hatte sich nach Zivilisation gesehnt – auch wenn diese in Form dieser kleinen Stadt daherkam. Iol Caesarea war eine römische Kolonie, seit den Zeiten des Kaiser Claudius, erstreckte sich von West nach Ost und besaß diverse Annehmlichkeiten – wie diese Thermen, die sie trotz der Kosten für den heutigen Abend nur für sich und ihre Begleiter gemietet hatte.
    In den nächsten Tagen würden sie abreisen, denn Selene hatte einen guten Mann gefunden, der ihre Geschäfte vor Ort weiterhin überwachen konnte: ein Bankier namens Clodianus, der ein gewisses Talent für Geldgeschäfte besaß, aber zu wenig Kapital um Gelegenheiten wirklich ausnutzen zu können. Die wichtigste Eigenschaft von Clodianus war es aber, dass er nicht zum Orden gehörte, noch sonstwie mit ihnen verbunden war. Er erhielt deswegen das Kapital von ihr, genauso wie einen Aufpasser – auch wenn er offiziell Clodianus nur unter die Arme greifen sollte, so war er auch ihre Augen und Ohren, weswegen er ihr auch regelmäßig Briefe schicken sollte.

    Ach ja, die Briefe…erinnerte sie sich an die andere Sache, die sie seit Tagen auf Trab hielt: als sie Burdigala verlassen hatte, hatte sie befohlen, jegliche Schreiben nach Iol Caesarea an die örtliche Poststelle zu verschicken und nun hatte sie sie abarbeiten dürfen – es war viel. Sehr viel. Als wenn ohne mich nichts funktionieren würde, dachte sie genervt, obwohl ihr dieser Gedanke auch gefiel. Ohne die Hilfe von Gaelus hätte sie die ganzen Antworten, die von persönlich bis geschäftlich gingen, gar nicht so schnell bewältigen können. Sie brauchte eindeutig mehr schreibkundige Diener.
    Apropos Diener…überlegte Selene und drehte ihren Kopf zurück – dort stand eines ihrer neuesten Errungenschaften: Sedia, die Gallierin, die ihren nackten Körper immer noch mit einem Handtuch bedeckte, sich nicht trauend ins Wasser zu gehen. Dabei habe ich sie ausdrücklich aufgefordert, dachte Selene leicht verärgert und drehte sich nun vollends um, legte ihre Arme auf den Rand des Beckens und ihren Kopf darauf. „Hab ich nicht gesagt, dass du auch das Wasser genießen sollst?“, fragte sie mit einem Lächeln, auch wenn ihre Stimme deutlich strenger war, „Komm rein – das Wasser ist herrlich lauwarm.

    Sedia bewegte sich immer noch nicht. „Ich weiß nicht, Herrin…“, fing die Rothaarige schüchtern an.
    Selene seufzte. Die junge Gallierin hatte sich in den letzten Wochen gemausert – das bestätigte auch Gaelus. Ob es an der Gefahr für ihren Bruder lag, dem Umstand, dass sie inzwischen soweit weg von ihrer Heimat war, dass sie dort niemals wieder ohne fremde Hilfe zurückkehren konnte, oder einfach weil ihr das Leben in der Gesellschaft von zivilisierten Menschen mehr gefiel, als eine Brigantin zu sein – ihr anfänglicher Trotz war bereits vor langer Zeit gewichen und sie hat sich als äußerst unterwürfig und arbeitsam erwiesen.
    Selene befürchtete zwar, dass das möglicherweise auch eine Taktik war, denn die Kleine bewies hier und da einen äußerst scharfen Verstand – sie hatte den Trick mit Gaelus binnen weniger Wochen herausgekriegt und sogar verstanden, warum er benutzt worden war, weswegen sie nicht einmal wütend darüber geworden ist – aber sie hoffte, dass Sedia die Vorteile eine Herrin wie Selene zu haben ihr wichtiger waren, als sie jemals zu hintergehen. Die Römerin hatte sie jedenfalls gut gebrauchen können und der Umstand, dass sie inzwischen recht gut Latein sprach, war wahrlich ein Segen
    Na ja, zumindest bei offiziellen Dingen…dachte sich Selene, denn bisherige Avancen ihrerseits auf das Mädchen waren fruchtlos geblieben – aber das sollte sich heute ändern. „Sedia.“, setzte sie fort, streng klingend, „Zwing mich nicht dazu es dir zu befehlen – komm nun rein ins Becken.

    Selene hätte sich zwar gewünscht dieses Becken auch mit der exotischen Schönheit aus Fernost zu teilen, aber diese hatte sich entschuldigt. Aber die Römerin begnügte sich auch mit dem jungen Fleisch der sechszehnjährigen, die nun langsam ins Becken kam, nachdem sie ihr Handtuch auf einem der Bänke zurückgelassen hatte. Sie schlüpfte in der Nähe ihrer Herrin ins Wasser und Selene konnte ihre Augen nicht von der Jugend von heute lassen.
    Zunächst war Sedia über die Wärme überrascht, aber je mehr sie in das Wasser eintauchte, desto angenehmer schien es ihr zu werden – ihr Gesicht anfänglich noch ängstlich wirkte nun genauso entspannt wie Selenes und sie schloss sogar ihre Augen. „Hab ich’s nicht gesagt?“, fragte die junge Herrin mit einem koketten Lächeln.
    Das Mädchen lächelte und nickte nur, das Wasser genießend und sich nun auch zurücklehnend. „Wie…wie…“, fing Sedia nach einer kurzen Weile an zu fragen, wobei sie ihre Augen wieder aufschlug, „…wieso ist das so warm?
    Es wird erwärmt.“, erklärte Selene und drehte sich nun vollends zu ihrer Badegenossin um, „Dort drüben wird das Becken befeuert.“, wobei sie in die Richtung wies, wo sie die Befeuerungsstelle vermutete, „Es wird so lange warm bleiben, bis das Feuer nicht versiegt – und ich habe dafür bezahlt, dass es dem so bleibt, solange ich in den Thermen bin.

    Das Mädchen blickte sich in die Richtung um, interessiert. „Gibt es solche Thermen…“, fragte sie und blickte Selene an, „…überall in römischen Städten?
    Selene musste schmunzeln. „Natürlich.“, erklärte sie und schwamm bisschen näher an Sedia heran, „In jeder Kolonie des Imperiums findest du Thermen – sie sind der Inbegriff römischer Kultur und Zivilisation.“, sie berührte das Mädchen fast mit ihrem Körper, „Hast du vorher noch keine gesehen? Es gibt welche in Tolosa, die ich selbst gesehen hab.
    Sedia schüttelte ihren Kopf. „Ich war noch nie in einer größeren Stadt, bevor…“, sie stoppte abrupt ab, „…ihr wisst.
    Ich dich und deinen Bruder gefangen nahm und versklavte?“, sprach Selene ohne Zögern aus, „Tue nicht so, als wäre es etwas schlimmes. Damals vielleicht, aber heute? Du genießt es doch oder nicht?“, sie bewegte ihren Kopf näher an das rote Haar des Mädchens, „Mir zu dienen…die Welt mit mir zu sehen…mir Freude zu bereiten…“, wobei sie aus ihrer Absicht kein Hehl machte und es vermutlich in ihrem Gesicht zu sehen war.
    Die Rothaarige blickte in die Augen ihrer Herrin und sah dort etwas, was sie rot werden ließ. „Ich habe…“, fing sie wieder unsicher an, „Ich habe noch…nie…“, sie senkte ihren Blick auf der Stelle, „Nicht das ich abgeneigt wäre, aber…Ich war noch nie...mit jemanden...zusammen.“, gestand sie nach langem Zögern.

    Selene hob ihren Kopf indem sie einen Finger unter ihr Kinn legte. „Irgendwo muss man ja anfangen.“, erklärte sie und küsste Sedia auf die Lippen. Der erste Impuls der Rothaarigen war zurückzuweichen, überrascht über den plötzlichen Angriff und ihr Kopf fuhr zurück. Sie blickte den einladenden Blick ihrer Herrin an, für einen kurzen Moment, bevor sie dieses Mal den Kuss erwiderte, ebenso leidenschaftlich wie Selene. Dies war aber erst der Anfang einer wunderschönen Nacht…

    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)

    Iol Caesarea = heutiges Cherchell, Algerien
    Burdigala = heutiges Bordeaux, Frankreich
    Tolosa = heutiges Toulouse, Frankreich
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    "Erst ignorieren sie dich, dann lachen sie dich aus, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du." - Mahatma Ghandi
    "Eine Falle zu erkennen ist eine Sache, sie zu umgehen eine völlig andere." - Ranma 1/2
    "Mein Name ist Ozymandias, König der Könige. Schauet auf mein Werk, ihr Mächtigen, und verzweifelt." - Ozymandias
    "Der größte Trick des Teufels ist es die Welt glauben zu lassen, dass er nicht existiert." - Die üblichen Verdächtigen
    "Nichts ist unmöglich, solange du es dir vorstellen kannst." - Professor Hubert Farnsworth
    "Maybe you are right...maybe we can't win this. But we'll fight you regardless. Yes, people will die. Maybe we'll lose half of the galaxy...maybe more. However insignificant we might be: We will fight, We will sacrifice and We will find a way....that's what humans do!" - Commander Shepard
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    Amany

    "Hier ist es so angenehm ruhig. Und friedlich."
    , sagte Yu gutgelaunt zu ihrem Bruder. Die beiden Geschwister hatten sich im Schatten einer Palme niedergelassen und saßen nun nebeneinander an den Stamm gelehnt. Ihr Bruder nickte nur zustimmend, schien aber in Gedanken versunken zu sein. Yu Jiao lächelte zufrieden und schaute in den blauen Himmel.
    Über ihnen schien ein Vogel zu fliegen, ein Adler vermutete sie. "Wie schön muss es ein Vogel zu sein. Die Welt von oben betrachten und durch die Lüfte segeln. Was wir mühsam mit den Füßen überqueren ist für sie nur ein paar Flügelschläge.", dachte sie beim Anblick des Raubvogels der nun am Himmel seine Kreise zog. Ob er wohl Beute entdeckt hatte? Durch die Betrachtung des Vogelfluges bemerkte sie zunächst nicht das sich jemand ihnen genähert hatte.

    Yu Jian schreckte auf als die Person sie ansprach und schaute zu ihr herüber. Es war eine junge Frau, ein gutes Stück größer als sie, aber wer schien das nicht in dieser Gegend zu sein? Vom Äußeren wirkte sie ein wenig schmutzig und ärmlich, machte aber einen netten Eindruck.
    Ihr Blick blieb an den Haaren der jungen Frau hängen, denn die Farbe war ungewohnt für sie. Sie hatte Geschichten gehört, von Menschen deren Haare wie fließendes Gold oder, leuchtendes Feuer schimmerte. Barbaren aus dem Norden, groß wie Baumstämme und mit Tierschädeln auf dem Kopf. Diese junge Frau erfüllte zwar nichts davon, aber ihr Schopf erschien Yu dennoch anders. Er war viel heller als bei den meisten Leuten denen sie bisher begegnet waren, wenn auch weit davon entfernt golden zu glänzen. Der Chinesin fiel auf das sie wohl im Moment nur dumm starrte, während ihr Bruder noch beschäftigt schien die fremde Frau zu mustern. Yu hingegen sprang mit einem Satz auf und schüttelte sich den Staub ab. Die Frau hatte griechisch gesprochen, zwar den einheimischen Dialekt, aber dennoch so das die Asiatin es verstehen konnte.
    "Woher wir kommen? Nun das ist schwer zu beschreiben. Wir kommen aus einem Land weit im Osten, ich glaube ihr nennt es hier serikon, oder Sina.", begann die Chinesin freundlich auf griechisch zu erklären. Dabei sprach sie etwas langsamer um zu vermeiden das ihr Akzent die Aussprache behinderte.
    "Dürfte ich fragen was du dort machst?", fuhr sie ihr Bruder auf chinesisch an, welcher sich inzwischen ebenfalls erhoben hatte.
    "Ich beantworte ihre Frage, sie hat höflich gefragt und macht einen netten Eindruck.", fauchte Yu zurück und lächelte dann wieder die Ägypterin an.
    "Das mag ja stimmen, aber du weißt nicht wer sie ist. Vielleicht ist es unklug zu sagen wo wir herkommen.", erklärte Chen und sah die Ägypterin durchdringend an. "Wir wissen nicht wem wir trauen können!"
    "Verzeiht meinem Bruder, er ist ein wenig müde von der Reise und deswegen etwas..", sie suchte nach dem passenden griechischen Wort, "forsch.", entschuldigte sich die Chinesin und lächelte entwaffnend. Dann warf sie ihrem Bruder einen strengen Seitenblick zu. "Sei nett! Sie kommt sicher hier aus der Gegend und du sagtest selbst das wir irgendwo anfangen müssen." "Aber.."
    "Nichts aber, ich rede jetzt und du schaust nicht so streng zu ihr. Das ist unhöflich.", sprach Yu bestimmt und wandte sich dann wieder der Ägypterin zu. Spione des Ordo würden sich wohl kaum fragen wo sie herkamen und Chen war wieder viel zu verschlossen.
    "Verzeiht, aber ich musste kurz etwas mit ihm besprechen.", erklärte die Chinesin wieder in griechisch mit ihrer hellen freundlichen Stimme.
    "Wie gesagt wir kommen aus dem Land das ihr serikon nennt. Mein Name ist Yu Jiao Lian.", stellte sie sich vor und sprach den Namen betont langsam aus, gefolgt von einer kleinen Verbeugung. "Und dieser unhöflich wirkende, aber herzensgute Mensch ist mein Bruder Chen Lian", fügte sie an woraufhin der Erwähnte ihr einigermaßen freundlich zu nickte.
    "Wenn ich auch neugierig sein dürfte, wer seid ihr? Ist das hier euer Heimatdorf?", erkundigte sich die Chinesin freundlich und schaute die Dunkelblonde neugierig an.


    Spoiler:(zum lesen bitte Text markieren)
    Serikon (griech.)= Land der Seide
    numberten ist offline Geändert von numberten (31.12.2018 um 01:28 Uhr)
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