Am Dienstag ist es soweit. Die Midterm Wahlen in den USA stehen an. Der Senat (also beide Kammern der Legislative) wird größtenteils neu gewählt.
Bei diesen Midterms, die wie der Name sagt in der Mitte einer (Präsidenten-) Legislaturperiode abgehalten werden, wird das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt, sowie ein Drittel des Senats.
Der Senat ist die paritätische Vertretung der Bundesstaaten. Jeder der 50 Bundesstaaten schickt je 2 Sentoren nach Washington, unabhängig von der Einwohnerzahl.
Senatoren haben in den USA eine Legislaturperiode von 6 Jahren, alle 2 Jahre wird ein Drittel des Senats (für 6 Jahre) neu gewählt. Es gibt also 100 Sentoren. Sollte es bei Abstimmungen im Senat zu Gleichständen kommen, entscheidet der Vizepräsident (momentan Mike Pence), der nur in einer solchen Situation abstimmen darf.
Das Repräsentantenhaus ist die Vertretung einzelner Wahlkreise, die im Rahmen einzelner Bundeststaaten einigermaßen gleich groß sind, also halbwegs die gleiche Einwohnerzahl haben. Hierbei vertritt jeder Repräsentant ca. 500.000 bis 600.000 Bürger (plus/minus). Das Repräsentantenhaus hat eine Legislaturperiode von nur 2 Jahren, alle zwei Jahre werden alle Sitze neu verteilt. Es gibt 435 Repräsentanten.
Hierbei ist zu beachten, dass jeder Bundesstaat sowohl für Senats- alsauch für Repräsentantenhaus-Wahlen seine eigene Wahl abhält. Beide Kammern werden also (wie auch der Präsident) de facto bei 50 einzelnen Wahlen in den jeweiligen Bundesstaaten gewählt, mit jeweils anderen und eigenen Wahlgesetzen (vergleichbar mit dem europäischen Parlament).
Die Macht Washingtons für die Regulierung dieser Wahlen ist begrenzt, weshalb es gerade durch Staaten mit republikanischen Mehrheiten diverse teilweise sehr erfolgreiche Versuche gibt, großen Bevölkerungsschichten, die eher dazu neigen Demokraten zu wählen (vor allem Minderheiten), das Wahlrecht zu entziehen. Hierdurch ist es u.a. deutlich wahrscheinlicher, dass es zwar eine Pluralität an Stimmen für Demokraten gibt, aber am Ende trotzdem eine Mehrheit der Mandate für Republikaner herauskommt.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass es in den USA keine Einwohnermeldeämter gibt. Wer zum Beispiel einen Pass braucht, geht idR zur Post (United States Postal Service). Das heißt, dass es auch keine wirklichen Einwohnerregister gibt. Entsprechend muss man sich zur Wahl anmelden, je nach Bundesstaat teilweise viele Wochen zuvor, oft indem man persönlich irgendwo vorstellig wird. Hier haben wir also eine größere Hürde für die potentiellen Wähler, überhaupt wählen zu gehen, bzw. überhaupt wählen gehen zu können. Denn oft wird es (wieder meist in republikanisch dominierten Staaten) besonders Minderheiten schwer gemacht, sich zur Wahl zu registrieren. Eine beliebte Taktik ist es, Registrierungsstellen und Wahllokale in Gebieten mit hohem Anteil an Minderheiten zu schließen, so dass der Wähler dann gern mal 10 oder 20 Minuten mit dem Auto in die übernächste Stadt fahren muss, um überhaupt wählen... oder sich überhaupt registrieren zu können, um anschließend wählen zu dürfen. Wer kein Auto hat... tja. Pech gehabt.
Man kann sich das so vorstellen, als würde z.B. eine CDU-Regierung die Wahllokale in Großstädten schließen, weil die Union dort sowieso selten Direktmandate erhält, so dass dann die Wähler aus Großstädten eben in den Vorstädten oder auf dem Land wählen müssten. Viele lassen es dann eher bleiben, weil es ihnen zu umständlich ist oder sie deshalb gar nicht wählen können, weil es keine Möglichkeit gibt das Wahllokal zu erreichen.
Sowohl Wahlen zum Repräsentantenhaus alsauch zum Senat finden mit einfachem Mehrheitswahlrecht statt. Der Kandidat, der in einem Wahlkreis (bzw. Bundesstaat bei Senatoren) die meisten abgegebenen Stimmen erhält, erhält das Mandat. Die restlichen Stimmen waren also wertlos, sie haben keinen direkten Einfluss auf das Ergebnis. Es gibt auch keine Stichwahl. Wenn es also z.B. 4 Kandidaten gäbe, 3 erhalten 24,88% der Stimmen, und einer 25,33%, dann hat dieser Kandidat direkt gewonnen. Der Einfachheit halber kann man das sich so vorstellen, als gäbe es bei den Bundestagswahlen nur die Erststimme.
Traditionell ist die Wahlbeteiligung bei den Midterms sehr gering, wobei sie in den USA im Vergleich auch sonst sehr gering ist. Bei den "normalen" Wahlen (also denen, die gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl stattfinden) liegt sie so bei 50-60%. Bei den Midterms lag sie die letzten Jahrzehnte fast immer nur bei 30-40%. Zur Demonstration eine nicht mehr ganz aktuelle Grafik:
[Bild: turnout.gif]
Bei den letzten Midterms 2014 gab es eine historisch niedrige Wahlbeteiligung von etwa 34%. Dies scheint diesmal anders zu werden. Die politisch aufgeheizte Stimmung und Spaltung, hauptsächlich geschürt durch ein Trampeltier Trump im Weißen Haus, scheint die Menschen zur Stimmabgabe zu treiben. Ob es eher republikanisch oder demokratisch tendierende Wähler sein werden, die stärker zur Urne strömen, wird sich zeigen. Es werden auf jeden Fall mehr Wähler werden. So haben in Teilen von Texas schon jetzt (also vor der Wahl) mehr Menschen per "Vorwahl" abgestimmt als 2014 insgesamt (nicht zu verwechseln mit Briefwahl, für solch eine Wahl muss man nämlich trotzdem idR noch in ein Wahllokal).
Den Umfragen nach haben die Demokraten gute Chancen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erringen (trotz des undemokratischen Wahlrechts-Entzugs in republikanisch dominierten Bundesstaaten), aber eher schlechte Chancen dies auch im Senat zu schaffen.
Viele demokratische Kommentatoren und Politiker verweisen darauf, dass es sich bei dieser Wahl um die wichtigste Wahl ihrer Lebzeiten handeln könnte. Die USA befänden sich am Scheideweg, und wenn die Republikaner in beiden Häusern an der Macht blieben könnte das von ihnen (und Trump) als Freifahrtsschein in eine autoritäre Zukunft verstanden werden. Bernie Sanders macht zum Beispiel Stimmung damit, dass es sich bei dieser Wahl um eine Abstimmung über die Demokratie handele, dass also die Demokratie an sich auf dem Spiel stehe.
Ich stimme dem ein gutes Stückweit zu.
Was meint ihr? Wie wird die Wahl ausgehen, und welche Bedeutung wird diese Wahl für Trump und die USA, sowie den Rest der Welt haben?
Was sagt ihr (ab Dienstag) zum Ergebnis?
P.S.
Wenn ihr Detailfragen zum Wahlmodus und den Wahlgesetzen in den USA habt immer her damit.