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  1. Beiträge anzeigen #61
    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Eispfötchen ist offline
    Wie schon gesagt, allein bin ich genug, den halben Tag ist Papa ja eh arbeiten, aber dann auch noch den ganzen Abend allein sein, mir ganz alleine kochen, ganz alleine essen, das mag ich mir gar nicht vorstellen, das könnte ich nie, weshalb für mich auch höchstens der direkte Tausch Papa -> Frau infrage käme, aber niemals ein Auszug, um dann für mich allein zu wohnen.
    Hab ich das richtig verstanden? Du bist fast den ganzen Tag zuhause?


    Wenn ich bei normalen deutschen Eltern aufgewachsen wäre, wenn Papa etwa die gut gemeinten Erziehungsratschläge meines Onkels beherzigt hätte, dann wäre mir sicher frühzeitig die Hand beim Laufen verweigert, ich wäre frühzeitig gezwungen worden, im eigenen Bett zu schlafen, mit auf Klassenfahrt zu gehen, all solche Herzlosigkeiten eben.

    Hm... ich glaube, dann bin ich in einer recht herzlosen Familie aufgewachsen. Deswegen bin ich wohl ein herzloser Mensch. Naja, auch egal. Gibt eben verschiedene Menschen. Bei mir hieß es früh: komm halt klar. Gut, das wurde jetzt nicht direkt so gesagt, aber würde jetzt zu lange dauern alle Beispiele aufzuschreiben, trotzdem finde ich, dass ich eine gute Kindheit hatte. Vermutlich wäre ich anders, wenn es anders gewesen wäre, aber ob das jetzt besser oder schlechter wäre kann ich nicht sagen und ist mir im Grunde auch egal. Ich bin zufrieden damit wie ich jetzt bin und darauf kommt es mir an.


    Wer Kinder als Last empfindet, hat die moralische Pflicht, ja niemals welche zu bekommen, denn der selbst ist es, der seinen Kindern während ihrer ganzen Entwicklung und ein Leben lang eine Last sein wird.
    Sag das mal diesen Eltern, die sich dann ständig beschweren. Sind jetzt ein paar Beispiele von den gängigen Beschwerden durchschnittlicher Eltern und ich glaube fast jedes Elternteil hat sich schon mal (bei anderen) über seine Kinder beschwert. Erst weil sie schreien und nicht schlafen und außerdem dauernd kacken und gefüttert werden müssen, später dann dass es so stressig ist ihnen bei Hausaufgaben zu helfen oder irgendwohin zu bringen. Oder ganz allgemein die Kinder bzw. das Kind zu erziehen. Später dann Ausbildung: warum kann sich das Kind nicht endlich entscheiden was es will? In den wenigsten Fällen ist es böse gemeint und die meisten lieben ihre Kinder ja auch, aber trotzdem ist es ein gewaltiger Kraftakt Kinder aufzuziehen und darüber wird sich dann eben auch mal beschwert. Ich denke das ist ganz normal und einfach ein Ventil für Stress.


    Na ja, selbst wenn es das bedeuten würde (was doch Quatsch ist): Was wäre daran peinlich? Dann wäre es halt so, dass doch Hilfe brauchst. Deutlich peinlicher, als Hilfe zu brauchen und dann auch in Ansprauch zu nehmen, wäre es doch, Hilfe zu brauchen, aber dich selbst in etwas zu stürzen, wofür du nicht bereit bist, und dir alle möglichen unguten Gefühle zu bereiten, statt dir helfen zu lassen, nur weil dir das "peinlich" ist und du aus irgendwelchen Eitelkeiten und wegen irgendwelcher Vorurteile deiner Gesellschaft, zu deren Sklaven du dich hast machen lassen, ignorierst, was dein Bauch dazu sagt. Ich hätte weit mehr Respekt vor einem Menschen, der danach geht, was er kann, statt danach, was er seiner (sicherlich nicht selbst gebildeten) Meinung nach müsste.
    Wenn ich das so gemacht hätte, würde ich jetzt vermutlich Kassiererin bei Aldi sein. Ich bin der Meinung, dass ich es nur dahin gebracht habe wo ich jetzt bin, weil ich meine eigenen Grenzen ausgetestet und überschritten habe, selbst wenn das für mich manchmal bedeutete unanehmlichkeiten hinnehmen zu müssen.

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    Sapere aude  Avatar von Jünger des Xardas
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    Jünger des Xardas ist offline
    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    Meeensch, aus all den schönen Wörtern hätteste auch ein paar wunderbare Battle-Royal-Kommentare zusammenbasteln können!
    Stimmt. Ich gelobe das bald zu tun! Die Bachelorarbeit ist auch fast fertig.
    Außerdem ist ali nicht peinlich.
    ali wird doch vor allem von anderen als links eingeordnet; das ist mir auch schon oft genug passiert. Außerdem habe ich nichts gegen peinliche Leute [Bild: rotes_bluemchen.gif]
    Zitat Zitat von Eispfötchen Beitrag anzeigen
    Hab ich das richtig verstanden? Du bist fast den ganzen Tag zuhause?
    Hängt vom Tag ab. Jetzt gerade kann das schon öfter vorkommen, ja. In die Uni gehe ich ja nicht mehr. Stattdessen bin ich am Schreiben. Wobei ich das auch viel in Papas Praxis mache, da arbeite ich lieber, aber die ist auch nur zwei Straßen weiter. Es gibt auch Tage, wo ich von morgens bis abends weg bin, wenn ich mich mit meinen Schülern treffe, wird's meist spät, aber solche Tage kommen ja hier nicht in Betracht, denn es ging ja drum, ob man zuhause Zeit für sich hat, und die hat man nicht, wenn man unterwegs ist, egal ob man allin oder bei den Eltern wohnt.
    Hm... ich glaube, dann bin ich in einer recht herzlosen Familie aufgewachsen.
    Na ja, wer in Deutschland ist das nicht?
    Bei mir hieß es früh: komm halt klar.
    Siehst du, und ein Kind in diese Welt zu werfen, um es dann auf diese Weise darin allein zu lassen, ist eine unaussprechliche Grausamkeit. Und eine, die meist schon in den allerersten Tagen losgeht. Eine Schülern macht gerade ein FSJ in einem Kindergarten. Ich weiß gar nicht, wie viele Horrorstorys es da von den Erziehern oder Eltern zu erzählen gibt: Da heult ein kleines einjähriges Kind Rotz und Wasser, weil es auf den Arm genommen werden muss. Meine Schülerin, die stets ihrem Herzen folgt (ist nicht umsonst meine beste Schülerin), macht dann auch genau das, und siehe da: augenblicklich ist das Kind ruhig und wieder glücklich. Nun nehmen die Erzieher da aber ihren Verstand wichtiger als ihr Herz. Und was klügelt der zusammen? Das Kind muss lernen, dass es nicht alles haben kann im Leben und selbstständig klarkommen muss. Das einjährige Kind! Und so geht das mehrmals tagtäglich: Immer wieder wäre es lächerlich einfach und würde einen keinen Aufwand kosten, den Kindern Gutes zu tun, dafür zu sorgen, dass sie sich wohl und geborgen fühlen, aber nein: man ist ja klug und weiß besser, was gut für sie ist, und die Kinder lernen so Selbstständigkeit! (Klar, darum sind die Kinder, die so aufgewachsen sind, ja als Erwachsene auch alle totale Premiummenschen, während ich, der ich nicht so erzogen wurde, ja zu keinem selbstständigem Gedanken fähig bin. Die Empirie ist da ganz eindeutig!) So erzieht man Faschisten.
    trotzdem finde ich, dass ich eine gute Kindheit hatte. Vermutlich wäre ich anders, wenn es anders gewesen wäre, aber ob das jetzt besser oder schlechter wäre kann ich nicht sagen und ist mir im Grunde auch egal. Ich bin zufrieden damit wie ich jetzt bin und darauf kommt es mir an.
    Es geht ja nicht um dein persönliches Befinden, sondern um Sittlichkeit. Dem Satz "Man soll sein Kind nicht alleinlassen und keines kriegen, um das man sich nicht kümmern will" kann kein Mensch widersprechen, der den mindesten Anspruch auf Vernunft macht, ebenso wenig dem Satz "Man soll irgendwelche fixen Ideen, die man von richtiger Erziehung oder davon, was das Kind wann zu können und zu machen hat, im Kopf hat, nicht wichtiger nehmen als das Kind selber und dessen individuelle Persönlichkeit, sondern man soll nach seinen Bedürfnissen fragen und ihm sein Tempo gönnen".
    Übrigens, wenn wir schon auf die Folgen schauen (die in moralischen Fragen keine Relevanz haben): Es geht nicht nur drum, wie das einzelne Kind persönlich seine Erziehung am Ende bewertet (falls es das überhaupt kann). Was ein Kind für ein Mensch wird, hat nicht nur auf sein eigenes Leben Auswirkungen, sondern bestimmt wiederum darüber, wie es mit seinen Mitmenschen umgeht, was es selbst mal für Kinder erzieht, was für eine Welt es gestaltet. Und angesicvhts der Welt, in der wir leben, und der Rückschlüsse, die deren Zustand auf diejenigen Menschen erlaubt, die sie gestalten, kann man sich wohl einigen, dass jeder sofort ins Irrenhaus einzuweisen wäre, der der Erziehung, die diese Menschen genossen (oder ertragen) haben, auch nur bescheinigte, akzeptabel gewesen zu sein.
    Sag das mal diesen Eltern, die sich dann ständig beschweren. Sind jetzt ein paar Beispiele von den gängigen Beschwerden durchschnittlicher Eltern und ich glaube fast jedes Elternteil hat sich schon mal (bei anderen) über seine Kinder beschwert. Erst weil sie schreien und nicht schlafen und außerdem dauernd kacken und gefüttert werden müssen, später dann dass es so stressig ist ihnen bei Hausaufgaben zu helfen oder irgendwohin zu bringen. Oder ganz allgemein die Kinder bzw. das Kind zu erziehen. Später dann Ausbildung: warum kann sich das Kind nicht endlich entscheiden was es will? In den wenigsten Fällen ist es böse gemeint und die meisten lieben ihre Kinder ja auch, aber trotzdem ist es ein gewaltiger Kraftakt Kinder aufzuziehen und darüber wird sich dann eben auch mal beschwert. Ich denke das ist ganz normal und einfach ein Ventil für Stress.
    Wer sich über sein Kind beschwert, ist halt Abschaum - so einfach ist das |-) Für das Kind haben diese Menschen sich entschieden. Hätten sie halt nicht tun sollen, wenn ihnen das zu stressig ist. Das gilt für alle freiwillig übernommenen Aufgaben, also für alle "Arbeit" im Leben: Wenn es dir nicht passt, mach es halt nicht. Ich habe das hier schon frühr mal erzählt: Mein Vater käme nie, nie, nie auf den Gedanken, sich über einen Patienten zu beschweren. Der Patient kann noch so doof und lernunwillig sein. Sich mit dem rumzuschlagen und ihm zu helfen, ist seine Aufgabe (in dem Falle sogar eine bezahlte). Genauso würde es mir nie einfallen, mich über meine Schüler zu beschweren. Mir sind vielleicht früher, als ich mich noch in der Plauderecke rumtrieb, die dortigen Unaufgeklärtheiten auf die Nerven gegangen und ich würde vielleicht über Leute wie Sergej dort herziehen, aber wenn meine Schüler unaufgeklärt sind, dann beklage ich mich darüber doch nicht, im Gegenteil, ich übe, wie es Aufklärung fordert, Selbstkritik und frage mich, wo ich wohl Mist gebaut habe, dass ich die noch nicht aufgeklärter bekommen habe. Ich würde mich schämen, ja DAS wäre mir wirklich peinlich, wenn ich mich auch nur bei dem Gedanken ertappte, meinen Schülern irgendetwas vorzuwerfen oder mich irgendwi über sie beklagen zu wollen, und ebenso halte ich es mit allen von mir übernommenen Aufgaben und würde es also auch mit meinen Kindern halten. Und dieses Ethos ist jedem Menschen abzufordern. - Nur dummerweise, und das spricht ja auch aus dem, was du sagst, leben wir in einer Welt, in der man gewöhnlich gar nicht weiß, was ein Ethos ist, gar nicht begreift, wie jemand eines haben kann, sondern das höchstens komisch und kurios, wenn nicht gar lächerlich, auf jeden Fall aber nicht nachahmenswürdig findet. Stattdessen betrachtet man es als ganz selbstverständlich, dass die Menschen, statt feste Grundsätze zu haben, Befindlichkeiten haben und denen folgen, meint, das wäre doch bei jedem so, dafür müsste man Verständnis haben, und schafft sich nebenbei damit noch eine bequeme Ausrede, es selbst bei Gelegenheit nicht anders zu haletn und sich auch nur von seinen Befindlichkeiten treiben zu lassen.

    Und vielleicht magst du an der Stelle mal kurz in dich gehen. Ganz allgemein; unabhängig von dem konkreten Thema des Aufwachsens von Kindern. Lies das hier mal für einen Moment nicht als "hm, der JüdeX sagt immer so komische Sachen, na ja, Menschen sind halt verschieden, jeder hat so seine Meinung", sondern lass dich berühren und die Worte auf dich einwirken und denke einen Moment selbstständig über sie nach - das kann ja jedem Menschen abgefordert werden, der auf Selbstständigkeit Anspruch erhebt. Also: Du redest hier, auch gleich noch mal im Folgenden ganz selbstverständlich von unguten Gefühlen. Jetzt gerade von Stress. Natürlich würden Eltern auch ihre Kinder lieben, gewiss meinst du auch, dass es genug schöne Momente gibt, aber du hältst es auch für ganz normal, dass die ganz oft im Stress sind. So oft, dass sie ein "Ventil" brauchen, um den abzulassen. Dass das fast alle Eltern so machen würden. Genauso redest du gleich darauf davon, dass das Alleine-Klarkommen anstrengend und mit unguten Gefühlen und Straucheleien verbunden war. Das war es dir zwar wert, dennoch leugnest du diese schlechten Gefühle nicht, meinst vielmehr, die gehörten eben dazu, da müsse man durch. Mit diesen Ansichten stehst du nicht allein da, sondern dürftest die Mehrheit auf deiner Seite haben. Das Leben der meisten Menschen ist, wenngleich es natürlich auch immer wieder spaßige Momente gibt, auch immer wieder durchzogen von Stress, von Ängsten, von Sorgen, von Ärger, von Überforderung usw. Es ist nicht unerträglich, aber es ist auch ganz gewiss nicht selig. Und die Menschen merken nicht einmal unbedingt, wie anstrengend und wie voll von schlechten Gefühlen ihr Leben tatsächlich ist. Sie merken es deshalb nicht, weil es eben davon voll, weil das für sie also ganz normal und schon Gewohnheit ist und weil es den Menschen um sie herum genauso ergeht, sodass sie das ganz selbstverständlich für normal und notwendig halten. Nun, jetzt tritt doch mal für einen Moment heraus aus diesem Vorurteil und dem, was du für normal hältst. Stell dir vor, es wäre möglich (nur möglich, das reicht für den Moment schon), dass ein Mensch auch völlig selig leben könnte. Dass einer bei allem, was er tut, von tiefem Lebensmut getragen ist, sich nirgends überwinden und durchbeißen und dabei lernen muss, mit den Schwierigkeiten klarzukommen, auch wenn es unangenehm ist, sondern dass ihm alles leicht ist, dass er für alles, was er tut, wenn er daranschreitet, es zu tun, auch genau die Kraft mitbringt, die er dafür braucht. Dass er niemals das Gefühl hat, vom Leben ungerecht behandelt oder überfordert zu werden oder dergleichen. Dass er, wenn er sich für etwas entscheidet, etwa für Kinder, sich dafür auch ganz und gar und nicht nur so halb und mit lauter Abers entscheidet, dass ihm seine Kinder eine helle Freude sind und er keinen Stress kennt. Dass er nichts, was er gewählt hat, als Last empfindet und keine Ventile, keinen Boxsack, kein "eigenes Leben" oder irgendeinen Urlaub, kein Besäufnis am Wochenende oder so braucht, um einen Ausgleich zu den kleinen Unerträglichkeiten des Alltags zu schaffen, sondern dass er in jedem Augenblick ganz willentlich und ohne äußeren Anlass, der ihn dazu bringt, loslachen kann, nicht wie ein Schauspieler, sondern wirklich von Herzen lachen. Nun, und jetzt denke dir vielleicht noch weiter, dieser Wohlgeratene (um mal mit Nietzsche zu sprechen, aber von diesem nicht gleich den vorbelastetsten Terminus zu borgen) wüsste (glaubte nicht nur, sondern wüsste mit apodiktischer Gewissheit), dass er nicht einfach ein vom Schicksal Begünstigter ist, sondern dass jeder wie er leben könnte, wenn er es nur wollte. Denke dir, er würde es sich daher zur Aufgabe zu machen, andere darauf hinzuweisen, dass dies möglich ist, und ihnen auch noch zu zeigen, wie es geht, um sie an seiner Seligkeit teilhaben zu lassen (er würde also versuchen, sie aufzuklären, was ja nichts anderes heißt als dies). Denke dir, er fände sich bestätigt, weil es tatsächlich einige gäbe, die ihm zuhörten, seine Worte beherzigten und tatsächlich ebenfalls immer seliger würden, was noch gewisser machen muss, dass auch alle übrigen diesen Weg jederzeit gehen könnten, wenn sie nur wollten, oder gewisser machen müsste, wenn absolute Gewissheit steigerbar wäre. Und nun aber denke dir diesen Wohlgeratenen unter den normalen Menschen. Sie selber mögen ihren Zustand, über den sie nie nachgedacht haben und zu dem sie keine Alternative kennen (zumindest keine bessere, sondern nur die schlechtere von Depression und Verzweiflung, gegenüber der sie im Vergleich natürlich meinen müssen, glücklich und zufrieden zu sein), ganz selbstverständlich hinnehmen und nicht weiter hinterfragen, aber muss ihm das Bild, das sie abgeben, und die Vorstellung ihres Zustands nicht unerträglich sein? Wenn er solch einen Menschen davon reden hört, ja ja, man beschwere sich eben, mache doch jeder, man brauche doch sein Ventil, man müsse doch mal Dampf ablassen, muss ihm das nicht klingen, als rede da einer über eine Krücke, ohne die er nicht laufen kann, oder über einen regelmäßigen Drogenschuss, ohne den er das Leben nicht ertragen kann, und muss er sich nicht an den Kopf fassen, wenn er daran denkt, dass viele, ja dass die Mehrheit der Menschen hier, wo er eine Lösung hat, noch nicht einmal ein Problem sehen und daher auch vorerst für die Lösung unerreichbar sind? Und jetzt sage einmal: Was soll er wohl tun, der Wohlgeratene? Sich bloß seiner eigenen Seligkeit freuen und von den anderen ablassen, die um ihr Elend gar nicht wissen? Aber dazu hat er doch gar kein Recht und das würde ihn zu einem Nichtswürdigen machen; ein solcher aber ist er nicht, sondern eben ein Wohlgeratener, sprich: er hat ja gar nicht die Freiheit, abzulassen, denn frei sind ja nur die schlechten Menschen. Was also schlägst du vor?
    Wenn ich das so gemacht hätte, würde ich jetzt vermutlich Kassiererin bei Aldi sein. Ich bin der Meinung, dass ich es nur dahin gebracht habe wo ich jetzt bin, weil ich meine eigenen Grenzen ausgetestet und überschritten habe, selbst wenn das für mich manchmal bedeutete unanehmlichkeiten hinnehmen zu müssen.
    Ob du, wenn du dich nicht selbst überfordern würdest und es dir nicht peinlich wäre, offen dazu zu stehen, wer du bist oder nicht bist, und nicht lieber alleine untergingest, als dir helfen zu lassen, Kassiererin bei Aldi wärst, weiß ich nicht. Vielleicht, wenn das deinem Naturell entspräche und anderes, was du jetzt stattdessen machst, eigentlich eine Überlastung und Selbstquälerei sein sollte – aber dass dem so ist, hast jetzt höchstens du behauptet, nicht ich. Aber es muss ja auch nichts falsch daran sein, Aldi-Kassiererin zu sein. Vielleicht wärst du ja aber eine Kassiererin bei Aldi, die sich im Leben nicht um Äußerlichkeiten schert wie etwa darum, ob man „nur“ Kassiererin oder Professorin ist oder wie viel man verdient oder so, sondern die auf Höheres ausgerichtet und damit glücklicher ist.
    Grenzen testen und überschreiten, das ist so ein Klischee, aber kein Mensch hat bei diesem Ausdruck je irgendetwas gedacht. Genauso gut könntest du schreiben, man müsse mal seine Komfortzone verlassen oder was es sonst noch an Wendungen in der sprachlichen Mottenkiste der Unsortierten gibt. Was aber das mit den Unannehmlichkeiten angeht: Gerade davon sprach ich oben. Du sprichst hier vom kleineren Übel: Beide Optionen haben ihre Vor- und Nachteile, aber die Vorteile der einen überwiegen eben ihre Nachteile. Du musstest Unannehmlichkeiten inkauf nehmen, aber am Ende überwog doch das, was dabei rauskam. Wirklich, du kannst dir schlechterdings gar nicht vorstellen, wie weit weg mir eine solche Denke, ja wie grausig mir solche Selbstentsinnung ist. Was dir ganz normal klingt und etwas ist, über das gar nicht reflektiert werden muss, klingt mir wie: „Ja freilich, ich habe mir die Hand abgehackt. Klar hat das wehgetan. Aber jemand hat mir eine Million dafür geboten, das war’s doch wert!“ Tja, ich bin kein Utilitarist, für mich gibt es keine größeren und kleineren Übel, nur Übel. Und ich wüsste wirklich keinen Grund, weshalb ich freiwillig irgendwelche Unannehmlichkeiten auf mich nehmen sollte – die sind nämlich unangenehm.
    Und auch dieses ist wieder nicht auf die kleine enge Welt des Alltags zu reduzieren. Nichts ist je darauf zu reduzieren. Man nehme doch mal für einen Augenblick einen weiteren Standpunkt ein: Die Haltung, die du hier vertrittst, ist wohl seit zweieinhalb Jahrtausenden die europäische. Sie hat Europa erlaubt, Weltmacht zu werden, die ganze Erde zu kolonialisieren, die industrielle Revolution und damit die moderne Wirtschaft und Massenproduktion anzustoßen – und sie hat all das verursacht, was hierdurch angerichtet wurde. Die Haltung ist die der Selbstentfremdung. Sie funktioniert in Kürze und etwas simplifiziert so: Ich teile mein Ich in zwei. Und nun opfere ich die Gegenwart der Zukunft auf. Das eine Ich darf nun in der Gegenwart leiden, damit es dieses andere Ich künftig einmal besser hat. Ich rede mir ein, kleine Opfer und schlechte Gefühle, die seien eben für ein größeres Gut nötig. Wo gehobelt werde, da fielen eben Späne. Eine Gesellschaft, die ihren Mitgliedern diese Haltung anerzieht (wie es eine Erziehung, die das Kind alleinlässt, ja zwangsläufig tut), bringt Leute hervor, die bereit sind, ihr halbes Leben den ganzen Tag hart zu schuften und damit eine große Industrie aufzubauen, weil sie ich einreden, davon hätten sie im Alter oder davon hätten ihre Kinder ja mal was und diese Anstrengung jetzt gerade gehöre halt dazu. Oder sie bringt Menschen hervor, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen, zu töten und getötet zu werden, was ihnen keinen Spaß macht, aber eben für ein größeres Gut, für das Vaterland, für die Zukunft, für die eigenen Kinder ist. Das Phänomen ist Arendt ja an Eichmann aufgefallen: Der hatte, wie viele andere ja auch, kein Vergnügen daran, Juden zu ermorden, es kostete im Gegenteil Überwindung und zusammengebissene Zähne, aber: es führte nunmal kein Weg dran vorbei und musste eben sein! und es war ja zum Besten aller! Ja, gerade dass es schmerzhaft war, bewies ihm selbst, dass es das Richtige war. Eben weil er die hier vertretene Haltung hatte, das Richtige und Nötige im Leben koste eben mal Selbstüberwindung oder bereite halt mal Schmerzen. Klar hätte er machen können, worauf er Lust hatte, nämlich alle Menschen leben lassen, aber, das hatte er ja schon in seiner Erziehung gelernt: nur faule Taugenichtse und selbstsüchtige Bösewichte tun nichts, als worauf sie Lust haben, der tüchtige Mensch bekämpft und unterdrückt seine Triebe und tut nicht, was er will, sondern was er muss, nicht das, worauf er Lust hat, sondern das Nötige! Erhabene Tat, auf die man zurecht stolz sein kann!
    Stellen wir uns mal einen Augenblick vor, wir lebten in einer Welt, wo die Menschen schon von Kindheit an dazu erzogen würden, nur zu tun, wozu Herz und Bauch voll und ohne Zurückhaltung ja sagen, statt klüger zu sein als diese. Dass der Einzelne seliger wäre in dieser Welt, ist sowieso evident. Aber mehr noch! Man würde keine Flüchtlinge im Mittelmeer ersäufen, nur weil man ja realistisch ist und weiß, dass man sie nicht aufnehmen kann. Man würde keine Kinder heulen lassen, nur weil es ja gut für sie ist, mal nicht auf den Arm genommen zu werden oder mal nicht zu kriegen, was sie sich wünschen. Man würde nicht als Lehrer die eigenen Schüler verraten, nur weil man ja gute Beziehungen zu einer Bürgermeisterin braucht. Die Liste ist endlos. Und es wäre so lächerlich einfach, eine solch gute Welt zu schaffen: Alles, was man tun und wozu man sich aufraffen müsste, wäre, auf Schmerz zu verzichten und ein glückliches Leben zu führen. Aber ach, eben dies will kaum einer, ihr Schmerz ist den Menschen ja teuer, man kann so stolz drauf sein und man hat so schöne Ausreden parat, wann immer man sie braucht!

  3. Beiträge anzeigen #63
    Irenicus-Bezwinger  Avatar von MiMo
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    MiMo ist offline
    Zitat Zitat von Eispfötchen Beitrag anzeigen
    Erst als ich ausgezogen war und von einem Tag auf dem anderen auf eigenen Füßen stand, konnte ich mich richtig entfalten und weiter entwickeln. Als ich dann völlig auf mich allein gestellt war, lernte ich viel darüber wer ich eigentlich bin und wie ich sein möchte, wie meine Zukunft aussehen soll und was ich im Leben erreichen möchte. Wenn ich noch zuhause geblieben wäre, wäre ich nie so selbstständig und selbstsicher geworden wie ich es jetzt bin. Erst als ich Sachen selbst erledigte, auch wenns nicht immer einfach war, merkte ich, dass einfach niemand da ist, der mir gewisse Entscheidungen abnimmt und das auch gut so ist. Dass ich selbst für mich sorgen kann und ich mich auf mich selbst auch verlassen kann. Ich wuchs mit meinen Aufgaben und ich finde, dass das eine sehr schöne Erfahrung ist.
    Das kann ich wirklich sehr gut nachvollziehen. Man findet wirklich erst dann heraus, wer man selbst ist, wenn man sich von allem anderen gelöst hat. Ich hatte mir meinen Auszug damals eigentlich überhaupt nicht als einen dramatischen Einschnitt in mein Leben vorgestellt, aber einige Monate später hatte ich wirklich das Gefühl, mich sehr stark verändert zu haben. Zum Besseren, wie ich heute immer noch annehme. Das war wirklich ein gutes Gefühl.

    Zitat Zitat von Jünger des Xardas Beitrag anzeigen
    ...
    Nun ja, es sagt aber ja keiner, dass du den ganzen Tag allein sein musst, nur weil du ausgezogen bist. Dann muss man sich halt öfter mit Freunden treffen, um täglich wen zum Reden zu haben. Das kann dann ja immer noch häufig dein Vater sein, aber dann genießt du halt die Freiheit, dich jeden Tag aufs Neue zu entscheiden, ob du ihn, jemand anderen oder niemanden sehen willst. Das ist eine Freiheit, die ich als klaren Vorteil gegenüber dem alleine Wohnen sehe. Ich finde es auch nicht schön, einen ganzen Tag mit niemandem zu reden, aber wenn ich einen ganzen Tag auf der Arbeit oder in der Uni war, dann reicht mir das als sozialer Input vollkommen, dann bin ich meistens froh, abends meine Ruhe zu haben und niemanden zu sehen. Was halt nicht geht, wenn ich nicht alleine wohne. Klar kann ich einfach meine Zimmertür zu machen und dann bin ich auch allein, aber das ist eine ganz andere Art von Alleinsein. Mindestens beim Heimkommen wird man dann ja doch zu ein bisschen Smalltalk gezwungen, oder dazu, gemeinsam zu essen. Du sagst ja selbst, dass du dich nicht mal an den PC setzen kannst, ohne dass du deinem Vater ein bisschen Smalltalk abschlagen magst. Ich glaube, das ist einfach eine Form des Alleinseins, die man erst dann zu schätzen weiß, wenn man sie auch mal erlebt hat. Ich genieße es zum Beispiel auch, zu essen wann und was ich will, meinen Müll so lange herumliegen zu lassen wie ich will, erst dann zu staubsaugen, wann ich will, ins Bett zu gehen, wann ich will, ohne dass sich da irgendjemand eine Meinung drüber bildet. Solange noch andere mit mir zusammen wohnen, hab ich ja immer ein bisschen den Hintergedanken, was dieser Mitwohnende denn denkt, wenn er sieht, dass ich immer noch nicht gestaubsaugt habe, Müll x immer noch neben dem Bett liegt, ich mir um vier Uhr nachts eine Pizza mache, etc. Diese Gedanken sind mir egal, davon lasse ich mich wirklich nicht beeinflussen, aber sie sind halt da. Und wenn sie nicht mehr da sind, merkt man erst, wie viel freier man sich ohne sie fühlt.
    Und zu der "Wenn ich etwas geschafft habe, war das ja klar, sonst hätte ich es ja gar nicht versucht"-Denkweise: In den Fällen, wo es anwendbar ist, natürlich eine tadellose Vorgehensweise. Aber ein Auszug ist so komplex, dass man sich das einfach gar nicht vorstellen kann, was da alles auf einen zukommt. Ich glaube, da fühlt man sich nie uneingeschränkt bereit zu. Jedenfalls nicht, wenn man das Ausmaß der Veränderungen erkannt hat. Das ist dann ja auch bei weitem nicht mit einem Kind zu vergleichen, das man ins Wasser wirft, bevor es schwimmen kann. Dieses Kind ertrinkt dann entweder oder hatte zumindest ganz schön Todesangst. Wenn man auszieht, sollte man natürlich keine Panik davor haben, dann ist es wirklich noch zu früh. Aber die Gewissheit, dass man alleine klarkommt, hat man eben erst, wenn man es auch versucht hat. Genau wie man nicht weiß, ob man schwimmen kann, bevor man die auf dem Trockenen geübten Bewegungen im Wasser ausprobiert hat. Und da kommt es dann ja auch längst nicht bei jedem Ausziehenden zu einem psychischen Knacks. Solange man Eltern oder Freunde hat, die einen in der Zeit nach dem Umzug unterstützen, die man anrufen kann, wenn einem mal die Decke auf den Kopf fällt, dann gibt es doch auch gar keinen Grund, warum ein halbwegs ordentlich aufgewachsener Mensch (Ich versuche das Wort "Erwachsener" zu vermeiden, weil der Reifeprozess meiner Meinung nach erst nach dem Auszug in die entscheidende Phase geht) seinen Auszug nicht stemmen sollte. Und da wage ich sogar zu behaupten, dass das weitestgehend typenunabhängig gilt.

  4. Beiträge anzeigen #64
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
    Vielleicht auch noch einmal als Einschub zum Thema Erziehung oder besser gesagt "Umgang mit Kindern" und um JüdeXens Thesen zusätzlich zu untermauern: Wenn man Tipps wie "Du musst dein Kind auch mal schreien lassen, ohne es zu trösten" oder "Du darfst nicht bei allem helfen, selbst wenn das Kind gerne Hilfe hätte" runterbricht, kommt da ja wirklich einfach die Leitlinie "Du darfst nicht zu nett zu deinen Kindern sein, auch wenn es manchmal schmerzhaft ist, aber am Ende ist es nur gut so" heraus. Und das ist ja tatsächlich eine Leitlinie, die das Verständnis von "Aufzucht" ("Erziehung" ist da wohl wirklich das falsche Wort) von Kindern sehr lange geprägt hat - und offenbar auch heute noch prägt. Ich habe da letztens erst wieder einen Artikel bei ZEIT-online gelesen (da schrillen jetzt natürlich die Alarmglocken, aber der war tatsächlich nicht ganz so scheiße - den reißerischen Titel hätte ich aber trotzdem nicht so gewählt), der das noch einmal illustriert hat, wie sich aus dem puren Unsinn geborene "Erziehungstipps" noch über Generationen fortsetzen können (und dabei auch entsprechende Folgen verursachen):

    [...]

    "Unter Analytikern und Bindungsforschern ist das schon lange ein Thema – in der Öffentlichkeit wird es ignoriert", sagt Klaus Grossmann, der zuletzt an der Universität Regensburg forschte und bereits in den 1970er-Jahren Studien zu Mutter-Kind-Bindungen durchführte. Dabei konnte er im Labor immer wieder Szenen wie diese beobachten: Ein Baby weinte. Die Mutter ging auf das Kleine zu, doch kurz bevor sie bei ihm war, stoppte sie. Obwohl nur wenige Meter weiter ihr Kind schrie, machte sie keine Anstalten, es hochzuheben oder zu trösten. "Wenn wir die Mütter fragten, warum sie das taten, sagten sie: Sie dürften das Kind ja nicht verwöhnen."

    Sätze wie dieser und Sprichwörter wie "Ein Indianer kennt keinen Schmerz" sind bis heute verbreitet. Selbst der Bestseller Jedes Kind kann schlafen lernen von Annette Kast-Zahn und Hartmut Morgenroth deutet in eine ähnliche Richtung. Das Buch rät, Kinder mit Ein- oder Durchschlafproblemen allein in ein Zimmer zu legen und in immer länger werdenden Abständen zwar nach ihnen zu sehen und mit ihnen zu sprechen, sie aber nicht hochzuheben – selbst, wenn sie weinen.

    "Am besten ist das Kind in einem eigenen Zimmer untergebracht, in dem es dann alleine bleibt", schrieb auch Johanna Haarer in ihrem 1934 veröffentlichten Ratgeber Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind. Beginnt das Kind zu schreien oder zu weinen, solle man es ignorieren: "Fange nur ja nicht an, das Kind aus dem Bett herauszunehmen, es zu tragen, zu wiegen, zu fahren oder auf dem Schoß zu halten, es gar zu stillen. Das Kind begreift unglaublich rasch, dass es nur zu schreien braucht, um eine mitleidige Seele herbeizurufen und Gegenstand solcher Fürsorge zu werden. Nach kurzer Zeit fordert es diese Beschäftigung mit ihm als ein Recht, gibt keine Ruhe mehr, bis es wieder getragen, gewiegt oder gefahren wird – und der kleine, aber unerbittliche Haustyrann ist fertig!"

    Das Baby als ein Quälgeist, dessen Wille es zu brechen gilt – so sah Johanna Haarer Kinder. Die Folgen dieser Sichtweise könnten auch heute noch spürbar sein. Ob es um die geringe Geburtenrate geht, die vielen Menschen, die geschieden sind oder allein leben, die starke Verbreitung von Burn-out, Depressionen oder psychischen Erkrankungen im Allgemeinen – manche Forscherinnen, Ärzte oder Psychologen spekulieren darüber, dass eine ganze Reihe von Phänomenen mit der antrainierten Bindungs- und Gefühlslosigkeit in Verbindung stehen könnte.

    [...]
    https://www.zeit.de/wissen/geschicht...omplettansicht

    Der Klassiker "Du musst dein Kind schreien lassen, denn das kräftigt die Lunge" wird natürlich auch erwähnt:
    "Das Kind wird gefüttert, gebadet und trockengelegt, im Übrigen aber vollkommen in Ruhe gelassen", riet damals Johanna Haarer. Sie schilderte detailreich körperliche Aspekte, ignorierte aber alles Psychische – und warnte geradezu vor "äffischer" Zuneigung: "Die Überschüttung des Kindes mit Zärtlichkeiten, etwa gar von Dritten, kann verderblich sein und muss auf die Dauer verweichlichen. Eine gewisse Sparsamkeit in diesen Dingen ist der deutschen Mutter und dem deutschen Kinde sicherlich angemessen." Gleich nach der Geburt sei es empfehlenswert, das Kind für 24 Stunden zu isolieren; statt in einer "läppisch-verballhornten Kindersprache" solle die Mutter ausschließlich in "vernünftigem Deutsch" mit ihm sprechen, und wenn es schreie, solle man es schreien lassen. Das kräftige die Lungen und härte ab.
    Geändert von John Irenicus (14.09.2018 um 11:32 Uhr)

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    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
    Zitat Zitat von MiMo Beitrag anzeigen
    "Das kräftige die Lungen."

    Bestürzend, aber auf eine morbide Art und Weise urkomisch.
    Ja, ich verstehe glaube ich genau, wie du das meinst, ich muss über sowas dann auch immer lachen. Ein weiterer Favorit ist "Kohlentragen stärkt die Glieder" um zu rechtfertigen, warum man seine Kinder zu körperlich überfordernden Arbeiten gezwungen hat. Man kann sich halt jeden Scheiß ausdenken.

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    Auserwählter Avatar von alibombali
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    alibombali ist offline
    Zitat Zitat von Jünger des Xardas Beitrag anzeigen
    ali wird doch vor allem von anderen als links eingeordnet; das ist mir auch schon oft genug passiert. Außerdem habe ich nichts gegen peinliche Leute [Bild: rotes_bluemchen.gif]
    ali gendert aber!

    Aber stimmt schon. Dass ich vor allem früher als so wahnsinnig links gesehen wurde (und mich dann auch selbst so gesehen habe), resultierte wohl vor allem aus dem rechtskonservativen Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Unter edgy Teenagern (mich eingeschlossen) war es dann halt jede Pause cool, wieder über Politik zu reden und da war ich dann immer ali der Kommunist. Irgendwann, als ich dann so einen ganz netten Punk kennengelernt und mit ihm ab und zu Zeit verbracht hatte, begannen dann einige aus der Schule, sich Sorgen um mich zu machen, wo ich denn da reingerate. Sie selbst sind in Studentenverbindungen reingeraten, aber das war ja okay.
    Ich sehe mich schon immer noch irgendwie als links, weil ich diese Kategorisierung auch nicht ganz abgelegt habe, und fühle mich auch oft unter Leuten wohl, die sich als links sehen. Aber ich bin mir schon bewusst, dass es da auch richtig viele Arschlöcher gibt, die das auch für sich in Anspruch nehmen. Siehe einige bestimmte Personen im besteforum2, die von der Auslöschung Israels träumen oder so. Was ich komplett abgelegt habe, ist, das zu so einer peinlichen Attitüde zu machen; schlechte Bands zu hören, nur weil sie linke Texte haben, irgendwas durch Aufnäher an der Kleidung zum Ausdruck bringen wollen etc. Auch wenn ich wohl immer noch keine sehr selbstsichere Person bin, habe ich gemerkt, dass ich seitdem ich aufgehört habe, mich irgendwie so geben zu wollen, deutlich selbstsicherer geworden bin.

  8. Beiträge anzeigen #68

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    Sapere aude  Avatar von Jünger des Xardas
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    Zitat Zitat von MiMo Beitrag anzeigen
    Das kann ich wirklich sehr gut nachvollziehen. Man findet wirklich erst dann heraus, wer man selbst ist, wenn man sich von allem anderen gelöst hat.
    Kaum gewagte These: Die meisten Menschen, ob ausgezogen oder bei den Eltern lebend, finden nie raus, wer sie sind.
    Auch nicht sonderlich gewagte These: Die meisten Menschen, ob ausgezogen oder bei den Eltern lebend, können auch gar nicht rausfinden, wer sie sind, weil sie tatsächlich niemand sind.
    Ebenso wenig gewagte These: Eigentlich geht's im Leben auch nicht darum, wer man ist, sondern wer man werden will. Sensfixiertheit hat noch niemanden weit gebracht.
    Nun ja, es sagt aber ja keiner, dass du den ganzen Tag allein sein musst, nur weil du ausgezogen bist. Dann muss man sich halt öfter mit Freunden treffen, um täglich wen zum Reden zu haben. Das kann dann ja immer noch häufig dein Vater sein, aber dann genießt du halt die Freiheit, dich jeden Tag aufs Neue zu entscheiden, ob du ihn, jemand anderen oder niemanden sehen willst. Das ist eine Freiheit, die ich als klaren Vorteil gegenüber dem alleine Wohnen sehe. Ich finde es auch nicht schön, einen ganzen Tag mit niemandem zu reden, aber wenn ich einen ganzen Tag auf der Arbeit oder in der Uni war, dann reicht mir das als sozialer Input vollkommen, dann bin ich meistens froh, abends meine Ruhe zu haben und niemanden zu sehen. Was halt nicht geht, wenn ich nicht alleine wohne. Klar kann ich einfach meine Zimmertür zu machen und dann bin ich auch allein, aber das ist eine ganz andere Art von Alleinsein.
    Na ja, mit Verlaub, mein Freiheitsbegriff reicht doch etwas weiter [Bild: rote_zunge.gif] (Außerdem könnte ich mich im Grunde auch jetzt schon dazu entscheiden. Wenn ich wollte, könnte ich auch einfach mal in Papas Praxis übrnachten. Aber warum sollte ich?)
    Außerdem ging es ja nicht drum, dass ich, wenn ich allein leben würde, zu völliger Einsamkeit verdammt wäre. Klar kann ich mich mit Freunden treffen. Oder auch mit Papa. Aber es ging ja drum, was sich bei einem zuhause abspielt. Sonst könnte ich das Argument ja genauso gut umdrehen und sagen: Wenn du zuhause lebst und auf deine Eltern keinen Bock hast, kannst du ja einfach rausgehen, zwingt dich ja niemand, den ganzen Tag in der Bude zu hocken. Zuhause wäre ich eben alleine, wenn ich nicht gerade Besuch hätte; und den hat man ja nicht unbedingt täglich bzw. wenn doch, kann man ja auch gleich mit wem zusammenwohnen. Der Punkt war auch nicht, dass ich einfach ein bestimmtes Maß an Interaktion mit anderen Menschen am Tag brauche, egal mit wem, egal wann. Speziell abends habe ich gerne wen um mich. Man muss ja auch gar nicht immer reden. Gibt auch Abende, wo wir beide für uns am Computer sitzen oder Papa dann Fernsehen schaut, während ich am Computer bin oder so. Aber das Gefühl ist halt doch anders, wenn da noch wer mit im Raum sitzt. Und ich weiß ja auch, wie es sich anfühlt, wenn da keiner ist. Kommt nicht oft vor, aber wenn Papa ein-, zweimal im Jahr abends weg ist, weil Weihnachtsfeier bei irgendeiner Praxis ist, dann bin ich auch mal abends allein, koche mir selbst, sitze dann ganz allein mit mir selbst und einer einzelnen brennenden Birne am Tisch, mampfe da vor mich hin. Die Wohnung fühlt sich richtig leer und verlassen an. Und wenn ich mir jetzt vorstelle, das sollte nicht nur mal ausnahmsweise, sondern Abend für Abend so gehen... Nee, mag ja sein, dass andere da einfach anders drauf sind, aber ich brauche da schon wen um mich. Muss ja nicht zwingend Papa sein. Bei CTs hocke ich dann halt abends mit den Forengesellen hier zusammen und esse mit denen oder so. Und eines Tages wohne ich vielleicht mit einer eigenen Familie zusammen. Aber den ganzen Abend gar niemanden um mich herum haben? Fände ich schrecklich.
    Mindestens beim Heimkommen wird man dann ja doch zu ein bisschen Smalltalk gezwungen, oder dazu, gemeinsam zu essen. Du sagst ja selbst, dass du dich nicht mal an den PC setzen kannst, ohne dass du deinem Vater ein bisschen Smalltalk abschlagen magst.
    Also Smalltalk machen wir eh keinen, es sei denn, du rechnest "Hallo" dazu, was mir aber nun noch nie irgendwelchen Ärger bereitet hat. Und ansonsten liest sich das bei dir so schrecklich. "Gezwungen". "Nicht mal, ohne". Als wären das irgendwelche ganz schrecklichen Einbußen, die ich eben inkauf nehmen müsste. Ich sagte doch oben z.B., dass ich Papa schon bitten könnte, mich mal für zwei Stunden in Ruhe zu lassen, wenn ich ein Speedbattle bestreiten würde, nur dass ich das selber gar nicht WILL, dass ich das einfach blöd fände. Das liest sich hier für mich eher, als hättest du die ganze Zeit dich selbst, deine eigene Situation mit deinen Eltern oder so im Kopf. Aber Menschen sind nun einmal unterschiedlich. Bei anderen ginge mir das vielleicht auch anders, hätte ich bei meiner Mutter gelebt, wäre ich, wie gesagt, schon mit 18 ausgezogen, aber ich lebe nun mal mit meinem Vater zusammen, und da habe bin ich nie auch nur auf den Gedanken gekommen "Mensch, heute würde ich gerne alleine oder vielleicht jetzt gerade gar nicht essen, aber scheiße, jetzt MUSS (!!!!!) ich mich leider zu dem an den Tisch setzen".
    Ich glaube, das ist einfach eine Form des Alleinseins, die man erst dann zu schätzen weiß, wenn man sie auch mal erlebt hat.
    Siehe oben. Habe ich schon erlebt, wenn auch immer nur für einen Abend, aber das reicht mir ja, um zu wissen, dass ich das nicht noch mehrere Abende in Folge haben will. Außerdem kann ich solche Aussagen nicht leiden: "Wenn du X erst einmal selber probiert hast, dann wird es dir auch gefallen, jetzt fehlt dir doch die Erfahrung, das zu beurteilen!", wo dann immer unterstellt scheint, X MUSS gefallen, es könne keinen anderen Grund geben, es abzulehnen, als den, dass man es noch nicht kennt. (Ich denke gerade dran, wie wir bei einem meiner Schüler zu Besuch waren, und sein Vater loslegte, ihn vor versammelter Mannschaft dazu zu treiben, doch endlich mal einen Führerschein zu machen, auch übrigens über uns urteilte, wir seien alle nicht normal, weil keiner von uns einen hatte oder machte. Da hieß es dann auch: "Woher willst du denn wissen, dass du nicht gerne Auto fährst? Du hast es ja noch nie gemacht. Vielleicht gefällt es dir ja. Du hast ja gar nciht die Erfahrung. Vielleicht solltest du auf mich hören. Im Gegensatz zu... anderen Leuten hier [damit war ich gemeint, weil er davon ausgeht, dass ich böser Manipulator schuld bin, dass da alle keinen Führerschein machen] habe ich nämlich Erfahrung!" Ich hätte ihn in dem Moment wirklich gerne gefragt, ob er schon mal Sex mit einem Mann ausprobiert hat, aber kam nach reiflicher Überlegung dann doch zu dem Schluss, dass man das einen gerade bereits angepissten türkischen Vater in seiner eigenen Wohnung, der doch nicht unwesentlich größer und kräftiger als man selber ist, nicht fragt.) Ist es so abwegig, dass andere Menschen einfach anders als man selber sein könnten?
    Ich genieße es zum Beispiel auch, zu essen wann und was ich will, meinen Müll so lange herumliegen zu lassen wie ich will, erst dann zu staubsaugen, wann ich will, ins Bett zu gehen, wann ich will, ohne dass sich da irgendjemand eine Meinung drüber bildet.
    Tue ich alles. Außer staubsaugen, wann ich will. Na ja, im Grunde auch das: Ich will nie und ich mache es auch nie.
    Solange noch andere mit mir zusammen wohnen, hab ich ja immer ein bisschen den Hintergedanken, was dieser Mitwohnende denn denkt, wenn er sieht, dass ich immer noch nicht gestaubsaugt habe, Müll x immer noch neben dem Bett liegt, ich mir um vier Uhr nachts eine Pizza mache, etc. Diese Gedanken sind mir egal, davon lasse ich mich wirklich nicht beeinflussen, aber sie sind halt da. Und wenn sie nicht mehr da sind, merkt man erst, wie viel freier man sich ohne sie fühlt.
    Nichts für ungut, aber: Meinen Schülern habe ich früh beigebracht: Wer "man" sagt, lügt - wahrscheinlich gegenüber sich selber; und wenn ich dann lese "sind mir wirklich egal, aber ich bin froh, wenn ich die nicht haben muss, und fühle mich ohne viel freier!!", na ja... [Bild: rote_zunge.gif]
    Also ich habe solche Gedanken nicht. Wenn ich sie hätte... tja, dann würde ich mich wohl zunächst mal fragen, wo diese Gedanken herkommen. Bei dir liest sich das, als hätte man die einfach, als wären Gedanken einfach aus dem Nichts da und als hätte man selber mit seinen eigenen Entscheidungen gar nichts mit diesen Gedanken zu schaffen, als wären die irgendetwas Fremdes, das einem halt so eingegeben wird. Und dann sollen diese Gedanken (sollen, denn eigentlich widersprichst du dem ja selbst sofort) auch noch gar keinen Einfluss auf gar nichts haben, sind also einfach nur da, ohne irgendwie zu wirken. Kommen von nichts, machen nichts, gehen ins Nichts - sind also auch Nichts? Solche Nichtigkeiten sind genau die Sachen, die ich meinen Schülern austreibe [Bild: rote_zunge.gif]
    Und zu der "Wenn ich etwas geschafft habe, war das ja klar, sonst hätte ich es ja gar nicht versucht"-Denkweise: In den Fällen, wo es anwendbar ist, natürlich eine tadellose Vorgehensweise.
    Der Satz gilt immer (was ja aus seinem Inhalt hervorgeht: entweder er trifft immer oder er trifft nie zu; jetzt wie du zu tun, als treffe er eben manchmal zu, geht ja an seinem Sinn gänzlich vorbei und setzt ihn zur bloßen Tautologie herab). Du hast ihn, wenn ich mir das Folgende so anschaue, einfach nur in einem ganz anderen Sinne interpretiert.
    Aber ein Auszug ist so komplex, dass man sich das einfach gar nicht vorstellen kann, was da alles auf einen zukommt. Ich glaube, da fühlt man sich nie uneingeschränkt bereit zu. Jedenfalls nicht, wenn man das Ausmaß der Veränderungen erkannt hat. Das ist dann ja auch bei weitem nicht mit einem Kind zu vergleichen, das man ins Wasser wirft, bevor es schwimmen kann. Dieses Kind ertrinkt dann entweder oder hatte zumindest ganz schön Todesangst. Wenn man auszieht, sollte man natürlich keine Panik davor haben, dann ist es wirklich noch zu früh. Aber die Gewissheit, dass man alleine klarkommt, hat man eben erst, wenn man es auch versucht hat. Genau wie man nicht weiß, ob man schwimmen kann, bevor man die auf dem Trockenen geübten Bewegungen im Wasser ausprobiert hat. Und da kommt es dann ja auch längst nicht bei jedem Ausziehenden zu einem psychischen Knacks. Solange man Eltern oder Freunde hat, die einen in der Zeit nach dem Umzug unterstützen, die man anrufen kann, wenn einem mal die Decke auf den Kopf fällt, dann gibt es doch auch gar keinen Grund, warum ein halbwegs ordentlich aufgewachsener Mensch (Ich versuche das Wort "Erwachsener" zu vermeiden, weil der Reifeprozess meiner Meinung nach erst nach dem Auszug in die entscheidende Phase geht) seinen Auszug nicht stemmen sollte. Und da wage ich sogar zu behaupten, dass das weitestgehend typenunabhängig gilt.
    Die Behauptung war doch nie, dass ein Auszug keine große Sache ist. Aber auch für eine große Sache kann man ja bereit sein und die mit gutem Gefühl schultern, statt sich da irgendwie mit mulmigem Bauch durchzuschlagen. Und dass 99% aller Menschen es schaffen, auszuziehen, ist auch klar, das müssen wir hier ja nicht ernsthaft festhalten. Ich habe auch nie behauptet, dass der Durchschnittsmensch, selbst wenn unvorbereitet, da Todesängste durchsteht oder nun für immer so traumatisiert ist, dass er den Rest seines Lebens in Behandlung gehört, oder derart Absurdes. Aber die Frage ist halt schon, wie läuft das mit dem Ausziehen und was heißt "schaffen"? 99% der Menschen lernen auch früher oder später laufen. Aber wie ich schon schrieb: Es gibt die, die ganz früh loszulaufen versuchen und dabei oft hinfliegen. Es gibt auch die, die schon früh gezwungen werden, es zu versuchen, weil die Eltern ihnen irgendwann die Hand verweigern, und die sicher auch oft erstmal hinfliegen. Und dann eben gibt es die, die, wie ich z.B., vergleichsweise lange beim Laufen an der Hand gehalten werden wollen, das Glück haben, von ihren Eltern in ihrer Entwicklung geachtet zu werden, und - oh Wunder, nicht etwa ihr Leben lang an der Hand geschleift werden, sondern ebenfalls laufen lernen und dann, wenn sie es endlich tun, sogar von Anfang an sicheren Schrittes und ohne Hinfallen gehen. Laufen können sie am Ende alle, nur die einen haben sich dabei eben deutlich wohler gefühlt. Und es wäre auch interessant, nach den Langzeitfolgen zu fragen. Ich weiß hier keine Studien, aber ich wäre sofort bereit, Wetten darauf abzuschließen, dass die aus der letzten Gruppe dann auch besser laufen und Jahre später seltener künstliche Knie oder so brauchen als die anderen. (Beim Ausziehen ist es ja, wie auch schon angemerkt, eben so und gibt sehr wohl Studien: Wer's später macht, hat am Ende meist die bessere Position im Beruf, ist zufriedener und kommt besser mit dem Leben klar. Ein Ergebnis, was ja nun auch wirklich nicht überraschen sollte.) Von mir selber weiß ich da ein Beispiel, weil ich hier dummdeutscher Standarderziehung ausgesetzt, statt von Papa getragen war: Das Schreibenlernen. Als wir damit in der ersten Klasse loslegten, durften wir die Buchstaben so groß malen, wie wir wollten, und ich hatte viel Freude daran, große Bögen und Kringel zu machen. Bald darauf hat dann meine Klassenlehrerin beschlossen: Wir müssen jetzt ordentlich und innerhalb der vorgegebenen Linien schreiben. Bei mir war die Bahnung für die Buchstaben noch gar nicht abgeschlossen, aber das spielte keine Rolle, ohne Rücksicht drauf, wo wir jeweils in unserer Entwicklung steckten, wurden wir genötigt, schön klein zu schreiben. Heute habe ich eine hässliche Krackelschrift, für die mich im Gymnasium viele Lehrer gerügt haben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass, hätte man mich nur gelassen, ich nach genügend Zeit von selbst kleiner und dabei auch schöner geschrieben hätte. Das ist nun nur eine Kleinigkeit und auch nicht so schlimm (ich schreibe heute sowieso so gut wie gar nicht mehr von Hand), aber es illustriert das Prinzip, welches auch in anderen Feldern wirksam ist und dort viel mehr Schaden anrichten kann. Du sagst ja selbst, es ist noch zu früh, wenn man Panik vor dem Ausziehen hat, womit du auch ganz Recht hast (wobei ich weitergehen und von Unwohlsein sprechen würde; auch dann ist es noch zu früh). Aber danach erzählst du Quatsch, denn man kann sehr wohl, bevor man eine Sache tut, gewiss sein, dass man es auch kann, und ich würde mich nie mit diesem Gefühl der Ungewissheit in irgendetwas hineinstürzen, das wäre mir viel zu unentspannt. (Das Thema gab es hier ja übrigens vor einiger Zeit: Diese Gewissheit ist der Mut. Die Ungewissheit und das von ihr ausgelöste Unwohlsein sind die Angst. Diese überwinden und sich zwingen, sich trotzdem in die Sache zu stürzen, ist Tapferkeit. Wir leben leider in einer Unkultur, die überhaupt nicht weiß, dass es so etwas wie Mut überhaupt gibt (mir will man es ja auch nicht glauben), die Tapferkeit mit Mut verwechselt und die meint, man müsste eben tapfer sein im Leben, ja das sogar für eine Tugend hält, anstatt sich drum zu kümmern, Mut auszubilden.) Und hier ist es um unsere Welt leider folgendermaßen bestellt: Viele, die sich um Kinder zu kümmern haben (Eltern, Erzieher, Lehrer), achten nicht deren Individualität und deren Entwicklungstempo und helfen ihnen nicht, erst Lebensmut zu entwickeln, damit sie DANN frohen Muts ihren eigenen Weg beschreiten und dabei erfolgreich sein können. Stattdessen sind sie eben klüger als die Kinder und deren Fühlen, lassen die über ihren eigenen Weg auch gar nicht entscheiden, sondern geben ihnen einen vor, auf den sie die Kinder dann schubsen, auch wenn die noch gar nicht bereit sind, und dann heißt es eben: "Komm klar!", "Friss oder stirb!", "Du musst Selbstständigkeit lernen!" usw. Und die Kinder selber, wenn sie ein bisschen älter sind (oft schon sehr früh), fühlen auch nicht mehr hin, was ihr Bauch gerade trägt, und arbeiten auch nicht mehr an sich, um erstmal die Basis für das zu schaffen, was sie vorhaben, sondern kämpfen tapfer alle unguten und warnenden Gefühle nieder (ja, warnend, und richtig warnend, denn so etwas wie falsche Gefühle, die abzulehnen und zu bekämpfen sind, gibt es ja nicht, sondern die Gefühle sind wichtige Hinweise und Aufforderungen, uns um die Verwirklichung unserer Wünsche zu kümmern) und stürzen sich in Sachen, für die sie noch gar nicht bereit sind, was dann mit den entsprechenden Ängsten verbunden ist. Dies wohl vornehmlich aus zwei Gründen: Einmal hat die Erziehung der Eltern, Erzieher und Lehrer, die ihr Fühlen und ihr Tempo ja eh immer ignoriert hat, dafür gesorgt, dass dieses nie cultiviert wurde, sondern völlig verkümmert ist, bzw. dass die Kinder irgendwann selbst gelernt haben, dieses auch zu ignorieren, da es ja doch nie gezählt hat. Zum anderen wird man mit zunehmendem Alter immer klüger und sammelt immer mehr Vorstellungen davon an, was "richtig" und "normal" ist und wie es zu sein hat, bis man dann am Ende vielleicht trotz Unwohlsein auszieht, weil alles andere ja "peinlich" wäre (derart Sklave der Vorurteile seiner Umwelt zu sein, anstatt diese kritisch hinterfragen und auf sie pfeifen zu können, ist zwar nicht gerade aufgeklärt, aber besagte Erziehung bringt ja auch keine aufgeklärten Menschen hervor). Tja, und weil weder die Eltern usw. noch, ab einem bestimmten Alter, die Kinder selber drauf achten, wie sie sich mit einer bestimmten Sache fühlen und ob sie dafür überhaupt bereit sind, kommen dann eben lauter unsichere und von Ängsten geleitete Durchschnittsmenschen dabei raus. Die kennen sich dann gerade nicht oder können sich selbst entfalten oder was auch immer man nach dem Ausziehen tun und können soll: Angst macht nämlich steif und blind, sie hemmt die Entwicklung und das freie Hinschauen, ganz sicher fördert sie sie nicht. Dass das ziemlich ungute Folgen für die einzelnen Kinder hat, ist eigentlich hinreichend bekannt (gibt z.B. eine Studie, wonach 98% der Kleinkinder unter 2 zu Kreativität, eigenen Problemlösungen, selbstständigen Ideen usw. fähig sind, während es bei denselben Kindern, wenn sie 14 sind und ein paar Jahre Schule und Erziehung hinter sich haben, nur noch 2% sind; auch einer meiner Schüler, der ein Praktikum in einem Kindergarten für unter Dreijährige und dann eines in einem mit etwas älteren Kindern gemacht hat, war entsetzt, dass da schon ganz viele wie kleine Erwachsene und viel kälter seien). Aber wie ich darlegte, hat es (was ja eigentlich klar ist, denn solche Erwachsene leben dann ja nicht für sich allein und ohne Einfluss auf andere) auch gewaltige Folgen für die Welt insgesamt. Fichte hatte schon seine Gründe, ab einem gewissen Punkt seines Denkens alle verbliebene Hoffnung in eine völlig neue Nationalerziehung von Kindesbeinen an zu setzen...
    (Und was den Reifeprozess angeht: Wenn der so etwas wie eine entscheidende Phase hat, dann kommt die, da sind sich Astrologie und Psychologie ganz einig, doch erst so um 42, wenn die große Pubertät reinhaut. Leute in den Dreißigern sind doch noch keine Erwachsenen. Ansonsten aber ist so eine Pauschalaussage doch Blödsinn, das musst du doch selbst auch merken. Entwickeln tut man sich eh sein Leben lang, das ist auch nie abgeschlossen. Und manch einer wird nun früher besonders erwachsen, manch einer später. Manch einem hilft es, auszuziehen, ein anderer braucht das für seine Entwicklung nicht. Und viele werden nie wirklich erwachsen. Muss man differenziert sehen!, wie es so schön heißt.)
    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    Vielleicht auch noch einmal als Einschub zum Thema Erziehung oder besser gesagt "Umgang mit Kindern" und um JüdeXens Thesen zusätzlich zu untermauern: Wenn man Tipps wie "Du musst dein Kind auch mal schreien lassen, ohne es zu trösten" oder "Du darfst nicht bei allem helfen, selbst wenn das Kind gerne Hilfe hätte" runterbricht, kommt da ja wirklich einfach die Leitlinie "Du darfst nicht zu nett zu deinen Kindern sein, auch wenn es manchmal schmerzhaft ist, aber am Ende ist es nur gut so" heraus. Und das ist ja tatsächlich eine Leitlinie, die das Verständnis von "Aufzucht" ("Erziehung" ist da wohl wirklich das falsche Wort) von Kindern sehr lange geprägt hat - und offenbar auch heute noch prägt. Ich habe da letztens erst wieder einen Artikel bei ZEIT-online gelesen (da schrillen jetzt natürlich die Alarmglocken, aber der war tatsächlich nicht ganz so scheiße - den reißerischen Titel hätte ich aber trotzdem nicht so gewählt), der das noch einmal illustriert hat, wie sich aus dem puren Unsinn geborene "Erziehungstipps" noch über Generationen fortsetzen können (und dabei auch entsprechende Folgen verursachen):



    https://www.zeit.de/wissen/geschicht...omplettansicht

    Der Klassiker "Du musst dein Kind schreien lassen, denn das kräftigt die Lunge" wird natürlich auch erwähnt:
    Bei so was könnte ich echt schon wieder kotzen. Aber: Das sind halt wirklich ganz aktuelle Ratschläge und wird auch heute noch genauso vertreten. Dass die Kinder z.B. vernünftiges Deutsch hören sollen. Ich weiß noch, wie ich früher der einzige war, der die Teletubbies schaute, weil das anderen Kindern von ihren mittelstandsintellektuellen Eltern untersagt wurde; ja nun, ich will doch meinen, dass mein Deutsch heute etwas besser als das dieser Kinder ist. Oder wie gesagt, ich hätte da von meiner Musterschülerin (und auch dem anderen Schüler, den ich jetzt erwähnte) zig Horrorstorys zu berichten. Da kam z.B. auch genau das mit dem kleinen Tyrann vor: Die Kindergärtnerinnen wollten meiner Schülerin ausreden, ein schreiendes noch nicht einjähriges Kind auf den Arm zu nehmen, wodurch es sich sofort beruhigte: Da merke der Kleine doch, dass er nur zu kacken brauche, und dann komme sie angerannt, sie lasse sich von ihm knechten! Meine Schülerin meinte dazu zum Glück nur mit breitem Lächeln: "Ja, gerne!" Aber mal ehrlich, ebenso wie ich oben den Kram mit dem "zur Last fallen" oder "sich übers Kind beschweren, weil es so stressig ist, dass man ein Ventil braucht" pervers fand, frage ich mich hier: Was für ein krankes Verhältnis muss man zum Kind oder überhaupt zum Leben haben, was muss man vor allem selbst für ein Mensch sein (denn so ein ganz kleines Kind macht einfach, das klügelt noch nicht, das kennt kein "um zu", das überlegt sich nicht "hm, eigentlich geht es mir jetzt nicht so schlecht, dass ich schreien müsste, aber ich tue einfach mal so, damit die Erzieherin kommt"; aber dafür ist es ein altbekanntes Phänomen, dass die meisten Menschen ganz selbstverständlich davon ausgehen, alle anderen wären ebenso wie sie, weshalb man daraus, was sie anderen unterstellen, in der Regel sehr viel mehr über sie selbst als über diese anderen entnehmen kann), dass man nur in solchen Herr-Knecht-Kategorien zu denken vermag. Man will dem Kind Gutes und kümmert sich darum, dass es sich wohlfühlt, man fragt doch nicht, wer hier nun wen beherrscht!
    Ich selber habe da ja auch schon genug erlebt. Ich mache z.B. immer den Kuscheltierverkauf in meiner alten Grundschule beim Adventsnachmittag, und ein Erlebnis hat sich da wohl für immer eingebrannt (wobei es eigentlich mehrere ähnliche gab): Da will ein kleines Mädchen, das nicht älter ist als vier, gerne ein Kuscheltier. Ein ganz kleines, möchte ich noch dazu sagen, das auch nur einen lumpigen Euro kostete. Es holt seine Mutter, die aber entscheidet: Nein, Tochter bekommt kein Kuscheltier. Tochter fängt natürlich an, zu weinen. Da habe ich vorgeschlagen, ihr das Kuscheltier zu schenken und den einen Euro selbst zu bezahlen (auch wenn das schon ziemlich armselig von der Mutter gewesen wäre), aber nein, die erklärte mir mit abgeklärter Miene: Das Kind habe schon so viele Kuscheltiere (und ich WEISS, dass das nicht stimmt; wahrscheinlich hatte es kein Dutzend; ich habe viele Kuscheltiere, weit über fünfhundert, ich weiß, wovon ich rede), es müsse lernen, dass es nicht alles bekommen könne. Und dann hat sie das noch durch den ganzen Gang heulende und sich sträubende Mädchen weggezogen. Und hier ist der traurige Witz doch: Das ist ja nicht nur gegenüber der Tochter, sondern auch gegenüber dem eigenen Herzen grausam. Kann mir doch keiner erzählen, dass die Mutter Spaß dran hat, ihre Tochter zum Weinen zu bringen und sich jetzt damit rumzuschlagen, während es so einfach wäre, ja dank mir nicht mal den einen Euro kosten würde, ihr eine Freude zu machen. Diese kleine Szene ist doch ein wudnerbarer Beweis für so viele meiner zentralen Sätze, die man mir so ungern glaubt: Dass unaufgeklärt sein auch immer heißt, unglücklich zu sein bzw. sich selbst unglücklich zu machen - der Stress so vieler Eltern, von dem Eispfötchen redet, kommt doch nur daher, weil sie ihn sich selber machen, und Papa musste sich deshalb nei über mich beklagen, obwohl auch er bei den Hausaufgaben geholfen oder mich irgendwo hingebracht hat und all den Kram, weil er mir das Kuscheltier gekauft und ich ihn nicht minutenlang vollgeheult hätte. Oder dass, wer andere nicht achtet und denen Schmerzen verursacht, auch sich selbst nicht achtet und quält (letztes Jahr wurden mir ja praktische Beispiele abgefordert; wenn das mal keins ist!).
    Was das angeht, ist kaum etwas auf der Welt einfacher und idiotensicherer als der gescheite Umgang mit einem Kind (wie ja auch obige Mutter mit einer winzigen Handlung sich und dem Kind das Leben sehr viel leichter hätte machen können): Kind weint Kind lacht und strahlt It's literally that easy. Die zwei Schüler, die ich schon erwähnte, beherzigen in ihrem Umgang mit Kindern, was sie bei mir gelernt haben, und siehe da: Sie sind stets deren heiß geliebteste Bezugspersonen, bei denen die sich am wohlsten Fühlen. Der kleine Bruder meines einen Schülers, der von den Eltern nur allein gelassen wird, will sich mittlerweile auch nur von dem noch waschen oder vom Kindergarten abholen lassen. Beide Schüler können im Kindergarten weinende Kinder sofort wieder froh machen, sodass die langjährigen Erzieherinnen nur große Augen machen (diese haben freilich nicht mal das Minimum an Aufklärung, dass sie daraus ihre Lehren ziehen, aufhören, denen herzlose Erziehungstipps geben zu wollen, und lieber mal hinschauen, was die denn anders machen). Am liebsten sind mir die Erzählungen meiner Schülerin von drei Geschwistern, die sie babysittet: Die kommen aus einem furchtbaren Bildungsbürgerhaushalt. Das älteste Kind (auch erst sechs oder sieben) belehrte meine Schülern beim zweiten Mal Babysitten noch, als der kleine Bruder etwas lauter war: "Du musst ihn jetzt bestrafen" und stellte, als meine Schülerin meinte, sowas mache sie nicht, klar: "Aber so erzieht man! Durch Strafen!" (Ich überlasse es eurer Fantasie, was für Eltern das sein müssen und wie man mit einem Kind umgehen muss, dass es schon mit sechs, sieben Jahren so einen Satz von sich gibt.) Nun, schon beim erste Mal Babysitten war die Vorgabe der Mutter: Spätestens um 20 Uhr sollen die Kinder im Bett sein und schlafen. Als sie um 22 Uhr heimkam, fiel sie aus allen Wolken, als sie erfuhr, dass die Kinder tatsächlich schliefen. Das hatte noch kein Babysitter und sie selber auch nicht geschafft. Was hatte meine Schülerin gemacht? Auf die Vorgabe gepfiffen, die Kinder einfach spielen lassen, mit denen geplaudert, denen was vorgelesen (und zwar nicht, wie die Mutter vorgeschrieben hatte, nur ein Buch, auf das die Kinder sich einigen mussten, sondern jedes bekam seinen Vorlesewunsch erfüllt), tja und dann waren die Kinder müde, fühlten sich zudem wohl und schliefen ein. Die Mutter, die die jeden Abend rücksichtslos pünktlich ins Bett schicken wird, darf sich dann jeden Abend damit rumschlagen, dass die Kinder jammern, noch stundenlang nicht einschlafen usw. - ja, wenn DIE über ihre Kinder klagt und ein "Ventil" braucht, kein Wunder: selber schuld.
    Aber da greift eben, was ich schon erwähnte und was Arendt aufgefallen ist (was sich aber auch schon bei Brecht, bei Fichte, bei Machiavelli, im Ansatz bei Kant findet): Es gibt bei uns ein extrem gefährliches Vorurteil, das seine Ursprünge im Christentum haben mag (nur da; im Islam gibt's sowas nicht, und ich meine, auch im Judentum nicht wirklich): Der Teufel ist der Verführer. Das Böse macht Spaß. Die Bösen verbringen ihre Zeit mit Sex und Drogen. Der Gute dagegen ist asketisch. Gut sein ist nicht spaßig, es ist nur "richtig". Es kostet Überwindung, sich vom verführerischen Bösen loszureißen. Das ist natürlich völlig realitätsfern und kann nur von Menschen kommen, die selber nicht gut sind, denn sonst wüssten sie, dass das Gegenteil wahr ist: Der Böse ist immer, auch im Diesseits schon, in der Hölle, selig ist nur der Gute. Aber das Vorurteil ist eben nicht nur falsch und dumm, es ist gefährlich: Denn es führt dazu, dass Leute, wenn ihr Herz zu irgendeiner Handlung nein sagt und sie bei dieser Bauchschmerzen kriegen, nach der Logik verfahren: "Das fühlt sich scheiße an, damit aufzuhören, wäre verführerisch - also muss es das Richtige sein und ich bin ein großer Held und sehr tapfer, dass ich mir diese Handlung abzwinge, wo andere ihrem Trieb, sich wohlzufühlen, erliegen würden". Und mit dieser Einstellung kann man sein Kind quälen und weinen und schreien lassen, mit dieser Einstellung kann man als stellvertretender Schulleiter für gute Beziehungen zur Bürgermeisterin das Wohl der Schüler und das Recht mit Füßen treten, mit dieser Einstellung kann man auch, wie Arendt beschrieb, 6 Millionen Juden töten. Daher kann man den gelegentlichen Willen zur Dummheit, wie Nietzsche es so schön nannte, nicht hoch genug preisen und den Menschen nur immer wieder zurufen: Verstopft eure Ohren gegen all die klugen Theorien und Vorurteile, die ihr in eurem Kopf angesammelt habt, und stellt die nicht über die Stimme eures Herzens!
    Zitat Zitat von MiMo Beitrag anzeigen
    "Das kräftige die Lungen."

    Bestürzend, aber auf eine morbide Art und Weise urkomisch.
    Leider wirklich kein Witz, sondern furchtbare Realität, gerade damals. Dank Papa kenne ich den leider zu Unrecht ziemlich vergessenen und ins Abseits gedrängten Wilhelm Reich (ein Psychoanalytiker und der einzige einigermaßen aufgeklärte unter der Bande - so sehr, dass er sich im Laufe seines Lebens nach und nach von der Psychoanalyse abwandte), und der hat nach dem zweiten Weltkrieg in Amerika unter anderem genau gegen solche Praktiken gekämpft: Da war es nämlich normal, dass die Babys direkt nach der Geburt von den Müttern getrennt wurden und erstmal ein bis drei Tage irgendwo rumlagen, schrien und außer etwas Nahrung zwischendrin keinerlei Zuwendung bekamen. Das Ganze wurde durch furchtbar wissenschaftliche Theorien begründet, dass das ganz toll für die Entwicklung (und ja, auch dass das Schreien gut für die Lunge, die sich erstmal auffalten müsse) sei. Jeder Mensch, der keine klugen wissenschaftlichen Theorien im Kopf hat, merkt dagegen neben einem schreienden Baby sofort, dass das scheiße ist. (Reich bezeichnete solche Leute dann als emotionale Pestcharaktere - oder auch mal als Christusmörder, weil das genau der Typ Mensch ist, der - zum Wohle Israels! - auch den Heiland der Menschheit ans Kreuz schlagen würde.)
    Zitat Zitat von alibombali Beitrag anzeigen
    ali gendert aber!
    Nobody is perfect. Und das tun hier ja viele. Komme ich schon mit klar. Ein gewisses Maß an Aberglauben muss man einfach voraussetzen, wo immer Menschen noch nicht vollends aufgeklärt sind. Und bei den Leuten hier im Storyforum ist es ja wenigstens so, dass nicht so sehr aus Ideologie gegendert wird (das ist eh selten und kommt nur bei den richtigen Feministen vor) oder aus bloßer Vorschrift (wie das halt Lehrer, Behördenheinis und sonstige Beamte machen, die auch ebenso gut irgendwelche Adelstitel beachten oder Rassegesetze durchsetzen würden, wenn halt das zufällig gerade die Vorschrift wäre), sondern mehr aus Angst, irgendwem auf die Füße zu treten. Ein gewisses Maß an Sklavenmoral hat halt jeder unsichere Mensch (eben im Maße seiner Unsicherheit); man muss schon sehr starken Mut ausgebildet haben, um sich ein höheres Moralprinzip als "neminem leade" anschaffen zu können. Das sehe ich nicht so eng. Mangel an Aufklärung ist ja nicht gleich Feindschaft derselben. Wirklich zu bekämpfen wären nur die Ideologen und das blinde Befolgen von Vorschriften (wie überhaupt Vorschriften, die der Staat nicht zu machen hat) - wären, denn am Ende sollte die Aufklärung gegen gar nichts, sondern nur für etwas kämpfen, alles andere wäre im besten Falle höchstens vertane Zeit.
    Aber stimmt schon. Dass ich vor allem früher als so wahnsinnig links gesehen wurde (und mich dann auch selbst so gesehen habe), resultierte wohl vor allem aus dem rechtskonservativen Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Unter edgy Teenagern (mich eingeschlossen) war es dann halt jede Pause cool, wieder über Politik zu reden und da war ich dann immer ali der Kommunist. Irgendwann, als ich dann so einen ganz netten Punk kennengelernt und mit ihm ab und zu Zeit verbracht hatte, begannen dann einige aus der Schule, sich Sorgen um mich zu machen, wo ich denn da reingerate. Sie selbst sind in Studentenverbindungen reingeraten, aber das war ja okay.
    Ich sehe mich schon immer noch irgendwie als links, weil ich diese Kategorisierung auch nicht ganz abgelegt habe, und fühle mich auch oft unter Leuten wohl, die sich als links sehen. Aber ich bin mir schon bewusst, dass es da auch richtig viele Arschlöcher gibt, die das auch für sich in Anspruch nehmen. Siehe einige bestimmte Personen im besteforum2, die von der Auslöschung Israels träumen oder so. Was ich komplett abgelegt habe, ist, das zu so einer peinlichen Attitüde zu machen; schlechte Bands zu hören, nur weil sie linke Texte haben, irgendwas durch Aufnäher an der Kleidung zum Ausdruck bringen wollen etc. Auch wenn ich wohl immer noch keine sehr selbstsichere Person bin, habe ich gemerkt, dass ich seitdem ich aufgehört habe, mich irgendwie so geben zu wollen, deutlich selbstsicherer geworden bin.
    Ist doch prima! Und ich prophezeie: Mit noch mehr Selbstsicherheit kannst du auch irgendwann noch weniger links werden und auch mit dem Gendern aufhören! [Bild: rotes_laecheln.gif]
    Dass man als links gesehen wird und sich dann gerade in jungen Jahren vielleicht auch selbst so sieht, das ist ja auch kein Ding. Im Gegenteil. Ich habe schon aus gutem Grund nur geschrieben, dass ich links sein peinlich fände, nicht rechts sein. Das fände ich nämlich nur abscheulich, nicht mehr bloß peinlich. Es ist ja nun wirklich so, dass rechts in der Regel bedeutet: "Gut, ich überlege mir bei jeder aufkommenden politischen Frage mal, was wohl die dümmste, asozialste und menschenfeindlichste Position sein könnte, die man da so einnehmen könnte - und die mache ich dann zu der meinen". Entsprechend ist es halt bei sehr, sehr vielen Themen wie z.B. Flüchtlinge oder Homoehe oder Atomkraft oder so so, dass man, nur weil man einfach kein Vollhorst und/oder Arschloch ist, automatisch in Verdacht gerät, links zu sein.
    Aber am Ende bringt diese Links-Rechts-Einteilung halt sehr wenig, wenn du mich fragst. Und am Ende ist links eben auch gerne mal sehr rechts (siehe Sarah Wagenknecht oder generell SPD oder so), und wenn man ein bisschen mehr in die Tiefe geht, dann fällt auch schnell auf, dass das nicht nur Ausreißer sind, sondern dass auch die Denkmuster und die Lebenshaltung, die klassisch "Linkem" Denken zugrundeliegen, ziemlich beschissen sind. Letztlich gilt da wohl so ein bisschen der alte Spruch vom Kommunismus: Wenn man in der Jugend nicht links ist, hat man kein Herz, aber wenn man's später noch ist, kein Hirn.

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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Eispfötchen ist offline
    Zitat Zitat von Jünger des Xardas Beitrag anzeigen
    Stimmt. Ich gelobe das bald zu tun! Die Bachelorarbeit ist auch fast fertig.
    ali wird doch vor allem von anderen als links eingeordnet; das ist mir auch schon oft genug passiert. Außerdem habe ich nichts gegen peinliche Leute [Bild: rotes_bluemchen.gif]
    Hängt vom Tag ab. Jetzt gerade kann das schon öfter vorkommen, ja. In die Uni gehe ich ja nicht mehr. Stattdessen bin ich am Schreiben. Wobei ich das auch viel in Papas Praxis mache, da arbeite ich lieber, aber die ist auch nur zwei Straßen weiter. Es gibt auch Tage, wo ich von morgens bis abends weg bin, wenn ich mich mit meinen Schülern treffe, wird's meist spät, aber solche Tage kommen ja hier nicht in Betracht, denn es ging ja drum, ob man zuhause Zeit für sich hat, und die hat man nicht, wenn man unterwegs ist, egal ob man allin oder bei den Eltern wohnt.

    Hört sich toll an. Schreibst du ein Fachbuch?
    Na ja, wer in Deutschland ist das nicht? Siehst du, und ein Kind in diese Welt zu werfen, um es dann auf diese Weise darin allein zu lassen, ist eine unaussprechliche Grausamkeit. Und eine, die meist schon in den allerersten Tagen losgeht. Eine Schülern macht gerade ein FSJ in einem Kindergarten. Ich weiß gar nicht, wie viele Horrorstorys es da von den Erziehern oder Eltern zu erzählen gibt: Da heult ein kleines einjähriges Kind Rotz und Wasser, weil es auf den Arm genommen werden muss. Meine Schülerin, die stets ihrem Herzen folgt (ist nicht umsonst meine beste Schülerin), macht dann auch genau das, und siehe da: augenblicklich ist das Kind ruhig und wieder glücklich. Nun nehmen die Erzieher da aber ihren Verstand wichtiger als ihr Herz. Und was klügelt der zusammen? Das Kind muss lernen, dass es nicht alles haben kann im Leben und selbstständig klarkommen muss. Das einjährige Kind! Und so geht das mehrmals tagtäglich: Immer wieder wäre es lächerlich einfach und würde einen keinen Aufwand kosten, den Kindern Gutes zu tun, dafür zu sorgen, dass sie sich wohl und geborgen fühlen, aber nein: man ist ja klug und weiß besser, was gut für sie ist, und die Kinder lernen so Selbstständigkeit! (Klar, darum sind die Kinder, die so aufgewachsen sind, ja als Erwachsene auch alle totale Premiummenschen, während ich, der ich nicht so erzogen wurde, ja zu keinem selbstständigem Gedanken fähig bin. Die Empirie ist da ganz eindeutig!) So erzieht man Faschisten.Es geht ja nicht um dein persönliches Befinden, sondern um Sittlichkeit. Dem Satz "Man soll sein Kind nicht alleinlassen und keines kriegen, um das man sich nicht kümmern will" kann kein Mensch widersprechen, der den mindesten Anspruch auf Vernunft macht, ebenso wenig dem Satz "Man soll irgendwelche fixen Ideen, die man von richtiger Erziehung oder davon, was das Kind wann zu können und zu machen hat, im Kopf hat, nicht wichtiger nehmen als das Kind selber und dessen individuelle Persönlichkeit, sondern man soll nach seinen Bedürfnissen fragen und ihm sein Tempo gönnen".
    Übrigens, wenn wir schon auf die Folgen schauen (die in moralischen Fragen keine Relevanz haben): Es geht nicht nur drum, wie das einzelne Kind persönlich seine Erziehung am Ende bewertet (falls es das überhaupt kann). Was ein Kind für ein Mensch wird, hat nicht nur auf sein eigenes Leben Auswirkungen, sondern bestimmt wiederum darüber, wie es mit seinen Mitmenschen umgeht, was es selbst mal für Kinder erzieht, was für eine Welt es gestaltet. Und angesicvhts der Welt, in der wir leben, und der Rückschlüsse, die deren Zustand auf diejenigen Menschen erlaubt, die sie gestalten, kann man sich wohl einigen, dass jeder sofort ins Irrenhaus einzuweisen wäre, der der Erziehung, die diese Menschen genossen (oder ertragen) haben, auch nur bescheinigte, akzeptabel gewesen zu sein.

    Hm... möglich. Ich weiß nicht, ich hab keine pädagogische Erfahrung. Wenn ich mal auf kleine Kinder aufpassen sollte, hab ich einfach mit ihnen gespielt, so mit erziehen hab ich es so gar nicht. Ich weiß dann immer nicht was ich machen soll, weil ich nicht weiß wie sich die Eltern die Erziehung ihres Kindes vorstellen. Da gibt es ja ganz unterschiedliche Vorstellungen und ich bin dann meist recht verunsichert, deswegen bin ich ganz froh, wenn ich einfach die Kinder in meiner Familie irgendwie bei Laune halten kann und später gehts dann wieder ab zu Mama und Papa.

    Wer sich über sein Kind beschwert, ist halt Abschaum - so einfach ist das |-) Für das Kind haben diese Menschen sich entschieden. Hätten sie halt nicht tun sollen, wenn ihnen das zu stressig ist. Das gilt für alle freiwillig übernommenen Aufgaben, also für alle "Arbeit" im Leben: Wenn es dir nicht passt, mach es halt nicht. Ich habe das hier schon frühr mal erzählt: Mein Vater käme nie, nie, nie auf den Gedanken, sich über einen Patienten zu beschweren. Der Patient kann noch so doof und lernunwillig sein. Sich mit dem rumzuschlagen und ihm zu helfen, ist seine Aufgabe (in dem Falle sogar eine bezahlte). Genauso würde es mir nie einfallen, mich über meine Schüler zu beschweren. Mir sind vielleicht früher, als ich mich noch in der Plauderecke rumtrieb, die dortigen Unaufgeklärtheiten auf die Nerven gegangen und ich würde vielleicht über Leute wie Sergej dort herziehen, aber wenn meine Schüler unaufgeklärt sind, dann beklage ich mich darüber doch nicht, im Gegenteil, ich übe, wie es Aufklärung fordert, Selbstkritik und frage mich, wo ich wohl Mist gebaut habe, dass ich die noch nicht aufgeklärter bekommen habe. Ich würde mich schämen, ja DAS wäre mir wirklich peinlich, wenn ich mich auch nur bei dem Gedanken ertappte, meinen Schülern irgendetwas vorzuwerfen oder mich irgendwi über sie beklagen zu wollen, und ebenso halte ich es mit allen von mir übernommenen Aufgaben und würde es also auch mit meinen Kindern halten. Und dieses Ethos ist jedem Menschen abzufordern. - Nur dummerweise, und das spricht ja auch aus dem, was du sagst, leben wir in einer Welt, in der man gewöhnlich gar nicht weiß, was ein Ethos ist, gar nicht begreift, wie jemand eines haben kann, sondern das höchstens komisch und kurios, wenn nicht gar lächerlich, auf jeden Fall aber nicht nachahmenswürdig findet. Stattdessen betrachtet man es als ganz selbstverständlich, dass die Menschen, statt feste Grundsätze zu haben, Befindlichkeiten haben und denen folgen, meint, das wäre doch bei jedem so, dafür müsste man Verständnis haben, und schafft sich nebenbei damit noch eine bequeme Ausrede, es selbst bei Gelegenheit nicht anders zu haletn und sich auch nur von seinen Befindlichkeiten treiben zu lassen.

    Dann wären ja viiieeele Menschen Abschaum. Wenn du das so siehst, naja, ist eben deine Meinung. Aber ich wage mich da nicht über andere Menschen zu urteilen, wo ich null Ahnung von Pädagogik habe. Wie gesagt das Beschweren ist nicht immer ernst gemeint. Viele nutzen das einfach als Ventil für Stressabbau. Manchmal frage ich mich zwar auch, warum haben die Kinder, wenn sie sich darüber immer beschweren? Warum haben sie Kinder, wenn sie die nicht ernähren können und sie ihnen die Haare vom Kopf futtern? Aber ich weiß meist gar nichts über diese Menschen, deswegen will ich eigentlich auch gar nicht darüber urteilen, ob sie diese Kinder jetzt haben sollten, oder nicht.

    Und vielleicht magst du an der Stelle mal kurz in dich gehen. Ganz allgemein; unabhängig von dem konkreten Thema des Aufwachsens von Kindern. Lies das hier mal für einen Moment nicht als "hm, der JüdeX sagt immer so komische Sachen, na ja, Menschen sind halt verschieden, jeder hat so seine Meinung", sondern lass dich berühren und die Worte auf dich einwirken und denke einen Moment selbstständig über sie nach - das kann ja jedem Menschen abgefordert werden, der auf Selbstständigkeit Anspruch erhebt. Also: Du redest hier, auch gleich noch mal im Folgenden ganz selbstverständlich von unguten Gefühlen. Jetzt gerade von Stress. Natürlich würden Eltern auch ihre Kinder lieben, gewiss meinst du auch, dass es genug schöne Momente gibt, aber du hältst es auch für ganz normal, dass die ganz oft im Stress sind. So oft, dass sie ein "Ventil" brauchen, um den abzulassen. Dass das fast alle Eltern so machen würden. Genauso redest du gleich darauf davon, dass das Alleine-Klarkommen anstrengend und mit unguten Gefühlen und Straucheleien verbunden war. Das war es dir zwar wert, dennoch leugnest du diese schlechten Gefühle nicht, meinst vielmehr, die gehörten eben dazu, da müsse man durch. Mit diesen Ansichten stehst du nicht allein da, sondern dürftest die Mehrheit auf deiner Seite haben. Das Leben der meisten Menschen ist, wenngleich es natürlich auch immer wieder spaßige Momente gibt, auch immer wieder durchzogen von Stress, von Ängsten, von Sorgen, von Ärger, von Überforderung usw. Es ist nicht unerträglich, aber es ist auch ganz gewiss nicht selig. Und die Menschen merken nicht einmal unbedingt, wie anstrengend und wie voll von schlechten Gefühlen ihr Leben tatsächlich ist. Sie merken es deshalb nicht, weil es eben davon voll, weil das für sie also ganz normal und schon Gewohnheit ist und weil es den Menschen um sie herum genauso ergeht, sodass sie das ganz selbstverständlich für normal und notwendig halten. Nun, jetzt tritt doch mal für einen Moment heraus aus diesem Vorurteil und dem, was du für normal hältst. Stell dir vor, es wäre möglich (nur möglich, das reicht für den Moment schon), dass ein Mensch auch völlig selig leben könnte. Dass einer bei allem, was er tut, von tiefem Lebensmut getragen ist, sich nirgends überwinden und durchbeißen und dabei lernen muss, mit den Schwierigkeiten klarzukommen, auch wenn es unangenehm ist, sondern dass ihm alles leicht ist, dass er für alles, was er tut, wenn er daranschreitet, es zu tun, auch genau die Kraft mitbringt, die er dafür braucht. Dass er niemals das Gefühl hat, vom Leben ungerecht behandelt oder überfordert zu werden oder dergleichen. Dass er, wenn er sich für etwas entscheidet, etwa für Kinder, sich dafür auch ganz und gar und nicht nur so halb und mit lauter Abers entscheidet, dass ihm seine Kinder eine helle Freude sind und er keinen Stress kennt. Dass er nichts, was er gewählt hat, als Last empfindet und keine Ventile, keinen Boxsack, kein "eigenes Leben" oder irgendeinen Urlaub, kein Besäufnis am Wochenende oder so braucht, um einen Ausgleich zu den kleinen Unerträglichkeiten des Alltags zu schaffen, sondern dass er in jedem Augenblick ganz willentlich und ohne äußeren Anlass, der ihn dazu bringt, loslachen kann, nicht wie ein Schauspieler, sondern wirklich von Herzen lachen. Nun, und jetzt denke dir vielleicht noch weiter, dieser Wohlgeratene (um mal mit Nietzsche zu sprechen, aber von diesem nicht gleich den vorbelastetsten Terminus zu borgen) wüsste (glaubte nicht nur, sondern wüsste mit apodiktischer Gewissheit), dass er nicht einfach ein vom Schicksal Begünstigter ist, sondern dass jeder wie er leben könnte, wenn er es nur wollte. Denke dir, er würde es sich daher zur Aufgabe zu machen, andere darauf hinzuweisen, dass dies möglich ist, und ihnen auch noch zu zeigen, wie es geht, um sie an seiner Seligkeit teilhaben zu lassen (er würde also versuchen, sie aufzuklären, was ja nichts anderes heißt als dies). Denke dir, er fände sich bestätigt, weil es tatsächlich einige gäbe, die ihm zuhörten, seine Worte beherzigten und tatsächlich ebenfalls immer seliger würden, was noch gewisser machen muss, dass auch alle übrigen diesen Weg jederzeit gehen könnten, wenn sie nur wollten, oder gewisser machen müsste, wenn absolute Gewissheit steigerbar wäre. Und nun aber denke dir diesen Wohlgeratenen unter den normalen Menschen. Sie selber mögen ihren Zustand, über den sie nie nachgedacht haben und zu dem sie keine Alternative kennen (zumindest keine bessere, sondern nur die schlechtere von Depression und Verzweiflung, gegenüber der sie im Vergleich natürlich meinen müssen, glücklich und zufrieden zu sein), ganz selbstverständlich hinnehmen und nicht weiter hinterfragen, aber muss ihm das Bild, das sie abgeben, und die Vorstellung ihres Zustands nicht unerträglich sein? Wenn er solch einen Menschen davon reden hört, ja ja, man beschwere sich eben, mache doch jeder, man brauche doch sein Ventil, man müsse doch mal Dampf ablassen, muss ihm das nicht klingen, als rede da einer über eine Krücke, ohne die er nicht laufen kann, oder über einen regelmäßigen Drogenschuss, ohne den er das Leben nicht ertragen kann, und muss er sich nicht an den Kopf fassen, wenn er daran denkt, dass viele, ja dass die Mehrheit der Menschen hier, wo er eine Lösung hat, noch nicht einmal ein Problem sehen und daher auch vorerst für die Lösung unerreichbar sind? Und jetzt sage einmal: Was soll er wohl tun, der Wohlgeratene? Sich bloß seiner eigenen Seligkeit freuen und von den anderen ablassen, die um ihr Elend gar nicht wissen? Aber dazu hat er doch gar kein Recht und das würde ihn zu einem Nichtswürdigen machen; ein solcher aber ist er nicht, sondern eben ein Wohlgeratener, sprich: er hat ja gar nicht die Freiheit, abzulassen, denn frei sind ja nur die schlechten Menschen. Was also schlägst du vor?

    Ich schlage erstmal gar nichts vor. Weil ich zu der Thematik nicht viel Ahnung habe. Ich will anderen Leuten gar nicht sagen wie sie zu leben haben. Wer Unterstützung braucht um seinen Weg zu finden, der kann die sich ja suchen, wenn er will.
    Nur die schlechten Menschen sind frei? Hm... ja, das ist gut möglich. Vermutlich bin ich zu nett um ein freier Mensch zu sein.
    Nimms mir nicht übel, aber ein bisschen habe ich mich bei deinem Text an religiöse Leute erinnert gefühlt, die einen zu irgendwas bekehren wollen.

    Ob du, wenn du dich nicht selbst überfordern würdest und es dir nicht peinlich wäre, offen dazu zu stehen, wer du bist oder nicht bist, und nicht lieber alleine untergingest, als dir helfen zu lassen, Kassiererin bei Aldi wärst, weiß ich nicht. Vielleicht, wenn das deinem Naturell entspräche und anderes, was du jetzt stattdessen machst, eigentlich eine Überlastung und Selbstquälerei sein sollte – aber dass dem so ist, hast jetzt höchstens du behauptet, nicht ich. Aber es muss ja auch nichts falsch daran sein, Aldi-Kassiererin zu sein. Vielleicht wärst du ja aber eine Kassiererin bei Aldi, die sich im Leben nicht um Äußerlichkeiten schert wie etwa darum, ob man „nur“ Kassiererin oder Professorin ist oder wie viel man verdient oder so, sondern die auf Höheres ausgerichtet und damit glücklicher ist.
    Grenzen testen und überschreiten, das ist so ein Klischee, aber kein Mensch hat bei diesem Ausdruck je irgendetwas gedacht. Genauso gut könntest du schreiben, man müsse mal seine Komfortzone verlassen oder was es sonst noch an Wendungen in der sprachlichen Mottenkiste der Unsortierten gibt. Was aber das mit den Unannehmlichkeiten angeht: Gerade davon sprach ich oben. Du sprichst hier vom kleineren Übel: Beide Optionen haben ihre Vor- und Nachteile, aber die Vorteile der einen überwiegen eben ihre Nachteile. Du musstest Unannehmlichkeiten inkauf nehmen, aber am Ende überwog doch das, was dabei rauskam. Wirklich, du kannst dir schlechterdings gar nicht vorstellen, wie weit weg mir eine solche Denke, ja wie grausig mir solche Selbstentsinnung ist. Was dir ganz normal klingt und etwas ist, über das gar nicht reflektiert werden muss, klingt mir wie: „Ja freilich, ich habe mir die Hand abgehackt. Klar hat das wehgetan. Aber jemand hat mir eine Million dafür geboten, das war’s doch wert!“ Tja, ich bin kein Utilitarist, für mich gibt es keine größeren und kleineren Übel, nur Übel. Und ich wüsste wirklich keinen Grund, weshalb ich freiwillig irgendwelche Unannehmlichkeiten auf mich nehmen sollte – die sind nämlich unangenehm.
    Und auch dieses ist wieder nicht auf die kleine enge Welt des Alltags zu reduzieren. Nichts ist je darauf zu reduzieren. Man nehme doch mal für einen Augenblick einen weiteren Standpunkt ein: Die Haltung, die du hier vertrittst, ist wohl seit zweieinhalb Jahrtausenden die europäische. Sie hat Europa erlaubt, Weltmacht zu werden, die ganze Erde zu kolonialisieren, die industrielle Revolution und damit die moderne Wirtschaft und Massenproduktion anzustoßen – und sie hat all das verursacht, was hierdurch angerichtet wurde. Die Haltung ist die der Selbstentfremdung. Sie funktioniert in Kürze und etwas simplifiziert so: Ich teile mein Ich in zwei. Und nun opfere ich die Gegenwart der Zukunft auf. Das eine Ich darf nun in der Gegenwart leiden, damit es dieses andere Ich künftig einmal besser hat. Ich rede mir ein, kleine Opfer und schlechte Gefühle, die seien eben für ein größeres Gut nötig. Wo gehobelt werde, da fielen eben Späne. Eine Gesellschaft, die ihren Mitgliedern diese Haltung anerzieht (wie es eine Erziehung, die das Kind alleinlässt, ja zwangsläufig tut), bringt Leute hervor, die bereit sind, ihr halbes Leben den ganzen Tag hart zu schuften und damit eine große Industrie aufzubauen, weil sie ich einreden, davon hätten sie im Alter oder davon hätten ihre Kinder ja mal was und diese Anstrengung jetzt gerade gehöre halt dazu. Oder sie bringt Menschen hervor, die bereit sind, in den Krieg zu ziehen, zu töten und getötet zu werden, was ihnen keinen Spaß macht, aber eben für ein größeres Gut, für das Vaterland, für die Zukunft, für die eigenen Kinder ist. Das Phänomen ist Arendt ja an Eichmann aufgefallen: Der hatte, wie viele andere ja auch, kein Vergnügen daran, Juden zu ermorden, es kostete im Gegenteil Überwindung und zusammengebissene Zähne, aber: es führte nunmal kein Weg dran vorbei und musste eben sein! und es war ja zum Besten aller! Ja, gerade dass es schmerzhaft war, bewies ihm selbst, dass es das Richtige war. Eben weil er die hier vertretene Haltung hatte, das Richtige und Nötige im Leben koste eben mal Selbstüberwindung oder bereite halt mal Schmerzen. Klar hätte er machen können, worauf er Lust hatte, nämlich alle Menschen leben lassen, aber, das hatte er ja schon in seiner Erziehung gelernt: nur faule Taugenichtse und selbstsüchtige Bösewichte tun nichts, als worauf sie Lust haben, der tüchtige Mensch bekämpft und unterdrückt seine Triebe und tut nicht, was er will, sondern was er muss, nicht das, worauf er Lust hat, sondern das Nötige! Erhabene Tat, auf die man zurecht stolz sein kann!
    Stellen wir uns mal einen Augenblick vor, wir lebten in einer Welt, wo die Menschen schon von Kindheit an dazu erzogen würden, nur zu tun, wozu Herz und Bauch voll und ohne Zurückhaltung ja sagen, statt klüger zu sein als diese. Dass der Einzelne seliger wäre in dieser Welt, ist sowieso evident. Aber mehr noch! Man würde keine Flüchtlinge im Mittelmeer ersäufen, nur weil man ja realistisch ist und weiß, dass man sie nicht aufnehmen kann. Man würde keine Kinder heulen lassen, nur weil es ja gut für sie ist, mal nicht auf den Arm genommen zu werden oder mal nicht zu kriegen, was sie sich wünschen. Man würde nicht als Lehrer die eigenen Schüler verraten, nur weil man ja gute Beziehungen zu einer Bürgermeisterin braucht. Die Liste ist endlos. Und es wäre so lächerlich einfach, eine solch gute Welt zu schaffen: Alles, was man tun und wozu man sich aufraffen müsste, wäre, auf Schmerz zu verzichten und ein glückliches Leben zu führen. Aber ach, eben dies will kaum einer, ihr Schmerz ist den Menschen ja teuer, man kann so stolz drauf sein und man hat so schöne Ausreden parat, wann immer man sie braucht!


    Ich wäre aber nicht gerne eine Aldi Kassierin, oder Verkäuferin an der Tanke, oder was weiß ich.... gibt ja noch so tolle Berufe wie Jauchetaucherin, oder Fachkraft für Abwassertechnik. Ich bin so zufrieden wie es gelaufen ist. Und ich hab an was dabei gedacht, als ich darüber schrieb Grenzen zu überschreiten. Du behauptest einfach, das nie jemand daran gedacht hat, aber das kannst du doch gar nicht wissen. Beim Grenzen austesten geht es mir z.B. darum meine Fähigkeiten zu überprüfen und weiter zu verbessern was ich verbessern möchte.
    Hand abgehackt ... wo du das gerade ansprichst, während des Urlaubs gab es da so eine Story in England. Vor hunderten Jahren hat irgendein hohes Tier, seinen Leuten gesagt, der erste, der dieses Land dort anfasst, dem schenke ich es. Einer hat seine Hand abgehackt und die mit der anderen auf das Land geworfen und bekam es. Ihm war es das offenbar wert. Ich hätte das wohl nicht gemacht, aber ich denke darum geht es auch. Jeder hat seine eigene Meinung was er bereit ist für etwas zu opfern. Wenn ich nur faul in der Gegend rumsitzen würde, dann käme ich auch nicht weit. Sicher, ich könnte meine Arbeit hinschmeißen und Harz 4 beziehen, dann müsste ich nicht auf Arbeit und könnte tun und lassen was ich wollte. Das sieht sich das Arbeitsamt eine Zeit lang an und dann sagen die sich auch, ja ne, die will nicht arbeiten, da entziehen wir ihr die Mittel, wenn sie sich nicht endlich bemüht. Oder noch anders, ach die Eltern haben "genug", da brauchen wir gleich gar nichts zahlen. Natürlich könnte ich auch auf der Straße leben und mich durchschnorren, oder ich mache einen auf wilden Westen und ziehe anarchisch durch die Lande, bis sie mich dann schnappen und einbuchten, oder ich mir die Radieschen von unten ansehe. Ich möchte aber nicht soweit gehen und deswegen muss ich mich manchmal eben auch Unanenehmlichkeiten stellen, die es aber an sich wert sind. Leute, die keine Unnanehmlichkeiten auf sich nehmen wollen, vergessen manchmal, dass es möglicherweise andere Leute gibt, die dann diese "Unannehmlichkeiten" erledigen müssen. Wenn ich damals durch keine harte Lehre gegangen wäre, hätte ich es jetzt nicht so angenehm. Ich bin zufrieden. Falls du dir sorgen machen solltest, dass ich zu viel Energie auf meine Zukunft verschwende, so kann ich dich beruhigen. Ich habe keine extra Rentenversicherung und habe ein gutes Balancing gefunden zwischen Spaß und Zukunftsplänen. Gerade dieser Sommer war richtig gut. Ich habe enorm viel Erlebt und hatte viel Spaß. Dafür hab ich jede Menge Geld auf den Kopf gehauen, das ich auch hätte sparen können, aber ach egal, morgen könnte ich ja tot sein.
    Gerade das mit den Kindern, die nur tun worauf sie Lust hätten, das hat mich an was erinnert wenn ich sowas mal bei meiner Mutter, die Erzieherin war, anspreche. Nach dem Motto: Dann will das Kind eben nicht die Schuhe anziehen, ist denn das so schlimm? Kommt sie mit dem Argument, dass es nicht gut für die Gesellschaft ist, wenn jeder halt das macht was er will. Vielleicht hat sie recht. Man stelle sich mal vor, jeder macht was er will. Wozu noch arbeiten? Ist ja unangenehm. Lieber in der Sonne liegen und faulenzen. Man könnte ja auch eine Bank ausrauben statt zu arbeiten, die Polizisten arbeiten ja eh nicht mehr und ach, was interessieren uns irgendwelche Menschen, die in unser Land wollen? Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass es auch Leute, gibt, denen es vielleicht sogar Freude macht, wenn die alle sterben würden? Ja, die Menschen sind nicht alle gut und wenn jeder macht was er will, dann herscht Anarchie. Für die Gesellschaft wäre das ein Kollaps. Für deinen einzelnen wäre es unterschiedlich, je nach moralischen Vorstellungen. Gibt bestimmt Leute, die sich freuen wie Bolle wenn jeder machen könnte was er wollte, z.B. mit ihren Kumpels aus der Motorradgang loszuziehen und erstmal alles zu brandschatzen und mit irren Tempo über die Straßen zu donnern und wenn das Benzin halt alle ist mal eben den Tankwart erschießen und die Kiste befüllen und dann kommt eine Mad Max Autogang und sie kloppen sich gegenseitig und manche ziehen Waffen und schießen sich gegenseitig über den Haufen oder fahren sich tot. Da könnte man jetzt denke, boahr, das ist doch unanangenehm warum machen die das bloß? Es gibt Leute, die haben da Spaß dran. Gibt doch so Sprüche. Yolo, und life fast, die young und weiß der Kuckuck was noch. Währscheinlich gäbe es eine riesen Party und dann wäre erstmal Ende und ein Trümmerfeld bleibt wo ein paar wenige noch etwas weiterfeiern. Die Trümmer will hinterher natürlich keiner Wegräumen, denn das wäre ja unangenehm.


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  12. Beiträge anzeigen #72
    Deus Avatar von Laidoridas
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    Laidoridas ist offline
    Und jedes seiner Kuscheltiere!

    (Wenn ich mal bei Jüdex zu Besuch wäre, würde ich vermutlich innerhalb weniger Minuten an meiner Milbenallergie zugrunde gehen. )

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  14. Beiträge anzeigen #74
    Deus Avatar von John Irenicus
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    John Irenicus ist offline
    Zitat Zitat von Jünger des Xardas Beitrag anzeigen
    Bei so was könnte ich echt schon wieder kotzen. Aber: Das sind halt wirklich ganz aktuelle Ratschläge und wird auch heute noch genauso vertreten. Dass die Kinder z.B. vernünftiges Deutsch hören sollen. Ich weiß noch, wie ich früher der einzige war, der die Teletubbies schaute, weil das anderen Kindern von ihren mittelstandsintellektuellen Eltern untersagt wurde; ja nun, ich will doch meinen, dass mein Deutsch heute etwas besser als das dieser Kinder ist.
    Wir hatten mal damals in der Schule so einen "Wir besuchen mal Unis in der Nähe"-Tag, wo wir dann an die TU Dortmund sind, und da habe ich mich mit zwei anderen in eine Vorlesung reingesetzt, wo eine Dozentin über sogenanntes "motherese" sprach, womit dann wohl so eine Art "Teletubbies-Sprache" gemeint gewesen sein muss oder eben eine "verniedlichte" Sprache von Eltern gegenüber ihren Kindern. Da hat die Dozentin dann auch erklärt, dass es trotz vorgebrachter Bedenken, das könne die Sprachentwicklung von Kindern hemmen, kein schädlicher oder hemmender Einfluss jemals festgestellt werden konnte. Weiß ich noch wie heute!

    Zu "Wenn man zu früh mit etwas anfängt, ohne bereit dafür zu sein, kann man es am Ende vielleicht sogar schlechter als diejenigen, die später damit angefangen haben" findest du vielleicht auch folgendes Beispiel interessant: RUB-Forscher (MEINE UNI!!!!!1!11) fanden heraus: Kinder, die in der ersten Klasse mit dem Englischunterricht beginnen, sind sieben Jahre später schlechter in diesem Fach als Kinder, die erst in der dritten Klasse in die Fremdsprache einsteigen. (Ist natürlich etwas verkürzt diese Feststellung und wird im weiteren Artikel mit den üblichen Wenns und Abers versehen.)

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    Sapere aude  Avatar von Jünger des Xardas
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    Jünger des Xardas ist offline
    Zitat Zitat von Eispfötchen Beitrag anzeigen
    Hört sich toll an. Schreibst du ein Fachbuch?
    Wie gesagt, erst mal an der Bachelorarbeit.
    Ich weiß dann immer nicht was ich machen soll, weil ich nicht weiß wie sich die Eltern die Erziehung ihres Kindes vorstellen.
    Wahrscheinlich gar nicht. Der Durchschnittsmensch zeichnet sich eher durch befindlichkeits- und vorurteilgesteuerte Launenhaftigkeit als durch ein klares Ideal aus. Außerdem: Ist doch Wumpe. Wieso sollten irgendwelche beliebigen Hansel irgendein Recht haben, einem Kind diktatorisch ihre unaufgeklärten Vorstellungen aufzuzwingen, nur weil sie zufällig dessen biologische Erzeuger sind? Über die Erziehung eines Kindes haben nicht die Eltern zu gebieten, sondern die Vernunft.
    Nur die schlechten Menschen sind frei? Hm... ja, das ist gut möglich. Vermutlich bin ich zu nett um ein freier Mensch zu sein.
    Gut sein hat nichts mit nett sein zu tun. Im Gegenteil: Die meisten sind doch nur nett, weil ihnen die Kraft zum Bösen fehlt.
    Außerdem hast du meinen Satz natürlich (wie alle übrigen) kolossal missverstanden. Wie konnte das passieren? Nun, wie so was halt immer passiert: Ich habe etwas völlig Neues gesagt. Etwas, wovon du noch nie gehört hast, was nie jemand in deiner Gegenwart auch nur gedacht hat. Folglich kannst du es zunächst gar nicht verstehen. Du müsstest dich erst drauf einlassen und dahin bearbeiten, es verstehen zu lernen. So ist das mit jedem neuen Gedanken. Das tust du aber nicht, sondern stattdessen interpretierst du meinen Satz, als hättest du selbst ihn gesagt (da wären wir wieder bei dem Umstand, dass die Menschen gerne allen anderen die eigene Psyche unterstellen), also du fragst dich nicht "oh, da steht etwas mir ganz Neues, was genau könnte dieses Neue bedeuten", sondern denkst dir "ich weiß schon alles, was je ein Mensch wissen kann, etwas Neues kann es für mich nicht geben, er muss also etwas mir Bekanntes meinen, hm, nach welchem Gedanken, den ich schon kenne, klingt das denn vielleicht?" Dass du das jetzt so gemacht hast, ist umso beachtlicher, da du ja eigentlich wissen solltest, dass, was von mir kommt, niemals so eine alltägliche Einfältigkeit sein kann und dass du es jedes Mal ganz gewiss fundamental missverstehst, wenn du es in deinem Sinne verstehst. Aber na ja, man kann's ja trotzdem versuchen...
    Zum Inhalt des Satzes: Du hast ihn gemäß des Vorurteils verstanden, über das ich sprach: "Der Böse ist frei, weil er machen kann, was immer er will. Der Gute muss ja auf gewisse Wünsche, Gelüste, Triebe usw. Verzicht tun und sich zwingen, sich an Regeln zu halten, gibt also seine Freiheit auf." Das ist natürlich Unfug - es kann nichts Unfreieres geben, als Sklave seiner Triebe und Gelüste zu sein, denn man tut dann gerade nicht, was man will, sondern was die Natur in einem will. Der Satz ist stattdessen folgendermaßen zu verstehen (eine Erklärung, die mehr Andeutung ist, und von der du sicher sein darfst, dass du, wenn du sie jetzt liest, sie nicht begreifen wirst, die du also, wenn du weise bist, nicht sogleich einordnen und dann beantworten, sondern einfach mal auf dich wirken lassen und durchdringen wirst): Ich redete gerade nicht vom egoistischen Bösen, an das man gemeinhin so denkt und das völlig harmlos ist, sondern von den "guten" Bösen, von Eichmännern, eifrigen stellvertretenden Schulleitern, Politisch Korrekten, meinem Onkel und solcherlei Gesocks. Allen eben, die genau die Haltung haben, gut sei, wer seine Triebe unterdrücke und sich lieber dem Gesetz unterwerfe. Darin setzen sie eben ihre Freiheit: Auf das zu verzichten, was Spaß macht, und stattdessen das zu tun, was richtig ist. Kant selbst, der sich ja in der Kritik der praktischen Vernunft auch noch nicht wirklich über diesen Standpunkt erhoben hatte, beschreibt richtig, dass der Mensch erst hierdurch seine Freiheit entdeckt: Der rohe Mensch in der Natur, der einen Apfel am Baum sieht und Hunger hat, pflückt den, ohne darüber nachzudenken, dass er auch die Freiheit hätte, ihn nicht zu pflücken - denn warum sollte er je auf die Idee kommen, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen und zu hungern? Wenn aber der Baum jemandem gehört, dann geht dem Menschen auf: "Ich will nun den Apfel pflücken, denn ich habe Hunger, aber ich soll nicht, denn das wäre Diebstahl." Und erst durch diesen Widerspruch merkt er, dass er hier frei ist, sich so oder so zu entscheiden. Aber ein Mensch, der auf dieser Stufe verbleibt, er mag sich noch so gesittet verhalten, ist eben ein schlechter, ja ein enorm arroganter Mensch. Er bleibt ja weiter jedes Mal von seinen Trieben gereizt, das Böse zu tun, der Hang zu diesem bleibt seine wahre Natur, und er muss sich in jedem einzelnen Akt wieder und wieder davon losreißen - und bildet sich sehr viel darauf ein, ja setzt all seinen Wert darein, dass er die moralische Stärke hat, wieder und wieder dem Bösen in einem freien Akt zu widerstehen. Der wahrhaft Gute hat sein kleines empirisches Ich hinter sich gelassen und damit auch solche Selbstgerechtigkeiten. Er ist einfach gut, weil er gut ist. Und er ist eben darum nicht mehr frei. Gut zu werden, dafür hat er sich frei entschieden. Aber nun ist er es. Böse sein kommt für ihn gar nicht mehr infrage. Wenn ich die Straße runtergehe und eine hübsche Frau sehe, dann habe ich ja keinen Drang, über sie herzufallen, und entscheide mich, weil ich so ein toller Kerl bin, frei dagegen, sie zu vergewaltigen, sondern es käme mir sowieso nie in den Sinn, das zu tun, und somit brauche ich mich auch nicht mehr frei dagegen entscheiden. Wie gesagt, dies wäre zu durchdenken, statt gleich abzuurteilen und einzuordnen - das steht nämlich dem Menschen ganz besonders schlecht, der sich so ängstlich jedes Urteils zu enthalten vorgibt.

    Wenn du das so siehst, naja, ist eben deine Meinung.
    Du weißt doch, mit meinen Meinungen halte ich mich zurück und ich verachte wenig so sehr wie Menschen, die sich für so wichtig nehmen, dass sie die Welt mit ihren unmaßgeblichen Meinungen belästigen. Nichts, was ich in den letzten Posts geschrieben habe, war Meinung. Etwas Gegenteiliges zu behaupten, ist nur ein bequemes Mittel, sich nicht auf einen wahren Satz einlassen zu müssen: "Na ja, ist ja nur eine Meinung unter vielen. Der hat seine Meinung, ich habe meine, der nächste hat eine andere, alles gleich gut." Das ist eine Verweigerung, zu denken. Und wer dieses verweigert, sollte sich nciht wundern, wenn man es ihm eben abspricht:
    Du behauptest einfach, das nie jemand daran gedacht hat, aber das kannst du doch gar nicht wissen.
    Du behauptest einfach, ich könnte das nicht wissen, dabei kannst du doch gar nicht wissen, was ich wissen kann.

    Dir könnte eine Sache auffallen: Du schreibst hier ständig, dieses oder jenes könntest du nicht beurteilen, du hättest z.B. von Pädagogik keine Ahnung. Na schön, dann überlasse das Urteilen über Pädagogik den Pädagogen und halte dich an das, wovon du Ahnung hast, meinetwegen. Aber: Vom Denken hast du auch keine Ahnung, hast dich damit so wenig befasst wie mit Pädagogik. Du kennst aber einen Menschen, der vom Denken Ahnung und dieses studiert hat: Mich. Dann überlasse doch gemäß deiner Maxime alle Urteile zum Denken mir.
    Aber hier eben wird's komisch, und zwar nicht nur bei dir, sondern bei den meisten Menschen: Vom Denken will plötzlich jeder Ahnung haben, auch wenn er sich nie damit beschäftigt hat, und fühlt sich sogar beleidigt, wenn man ihm diese Ahnung abspricht. Gerade die Sache also, von der man doch meinen sollte, sie wäre am schwersten von allen Sachen auf der Welt, soll die eine Sache sein, die einfach so jeder kann, ohne sich je sonderlich drum bemüht zu haben? Es ist nicht wahrscheinlich.

    Solange ich hier der Welt völlig unbekannte Gedanken vortrage und diese nicht einmal verstanden werden (und folglich auch nicht sinnvoll bewertet werden können), solange auf der anderen Seite nicht ein einziger origineller oder eigenständiger Gedanke kommt, sondern ich nur klischeehafte Wendungen zu hören bekomme, die ich auch von tausend anderen Menschen schon genauso gehört habe, und mir nur platteste Ideologien und Vorurteile unserer Gesellschaft entgegengehalten werden, die tausende von Menschen teilen und ganz genauso unterschreiben würden - ja, solange kann ich sehr wohl wissen, wo hier gedacht und wo gedünkelt wurde.
    Ich möchte aber nicht soweit gehen und deswegen muss ich mich manchmal eben auch Unanenehmlichkeiten stellen, die es aber an sich wert sind.
    Eispfötchen: Man muss im Leben halt das kleinere Übel wählen. Man muss manchmal Unannehmlichkeiten inkauf nehmen, um dann einen größeren Vorteil zu haben.
    JüdeX: Das ist eine unselige und grässliche Meinung, die dem Einzelnen ein anstrengendes und leidvolles Leben beschert und die Gemeinschaft insgesamt verkommen lässt und in den Abgrund stürzt. Und es ist ein Vorurteil. Ein Leben ohne solche kleinen Unannehmlichkeiten ist möglich. Man ist in einem solchen sogar viel erfolgreicher und seliger. Ich weiß, DASS dies möglich ist, denn ich führe selbst ein solches Leben und kenne noch andere, die es tun und taten. Und ich weiß auch, WIE es möglich ist, und habe es andere schon mit Erfolg gelehrt.
    Eispfötchen: Man muss im Leben halt das kleinere Übel wählen. Man muss manchmal Unannehmlichkeiten inkauf nehmen, um dann einen größeren Vorteil zu haben.

    Du musst mir ja nicht sogleich blind glauben. Aber du könntest ja annehmen, dass ich meine Behauptungen nicht ohne Grund aufstelle. Du hättest mich ja bitten können, sie weiter auszuführen. Dann hättest du mir entweder glauben und von deiner Meinung abrücken oder meinetwegen widersprechen und Argumente liefern können, weshalb ich mcih irre. Stattdessen wiederholtst du aber einfach, was du schon einmal behauptet hast, als hätte ich dazwischen nie etwas gesagt oder als wäre ich zu dämlich, zur Kenntnis zu nehmen, was du geschrieben hast.
    Das hat natürlich mit einem Gespräch nichts zu tun. Es ist nur die Zurschaustellung von Unberührbarkeit.
    Leute, die keine Unnanehmlichkeiten auf sich nehmen wollen, vergessen manchmal, dass es möglicherweise andere Leute gibt, die dann diese "Unannehmlichkeiten" erledigen müssen.
    Nö, der Mensch ist frei. "Müssen" bedeutet immer eine Lüge. Es gibt andere, die Unannehmlichkeiten auf sich nehmen, sehr viele sogar. Aber darum habe ich sie nicht gebeten und ich werde es ihnen nicht verübeln, falls sie damit aufhören.
    (Übrigens finde ich den Satz zynisch von einem Menschen, der ganz selbstverständlich und gedankenlos auf sehr viele Unannehmlichkeiten verzichtet, während ein Großteil der Weltbevölkerung dafür die Zeche zahlen darf. Aber das nur am Rande.)
    Gerade das mit den Kindern, die nur tun worauf sie Lust hätten, das hat mich an was erinnert wenn ich sowas mal bei meiner Mutter, die Erzieherin war, anspreche. Nach dem Motto: Dann will das Kind eben nicht die Schuhe anziehen, ist denn das so schlimm? Kommt sie mit dem Argument, dass es nicht gut für die Gesellschaft ist, wenn jeder halt das macht was er will. Vielleicht hat sie recht. Man stelle sich mal vor, jeder macht was er will. Wozu noch arbeiten? Ist ja unangenehm. Lieber in der Sonne liegen und faulenzen. Man könnte ja auch eine Bank ausrauben statt zu arbeiten, die Polizisten arbeiten ja eh nicht mehr und ach, was interessieren uns irgendwelche Menschen, die in unser Land wollen? Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass es auch Leute, gibt, denen es vielleicht sogar Freude macht, wenn die alle sterben würden? Ja, die Menschen sind nicht alle gut und wenn jeder macht was er will, dann herscht Anarchie. Für die Gesellschaft wäre das ein Kollaps. Für deinen einzelnen wäre es unterschiedlich, je nach moralischen Vorstellungen. Gibt bestimmt Leute, die sich freuen wie Bolle wenn jeder machen könnte was er wollte, z.B. mit ihren Kumpels aus der Motorradgang loszuziehen und erstmal alles zu brandschatzen und mit irren Tempo über die Straßen zu donnern und wenn das Benzin halt alle ist mal eben den Tankwart erschießen und die Kiste befüllen und dann kommt eine Mad Max Autogang und sie kloppen sich gegenseitig und manche ziehen Waffen und schießen sich gegenseitig über den Haufen oder fahren sich tot. Da könnte man jetzt denke, boahr, das ist doch unanangenehm warum machen die das bloß? Es gibt Leute, die haben da Spaß dran. Gibt doch so Sprüche. Yolo, und life fast, die young und weiß der Kuckuck was noch. Währscheinlich gäbe es eine riesen Party und dann wäre erstmal Ende und ein Trümmerfeld bleibt wo ein paar wenige noch etwas weiterfeiern. Die Trümmer will hinterher natürlich keiner Wegräumen, denn das wäre ja unangenehm.
    Nehmen wir mal für einen Moment an, das würde stimmen und man dürfte nicht immer machen, was man will, weil sonst die Gesellschaft zusammenbräche oder so (und vergessen wir sogar, dass es um eine Frage der Moral und nicht der Klugheit ging, und verzichten auf ein: fiat isutitia, pereat mundus): Dann wäre deine Mutter noch immer im Unrecht. Warum, sollte nach den letzten Posts eigentlich klar sein, leider hast du sie nicht gelesen: Die Frage bliebe ja nämlich, WANN und WIE diese wichtige Lektion zu lernen wäre. Könnte ja sein, dass die Erwachsenen nicht immer machen dürfen, was sie wollen. Das muss aber deshalb noch nicht für die Kinder gelten. In anderen Bereichen der Entwicklung ist es ja nicht anders: Meinetwegen gibt es Situationen im Leben, wo ein Erwachsener still sitzen soll. Ein kleines Kind kann aber noch nicht länger stillsitzen, ihm dies abzufordern, wäre schlicht Folter. Was wäre für die Entwicklung des Kindes wohl besser: Es erst einmal einige Jahre spielen und toben und zappeln und sich in Ruhe entwickeln lassen, bis es alt und reif genug ist, dass es ganz von selbst still sitzt? Oder es schon ganz jung zum Stillsitzen zwingen und damit in seiner Entwicklung hemmen? Ich hatte zuvor gesagt: Wer jonglieren will, sollte erst einen sicheren Stand haben, auf wackligen Beinen jongliert es sich nicht gut. Deine Mutter will nun Kinder, die noch nicht einmal stehen können, zum Jonglieren zwingen und begründet das mit: "In dieser Welt gehört jonglieren dazu, die Erwachsenen müssen es alle können!" Kann sein, aber ändert nichts daran, dass das Kind sich erst die Grundlagen zum Jonglieren, nämlich den sicheren Stand, erarbeiten sollte, ehe es an den nächsten Schritt geht, ja dass es, wenn es dies nicht tut, niemals ein guter Jongleur werden wird - was bedeutet, dass diese Erziehung eine Narrheit ist, weil sie das, was sie angeblich erreichen will, selber verhindert und kaputtmacht.
    So, und jetzt hören wir auf, anzunehmen, es würde stimmen, dass nicht jeder tun kann, was er will. Denn das ist eben das aller platteste Vorurteil, und alles, was du hier zusammengeschrieben hast, illustriert doch nur, was ich oben im Anschluss an Arendt ausführte (ist ziemlich unhöflich, das einfach zu ignorieren, und spricht weder für die Nettheit, die du dir zuschreibst, noch für besonders tiefsinniges Durchdenken meiner Worte): Das ist die alte christliche Ideologie, wir müssen asketisch leben und auf unseren Spaß verzichten, um gute Menschen zu sein. Dass diese Ideologie nicht nur falsch, sondern enorm gefährlich und Grundlage des meisten und vor allem des größten Bösen auf dieser Welt ist, habe ich oben ausgeführt. Das ist zur Kenntnis zu nehmen oder dazu zu schweigen, aber noch mal wiederholen mag ich es nicht. Die simple Wahrheit ist natürlich: Wenn jeder täte, was er will, dann wäre das Reich Gottes gekommen, dann wären alle Heilige und wir lebten im himmlischen Jerusalem. Du und deine Mutter verwechselt das, was ein Mensch will, mit dem, was er glaubt zu wollen oder was die Natur in ihm will. Oder wie John so schön knapp und lakonisch sagen kann: Freiheit ist nicht Willkür. - Auch diesem wäre nicht zu widersprechen, sondern es wäre darüber nachzudenken.


    Ansonsten mag ich hier nicht auf jede Einzelheit eingehen. Du wiederholst im Grunde ja jetzt nur mehrmals: "Ich traue mich nicht, das zu beurteilen, davon habe ich keine Ahnung bzw. damit habe ich keine Erfahrung." (Stell dir vor: Auch ich habe von sehr vielen, ja den allermeisten Dingen keine Ahnung. Wie übrigens jeder Mensch. Eben deshalb braucht es ja Aufklärung. Gerade dort, wo man keine Ahnung hat, soll man nicht ängstlich den Schwanz einziehen und blind vermeintlichen Experten trauen müssen, sondern trotzdem eigene Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen können. Wenn man immer Ahnung haben müsste, um zu urteilen, dann bräuchte der Mensch nicht Aufklärung, sondern ein Universallexikon. Nun hat der liebe Gott dem Menschen aber eine Seele und einen freien Willen und kein Lexikon bei der Geburt mitgegeben, und es wäre ja immerhin denkbar, dass das auch seinen guten Sinn hat.) Es ging zwar gar nicht darum, dass du ein Urteil auf Grund von Erfahrung fällen, sondern dass du deine Vernunft befragen solltest, wofür es keine Erfahrung braucht, sondern man einfach nur denken muss - und es ist schon komisch, dass du dich einerseits ärgerst, wenn man dir attestiert, nicht gedacht zu haben, aber immer wieder jedes Angebot verweigerst, zu denken, und dich dann rausredest: "Ich kann nicht denken, dazu fehlt mir die nötige Erfahrung."
    Woher kommt nur diese entsetzliche Angst, irgendein eigenes Urteil zu fällen? Den eigenen Horizont zu erweitern? Eine Sache zu betrachten und aus dieser Betrachtung Schlüsse zu ziehen? Die eigene Vernunft zu gebrauchen? Könnte es vielleicht sein, dass solch eine Furcht vor dem eigenen Ich und der eigenen Vernunft, solch eine Furcht, aus sich herauszutreten, eben das Ergebnis einer Erziehung ist, die das Kind nie Mut aufbauen lässt, die von dem Moment an, da der keimende Same das erste Blättchen aus der Erde streckt, so sehr an diesem reißt, damit der Stängel schnell in die Höhe sprießt, dass das Pflänzchen nie starke Wurzeln ausbilden kann, die wirklich in der Erde verankert sind, und nun bei jedem Lüftchen fürchten muss, umzukippen?

    Wenn du einmal eine Sekunde aus dir heraustreten und deinen Post von außen betrachten könntest, wie er einem neutralen Beobachter erscheinen muss, dann müsstest du beeindruckt sein: Du gehst an keinem Ort auch nur entfernt auf irgendetwas ein, was ich gesagt habe. Du machst, immer abwechselnd, vor allem dreierlei: Du sagst, dieses oder jenes könntest du aus Erfahrungsmangel nicht beurteilen, stellst dich also als erbärmliches kleines Würmchen hin, dass zu nichts eine Meinung haben kann und nicht zu den simpelsten Vernunftschlüssen fähig ist (DU stellst dich als solches hin, wohlgemerkt; ich behaupte nicht, dass du so eines bist, ich behandle dich ja stattdessen als mir Gleiche, so fies das sein mag). Du wiederholtst stumpf, was du schon einmal gesagt hast und worauf ich geantwortet habe, während du die Antworten selbst ignorierst. Und du nimmst einzelne Wendungen von mir zum Anlass, um in völlig belanglose Anekdoten abzuschweifen ("das erinnert mich an dieses oder jenes!"), die mit dem Thema nichts zu tun haben. Alles insgesamt sehr unhöflich. Aber vor allem bedauerlich. Und zwar in erster Linie für dich selbst (in zweiter für die Gesellschaft, deren Teil du auch dann noch bist, wenn du dich ihr verweigerst). Ich kenne Menschen (und rühme mich selber, doch nicht wenig von einem solchen Menschen zu haben), die ganz und gar, in jedem Augenblick ihres Lebens offen sind für allen Reichtum dieser Welt, den das Leben ihnen vorbeitragen mag, die tief berührbar sind und stets den Schatz in ihrer Brust vergrößern, die aus jedem Erlebnis gestärkt und gereift hervorgehen, Menschen, kurz gesagt, die keinen Weg entlanggehen können, ohne noch das kleinste Blümchen am Wegesrand zu bemerken, stehenzubleiben und sich an seinem Duft zu erfreuen. Aber größer wohl ist die Zahl der Menschen, die man in einem Berg von Blumen ersticken kann, wie es Algabal tat, und die das völlig kalt lässt, die nicht ein Blütenblättchen, nicht den leisesten Dufthauch wahrnehmen, und selbst dann, wenn man ihnen zurruft, dass da Blumen für sie sind, taub und blind bleiben. Woher diese völlige Unberührbarkeit, frage ich mich? Diese Weigerung, sich auf irgendeinen anderen Menschen, auf irgendeinen neuen Gedanken, auf irgendeine Weisheit einzulassen, diese Weigerung, sich bereichern zu lassen und zu wachsen, diese scheinbare Erstorbenheit für alles Gute und Göttliche? Die Frage ist rhetorisch, denn ich gab die Antwort ja oben. Also kann ich wohl sagen: I rest my case. Die Erziehung des "Komm klar!", das Opfern der Gegenwart für die Zukunft, das Aufsichnehmen von Anstrengungen, denen man noch nicht gewachsen ist, diese Selbstüberforderung, die Hilfe ablehnt, weil es ihr zu peinlich ist, nicht den Vorurteilen ihrer Zeit zu entsprechen (wie ich schon sagte, jeder hat da so seins; mir z.B. wäre peinlich, nicht lesen zu können) - sie entfremden dem Leben, sie bauen jeglicher Aufklärung eine Mauer in den Weg, sie bringen Menschen hervor, die das Licht nicht sehen, selbst wenn es ihnen in die Augen scheint. (Ich halte es für einen wirklich nicht unerheblichen Punkt und für einen der stärkeren Belege all meiner Sätze und bitte daher zu beachten: dass jegliche Diskussion über meine Sätze ganz natürlich und ungezwungen selber zu deren Beweis wird, dass also wieder und wieder das Leben sie bestätigt, sodass am Ende jedem Außenstehenden nur das eine Urteil übrig bleibt: Na bitte, alles past zusammen, alles kommt, wie er es sagt!)

    Da das hier kein Gespräch ist, mag ich übrigens auf weiteres hierzu nicht antworten, solange dem nicht irgendein Einlassen auf mich und irgendeine Bereitschaft zur Berührung vorangeht - so viel Achtung darf ich mir ja schließlich ausbitten. Dazu, was es heißt, wenn einer das seltene Glück hat, das vielen, die es vielleicht mehr verdienten, nie zuteil wird, mit einem Philosophen sprechen zu können, und dies nicht für sich nutzt, brauche ich ja nichts zu sagen, das wurde schon vor zweitausend Jahren getan: "DAs ist aber das Gerichte / Das das Liecht in die Welt komen ist / Vnd die Menschen liebeten die Finsternis mehr denn das Liecht"


    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    Ich finde, es wird Zeit, dass JüdeXens Papa endlich mal einen Account hier bekommt.
    Gerüchten zufolge, soll er sogar einen haben...
    Zitat Zitat von Laidoridas Beitrag anzeigen
    (Wenn ich mal bei Jüdex zu Besuch wäre, würde ich vermutlich innerhalb weniger Minuten an meiner Milbenallergie zugrunde gehen. )
    Ach was, Papa hat auch eine und ist noch frisch und munter! Nur weil ich nicht sauge, heißt das ja nicht, dass nicht gesaugt wird!
    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    Die Kuscheltiere bekommen einen Sammelaccount.
    Aber Accountsharing ist doch verboten!

    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    Wir hatten mal damals in der Schule so einen "Wir besuchen mal Unis in der Nähe"-Tag, wo wir dann an die TU Dortmund sind, und da habe ich mich mit zwei anderen in eine Vorlesung reingesetzt, wo eine Dozentin über sogenanntes "motherese" sprach, womit dann wohl so eine Art "Teletubbies-Sprache" gemeint gewesen sein muss oder eben eine "verniedlichte" Sprache von Eltern gegenüber ihren Kindern. Da hat die Dozentin dann auch erklärt, dass es trotz vorgebrachter Bedenken, das könne die Sprachentwicklung von Kindern hemmen, kein schädlicher oder hemmender Einfluss jemals festgestellt werden konnte. Weiß ich noch wie heute!
    Bei "verniedlicht" würde ich jetzt eher an diese Art von Erwachsenen denken, die jedes Mal ihre Stimme verstellen, wenn sie mit einem Kind zu tun haben, und plötzlich mit dem reden wie mit einem Hündchen oder mit einem sehr begriffsstutzigen Ork, der gerade die ersten Brocken Myrtanisch gelernt hat [Bild: roter_ugly.gif]
    Aber ich weiß, was du meinst. Und ich würde nicht nur vermuten, dass das nicht schädigt, sondern dass es eben gut sein kann, auf das Kind in seinem derzeitigen Entwicklungsstand einzugehen. Überhaupt soll man, wenn man jemanden emporheben will, ja zu dem runter und ihn abholen, wo er ist, anstatt einfach von oben her zu verlangen, er habe gefälligst von sich aus raufzuklettern - das kann er, wenn, auch alleine bzw. genau das fordert man ihm ja gerade ab, da kann man sich dann auch gleich ganz verziehen.
    Ansonsten scheint da vielleicht auch hinter zu stecken, dass man Kindern eh nichts zutraut und die für völlig dumm hält. Als ob ein "falsches" Wort in deren Gegenwart die gleich völlig durcheinanderbringen würde und die nicht clever genug wären, selbst zurechtzukommen. Das hat man ja noch bei größeren Kindern, die man auch für völlig unmündig hält - wodurch man dann meinen kann, ich könnte die manipulieren, was ja denen gegenüber letztlich ziemlich beleidigend ist: selbst wenn ich das versuchte, warum sollten die so doof sein, dass es gelänge?
    Zu "Wenn man zu früh mit etwas anfängt, ohne bereit dafür zu sein, kann man es am Ende vielleicht sogar schlechter als diejenigen, die später damit angefangen haben" findest du vielleicht auch folgendes Beispiel interessant: RUB-Forscher (MEINE UNI!!!!!1!11) fanden heraus: Kinder, die in der ersten Klasse mit dem Englischunterricht beginnen, sind sieben Jahre später schlechter in diesem Fach als Kinder, die erst in der dritten Klasse in die Fremdsprache einsteigen. (Ist natürlich etwas verkürzt diese Feststellung und wird im weiteren Artikel mit den üblichen Wenns und Abers versehen.)
    Vielen Dank! Ist zwar nun wirklich keine Überraschung, aber trotzdem immer gut, wenn das noch mal durch eine Studie oder so bestätigt wird. Es wird halt auch da so sein: Man sollte erstmal das Sprechen bahnen, sich in einer Sprache zurechtfinden und da Sicherheit gewinnen, dann kann man gut zur nächsten übergehen und die viel besser lernen. Ich habe mich deswegen auch tatsächlich schon immer gegen diesen ganzen Quatsch ausgesprochen, Kinder schon im Kindergarten Chinesisch lernen zu lassen oder so, weil die das ja angeblich in dem Alter so gut können. Und da kann ich auch wieder direkt an mich selber denken: Ich hatte zwar ab der dritten Klasse Englisch, habe das aber eigentlich bis zur Oberstufe kaum gesprochen, war da nicht gut drin, mochte das Fach nicht, habe mich da nicht groß mit befasst. Na ja, und dann von einem Schuljahr aufs andere (war bei der Rechtschreibung übrigens auch so zwischen der 7. und 8. Klasse, jetzt wo ich dran denke; wer meine ersten Posts liest (bitte tut es nicht! ) wird das feststellen können) konnte ich eben Englisch - und ich möchte meinen, sehr viel besser als die meisten (wenn wir mal die Aussprache außen vor lassen ).

  16. Beiträge anzeigen #76
    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Eispfötchen ist offline
    Wahrscheinlich gar nicht. Der Durchschnittsmensch zeichnet sich eher durch befindlichkeits- und vorurteilgesteuerte Launenhaftigkeit als durch ein klares Ideal aus. Außerdem: Ist doch Wumpe. Wieso sollten irgendwelche beliebigen Hansel irgendein Recht haben, einem Kind diktatorisch ihre unaufgeklärten Vorstellungen aufzuzwingen, nur weil sie zufällig dessen biologische Erzeuger sind? Über die Erziehung eines Kindes haben nicht die Eltern zu gebieten, sondern die Vernunft.
    Das sehen die Eltern bestimmt anders.
    Gut sein hat nichts mit nett sein zu tun. Im Gegenteil: Die meisten sind doch nur nett, weil ihnen die Kraft zum Bösen fehlt.

    Die meisten Menschen sind vermutlich nett, um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden.

    Nun, wie so was halt immer passiert: Ich habe etwas völlig Neues gesagt. Etwas, wovon du noch nie gehört hast, was nie jemand in deiner Gegenwart auch nur gedacht hat.
    Schon wieder so eine Annahme, die du dir eben so denkst und von der du dann glaubst, dass es dann auch so sein muss. Nachfolgendes, ist dann deine Sicht der Dinge, aber ich bin eben anderer Ansicht über die Freiheit als solches. Bei dir hab ich oft das Gefühl, dass du der Meinung gibt, es gibt nur die eine Wahrheit, nämlich das was du schreibst und sagst und alle hätten das gefälligst so zu akzeptieren.
    Du behauptest einfach, ich könnte das nicht wissen, dabei kannst du doch gar nicht wissen, was ich wissen kann.
    Telephatisch veranlagt bist du also auch noch? Voll krass. … Tut mir Leid, aber das glaube ich dir nicht.
    So wie du schreibst, hört es sich schon fast so an, als würdest du verlangen, dass du für fast alle Menschen denkst, denen du die Fähigkeit selbst zu denken absprichst. Das ist schon ziemlich dreist. Du willst einfach mal in anderer Leute Leben eingreifen, die das aber vielleicht gar nicht wollen. Wer Hilfe möchte, der meldet sich schon bei dir. Ich bin auch so ein Fall. Wenn ich Hilfe brauche, dann sage ich das. Fragen sind zum Beispiel so Sachen, wo ich auch eine Antwort haben möchte. Es ist auch in Ordnung wenn du dann noch weiter ausschweifende Erklärungen abgibst. Aber ich lasse mir nicht in mein Leben rein reden, wenn ich das nicht möchte. Ich bin immer noch diejenige, die über mein Leben entscheidet und wie viel ich darüber nachdenke, welche Entscheidungen ich treffe und ich damit dann zufrieden und glücklich bin oder nicht, dass ist dann meine Sache. Vielleicht gelte ich damit als unbelehrbar und nicht aufgeklärt, aber damit kann ich leben. Nur weil du studiert hast, finde ich nicht, dass du mehr Lebenserfahrung hast als ich. Ich nehme nicht einfach alles als die Wahrheit hin was jemand sagt.



    Eispfötchen: Man muss im Leben halt das kleinere Übel wählen. Man muss manchmal Unannehmlichkeiten inkauf nehmen, um dann einen größeren Vorteil zu haben.
    JüdeX: Das ist eine unselige und grässliche Meinung, die dem Einzelnen ein anstrengendes und leidvolles Leben beschert und die Gemeinschaft insgesamt verkommen lässt und in den Abgrund stürzt. Und es ist ein Vorurteil. Ein Leben ohne solche kleinen Unannehmlichkeiten ist möglich. Man ist in einem solchen sogar viel erfolgreicher und seliger. Ich weiß, DASS dies möglich ist, denn ich führe selbst ein solches Leben und kenne noch andere, die es tun und taten. Und ich weiß auch, WIE es möglich ist, und habe es andere schon mit Erfolg gelehrt.
    Eispfötchen: Man muss im Leben halt das kleinere Übel wählen. Man muss manchmal Unannehmlichkeiten inkauf nehmen, um dann einen größeren Vorteil zu haben.
    Ein Leben ohne jede Anstrengung und Leid ist nur möglich, wenn man von anderen verhätschelt wird und zu Hause versauert, weil Abenteuer sind ja anstrengend. Gestern hab ich den Hobbit (1. Teil) gesehen und Bilbo sagt da am Anfang zu Gandalf, dass sie im Auenland keine Verwendung für Abenteuer hätten, weil Abenteuer Anstrengung und reichlich Unannehmlichkeiten bedeuten würden und man käme laufend zu spät zum Essen. Später lässt er sich trotzdem auf das Abenteuer ein aber ich denke es ist eine ganz gute Art das zu illustrieren. Natürlich kann man auch zu Hause bleiben, andere die unangenehmen Arbeiten erledigen lassen, aber dann kann man auch nicht auf Berge steigen, in fremde Länder reisen oder Abenteuer erleben, denn das ist ja alles anstrengend, kann Gefährlich und unangenehm sein und man muss Kraft und Willen investieren um zu erreichen was man machen möchte.


    Nö, der Mensch ist frei. "Müssen" bedeutet immer eine Lüge. Es gibt andere, die Unannehmlichkeiten auf sich nehmen, sehr viele sogar. Aber darum habe ich sie nicht gebeten und ich werde es ihnen nicht verübeln, falls sie damit aufhören.
    (Übrigens finde ich den Satz zynisch von einem Menschen, der ganz selbstverständlich und gedankenlos auf sehr viele Unannehmlichkeiten verzichtet, während ein Großteil der Weltbevölkerung dafür die Zeche zahlen darf. Aber das nur am Rande.)
    Ist wieder so ein typischer arroganter Satz. Vom hohen Sockel herabgerufen. Klar könnte ich kündigen und so weiter, dann sind wir wieder beim Punkt auf der Straße zu leben und das ist ja auch nicht immer angenehm. Der Mensch ist frei.... diese Aussage ist unserer Gesellschaft schon an sich so falsch wie es nur geht. Fängt schon bei der Schulpflicht an. Wenn ich entschieden hätte, ich wollte nicht zur Schule gehen, dann hätte mich die Polizei abgeholt und mich zur Schule geschliffen, damit ich gefälligst da hingehe. Kein Schüler ist also frei in der Entscheidung, ob er zur Schule geht oder nicht, es ist also PFLICHT. Die Freiheit wird abgenommen. Und so ist es mit vielen Sachen. Wer gänzlich frei sein will, müsste abseits von der Gesellschaft leben und das ist auf unserer Welt so gut wie unmöglich. Das sind wieder so Punkte wo ich den Eindruck habe, dass du keine Ahnung hast wie es in der richtigen Welt aussieht, fernab von Theorien und Büchern.

    Nehmen wir mal für einen Moment an, das würde stimmen und man dürfte nicht immer machen, was man will, weil sonst die Gesellschaft zusammenbräche oder so (und vergessen wir sogar, dass es um eine Frage der Moral und nicht der Klugheit ging, und verzichten auf ein: fiat isutitia, pereat mundus): Dann wäre deine Mutter noch immer im Unrecht. Warum, sollte nach den letzten Posts eigentlich klar sein, leider hast du sie nicht gelesen: Die Frage bliebe ja nämlich, WANN und WIE diese wichtige Lektion zu lernen wäre. Könnte ja sein, dass die Erwachsenen nicht immer machen dürfen, was sie wollen. Das muss aber deshalb noch nicht für die Kinder gelten. In anderen Bereichen der Entwicklung ist es ja nicht anders: Meinetwegen gibt es Situationen im Leben, wo ein Erwachsener still sitzen soll. Ein kleines Kind kann aber noch nicht länger stillsitzen, ihm dies abzufordern, wäre schlicht Folter. Was wäre für die Entwicklung des Kindes wohl besser: Es erst einmal einige Jahre spielen und toben und zappeln und sich in Ruhe entwickeln lassen, bis es alt und reif genug ist, dass es ganz von selbst still sitzt? Oder es schon ganz jung zum Stillsitzen zwingen und damit in seiner Entwicklung hemmen? Ich hatte zuvor gesagt: Wer jonglieren will, sollte erst einen sicheren Stand haben, auf wackligen Beinen jongliert es sich nicht gut. Deine Mutter will nun Kinder, die noch nicht einmal stehen können, zum Jonglieren zwingen und begründet das mit: "In dieser Welt gehört jonglieren dazu, die Erwachsenen müssen es alle können!" Kann sein, aber ändert nichts daran, dass das Kind sich erst die Grundlagen zum Jonglieren, nämlich den sicheren Stand, erarbeiten sollte, ehe es an den nächsten Schritt geht, ja dass es, wenn es dies nicht tut, niemals ein guter Jongleur werden wird - was bedeutet, dass diese Erziehung eine Narrheit ist, weil sie das, was sie angeblich erreichen will, selber verhindert und kaputtmacht.
    So, und jetzt hören wir auf, anzunehmen, es würde stimmen, dass nicht jeder tun kann, was er will. Denn das ist eben das aller platteste Vorurteil, und alles, was du hier zusammengeschrieben hast, illustriert doch nur, was ich oben im Anschluss an Arendt ausführte (ist ziemlich unhöflich, das einfach zu ignorieren, und spricht weder für die Nettheit, die du dir zuschreibst, noch für besonders tiefsinniges Durchdenken meiner Worte): Das ist die alte christliche Ideologie, wir müssen asketisch leben und auf unseren Spaß verzichten, um gute Menschen zu sein. Dass diese Ideologie nicht nur falsch, sondern enorm gefährlich und Grundlage des meisten und vor allem des größten Bösen auf dieser Welt ist, habe ich oben ausgeführt. Das ist zur Kenntnis zu nehmen oder dazu zu schweigen, aber noch mal wiederholen mag ich es nicht. Die simple Wahrheit ist natürlich: Wenn jeder täte, was er will, dann wäre das Reich Gottes gekommen, dann wären alle Heilige und wir lebten im himmlischen Jerusalem. Du und deine Mutter verwechselt das, was ein Mensch will, mit dem, was er glaubt zu wollen oder was die Natur in ihm will. Oder wie John so schön knapp und lakonisch sagen kann: Freiheit ist nicht Willkür. - Auch diesem wäre nicht zu widersprechen, sondern es wäre darüber nachzudenken.


    Wenn du mal Kinder haben solltest, dann kannst du sie ja alles machen lassen was sie wollen.

    Ansonsten mag ich hier nicht auf jede Einzelheit eingehen. Du wiederholst im Grunde ja jetzt nur mehrmals: "Ich traue mich nicht, das zu beurteilen, davon habe ich keine Ahnung bzw. damit habe ich keine Erfahrung." (Stell dir vor: Auch ich habe von sehr vielen, ja den allermeisten Dingen keine Ahnung. Wie übrigens jeder Mensch. Eben deshalb braucht es ja Aufklärung. Gerade dort, wo man keine Ahnung hat, soll man nicht ängstlich den Schwanz einziehen und blind vermeintlichen Experten trauen müssen, sondern trotzdem eigene Entscheidungen treffen und Verantwortung übernehmen können. Wenn man immer Ahnung haben müsste, um zu urteilen, dann bräuchte der Mensch nicht Aufklärung, sondern ein Universallexikon. Nun hat der liebe Gott dem Menschen aber eine Seele und einen freien Willen und kein Lexikon bei der Geburt mitgegeben, und es wäre ja immerhin denkbar, dass das auch seinen guten Sinn hat.) Es ging zwar gar nicht darum, dass du ein Urteil auf Grund von Erfahrung fällen, sondern dass du deine Vernunft befragen solltest, wofür es keine Erfahrung braucht, sondern man einfach nur denken muss - und es ist schon komisch, dass du dich einerseits ärgerst, wenn man dir attestiert, nicht gedacht zu haben, aber immer wieder jedes Angebot verweigerst, zu denken, und dich dann rausredest: "Ich kann nicht denken, dazu fehlt mir die nötige Erfahrung."
    Woher kommt nur diese entsetzliche Angst, irgendein eigenes Urteil zu fällen? Den eigenen Horizont zu erweitern? Eine Sache zu betrachten und aus dieser Betrachtung Schlüsse zu ziehen? Die eigene Vernunft zu gebrauchen? Könnte es vielleicht sein, dass solch eine Furcht vor dem eigenen Ich und der eigenen Vernunft, solch eine Furcht, aus sich herauszutreten, eben das Ergebnis einer Erziehung ist, die das Kind nie Mut aufbauen lässt, die von dem Moment an, da der keimende Same das erste Blättchen aus der Erde streckt, so sehr an diesem reißt, damit der Stängel schnell in die Höhe sprießt, dass das Pflänzchen nie starke Wurzeln ausbilden kann, die wirklich in der Erde verankert sind, und nun bei jedem Lüftchen fürchten muss, umzukippen?

    Wenn du einmal eine Sekunde aus dir heraustreten und deinen Post von außen betrachten könntest, wie er einem neutralen Beobachter erscheinen muss, dann müsstest du beeindruckt sein: Du gehst an keinem Ort auch nur entfernt auf irgendetwas ein, was ich gesagt habe. Du machst, immer abwechselnd, vor allem dreierlei: Du sagst, dieses oder jenes könntest du aus Erfahrungsmangel nicht beurteilen, stellst dich also als erbärmliches kleines Würmchen hin, dass zu nichts eine Meinung haben kann und nicht zu den simpelsten Vernunftschlüssen fähig ist (DU stellst dich als solches hin, wohlgemerkt; ich behaupte nicht, dass du so eines bist, ich behandle dich ja stattdessen als mir Gleiche, so fies das sein mag). Du wiederholtst stumpf, was du schon einmal gesagt hast und worauf ich geantwortet habe, während du die Antworten selbst ignorierst. Und du nimmst einzelne Wendungen von mir zum Anlass, um in völlig belanglose Anekdoten abzuschweifen ("das erinnert mich an dieses oder jenes!"), die mit dem Thema nichts zu tun haben. Alles insgesamt sehr unhöflich. Aber vor allem bedauerlich. Und zwar in erster Linie für dich selbst (in zweiter für die Gesellschaft, deren Teil du auch dann noch bist, wenn du dich ihr verweigerst). Ich kenne Menschen (und rühme mich selber, doch nicht wenig von einem solchen Menschen zu haben), die ganz und gar, in jedem Augenblick ihres Lebens offen sind für allen Reichtum dieser Welt, den das Leben ihnen vorbeitragen mag, die tief berührbar sind und stets den Schatz in ihrer Brust vergrößern, die aus jedem Erlebnis gestärkt und gereift hervorgehen, Menschen, kurz gesagt, die keinen Weg entlanggehen können, ohne noch das kleinste Blümchen am Wegesrand zu bemerken, stehenzubleiben und sich an seinem Duft zu erfreuen. Aber größer wohl ist die Zahl der Menschen, die man in einem Berg von Blumen ersticken kann, wie es Algabal tat, und die das völlig kalt lässt, die nicht ein Blütenblättchen, nicht den leisesten Dufthauch wahrnehmen, und selbst dann, wenn man ihnen zurruft, dass da Blumen für sie sind, taub und blind bleiben. Woher diese völlige Unberührbarkeit, frage ich mich? Diese Weigerung, sich auf irgendeinen anderen Menschen, auf irgendeinen neuen Gedanken, auf irgendeine Weisheit einzulassen, diese Weigerung, sich bereichern zu lassen und zu wachsen, diese scheinbare Erstorbenheit für alles Gute und Göttliche? Die Frage ist rhetorisch, denn ich gab die Antwort ja oben. Also kann ich wohl sagen: I rest my case. Die Erziehung des "Komm klar!", das Opfern der Gegenwart für die Zukunft, das Aufsichnehmen von Anstrengungen, denen man noch nicht gewachsen ist, diese Selbstüberforderung, die Hilfe ablehnt, weil es ihr zu peinlich ist, nicht den Vorurteilen ihrer Zeit zu entsprechen (wie ich schon sagte, jeder hat da so seins; mir z.B. wäre peinlich, nicht lesen zu können) - sie entfremden dem Leben, sie bauen jeglicher Aufklärung eine Mauer in den Weg, sie bringen Menschen hervor, die das Licht nicht sehen, selbst wenn es ihnen in die Augen scheint. (Ich halte es für einen wirklich nicht unerheblichen Punkt und für einen der stärkeren Belege all meiner Sätze und bitte daher zu beachten: dass jegliche Diskussion
    über
    meine Sätze ganz natürlich und ungezwungen selber zu deren Beweis wird, dass also wieder und wieder das Leben sie bestätigt, sodass am Ende jedem Außenstehenden nur das eine Urteil übrig bleibt: Na bitte, alles past zusammen, alles kommt, wie er es sagt!)
    Ich weiß, dass ich nichts dazu weiß. Wenn man sich zu einem Thema nicht auskennt ist es ratsam sich da raus zu halten und wohlmöglich noch Blödsinn zu reden. Wenn man sich dann informiert hat, kann man ja mitreden. Aber das heißt natürlich nicht, dass das als gesicherte Wahrheit gesehen werden sollte.



    Ehrlich gesagt geht es mir auch gehörig auf den Keks, das meine Aussagen hier wieder so auseinanderklambüsert werden. Natürlich kann ich auch einfach nichts antworten, aber das wäre unhöflich. Natürlich könnte ich mir auch einfach die Freheit nehmen unhöflich zu sein, aber das ist nicht gesellschaftsconform. Wenn ich antworte, dann braucht das wieder ewig Zeit und verursacht Bluthochdruck.

    Es ist unangenehm, also lass ich demnächst einfach, wenn es wieder unangenehm ist. War doch so, oder? So unangenehme Sachen, die man nicht machen will... einfach sein lassen...

  17. Beiträge anzeigen #77
    Kleiner als drei  Avatar von Lady Xrystal
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    Lady Xrystal ist offline
    Zitat Zitat von John Irenicus Beitrag anzeigen
    Ja, ich verstehe glaube ich genau, wie du das meinst, ich muss über sowas dann auch immer lachen. Ein weiterer Favorit ist "Kohlentragen stärkt die Glieder" um zu rechtfertigen, warum man seine Kinder zu körperlich überfordernden Arbeiten gezwungen hat. Man kann sich halt jeden Scheiß ausdenken.
    Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass ihr immer wieder vorgeworfen wurde, sie würde mich "verziehen", weil ich nicht im Haushalt mithelfen musste. Ihr Argument dagegen war immer, dass ich schon von alleine lernen würde, wie man Wäsche wäscht und Teller spült, wenn ich das irgendwann mal machen muss (zum Beispiel, wenn ich alleine wohne). Daraufhin kam von einer meiner Tanten die Antwort: "Aber wenn klein Xrüssi noch nie Teller gespült hat, dann sind ihre Arme so schwächlich, dass sie dazu körperlich gar nicht mehr in der Lage ist!"

    Zitat Zitat von Eispfötchen Beitrag anzeigen
    Das sind wieder so Punkte wo ich den Eindruck habe, dass du keine Ahnung hast wie es in der richtigen Welt aussieht, fernab von Theorien und Büchern.
    So ist das wohl, wenn man sein Leben im Hotel Papa verbringt.

  18. Beiträge anzeigen #78
    Sapere aude  Avatar von Jünger des Xardas
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    Jünger des Xardas ist offline
    Zitat Zitat von Eispfötchen Beitrag anzeigen
    Ehrlich gesagt geht es mir auch gehörig auf den Keks, das meine Aussagen hier wieder so auseinanderklambüsert werden.
    Ja, ist richtig ätzend, wenn einer das, was man sagt, ernst nimmt und sich die Mühe macht, druf zu antworten. Wäre netter von mir, ich würde auch anfangen, lange Absätze voller Argumente, Erläuterungen und Beispiele einfach mit "Ja, du kannst ja in deinem Leben machen, was du willst!" oder "Das ist nur deine Meinung!" oder so zu beantworten. Aber ich bin zu sittlich, um nett zu sein. Und zu meiner Entschuldigung: Ich bin ja nicht frei, daher kann ich eben auch nicht anders. (Und nebenbei wegen der Beispiele: Ich entsinne mich noch, wie mir einmal das Fehlen praktischer Beispiele vorgeworfen wurde. Nun habe ich die simpelsten und eingängigsten Bilder zur Illustration gewählt. Etwa das des Jonglierens; sie wurden nicht einmal beachtet. Wie ich finde, ein sehr schöner Beleg eines weiteren zentralen Satzes der Philosophie: Das praktische kommt stets vor dem Theoretischen und die freie Entscheidung - etwa hier die Entscheidung, sich nicht berühren zu lassen und nicht begreifen zu wollen - kommt stets zuerst, ihre Begründung immer erst danach als Selbstrechtfertigung, der man keine weitere Beachtung zu schenken braucht: Ich hoffe doch, dass mittlerweile halbwegs deutlich sein sollte, dass alle Vorwürfe, es fehlten praktische Beispiele, alles sei zu theoretisch, meine Sprache sei zu kompliziert, meine Texte seien zu lang, ich hätte zu viele große Namen genannt oder zu viele Bücher gelesen oder so, nur Lügen sind, und dass, wer immer eben nicht zuhören will, schon eine Ausrede findet, warum er dieses nicht könne und der andere schuld sei, und sicher neue Ausreden fände, wenn zu den alten kein Anlass mehr gegeben würde. Der Mensch ist eben Täter und kein Opfer. Dass aber, wer nur will, auch problemlos verstehen kann, was geschrieben wurde, sollte ebenfalls feststehen. Dass es klar gedacht wurde, dessen bin ich mir bewusst, und was klar gedacht ist, das wird auch klar gesagt.)

    Aber ich muss schon sagen, ich finde, es ist eine beachtliche Leistung, ausgerechnet demjenigen, der wieder und wieder wiederholt, man solle doch bitteschön nicht so klug sein, alle tollen Theorien in seinem Kopf vergessen und sich einmal wirklich aufs Leben einlassen, vorzuhalten, er habe es nur mit lebensfremder Theorie. Um das mal klarzustellen: Mit Theorie habe ich nicht nur persönlich nichts am Hut (wenn ich auf Theoriewichserei stände, würde ich ja an der Uni bleiben), sondern Philosophie überhaupt ist keine theoretische, sondern eine praktische Wissenschaft (das ist ja auch die einzig mögliche Erklärung für den Hass und die Ablehnung, die ihr allerorten entgegenschlagen - bloße Theorie ist den Leuten durchaus gleichgültig und wird daher stets hingenommen). Und ich bin nicht bloß Philosoph, möchte ich anfügen, sondern gehöre unter diesen wiederum nicht etwa in die Klasse der Vernunftwissenschaftler, sondern in die der Vernunftkünstler, widme mich also innerhalb dieser praktischen Wissenschaft noch einmal ganz der Praxis. Deshalb kann ich ja von meinen Lehren behaupten, dass sie nicht bloß theoretisch wahr, sondern dass sie beseligend sind, deshalb erweist sich das ja in meinem Leben, im Leben meiner Schüler und dann wiederum dort, wo die meine Lehren mit großem Erfolg praktisch anwenden, etwa wenn sie eben mit Kindern zu tun haben (und dass ausgerechnet meine Ausführungen hierzu ignoriert wurden und sicher auch fernerhin ignoriert werden, das wird schon seine sehr guten Gründe haben).

    Zitat Zitat von Lady Xrystal Beitrag anzeigen
    Meine Mutter hat mir mal erzählt, dass ihr immer wieder vorgeworfen wurde, sie würde mich "verziehen", weil ich nicht im Haushalt mithelfen musste. Ihr Argument dagegen war immer, dass ich schon von alleine lernen würde, wie man Wäsche wäscht und Teller spült, wenn ich das irgendwann mal machen muss (zum Beispiel, wenn ich alleine wohne). Daraufhin kam von einer meiner Tanten die Antwort: "Aber wenn klein Xrüssi noch nie Teller gespült hat, dann sind ihre Arme so schwächlich, dass sie dazu körperlich gar nicht mehr in der Lage ist!"
    Benutzt ihr zuhause Bleiteller? [Bild: roter_ugly.gif]
    So ist das wohl, wenn man sein Leben im Hotel Papa verbringt.
    In der Tat, da kann es dann schon mal passieren, dass man derart verblödet und lebensunerfahren wird, dass man doch tatsächlich nicht weiß, dass es Schulpflicht gibt. Aber nun wurde ich ja eines Besseren belehrt [Bild: rotes_laecheln.gif]

    Da ja offenbar Anekdoten so geschätzt werden: Ich muss da an einen Schüler denken, der mal seine Zeit bei mir absitzen musste, als ich noch Aufklärung an der Schule unterrichtet habe. Sehr oberflächlicher Kerl und keine Leuchte vor dem Herrn, wackerer Premiummusel (man muss wissen, dass nur der Koran Sinn ergibt, die Bibel ist ohne Sinn, weil sie verfälscht wurde; auf meine Frage, ob er sie denn gelesen hätte, hat er auch tatsächlich ein Ja zusammengelogen, und konnte immerhin als Beispiel für die Sinnlosigkeit der Bibel nennen, dass im Alten Testament Schweinefleisch verboten, im Neuen erlaubt werde, womit, wie ich finde, das Christentum in der Tat widerlegt ist) und übrigens auch mehr so Lebenspraktiker, der kein Fan der Schule war, denn wenn er sich im Laden Wasser kaufe, müsse er ja auch nicht ausrechnen, wie viel Liter das seien! Der Gute jedenfalls fühlte sich vom deutschen Staat ziemlich geknechtet und hat mir auch mal erklärt (aber ich bin halt begriffsstutzig und muss die Dinge mehr als einmal hören): "Lak, was Freiheit! Wir sind doch nicht frei! Als ob ich Schule gehen will. Aber die zwingen mich Schule! Wo ist hier Freiheit? Was deutsche Staat Demokratie!" Ich muss sagen, ihn im Unterricht zu haben, war immer ganz amüsant. Als ich "Was ist Aufklärung?" von Kant mit denen lesen wollte, hat der mir z.B. die Augen geöffnet mit seiner Frage: "Was, wenn verfälscht ist?" Der Kerl hatte es nämlich mit Verfälschungen, nicht nur bei der Bibel, und begeisterte sich auch sonst für Verschwörungen aller Art. Und in der Tat, wissen wir denn, ob nicht am Ende alle Werke Kants eine Fälschung sind und es gar keinen Kant gab?????!!! Ansonsten trat der Bursche im Unterricht vor allem als Verfechter der Meinungsvielfalt auf: Ich weiß noch, wie ich etwa einmal ansetzte, Kant habe ja gesagt, die Christen sollten sich lieber Christianer nennen, worauf der Kerl mich nicht etwa ausreden ließ, warum er dieses denn gesagt hatte, sondern nur abwinkte: Ja ja, das habe halt Kant gemeint. Nun ja, unser lieber Freund hatte sein Leben voll im Griff: Einmal erzählte er stolz herum, er habe sich im Puff entjungfern lassen, und "ich hab' der Nutte fünf Euro extra gezahlt, dass ich sie schlagen darf, vallah". Nach der 10. verabschiedete sich dann aus der Schule, um in Wilmersdorf einen Laden aufzumachen. Nach allem, was man so hört, hält er sich zudem jetzt über Wasser, indem er mit seinen Kumpels, wenn sie nicht gerade "chillen" und ein bisschen Shisha rauchen, Einbrüche durchführt und Autos aufbricht oder so was. Zur Kindererziehung hatte er auch einen ganz klaren Standpunkt: "Wenn mein Sohn schwul wird, geh ich mit ihm Puff. Wenn er danach immer noch schwul ist, bring ich ihn um."
    Guter Mann also. Er wird sehr vermisst.

    Was wollte ich sagen? Ach ja, richtig: Wer sich selbst für unfrei erklärt, der kann natürlich auch unmöglich glücklich sein im Leben. Bzw. er kann es höchstens zufälligerweise mal vorübergehend sein. Denn er hängt ja vom äußeren Sein ab. Wenn sich da alles fügt, dann hat er Glück gehabt. Läuft dann, wie man so schön sagt. Wenn es sich zum Schlechten fügt, hat er halt Pech gehabt. Er ist also dem blinden Schicksal ausgeliefert. Der Freie dagegen hängt von Äußerem nicht ab (klar, das eben ist ja die Freiheit), er kann sich somit selbst entscheiden, wie er sich fühlen will, und ist in diesem Fühlen von allem Sein außer ihm völlig unabhängig, kann also von diesem auch darin nicht beeinträchtigt werden. Die Frage: Ist Freiheit möglich? ist also mit der: Ist ein seliges Leben möglich? einerlei, und es ist konsequent, wenn derjenige, der wider alle Fakten (dass es nämlich wirklich selige Menschen gibt, denen er das ja schlecht absprechen kann, ohne sie der Lüge zu bezichtigen) die Seligkeit leugnet und darauf beharrt, Unbill gehörten eben zum Leben, zugleich auch die Freiheit leugnet. Da Freiheit wiederum Moralität bedeutet, ist es weiterhin konsequent, auch solche rundheraus zu leugnen und auf sie auch gar keinen Wert zu legen. - Aber nun will ich schließen, sonst könnte am Ende noch der Eindruck entstehen, ich irrte wenn ich der Unaufgeklärtheit stets notwendige Inkonsequenz bescheinige [Bild: rote_zunge.gif]

  19. Beiträge anzeigen #79
    Deus Avatar von Laidoridas
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    Laidoridas ist offline
    Heißt das, du bist immun gegen Folter, Depressionen und Migräne?

    Lass doch mal bitte gut sein mit Eispfötchen. Das ist doch nun wirklich offensichtlich, dass ihr in diesem Leben nicht mehr auf einen Nenner kommen werdet, da hat doch jetzt keiner von euch beiden was von. Und angesichts der Schärfe in deinen letzten Posts weiß ich auch nicht, wie du dir ernsthaft noch irgendeine Art von Verständnis auf Eispfötchens Seite erhoffen kannst. Das ist doch klar, dass das nix geben kann, wenn sich Eispfötchen ständig nur angegriffen und herabgesetzt fühlt. Kannst du die Energie nicht lieber in ein paar böse Briefe an die Giffey stecken?

    Zitat Zitat von Jünger des Xardas Beitrag anzeigen
    Ach was, Papa hat auch eine und ist noch frisch und munter! Nur weil ich nicht sauge, heißt das ja nicht, dass nicht gesaugt wird!
    Ich dachte jetzt auch eher die an die Kuscheltiere. So groß ist eure Wohnung doch nicht, oder? Selbst wenn ich jetzt mal von fünf Zimmern ausgehen würde, dann wären da ja hundert Kuscheltiere in jedem Raum. Oder aber es gibt einen Kuscheltierraum, der mich dann wohl augenblicklich K.O. setzen würde.

  20. Beiträge anzeigen #80
    Kleiner als drei  Avatar von Lady Xrystal
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    Lady Xrystal ist offline
    Auch, wenn mein obriger Satz hauptsächlich als Witz zu verstehen war - du musst schon selbst zugeben, dass es ein wenig amüsant anmutet, wenn jemand, der nach eigener Aussage bei einem Elternteil wohnt, dementsprechend in den Augen vieler Außenstehender recht wenig Verantwortung auch gegenüber sich selbst zu tragen hat (schließlich hat dieser jemand, sofern er nicht nur deshalb bei den Eltern wohnt, um diese beispielsweise im Krankheitsfall zu pflegen und zu unterstützen, auch ohne eigenes Einkommen keinerlei Existenzängste, zumal er, anders als jemand, der keine unterstützende Familie im Rücken hat, mit Sicherheit von einem intakten sozialen Netz aufgefangen wird und, ebenfalls anders als jemand, der arbeitet oder staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, in ebendiesem Netz bedingungslose Unterstützung zur Existenzsicherung erfährt), eine andere Person, die nach eigenen Angaben auf sich allein gestellt für ihr Überleben sorgen muss, über Aspekte des Lebens und der Menschheit aufzuklären versucht.

    Versteh mich hier bitte nicht falsch! Ich will nicht sagen, dass du inhaltlich daneben greifst. De facto sage ich gar nichts über den Inhalt deiner Ausführungen, weil ich mir - und ich bitte dich, das zu entschuldigen - nicht all deine Beiträge in ihrer Gänze durchgelesen habe, somit also gar kein Urteil über die Sinnhaftigkeit und Richtigkeit deiner Ausführungen fällen kann. Und eigentlich glaube ich auch nicht, dass der Inhalt allein das Verständnisproblem zwischen Eispfötchen und dir schafft. Viel mehr scheint mir die von deiner Seite aus gewählte Rhetorik dafür verantwortlich zu sein.

    Eispfötchen schrieb mehrfach, dass sie deine Sätze nicht versteht. Natürlich kann man da argumentieren, dass sie einfältig sei und sich nicht vorurteilsfrei auf die Diskussion mit dir einlassen würde. Andererseits solltest du aber auch bedenken, dass du deinen Gegenüber wohl kaum dazu zwingen kannst, sich auf dein sprachliches Niveau zu begeben, insbesondere dann, wenn diese Person sich selbst nicht als Philospoh oder dergleichen ansieht, folglich also wenig mit langen Ausschweifungen und theoretischen Bildern anfangen kann und auch innerhalb vergangener Diskussionen mit dir nicht die Eloquenz an den Tag gelegt hat, die du dir wünschen würdest oder die du vielleicht sogar erwartet hast. Die einzige Person, auf die du uneingeschränkt Einfluss nehmen kannst, bist du selbst.

    Die Frage, die sich mir auch schon in vergangenen Diskussionen gestellt hat ist also die nach deiner Intention. Was möchtest du mit deinen Beträgen bezwecken? Willst du Eispfötchen wirklich zu mehr Offenheit und Achtsamkeit erziehen, ihr vielleicht sogar Ansichten und Erfahrungen mitgeben, die ihr Leben bereichern, wenn sie sich nur darauf einlässt, dann solltest du zuallererst selbst das tun, was du von ihr verlangst, und sich auf sie, vor allem aber auf ihre Sprache einlassen. Die Kunst der Überzeugung liegt schließlich nicht umsonst in guter Rhetorik, wobei "gut" in diesem Zusammenhang nicht zwingend eloquent bedeutet, sondern zuallererst darauf abzielt, für denjenigen, den man überzeugen möchte, verständlich und nachvollziehbar zu sein. Mit anderen Worten: Schreib kurze Sätze. Verzichte auf allzu hochtrabende Wörter. Und dann ist es auch für Eispfötchen einfacher, deine Aussagen in einer Weise zu deuten, wie du sie beabsichtigt hast.

    Wenn du aber in erster Linie dein eigenes Ego polieren möchtest, indem du deine wohldurchdachten Ansichten wohlklingend ausformuliert hier präsentierst (was in meinen Augen nicht einmal besonders verwerflich ist, schließlich hat doch jeder Mensch das Bedürfnis, für seine Talente und seinen Geist geschätzt zu werden), dann würde ich mich Laido anschließen: Such dir mal ein anderes Opfer. Immer nur Eispfötchen wird langweilig.

    Zitat Zitat von Jünger des Xardas Beitrag anzeigen
    Benutzt ihr zuhause Bleiteller? [Bild: roter_ugly.gif]
    Wir nicht. Aber meiner Tante traue ich das durchaus zu.

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