Ergebnis 1 bis 11 von 11

Midterm Wahlen in den USA (2018)

  1. #1 Zitieren
    banned
    Registriert seit
    Oct 2010
    Beiträge
    22.547
    Am Dienstag ist es soweit. Die Midterm Wahlen in den USA stehen an. Der Senat (also beide Kammern der Legislative) wird größtenteils neu gewählt.

    Bei diesen Midterms, die wie der Name sagt in der Mitte einer (Präsidenten-) Legislaturperiode abgehalten werden, wird das gesamte Repräsentantenhaus neu gewählt, sowie ein Drittel des Senats.

    Der Senat ist die paritätische Vertretung der Bundesstaaten. Jeder der 50 Bundesstaaten schickt je 2 Sentoren nach Washington, unabhängig von der Einwohnerzahl.
    Senatoren haben in den USA eine Legislaturperiode von 6 Jahren, alle 2 Jahre wird ein Drittel des Senats (für 6 Jahre) neu gewählt. Es gibt also 100 Sentoren. Sollte es bei Abstimmungen im Senat zu Gleichständen kommen, entscheidet der Vizepräsident (momentan Mike Pence), der nur in einer solchen Situation abstimmen darf.

    Das Repräsentantenhaus ist die Vertretung einzelner Wahlkreise, die im Rahmen einzelner Bundeststaaten einigermaßen gleich groß sind, also halbwegs die gleiche Einwohnerzahl haben. Hierbei vertritt jeder Repräsentant ca. 500.000 bis 600.000 Bürger (plus/minus). Das Repräsentantenhaus hat eine Legislaturperiode von nur 2 Jahren, alle zwei Jahre werden alle Sitze neu verteilt. Es gibt 435 Repräsentanten.

    Hierbei ist zu beachten, dass jeder Bundesstaat sowohl für Senats- alsauch für Repräsentantenhaus-Wahlen seine eigene Wahl abhält. Beide Kammern werden also (wie auch der Präsident) de facto bei 50 einzelnen Wahlen in den jeweiligen Bundesstaaten gewählt, mit jeweils anderen und eigenen Wahlgesetzen (vergleichbar mit dem europäischen Parlament).
    Die Macht Washingtons für die Regulierung dieser Wahlen ist begrenzt, weshalb es gerade durch Staaten mit republikanischen Mehrheiten diverse teilweise sehr erfolgreiche Versuche gibt, großen Bevölkerungsschichten, die eher dazu neigen Demokraten zu wählen (vor allem Minderheiten), das Wahlrecht zu entziehen. Hierdurch ist es u.a. deutlich wahrscheinlicher, dass es zwar eine Pluralität an Stimmen für Demokraten gibt, aber am Ende trotzdem eine Mehrheit der Mandate für Republikaner herauskommt.

    Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass es in den USA keine Einwohnermeldeämter gibt. Wer zum Beispiel einen Pass braucht, geht idR zur Post (United States Postal Service). Das heißt, dass es auch keine wirklichen Einwohnerregister gibt. Entsprechend muss man sich zur Wahl anmelden, je nach Bundesstaat teilweise viele Wochen zuvor, oft indem man persönlich irgendwo vorstellig wird. Hier haben wir also eine größere Hürde für die potentiellen Wähler, überhaupt wählen zu gehen, bzw. überhaupt wählen gehen zu können. Denn oft wird es (wieder meist in republikanisch dominierten Staaten) besonders Minderheiten schwer gemacht, sich zur Wahl zu registrieren. Eine beliebte Taktik ist es, Registrierungsstellen und Wahllokale in Gebieten mit hohem Anteil an Minderheiten zu schließen, so dass der Wähler dann gern mal 10 oder 20 Minuten mit dem Auto in die übernächste Stadt fahren muss, um überhaupt wählen... oder sich überhaupt registrieren zu können, um anschließend wählen zu dürfen. Wer kein Auto hat... tja. Pech gehabt.

    Man kann sich das so vorstellen, als würde z.B. eine CDU-Regierung die Wahllokale in Großstädten schließen, weil die Union dort sowieso selten Direktmandate erhält, so dass dann die Wähler aus Großstädten eben in den Vorstädten oder auf dem Land wählen müssten. Viele lassen es dann eher bleiben, weil es ihnen zu umständlich ist oder sie deshalb gar nicht wählen können, weil es keine Möglichkeit gibt das Wahllokal zu erreichen.

    Sowohl Wahlen zum Repräsentantenhaus alsauch zum Senat finden mit einfachem Mehrheitswahlrecht statt. Der Kandidat, der in einem Wahlkreis (bzw. Bundesstaat bei Senatoren) die meisten abgegebenen Stimmen erhält, erhält das Mandat. Die restlichen Stimmen waren also wertlos, sie haben keinen direkten Einfluss auf das Ergebnis. Es gibt auch keine Stichwahl. Wenn es also z.B. 4 Kandidaten gäbe, 3 erhalten 24,88% der Stimmen, und einer 25,33%, dann hat dieser Kandidat direkt gewonnen. Der Einfachheit halber kann man das sich so vorstellen, als gäbe es bei den Bundestagswahlen nur die Erststimme.

    Traditionell ist die Wahlbeteiligung bei den Midterms sehr gering, wobei sie in den USA im Vergleich auch sonst sehr gering ist. Bei den "normalen" Wahlen (also denen, die gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl stattfinden) liegt sie so bei 50-60%. Bei den Midterms lag sie die letzten Jahrzehnte fast immer nur bei 30-40%. Zur Demonstration eine nicht mehr ganz aktuelle Grafik:

    [Bild: turnout.gif]

    Bei den letzten Midterms 2014 gab es eine historisch niedrige Wahlbeteiligung von etwa 34%. Dies scheint diesmal anders zu werden. Die politisch aufgeheizte Stimmung und Spaltung, hauptsächlich geschürt durch ein Trampeltier Trump im Weißen Haus, scheint die Menschen zur Stimmabgabe zu treiben. Ob es eher republikanisch oder demokratisch tendierende Wähler sein werden, die stärker zur Urne strömen, wird sich zeigen. Es werden auf jeden Fall mehr Wähler werden. So haben in Teilen von Texas schon jetzt (also vor der Wahl) mehr Menschen per "Vorwahl" abgestimmt als 2014 insgesamt (nicht zu verwechseln mit Briefwahl, für solch eine Wahl muss man nämlich trotzdem idR noch in ein Wahllokal).

    Den Umfragen nach haben die Demokraten gute Chancen, die Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erringen (trotz des undemokratischen Wahlrechts-Entzugs in republikanisch dominierten Bundesstaaten), aber eher schlechte Chancen dies auch im Senat zu schaffen.

    Viele demokratische Kommentatoren und Politiker verweisen darauf, dass es sich bei dieser Wahl um die wichtigste Wahl ihrer Lebzeiten handeln könnte. Die USA befänden sich am Scheideweg, und wenn die Republikaner in beiden Häusern an der Macht blieben könnte das von ihnen (und Trump) als Freifahrtsschein in eine autoritäre Zukunft verstanden werden. Bernie Sanders macht zum Beispiel Stimmung damit, dass es sich bei dieser Wahl um eine Abstimmung über die Demokratie handele, dass also die Demokratie an sich auf dem Spiel stehe.

    Ich stimme dem ein gutes Stückweit zu.

    Was meint ihr? Wie wird die Wahl ausgehen, und welche Bedeutung wird diese Wahl für Trump und die USA, sowie den Rest der Welt haben?
    Was sagt ihr (ab Dienstag) zum Ergebnis?

    P.S.
    Wenn ihr Detailfragen zum Wahlmodus und den Wahlgesetzen in den USA habt immer her damit.
    ulix ist offline Geändert von ulix (05.11.2018 um 12:20 Uhr)

  2. #2 Zitieren
    Kannst du es ihnen geben?  Avatar von korallenkette
    Registriert seit
    Jun 2006
    Ort
    An einem Fluß, der sich durch ein sanftes Tal zieht
    Beiträge
    35.672
    Danke!

    Ich bin sehr gespannt und werde die Wahl in der Nacht verfolgen.
    Wie es ausgehen wird? Ich kann es echt nicht sagen. Immer wieder haut es mich um, wieviele Amerikaner Trump wollen. Dass sein Regierungsstil, der unter anderen Präsidenten zu Riesenskandalen geführt hätte, überhaupt möglich ist.
    Aber möglicherweise erfährt man aus den Medien auch mehr von Trump-Zustimmung und der Folgenlosigkeit seiner absurden Entscheidungen, Lügen und möglicherweise psychopathischer Altersverrücktheit. Weil es wirklich bedrohlich ist. Möglicherweise setzen diese Wahlen doch ein Zeichen für ein mehrheitlich demokatisches Amerika? Wir werden bald sehen.
    korallenkette ist offline

  3. #3 Zitieren
    General
    Registriert seit
    May 2004
    Ort
    Bonn
    Beiträge
    3.874
    Es scheint so als würden die Demokraten nicht ansatzweise so gut abschneiden wie sie gehofft hatten. Sie könnten zwar die Mehrheit im Kongress erreichen, aber deutlich knapper als man dachte. Und im Senat scheinen die Republikaner ihre Mehrheit sogar noch ausbauen zu können. Von einer "Ohrfeige" für Trump kann also absolut nicht die Rede sein. Einfacher wird es für ihn mit einer demokratischen Mehrheit im Kongress aber natürlich auch nicht. So eine Mehrheit unter einem Präsidenten Trump scheint mir aber auch eine Gefahr für 2020 zu sein. Denn wenn die Demokrakten, wovon ich ausgehe, künftig alles blockieren was Trump versucht, könnte er sie im nächsten Wahlkampf als die Partei hinstellen, die das Land davon abhält vorwärts zu kommen.
    Carador ist offline

  4. #4 Zitieren
    banned
    Registriert seit
    Oct 2010
    Beiträge
    22.547
    Zitat Zitat von Carador Beitrag anzeigen
    Es scheint so als würden die Demokraten nicht ansatzweise so gut abschneiden wie sie gehofft hatten. Sie könnten zwar die Mehrheit im Kongress erreichen, aber deutlich knapper als man dachte.
    Naja. Abwarten, aber im großen und Ganzen würde ich das Abschneiden der Demokraten bisher positiv beurteilen. In Bundesstaaten, in denen viele Wähler von der Wahl ausgeschlossen wurden, durch undemokratische Gesetze verabschiedet von republikanischen Politikern, hatten es die Demokraten natürlich schwer.

    Du meinst übrigens das Repräsentantenhaus. Als Kongress bezeichnet man beide Kammern der US-Legislative, also Rep.-Haus und Senat.

    Auch im Senat mussten die Republikaner einige Ohrfeigen einstecken. Sie haben zwar SItze verteidigt und neue dazugewonnen, so dass sie wohl ihre Mehrheit behalten werden...

    Aber viele dieser Siege waren äußerst knapp, auch in traditionell republikanisch dominierten Bundesstaaten. Nehmen wir Ted Cruz, der in Texas 2012 mit etwa 56% der Stimmen gegen 40% für den Demokraten gewonnen hatte. Der Stand diesmal sind bisher 51% zu 48%.

    In Texas. Für einen Republikaner. Das ist schon eine schallende Ohrfeige, auch wenn Cruz knapp gewonnen hat.
    ulix ist offline

  5. #5 Zitieren
    Myth Avatar von Raider
    Registriert seit
    Jul 2006
    Ort
    Niederbayern
    Beiträge
    8.430
    Die Wahl bot wenige Überraschungen, weder positive noch negative. Ein demokratisch dominiertes Repräsentantenhaus ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Die Demokraten müssen sich um eine starke und unnachgiebige Opposition bemühen, wichtiger als die bleibt aber der zivile Widerstand.
    Raider ist gerade online

  6. #6 Zitieren
    banned
    Registriert seit
    Oct 2010
    Beiträge
    22.547
    Wir dürfen auch nicht vergessen, dass im Verhältnis zu vorherigen Wahlen viele Demokraten einen sehr progressiven Wahlkampf geführt haben, also deutlich linkere Positionen vertreten haben als vor früheren Wahlen. Und trotzdem hatten sie damit relativ großen Erfolg, trotzdem gab es einige knappe Rennen in traditionell republikanischen Gebieten und Bundesstaaten.

    Das finde ich einerseits sehr positiv. Heute werden, auch dank Trump, in den USA ernsthaft Dinge diskutiert, die vor einem oder zwei Jahrzehnten undenkbar waren. Kostenlose staatliche Universitäten zum Beispiel, oder eine allgemeine staatlich organisierte Krankenkasse. Das sind wohlgemerkt Positionen, die sie mit der überwältigenden Mehrheit der Amerikaner teilen, auch den Kälbern die ihren Metzger selber wählen, aus Dummheit oder Ignoranz oder Rassismus oder Klassismus, und so trotz dieser Positionen für Republikaner stimmen.

    Andererseits befeuert es aber wohl auch die politische Spaltung weiter. Die Demokraten werden linker, die Republikaner rechter, und im Zweiparteiensystem der USA ist kein Platz für eine neutralere dritte Partei.

    Womit ich damit "neutraler" aus US-Sicht meine. Selbst die linksten Positionen der Demokraten sind normalerweise ja bloß solche, die man in Europa milden Sozialdemokraten zuschreiben würde.
    ulix ist offline Geändert von ulix (07.11.2018 um 09:24 Uhr)

  7. #7 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Thorn1030
    Registriert seit
    Oct 2009
    Beiträge
    2.591
    Zitat Zitat von ulix Beitrag anzeigen
    In Texas. Für einen Republikaner. Das ist schon eine schallende Ohrfeige, auch wenn Cruz knapp gewonnen hat.
    Aber er hat gewonnen. That´s it - das wars, oder?

    Mal schauen, was die Demokraten jetzt mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus machen. Im Senat hat Trump seine Mehrheit ja wohl ausbauen können.
    Thorn1030 ist offline

  8. #8 Zitieren
    Deus Avatar von Gleichgewicht
    Registriert seit
    Apr 2008
    Ort
    In der Wildnis des Erzgebirges (und Tiefwasser)
    Beiträge
    11.170
    Von rechten Seiten werden schon wieder Fakten genannt, dass Trump im Vergleich bei den Midterms wesentlich besser abgeschnitten hat, als Obama damals.
    Und dass die regierende Gruppierung bei den Midterms im Repräsentantenhaus schon IMMER Sitze eingebüßt hat.

    Für Trump laut diesen rechten Trollen also ein deutlicher Gewinn. Dort gewonnen, wo man etwas gewinnen konnte und dort relativ wenig eingebüßt, wo man nur verlieren konnte.

    Die Magie soll den Menschen dienen und ihn nicht beherrschen.
    Böse und verderbt sind jene - Die Seine Gabe nahmen - Und sie gegen Seine Kinder verwendeten.
    Sie werden Maleficar genannt, die Verfluchten. - Sie sollen keine Ruhe in der Welt finden - Oder darüber hinaus.
    Gesang der Veränderung
    Gleichgewicht ist offline

  9. #9 Zitieren
    banned
    Registriert seit
    Oct 2010
    Beiträge
    22.547
    Einige weitere interessante Abstimmungsergebnisse:

    * In Florida, wo der republikanische Gouverneurs-Kandidat trotz (oder wegen?) eines rassistischen Wahlkampfes knapp gewonnen hat, haben die Wähler außerdem entschieden dass vorbestrafte Bürger wieder wählen dürfen, bzw. ihr Wahlrecht deutlich leichter wieder erlangen können. Das sorgt dafür, dass bei der nächsten Wahl mehr als eine Million Menschen mehr werden abstimmen dürfen. Ich sage vorraus, dass die knappen Mehrheiten für die Republikaner in Florida damit ein für alle mal ein Ende haben. Zumindest dann ab 2020. Das ist vor allem für die Präsidentschaftswahl interessant, da Florida hier ein wichtiger Swingstate ist.

    * Michigan wird als zehnter Bundesstaat den Freizeit-Konsum von Cannabis legalisieren.
    ulix ist offline

  10. #10 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Thorn1030
    Registriert seit
    Oct 2009
    Beiträge
    2.591
    Zitat Zitat von Gleichgewicht Beitrag anzeigen
    Von rechten Seiten werden schon wieder Fakten genannt...

    Und dass die regierende Gruppierung bei den Midterms im Repräsentantenhaus schon IMMER Sitze eingebüßt hat.
    Dann sind die "rechten Seiten" u.a. alle typischen Nachrichten-Fernsehkanäle hierzulande...

    Das die Midterms in der Vergangenheit fast immer eine Gelegenheit waren, den aktuellen Präsidenten "abzustrafen" ist eigentlich allgemein akzeptierte Tatsache und wohl kaum rechte Verschwörungstheorie. Gab glaube ich nur zwei Präsidenten in den letzten Jahrzehnten, bei denen das nicht so gelaufen ist.

    Zitat Zitat von Gleichgewicht Beitrag anzeigen
    Für Trump laut diesen rechten Trollen also ein deutlicher Gewinn. Dort gewonnen, wo man etwas gewinnen konnte und dort relativ wenig eingebüßt, wo man nur verlieren konnte.
    Und wieder sind eigentlich alle deutschen Fernsehkanäle rechte Trolle... Auch wenn man dieses Ergebniss realistischerweise natürlich kaum als "deutlichen Gewinn" verkaufen kann.
    Thorn1030 ist offline

  11. #11 Zitieren
    banned
    Registriert seit
    Oct 2010
    Beiträge
    22.547
    Richard Ojeda hat leider klar verloren

    [Video]

    Aber:
    2016 etwa 68% der Stimmen für den republikanischen Repräsentanten, nur 24% für den Demokraten in seinem Distrikt. Trump bekam dort 72%!
    2018 dann nur 56% für die Republikaner, 44% für Ojeda, den populistischen Demokraten.
    ulix ist offline

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •