Zitat von
Luceija
"Che cazzo..", raunte es hörbar durch einen Saal, der unmittelbar nach Daigles Aussage sowohl ausgiebig zu tuscheln angefangen hatte, als auch die Stille mit leichtem Gelächter durchbrach. Es war ein 'Ach du Scheiße', dass nicht etwa auf irgendwelche Cliffhanger erfolgte, die nach ihrem Gusto unnötigerweise in ihre Lieblingsserie gebaut worden waren. Es war das 'Che cazzo' einer Schockform, die über alles hinaus ging. Die sich noch äußerte, obwohl der Richter Van Oostveen drastischen Schlagens zur Ruhe aufgefordert hatte. Es war erst nur eine beinahe leise Ausformulierung von Entsetzen, dass sich über die Stimmen hinwegsetzte, als eine der wenigen Stimmen, die laut genug war um über dem monotonen Brei vieler Stimmen hervorzustechen. Eines, dass Blicke anlockte, weil die Personen nichts anderes waren als unendlich Sensationsgeil. Vorallem natürlich die Presse. Aber selbst die Mitarbeiter Darwins waren keine Ausnahme. Insbesondere nicht sie. Luceija fand aber einfach keine anderen Worte und DIE waren welche, die es zu verbalisieren galt, obwohl ihr längst nicht mehr das Wort erteilt, nein, sie sogar schon einmal zuvor verwarnt worden war. Denn ihr wurde schlagartig übel und gewahr, was hier vor sich ging: Daigle war im Gegensatz zu vielen anderen hier nicht einfach nur ein Zeuge, der von der einen oder anderen Seite geschmiert wurde. Daigle war ein Zeuge, der wirklich gesehen hatte, war vorgefallen war. Der gesehen hatte, dass sie tatsächlich auf dieser Intensivstation auf Leif sass. Der sah, dass sie sich auf Leif bewegt hatte, der hörte, dass ihre Laute die Wände hinaufgekraxelt waren und nicht im Geringsten so klangen wie das, was gar nicht viel später im Apartment abgelaufen war und ihr einen wissenden, kalten Schauer über den Rücken jagte. "CHE CAZZO!" äußerte sich die Sizilianerin ein zweites Mal. Schon beim ersten Mal war Talbot ihre Reaktion nicht entgangen, aber für Oostveen war es wohl im Sumpf der öffentlichen Ermahnung an alle unter gegangen. Der zweite, deutlich lautere, entsetzter, nein, sogar wütendere Ausruf hingegen ging nicht an ihm vorbei. Denn zu diesem war ihre Stimme nicht nur laut, deutlich getroffen und hatte das Temperament der Sizilianerin angefackelt wie ein Streichholzbriefchen, sondern sie sogar so weit gebracht, dass sie aufstand und im Begriff gewesen war auf Daigle, den sie mit abscheulich penetrantem Gift-Blick penetrierte, zu zugehen um ihm den Hals umzudrehen. Wer schnell genug reagierte war wie immer Vigilio, ebenso wie, jetzt, eher mit einem Seufzen und von hinten an ihren Schultern, ebenfalls der hinter ihr sitzende Vater, der sich mit-erhoben hatte und sie von der Dummheit abhielt, zu ihm zu stiefeln. "Was für eine Scheiße redest du da eigentlich du perverser, kleiner Ficker?! Ich hab dich auf der ganzen-" "Miss Ascaiath!" "-scheiß Anlage kein EINZIGES Mal gesehen und-" "Miss ASCAIATH!" "-jetzt behauptest du ernsthaft, ich ficke meinen Arzt auf der Intensivstation?! Für welche Scheiß Serie hältst du das hier!? Meinetwegen zerstör weiter Svenssons Ruf aber lass meinen verdammt nochmal in Ruhe!"
Und das traf. Allem voran auch sie selbst. Die hier in ihrer Verachtung darstellen musste, einimpfen musste, dass sie nichts mit ihm hatte. Dass da nichts zwischen Ihnen war.
Van Oostveen hämmerte unerbittlich für Ruhe auf dem gefilzten Quadrat seines Schreibtisches herum und schien zusammen mit Luceija seine Lautstärke zu erhöhen und ungehaltener zu werden. Auf einem professionellen Niveau, aber unablässig klar stellend, WER hier das sagen hatte. "MISS ASCAIATH!", es herrschte Stille. Urplötzlich und von allen Seiten. Bis sich eine stumm knurrende, sichtlich genervte Luceija zurück auf den Stuhl setzte, ein leiblicher Vater um Ruhe ermahnte und ein Vigilio verzweifelt versuchte so zu wirken als sei es nicht so schlimm gewesen. "Ich bitte Sie inständig sich nicht weiter zu verhalten wie ein vorlautes Gör! Ich darf sie daran erinnern, dass Sie sich hier in London, England und vor Gericht befinden und nicht in einer vergammelten Hinterhof-Kneipe auf Omega! Und auch wenn ich Verständnis für Ihre Situation habe, habe ich KEINE für Ihre ständigen Ausbrüche! Ich erlege Ihnen zehn Tagessätze zu je 50 Credits auf - und das ist meine letzte Warnung, bevor ich Sie aus dem Saal entfernen lasse!", rief der Richter in einem deutlich gereizten, lauten und autoritären Ton, der die Geschworenen zusammenzucken ließ. Die Nüstern der Sizilianerin blähten sich genervt und angespannt auf und sie bemühte sich sichtlich, sich zusammen zu reißen. Ein innerliches Fick dich folgte, das aber keiner hörte. Auch, wenn Talbot es schon regelrecht auf ihren Lippen sah. Und er schmunzelte. In ihre Richtung, obwohl es nicht für Sie gedacht war. Talbot räusperte sich, weil er fortfahren wollte, drehte sich, mit Blick über Leif wandernd, zurück zu Daigle. "Mit beiden Händen?", fragte Talbot und nutzte beide, vielleicht auch zur Provokation, um sie an seinen eigenen Hals zu legen und symbolisch eine Würgegeste zu simulieren. "Etwa so?", wollte er wissen. Dann platzierte er die Hände so, dass es eher aussah, als hielte er sich, also symbolisch Leif Luceija, am Hals wie er sie sonst zärtlich am Gesicht hielt, wie kurz vor einem Kuss. "Oder eher so?" Er kam dem Zeugen etwas näher und lockerte dabei seinen Hemdskragen leicht. "Mister Daigle, darf ich Sie bitten, zeigen Sie dem Gericht bitte beispielhaft an mir, wo sie die Hände anliegen sahen. Haben Sie keine Scheu, nur, drücken Sie idealerweise nicht zu.", entschärfte er die Situation und lachte ein leises lachen.