Hallo zusammen,
wir sind uns sicher einig, dass die Umsetzung der Begleiter von FO 4 ein großer Schritt in die richtige Richtung für Bethesda ist, wenn man sie mit ihren Konterparts in FO 3 oder TES V vergleicht (bei letzteren war nur Serana als Begleiter keine seelenlose Hülle, und zeigte in welche Richtung Bethesda zukünftig gehen würde). Unübersehbar hat sich Bethesda hier bei den Gruppenmitgliedern von Obsidian oder Bioware inspirieren lassen, wie nicht zuletzt die Möglichkeit zeigt Einfluss bei jeden Begleiter zu gewinnen oder zu verlieren.
Soweit zumindest in der Theorie.
In der Praxis muss unser Vault-Bewohner nicht einmal irgendwelche Taten begehen, welche die Zustimmung der Begleiter finden, oder welche sie gar lieben. Es reicht bereits, dass er sie längere Zeit an seiner Seite wandern lässt, und schon ploppt, wie aus den Nichts, die Nachricht am linken Bildschirmrand auf: 'XXX bewundert dich!' 'Äh, ja? Nein? Warum?! Was habe ich getan?'
Von dahin ist es nur noch ein kleiner Schritt, eine Handvoll zustimmender Taten reichen, bis die Begleiter liebeskrank vor den Füßen unseres Protagonisten knien, ihre bedingungslose, ewige und reine Liebe schwören oder alternativ ihn zum größten Freund aller Zeiten küren.
Egostreicheln ohne irgendwelche Leistungen erbracht zu haben, nennt man so etwas.
Umgekehrt ist es, paradoxer Weise, nahezu unmöglich die Begleiter einmal dazu zu bringen, aufgrund von Taten, den Vault-Bewohner NICHT zu mögen, geschweige ihn zu hassen.
Er kann sie beschimpfen, herabsetzen und beleidigen, wie er will. Was unseren Protagonisten betrifft, sehen die Begleiter nur rosa Wolken.
Ich habe es bei meinen derzeitigen Durchgang ausprobiert, weil ich einmal die Reaktion der Begleiter erleben wollte, und die zur Verfügung stehenden Dialoge der Protagonisten, wenn die Beziehung zerbricht. Und was soll ich sagen?
Selbst nachdem Nick in jeden Dialog beleidigt wurde, Zeuge wie der Protagonist sämtliche Synth in Far Harbor und Arcadia, zudem das Menschenmädchen Kasumi, mit den Sturmtrupp der Brotherhood abschlachtet, Zeuge der Hinrichtung von Danse wird, und an der vollständigen Eliminierung der Railroad durch die Brotherhood teilnimmt, schwärmt unser aller liebster Roboter-Detektive weiterhin davon, dass er der glücklichste Synth aller Zeiten ist, weil er ja diesen (Synth verachtenden) Partner hat.
Und das meint er NICHT ironisch.
Das selber bei Synth Curie: Nachdem mein Protagonist jegliche ihrer Errungenschaften im Dialog herabsetzte, sie beständig beleidigte, vor ihren Augen die Synth in Far Harbor und Arcadias abgeschlachtet hat, das Menschenmädchen Kasumi, Curie Zeuge der Hinrichtung Danses wurde, und an der vollständigen Eliminierung der Railroad teilnimmt, antwortet sie auf die Frage des (Synth verachtenden) Vault-Bewohners, ob alles zwischen ihnen in Ordnung seihe: *französischer Dialekt* 'Wir sind...*Scheigen* Ich LIEBE dich! Entschuldige, aber das musste ich einfach sagen.'
Ironischerweise, während das Blut der ermordeten Railroad um Curie noch von der Decke tropfte...
Äh, ja? Ähem... NEIN!
Nein, Nein und NEIN, Bethesda!
Bei Preston in Nuka Cola World genau das selbe. Solange der Spieler ein bestimmtes Script durch Abschluss der Hauptkampagne auf Raiderseite nicht aktiviert, kümmert es unseren aufrechten Minuteman nicht, dass sein 'General' nun der Overboss der Raider ist, für diese Karikaturen von Psychopathen den Park freiräumt, dort Unschuldige abschlachtet oder sie versklavt. Preston betet weiterhin bedingungslos den Boden an, auf welchen der Overboss der Raider mit blutigen Absätzen wandelt.
Und selbst WENN das Script aktiviert wird, und Preston aufgrund dessen endlich erkennt, was für ein Psychopath der Overboss ist, ist seine einzige Reaktion: *nüchterner Tonfall* 'Ich hasse dich! Aber du bist der General und deshalb werden ich und die Minuteman weiterhin deinen Befehlen gehorchen!'
Ähem... WAS?!
Es tut mir leid, Bethesda. Aber... Dadurch, dass ihr den Spielern quasi Narrenfreiheit gebt, indem die Begleiter den Protagonisten nahezu bedingungslos anbeten, egal welche ruchlosen Verbrechen er begeht, egal wie er sie im Dialog behandelt, oder ob er sich überhaupt um ihre Zuneigung bemüht, wird das gesamte Einflusssystem, dass bei Obsidian und Bioware durchaus soweit funktioniert, dass sich Freund und Feind unter den Gruppenmitgliedern entwickeln, VÖLLIG absurdum.
Denn welchen Sinn hat ein Einflusssystem, bei Begleitern, dessen Kadavergehorsam so hoch ist, dass es nahezu unmöglich ist sie gegen sich aufzubringen?
Selbst wenn wir davon absehen, dass hier quasi nur Augenwischerei betrieben wird, um das Ego des Spielers zu streicheln, indem er eine in der Branche mittlerweile übliche weitere Trophäe mühelos ergattern kann, führt dieses Kadavergehorsam dazu, dass die bereit recht seichten Charaktere jegliche Glaubwürdigkeit verlieren.
Womit Bethesda sich, streng genommen, einen Schritt in die richtige Richtung begeben hat, indem sie ein Einflusssystem eingeführt haben, und im selben Moment wieder den selben Schritt zurückgesetzt haben, indem das Einflusssystem sich mühelos in Richtung Liebe steigern lässt, aber nahezu unmöglich in die andere Richtung.
Womit die Begleiter zu den selben willenlosen Hüllen werden, wie in FO 3 oder TES V. Sie haben nur mehr zu erzählen.
Und jetzt entschuldigt mich, ich muss einige Cheats im Internet heraussuchen, um einmal zu erfahren wie es ist, wenn die Begleiter unseren Protagonisten NICHT mögen.
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