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Umfrageergebnis anzeigen: Wer sollte das Battle gewinnen?

  • Eispfötchen

    0 0%
  • Ronsen

    2 100,00%
 
Teilnehmer
2. Du darfst bei dieser Umfrage nicht abstimmen
Ergebnis 1 bis 11 von 11
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    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline

    [Battle]Eispfötchen vs. Ronsen




    Der Mond schien in dieser Nacht besonders hell, obwohl er noch nicht ganz voll war. Doch so kräftig sein Licht auch war, für die Dunkelheit der Krypta machte das keinen Unterschied. Tief in den gemauerten Katakomben drang kein Funke von der Oberwelt hinab, und wenn es nach dem Willen der längst vergangenen Erbauer dieses Gemäuers gegangen wäre, dann wäre das auch für immer so geblieben. Doch hier im Wald, nicht besonders versteckt gelegen und beinahe unmittelbar angrenzend zu den Ländereien des Großbauern Onar, war es nur eine Frage der Zeit, bis es wieder einmal ein lebender Mensch wagen sollte, die steinerne Schwelle der Grabstätte zu überqueren.
    Diese Zeit war heute Nacht gekommen. Aus leuchtenden, reglosen Augen beobachteten die Eulen, wie sich eine schattenhafte Gestalt der Steinpforte näherte. Die beiden riesenhaften Eisenwächter links und rechts am Eingang, einer kopflos, der andere schon vor langer Zeit zu Fall gebracht, konnten bloß still erdulden, wie der Neuankömmling zielstrebig den kleinen Innenraum der Grabkammer betrat. Eine Fackel in seiner Hand erhellte die grauen Mauern ebenso wie sein Gesicht. Der Mann hieß Lares, aber weder die lebenden Waldbewohner, noch die in der Krypta ruhenden Toten kannten diesen Namen. Noch nicht.
    Stein knirschte auf Stein, zweimal, bis ein lautes Grollen ertönte, das den oberirdischen Innenraum der Krypta mehr als nur ausfüllte und dann nach draußen in den Wald drang, woraufhin sich einige der neugierigen Eulen, aber auch andere der nachtaktiven Beobachter angstvoll auf die Flucht machten. Das Echo des Grollens hallte noch lange nach, und als es verklungen war, legte sich eine drückende, endgültige Stille über den Forst.
    Im Innern des engen Steingebäudes hatte ein vermeintlicher Sarkophag, der in Wahrheit nie auch nur einen toten oder lebenden Menschen in seinem Innern geborgen hatte, den Weg freigegeben in die wahre Krypta, ihre unterirdischen Katakomben. Lares stieg den Weg hinab, Mauervorsprung um Mauervorsprung erklomm er, bis er unten angekommen war. Links und rechts säumten nun moosige Wände den Weg, in ihnen eingelassen schmale Grabnischen, in denen unzählbar viele Knochen hineingepresst worden waren, Beine, Arme, Hände, Finger und Schädel. Alles tot.
    Aber dann saß dort noch jemand, jemand, der lebendig war. Nicht weit vom Fuße des letzten Mauervorsprungs hockte er auf dem Boden, an die Wand gelehnt, einsam, bis vor kurzem offenbar noch ganz im Dunkeln. Es war nicht erkennbar, ob er schlief, wachte oder lauerte, ob er träumte oder dachte. Er saß dort einfach nur, und hatte sich auch nicht geregt, als Lares einen Schritt auf ihn zu gemacht hatte. Das Fackelfeuer erhellte nun auch sein Haupt. Sein Name war Dar, und auch diesen Namen kannten die Toten nicht. Noch nicht.

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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Eispfötchen ist offline
    Dar wachte durch das helle Licht der Fackel auf und verzog unwillig das Gesicht. Er hob den linken Arm, um das Licht von seinem Gesicht abzuwenden, doch damit hatte er nur mäßigen Erfolg.
    "Eh! Lass das mit dem Licht! Das sticht so in den Augen", nuschelte Dar.
    Er hatte keine Ahnung wie er hierher gekommen war, aber deswegen wunderte er sich nicht. Das war im Prinzip der Normalzustand bei ihm. Doch dieses Mal hatte er heftigere Kopfschmerzen als sonst und er fühlte sich richtig mieserabel. Vielleicht lag es an diesem Stengel, den dieser Typ ihm gegeben hatte. Was war das noch gleich? Ein Krautstengel mit Dunkelpilz? Das Zeug war selbst für ihn zu krass gewesen und jetzt lag er hier, wo auch immer hier war. Sein Schädel pochte, als würde Bennet auf ihm herumhämmern. Dar stöhnte. Doch es half ja nichts. Er zog einen Sumpfkrautstengel aus seiner Tasche und zündete ihn an. Erst mal einen durchziehen. Das würde bei seinen Kopfschmerzen bestimmt helfen. Er nahm einen tiefen Zug und genoss das beruhigende Gefühl des Rauchs in seinen Lungen. Mit immer noch schmerzenden Kopf sah er sich um. Wo war er hier gelandet? Haufen Knochen und Rattenkacke, nun, er würde gerne sagen, dass es das erste mal wäre, dass er sich an so einem düsteren Ort wiederfand, aber das wäre glatt gelogen. Und wer war dieser komische Typ mit dem Feuer? Kurzzeitig hatte er seine Anwesenheit vergessen, doch weil er noch näher herangetreten war, hatte er erneut seine Aufmerksamkeit, so fern von Aufmerksamkeit überhaupt die Rede sein konnte. Dar sah ihn aus verquollenen Augen an und wartete darauf, was dieser Typ jetzt tun würde.
    "Wie bist du denn hier reingekommen?" fragte der Fremde Dar.
    Dar blinzelte träge und versuchte den Sinn seiner Worte zu erfassen. Als das geschehen war, versuchte er nachzudenken und eine Antwort zu formulieren. Es kam Schwerstarbeit gleich.
    "Keine Ahnung", sagte er dann nach langer Pause. "Kenn ich dich irgendwoher?"
    "Ich bin Lares", sagte der Fremde nur, doch das half Dar nicht weiter, denn er konnte sich an niemanden mit diesem Namen erinnern.
    Oder war dieser Typ mal bei ihrem Oberhäuptling auf dem Hof gewesen? Wie hieß der noch gleich? Lee? Ja, das musste es sein. Im Prinzip war das alles Dar auch egal. Die Hauptsache war doch, dass er hier war und dass dieser Lares auch hier war, denn der wusste bestimmt, wo HIER überhaupt war.
    "Was ist das für ein Ort?" fragte Dar mit belegter Stimme.
    "Was das ist?" fuhr Lares aus der Haut, gestikulierte wild und zeigte auf die Umgebung. "Eine Krypta, was denn sonst? Meine Fresse, wie durch bist du eigentlich?"
    Dar verstand die Frage nicht. Auch egal. Erstmal noch einen Zug nehmen, vielleicht würde dann vieles klarer werden. Den Sumpfkrautstengel hatte er schnell aufgeraucht. Der Söldner schnippte ihn weg und versuchte sich aufzurichten. Für einen Moment hatte er das Gefühl, dass sich seine Umgebung bewegte.
    "Hilfe, anhalten!" rief er.
    Lares tippte sich vielsagend an den Kopf. Er beschloss wohl einfach weiterzugehen, um sich weiter umzusehen.
    "He, warte, Loras""
    "Es heißt Lares", antwortete Lares ruhig.
    "Dann eben so. Wir könnten doch zusammen weitergehen."
    Lares sah ihn star an. Dar hatte keine Ahnung, ob, und wenn ja was, im Kopf seines neuen Gefährten vor sich ging.
    "Schön, von mir aus. Wenn hier unten irgendwas ist, dann ... ergibt es Sinn zu Zweit zu sein."
    Dar stützte sich beim Laufen an der Wand ab.
    "Was soll denn hier unten sein, Lester? Du sagtest doch, dass sei eine Krü ... na ... Dingenskirchen."
    Lares verdrehte die Augen.
    "Lares! Ich heiße Lares und das hier ist eine Krypta, du Hohlkopf."
    Sie erreichten einen kleinen Raum, in dem sich nichts, außer eine Truhe befand.
    "Hm..." kam es von Lares, der sich nun hinkniete und die Truhe eingehend untersuchte.
    Dar wusste nicht was das sollte. Es war doch nur eine Truhe, was sollte damit schon groß sein? Und wenn da kein Sumpfkraut oder Gold, dass er für Sumpfkraut ausgeben konnte, drin war, war ihm auch vollkommen Schnurz was sie beinhaltete. Vielleicht ging Lares etwas ähnliches durch den Kopf, denn er sagte: "Ich glaube da ist Gold drin."
    Er drehte sich zu ihm um und grinste breit.
    "Weil du zuerst in dieser Krypta warst, lass ich dir den Vortritt. Du darfst die erste Kiste aufmachen."
    "Aber, Linus, ich kann doch gar keine Schlösser knacken."
    "LARES !"
    "Nein, ich heiße Dar", wehrte sich der Söldner.
    Sein Mitstreiter seufzte.
    "Ich knack das Schloss und du darfst die Kiste dann öffnen, Klar soweit?"
    Dar dachte wieder nach. Nach einigen Minuten sagte er: "In Ordnung."
    Er bemerkte gar nicht, dass sein Komplize schon längst dabei war das Schloss zu knacken. Plötzlich gab es ein leises Klicken und sein neuer Kammerad stand auf und klopfte ihm im Vorbeigehen grinsend auf die Schulter.
    "Dein Zug."
    "Vielen Dank, Laidoridas, du bist ein echter Kumpel."
    "Lares", grummelte Lares und schuppste Dar nach vorne.
    Dar ging zur Kiste und sah noch einmal nach Lares. Der stand außerhalb des Raumes und beobachtete ihn aufmerksam. Die Kiste quietschte laut, als Dar sie öffnette. Tatsächlich, da war jede Menge Gold drin ... und noch anderer Kram, den er aber total langweilig fand und deswegen liegen ließ. Als er die Kiste schloss, sich erhob und umdrehte sah er einem schwebenden Skelett, das zerfetzte Lumpen trug, in die Augenhöhlen. Dar zuckte nicht mit der Wimper. Solche Erscheinungen waren ganz normal, wenn man etwas zuviel Sumpfkraut intus hatte, ganz abgesehen von diesem Dunkelpilzzeug in seinem Blut.
    "Nein, ich will keine Knochen kaufen, danke", sagte Dar und wollte einfach an dem Skelettmagier vorbeigehen, doch der sah nicht so aus, als ob er ihn verstanden hatte.
    Er hob die Arme und schoss einen Eiszauber auf ihn ab. Dar konnte sich gerade noch ducken, wovon er selbst überrascht war.
    "He, hast du einen an der Waffel? Lass das!"
    Er zog seine Waffe, doch noch bevor er angreifen konnte, hatte sich Lares in den Kampf geworfen und den Skelettmagier von hinten attackiert. Bevor sich dieser umdrehen konnte hatte er ihn zu Knochenstückchen verarbeitet.
    "He, danke Leonidas."
    Geändert von Eispfötchen (31.10.2018 um 15:36 Uhr)

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    Auserwählter Avatar von Ronsen
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    Ronsen ist offline
    „Nichts zu danken.“
    Aus einem ihm selbst unerklärlichen Grund versuchte Lares cool rüberzukommen. Dabei schlug sein Herz in Wahrheit so rasant, dass es ihm die Kehle zuschnürte. Er brachte nicht einmal über die Lippen, den debilen Kiffer daran zu erinnern, dass sein Name nicht Lars, Lothar oder Luzifer, sondern einfach nur Lares war. Seine Zunge war so staubtrocken wie die Gebeine der Toten. Was hatte ihn nur dazu geritten, mitten in der Nacht eine Krypta auszuheben? Vor genau 24 Stunden war seine Welt doch noch in Ordnung gewesen…

    ***

    „…48…49… und 50. Mein letztes Erspartes.“
    Seufzend schob Lares einen kleinen Haufen Goldmünzen über den glatt polierten Tresen. Bromor, der Besitzer der „Roten Laterne“, lächelte nur müde und ließ das Geld in seiner Truhe verschwinden.
    „Dein Geld ist hier gut angelegt. Seit der Schiffsverkehr zum Erliegen gekommen ist, haben meine Mädels viel zu wenig Kundschaft und sind deshalb besonders scharf.“
    „Ich frage mich, warum ich mir das von dir anhören muss, alter Mann. Und nicht von Nadja.“
    Bromor hob beschwichtigend die Hände.
    „Nichts für ungut. Ich betreib‘ doch nur ein bisschen Konversation… Nadja ist in Zimmer drei. Viel Vergnügen.“

    Lares war heute im Auftrag vom Ring des Wassers unterwegs. Seit Tagen verschwanden in Khorinis und Umgebung einzelne Bewohner völlig spurlos. Vatras, der städtische Wassermagier, hatte sich in den Kopf gesetzt, das Rätsel der vermissten Bürger zu lösen – und hatte diese Aufgabe gleich an Lares weitergegeben. Nach dem Fall der Barriere hatte sich der ehemalige Sträfling des Neuen Lagers seine Freiheit teuer erkauft. Weil er bereits früher Botengänge für die Wassermagier ausgeführt hatte, boten jene ihm an, ihre Beziehungen bei den Paladinen der Stadt spielen zu lassen, um ihn aus seiner Schuld freizusprechen. Als Gegenleistung musste Lares den Wassermagiern weiterhin „ab und zu“ als Laufbursche dienen. Was sich anfangs wie ein fantastisches Angebot anhörte, mutierte langsam aber sicher zu einer Strapaze, denn Vatras hatte ständig neue Aufgaben für ihn und sein Kumpel Lee nutzte Lares‘ Position als freier Mann schamlos aus, indem er ihn in Khorinis als Horchposten aufstellte, der den Schiffsverkehr überwachen und neue Rekruten für die Revolution der Söldner gewinnen sollte. Da war es eine angenehme Ausnahme, die heutige Nacht im Bordell verbringen zu können, um „Spuren zu sichern“. Wie sich nämlich gezeigt hatte, befand sich auf der Liste der vermissten Personen auch eines von Bromors Mädels mit Namen Lucia. Und Nadja, seine Dame der Nacht, gehörte zu den engsten Vertrauten von Lucia. Es war also schlau, wenn er mit seinen Nachforschungen bei ihr begann.

    „Was für ein Prachtexemplar!“
    Lares errötete. Er war inzwischen in Nadjas Schlafzimmer angelangt und nach ein paar kurzen Fragen bezüglich der vermissten Lucia, die ihn nicht wirklich befriedigten, wollte er für sein Geld auch noch etwas haben, das ihn befriedigte. Wie er allerdings im Adamskostüm vor der Hure stand und ihre lobenden Worte breit grinsend zur Kenntnis nahm, musste er feststellen, dass ihre Aufmerksamkeit gar nicht seinem besten Stück, sondern einem Stück Metall an seinem Finger galt.
    „Ach so, du meinst den Ring! Ja nun… stört er dich?“
    „Im Gegenteil. Ich steh drauf, es mit verheirateten Männern zu tun. Das hat so etwas… Verbotenes!“
    Lares lächelte verschmitzt.
    „Aber sag es nicht weiter, ja?“

    Der Ring, den Lares am Finger trug, war jedoch kein Ehering. Es war ein magisches Artefakt, ein Statussymbol, das ihn als Angehörigen des Rings des Wassers auszeichnete. Der Bund operierte im Verborgenen, da viele Mitglieder zu verschiedenen Gemeinschaften gehörten, die sich untereinander nicht gerade grün waren. Außerdem war der Ring so etwas wie ein Alarmsystem. Lares kannte sich mit Magie nicht sonderlich gut aus, aber er wusste, dass Vatras seine Hilfe benötigte, wann immer der Ring blau aufleuchtete. Insgeheim hasste Lares dieses magische Stückchen Schmuck. Es kam nämlich, wie es kommen musste und der Ring leuchtete genau in jenem Augenblick auf, als er und Nadja zur Sache kommen wollten…

    „Wehe es ist nicht verdammt dringend!“
    Lares war noch dabei, sich das Hemd zuzuknöpfen, als er Vatras um Mitternacht am Platz der Predigt aufsuchte. Der greise Wassermagier begrüßte ihn mit einem faltigen Lächeln.
    „Ich kann spüren, was um uns herum vor sich geht und wenn du deinen Pflichten nicht nachkommst, dann spüre ich das auch, mein Freund.“
    Lares lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Er wollte gar nicht wissen, was dieser Tattergreis noch alles spüren konnte.
    „Nun spuck's schon aus. Warum hast du mich herbestellt?“
    Vatras legte väterlich eine Schulter um seinen Schützling, was Lares nur noch unruhiger werden ließ.
    „Vor etwa einer Stunde habe ich ein göttliches Zeichen von Adanos erhalten, während ich meinen Studien nachging. Ich las gerade in einem Werk von den großen Ahnen dieser Insel, als ich meinen Kelch verschüttete und sich der Wein über die gesamte Buchseite ausbreitete. Nur ein einziges Wort blieb trocken. Es lautete: Inubis.“
    „Hauch mich mal an!“
    „Schweig! Und lausche, was ich zu sagen habe. Ich habe sogleich Recherchen angestellt, um das Zeichen zu deuten und kam zu beunruhigenden Erkenntnissen. Inubis war einst ein Paladin von unermesslicher Stärke, der große Ländereien der Insel besaß, unter anderem auch das Land, auf dem heute Onars Hof steht. Doch der Legende nach hat Beliar sich der Seele des Paladins ermächtigt und ließ ihn als Schattenlord wieder auferstehen. Es gibt Grund zur Besorgnis, dass sich der Schattenlord in einer Krypta bei Onars Hof befindet und eine Armee von untoten Dienern um sich schart, um das Land und die Menschen an der Oberfläche zu verderben.“
    Lares presste die Lippen zusammen. Jetzt bloß keinen Spruch bringen, sonst würde er den Zorn des weisen Mannes auf sich ziehen.
    „Und jetzt suchst du jemanden, der auf dem Hof nach dem Rechten sieht, ist es nicht so?“
    „Ich wusste, dass ich dich für diese verantwortungsvolle Mission gewinnen würde. Beliars Verderbnis hat auf dem Hof bereits begonnen. Die Söldner sind grob, sie rauchen und fluchen und wenn wir nichts tun, werden sie bald alle dem Fluch des dunklen Gottes erliegen. Du musst hingehen und wieder ein Gleichgewicht der Mächte herstellen. Im Namen von Adanos!“
    Innerlich verdrehte Lares die Augen. Er hatte wirklich schon genug Probleme, um die er sich kümmern sollte. Manche davon waren sogar real.
    „Findest du nicht, unser gemeinsamer Freund könnte sich darum kümmern? Du weißt schon, der, der sich für ein bisschen Ruhm sogar um Fleischwanzen kümmert.“
    Vatras schüttelte traurig den Kopf.
    „Leider ist unser Freund gerade mit seinem Amulett des suchenden Irrlichts aufgebrochen, um für mich eine Flasche des besten Klosterweins zu finden. Ich glaube nicht, dass er in absehbarer Zeit wiederkehrt.“
    „Man muss Prioritäten setzen“, sagte Lares nickend.

    Letztlich stimmte er zu, die Stadt zu verlassen und mal wieder auf Onars Hof vorbeizuschauen. Hauptsache weg von Vatras, bevor er ihm noch mehr verrückte Aufgaben aufbrummte. Dass er seiner Mission erst mitten in der Nacht nachging, lag daran, dass er niemals wirklich auf die Idee gekommen war, in die Krypta zu gehen und sich stattdessen mit seinem Kumpel Lee verquatscht hatte. Doch dann leuchtete sein Ring wieder und erinnerte ihn daran, wie leicht die Wassermagier seinen Schutzstatus wieder aufheben konnten.

    ***

    Und nun, vierundzwanzig Stunden später, war er mit einem Kerl namens Dar, der laut Vatras vermutlich schon der Klaue Beliars zum Opfer gefallen war, in der verdammten Krypta und wischte sich Knochenstaub von der Klinge. Das war so ein Reflex, normalerweise bluteten seine Opfer, wenn er sie erschlug.
    Die Tatsache, dass Vatras mit seiner Prophezeiung anscheinend Recht behielt, beunruhigte Lares über alle Maßen. Doch dieses Skelett war nie und nimmer ein Schattenlord, dafür hatte es viel zu spröde Knochen. Aber Lares war auch nicht wirklich scharf darauf, sich mit Inubis persönlich anzulegen. Um ehrlich zu sein, hatte er schon genug gesehen, um zu entscheiden, dass sie die Gruft am besten einfach versiegeln sollten. Doch da fiel ihm plötzlich etwas auf, was mit seinem unfreiwilligen Begleiter zu tun hatte und ihm äußerst merkwürdig vorkam.
    „Sag mal, Dar…“
    „Dar.“
    „Als ich die Krypta betreten habe, war der Deckel von dem Sarkophag geschlossen. Ich frage mich die ganze Zeit, wie und warum du den Eingang hinter dir wieder verschlossen hast.“
    Dar rieb sich den stoppeligen Kinnbart.
    „Und ich frage mich, warum deine Ohren so abstehen. Du siehst echt ulkig aus.“
    Lares packte den Kerl am Kragen. So langsam hatte er die Schnauze voll.
    „Bei den Göttern, jetzt versuch doch wenigstens einmal, diesen hohlen, rauchgefüllten Schädel zum Denken zu verwenden!“
    Dabei drückte Lares dem Söldner mehrmals mit dem Finger gegen die Stirn.
    „Was ich meine“, fuhr er fort, „Wenn du hier unten eingeschlossen warst, dann bist du entweder das Opfer eines miesen Streiches gewesen oder…“
    Lares schluckte. Plötzlich war seine Kehle wieder staubtrocken.

    „… oder aber jemand oder etwas hat die Chance genutzt, ist durch den offenen Sarg entkommen und hat dich hier eingesperrt.“

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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Eispfötchen ist offline
    "Hö?" kam es von Dar, der immer noch schlaff wie ein Sack ein Stück in der Luft hing.
    Er fand das gar nicht störend, im Gegenteil, es hatte was für sich, ganz entspannt in der Luft zu hängen. Das war wie schweben und im eigentlichen Sinne war ihm sowieso nicht ganz klar, ob Lares ihn gerade hochhob, oder ob es noch eine Wirkung von den Substanzen in seinem Blut war.
    Lares Augen sahen wütend aus. Sie befanden sich sehr nah an seinem Gesicht. Dar konnte einige Äderchen sehen, die geplatzt waren. Dieser Typ musste unbedingt mal entspannen.
    "He, willst du eine Kippe? Siehst aus, als könntest du eine gebrauchen."
    Lares ließ ihn von jetzt auf gleich einfach los und Dar landete äußerst unsanft auf dem Boden.
    "Jetzt rücks endlich raus, oder ich stech dich ab, du wertloser Depp!"
    Das fand Dar jetzt aber nicht in Ordnung und so richtig konnte er sich Lares Verhalten nicht erklären. Eben war er noch so nett gewesen und hatte ihn gerettet und jetzt explodierte er fast. Es musste am Stress liegen, ja das musste es sein. Dar nickte leicht mit dem Kopf, weil er glaubte es verstanden zu haben. Die Leute regten sich immer auf, wenn sie Stress hatten. In so einem Fall war es das einfachste ihm einfach irgendwas zu sagen, damit er sich beruhigte.
    "Ich weiß nicht, wie ich hier reinkam, oder wer die Öffnung wieder verschlossen hat. Ich war ... nicht ganz klar im Kopf."
    "Ach? Was du nicht sagst", schnaubte Lares, der jetzt wie ein gefangener Schattenläufer auf und ab lief.
    Er rieb sich das Kinn und es sah so aus, als dachte er angestrengt nach.
    "Warum sollte er ihn am leben lassen? Warum hat er ihn nicht einfach getötet? Hm..."
    Dar hatte keine Ahnung wovon er redete, doch er sah ihm dabei zu wie er immer wieder hin und her lief und jede Menge Knochenmehl und Staub aufwirbelte. Der Söldner kramte in seinen Taschen und fand wonach er gesucht hatte: Einen Sumpfkrautstengel. Er zündete ihn an und steckte ihn sich zwischen die Lippen.
    "Sag mal Lancelot, wenn dieser Irgendwer mich hier eingeschlossen hat, wer sagt uns, dass er das nicht auch jetzt wieder tut?" nuschelte Dar, damit er den Stengel nicht verlor.
    Lares sah ihn entgeistert an. Seine Augen wurden groß und sein Gesicht kalkweiß.
    "Schnell!" sagte er nur und rannte los.
    "Schon wieder diese Hektik", maulte Dar, doch er entschied in angemessener Langsamkeit zu folgen.
    "Nein!" schrie Lares und Dar brauchte gar nicht zu sehen was passiert war.
    Sie waren eingeschlossen. Lares raufte sich verzweifelt die Haare und fluchte überschwänglich. Dar nickte anerkennend. Solche Ausdrücke hatte selbst er noch nicht gehört. Die musste er sich merken. Er musste zugeben, es war wirklich unterhaltsam einfach dazustehen, zu rauchen und dabei zuzusehen wie Lares wie von der Blutfliege gestochen umhersprang, um seinem Ärger Luft zu machen. Als Dar drei weitere Sumpfkrautstengel geraucht hatte und er der Meinung war, dass sich dein Kumpane langsam etwas beruhigte, schlug er vor: "Lass uns doch mal die anderen Räume ansehen. Vielleicht ist da was drin, was uns weiterhilft."
    "Warum zum Henker sollte da was drin sein, was uns weiterhilft?" schnauzte Lares.
    "Na hör mal. Kann doch jedem mal passieren, dass man sich in einer Krypta einschließt. Ich könnte mir denken, wer immer dieses Teil gebaut hat, überlegte sich etwas wie diese Leute wieder rauskommen."
    Lares sah aus, als wollte er seinen Vorschlag sofort abschmettern, aber dann hielt er mitten im Mundöffnen inne, sah kurz aus wie ein Karpfen auf dem Trockenen und sagte dann: "Schön, irgendwas müssen wir ja machen."
    "Sag ich doch."
    Dar ging voran, den Sumpfkrautstengel in der rechten Hand, zwischen Zeige- und Mittelfinger geklemmt.
    "Vielleicht ist da was?"
    Dar zeigte in einen Raum, der Rechts abging und genauso vermodert und trostlos aussah, wie der, in dem sie die Erste Kiste gefunden hatten. Auch hier gab es wieder eine.
    "Diesmal darfst du die Kiste aufmachen", sagte Dar tonlos.
    "Damit mich irgendein Skelett tötet? Nein, bestimmt nicht", wehrte Lares ab.
    "Letztes Mal war ich dran, jetzt bist du an der Reihe", beharrte Dar.
    "Kannst du überhaupt mit einer Waffe umgehen?" fragte Lares scharf.
    "Klar kann ich."
    Dar hob sein grobes Schwert. Es sah nicht so aus, als wäre es bisher viel benutzt wurden.
    Lares gab nur ein Schnauben von sich. Einen Moment stand er unschlüssig da, dann atmete er tief ein und aus und kniete sich vor die Truhe. Es klickte hin und wieder leise und dann etwas lauter. Die alten, rostigen Scharniere der teilweise vermoderten Holztruhe knarrten, als sie bewegt wurden. Doch Lares nahm sich überhaupt keine Zeit, um nach dem Inhalt zu sehen. Beinache sofort schloss er sie wieder und sprang mit gezücktem Degen herum, gerade rechtzeitig, um sich einem weiteren Skelettmagier zu stellen. Wie von Sinnen stach Lares auf den Untoten ein, doch der hob zu einer Beschwörung an. Es musste etwas mächtiges sein, denn Staub rieselte von der Decke und die Erde begann zu beben. Dar setzte sich in Bewegung und hieb jetzt seinerseits auf den Skelettmagier ein. Zwei Links und zwei Rechts und dann ...
    "Au! Pass doch auf, wo du hinhaust!" schrie Lares, so laut, dass noch mehr Schmutz hinabregnete.
    Dar zielte diesmal auf den Torso des Skeletts und traf das Genick. Der Schädel des Skelettmagiers flog gegen eine Wand und zersplitterte. Die übrigen Knochen fielen klappernd in sich zusammen.
    "Du Idiot!" rief Lares, hielt seine linke Hand an den Mund und saugte das austretende Blut ab.
    Dar brauchte einen Moment, um zu erfassen was geschehen war. Offenbar hatte er seinen Mitstreiter im Eifer des Gefechts mit seinem Schwert erwischt. Wie hatte das nur geschehen können? Er hatte doch immer genau gezielt.
    "Du bist echt für nichts zu gebrauchen", herrschte Lares ihn an.
    Er zog ein Tuch aus seiner Tasche und wickelte sie um seinen Daumen. Eigentlich war der Stoff Blau, doch rasch verfärbte er sich in helles Rot.
    "He, immerhin hab ich dem Ding den Kopf abgeschlagen", kam es selbstzufrieden von Dar.
    Lares sah ihn düster an. Er griff in seine Tasche und holte ein kleines rotes Fläschchen heraus. Mit links schraubte er es auf und nahm einen winzigen Schluck davon. Sorgsam verstaute er es wieder und wandte sich zur Truhe um. Dar hörte, wie er den Kram in der Kiste hin und her schob.
    "Aha", kam es von Lares und er hörte förmlich wie seine Augen aufleuchteten.
    Der Söldner trat etwas näher heran, weil es sich wohl um etwas Interessantes handelte, aber es war nur ein in rotes Leder geschlagenes Buch.
    "Was ist das?" fragte Dar, weil er wissen wollte, warum man dieses Ding eines Blickes würdigen sollte.
    "Das ist das alte Tagebuch des ehemaligen Paladins Inubis."
    Weitere Erklärungen kamen nicht.
    "Aha", kam es gelangweilt von Dar.
    Sein Kumpane sah nicht so aus, als würde er in nächster Zeit noch etwas Interessantes tun. Er hatte sich auf die Kiste gesetzt, blätterte hin und wieder in dem Buch und las. Es war ein guter Zeitpunkt, um sich noch einen Sumpfkrautstengel anzuzünden. Dar fand, dass das Plätzchen wo er aufgewacht war, doch etwas gemütlicher war, als dieses hier, also ging er dorthin zurück, lehnte sich an die Wand und schmauchte vergnügt. Es war Mucksmäuschenstill. Lares konnte er nicht mehr hören. Es war herrlich ruhig, richtig angenehm. Keine Hektik, kein Stress. Gefahren gab es auch keine mehr, denn immerhin waren diese Skelette ja tot, richtig? Und er hatte eins getötet, wenn man davon bei einem Untoten überhaupt sprechen konnte. Dar nahm noch einen tiefen Zug und bließ dann den grünen Rauch aus. Dabei sah er sich um und blieb an den Einlassungen der Wand hängen, an die er sich lehnte. Sie waren voller Knochen, Lumpen und den Hinterlassenschaften von Ungeziefer. Daran störte sich Dar nicht. Er war an einem Punkt, wo ihn überhaupt nichts mehr störte. Doch da war doch etwas, das anders aussah, als der Rest. Dort hinter diesem Schädel. Dar streckte die Hand aus, feuerte den Kopf beiseite und zog an diesem Ding. Ein Ohrenbetäubendes Knirschen und Beben erfasste die Gruft. Von weiter hinten aus der Krypta kam ein lauter, aber unverständlicher Ausruf. Wenig später stand Lares an seiner Seite.
    "Meine Fresse! Ich ... ich glaubs nicht. Es ist wieder offen. Wie hast du das gemacht?"
    Dar sah ihn aus verquollenen Augen an. Wieso machte er so einen Aufstand? Ja, es war offen, aber deswegen brauchte er doch nicht so herumzuschreien.
    "Ich sagte doch, wer immer das hier erbaut hat, dachte daran einen Schalter für den Notfall einzubauen."
    Lares hob eine seiner Augenbrauen so weit, dass sie schon fast an seinen Haaransatz reichte. Offenbar hatte es ihm die Sprache verschlagen. Er hatte immer noch das rote Buch in den Händen, sah jetzt darauf hinab, steckte es in eine Tasche und wandte sich der Öffnung zu.
    "Bloß raus hier."
    Dar wusste gar nicht, warum er es so eilig hatte. Er rauchte erstmal seinen Sumpfkrautstengel zu Ende, warf ihn auf den dreckigen Boden und folgte ihm dann ganz gemächlich.

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    Ronsen ist offline
    Lares konnte seine Erleichterung gar nicht in Worte fassen, als er die Krypta verlassen und wieder die frische Waldluft riechen konnte, die mit dem deftigen Duft von Theklas Moleratbraten geschwängert war. Von all den grausamen Qualen, die dort unten lauerten – Finsternis, Enge, wandelnde Tote – war es doch tatsächlich der elendige Gestank, der ihm am meisten zusetzte. Rattenkot, Knochenstaub und Dars Sumpfkrautschwaden hatten Lares‘ Verstand benebelt. Er war ganz schön wackelig auf den Beinen, als er draußen ein paar Schritte tat und irgendwie hatte er auch das Gefühl, etwas aus der Haut gefahren zu sein. Normalerweise hielt er sich mit Morddrohungen zurück, aber Dar provozierte es mit seinem Verhalten auch. Nun, zumindest hatte der Söldner das Glück der Dummen gepachtet und einen Weg gefunden, dieser unterirdischen Hölle zu entgehen. Apropos…

    „Brauchst du Hilfe?“, fragte Lares und reichte dem phlegmatischen Raucher eine Hand. Der Eingang zur Krypta lag versteckt im großen Sarkophag und um dem zu entkommen, bedurfte zumindest einem durchschnittlichen Maß an Kletterfähigkeiten. Und das konnte Lares seinem Begleiter in diesem Zustand nicht attestieren.
    Dar grinste ihm von unten entgegen und legte ihm, statt sich helfen zu lassen, einen Sumpfkrautstängel in die Hand. Dann kletterte er eigenständig heraus, lachte debil und stolperte über die Kante. Lares seufzte innerlich und steckte den Stängel in die eigene Tasche. Nicht weil er ihn selbst rauchen wollte, sondern weil Dar einen klaren Kopf bekommen musste. Immerhin bestand die Möglichkeit, dass Inubis selbst aus den Katakomben ausgebrochen und sie seiner statt darin eingekerkert hatte. Womöglich lauerte er hier ganz in der Nähe, jederzeit bereit, die unerwünschten Grabschänder mit seiner Sense zu enthaupten.

    „He, was habt ihr denn hier verloren?!“
    Lares konnte ein mädchenhaftes Quieken nicht unterdrücken, als ihn plötzlich von hinten eine ausgemergelte Gestalt mit Sense überraschte. Dar konnte sich ein hämisches Lachen nicht unterdrücken, aber es ging in einen würgenden Hustenreiz über.
    „Na sagt schon! Oder hat es euch die Sprache verschlagen?“
    Auf den zweiten Blick erkannte Lares, dass es sich bei der ausgemergelten Gestalt nicht um den Gevatter Tod, sondern lediglich um einen der unterernährten Bauern von Onars Hof handelte.
    „Jemand hat uns hier eingesperrt!“, zischte der ehemalige Sträfling hysterisch.
    „Ja, das war ich“, erwiderte der Bauer ganz selbstverständlich, „Ich kümmere mich darum, dass die Ahnen unserer Vorväter ihre wohlverdiente Ruhe halten können. Ich dulde keine Grabräuber hier. Aber sag mal… habe ich dich nicht vorhin bei Lee gesehen?“
    „Gut möglich“, sagte Lares, der sich langsam wieder etwas beruhigt hatte, „Ich bin ein enger Vertrauter von Lee. Mein Name ist Lares. Und der dort liegt, heißt Dar.“
    „Jaja, den kenn ich! Alte Raucherlunge.“
    Der Bauer schüttelte verächtlich den Kopf.
    „Mein Name ist Wasili. Aber ihr habt mir immer noch nicht verraten, was ihr hier bei der Krypta zu suchen habt.“
    Lares wollte den alten Mann in wenigen Sätzen davon überzeugen, dass er kein Grabräuber, sondern lediglich eine Art Historiker war, der sich für die großen Persönlichkeiten interessierte, die früher hier gelebt haben. Und dass Dar einfach nur ein Volltrottel sei, der völlig zugedröhnt in die Krypta gefallen war. Letzteres war nicht einmal gelogen. Wasili musterte ihn jedoch nach wie vor mit großer Skepsis.
    „Ihr Historiker habt ja ganz schön seltsame Arbeitszeiten.“
    Dennoch senkte er seine Sense und gab den Weg zum Hof frei.
    „Weil du ein Freund von Lee bist, will ich mal eine Ausnahme machen. Aber geht ja nie wieder ungefragt in die Krypta. Unter uns… Ich habe vor, hier bald mal Führungen anzubieten für zehn Goldmünzen pro Besucher. Da kann ich es nicht gebrauchen, wenn Leute wie ihr den Geheimgang schon kennt. Das soll nämlich eine Überraschung sein.“
    „Von der Geschäftsidee würde ich abraten.“
    Mit diesem Satz beendete Lares die Konversation und machte sich vom Acker. Keine zehn Pferde hielten ihn noch in der Nähe dieser Krypta, des senilen Sensenmannes oder des Kettenrauchers. Er brauchte jetzt dringend einen Schluck Bier und eine Mütze voll Schlaf. Morgen früh würde er die Situation mit Lee besprechen und weitere Schritte abwägen.

    Doch Lares fand keinen Schlaf. Zwei Stunden lang wälzte er sich nun bereits im provisorisch zum Bett umgestalteten Heuhaufen und hielt immer mindestens ein Auge in Richtung Scheunenausgang geöffnet. Irgendetwas war anders, seit er die Krypta verlassen hatte, aber er konnte nicht sagen, ob ihm da nicht wieder seine Paranoia einen Streich spielte. Einmal träumte er, er hätte eigenhändig den Schläfer erschlagen und wäre zur Feier des Tages in einer heißen Quelle baden gegangen, um seine müden Knochen zu entspannen. Doch kaum hatte er sich ins Wasser gesetzt, begann es vor ihm zu blubbern und dann tauchte plötzlich Vatras auf und sprach zu ihm, dass es Adanos‘ Wille sei. Schreiend und schweißgebadet war er damals aufgewacht, doch immerhin schnell wieder zur Ruhe gekommen.

    Heute kam Lares nicht zur Ruhe.

    Und der Grund dafür lag zu seinen Füßen. Er hatte das Tagebuch von Inubis aus der Krypta herausgeschmuggelt und wollte es am nächsten Morgen Lee vorlegen. Die meisten Abschnitte behandelten die ruhmreichen Schlachten und Feste, die der gefallene Paladin gefeiert hatte. Doch es war das Ende des Buches, das Lares‘ nicht schlafen ließen. In den letzten Monaten seines Lebens beschrieb Inubis nämlich, wie er langsam aber sicher den Kampf gegen Beliars Dämonen, der ausschließlich in seinem Kopf stattfand, verlor.
    Langsam wanderte Lares‘ Finger über den Buchrücken. Er wusste, dass er das nicht lesen sollte, dass es ihn nur noch mehr zusetzen würde. Andererseits… diese Nacht über würde er wohl ohnehin kein Auge mehr zumachen. Und wenn er nun selbst verflucht war, musste er doch wissen, was ihn erwartete. Wieviel Zeit ihm noch blieb. Ja, das schien plausibel. Lares nickte sich selbst zu, entzündete eine Öllampe und begann mit seiner Recherche.

    ***

    Archol ist tot.

    Mein geliebter Bruder, gefallen auf heiliger Mission in den gottlosen Grotten von Irdorath. Der Bote überbrachte mir die Kunde in den frühen Abendstunden. Ich musste ihn zur Rechenschaft ziehen, denn er verbreitete Lügen über die Todesumstände meines Bruders. Der Büttel hat behauptet, Archol sei einem fieberhaften Wahn zum Opfer gefallen, nachdem er die Schergen Beliars aus ihrem Tempel getötet hatte. Dass er zuletzt am Bett gefesselt lag, zu schwach zum Essen, von einem abscheulichen Ausschlag gezeichnet. Und im nächsten Moment sei er schreiend aufgesprungen, habe sich mit seinen Knappen geschlagen, bis er vor Erschöpfung zusammenbrach. Und behauptet, Beliar selbst spreche zu ihm, dass er einen Kampf mit dem Gott des Todes in seinem Kopf austrage.

    Und verlor.

    Das ist meines Bruders nicht würdig. Er ist ehrwürdig und im Namen Innos nach der Schlacht gestorben. Nachdem er das Licht verbreitet hatte, hörte sein Herz auf zu schlagen, denn er hatte seine Pflicht vor dem Herrn erfüllt und sich einen Platz an dessen Seite verdient. So und nicht anders wird sein Grabstein über ihn berichten.

    Ich werde mich unverzüglich auf den Weg zur Beisetzung machen.

    Möge Innos seiner Seele gnädig sein.

    Inubis


    ***

    Lares saß ein Kloß im Hals. Was Inubis da beschrieb, las sich tatsächlich wie ein Fluch. Schlimmer noch, er war nicht der Einzige, der davon heimgesucht wurde. Offensichtlich hatte er sich bei seinem Bruder angesteckt. Aber wie übertrug sich der Fluch? Durch Blut? Den Staub der Gräber? Lares besah sich die Wunde an seiner Hand, die der tölpelhafte Dar ihm zugefügt hatte. Sie brannte fürchterlich, obwohl er sie doch augenblicklich mit einem Heiltrank behandelt hatte.
    „Mann Legolas, du musst dich entspannen!“
    Hektisch blickte sich Lares um. Er hatte die Stimme des verdammten Rauchers gehört. Oder hatte er sich das bloß eingebildet? Wurde er jetzt wirklich verrückt?
    „Komm schon… du willst es doch auch“, hauchte Dars heisere Stimme in seinem Kopf. Und dann wanderte Lares‘ Hand zu dem Krautstängel in seiner Tasche. Konnte es wirklich noch schlimmer kommen? Wenn er schon wahnsinnig wurde, dann musste er auch nicht mehr auf sein gesundheitliches Wohl achten. Von einem einzelnen Stängel Kraut würde er ja auch kaum high werden. Immerhin hatte er das Zeug früher in der Barriere pausenlos konsumiert. Das waren noch Zeiten…

    Er entzündete den Stängel am glimmenden Docht der Öllampe und nahm einen kräftigen Zug. Sogleich musste er heftig husten, was nicht verwunderlich war. Es waren doch schon mehrere Monate Entzug. Das war ja jetzt alles umsonst! Nun könnte er seinem Körper auch den Rest geben, geht doch um nix mehr. Seine Muskeln entspannten bereits ein wenig. Er blätterte weiter in dem Buch. Schnell hatte er die Stelle gefunden, an der Inubis‘ beschrieb, wie seine Zehen schwarz wurden und dass seine Allergie in diesem Jahr früher einsetzte, als sonst. Noch einmal ziehen. Langsam wurden die Geschichten unterhaltsam. Der Kerl schien sich wirklich nach und nach in einen Zombie verwandelt zu haben. Und fühlte sich dabei trotzdem von Leben erfüllt. Vielleicht ist das Dasein als Untoter ja gar nicht so schlimm. Die Toten spürten schließlich nichts, keine Freude, aber auch keinen Schmerz. Keine Angst. Sie waren einfach nur da und standen im Weg herum. Wie Dar. Bevor Lares einschlief, musste er an Nadja denken und dass sich Vatras seinen verdammten Ring in den faltigen Hintern schieben sollte.

    Als er am nächsten Morgen aufwache, blieb ihm beinahe die Luft weg. Er musste husten und aus irgendeinem Grund schwitzte er wie bekloppt. Kaum hatte er die Augen geöffnet, wurde ihm alles klar.

    Die Scheune stand in Flammen.

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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Dar wachte auf, weil ihm furchtbar heiß am Arsch war. Er fuhr hoch und merkte, dass das Stroh hinter ihm Feuer gefangen hatte. Eilig rückte er von der Stelle weg und versuchte sich daran zu erinnern, wie das denn passiert sein könnte.

    Er erinnerte sich, dass er sich, kaum dass er die Krypta verlassen hatte, an seinen alten Platz schräg gegenüber vom Eingang zu Onars Haus an die Wand gestellt hatte. Für ihn war völlig klar was er tun würde: Sumpfkraut rauchen. Er hatte heftig husten müssen. Das hielt ihn aber nicht davon ab, noch drei weitere Stengel zu rauchen. Abends war er dann in Richtung Scheune gegangen. Dort verbrachte er meistens die Nächte. Diesesmal hatte dort Licht gebrannt. Dar hatte interessiert durch die Ritzen in der lieblos zusammengezimmerten Bretterwand gelugt und gesehen wie Lares im Stroh hockte und in dem Buch las, welches er aus der Krypta mitgenommen hatte. Dar fand, dass er wie immer sehr angespannt aussah und er hatte ihm zugeraunt, dass er sich doch mal entspanne solle. Sofort hatte sich sein neuer Freund hektisch umgesehen. Das war ja typisch für ihn. Deswegen hatte Dar weiter versucht ihn zu überreden und endlich hatte dieser Typ auf ihn gehört. Er hatte sich den Sumpfkrautstengel angesteckt und einen tiefen Zug genommen. Dar hatte zufrieden genickt. Endlich würde die Welt auch für ihn in Ordnung sein. Er hatte noch einmal die frische Nachtluft eingeatmet, dann war auch er in die brüchige Scheune gegangen und hatte sich rechterhand etwas weiter entfernt von Lares ins Stroh gesetzt und noch einen letzten Sumpfkrautstengel durchgezogen. Er hatte zu Lares gesehen, der scheinbar sorglos schlief. Sein Sumpfkrautstengel hatte geglimmt. Die Reste seines eigenen Stengels hatte der Söldner im Stroh ausgedrückt und sich dann ebenfalls schlafen gelegt.

    Die Hitze riss Dar aus seinen Erinnerungen. Er war der festen Überzeugung, dass er nicht Schuld an diesem Feuer war, denn er hatte seinen Sumpfkrautstengel ja ausgedrückt. Im Stroh, aber das war ja erstmal egal, ausgedrückt war ausgedrückt. Es ging eben ums Prinzip. Lares wachte auch auf, hustete stark und sah sich wie immer hektisch um.
    "Blos raus hier", krächzte er und Dar fand, dass er ihm folgen sollte.
    Hier war es dann doch etwas zu warm. Kaum waren sie aus der Scheune geflohen, standen sie den Bauern und Söldnern des Hofes gegenüber. Zuerst sahen Lares und Dar in überraschte Gesichter. Die Bewohner des Hofes hatten eine Eimerkette gebildet und versuchten den Brand zu löschen. In ihren Augen spiegelte sich Hoffnungslosigkeit. Sie wussten innerlich bereits, dass ihre Mühen sinnlos sein würden. Das Feuer war bereits zu groß. Als sie jetzt Dar und Lares sahen, die aus der Scheune kamen, verfinsterten sich ihre Mienen.
    "Die warn's!" rief Hodges, der Schmiedegehilfe von Bennet laut.
    "Dieser Typ hat das Feuer bestimmt absichtlich gelegt!" behauptete Thekla und zeigte auf Lares.
    Bodo war wohl anderer Meinung.
    "Quatsch, das war sicher Dar. Der raucht doch einen Sumpfkrautstengel nach dem anderen und dann wirft er sie einfach weg. Hat bestimmt einfach was ins Stroh geworfen und ist dann eingepennt."
    Lares und Dar blickten sich beklommen an. Lares sah so aus, als wusste er nicht, ob er jetzt wirklich Schuld an diesem Brand war oder nicht, wohingegen Dar der Meinung war, er könne es nicht gewesen sein, denn er hatte ja seinen Stengel ausgedrückt, doch wie sollte er das dieser aufkochenden Menge erklären? Ihm wurde es noch wärmer am Hintern, denn sie standen nur wenige Meter von der inzwischen lichterloh brennenden Hütte. Doch er wusste nicht was er tun sollte und warf einen Blick zu Sentenza und Sylvio, die jedoch einfach nur mit verschränkten Armen und versteinerten Mienen dastanden und darauf warteten was nun geschehen würde. Die Stimmung unter den Bauern heitzte sich immer mehr auf.
    "In dieser Scheune verbrennt gerade die Hälfte unseres Ernteertrags. Mir vollkommen Schnurz wer von den beiden es war. Wir sollten sie beide in Beliars Reich jagen!" gröhlte Gunnar, der schon länger ein Problem mit der Anwesenheit der Söldner hatte.
    Er zog seine Holfzfälleraxt und brüllte wütend. Die anderen machten es ihm nach. In der Gruppe fühlten sie sich offenbar stark und die Tatsache, dass die anwesenden Söldner das Schauspiel entweder belustigt oder emotionslos beobachteten, tat ihr übriges. Tatsächlich wurde Dar etwas flau im Magen. Natürlich könnte er es mit diesen Bauern aufnehmen, denn immerhin hatte er vorhin ein magisches Skelett getötet, was waren da schon ein paar Bauern? Aber da es so viele waren, könnte er sich verletzen und darauf hatte er absolut keine Lust. Plötzlich drängelte sich Jarvis zwischen Raoul und Rod, sah Lares und seine Augen weiteten sich. Nach kurzem Zögern stellte er sich vor den aufgebrachten Mob und redete schlichtend auf sie ein. Die Bauern sahen nicht so aus, als würden ein paar Worte ihre Gemüter kühlen. Das hatte wohl auch Lares erkannt, denn er nutzte die Ablenkung, um die Beine in die Hand zu nehmen und zu verduften. Dar hatte gar nicht so schnell gucken können. Er stand jetzt ganz allein da und als er das endlich verstanden hatte, machte auch er sich aus dem Staub. Er folgte Lares geradewegs am Rand der Felder entlang und dann in den Wald hinein. Dar war zuerst überrascht, weil er Lares jetzt schimpfen hören konnte. Hatte er ihn wohl eingeholt? Zuerst konnte er es nicht glauben, denn der Söldner wusste, dass er nicht der schnellste Läufer war, doch als er sich näherte, stellte er fest, dass Lares von einigen Wölfen aufgehalten wurde. Sie hatten ihn angegriffen und Lares musste sie sich vom Leib halten. Unnütz, fand Dar. Einfach vorbeirennen funktionierte doch auch. So schnell ihn seine Beine tragen konnten, rannte er weiter in den dunklen Wald hinein. Er hörte Lares hinter sich abermals fluchen, dann das heulen eines sterbenden Wolfes. Im Wald war es so dunkel, dass Dar öfters beinahe über Wurzeln gefallen wäre, oder er doch mal gegen den einen oder anderen tief hängenden Ast lief, der dann krachend brach.
    "Du bist so laut wie eine Horde Trolle", japste Lares, der ihn eingeholt hatte und nun überholte.
    Dar wollte etwas sagen, aber er konnte nicht, die Luft blieb ihm weg. Diese unentspannte Rennerei war überhaupt nicht sein Ding. Sie liefen über eine kleine Lichtung, die gespenstisch unwirklich im Licht des silbernen Mondes wirkte, der über dem Blätterdach hervorschaute. Dar musste stehen bleiben, weil er glaubte nicht mehr weiter laufen zu können. Er hatte furchtbares Seitenstechen und er litt unter Schnappatmung. Es fühlte sich an, als würde die Klinge eines Schwertes in seiner Luftröhre sitzen. Dar stütze sich laut japsend mit seinen Händen auf den Knien ab. Es raschelte im Unterholz. Verschreckt sah sich Dar um und erblickte bleiche Knochen im silbernen Mondlicht. Es waren Goblinskelette, die quieckend und mit erhobenen Ästen auf ihn zurannten. Unwillkürlich fragte sich Dar, wieso die überhaupt irgendwelche Geräusche von sich gaben, obwohl sie ja eigentlich tot waren, oder ... untot, oder ... was auch immer. Dann fiel ihm ein, dass es vermutlich nicht die beste Idee wäre hier darauf zu warten, dass diese Dinger bei ihm ankamen. Er rannte wieder los, hielt sich mit der rechten Hand die Seite und versuchte den Weg zu finden, den Lares genommen haben musste. Er konnte ihn gerade noch sehen, wie er sich oben auf einer Anhöhe seinem Blick entzog. Dar fluchte gedanklich. Wie war der Typ bloß diese Böschung hinaufgekommen? Die Goblins kamen näher. Dar sah kurz zurück und ächzte. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn und er rannte panisch weiter, fiel hin und kraxelte auf allen vieren die Böschung hinauf. Ein Goblinskelett hatte ihn erreicht und prügelte mit seinem Ast auf das was er erreichen konnte ein, seine Beine. Unwillkürlich trat Dar ein paar mal mit seinem rechten Fuß und nach einigen Tritten in die Luft spürte er einen knöchernen Wiederstand. Er hatte das Mistvieh getroffen, dass jetzt jammernd und grollend die Böschung hinunterfiel und seine Kumpane mitriss, die Dar beinahe erreicht hätten. Endlich hatte der Söldner die Böschung erklommen. Mit zischendem Atem stand er auf und lief mit aller Kraft, die er noch hatte weiter und das war nicht viel. Seine Nieren taten weh, als hätte sie jemand mit einem Morgenstern traktiert. Seine Schritte wurden unregelmäßig. Es ging einfach nicht mehr, er musste rasten. Bestimmt war er schon weit genug von diesen Mistviechern entfernt. Japsend lehnte er sich an einen großen Baum und sah sich erstmal um. Links von ihm gluckerte ein Fluss entlang. In seiner Oberfläche spiegelte sich das weiße Licht des Mondes. Der schlammige Pfad hinter ihm verschwand im Dunkel des Waldes. Rechts erhob sich jetzt eine Steilwand und dort lehnte Lares. Auch er ruhte sich aus, doch sah er lange nicht so erschöpft aus wie Dar.
    "Mann, du pfeifst ja aus dem letzten Loch", sagte Lares und in seiner Stimme schwang ein verächtlicher Ton mit.
    Dar wollte etwas erwiedern, aber als er zum Sprechen ansetzte musste er Husten. Es kratzte in der Lunge und er merkte, dass sich in ihm etwas löste und herauswollte. Er musste sich mit den Händen auf den Knien abstützen, sosehr schüttelten ihn seine Hustenkrämpfe.
    "Scheiß Raucherhusten, was?" fragte Lares belustigt.
    Dar funkelte ihn wütend an, aber er konnte nichts sagen, weil er sich tatsächlich so fühlte, als würde er sich die Lungen heraushusten. Etwas warmes und dickflüssiges schoss seinen Hals in den Mund hinauf. Dar schmeckte Blut. In einem Reflex beugte er sich vornüber und spuckte einen dicken Klumpen Blut aus.
    "Üähhh", kommentierte sein Begleiter und rümpfte die Nase.
    Dar richtete sich mühsam und mit rasselndem Atem auf. So schlimm war es noch nie gewesen. Das lag sicher an dieser völlig bekloppten herumrennerei. Er atmete noch ein paar mal pfeifend ein und fragte dann: "Was sollen wir jetzt machen, Larry?"

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    „Wir? Wir!? Nach dem ganzen Chaos glaubst du, es gebe wirklich noch ein Wir?“
    Lares musste sich die Schläfen massieren. Seine Nerven… er hielt diesen Kerl nicht aus.
    „Ohne dich würde ich nicht in diesem Schlamassel stecken“, grummelte er.
    Dar verschränkte die Arme vor der Brust und blickte Lares mit finsteren, verquollenen Augen an.
    „Also diesen Bären lass‘ ich mir nicht aufbinden. Mit dem Abfackeln der Scheune habe ich nichts am Hut. Im Rauchen bin ich ein Profi.“
    Lares schnalzte unruhig mit der Zunge. Ja, das Feuer ging wohl auf seine Kappe. Trotzdem wollte er das so nicht stehen lassen.
    „Aber es war deine Schuld, dass ich überhaupt mit Rauchen angefangen habe.“
    „Ja, weil du nicht entspannen kannst. Kann ja nicht ahnen, dass du so ein Anfänger bist.“
    Dar machte es sich auf einem Stein gemütlich und kramte schon wieder in seiner Tasche.
    „Was soll das werden? Du wirst doch wohl nicht…“
    „Oh doch, genau das!“
    Der Raucher ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach und entzündete sich einen Stängel Sumpfkraut. Für Lares war das Maß voll. Er stapfte von Dannen. Sollte sich der Kerl doch im Rausch von Monstern zerfleischen lassen, es scherte ihn nicht mehr. Lares hatte genug eigene Sorgen. Sein Auftrag war weit davon entfernt, noch erfüllt zu werden und auf dem Hof würde er sich so schnell auch nicht wieder blicken lassen können. Wenn er seine Kontakte zu Lee gut pflegte, konnte er womöglich doch Dar für den Schlamassel verantwortlich machen. Ja, wenn hier jemand das Opfer war, dann ja wohl Lares.

    Zum Glück hatte er sich nicht zu tief im Wald verlaufen. Als erfahrener Bandit war der Wald wie Lares‘ Heimat. Wenn er damals mit seinen Jungs die Konvois des Alten Lagers überfallen hatte, nutzte er immer den Hinterhalt. Über die Jahre hinweg war er so zu einem ausgezeichneten Fährtenleser geworden. Sein gegenwärtiges Ziel war Orlans Taverne „Zur toten Harpie“. Orlan war ein guter Freund und Mitglied im Ring des Wassers. Er würde ihm sicher weiterhelfen können.
    Während Lares so über die feuchten Wiesen stapfte und bemüht war, weiteren Überraschungen durch Monsterangriffe aus dem Nebel zu entgehen, entging ihm nicht, dass Dar ihm auf etwa hundert Schritt Entfernung folgte. Sollte er doch machen, solange er ihn mit seinem verdammten Sumpfkraut in Frieden ließ.
    Derweil ließen Lares die Inhalte von Inubis‘ Tagebuch keine Ruhe. Trotz der Verletzung an seiner Hand, konnte der Bandit keine Spuren einer Ansteckung an sich erkennen. Sein Fleisch verfaulte nicht, die Finger waren auch nur schwarz vom Ruß, aber nicht von einer Nekrose. Dennoch schien ihm das Pech auf den Füßen zu folgen. Das Scheunenfeuer, ein wütender Mob, eine Horde untoter Goblins, … das waren reichlich viele Gelegenheiten für einen Tag, den Löffel vorzeitig abzugeben. Mehr als gewöhnlich jedenfalls. Seine Paranoia sagte ihm, dass er verflucht sein musste. Seit dem Moment, da er den Deckel von der Krypta erstmals geöffnet hatte. Dennoch war es seltsam, dass vom Schattenlord Inubis selbst noch keine Spur zu sehen war. Es sei denn…
    Dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.
    „Adanos steh‘ mir bei.“
    Er wandte sich um und suchte nach Dar. Der Raucher war im Nebel verschwunden. Lares beschleunigte seinen Schritt. Er hatte einen schrecklichen Verdacht und musste so schnell wie möglich zu seinen Brüdern vom Ring des Wassers. Das schimmernde Licht von Orlans Taverne war bereits in der Ferne durch die Dunstschwaden zu erkennen.
    Dort angekommen, bat er den Wirt um ein Stück Pergament und eine Feder. Er musste seinem Freund Lee eine Nachricht hinterlassen, bevor es zu spät war.

    ***

    Lee,

    Als Freund und langjähriger Wegbegleiter bitte ich dich, mir zu glauben und die folgenden Worte ernst zu nehmen. Ihr müsst die Krypta unter Onars Hof versiegeln, denn es ist ein Hort des Gottes Beliar. Dort unten entsteigen die Toten ihren Gräbern und warten auf den Moment, die Menschen an der Oberfläche anzugreifen. Ich habe im Auftrag von Vatras, dem Wassermagier, versucht die Krypta auszuheben, doch ich habe versagt. Ich fürchte, ich habe gar den dort begrabenen Schattenlord Inubis freigelassen. Seine Verdammnis hat er bereits letzte Nacht unter Beweis gestellt, als er die Scheune vom Hof in Flammen aufgehen ließ. Ich werde mein Möglichstes versuchen, ihn aufzuhalten und den Fluch zu brechen, doch wenn ich es nicht schaffe und er sich auf dem Hof blicken lässt, dann bitte ich dich: Schlag ihm den Schädel ein! Das Wichtigste ist, dass du weißt, dass...


    ***

    „Heda! Wem muss man hier einen Scheitel ziehen, ehe man was zwischen die Zähne bekommt?“
    Kurz bevor er seine Nachricht vollenden konnte, stolperte Dar in das Wirtshaus. Seine Abgasfahne zog auf direktem Weg durch den gesamten Schankraum. Der Wirt Orlan bedachte den abgerupft ausschauenden Söldner mit einem abschätzigen Blick.
    „Essen kriegst du hier nur, wenn du auch bezahlen kannst, Landstreicher. Und mach hier ja keinen Ärger, sonst fängst du dir noch was ein!“
    „Hmpf… ich hab‘ aber nix“, gab Dar enttäuscht zurück. Lares tastete derweil nach seinem eigenen Geldbeutel, fand diesen jedoch auch leer vor. Stimmt, seine letzten fünfzig Münzen waren bei Nadja im Bordell geblieben.
    „Dann mach, dass du Land gewinnst!“
    Orlan zückte einen Besen hinter dem Tresen – den Tresenbesen – und wollte damit auf den Nichtsnutz losgehen, doch Lares hielt ihn zurück.
    „Er ist ein Freund. Ich bezahl für ihn.“
    „Ach ja? Und womit, wenn ich fragen darf?“
    „Wir schreiben an.“
    Orlan verdrehte die Augen, aber er ließ sich überzeugen. Lares war ein Mann, der seine Schulden immer beglich. Zumindest glaubte ihm das jeder.
    „Mach uns zwei Brote und schenk noch etwas Bier ein. Wir haben eine schwere Nacht hinter uns.“
    „‘n Konterbier, was?“
    „Sozusagen.“

    Lares steckte den Brief weg und setzte sich mit Dar an einen der freien Tische.
    „Na, hast du dich wieder etwas beruhigt?“, fragte der Raucher und schmunzelte, „Das ist voll nett von dir, dass du mich zum Essen einlädst.“
    „Keine Ursache“, erwiderte Lares knapp.
    Dar griff sich schon wieder in die Tasche und zog einen Stängel hervor, aber Orlan kam just in diesem Moment zu ihnen und ließ die schweren Bierkrüge auf den Tisch knallen.
    „Das ist ‘ne Nichtraucherkneipe!“
    „Ist schon gut“, Lares blickte sich um, „Mach mal eine Ausnahme. Wir sind doch die einzigen Gäste.“
    „Ist mir scheißegal“, polterte Orlan zurück, „Ich kann diesen Qualm nicht ab.“
    „Kein Stress… wir hatten schon genug Stress heute.“
    Dar grinste debil und steckte sein Sumpfkraut wieder weg.
    „Also was ist jetzt? Hast du einen Plan, Lennard?“
    Lares nahm einen kräftigen Schluck Bier. Er war völlig verkrampft.
    „Mann, hast du einen Zug drauf!“, staunte Dar. Lares hob den Finger, auf dass sein Gegenüber die Klappe hielt und setzte den Krug gleich noch einmal an. Er leerte ihn restlos.

    „Okay“, sagte er schließlich und nickte dabei selbstbewusst, „Ich habe einen Plan. Wir werden nach Khorinis gehen zu meinem Freund Vatras, dem Wassermagier. Er kann uns aus dem Schlamassel mit der Scheune sicher herausbringen. Er nennt das Reinwaschen.“
    „Scheiße, ich hasse baden“, erwiderte Dar genervt, „Kannst du nicht einfach zugeben, dass der Brand deine Schuld war?“
    „Vergiss es. Und außerdem steckst du schon viel zu tief drin. Wir werden dich in den Ring des Wassers aufnehmen müssen oder dir dein Gedächtnis löschen, auch wenn da vermutlich nicht mehr viel zu tun ist, nach dem vielen Sumpfkraut, das dir dein Gehirn bereits verqualmt hat.“
    „Von mir aus.“
    Sie aßen ihre Brote und Lares bestellte für seinen Begleiter noch ein weiteres Bier, in der Hoffnung, er müsste mal raus an den nächsten Baum. Bevor sie hier aufbrachen, wollte er unbedingt seinen Brief noch fertigschreiben.
    „Ich halt das nicht mehr aus…“, krächzte Dar plötzlich, „Ich geh mal vor die Tür eine rauchen. Das wird ja wohl noch erlaubt sein, ja?“
    Der Wirt ließ ihn gehen. Das war die Chance. Lares sprang zurück an den Tresen, zückte die Feder und vollendete seinen Brief. Dann drückte er das Schreiben seinem Freund Orlan in die Hand.
    „Dieser Brief muss so schnell wie möglich Lee erreichen. Ich denke, die Söldner vom Hof werden bald hier aufschlagen und nach mir oder Dar suchen. Sag ihnen nicht, wo wir hingehen, gib ihnen einfach nur den Brief mit. Da steht alles drin, was sie wissen müssen.“
    Orlan kniff die Augen zusammen und musterte seinen Freund besorgt.
    „Du siehst ziemlich fertig aus. Willst du dich nicht noch ein bisschen hinlegen? Es ist noch ein Bett frei.“
    Lares schüttelte den Kopf.
    „Ich komm‘ schon klar. Sorg einfach nur dafür, dass der Brief bei Lee ankommt, okay?“
    „Wie du meinst…“

    „Wollen wir dann los?“, drängte Dar von draußen, „Mein Kraut ist fast alle. Ich muss mir in der Stadt ohnehin neues holen.“
    „Ich komme“, rief Lares zurück und nickte Orlan ein letztes Mal zu. Dann verließ er die sichere Kneipe.

    Dar schien ganz gute Laune zu haben. Er grinste mal wieder am laufenden Meter, vermutlich hatte er Halluzinationen.
    „Sag mal, raucht dein Wassermagier eigentlich auch Wasserpfeife?“
    „Bestimmt…“, murmelte Lares abwesend.
    „Stark. Der ist mir sympathisch.“

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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Sie liefen los. Der Weg führte sie am Zugang zum Weidenplateu vorbei. In den frühen Morgenstunden sah der Weg sehr friedlich aus. Bald würde die Nacht der Dämmerung weichen. Sie konnten bereits den Gesang der Nachtigallen hören.
    "Was ist denn das für ein Nebel da vorne?" fragte Dar und zeigte darauf.
    Lares antwortete nicht sofort. Er legte den Kopf schräg und sah so aus, als würde er versuchen die Situation einzuschätzen.
    "Das ist kein normaler Nebel. Er sieht leicht grünlich aus."
    Dar zog einen Flunsch.
    "Wie soll er denn sonst aussehen, Lucius?"
    Lares verdrehte die Augen, sagte aber nichts.
    Er wich vom Weg ab, um sich diesen Nebel genauer anzusehen. Es war gar nicht weit in das Wäldchen hinein. Schon stolperte Dar über einen vielsagenden Stein. Er fluchte laut und als er aufstand, wollte er es dem verwitterten Grabstein wohl so richtig zeigen, denn er gab ihm einen ordentlich Tritt. Kurz darauf hoppste er auf einem Bein herum und hielt sich seine schmerzenden Zehen.
    "Ich wusste bisher gar nicht, dass hier ein Friedhof ist", sagte Lares leise flüsternd, so als fürchtete er, die Toten würden in Ihrer Ruhe gestört, wenn er seine Stimme weiter erheben würde. "Was ist das?"
    Lares zog leicht den Kopf ein und starrte angestrengt durch den Nebel. Er zog seinen Degen und ging langsam und möglichst leise durch den Nebel.
    Dar jammerte immer noch vor Schmerzen und entschied einen Stengel Sumpfkraut zu rauchen, um sich zu kurieren. Es war eine wahre Erleichterung, als er fühlte wie sich der Rauch in seinen Lungen sammelte. Es war, als würde der Schmerz von ihm abfallen. Er entspannte sich wieder und sah sich jetzt nach seinem Kompangion um.
    "Locutus? Wo bist du?" brüllte er.
    Es kam keine Antwort.
    "Meine Fresse, hat der Typ Hummeln im Hintern? Immer haut er ab."
    Eigentlich hatte Dar so gar keine Lust weiter an diesem Ort zu bleiben. Es war doch irgendwie unheimlich. Er konnte sich bessere Plätze vorstellen, um etwas zu rauchen. Doch sein neuer Freund hatte ihm immerhin eine Mahlzeit spendiert und irgendwie fand er, dass es nicht richtig wäre, ihn jetzt einfach so stehen zu lassen.
    "Wo bist du?" rief er noch einmal und hinkte in die Richtung, in die sein Begleiter verschwunden war.
    Langsam schälte sich eine Öffnung im aufragenden Felsen aus dem Nebel. War er da wirklich drin verschwunden? Was brachte einen denn dazu da reinzugehen? Ein ungutes Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus.
    "Loki?" fragte Dar, diesmal mit brüchiger und unsicherer Stimme.
    Sollte er da wirklich rein gehen? Das ungute Gefühl wurde stärker. Plötzlich schoss etwas aus der Öffnung hervor und Dar zuckte zurück. Der Söldner zog seine Waffe, doch noch bevor er etwas hatte tun können, war der Körper an ihm vorbeigerauscht. Erst recht spät erkannte der Söldner, dass es sich um seinen Mitstreiter handelte. Doch wovor hatte der so eine Angst? Wollte er das überhaupt herausfinden? Mit einem furchtbar nagendem Gefühl wandte er sich wieder der Öffnung im Felsen zu. Es war ein, in eine Rüstung gehülltes, Skelett, dass einen grausigen Zweihänder führte und beinahe geräuschlos aus der dunklen Höhle heraustrat.
    Dar schrie auf. Jegliche Gelassenheit war in wenigen Sekunden verpufft. Er vergaß selbst, dass er eigentlich humpeln müsste und rannte wie von Beliar selbst verfolgt hinter Lares her. Es ging über eine Steinbrücke und an Akils Hof vorbei. Erst dann wagte es Dar sich nach seinem unheimlichen Verfolger umzusehen. Hinter ihm sah er nichts als Nebel. Es war schon das zweite Mal in dieser Nacht, dass er vor untotem Gesocks auf der Flucht war. Wieder zischte seine Atmung. Warum geriet er nur immer an diese Orte voller Untoter? Sonst hatte er damit nie zu tun gehabt und jetzt passierte es ihm andauernd.
    "Dar? Bist du noch da?" kam es leise durch den Nebel.
    "Hier", keuchte Dar angestrengt.
    Diesmal war es Lares, dessen Umrisse sich aus der Dunkelheit schälten.
    "Komm! Lass uns hier verschwinden. Bis Khorinis ist es nicht mehr weit."
    Dar nickte geschafft und folgte ihm die Stufen hinunter zur Straße, die zur Stadt führte. Ein heller Schein, der auf den Bergen lag, kündigte die Sonne an. Immerhin würde diese ungemütliche Nacht bald vorbei sein. Sie ließen sich Zeit, um nach Khorinis zu kommen. Dar humpelte jetzt wieder und Lares sah auch nicht mehr ganz frisch aus. Vielleicht wollte er es jetzt auch mal ruhiger angehen. Dar konnte sich nicht vorstellen, dass sie einfach so nach Khorinis rein kommen würden. Wenn er in die Stadt wollte, musste er die Wachen meist mit etwas Gold überzeugen. Diesesmal ging es erstaunlich einfach. Sie gingen einfach durch. Offenbar kannten die Wachen seinen Freund. Sie grüßten ihn sogar. Nachdem sie den Torbogen passiert hatten, hielt sich Lares zielstrebig links und Dar folgte ihm. Sie überquerten jetzt den Marktplatz. Die Händler packten, noch etwas verschlafen, ihre Waren für den neuen Verkaufstag aus. Dar sah zu den Kräutern von Zuris Auslage. Ihn überkam das latente Bedürfnis einen Stengel Sumpfkraut zu rauchen. Er klopfte seine Taschen ab. Es war nichts mehr übrig. Auch das noch. Er sah noch mal kurz zu Lares, der jetzt bei einem Mann in blauer Robe stand und mit ihm redete. Würde sein Freund merken, dass er mal kurz nicht da war?

    Wenig später befand sich Dar im Hafenviertel. Er wusste genau wo er an Sumpfkraut kam, denn er war nicht ganz untätig geblieben, die Geschäfte überhaupt ins Rollen zu bringen. Deswegen hatte er wohl einen Stein im Brett bei den Dealern und sie machten für ihn den Spezialpreis. Bei ihm gab es auch nicht den üblichen Spruch, ob er etwas Sumpfkraut wolle, sondern wie viel er davon haben wollte. Dar reichte ihm all das Gold, dass er aus der Kiste der Krypta geborgen hatte. Das brachte ein ganzes Paket mit Sumpfkraut. Herrlich. Das Leben konnte so schön sein. Zufrieden steckte er sich einen Krautstengel an und paffte vergnügt. Ausgeglichen ging er die stinkenden, engen Gassen des Hafenviertels entlang. Obwohl es noch früh war, war schon einiges los. Dar hatte es doch gewusst. Die Leute aus den besseren Vierteln waren Langweiler, wenn er wirklich etwas geboten haben wollte, dann musste er ins Hafenviertel gehen. Hinter dem Lagerhaus sah er einem Zweikampf zu, setzte drei Sumpfkrautstengel und verlor gegen Meldor, der auf Alrik gewettet hatte. Dar hätte diesem Typen gar nicht zugetraut den Zweikampf zu gewinnen. Er hatte nur einen Holzknüppel, doch war er wohl erfahren genug, um selbst damit zu triumphieren. Nachdem hier nichts mehr los war, verdünnisierte sich Dar wieder und begann etwas von seinem Sumpfkraut gewinnbringend zu verkaufen. Er tat das zwar nicht gern. Denn Sumpfkraut war Sumpfkraut, aber wenn er mehr Gold damit einnahm, als dass er es dafür ausgab, dann konnte er mehr Sumpfkraut kaufen, indem er es verkaufte. Das war selbst Dar klar. Er schlenderte durch das Hafenviertel und kam schließlich bei der roten Laterne an. Dar grinste. Eigentlich wäre es doch mal eine gute Gelegenheit um dort vorbeizusehen.

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    „Die Finger weg von der Frau und sofort runter auf die Knie!“

    Lares hatte seinen Bogen gespannt und auf sein Gegenüber gerichtet. Eine einzelne Schweißperle rann ihm über die hohe Stirn. Lang hatte er gezögert, viel zu lang. Wenn Nadja jetzt für seine Feigheit bezahlen musste, würde er seines Lebens nicht mehr froh werden.
    „Hey Ludwig, du bist schon wieder völlig verkrampft. Du musst mal entspannen!“
    Dar stand zwar wie immer etwas neben sich, aber zumindest hatte er den Ernst der Lage einigermaßen begriffen und Nadja gehen lassen. Das Freudenmädchen schnappte sich panisch ein paar Sachen und flitzte an Lares vorbei ins Erdgeschoss des Bordells. Bromor und die anderen standen dort versammelt und harrten der Dinge, die sich im Obergeschoss zutragen würden. In Zimmer Nummer 3 – dort, wo der ganze Ärger seinen Anfang genommen hatte.

    Der Söldner kramte in seiner Tasche nach einem Stängel Sumpfkraut. Auf Lares‘ Schläfe schwoll eine Ader dick an.
    „Runter auf die Knie habe ich gesagt und nimm deine scheiß Hände hoch!“
    „Verdammt, du meinst das echt ernst?!“, keuchte Dar.
    „Todernst.“
    „Na schön.“
    Dar schnipste den Stängel davon, kreuzte die Hände hinter dem Kopf und ließ sich auf die Knie fallen.
    „Und was nun? Wirst du mich umbringen?“
    Lares ließ den Bogen sinken und zückte stattdessen seinen Degen. Dar streckte ihm die Kehle geradezu entgegen. Ein blitzschneller Stich und alles war vorbei.
    „Ja“, antwortete der ehemalige Bandit kühl, „Ich fürchte mir bleibt keine andere Wahl.“
    Dars Augen weiteten sich plötzlich, als er erkannte, dass Lares sich ihm mit schnellem Schritt näherte. Auf den Knien stolperte er rückwärts gegen den Nachttisch.
    „Verdammt, würdest du wenigstens so anständig sein und mir erklären, was in dich gefahren ist?!“

    ***

    Eine Stunde zuvor…

    Vatras ließ sich nur ungern bei seiner Predigt stören, doch als er Lares am Morgen mit kreidebleichem Gesicht von seiner Mission zurückkehren sah, schickte er unverzüglich alle Gläubigen nach Hause.
    „Bei Adanos, was ist dir widerfahren, mein Sohn? Hast du etwas über den Schattenlord in Erfahrung bringen können?“
    Lares nickte nur vielsagend und deutete mit einer Kopfbewegung auf Dar, der am Marktplatz warten sollte.
    „Ich habe ihn sogar mitgebracht.“
    Selbst der erhabene Wassermagier, der wohl schon die wahnwitzigsten Geschichten gehört hatte, musste bei diesen Worten vor Überraschung die Stirn runzeln.
    „Was sagst du da?“
    „Dieser Typ dort… sein Name ist Dar. Ich habe ihn in der Krypta gefunden. Ich dachte erst, er hätte sich dort nur zufällig verlaufen, aber inzwischen bin ich mir sicher, dass es sich bei dem Kerl um Inubis selbst handeln muss, der versucht, mich zu töten und zu einem seiner leblosen Diener zu machen.“
    „Inubis in Gestalt eines Menschen“, wiederholte Vatras langsam, „Sag, worauf stützt du diese Behauptung?“
    „Nun… da gibt es mehrere Dinge. Erstens: …“, Lares begann an seinen Fingern abzuzählen, „Er kam aus der Krypta und kannte auch einen geheimen Schalter, um aus ihr zu entkommen. Zweitens: Seit er mir an der Ferse hängt, scheint mich der Tod zu verfolgen. Feuer, untote Goblins, wandelnde Tote, du ahnst nicht, was für eine schreckliche Nacht hinter mir liegt… und ich habe davon gelesen. Im Tagebuch von Inubis. Dass der Paladin einem schrecklichen Fluch erlegen ist. Ich bin mir sicher, dass Dar entweder Inubis selbst ist oder seinen Fluch in sich trägt. Wir müssen etwas unternehmen.“
    Vatras begann in seiner großväterlichen Langsamkeit zu grübeln und auf und ab zu laufen. Erst nach einer guten Minute Bedenkzeit ließ er sich zu einer Antwort hinreißen.
    „Ich werde eine Reinigungszeremonie einleiten. Im heiligen Wasser Adanos‘ will ich versuchen, seine Seele zu retten. Bring ihn nur schnell zu mir, bevor er noch mehr Unheil anrichtet.“
    Doch als Lares dem Wunsch des Wassermagiers nachkommen wollte, war der verfluchte Dar bereits verschwunden. Zum Glück musste Lares nur seiner Nase folgen, um ihn zu finden…

    ***

    „Ehrlich?! Ich bin verflucht? Scheiße…“, Dar vergrub sein Gesicht in den Händen, „Mama hatte also doch recht. Das liegt alles an dem verdammten Sumpfkraut. Ich werde keinen Stängel davon mehr anrühren…“
    Lares kniff die Augen zusammen. Was brabbelte sein Gegenüber denn? War das eine Taktik von Inubis, sein Opfer weiter am Leben zu halten?
    „Aber du erwähntest, dass man mich reinwaschen könnte. W-warum machen wir das nicht? Ich ziehe so ein blödes Bad jederzeit dem Tod vor.“
    Der Griff um den Degen wurde fester. Ehrlich gesagt hielt Lares nicht viel von Vatras‘ Vorschlag mit der Reinigung. Er wollte dieses Problem hier und jetzt lösen.
    „Nein. Es ist zu spät. Möge Adanos‘ deiner Seele gnädig sein.“
    Er setzte zum Angriff an.
    „Nein, Lares bitte!“
    Lares hielt inne. Was war das eben?
    „W-wie hast du mich gerade genannt?“
    „Lares bitte… ich rauche keinen verdammten Stängel mehr, nur lass mich nicht so verrecken. Mit offenem Hosenstall in einem versifften Hafenbordell. Bitte nicht!“
    Lares ließ den Degen fallen. Er hatte ihn tatsächlich bei seinem richtigen Namen genannt. Hatte er sich am Ende doch geirrt. Aber eine innere Stimme hatte ihm gesagt, dass er Dar erledigen musste und sie war verdammt laut. Was ging nur in seinem Kopf vor?
    „Hey was ist denn das?“
    Dar deutete auf die Hand des einstigen Sträflings. Der Ring an seinem Finger strahlte plötzlich in einem hellen Blau.
    „Das ist ein Zeichen von Vatras… er erwartet dich. Na los, folge mir.“

    ***

    Die Reinigungszeremonie fand auf dem großen Platz der Predigt statt. Der städtische Böttcher hatte Vatras ein riesiges Fass zur Verfügung gestellt, das der Länge nach gespalten zur provisorischen Wanne umgeformt wurde. Als Lares und Dar ankamen, war der große Platz von Schaulustigen geräumt worden. Sie wurden von drei Männern erwartet und als Lares erkannte, um wen es sich da handelte, staunte er nicht schlecht. Es waren Vatras, der Wassermagier, Orlan, der Wirt aus der Taverne und… Lee! Der Anführer der Söldner trug zur Tarnung eine einfache Bauernkluft, aber das felsenfeste Gesicht würde Lares überall erkennen.
    „Lee?! Alter Haudegen, was machst du hier?“
    Der ehemalige General nickte seinem Freund aus der Strafkolonie zu, ließ sich aber nicht zu einer Umarmung hinreißen.
    „Orlan hat mir deinen Brief gegeben, da war mir klar, dass es ernst ist.“
    „Wegen des Feuers in der Scheune, nicht wahr?“
    Die Blicke von Lares und Dar kreuzten sich flüchtig. Diesmal würden sie sich nicht so leicht aus der Affäre ziehen können.
    „Vergiss die Scheune. Es geht um den Fluch, von dem du mich unterrichtet hast. Die letzten Zeilen deines Briefes haben mich sehr besorgt. Ich bin hier um dir zu helfen.“
    „Hä, wovon redet der Knabe?“, Dar wollte nach einem Krautstängel greifen, überlegte es sich aber im letzten Moment anders. Lee holte den Zettel hervor und rezitierte die letzten Zeilen des Schreibens.

    „… Das Wichtigste ist, dass du weißt, dass mir unsere Kameradschaft immer viel bedeutet hat. Ich bin nicht mehr zu retten, der Fluch hat bereits meine Seele befallen. Wenn ich den verfluchten Dar in Beliars Reich geschickt habe, dann möchte ich, dass es deine Axt ist, die mich davor bewahrt, zu so einem verdammten Wiedergänger zu werden. Ich treffe dich morgen Nacht an der Krypta.
    Lares“


    Lares schluckte.
    „Heißt das, Lenny muss auch baden?“, fragte Dar und lachte.
    „Wohl wahr“, sagte Vatras und goss eine Flasche voll heiligem Weihwasser in den Bottich, „Das ist Adanos‘ Wille.“
    „Nein!“, Lares entfuhr ein Quieken. Er wollte abhauen, doch Lee und Orlan packten ihn und warfen ihn in die Wanne. Das heiße Wasser drang tief bis in die kleinste Pore seiner Haut. Der austretende Dampf wirkte beruhigend und endlich ließen auch die Kopfschmerzen nach. Dar grinste, entzündete sich einen Stängel Sumpfkraut und zog sich schon mal die Schuhe aus. Es war der Albtraum, den Lares schon einmal geträumt hatte. Aber zumindest wurde dabei seine Seele gereinigt.

    ***

    Etwa einen Monat später war genug Gras über die Geschichte mit der Scheune gewachsen, dass Lares den Hof von Onar wieder betreten durfte. Lee hatte ihn persönlich eingeladen, um ihm zu zeigen, dass sie die Krypta versiegelt hatten. Das Leben schien wieder seinen gewohnten Gang zu gehen.
    „Aber sonst habt ihr nichts Auffälliges mehr erlebt, oder?“, fragte Lares.
    „Nein. Naja, dein Kumpel Dar hat kräftig beim Wiederaufbau der Scheune geholfen. Und er raucht jetzt nur noch Honigtabak. Das riecht schon mal viel besser.“
    Lee lachte kurz und herzhaft, wurde dann aber wieder ernst.
    „Doch, wenn ich so daran denke, eine Sache ist merkwürdig. Du bist doch immer noch auf der Suche nach vermissten Bürgern oder?“
    „Äh… ja?“, Lares musste zugeben, dass er bei dieser Mission versagt hatte. Stattdessen hat er den Auftrag seinem heldenhaften Kumpel überlassen.
    „Nun… der Bauer Wasili ist kürzlich verschwunden.“
    „So?“
    „Ja“, Lee kratzte sich am Kinnbart, „Er war ziemlich wütend, dass wir die Gräber versiegelt haben und erzählte, er und sein Bruder würden sich dafür fürchterlich rächen. Am nächsten Morgen war er verschwunden, sagte er wollte nach Irdorath. Von diesem Ort habe ich noch nie gehört. Hast du eine Ahnung, wo das ist?“
    Lares lief ein eisiger Schauer über den Rücken.
    „Hat… hat er mal erwähnt, wie sein Bruder heißt?“
    „Moment… ja, ich glaube er nannte ihn Archol.“

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    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
    Eispfötchen hat sich Dar als Charakter ausgesucht, und sie reizt direkt im ersten Post die typischen Eigenschaften des Söldnerkiffers ordentlich aus: Natürlich ist Dar im Rausch irgendwo hier gelandet, kreativ ist der Einfall, dass das durch den Dunkelpilztabak des Helden so weit gekommen ist. Dass er Lares' Namen ständig verwechselt, ist so etwas, was mir zum Etablieren eines Running Gags wohl auch eingefallen wäre (habe ich an anderer Stelle ja auch schonmal gemacht); ein bisschen hatte ich aber das Gefühl, dass es zu viel war, zumal die Namensverwechslungen ja auch immer exotischer wurden – insbesondere ein Laidoridas ist ja wohl mal unverwechselbar! Abgesehen davon ist das Wechselspiel zwischen Lares und Dar ganz gut gelungen. Lares' Motivation, mit dem zugedröhnten Dar zu kooperieren bzw. ihn überhaupt dort unten zu tolerieren, die bleibt mir aber schleierhaft. Entweder, Lares hat da einen geheimen Grund zu (der auch Grund sein könnte, warum er Dar vorher an die Kiste lässt – zum Beispiel, weil er wusste oder ahnte, was passieren würde?), oder aber ich würde es als grundlos und deshalb irgendwie merkwürdig bewerten. Das ist vielleicht das, was ich am Dialog zwischen den beiden kritisieren würde. Ansonsten passiert ja ziemlich genau das, was in der „echten“ Krypta aus dem Spiel eben auch passiert. Insgesamt finde ich diesen Einstieg in die Geschichte okay, aber auch nicht besonders überragend.

    Ronsen, der sich Lares ausgesucht hat, holt erst einmal weit in einem Rückblick aus und enthüllt geradeheraus, wie und warum Lares in die Krypta gelangt ist. Und ich muss schon sagen: Das ist alles ganz wunderbar geschrieben! Zwar ist das zunächst im Vergleich zu Eispfötchens durchweg launig gehaltenem Post ein gewisser Stilbruch, weil hier recht ernst geschrieben wird, aber das Geschehen wird durch das ein oder andere Detail immer wieder aufgelockert. Und die Szene mit Vatras ist ohnehin durchweg witzig – wobei ich finde, dass Vatras da etwas zu … ja, weiß auch nicht, er kommt da etwas zu sehr wie eine Witzfigur rüber. Einerseits dem Weingenuss überbordend zugetan, andererseits aber schon den Beliar kommen sehend, nur weil auf Onars Hof geraucht und geflucht wird. Dabei aber dritten doch irgendwie weise und besorgt. Man könnte auch sagen: Vatras' Persönlichkeit ist hier schillernd, aber so ganz will mir das nicht zu dem passen, was man aus dem Spiel kennt – und das Geschehen ist hier ja nun deutlich an das Spiel angelegt, mag es auch die ein oder andere Modifikation (zum Beispiel bei den Aquamarinringen des Rings des Wassers) geben. Das wäre also vielleicht mein Kritikpunkt, dass ich den Vatras nicht hunderprozentig gelungen finde. Dennoch: Die ganze Rückblende war gut geschrieben und unterhaltsam. Und auch, wie der Post endet, gefällt mir, denn das Lead-In wirft ja (von mir eher unbeabsichtigt) durchaus die Frage auf, warum Lares den Gang ins untere Gewölbe eigentlich wieder öffnen musste, wenn Dar doch vor ihm da war. Spannend, spannend … und damit bis auf den oben genannten Kritikpunkt ein guter Startpost von Ronsen, durch den ich ihn vorerst mal auch vor Eispfötchen sehen würde.

    Eispfötchen spielt weiterhin die allgemeine Planlosigkeit Dars aus, und das macht sie auch ganz gut, finde ich. Das hat natürlich leider den (konsequenten) Nebeneffekt, dass auch das Geschehen in der Krypta eher planlos daherkommt, ganz im Gegensatz zu Ronsens sehr strukturiertem Post vorher. Ich will aber bei der Bewertung des Ganzen berücksichtigen, dass das erstens zu Dar und seiner Perspektive, zweitens zum Geschehen insgesamt ja auch sehr gut passt: Denn sowohl Dar als auch Lares sind ja wirklich recht planlos und wissen nicht, was sie jetzt in der Krypta so machen sollen. Unerwarteter und unterhaltsamer Weise ist es dann ja auch Dar, der, wie ein blindes Huhn, den ein oder anderen Einfall hat, der sie weiterbringt – und sie letzten Endes nach ein paar Querelen auch Richtung Ausgang aus der Krypta lotst. Die Entscheidung finde ich erzählerisch gut: Das, was die Krypta im Spiel so hergibt, ist ja gar nicht so viel, und wenn man da unten nicht direkt einen Showdown mit Inubis haben will (der ja vermutlich auch schon längst entflohen ist), dann gibt es dort unten ja auch nicht mehr so viel zu tun. Das bringt die Geschichte also wirklich einen guten Schritt weiter, und deshalb finde ich diesen zweiten Post von Eispfötchen auch ein Stück besser als den ersten.

    Was mir an Ronsens nächstem Post vor allem gefällt, ist, wie er Details aus Eispfötchens Post aufgreift und weiterdenkt. Zum einen wäre da eine Erklärung, warum der Eingang ins Kryptagewölbe auch nach Lares' Eintritt wieder versiegelt worden war – das war dann eben nicht Inubis himself, sondern einfach nur Wasili. Das ist schön gelöst. Weitaus spektakulärer ist aber natürlich, wie Ronsen das von Eispfötchen eingeführte Buch ausbreitet. In diesem Zusammenhang finde ich es prinzipiell auch sehr gelungen, wie intensiv Ronsen Lares' Erleben schildert. Ich fand es allerdings einen Tick zu viel, wie schnell Lares sich auf einmal aufgibt. So richtig wollte mir das jetzt nicht einleuchten: Zwar macht ihn das Buch schon ein bisschen fertig, und der Gedanke an einen Fluch, der auch noch übertragbar ist, ist insbesondere angesichts seiner Wunde am Daumen (ein weiteres gut aufgegriffenes Detail) natürlich ordentlich niederschmetternd. Aber von Lares, wie Ronsen ihn bisher dargestellt hatte, hätte ich besonnenere Reaktionen erwartet. Indes, vielleicht ist das ja gerade der Fluch oder die vom Buch ausgehende unheilvolle Wirkung, die Lares so denken lässt. Von daher würde ich das alles jetzt mal nicht als unglaubwürdig darstellen wollen! Der Clou am Ende, dass die Scheune brennt – vermutlich durch Lares selbst verursacht – gefällt mir dann auch ganz gut, ebenso wie ich den Post stilistisch auch wieder sehr gut und sauber fand. Von daher würde ich Ronsen weiterhin einen Tick vor Eispfötchen sehen – wobei man aber auch sagen muss, dass es Eispfötchen war, die viele schöne Trittsteine und Sprungbretter für Ronsens Post geliefert hat.

    Durch Eispfötchens nächsten Post zieht sich wie ein roter Faden, wie Dar am Weglaufen ist und in Bedrängnis gerät, bis hin zu diesem schlimmen Hustenanfall am Ende. Da habe ich angesichts dieses Fluchs, der noch so im Raume steht, natürlich so ein bisschen die Vermutung, dass das etwas damit zu tun hat und nicht nur eine ganz normale Reaktion einer ganz normalen Raucherlunge ist. Im Post selber wird aber leider nicht eindeutig darauf eingegangen. Abgesehen davon finde ich, dass der Post in Sachen Handlung ein bisschen dünn daherkommt. Klar, es passieren einige Sachen, und den Anfang, wie die Bauern versuchen den Schuldigen auszumachen, und wie überhaupt klar wird, dass es wohl eher Dar war, der die Scheune angesteckt hat, ist auch noch ziemlich interessant. Das dünnt dann aber aus, und irgendwie überwiegen dann die Stellen, wie man sie einfach nur random im Spiel oder in anderen Geschichten erleben könnte: Die Bauern rennen hinterher (und brüllen allesamt, wie sie die Waffen ziehen – naja), Lares beschäftigt sich nutzloserweise mit den Wölfen, Dar gerät in eine Rotte Goblinskelette … es passiert viel, aber mir scheint es einfach am Kern der Geschichte vorbeizugehen. Es knüpft auch nicht an die spezifischen Inhalte an, die Ronsen vorher bereitet hat, wenn man vom Scheunenbrand als Ausgangspunkt – was, wie gesagt, gelungen aufgegriffen wurde – absieht. Von daher finde ich diesen Post eher unbefriedigend – ich hätte mir gewünscht, dass mehr auf den Inhalt von Ronsens Vorpost, aber auch generell allen Vorposts eingegangen wäre, oder zumindest ein die bisherigen Themen der Geschichte betreffendes Novum eingeführt worden wäre. Ich sehe Ronsen also weiterhin vorne. Indes: Am Schluss werden die (Un-)Toten gezählt, hier kann noch viel passieren!

    Ronsens nächster Post ist interessant, und man könnte ihn wohl auch gewagt nennen. Denn so, wie ich das verstanden habe, vermutet Lares nun, dass Dar in Wahrheit Inubis ist, oder aber, dass Dar eigentlich tot ist, aber Inubis von ihm Besitz ergriffen hat, oder ihn als Wirt benutzt oder irgendetwas in der Richtung. Nach anfänglich verständlichem Wunsch zur Distanz von Dar bemüht sich Lares dann ja auch wieder, ihn mitzunehmen, wohl mit zu Vatras, und in dem Brief an Lee wird wohl stehen, dass er den Verdacht hat, dass Dar gar nicht (mehr) der echte Dar ist. Das Schöne: Der Post lässt offen, ob dieser Verdacht denn wirklich zutrifft – genau so gut kann Lares, der ja selber auch ein bisschen besessen von dieser Fluch-Idee ist, sich komplett irren, und am Ende ist eben doch nichts weiter Schlimmes passiert. Diese Offenheit mag ich eigentlich. Ansonsten passiert nicht so viel in diesem Post, aber immerhin dreht sich alles um diese eine spannende Frage. Von daher ist das einerseits eine gute und schlüssige Fortsetzung, andererseits aber auch ein Post, der so ein bisschen einen Twist andeutet, in welche Richtung auch immer.

    Den nächsten und letzten Post von Eispfötchen fand ich dann leider eher enttäuschend. Auch hier sehe ich wieder das Problem, dass nur minimal an das angeknüpft wird, was vorher gewesen ist. Dieses Minimum findet sich am Schluss des Posts, als Lares mit Dar bei Vatras landet, und Dar die Chance nutzt, um sich aus dem Staub zu machen. Das hat mir ganz gut gefallen, und es passt auch zu Dar, wie man ihn bisher erlebt hat. Und ja, auch im Rest des Posts kommt Dars Charakter wieder gut rüber, und die Geschichte profitiert davon, wie er ja doch eine komplett andere Perspektive auf die Geschehnisse hat als Lares. Und es passt auch, dass Dar gewöhnlicherweise nicht viel anderes als Sumpfkrautrauchen im Kopf hat.Und dennoch: Auch aus diesem Post hätte man eben trotzdem mehr machen können, denn den ganzen Weg von Orlans Taverne hin zur Stadt, den finde ich irgendwie verschenkt. Gerade diese seltsame Friedhofs- und Höhlenaktion fand ich, so stimmungsvoll das eingeleitet wurde, dann doch irgendwie überflüssig, oder ich habe da irgendwas übersehen oder nicht verstanden – für mich stellt sich das jedenfalls so dar, dass es so gut wie gar nichts für den weiteren Verlauf der Geschichte gebracht hat, sondern eben auch nur so ein Allerweltsgeschehnis auf dem Weg zur Stadt war, das aber auch nichts nachhaltig Neues in die Handlung eingebracht hat. Dabei hätte man in diesem Post vielleicht gut auf das reagieren können, was Ronsen vorher angedeutet hatte, eben aus der Perspektive Dars, dessen Husten sich möglicherweise verschlimmert, oder der ganz andere Probleme enthüllt, die Ronsens Überlegungen in ein anderes Licht rücken, oder was auch immer. Stattdessen geht die Story aber einfach nur weiter. Fand ich ein bisschen schade, gerade, weil sie ja im nächsten Post schon vorbei sein wird!

    Ronsen will dem Ganzen dann ein rundes Ende geben, spannt noch einmal den Bogen über alles, und macht das dann auch ganz gut, wie ich finde. Als Kritikpunkt würde ich vorweg mal nennen, dass ich das ein bisschen übertrieben finde, dass Vatras diese Reinigungszeremonie so richtig öffentlich vor vollen Publikum durchführt und das zum Spektakel gerät. Das passt nämlich nicht so richtig dazu, dass er vorher ja eher auf Heimlichkeit bedacht ist. Generell ist das ja nichts, was man als Wassermagier, zumal sehr in den Ring des Wassers involviert, der breiten Bevölkerung so eröffnet. Das fand ich dann doch unglaubwürdig. Vermutlich aber trägt es dazu bei, diese ganze Zeremonie ein bisschen lächerlich zu finden, denn: Man hat ja eben doch die ganze Zeit das Gefühl, dass mit Dar und Lares alles in Ordnung ist und dass Lares sich die Übertragbarkeit dieses Fluchs eher einbildet. Vermutlich waren weder er noch Dar irgendwie wirklich „verseucht“. Der eigentliche Clou ist dann natürlich das Ende, denn er straft einer meiner Behauptungen vorher Lügen: Von wegen, es sei doch nicht Inubis selbst gewesen, der nach Lares noch einmal die Krypta verschlossen hat! Er war es nämlich offenbar sehr wohl, denn Wasili scheint niemand anderes als Inubis gewesen zu sein. Das ist natürlich schon ein Twist, der durchaus gewichtig, aber eben auch ein bisschen witzig ist. Insgesamt finde ich den Schlusspost daher gelungen, bis eben auf den oben angesprochenen Kritikpunkt.


    Das Ergebnis hier ist für mich ziemlich klar: Ronsen hat einfach die besseren Posts abgeliefert und war dabei vor allem stilistisch so glänzend, dass es für jeden Autoren schwer gewesen wäre, dagegen zu bestehen. Was die Ideen angeht, fand ich, waren Ronsen und Eispfötchen in der ersten Hälfte des Battles noch gleichauf, vielleicht sogar teils mit einem Übergewicht bei Eispfötchen, aber Ronsen hat sich dann schnell immer klarer abgesetzt, indem er sich auf die (für mich) interessanten Aspekte und Themen der Geschichte konzentriert und sie fortgeführt hat. Vermutlich war Eispfötchen bei der Darstellung von Dar konsequenter und ist „intensiver“ zu Werke gegangen, denn Dar zeigt hier nun wirklich Charakter, während Lares in dem, wie er sich so gibt, jetzt keine so besonders spezifischen Charaktereigenschaften zeigt. Dafür aber ist es Ronsen gelungen, Lares „Dasein“ in dieser Story, seine Aufgaben und Motive überzeugend darzustellen und ihm wirklich etwas an „Hintergrund“ zu verpassen – während Eispfötchens Dar im Grundsatz ja jeden Post das gleiche macht, was zwar einerseits wie gesagt zum Charakter passt, andererseits aber dann doch vielleicht ein bisschen zu wenig ist. Da hätte vielleicht sowohl vom Charakter als auch einfach vom „Storywriting“ her mehr von Eispfötchen kommen können, ohne dass sie den typischen Dar vollkommen hätte aufgeben müssen.

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    Deus Avatar von Laidoridas
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    Laidoridas ist offline
    Nachdem die beiden Hauptpersonen ja schon bekannt waren, tut John im Leadin im Prinzip nichts anderes, als den Ort der Handlung zu bestimmen, das aber auf sehr stimmungsvolle Weise. Die Krypta bietet sich dazu natürlich auch an. Worum es in dem Battle gehen könnte, ist aber noch völlig unklar, da wird auch nicht der kleinste Ansatzpunkt geliefert (was aber natürlich auch schwierig gewesen wäre, ohne den Grund für die Anwesenheit von Lares und Dar in der Krypta zu verraten, was ja Ronsen und Eispfötchen selber noch machen wollen). Also alles in allem ein sehr offenes Leadin, was ja auch sicher genau das war, was hier gewünscht wurde. Da kann jetzt also noch alles Mögliche draus werden.

    Bei Eispfötchen wird die atmosphärische Gruseleinleitung nun von einer lupenreinen Kifferkomödie abgelöst, wie sie im Buche (oder in Person von Dar eben auch in Gothic 2 auf Onars Hof) steht. Dar wirkt noch eine ganze Spur unzurechnungsfähiger als ich es aus dem Spiel in Erinnerung habe, und Eispfötchen zieht das auch konsequent den ganzen Post lang so durch - das passt natürlich zur Figur (genauso wie der Grund für die Anwesenheit in der Krypta) und wirft ein paar Momente zum Schmunzeln ab, insbesondere am Ende, wenn Dar dem Skelettmagier ganz unbeeindruckt begegnet, weil er ihn für eine Halluzination hält. Den Running Gag mit dem ständig falsch wiedergegebenen Namen wollte ich eigentlich eher kritisch sehen (insbesondere weil ja der Abschnitt aus Dars Sicht erzählt wird und Lares darin auch immer Lares genannt wird, nur eben in den Dialogen nicht), bis dann auf einmal auch mein eigener Name aufgetaucht ist und mich restlos von der Idee überzeugt hat. Für den ersten Post geht das auch so in Ordnung, Dar derart kaputt darzustellen, aber ich hoffe mal, dass im Laufe des Battles dann auch noch ein paar andere Facetten dazukommen, die der Figur wenigstens ein bisschen Tiefe verleihen. Lares dagegen steht im dem Post hier jetzt natürlich weniger im Vordergrund. Mir kam er an manchen Stellen vielleicht etwas zu aufbrausend vor, so kennt man ihn aus dem Spiel ja eigentlich nicht. Der Trick, Dar die Truhe öffnen zu lassen, um nicht vom Skelettmagier angegriffen zu werden, passt aber natürlich sehr gut zu Lares, das hat mir gut gefallen. Wie es abgesprochen war, verrät Eispfötchen auch noch nicht, wieso Lares eigentlich in der Krypta ist. Vielleicht liegt es auch an diesem fehlenden Puzzlestück, dass immer noch nicht klar ist, worum es in der Geschichte eigentlich gehen wird. Da hat Ronsen jetzt vielleicht im nächsten Post sogar einen kleinen Vorteil, weil er nun alle Karten auf den Tisch legen und bei der Gelegenheit die Handlung der Geschichte womöglich deutlich prägen kann.

    Ja, und ich würde mal sagen, genau das hat Ronsen auch tatsächlich getan! Lares' Weg in die Krypta wird in einem langen Rückblick sehr gelungen erzählt, und mit der Bedrohung um Inubis' mögliches Erwachen wird dabei nun auch ein zentrales Thema der Geschichte ins Spiel gebracht. Das liegt natürlich sehr nahe bei der Krypta als Schauplatz, aber es passt eben auch gut und wird vor allem durch das Gespräch mit Vatras schön in die Geschichte eingebracht. Besonders gut hat mir an dem Post gefallen, wie Ronsen zwar immer wieder Witz mit eingebracht hat (besonders an der Stelle, als Lares Vatras nach dessen Schilderung des großen Wein-Zeichens fragt, ob er ihn mal anhauchen könnte, musste ich wirklich lachen ), aber gleichzeitig der Geschichte nun auch einen etwas ernsthafteren Unterbau verschafft hat. Das liest sich alles sehr rund und gut und hat mir wirklich super gefallen. Zwei kleine Kritikpunkte: Der Name "Luzifer" wirkt für mich im Gothic-Universum wie ein Fremdkörper, und den Satz mit der Klaue Beliars hab ich nicht kapiert. Woher weiß Lares überhaupt von der Klaue Beliars, und was hat Vatras darüber erzählt? Ich würde jetzt mal darauf tippen, dass damit eigentlich nur gesagt werden soll, dass Dar laut Vatras eigentlich schon von Inubis hätte getötet sein müssen, aber mit Inubis würde ich die Klaue Beliars jetzt nun nicht in Verbindung bringen. Und weil die Geschichte ja noch vor dem Ausflug des Helden nach Jharkendar spielt, dürfte sich die Klaue doch auch im Besitz von Raven befinden und Vatras oder Lares noch gar nicht bekannt sein. Von diesen kleinen Schönheitsfehlern mal abgesehen aber ein toller Einstieg von Ronsen, der auch am Ende nochmal mit dem angedeuteten Ausbruch Inubis' aus der Krypta einen spannenden Schlusspunkt setzen kann.

    Eispfötchen wirft eine interessante Frage auf, nämlich wieso Inubis Dar nicht getötet, sondern nur eingeschlossen hat - eine Antwort gibts dazu natürlich noch nicht, aber die Frage kann man sich ja mal für später merken. Sehr schön finde ich an dem Post, wie sich Dar jetzt trotz seiner ständigen Zugedröhntheit auch mal als durchaus nützlich erweist, vor allem als er am Ende den Schalter entdeckt. Das verschafft ihm in seiner entspannten Art jetzt auf einmal schon fast etwas Überlegenes, auch wenn man noch nicht richtig einschätzen kann, ob das nun reines Glück war oder ob er durch seine durchs Sumpfkraut veränderte Wahrnehmung manchmal Dinge entdeckt, die andere übersehen. Auf jeden Fall gefällt mir Dar so schon gleich eine ganze Ecke besser. Auch stilistisch hat Eispfötchen eine Schippe draufgelegt, habe ich das Gefühl, und insbesondere die Formulierung mit Lares' Karpfenblick ist mir da sehr positiv aufgefallen. Was ich ein bisschen merkwürdig finde, ist dass Lares nicht gleich nach der Enthüllung, dass Inubis die Krypta wahrscheinlich verlassen hat, selber wieder aus der Krypta raus möchte. Es besteht doch die Gefahr, dass Inubis in diesen Sekunden dabei ist, über Onars Hof herzufallen, und das müsste Lares doch eigentlich dringend verhindern wollen. Und so ingesamt ist die Geschichte vielleicht nicht so richtig weitergekommen in diesem Post: Es gab ein Hindernis in Form des versperrten Auswegs, das dann aber auch gleich wieder beseitigt wurde, sodass Ronsen eigentlich fast da weitermachen kann, wo er in seinem Post aufgehört hatte. Trotzdem gefällt mir der Post in Hinblick auf die Figurenentwicklung Dars sehr gut (bloß Lares wirkte mir wieder eine Spur zu fies, wie er droht, den "nutzlosen" Dar abzustechen), und ich denke, dass Eispfötchen damit auf jeden Fall Pluspunkte sammeln konnte.

    Ronsen scheint Lares' aggressiven Ausfall wohl auch merkwürdig gefunden zu haben, weswegen sich Lares jetzt erstmal ein bisschen über sich selbst wundert. Sehr schön. Auch schön: Dass nun tatsächlich mal der Schauplatzwechsel vollzogen und die Krypta verlassen wird, das bringt ein bisschen frischen Wind in die Geschichte. Der Dialog mit Wasili über seine Kryptakapitalisierungspläne ist dann wieder wirklich witzig geraten - super wie in wenigen Wörtern hier noch eine wohl weniger wichtige, aber durchaus einprägsame Nebenfigur einen Auftritt in der Geschichte hat. Dass Inubis nun doch nicht geflohen ist, sondern vielmehr Wasili die Krypta versperrt hat, da weiß ich nun nicht ganz, was ich davon halten soll. Es nimmt natürlich erstmal ein bisschen die Spannung raus, indem die Bedrohlichkeit der Lage jetzt längst nicht mehr so groß ist wie vorher, als man noch glaubte, dass ein Schattenlord im Umkreis von Onars Hof sein Unwesen treiben könnte. Dafür bringt Ronsen aber gleich eine neue Form der Bedrohung ins Spiel, indem Lares sich nun selbst besessen wähnt von der Krankheit, die zu Inubis' Verfall geführt hat. Offen bleibt, ob da wirklich was dran ist oder da nur Lares' Verstand ein bisschen verrückt spielt. Wobei das mit diesen eingebildeten Dar-Ratschlägen in Lares' Kopf vielleicht schon ein bisschen schnell geht, also da hat Lares ja gleich ein paar Stufen auf der Treppe des Wahnsinns auf einmal genommen, scheint es mir. Neben dem inneren Konflikt gibt es dann am Schluss auch noch was ganz Handfestes zur Spannungserhöhung, denn Lares hat beim Qualmen offenbar die Scheune in Brand gesetzt. Interessant auch, dass Dar und Lares jetzt erstmals voneinander getrennt sind. Mal sehen, was Eispfötchen daraus macht. Für den Post gibts jedenfalls einen Daumen nach oben, bislang hat sich Ronsen hier keine Blöße gegeben und nach der Hälfte des Battles würde ich ihn auch ein Stück vorne sehen.

    Durch den Perspektivwechsel zu Dar kann Eispfötchen jetzt Ronsens Post teilweise noch einmal in einem anderen Licht erscheinen lassen: Lares ist also offenbar doch noch ein Stückchen weiter weg vom Inubis-Wahnsinn als gedacht, denn er hat Dars Stimme gar nicht in seinem Kopf, sondern aus dem Munde des ganz realen Dar durch die Bretterritzen der Scheune gehört. Das gefällt mir auch gut so, weil mir das ja schon ein bisschen schnell ging, wie Lares auf einmal Stimmen gehört hat - so wirkt die Geschichte jetzt wieder ein Stückchen geerdeter. Gleichzeitig ist damit allerdings natürlich auch die Bedrohung durch die mögliche Ansteckung mit dem Untotenfluch erstmal wieder weit weg. Einerseits nicht ungeschickt gemacht, wie Eispfötchen hier der Idee ihres Kontrahenten gleich wieder die Luft aus den Segeln nimmt, andererseits fehlt mir dann aber ein neues Spannungselement, das diese (zumindest vorerst) gestrichene Veruntotungsgefahr gleichwertig ablösen könnte. Ein paar wütende Bauern sind ja jetzt vergleichsweise unspektakulär, zumal auch schnell die überraschend problemlose Flucht gelingt - verfolgt werden die beiden dann ja anscheinend auch gar nicht mehr. Die Kämpfe gegen Wölfe und Goblinskelette (mit einem gelungenen Kommentar über deren Geräusche trotz fehlenden Stimmbändern, der aus der Perspektive Dars vorgebracht auch gar nicht unpassend wirkt) lesen sich gut und flott und sind auch eine nette Abwechslung zu dem, was in der Geschichte bisher so passiert ist. Gleichzeitig scheint die Geschichte jetzt aber auch ein bisschen rumzudümpeln, und so richtig ist nicht klar, worum es im Folgenden eigentlich gehen soll. Ist Inubis oder sein vermeintlicher Untotenfluch überhaupt noch ein Thema, oder schlagen sich Lares und Dar jetzt einfach irgendwie durch die Wildnis? Am Ende lässt Eispfötchen ihren Kontrahenten entscheiden, wie es weitergeht, aber da hätte sie mit einer eigenen Idee natürlich mehr Punkte sammeln können. Ronsen kann die Geschichte dadurch ja wieder nach Belieben neu prägen, da hat Eispfötchen für mein Empfinden die Zügel zu sehr aus der Hand gegeben.

    Ronsen bringt nun wieder Inubis ins Spiel und kommt gleichzeitig mit einem (für mich zumindest) sehr unerwarteten Twist daher, indem plötzlich die Vermutung im Raum steht, dass sich Inubis womöglich in Gestalt von Dar aus der Gefangenschaft befreien konnte. Dass Dar so richtig Inubis ist, der Lares die ganze Zeit was vorspielt, kann aber ausgeschlossen werden, weil wir ja regelmäßig von Eispfötchen Abschnitte zu lesen kriegen, die aus Dars Perspektive geschrieben sind - und da ist Dar ganz klar einfach Dar und niemand, der Dar nur spielt. Aber es kann natürlich sein, dass sich Inubis' Geist irgendwie in Dar eingenistet hat und ihn nun heimlich lenkt, ohne dass es Dar richtig bewusst mitbekommt. Das würde in mehrerer Hinsicht gut passen: Einmal ist Dar ja ohnehin ständig benebelt, da gibt er sicher ein ideales Opfer für solche Beeinflussungen ab. Und außerdem würde das auch die zuvor einmal von Eispfötchen aufgeworfene Frage klären, wieso Inubis Dar nicht getötet hat. Das wäre dann ja klar, wenn er ihn brauchte, um unbemerkt ins Freie zu gelangen. Und so ein Plan wäre sicherlich auch viel erfolgsversprechender, als in Gestalt eines Skelettes durch die Gegend zu laufen, wo er ja ruckzuck die Aufmerksamkeit aller möglichen Leute auf sich ziehen und außer roher Gewalt gar nichts anrichten könnte. Also, auch wenn diese Idee vielleicht noch ein bisschen mehr hätte konkretisiert werden können (einiges habe ich mir jetzt ja nur zurecht gereimt, und vielleicht stellt sich das gleich noch ganz anders dar), gefällt mir das erstmal sehr gut und gibt der Geschichte eine neue, spannende Richtung, die gleichzeitig hervorragend auf dem anfänglichen Thema aufbaut, ohne dabei gleich wieder in die Krypta oder auf den Hof zurückzusteuern. Die Story bleibt also in Bewegung und ist jetzt auch wieder auf einem klaren Pfad unterwegs, der mir im vorherigen Post ein bisschen gefehlt hatte. Lobenswert außerdem: Die schmissigen Dialoge in Orlans Kneipe! Solche markigen Sprüche wie "Heda! Wem muss man hier einen Scheitel ziehen, ehe man was zwischen die Zähne bekommt?" sind echt eine Stärke von Ronsen. Zu kritisieren habe ich diesmal nur eine Sache, nämlich dass Lares so leichtfertig den Ring des Wassers gegenüber Dar erwähnt, der davon ja bisher noch nichts wissen dürfte. Das sollte doch eigentlich eher Vatras entscheiden, wer vom Ring erfährt oder in ihn aufgenommen wird, und selbst wenn Lares davon ausgeht, dass im Zweifel Dars Gedächtnis gelöscht wird, gibt es ja keinen Grund, ihm ohne Not vom Ring zu erzählen. Erst recht nicht, wenn er davon ausgeht, dass Inubis irgendwie in Dar stecken könnte - der ist ja nun der absolute Feind, dem sollte man dann doch lieber nicht zu viel verraten. Aber zu hoch will ich das nun auch nicht hängen, ist ja letztlich nur ein Detail. Insgesamt wieder ein toller Post, mit dem Ronsen die Weichen für ein spannendes Finale stellt.

    Hm. Also, naja. Eispfötchen hat die Weichen anscheinend gleich wieder umgestellt oder vielmehr abmontiert, und jetzt ist der Zug engleist und rast ein bisschen planlos durch die Wallachei. Zuerst machen Dar und Lares einen merkwürdig unmotivierten Ausflug in einen Nebel hinein, in dem dann plötzlich jemand auftaucht, den ich mal als den klassischen Gothic-2-Inubis als Skelett in Rüstung identifizieren würde. Wie das nun dazu passt, dass Inubis sich in Dar eingenistet haben könnte? Wohl gar nicht, aber wenn Eispfötchen Ronsens Idee wieder aus dem Spiel nehmen wollte, dann hätte es da schon noch mehr Erklärungen bedurft. Seine Idee einfach zu ignorieren und Inubis stattdessen einfach mal so aus dem Hut zu zaubern, das ist ja nicht so die elegante Art. Und danach, ja, dann wird ja irgendwie aus diesem Inubis auch gar nichts mehr gemacht. Lares und Dar rennen weg, verlieren kein Wort über das Gesehene und es ist, als wären sie dieser Gestalt nie begegnet. Der letzte Abschnitt irritiert mich wohl am meisten, denn der beschreibt dann bloß noch einen gemütlichen Stadtbummel Dars inklusive Shopping und diversen Freizeitaktivitäten (Prügelwette, Bordellbesuch). Ich hoffe, ich habe jetzt nicht irgendwas ganz Subtiles übersehen, aber um die zentralen Themen der Geschichte kümmert sich Eispfötchen hier ja auf einmal gar nicht mehr. Es wird auch gar nichts angedeutet, woraus sich nun noch zum Schluss irgendeine dramatische oder das Geschehen auflösende Situation ergeben könnte. Die Spannungskurve flacht einfach total ab. Gut, die Geschichte führt jetzt vielleicht ein bisschen an den Anfang zurück, indem Dar genau wie zu Beginn Lares die rote Laterne betritt. Aber das allein trägt ja noch nicht dazu bei, jetzt irgendwie ein zufriedenstellendes Ende für die offenen Handlungsstränge der Geschichte zu finden. Ich weiß nicht, ob Eispfötchen vielleicht gar nicht auf dem Schirm hatte, dass das hier ihr letzter Post war und die Geschichte im nächsten enden sollte? Ich finde das jedenfalls leider sehr unbefriedigend und halte diesen Post für Eispfötchens eindeutig schwächsten in dem Battle.

    Ronsen liefert nun trotz fehlender Hinleitung noch ein amtliches Finale ab! Die Konfrontation mit Dar, die Rückblende zum Gespräch mit Vatras, die Enthüllung über das Ende des Briefes und schließlich die Reinigung durch Vatras, das war alles wirklich spannend und toll zu lesen und hat alles in allem ein sehr würdiges und zufriedenstellendes Ende abgegeben. Super auch, wie Ronsen nochmal auf den zuvor kurz erwähnten Traum Lares' Bezug genommen hat, und wie sogar der beharrlich Marathon laufende Running Gag mit dem falschen Lares-Namen noch um eine Pointe bereichert wird, indem es ausgerechnet der plötzlich richtig ausgesprochene Name ist, der Lares aus seinem (vermutlich durch die Inubis-Verseuchung hervorgerufen) Wahn befreit, in dem er Dar zunächst umbringen möchte. Zwar ist mir nicht ganz klar, wieso Lares daraus schließt, dass er sich geirrt haben könnte - schließlich könnte doch auch Inubis seinen echten Namen aussprechen, oder nicht? -, sodass mir das ganz ohne diese Bemerkung noch besser gefallen hätte, aber auch so ist das ein toller Moment in der Geschichte. Dass Lares tatsächlich irgendwie besessen von Inubis war, das scheint am Ende recht eindeutig so gewesen zu sein, bei Dar hingegen bin ich mir da nicht so sicher. Vielleicht war der auch die ganze Zeit einfach nur er selbst. Dass das nicht aufgelöst wird, gefällt mir aber gerade gut so und macht die Geschichte ja nur noch interessanter. Am allerbesten hat mir dann aber der letzte Absatz gefallen, in dem überraschend auch Wasili wieder eine Rolle spielt und in dem sich wie in der letzten Szene jedes Horrorfilms, der was auf sich hält, herausstellt, dass das Böse doch noch nicht besiegt wurde. Dass man hier als Leser selber noch ein klein wenig Kombinationsarbeit leisten muss, indem man Wasilis Aussage über seinen Bruder mit dem Tagebucheintrag Inubis' verknüpft, das macht diese letzte Pointe nur noch besser. Ein besseres Ende hätte ich mir für die Geschichte gar nicht vorstellen können. Einziger kleiner Makel an dem Post: Diese Begegnung mit dem vermeintlichen Inubis in Eispfötchens Post wird hier einfach ignoriert bzw. so ganz dezent angedeutet, dass es sich dabei bloß um ein gewöhnliches Skelett gehandelt haben könnte. Das ist vielleicht ein bisschen zu wenig dafür, dass dieser Abschnitt einigen Raum in Eispfötchens Post eingenommen hat und Ronsens Besessenheitstheorie erstmal zu widersprechen schien. Andererseits bin ich mit der Erklärung an sich auch ganz zufrieden und was Besseres wäre mir da auch nicht eingefallen. Insofern auch kein großer Kritikpunkt, und sowieso lautet das Fazit eindeutig: Ganz starker Schlusspost von Ronsen!

    Und deswegen muss ich auch gar nicht lange überlegen, wem ich hier meine Stimme gebe. In der ersten Hälfte habe ich Ronsen nur leicht vorne gesehen, da Eispfötchen ihrem Dar im zweiten Post neue und interessante Facetten abgewinnen konnte und er sich hier zu einem auf seine Weise ebenbürtigen Partner für Lares zu mausern schien. In der zweiten Hälfte des Battles ist sie von diesem Weg dann aber wieder abgekommen und Dar wurde wieder mehr zur Witzfigur, der ja dann ganz am Schluss mit seiner Hafenvierteltour noch eine regelrechte Demonstration seines Desinteresses am eigentlichen Hauptinhalt der Geschichte abgeliefert hat. Vor allem aber konnte Eispfötchen in ihren letzten beiden Posts der Geschichte keine interessante Richtung mehr geben und hat Ronsens Ansätze bloß ignoriert oder hier und da ein bisschen torpediert, aber selber nichts Neues dafür angeboten. Da hat mir Ronsens gelungene Handlungsführung und sein Bemühen, die Einzelteile der Geschichte am Ende zu einem gelungenen Ganzen zusammenzufügen, ein ganzes Stück besser gefallen, und deshalb bekommt er jetzt auch meine Stimme von mir.

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