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    Waldläufer
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    Weyland ist offline
    Lange sah Weyland den älteren Lukar Durand an, versuchte ihm bis auf den Grund der Seele zu schauen. Dieses Starren, dieses suchende, hungrige Starren hatte ihn bei den Sklaven und Rebellen verhasst und berüchtigt gemacht. Wie oft war er in Gefangenenlager oder Verstecke gekommen, die von Orks oder Rebellen befreit worden waren, nur um dort dann auf seine unvergleichliche Art an Informationen zu kommen. Der Jagdhund hatte nicht nur ein gutes Gespür, Befragungen waren auch eine seine Spezialitäten. Mal im netten Gespräch, mal mit glühendem Eisen oder der Daumenschraube. Es gab Mittel und Wege um jeden, schlichtweg jeden Menschen singen zu lassen wie einen betrunkenen Poeten. Paladine, Elite-Söldner, Orkveteranen und Magier. Assassinen, Nomaden, Waldläufer und ihre weisen Druiden. Vor dem Ausreißen von Fußnägeln und dem Schlagen schmaler Eisenstifte in die Gliedmaßen ... kurz schüttelte sich Weyland, ein abrupter Anflug von Gewissen. Und der Gewissheit, das Beliar ihn irgendwann in Empfang nehmen würde, um ihn in die dunkelste, tiefste Höhle seines Totenreichs zu verfrachten. Der Schmuggler spuckte den galligen Geschmack aus.
    »Wie auch immer, Herr Durand, ich mache es.«, knurrte er, »Dein Brief interessiert mich einen Scheiß. Der Kerl namens Dillinger ebenso. Mir geht es um das Gold, um mehr nicht.«
    Ein Wunder, das Durand ihm nicht das Schwert in den Wanst gerammt hatte. Wey hätte es getan, ganz egal wer zugeschaut hätte. Er hätte sich in einen Mahlstrom der Gewalt gestürzt. Aber nun, der Götter sei Dank war nur Weyland wie Weyland, sonst niemand. Der Schmuggler spuckte sich in die dreckige Rechte und hielt sie dem Händler hin.
    »Achtzig jetzt, achtzig von Dillinger. Wenn du mir versprichst, ein einfaches Versprechen unter Männern, ohne Schwüre und solchen Mist, das ich das Geld bekomme, sind wir im Geschäft. Ganz einfach, nicht wahr?«

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    Veteran Avatar von Lukar
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    Lukar ist offline
    Das boshafte Starren seines Gegenübers schien eine Ewigkeit zu dauern. Lukar fühlte sich in diesen grausamen Augen wie gefangen, konnte seinerseits den Blick nicht abwenden, was ungewöhnlich für ihn war. Doch diese ganze Situation war ungewöhnlich. Lukar hatte noch immer die Hand am Griff der Waffe, und aller Vernunft zum Trotz sogar eine haarbreite die Klinge aus dem Gürtel gezogen. Da schüttelte der Arbeiter Weynard sich urplötzlich. Ein Beben aus dem tiefsten Inneren seines Körpers. Was folgte, war ein dicker Speichelklumpen der im mehlligen Staub landete. Keine Geste der Verachtung, eher des Abschließens, Wegwerfens. Lukar atmete sichtlich auf und lies den Griff der Waffe wieder los.
    Weynard blieb natürlich Weynard. Sein Zorn mochte verflogen sein, die simple, raue Schlägerhaltung die er bisher an den Tag gelegt hatte, blieb. Aber er sagte auf seine grimmige Art und Weise tatsächlich zu.
    Lukar nahm die Hände von der Seite und verschränkte sie vor der Brust. Noch immer war sein Geist in Unruhe. Was war los mit mir? Eine Frage, die sich Lukar jahrelang niemals hatte stellen brauchen. Zumindest hatte er sich das selbst immer eingeredet. Doch dieses Zusammentreffen hatte zu Tage gefördert, was er unbewusst schon lange vermutet hatte... Lukar schüttelte den Kopf, ungläubig, verstört. Das durfte nicht. Konnte nicht...
    Wie um sich zu beruhigen, blickte er Weynard wieder in die harten Augen. Der Mann hatte sich in die vom Schuften verdreckte Hand gespuckt und hielt sie Lukar hin.
    Der Händler zögerte nur einen Augenblick lang, ehe er ebenfalls in die Hand spuckte und den im Grunde simplen Pakt besiegelte. Zugleich war damit das beinahe zum Einsatz gekommene Kriegsbeil begraben. Vorerst.
    "Ich bin einverstanden, Weynard." Sagte Lukar knapp und hob den Blick. Die Soldaten um sie herum hatten sich mittlerweile wieder beruhigt und auch die Arbeiter gingen ihrem Tagewerk nach.
    Der Rest war ein Kinderspiel. Ein Stück Pergament, umwickelt mit einer Schnurr, sowie ein kleiner Beutel mit Goldmünzen wechselten den Besitzer.
    "Wie lange wirst du brauchen?" Fragte er, durch das leichtere Gefühl in seinem Geldbeutel ein wenig beruhigt. Immer ein gutes Zeichen für ein abgeschlossenes Geschäft.
    "Nicht das es unbedingt eilig sein muss. In diesen Tagen geht die Sicherheit vor. Aber ein ungefährer Rahmen wäre günstig, damit ich dich in der hiesigen Taverne erwarten kann. Sollte es eine Rückmeldung geben oder etwas dazwischen gekommen sein."

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline
    Weyland verkniff sich ein triumphierendes Lachen. Schon vor Jahren war es seine beliebte Taktik gewesen, vermeintlich bessere Menschen als ihn aus der Reserve zu locken. Anfangs war das einfach in der puren Verachtung für Gebildete und Hochwohlgeborene begründet, mit den Jahren jedoch, die er als Schmuggler tätig gewesen ist, hatte er gemerkt, dass großkotziges, aggressives Auftreten schnell zeigt, was das Gegenüber für ein Mensch ist. Bei Angst ein Feigling, bei Teilnahmslosigkeit ein harter Hund und bei Wut ein jähzorniger Bock. Ganz wie Wey. So hatte er oftmals seine Partner ausgesucht. Lukar Durand mochte zwar sicherlich besserer Geburt sein als er, bewies aber, dass er nicht mit dem Silberlöffel im Mund groß geworden war. Nein, für einen kurzen Moment war da Zorn gewesen, gerechter, begründeter Zorn. Da hatte Wey gemerkt, aus welchem Stahl der Alte war und das man mit ihm arbeiten konnte.
    »Gib mir ein bis zwei Wochen.«, antwortete Weyland langsam, »Ich muss mich hier noch an entsprechender Stelle abmelden, dann die Reise zum Silbersee sowie die Rückkehr. Das verschlingt Zeit. Und du weißt ... die Straßen sind gefährlicher denn je.« Erneut spuckte er aus.
    Dann nahm er die Schriftrolle und das Geldsäckel entgegen, wog es in der Hand und nickte kurz. Ja, später würde er nachzählen, aber es machte den Eindruck, als würde sich Lukar an Vereinbarungen halten. »Ich breche dann alsbald auf. Sollte das alles reibungslos klappen ... mal sehen, vielleicht kommen wir dann öfter ins Geschäft.«
    Der Schmuggler nickte dem älteren Mann zu und wandte sich dann ab. »Wir sehen uns.«

  4. Beiträge anzeigen #24
    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    Zurück in Stewark ...

    Die Stadt machte zwar immer noch einen mitgenommenen Eindruck, die Arbeiter und Gefangenen jedoch schienen unermüdlich - ob aus Enthusiasmus oder Zwang - die Schäden der Belagerung zu beheben. Überall wurde gehämmert, gesägt und geschaufelt. Steinmetze kümmerten sich um die geschlagenen Löcher in Mauern und Gebäuden, Tischler und Zimmermänner setzten Balken und Dielen ein, die der Beschuss von der See aus zerstört hatte. Der Schmuggler, als er mit Ria durch das Tor trat, atmete tief ein und musste einen Moment schmunzeln. Selbst nach dem Sieg über die Orks, an dem er als Schmuggler der Rebellen ja irgendwie beteiligt war, hatte er nicht so ein Gefühl von Aufbruch und Zufriedenheit verspürt. Vielleicht lag das auch an Ethorn. Man sah ihn wie er, begleitet von seinen Schwertern, den Wiederaufbau und die Ausbesserung der Stadt kontrollierte, gerüstet und bewaffnet, als würde er direkt in den Krieg ziehen wollen. Weyland hatte ihn nur einmal aus der Ferne gesehen, doch die Haltung und der Gesichtsausdruck, ein grimmiges Schmunzeln, hatten den Eindruck in ihm geweckt, dass der König ohne Hauptstadt, der König eines längst vergangenen Reiches, sich mit dem Schicksal abgefunden hatte. Fasst konnte man meinen, dass er am liebsten an der Seite seiner Schwerter in den Kampf reiten wolle, um ein Ventil für seinen gefürchteten Zorn und seine Kampfeswut zu haben. Nicht nur Weyland betrachtete den Kriegerkönig so, auch andere in der Stadt. Das sah man an den Blicken, an der Art, wie sie dem sonst so trockenen, reservierten König begegneten, wenn er einige Worte mit ihnen wechselte.
    »Stewark. Hab ich schon von gehört.«, murmelte Ria hinter ihm. Wey drehte sich halb um, machte eine ausholende Geste, als wolle er die Stadt präsentieren.
    »Heimat, süße Heimat. Wenn man so möchte. Aber in erster Linie wieder ein lebensfähiger Ort für die Argaaner. Diese Silberseeburg ... Götter, eine grundsätzlich gut zu verteidigende Burg, um die herum ein Meer aus Hütten und Buden wuchert. Ein einziges beschissenes Feuer und der Feind hat um die Burg herum eine schöne, freie Fläche zum Antreten.« Er schüttelte den Kopf. »Aber nun, ich bin nicht König oder Baron, mich fragt keiner. Hoffentlich lässt man den Laden dort alsbald verfallen und verfrachtet die Leute aus dem Silberseedorf hier hin. Platz ist grundsätzlich in und außerhalb der Stadt da.«
    Ria hob nur die Schultern. »Was auch immer. Und nun?«
    »Besorge ich dir eine Unterkunft, neue Kleidung, Proviant und sowas. Dann kannst du deiner Wege ziehen, wenn du meinst, dass es soweit ist.«
    »Und willst dafür?«, fragte sie langsam.
    »Nichts, verdammt. Ich mein, ich bin kein Ausbund an Manieren und Freundlichkeit, aber mache ich einen so miesen Ausdruck? Dass ich Frauen rette und dafür dann wie irgendein Wilder eine Gegenleistung in Form von einer gemeinsamen Nacht verlange?« Er spuckte aus. »Entweder nimmst du die Hilfe an oder du lässt es. Mir ist es letztlich völlig egal. Wenn du meinst, dass du eine hilfsbereite Hand abschlagen kannst, bitte, nur zu.« Wey wandte sich wieder um, seltsam wütend. Ria sah ihn einen langen Moment lang an, ehe sie seufzte.
    »Entschuldige, Weyland. Danke ... für, nun ja, die Hilfe. Ich weiß das zu schätzen.«
    Aber der Schmuggler murrte nur und bedeutete der schwarzhaarigen Frau, ihm zu folgen.

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    Veteran Avatar von Lukar
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    Lukar ist offline
    Es lag eine bittere Ironie in Lukars Lächeln, als er auf seinem Weg in die Taverne der Stadt an einer der zahlreichen Großbaustellen vorbeistapfte. Wie schnell doch eine Stadt in Trümmer gelegt war. Kaum ein Tag des Schlachtens, dem Wochen der Aufräumarbeiten, Reparaturen und Neubauten folgten. Die Zitadelle war bis jetzt noch immer nicht Bezugsfertig und man erwäg in Generalskreisen sogar, sie komplett abzureißen und neu zu erreichten.
    Die von den Innoslern entfache Feuersbrunst hatte einen interessanten Nebeneffekt. Ohne Hauptquartier waren die hohen Herren gezwungen, in einfachen Unterkünften hof zu halten. Wenn sie den Hof hielten. Meist jedoch waren sie unentwegt am Planen, am Besichtigen. Selbst Ethorn, streng und unerbittlich wie ein Felsgolem, stapfte hier und da durch die Straßen. Lukar hatte ihn wie viele desöfteren Gesehen. Aus der Ferne. Selbst dies hatte ihn unbewusst den Griff um den Schwertknauf fester werden lassen. Doch ja öfter er sich ausmalte, den König für seine unbeschreibliche Arroganz und Undankbarbeit zahlen zu lassen... desto mehr nahm er von diesem irrsinnigen Vorhaben Abstand. Ethorn war von der unsichtbaren, dicken Spinne im Netz zu seinm früheren Selbst zurückgekehrt und hielt diese verdammte Koalition aus Söldnern, Soldaten und Rebellen zusammen. Ihn zu töten, hieße, Stewark den Paladinen zum Fraß vorzuwerfen.
    Lukar stieß die Tür zur Taverne auf und bestellte sich einen Rotwein. Er musste diesen verdammten Zorn aus seinem Schädel kriegen. Er lies ihn nicht mehr in Ruhe. Tag für Tag, Nacht um Nacht. Es war zum Verrückt werden. Der Wein half zum Glück. Zeitweise. Lukar schob sich an einen Tisch an der Wand, stürzte den ersten Schluck des sauren Getränks die Kehle hinunter und seufzte. Als er dann die Augen schloss und den nackten Hinterkopf an die Wand des Schankraumes lehnte, hörte er nur so nebenbei, wie neben ihm Stühle gerückt wurden. Gäste die den Raum verließen. Dachte er. Doch statt sich zu entfernen, kamen die Schritte näher. Erst war Lukar verärgert. Dann erinnerte er sich des Grobklotzes von Arbeiter, den er losgeschickt hatte und der versprochen hatte, um diese Tage herum wieder in Stewark aufzutauchen. Lukar öffnete die Augen, lehnte sich vor... und blickte in ein raues, von dunklen Tüchern verhülltes Gesicht. Aus dem Schatten der Kapuze starrten ihn zwei eisblaue Augen an. Unter dem rechten Prang eine tiefe Narbe. Lukar starrte die Gestalt zwei Atemzüge lang an, ehe seine Hand zum Schwertgriff fuhr.
    "Mach jetzt keinen Scheiß, Lukar." Warrick lächelte freudlos, tätschelte mit der flachen Hand seine eigene Klinge und sah neben sich, wo zwei Lakeien des Verräters in dicken, grauen Lederrüstungen standen. Ebenfalls bewaffnet natürlich. Sie trugen Waffen, die dem Standard der Argaaner entsprachen.
    Lukar nahm die Hand nicht von der Waffe, zog sie jedoch auch nicht.
    "Was willst du?" Fragte er eisig.
    "Geschäfte." Nüchtern. Trocken. Gleichgültig. Warrick griff neben sich, zog einen Stuhl heran und setzte sich falsch herum darauf, die Hände auf die Lehne gestützt.
    "Zuerst einmal, soll ich dir Grüße bestellen... du kennst das Prozedere... und dann, tja, dann soll ich dir offenbar ein Angebot machen."
    "Was auch immer es ist, steck es dir in den Arsch und verpiss dich, ehe ich deine abgehackten Finger zu Reinhard zurückschicke."
    Warrick zuckte überrascht zurück. Es war keine Furcht in seinen zernarbten Gesicht, eher Verwunderung.
    "So kenne ich dich ja garnicht. Es ist einiges passiert, hm?"
    Das gespielt mitleidige Gesicht prallte völlig am letzten Rest von Lukars Humor ab.
    "Hör auf zu Schwätzen." Knurrte er. "Sag mir, was du zu sagen hast. Und dann verschwinde."
    "Nun. Den ersten Gefallen erweise ich dir gerne." Warrick griff mit seinen Händen hinauf und warf die Kapuze von seinem Kopf.
    "Den zweiten... nicht."

  6. Beiträge anzeigen #26
    Waldläufer
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    Weyland ist offline
    Dankbarkeit war offensichtlich nicht eine der Stärken von Ria, so viel wusste Weyland nun. Er hatte ihr etwas Gold gegeben und war mit ihr bei einem Händler gewesen, damit sie sich neu austatten konnte, hatte aber nicht das leiseste, beschämteste Danke gehört. Nein, die schwarzhaarige Frau hatte ihm nur zugenickt, als wäre seine Hilfe selbstverständlich und dann in den Gassen Stewarks verschwunden, die - Adanos weiß! - verworren genug waren, um darin verloren zu gehen.

    Also hatte er nur gemurrt, die Schultern gezuckt und sich bei dem Vorarbeiter der Truppe zurückgemeldet. Der hatte ihm jedoch nur die Hand geschüttelt, für die Arbeit in der letzten Zeit gedankt und ihm fast schon stolz berichtet, dass es grundsätzlich nichts mehr aufzuräumen gab. Klar, Ausbesserungen und Reparaturen, aber dafür würden ausgebildete Handwerker eingesetzt werden, keine Hilfskräfte. Mit einem leichten Gefühl der Freiheit war Weyland dann also Richtung Taverne gegangen, um einerseits einen Schluck zu trinken und andererseits nach Lukar Durand Ausschau zu halten, um das restliche Geld zu holen und die Nachricht übergeben zu können.

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    Veteran Avatar von Lukar
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    Lukar ist offline
    Als Lukar ein grimmiges Nicken von sich gab, klopfte Warrick mit der flachen Hand mehrmals auf den Tisch. Er lies ein deutliches Pfeifen in Richtung der Schankmaid erklingen, die schon bald vier große Bierhumpen rüberbrachte, an denen sich Warrick und seine Schläger freudig bedienten. Statt den übrigen zu Lukar hinüber zuschieben, stürzte Warrick seinen Kug einfach in einem tiefen Zug herunter und sparte sich den Vierten für später auf.
    "Du magst es glauben oder nicht, Lukar... aber Reinhard schlägt dir einen Pakt vor. Ja, er hat erwartet das du mit so einem Gesicht darauf reagieren würdest. Aber trotz aller Differenzen... das in Thorniara war gute Zusammenarbeit zweier alter Partner. Das ist seine und im übrigen auch meine Meinung. Ganz Professionell. Ich hege kein böses Blut gegen dich, Lukar. Ich bin Söldner. Ich arbeite für den, der mich zuerst bezahlt."
    "Welch ein Glück, dass ich offenbar nicht der erste war. Käufliche Verräter in meinen Reihen konnte ich noch nie gebrauchen." Lukar richtete sich auf, lehnte sich nach vorne. Warricks Leibwächter zuckten vor, doch statt mit einer Waffe auf Warrick loszugehen, griff Lukar nach dem vierten Bierhumpen und zog ihn über den Tisch zu sich hinüber. Als das kühle Bier seine Lippen benetze, schwand der Grimm aus seinem Gesicht langsam und er atmete fast resigniert auf.
    "Reinhard hatte selten Skrupel in den letzten Jahren, mir seine Attentäter auf den Hals zu hetzen. Er würde dich nicht herschicken, wenn es nichts von Bedeutung wäre. Also sag schon, Warrick. Was bereitet deinem Boss derartige Schweißausbrüche, dass er ausgerechnet meine Hilfe braucht?"
    Warrick konnte sich ein ehrliches Schmunzeln nicht verkneifen. Für Lukar ein Zeichen, dass er ins schwarze Getroffen hatte. Der Verräter senkte jedoch schnell wieder die Mundwinkel hinab.
    "Dasselbe, was grade so ziemlich jedem ehrlichen Dieb von Varant bis Nordmar Schweißausbrüche bereitet."
    Warricks Stimme klang, als redete er übers Wetter. "Was auch dir Schweißausbrüche bereiten sollte."
    Warrick legte beide Hände wie zum Gebet über die Öffnung seines Bierhumpens, sein stoppeliges Kinn senkte er auf die oberste Hand hinab.
    "Ich sprach eben von Thorniara. Stell dir Mal einen zweiten Reyn vor. Jedoch noch größenwahnsinniger, noch gerissener, noch süchtiger nach absoluter Kontrolle. Das Festland hat einen solchen zweiten Reyn ausgekotzt, Lukar. Die Krähe. Der Feind jedes Kriminellen, der sich und seine Kumpels durchbringen will ohne dabei nach der Pfeife eines Diktators zu tanzen." Warrick hob den Kopf, lies die Hände vom Krug auf den Tisch fallen und spuckte in den nun offenliegenden Humpen.
    "Kannst du dir das Vorstellen? Ein König der Unterwelt. Innos, ein Patriot soll er sein! Wer nicht dem Reich dient, ist Tot. Er bedroht Reinhards Geschäfte, sowie die von fast allen größeren Bündnissen und Syndikaten. Das Festland hat er fast ganz im Griff. Argaan ist als nächstes dran."
    Warrick stoppte, verschnaufte. Er hatte sich mit einer unverkennbaren Spur Verachtung in Rage geredet. Lukar hob kurz die Augenbrauen, sah über die Schulter des Mannes hinweg und bedeutete dann mit einer Geste, das Warrick fortfahren sollte.
    "Warum Reinhard dir ein Bündniss anbietet, hast du mich gefragt. Die Frage ist falsch gestellt. Er bietet es nicht dir an. Nicht dir allein. Reinhard..."
    Warrick schien zum unvermeidlichen Crescendo seiner Rede aufzufahren, als ihn einer seiner Leibwächter auf die Schulter klopfte und hinter sie nickte. Das Narbengesicht wand den Kopf zu der Person, die Lukar schon vor gefühlt fünf Minuten hatte eintreten und näherkommen sehen. Weynard. Der Arbeiter. Lukar grinste unvermeidlich. Zwar hatten die mehr als bedenklichen Informationen sein Interesse geweckt, doch nichts bereitete ihm grade mehr Vergnüngen, als die verdutzen Gesichter der drei Kriminellen. Warrick fand die Situation selbstredent weniger Lustig.
    "Was willst du, Penner?" Blaffte er den Arbeiter an. Der Linke der beiden Leibwächter erhob sich langsam von seinem Stuhl...

  8. Beiträge anzeigen #28
    Waldläufer
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    Weyland ist offline
    Als Weyland in die Klippenschenke getreten war, hatte er relativ schnell Lukar ausfindig machen können. Im Gespräch mit einem Mann, dessen Gesicht er gerade nicht sehen konnte. Flankiert von Leibwächtern, wusste Wey, dass er sich wohl noch einige Augenblicke zurück halten sollte. Durand war Geschäftsmann, also ging es hier wohl um irgendeinen Handel. Es wunderte ihn eher, warum der ältere Händler hier nicht mit entsprechend bewaffneter Begleitung vorzufinden war. Natürlich, er trug ein Schwert ... aber das war heutzutage nicht mehr unbedingt eine gute Lebensversicherung. Fast jeder Mensch trug eine Waffe. Also verhielt sich der Schmuggler unauffällig, selbst als Lukars Blick ihn kurz streifte. Erst als der Mann namens Warrick von der Krähe sprach, wurde er mehr als hellhörig. Schlagartig stieg ihm die Wut ins Gesicht, verfinsterte sich sein Blick vor unbändigendem Zorn. Oh, dieses menschliche Federvieh! Urheber so vieler persönlicher Probleme. Er trat vor, erregte damit die Aufmerksamkeit von einem der Wächter dieses Warricks. Der tippte seinen Boss an und wies ihn auf Weyland hin.
    »Eigentlich wollte ich abwarten bis ihr mit eurem Gerede am Ende seid«, erklärte Weyland langsam, »Aber dann habt ihr jemanden erwähnt, den ich zu meinem Leidwesen kenne. Nun, nicht von Angesicht zu Angesicht, aber ...«
    Du Stück Dreck! Wenn du ihnen nun ins Gesicht schleuderst, dass die Krähe dein Feind ist, fliegt deine verfluchte Tarnung hier auf. Damien und Gilead mögen zwar als Gefangene schuften, aber wer weiß welchen verfluchten Einfluss die Krähe hier hat! Kannst dich auch gleich als der verflucht talentierste Schmuggler der Drei Reiche am Myrtanischen Meer bezeichnen!
    »... Reinhard. Ihr meint doch den, äh, Fischer hier aus der Baronie, oder? Der angeblich einen Walhai am Haken hatte! Ist das zu fassen? Wal und Hai? Lügt doch wie gedruckt, dieser blöde Fischer! Klassischer Reinhard ...«
    Blöd wie fünf Meter Feldweg, Weyland, wirklich.
    Der Schmuggler räusperte sich. »Das geht gleich schnell. Hier, Durand, die Nachricht von Dillinger vom Silbersee. Ungelesen, ungebrochenes Siegel.«
    Während der Händler die Rolle annahm, versuchte Weyland das freundlichste Grinsen auf seine Visage zu zaubern, was dem Ganzen einen eher unschönen Ausdruck verpasste. Er sah einen der Wächter an. »Voll hier heute, nicht?«, plauderte er, die Rolle des tumben Arbeiters spielend.

  9. Beiträge anzeigen #29
    Veteran Avatar von Lukar
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    Lukar ist offline
    Zuerst schaffte der herbeigetretene Weynard es, sowohl in Warricks als auch Lukars Gesicht einen Zug der Überraschung zu zaubern. Lukar hatte selbst noch nie von der Krähe gehört und Reinhard war auf Argaan völlig unbekannt. Sollte nun der aufbrausende Arbeiter etwas wissen, über das er selbst keine Informationen erhalten hatte? Warrick schien ähnlich zu denken und wäre vielleicht sogar fast bereit gewesen, Weynard ebenfalls an die Runde miteinzuladen. Doch dann begann der Kerl plötzlich zu stammeln, zu stottern und zu Grinsen wie ein verliebtes Waschweib.
    Lukar schnaubte belustigt, als er sich anhand der windigen Ausrede seinen alten Partner vorstellen musste, wie er sich zum Lebensabend als Fischer niederlies und eifrig dicke Walhaie mit einer überdimensionierten Angel aus dem Wasser zog. Zu schön um wahr zu sein. Aber weder würde sein verräterischer Partner sich zu soetwas niederlassen, noch war anzunehmen das Weynard wirklich im Zwist mit einem gleichnamigen Fischer lag.

    Weynard überreichte Lukar, noch während er sprach, das Antwortschreiben von Dillinger. Lukar nahm es schweigend an und schob es sich vorerst unter den Mantel.
    Indes schienen sich die drei Söldner von Reinhard unsicher, wie sie auf den Neuankömmling reagieren sollten.
    "Könnte ein Spion der Krähe sein." Mutmaßte einer der Leibwächter über Weynard hinweg, als wäre dieser Taub. Noch ehe Warrick diesen Einwurf seines Kameraden überdenken konnte, erhob sich dieser mit bedrohlich angespannten Muskeln.
    "Warte." Lukars Stimme war leise, jedoch kalt wie Eis. Er hob die Hand und senkte sie langsam flach auf den Tisch. Der Leibwächter setzte sich unsicher.
    "Dieser Mann steht unter meinem Schutz. Wenn ihr ihm auch nur ein Haar krümmt, werdet ihr Reinhard erklären müssen, warum ihr bei eurer Mission versagt habt."
    Der Händler war sich selbst nicht ganz sicher, warum er Weynard in Schutz nahm. Er hatte seine Aufgabe ja erfüllt und stand somit in Lukars Augen nicht mehr unter der Absicherung, die er jedem seiner Mitarbeiter zugestand. Nützlich für die Zukunft, aber ebenso entbehrlich. Außerdem würde so mindestens einer der Wächter damit beschäftigt sein, Weynard an einen ruhigen Ort zu bringen und ihn über das "Berufsrisiko" aufzuklären, was Lukars potentielle Gegner in diesem Raum reduziert hätte. Doch so sehr er es auch abwägte, seine innere Stimme riet ihm, dass er das Blut Weynards nicht an seinen Händen kleben haben wollte. Irgendwo eine Sache der Ehre . Und wohlmöglich ein Fehler. Aber das würde sich noch zeigen.

    "Wie der hellste scheinst du mir nicht grade." Sagte Warrick an Weyland gewandt. "Meine Großmutter lügt besser als du. Allerdings..." Er wand sich Lukar zu. "...die Krähe ist kein Dummkopf. Welche besseren Spione gibt es, als solche, die wirken als könnten sie kein Wässerchen trüben? Wenn der Kerl wirklich für dich arbeitet, könnte er einer der ersten Männer der Krähe sein. Erinnere dich, was das letzte Mal geschah als du einem Mann in deinem direkten Umfeld vertraut hast." Warrick grinste hämisch und drehte sich wieder Weynard zu.
    "Entweder, du bist dümmer, oder klüger, als für dich gesund ist, mein Freund." Schnarrte der Bandit mit einem gefährlichen Funkeln in den Augen.
    "Was auch immer es ist: Sollte dir der Name 'Krähe' zufällig ein Begriff sein, bist du an unserem Tisch willkommen."
    Warricks Wächter wandten sich mit entsetzen Gesichtern ihrem Boss zu.
    "Warrick, mach keinen..."
    "Wenn er ein Spion ist verdammt..."
    "Ich denke nicht, das er ein Spion ist." Erklärte Warrick leichthin und nickte dabei auch zu Lukar hinüber, um diesen zu beruhigen.
    "So oder so, er hat zu viel gehört. Wir können ihn nicht einfach gehen lassen. Und da Lukar auf seine Sicherheit besteht..." Warrick zuckte mit den Schultern und sah Weynard dann herausfordernd an.

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline
    Die Wachhunde von Warrick bellten laut und einen Moment lang überlegte Weyland wirklich, ob er in einem guten, alten Faustkampf prüfen sollte, wie fest sie zubeißen würden. Aber zum einen wusste er nicht, wie viel Ehre in diesen Lakaien steckte noch wie die restliche Kundschaft der Klippenschenke reagieren würde. Am Ende würde der Schmuggler ebenfalls in den Minen der Baronie enden, angekettet an Damien und Gilead. Nein, sagte er sich, übe dich in Geduld und spiele den Demütigen. Hier und da ein wenig Wahrheit über die Krähe und er wäre soweit fein raus, denn offensichtlich stand man ihr hier nicht allzu nahe. Er räusperte sich.
    »Warrick, im Umgang mit der Krähe sollte man nicht unüberlegt reden«, erklärte er langsam, als würde er mit einem Idioten reden, »vorallem nicht in der Öffentlichkeit, in einer Taverne, wo man verflucht nochmal von jedermann belauscht werden konnte. Ja, ich habe mit ihr zu tun gehabt. Hatte ... Dinge auf dem Festland am Laufen, die der Krähe nicht gefielen.«
    Lukar und Warrick sahen ihn aufmerksam an. Seufzend setzte sich der Schmuggler und breitete die Arme aus, als würde er sich den Männern öffnen. »Gut, ich heiße eigentlich Weyland. Weyland Sweers. Ich war Schmuggler auf dem Festland. Erfolgreicher Schmuggler. Nun weiß aber jeder Trottel, was Schmuggel ausmacht: Handel mit anderen Leuten. Im Falle des Krieges, den das Großreich Myrtana führt, war mein Geschäft auch in Kontakt mit dem Königreich Argaan. Natürlich über Mittelsmänner oder über Feshyr als Treffpunkt mit dem einen oder anderen Schmuggler Argaans. Letztlich ... missfiel das diesem patriotischen Bastard und er kaufte meinen Leibwachter Rag. Ich sollte nach Myrtana gebracht werden, konnte aber entkommen. Später ... traf ich zwei Fremde, die mich erst unterstützen wollten, ehe ... auch sie mich im Namen der Krähe versuchten zu ermorden.«
    Weyland sah in Warricks unüberzeugtes Gesicht, seufzte abermals und schüttelte dann den Kopf. »Hey, Kumpel, es ist mir letztlich egal. Mehr weiß ich von dem Hurenbock nicht. Glaub mir oder lass es bleiben, ist mir egal. Fakt ist, ich arbeite nicht für die Krähe. Kommt nochmal die Drohung über deine Lippen, Warrick, können dir nicht deine Lakaien oder eine Armee Söldner helfen, dann reiß ich dir die verfluchte Zunge raus, klar?«
    Mit langsam ansteigendem Zorn sah Wey zu Lukar herüber. »Und deinen verschissenen Schutz brauche ich nicht. Wir sind keine Freunde, keine Partner bei irgendwelchen Geschäften, nichts. Ich habe einen Brief für dich überbracht und fertig. Damit war es das, mehr haben wir nicht miteinander zu tun. Kapiert? Geht das in deinen Schädel? Auch in deinen, Warrick? Ich gehe verdammt nochmal hin, wo ich will. Und wenn du nicht willst, dass ich irgendwann eines Nachts mal auf dich in irgendeiner dunklen Gasse warte, dann sag deinen Bettgespielinnen hier, dass sie die Finger von ihren scheiß Dolchen lassen sollen.«

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    Veteran Avatar von Lukar
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    Lukar ist offline
    Das Narbengesicht in Reinhards Diensten fühlte sich keineswegs wohl, als er von diesem dreist dazugekommenen Lauscher auf eben jenen Fehler hingewiesen wurde, der das heimliche Mithören ihres Gespräches überhaupt erst möglich gemacht hatte. Die Tatsache störte Warrick weniger, weil sie stimmte. Mehr, weil sie von diesem grobklotzigen, einfachen Arbeitstier...
    Warrick schien mitten in der Rede des Mannes den Mund aufreißen zu wollen um ihm ordentlich seine Meinung zu geigen, da lies dieser die Scharade platzen und lies Warrick und Lukar mit ernstem Erstaunen zurück.
    Kein Arbeiter. Kein unbedeutender kleiner Dieb. Sondern Weyland. Weyland fahr-zu-Beliar-und-schlag-ihn-tot Sweers.
    Lukar zog interessiert eine Augenbraue hoch, während Warricks eben noch lebhafte Miene starr wurde. Sein Mund reduzierte sich zu einem fahlen, dünnen Strich zwischen einem Kranz hellbrauner Stoppeln. Dann, plötzlich, lehnte er sich schief auf seinem Hocker zurück, so das er Lukar und Weyland zugleich im Auge behalten konnte.
    "Wey..." Er stoppte angesichts des ernsten Gesichtsausdrucks und dem bedrohlichen Funkeln, dass von Weylands Augen ausgehen zu schien. "Scheiße." Raunte er stattdessen, jedoch nicht ohne einen sarkastischen Unterton.
    "Wenn du das gleich gesagt hättest." Fügte er mit einem entschuldigen Lachen hinzu, dass mindestens so authentisch war wie Weylands Schauspiel vorhin, jedoch ohne weiter auszuführen was genau er dann groß anders gemacht hätte. Lukar dagegen lies sich durch die Beiden nur zu gerne in den Hintergrund drängen. Weynard, Weyland, Weyrand... wusste der Beliar was nun der richtige Name des Kerls war. Wenn er jedoch tatsächlich der behauptete Weyland Sweers war, hatte sich hier nicht irgendein Kleinkrimineller an ihren Tisch gesetzt, sondern ein verdammt noch mal ebenbürtiger 'Geschäftsmann'. Er hatte den Namen zu seiner Zeit auf dem Festland noch öfter gehört, wusste jedoch was aktuelle Geschäfte anging nichts tiefschürfendes mehr damit anzufangen. Stewark war auf seiner wirtschaftlichen Karte ein weißer, unangetasteter Fleck. Insofern wollte er lieber hören und abwägen, statt sich in unbeholfene Entschuldigen zu stürzen. Zumal Weyland blumigen und überflüssigen Worten alles andere als zugetan schien. Warrick würde diese leidvolle Lektion auch noch lernen. Apropos Warrick. Dem schien es ja ganz und garnicht recht, dass sich tatsächlich jemand dazugesetzt hatte, der in ihrem Millieu mindestens auf Augenhöhe, in Warricks Fall wohlmöglich sogar deutlich darüber agierte. Insofern folgte auf Weylands Gegendrohung auch keine gleichwertige Reaktion, sondern bloss ein abwesendes Nicken.
    "Was du sagst, klingt ganz und gar nach diesem fanatischen Mistkerl." Stimme Warrick zögerlich zu. Langsam gewann er seine Stimme zurück. "Wer außerhalb Myrtanas Geschäfte macht, die noch dazu mit denen des gefiederten Bastards in Konflikt geraten, wird beobachtet, geschnappt und als Exampel entsprechend beseitigt." Er sah zu Lukar hinüber, mit einem unmissverständlichen Blick: Früher oder später erwartet dich das gleiche Schicksal. Lukar nahm diese Gefahr durchaus ernst. Doch zugleich wollte er nicht alles, was ihm Weyland und Warrick auf die Nase banden, für bare Münze nehmen. Dafür, das hatte sich nun eimal gezeigt, waren ihre Interessen zu unterschiedlich. Er konnte ihnen nicht vertrauen. Noch dazu zeigte Weyland einmal mehr eine gefährliche Antipathie ihm gegenüber. Er, Lukar, zog es vor, seine Komplizen ebenso wie mögliche Gegner mit seinen Worten im Honigtrog zu ersäufen. Meist schlug das an. Doch Weyland wich vor bunten Worten zurück wie eine Katze vorm kalten Wasser. Und wer es wagte, ihn gegen seinen Willen zu nässen, bekam seine Klauen zu spüren. So auch jetzt. Der Zorn Weylands traf Lukar genau dort, wo der Alkohol grade gefährlich in seinen Lenden brodelte. Er hatte Mühe, sich zu Beherrschen. Er betrachtete dieses dreiste Spucken auf seine, in seinen Augen der Ehre geschuldeten Vorsichtsmaßnahme als Affrond gegen seine Prinzipien. Insofern gestattete er Weyland nicht den Gefallen, sofort zu Antworten. Er nahm stattdessen einen ordentlichen Schluck Bier. Feuer mit Öl zu löschen erschien Idiotisch, doch kurzfristig brachte ihn der bittere Geschmack wieder ins hier und jetzt.
    "Nun gut." Begann er endlich, die Stimme gelangweilt und mit deutlichem Zweifel in der Tonlage. "Wir haben also: Einen Schmuggler vom Festland, der angeblich für seine Geschäfte auf Argaan von irgendeinem festländischen Patriarchen auf die Abschussliste gesetzt wurde. Außerdem, das Wort eine Verräters, dass diese Gefahr Real sei und eines Tages auch mich" er tippte kräftig mit dem rechten Daumen gegen seine Brust, "treffen wird, wenn ich nicht kooperiere. Die beiden Geschichten passen ja wunderbar zusammen." Ächzte er. "Wie passend, dass unser Freund hier grade rechtzeigt dazustolperte, um sie dir zu bestätigen, Warrick."
    Er blickte kurz zu Weyland hinüber.
    "Von dir erwarte ich garnichts. Vorausgesetzt, Warrick hat dich nicht gekauft und auf mich angesetzt, besteht auch kein böses Blut. Von meiner Seite aus."
    Sein Blick wanderte wieder zu Warrick.
    "Aber du, Warrick, du musst mir schon ein bisschen mehr liefern. Das hier" ein Fingerzeig auf Wey, "ist des Zufalls zu viel. Wenn dieser Federisch angeblich so eine Bedrohung ist, will ich Beweise dafür. Oder zumindest endlich hören, was Reinhard eigentlich von mir erwartet."
    Stille trat ein. Lukar verschränkte langsam die Arme. Der Alkohol machte sich indes bemerkbarer den je. Wie gerne hätte er es gehabt, dass sich Weyland und Warrick doch noch an die Kehle gingen. Ein Gemetzel ohne Sinn und Konseqenz ausbrach. Er endlich das Blut des feigen Verräters von seiner Klinge tropfen lassen konnte.
    Was gäbe er doch dafür, Slicer hier und jetzt dabei zu haben. Doch weder schneite sein mordlustiger Kumpane urplötzlich zur Tür herein, noch verwandelten sich Wey und Warrick in wilde Bestien und fielen sich an. Schade.
    "Du willst Beweise, alter Mann?“ Keifte endlich Warrickj. „Mach die verschrumpelten Augen auf und werf mal einen genauen Blick über die Grenzen dieser beschissenen Insel hinaus. Wenn du nicht selbst erkennst, was hier abgeht, ist dir nicht zu helfen." Warrick sah zu dem Schmuggler vom Festland hinüber, als würde dieser plötzlich Partei für ihn ergreifen. Doch bis jetzt hielt Wey sich zurück.
    "Eine Allianz. Koalition. Ein Bündniss all derer, die keinen Bock haben, nach der Pfeife eines einzelnen Obligarchen Tanzen zu müssen. Das bietet Reinhard an. Nicht mehr. Nicht weniger und ganz bestimmt keine Freundschaft. Keine Sache, die schon auf soliden Füßen stehen würde. Aber wer überleben will, beginnt zu erkennen, dass Alleingänger nicht lange durchhalten werden."
    Kurz klangen seine Worte eher wie auswendig gelernt und leer heruntergeleiert. Doch als Warrick seine Stimme wieder erhob, klang es deutlich nach seinem alten Selbst.
    "Du. Schmugglerass. Du hast erlebt wie der Bastard agiert um seine Feinde loszuwerden. Was denkst du, hat mehr Erfolg? Wenn unser guter alter Lukar hier sich weiterhin in irgendwelchen Rebellensiedlungen vergräbt und das beste hofft? Oder wenn er, du, ihr auf dieser unbedeutenden Insel euch zusammenreißt? Keine Aufforderung jetzt auf unser Boot zu springen. Einfach mal deine Einschätzung."

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    Der Schmuggler fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und hob dann die Schultern.
    »Ich werde nicht müde euch beiden Helden zu sagen, dass es mir letztlich egal ist, wer Erfolg hat oder wer was macht. Natürlich hasse ich die Krähe wie die Pest und würde meinen rechten Arm dafür geben, ihr die Kehle durchzuschneiden, aber man muss - wie mein seliger Vater immer sagte - realistisch bleiben. Wir reden hier von einem Verbrecherboss, der wohl mit dem Segen des Großreichs agiert. Ja nun, nicht von Rhobar persönlich, aber sicherlich unterstützt vom myrtanischen Geheimdienst oder sonstigen Gruppierungen innerhalb dieses Molochs.«
    Weyland sah zu Lukar hin. »Einerseits ist es ratsam den Schulterschluss zu suchen und gemeinsam gegen die Krähe vorzugehen, aber ohne das Wissen wann und wie gegen sie loszuschlagen? Nein, das ist lächerlich. Daher ist das Verstecken in Rebellenstädten insoweit erst einmal eine gute Idee. Verstecken, Kräfte sammeln und am Ende zuschlagen. Die Flügel der Krähe reichen noch nicht ganz auf die Insel oder beschränken sich nur auf Thorniara. Ethorn hier, unser gesalbter König, hat alten Schneid wieder gefunden und sorgt dafür, dass die Thorniarer nicht wie wild über die Insel fluten. Die Eroberung der Stadt hier hat genau das gezeigt. Also ist das eine gewisse Versicherung, einigermaßen ungestört gegen die Krähe planen zu können.«
    Sein Blick wanderte zu Warrick. »Andererseits ist Zeit eine zweischneidige Sache. Die Krähe hat uns Jahre der Planung voraus, hat einen Apparat aufgebaut, der gut funktioniert und weit reicht. Die Argaaner hingegen, Götter, haben andere Probleme gehabt. Was ich damit meine, ist, dass man schnell und gezielt gegen die Krähe vorgehen und ihr nicht noch mehr Zeit lassen darf. Irgendwann erweichen Gold und Angst doch die Herzen der Menschen hier und alsbald ist auch die Argaanische Unterwelt in ihrer Hand. Nichts was ihr hier wohl unbedingt zulassen wollt.«, bemerkte Wey mit einem hämischen Lachen, »Wobei ich abermals erwähne, dass es mir letztlich egal ist. Ich bin gebürtiger Myrtaner, eure Insel hier geht mir am Arsch vorbei. Hätte das Schicksal nicht so mit meinem Leben gewürfelt, würden wir hier gar nicht sitzen und ich könnte in Ruhe Händler auf Feshyr und in Sendar schröpfen und nebenher mein Gold im Khorinischen Hurenhaus verprassen, aber nun. Ihr seid erwachsen, ihr seid erfahren und werdet sicherlich einen Weg finden, der Krähe Schaden zuzufügen.«
    Der Schmuggler erhob sich, nickte den Männern zu. »Ich empfehle mich. Viel Glück bei eurem Gelingen!«, knurrte er und wandte sich zum Gehen um.

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    Weyland erhob sich und vier Augenpaare ruhten auf seiner sich zielstrebig und selbstbewusst entfernenden Gestalt. Der Leibwächter, der Sweers bereits zu Beginn als möglichen Spion bezeichnet hatte, schnalzte angespannt mit der Zunge, doch Warrick legte ihm die dürre Hand auf den Unterarm und bedeutete ihm so, dem Schmuggler nicht nachzueilen und etwas endgültiges zu versuchen.
    Vermutlich hat er Angst, dass Weyland ihm tatsächlich noch einen nächtlichen Besuch abstattet. Lukar schüttelte den Kopf. Er offenbarte die Zähne zu einer Grimase, die weder Lächeln noch Zähnefletschen war. Seine Gedanken kreisten irgendwo zwischen Belustigung, Verachtung und dem widerlichen Gefühl, sich am liebsten einen Moment hinzulegen und erst einmal zu realisieren, dass er grade dieses informationsreiche Trigespräch geführt hatte. Doch auch wenn Weyland so schnell verwunden war wie er sich dazugesellt hatte, die restlichen drei Männer machten keine Anstalten, es dem Schmuggler bald gleich zu tun.
    "Ich bin immer noch nicht überzeugt." Sagte schließlich Lukar in das trübe Schweigen hinein. "Was Weyland vorhin gesagt hat, macht ja durchaus Sinn. Taktisch aus eurer und seiner Sicht betrachtet. Und ich nehme einfach mal für diesen Moment an, dass ihr mich über diesen Unterweltboss nicht anlügt. Warum aber, sollte mich diese ganze Angelegenheit kümmern? Wenn ich das richtig Verstanden habe: Die Krähe..."
    Lukar gab sich keine Mühe, den Namen auch nur leise auszusprechen. Etwas das Warrick sichtlich nicht zusagte, doch vorerst sah er Lukar einfach nur durchdringend und konzentriert an.
    "...ist seit einigen Jahren dabei, auf dem Festland ordentlich aufzuräumen. Reinhard und ein paar andere große Spieler auf dem schimmeligen Schachbrett des Verbrechens stehen vor dem Ruin. Tyen wie Weyland haben seine Bluthunde am Hacken, weil sie ihn irgendwie verärgert oder in seinen Geschäften herumgepfuscht haben. Und jetzt soll ich mich darum bemühen, einer diebischen Festlandallianz beizutreten, damit ihr meine Ressourcen gegen diesen Kräherisch werfen könnt? Wieso? Keiner der Leute, die der Krähe im Wege stehen, sind für mich von Bedeutung. Wenn ich Reinhard nicht besser kennen würde, würde ich eure Aktion hier als pure Verzweiflungstat abtun."
    "Hrrrrm." Warrick schüttelte langsam den Kopf. "Vielleicht hast du mir eben nicht richtig zugehört, Lukar. In dem, was kommt, wird es nur zwei Seiten geben. Für oder gegen das Federvieh. Ja, die Lage ist Ernst. Das will ich nicht herunterspielen. Aber das was ich dir bringe, ist ein verdammtes Angebot. Das Angebot, dich einer Seite anzuschließen. Dieser Weyland denkt vielleicht, er könnte sich gegen die ganze Welt stemmen. Er wird noch früh genug sehen, wie weit die Krähe gehen kann. Und wird."
    Der Handlanger Reinhards warf die behandschuhte Hand in Richtung Tür. "Kannst ihm ja nachgehen. Dich verkriechen. Im Silberseekaff oder wo auch immer. Und Hoffen, dich alleine gegen die Krähe wehren zu können."
    "Du hast mir offenbar auch nicht richtig zugehört, Warrick. Du gehst offenbar davon aus, dass ich vorhabe, mich gegen die Krähe zu stellen..."
    Der Mietmörder verstreifte sich.
    "Das ist nicht dein Ernst."
    "Wieso nicht? Wir beide haben schon mal für einen großen Boss gearbeitet, oder irre mich? Das war nicht unbedingt zu unserem Nachteil."
    Das abgehämte Gesicht des Handlangers zuckte einen Moment, als eine sehr lebendige und schmerzliche Erinnerung vor seinen inneren Augen aufblitze. Der Ring des Auftraggebers. Eine Vereinigung aus wesentlich besseren Zeiten. Wo man als Dieb noch zwischen mamorweißen Monumenten spazieren und sich am Anblick goldener Dächer und Türme erfreuen konnte. Alles hinweggefegt durch die feuerspeiende Bestie und Jahre des Krieges.
    "Das war etwas anderes." Warrick blickte auf seine rechte Hand, die er langsam zur Faust schloss. Langsam, ätzend, hob er den Blick und starrte Lukar feindselig in die schmalen, kalten Augen. Statt dem Händler sah er brennende Dächer und schreiende Kameraden, die von willenlosen Echsenmenschen zerstückelt wurden.
    "Erwähne das nie wieder." Mit geschürzten Lippen hob er drohend den Zeigefinger.
    "Ich habe keine Angst vor der Vergangenheit. Nicht mehr." Lukar sog die Luft geräuschvoll durch die bebenden Nasenflügel ein und lies das Thema damit fallen. Versöhnlicher wurde sein Ton jedoch keineswegs.
    "Ich lasse mich nicht von Reinhard einschüchtern." Er schnappte sich den Bierhumpen und leerte ihn Geräuschvoll. Schnell war der Krug umgedreht und zu Warrick und seinen Kumpanen hinüber geschoben. "Die Drohung in seinem Angebot stinkt bis zum Himmel. Aber ich werde nicht vor ihm Einknicken. Meine Männer werden an keinem Kleinkrieg teilnehmen, den er auf der anderen Seite des Meeres führen will. Das ist mein letztes Wort dazu." Lukar erhob sich von seinem Stuhl, griff in seine Tasche und beförderte einige Goldmünzen hervor. Er legte sie lautstark auf dem Tisch ab, damit die Schankmaid darauf aufmerksam wurde und herbeieilte, um das Geld einzusammeln.
    Lukar wand sich zum Gehen, legte jedoch vorsorglich die Hand an seine Waffe, als er das Gerückte von Stühlen hinter sich hörte. Kurz schloss er die Augen. Wünschte es sich... doch auch diesmal kam es nicht dazu. Warrick kam zwar bedrohlich nahe, doch statt anzugreifen, senkte er lediglich den Kopf vor und raune Leise:
    "Meine Entscheidung in Thorniara war richtig. Du bist ein Idiot. Alt und Engstirnig, mit mehr Gefolgsleuten als Verstanden. Wir sehen uns trotzdem wieder. Wenn die Sache beginnt, dir deutlich näher an die Leber zu gehen."
    Lukar wand ihm kurz den Blick zu, überlegte, entschied sich jedoch gegen eine Antwort. Verächtlich schnaubend trat Warrick zurück und Lukar machte, dass er aus dem Schankraum kam.
    "Wie erwartet." Murmelte Warrick und schmunzelte bitter.
    "Meinst du, er wird sich tatsächlich für die Krähe entscheiden?" Sinnierte der Leibwächter zu seiner linken leise.
    "Schwer zu sagen." Warrick schüttelte den Kopf, legte einige Goldmünzen auf den winzigen Stapel den Lukar zurückgelassen hatte.
    "Egal jedoch ob für die richtige oder falsche Seite... er wird sich entscheiden. Und dann... werden wir zur Stelle sein." Ein leises Schnalzen mit der Zunge erfüllte den Raum. "Kommt Jungs. Ich kann diesen jämmerlichen Setariffabklatsch von Stadt nicht mehr sehen."

  14. Beiträge anzeigen #34
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    Im Schatten der Zitadelle blickte Weyland in die späte Abenddämmerung hinauf, erkannte so, dass Mittsommer war und von nun an die Tage wieder kälter und kürzer werden würden, ehe im späten Dezember der Mittwinter als Gegenpart kommen würde. Sein Herz raste, seine Hände waren zu Fäusten geballt. Er schloss die Augen, lehnte den Hinterkopf an den festen Stein des Gebäudes, in dem der König hauste.
    Wieso tue ich das? Wieso, ihr Götter? Hättet ihr mich doch einfach irgendwo auf dem Festland sterben lassen. Als Söldner im Kampf, als Rebell bei der Befreiung irgendeiner Stadt. Innos, du hättest mich in einem Feuer zu dir holen können. Adanos, meine Seele hätte dir auf den unzähligen Meilen zur See, die ich hinter mir habe, zufallen können. Und Beliar, deine Diener hätten meinen verräterischen Kadaver zu dir schicken können. Wieso habt ihr nichts getan? Wieso muss ich weiter leben ... leben mit mir und meiner Art.
    Der Schmuggler wusste zu gut, was für ein Mensch er war. Er wusste zu gut, was er getan hatte, wessen und wie viel Blut er an den Händen hatte, Zweifel hatten ihn nie großartig gequält, da er einen Großteil seiner Taten als gerechtfertigt betrachtet hatte. Aber seit einiger Zeit, seit dem Verrat von Damien und Gilead, ach, schon seit Rags Betrug fragte er sich ernsthaft, ob sein Gewissen doch nicht schon eher hätte wach werden sollen. Die Krähe ... ein Feind, den er sich vielleicht selbst geschaffen hatte? Jemand, den er seinerseits hintergangen hatte, dessen Familie oder Freunde oder Kameraden aufgrund seiner Taten beeinträchtigt, ja vielleicht getötet worden waren.
    Gewissen. Ria ist ein Beispiel dafür. Früher ... früher hätte ich verrückte Weiber wie sie einfach in der Wildnis gelassen. Aber nun? Nehme ich sie mit, gebe ihnen Gold und Hilfe und verlange was? Nichts. Götter, ich werde alt. Das Gewissen, das all die Jahre schwieg, meldet sich umso stärker zurück. Vielleicht ist das auch gut so, denn ihr Götter wisst, ich kann ... kann so nicht mehr lange weitermachen. All die Geschäfte, das Schmuggeln, Ränkespiele und Intrigen. Allseits Verrat erwarten, ihn selber begehen. Gepaart mit meinem Zorn und meiner Brutalität ... ich habe Angst, ihr Götter, am Ende des Weges als Monster da zu stehen. Nicht als Mensch.
    Weyland stieß sich von der Wand ab, ging an patrouillierenden Klingen vorbei und machte sich auf den Weg zu irgendeiner Terrasse, die Richtung Meer blickte. Dort würde er Ruhe finden können, mit der dunkler werdenden See vor Augen. Er seufzte, ließ Kopf und Schultern hängen. Der Jagdhund ... alt, schwach, nahezu gebrochen. Kein furchteinflößender Anblick, nein, eher mitleiderregend.

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    »Habt Ihr Arbeit?«
    - »Nein, hab' gerade erst jemanden eingestellt!«

    »Arbeit?«
    - »Zieh ab, mit deiner Fresse verschreckst du die Kundschaft!«

    »Braucht Ihr 'ne Aushilfe?«
    - »Verpiss dich.«

    Leise fluchend begutachtete Weyland die Maserung der Eichentür, die vor seiner Nase zugeworfen worden war. Tief in ihm brodelte es, verlangte der Zorn in ihm Vergeltung und Rache für die Ablehnung. Aber er wusste, dass dies seine Chancen in dieser Stadt schmälern würde. Erheblich sogar. Seufzend wandte er sich also ab, ging einige Schritte mit hängenden Schultern, ehe er sich straffte und aufrecht weiter ging. Dabei stieß er versehentlich einen jungen Mann um, gekleidet in der Gewandung der Novizen des Wassers, jener Diener der Wassermagier, die in einem turmartigen Gebäude nahe der Zitadelle eingezogen waren. Die Haare des Burschen waren kurz geschoren und das Gesicht blass, als habe es nie viel Sonne gesehen. Früher hätte Weyland solche wie ihn gehänselt, jetzt hielt ihm die Hand hin, damit er aufstehen konnte. Einen leisen Dank murmelnd packte der Junge zu, zog sich herauf und klopfte fast lustlos Staub von seiner Kleidung.
    »Entschuldigung«, knurrte und besah sich den Mann von oben bis unten. Dünn wie ein Asket. Nicht das er ihm noch eine Rippe gebrochen hatte ...
    »Ich muss mich entschuldigen, Herr, äh ...«
    »Weyland.«
    »Ja, äh, Herr Weyland. Gehört Ihr zu den Arbeitern?«, fragte der Novize abwesend. »Oh, ganz sicher, so wie Ihr gekleidet seid und riecht.«
    Der Schmuggler legte den Kopf schief und schenkte seinem Gegenüber einen langen, prüfenden Blick, als wolle er dabei anmerken, die Einschätzung noch einmal zu überdenken. Dann merkte er aber, dass er wirklich nicht unbedingt wie der junge Frühling roch und allgemein ein Äußeres wie eine Backsteinmauer hatte. Er seufzte also nur und nickte.
    »Ja, aber nun mehr arbeitslos. Ich mein, schaut Euch die Stadt an. Es wird repariert und gewerkelt, da sind Handwerker gebraucht, keine Tagelöhner wie ich. Mein altes Tagwerk kann ich ... derzeit nicht ausüben, also bin ich aufgeschmissen.« Die Bitterkeit in der Stimme war nicht zu überhören. Und ja, die Möglichkeit wieder als Schmuggler tätig zu werden, war eher gering. Ohne Boot sowie das finanzielle Fundament, um dem Geschäft weiter zu folgen. Sicherlich hätte er in der Hinsicht mit Lukar Durand und Warrick reden können, aber etwas in ihm widersprach dieser Idee energisch.
    Nun wirkte der Novize erst wirklich, als würde er Weyland völlig wahrnehmen. Seine Züge verloren den hochmütige Gleichgültigkeit und nahmen etwas sanftes an. Er legte ihm eine langfingrige, feingliedrige Hand auf den Ärmel. Früher hätte der Schmuggler Fremden für diese Geste den Arm gebrochen, aber in diesem Fall fühlte er sich, als würde das Gefühl von Niederlage und Einsamkeit weichen. Es wurde nicht ersetzt, nicht gefüllt. Nein, es wich und in seinem Innern bemerkte Wey nun eine Art neutrale Stimmung.
    »Adanos wacht über und beschützt die Arbeitsamen und Fleißigen. Weyland«, begann er und wechselte zum persönlichen Du, »weißt du von Adanos?«
    Einen langen Augenblick sah er den Mann an. Dann nickte er. »Ja. Der Gott des Gleichgewichts, der die Mächte von Licht und Dunkelheit, Gutem und Bösem in Einklang hält. Eine ziemlich undankbare Aufgabe, finde ich übrigens.«
    Der Novize lachte kurz. Ein offenes, ansteckendes Lachen. Sogar Weys Mundwinkel verzogen sich.
    »Ja, das wird dir jeder Magier und erst recht jeder Priester bestätigen können.« Ein abschließendes Grinsen, ehe er wieder ernst wurde. »Ich mag zwar nur ein Schüler des Kreises sein, ein niederer Diener der Erwählten Adanos', aber ich kenne seine Lehren seit ich ein Junge war. Mein Vater war Fischer in Drakia und dort kam immer mal wieder ein Prediger Adanos' vorbei, der die Boote oder den Fang segnete. Ja, die Menschen mögen zwar von Innos' geschaffen sein und ihre Seelen am Ende Beliar gehören, aber leben tun sie im Reiche Adanos'. Und jeder Fischer wird im Sturm eher zu ihm beten als zu der fernen Sonne oder der finsteren Nacht.« Der junge Novize machte eine ausholende Geste, deutete die Straße entlang. »Gehen wir ein Stück?«
    Nach kurzem Überlegen nickte Weyland und ging neben dem Mann her. Dieser sprach direkt weiter. »Wie gesagt, Adanos schätzt jene fleißigen Arbeitenden. Denn die Fanatiker können den Wert der Arbeit eines Wesens in Adanos' Sphäre nicht schätzen. Sie sehen nur Opfer für ihre Lehren. Der Diener Innos' würdigt nur Arbeit, die seiner Ordnung und der seines Gottes entspricht, für das Ziel eines Reiches ohne Freiraum und mit Grenzen aus Feuer und Licht. Der Beliardiener hingegen verachtet Arbeit, liebt nur das wilde Treiben des Chaos, zügellos und ohne Regeln und Anfang und Ende, ein Mahlstrom dunkler Freiheit. Adanos hingegen schätzt die Arbeit. Denn er weiß, dass sie in seinem Reich verrichtet wird und damit seinem Werk dient. Er liebt die Menschen, die für ihr Ziel arbeiten, es jedoch nicht mit brennendem Ehrgeiz erreichen wollen und ihre Freiheiten und kennen und nehmen. So weiß er, das Ordnung und Chaos vereint und ausgeglichen sind.«
    Mit gewichtiger Miene musterte der Novize Weyland im Gehen und erwartete wohl eine ehrfürchtige Antwort.
    »Himmel, Novize, was quatscht du da?«, fragte der Schmuggler nur. »Ich verstehe nur die Hälfte. Und die klingt, als hättest du den Inhalt irgendwelcher Bücher Adanos' auswendig gelernt oder die Augen geschlossen und nach Gespür irgendwelche Passagen aus irgendwelchen Predigten rausgesucht.«
    Unvermittelt blieb der junge Mann stehen und schaute ihn fassungslos an. »Wie bitte was?«
    Wey nickte. »Adanos schert sich nicht um die Arbeitenden. Innos und Beliar ebenso wenig. Was hat denn das Werk eines, sagen wir, Tischlers, also der fertige Tisch oder ein Stuhl, mit dem Gleichgewicht oder mit Licht und Dunkelheit am Hut? Okay, Beliar würde jenen Stuhl sicher gerne nehmen und Innos über die glühende Rübe ziehen, aber ansonsten ... wirkt dein Gerede eher wie Bauernfängerei. Damit der arme Schlucker lieber euch 'ne Münze zuschustert als dem Wanderprediger Innos'.«
    Lautlos den Mund bewegend schüttelte der Bursche den Kopf. Wey räusperte sich. War er etwas zu offenherzig gewesen?
    »Verdammt«, fluchte der Novize, »Ich habe nicht die rhetorischen Fertigkeiten meiner Lehrer. Ja, ertappt ... ich habe wirklich Passagen aus irgendwelchen Predigten genommen, hier und da etwas aus Reden irgendwelcher Innospriester oder dergleichen. Bist du nun stolz? Hast 'nen Novizen bloß gestellt, der halb so jung ist wie du.«
    Weiteres Kopfschütteln. Nun war es an Weyland in Gelächter auszubrechen, freundschaftlich und herzlich. »Bei allen Göttern, Junge, darf man als Novize trinken? Ja? Sehr gut, wir trinken was. Und ich habe Hunger. Und dabei erzählst du mir etwas über Adanos. Nicht dieses Tempelgeschwafel sondern, hm, ja, wie man es auf der Straße machen würde, unter einfachen Männern. So vom Sohn eines Fischers zum Sohn eines Bauern.«
    Nun war es an dem Novizen, einen Moment lang und eine Spur misstrauisch zu schauen, ehe er die Schultern hob und grinste. »Na dann, auf gehts. Ich heiße übrigens Denver.«
    »Na dann, Denver. Als Novize kriegst du sicherlich günstiger Bier. Die nächste Runde geht dann auf mich. Sicherlich ...«

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    Lukar ist offline
    Das späte Erwachen an diesem Tag brachte Lukar die seltsame Erfahrung ein, sich zusammengerollt und zerschlagen unter einem Dornenbusch wiederzufinden. Sein Rücken schmerzte von der harten und unebenen Erde. Blattwerk und kleine Äste hatten sich in seinen Klamotten verfangen, reizten die Haut und juckten um so höllischer, als er sich ächzend zur Seite rollte. Seine Gedanken kamen nur langsam in Schwung. In seinem Kopf schwebten Bilder zweier Männer herum die auf ihn einredeten, ohne das er sie verstehen konnte. Lukar war sich nicht einmal sicher, ob es sich um echte Erinnerungen, oder die Nachwehen eines geschmacklosen Traumes handelte. Die Hand fuhr an die pochende Schläge, als er sich erneut auf den Rücken wälzte und blinzelnd durch den Busch nach oben blickte. Der Busch befand sich im Ausläufer des Gebirgswaldes, der Stewark von der Ostseite her einschlossen. Lukar nahm diese Feststellung zuerst wertungslos zur Kentniss, riss dann jedoch erschrocken und verdutzt die Augen auf und setzte sich schneller auf als sein Kopf es vertrug.
    Neben ihm lag sein Schwert. Umgeben von kleingehackten Ästen und Ranken. Einige trugen grüne, unreife Früchte. Das Schlachtfeld eines unkontrollierten Wutanfalls, an den er sich nicht mehr erinnerte. Kein Stück. Was zum Beliar hatte er Gestern bloss angestellt?
    Unbeholfen begann er, die Blätter und Aststücke aus seiner Kleidung zu lesen, indes er sich schwerfällig erhob und sein Schwert wieder an sich nahm. Die Klinge hatte gelitten. Zumindest nachschleifen würde er sie müssen. Mit einem resignierten Seufzer schob er sie sich in den Gürtel und taumelte aus dem Buschwerk heraus.
    Unweit von seinem eigenwilligen Ruheplatz entfernt qualmten die Reste eines großen Feuers. Diesmal stiegen wirkliche Erinnerungen auf. Gröhlende und säufende Männer, die den lägnsten Tag des Jahres gefeiert hatten. Hatte er etwa mitgemacht? Er konnte es sich nur schwer vorstellen. Viel wahrscheinlicher war, dass er sich, bereits angetrunken, an dem Gratisangebot an Bier und Schnaps gütig getan und dann weiter Richtung Wald getaumelt war, wo er sein mörderisches Werk an einem unschuldigen Busch begangen hatte. Alkohol. Der Erzfeind jede menschlichen Vernünft. Lukar schnaubte, fuhr fort seine Kleidung ein wenig zu richten und begab sich auf den Rückweg in die Stadt.
    Bei seiner herumnestelei am Hemd ertasteten seine Finger eine Pergamentrolle, die er kurzerhand hervorzog und interessiert mussterte. Dann erschlug ihn der gestrige Tag wie die Faust eines Trolls. Warrick der Verrter. Die Taverne. Die grimmige Ausgeburt von Schmugglers und Geschichten über patriotische Verbrecherbosse. Und danach hatte er sich so gehen lassen?!
    Lukar entrollte das Pergament und machte kurz halt, um das Schreiben seines Partners Dillinger mehrmals durchzulesen. Dillinger fasste sich kurz, wie es seine Art war. Beunruhigende Nachrichten. Eine Gruppe Männer war offenbar Nachts in die Lagerhalle eingebrochen. Gestohlen hatten sie nichts. Dafür hatte es jedoch einige ohnmächtige Wächter gegeben. Und Dillingers Stellverteter -also der Stellvertreter des Stellvertreters- war seit jenem Abend auf und davon. Vermisst und höchstwahrscheinlich entführt. Zu allem Überfluss hatten sich Slicer und die Gebrüder Althoff immer noch nicht gemeldet. Lukar setzte sich wieder in Bewegung, wobei er das Pergament mehrmals in der Mitte durchriss und am Ende die Fetzen in einer schleimigen Pfütze zerstampfte. In diesem Moment stand das Ziel seiner nächsten Reise fest. Thorniara. Dillinger würde sich der Sache um den verschwundenen Verwalter annehmen, aber Slicer hatte ihm eindeutig einiges zu erklären. Die Einnahme von Stewark würde es nicht leicht machen, von hier in die Stadt des Ordens aufzubrechen. Er musste sich also entsprechend vorbereiten. So oder so hatte er jedoch genug von dieser Stadt. Ethorn und seine Lakeien würden fortfahren sich hier einzunisten, doch daran würde er sich später beteiligen, wenn die Stadt wieder einigermaßen in einem wirtschaftlich brauchbarem Zustand war.

  17. Beiträge anzeigen #37
    Waldläufer
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    In den letzten Tagen hatten Weyland und Denver immer wieder längere Gespräche geführt. Da sich auch die Wassermagier in Stewark erst einrichten und finden mussten, hatten die Novizen und Adepten immer mal wieder Zeiträume, in denen sie nichts zu tun hatten. Die Magier waren da liberal genug, ihren Untergebenen Freilauf zu lassen. Etwas, das dem Schmuggler gefiel. Die Feuermagier waren da nie so gewesen, wie er zu oft gehört hatte. Strikte, klare Hierarchie, alles für die Kirche und wenig für sich selbst. Es zählte der Orden, dann erst auf den hinteren Plätzen der Mensch. zumindest war dies seine Ansicht gewesen. Der Kreis des Wassers hingegen erschien da fast wie eine lose Zusammenkunft von Dienern Adanos', die eher aus organisatorischen Gründen ein Konvent gegründet hatten. Denver verfiel regelrecht ins Schwärmen, während er von den Magiern erzählte. So waren sie nun mal, die Menschen die das Leben noch nicht in vollen Zügen gekostet, jedoch auch grausam erfahren haben.
    »Und da wäre selbst Platz für ... einen Schmuggler? Verbrecher?«, fragte irgendwann bei einem Bier Weyland den Novizen. Der sah ihn einige Augenblicke lang an, ehe er langsam nickte, einen Schluck trank und dann zum Reden ansetzte.
    »Adanos interessiert es nicht, wer ihm dient, Hauptsache der Diener steht hinter seiner Sache. Wenn du natürlich ... unaussprechlich finstere Dinge getan hast, Menschenopfer, Dämonenbeschwörung oder solche Sachen, die eben nur Schwarzmagier machen, dann würde der Kreis dich wohl nicht aufnehmen, da deine Seele schon so derart vom Dunkel gezeichnet wäre, dass du das Gleichgewicht nicht mehr wahren könntest. Du hättest allzeit den Hang auf Beliars Seite der Waage. Ebenso ist es mit Innos. Wäre deine Seele schon so derart von Innos gezeichnet, wäre es auch vergebene Lebensmüh, aus dir einen Hüter des Gleichgewichts zu machen. Zu sehr würde dein Wohlwollen dem Licht gelten.«, erklärte er gewichtig und sah ihn dann ernst an, »Ein Verbrecher hingegen, der seine Untaten anerkennt, der sie womöglich bereut ... der mag ein guter Diener Adanos' sein. Denn nur der, der Gutes wie Schlechtes getan hat, vermag beides in Einklang zu halten.«
    Schwer schluckte Weyland. »Die Götter wissen, dass ich nicht unbedingt ... ein Sonnenschein war.«
    »Pah«, kam es von Denver, »Wer sind wir oder wer sind die Priester der Götter, dass sie wissen, wie ebenjene ticken und was sie wollen? Zeige mir verdammt nochmal einen Magier, der Kontakt zu seinem Gott hatte! Ein Gespräch, Palaver, eine Diskussion. Nichts. Dereinst Rhobar der Erste als Avatar Innos' vielleicht. Womöglich auch der legendäre, sagenumwobene Dämonenbeschwörer Xardas. Aber sonst ... nein, ich denke sonst weiß niemand was die Götter wollen und bevorzugen, auch wenn jeder Magier und Priester auf der Welt das gerne behauptet.«
    Der Schmuggler hob nur die Schultern. »Dass ich überhaupt darüber nachdenke. Ich habe nie auch nur ansatzweise etwas auf Priester und Religion gehalten. Magie ... war mir nie geheuer, und jetzt sitze ich hier und quatsche mit einem Novizen über Adanos und seine Vorzüge.«, er lachte kurz, »Verrückte Welt.«
    »Eine verrückte Welt, in der Tat, in der es ein Schmuggler in den Kreis des Wassers zu schaffen vermag. Die Runde geht auf dich, Wey!«

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    »Wo willst du hingehen, Weyland?«, fragte Denver, als sie durch die Straßen der Stadt gingen. Sie befanden sich auf dem Vorplatz der Zitadelle, von dem aus man zum Tor schauen konnte. Die Brücke war herunter gelassen und ein stetiger Strom von Karren brachte Waren und Rohstoffe nach Stewark. Immer mehr Menschen aus der Baronie sowie vom Silbersee trafen ein. Die von letzterem Ort wahrscheinlich schlicht aufgrund der Tatsache, dass sie sich in der Nähe des Königs sicherer fühlten. Ein niedergebranntes Dorf im Bluttal durch die Orks, Echsenmenschen in den Bergen ... da erschien der grimmige Ethorn fast wie ein gutmütiger Fürst. Der Novize stellte erneut seine Frage, daraufhin sah der Schmuggler ihn an.
    »Es gibt hier in der Nähe eine Mine. Da arbeiten Gefangene. Ich ... ich muss dort hin. Jemanden treffen. Sehen.«, erklärte er.
    Denver blinzelte kurz. »Einen der Wächter oder ... Gefangene?«
    »Zwei Gefangene. Nennen wir sie ... Todfeinde. Denn sie waren wahnsinnig kurz davor mein Leben zu beenden.«
    Der Novize nickte langsam. »Adanos größte Tugend ist die Vergebung. Denke daran.«
    »Genau das möchte ich dort erfahren. Bin ich dazu fähig die, wie du sagst, größte Tugend Adanos' anzunehmen? Kann ich ihnen vergeben? Vergessen? Werde ich Freude darüber empfinden, in welcher Lage sie sind? Oder ... werde ich gar nichts verspüren?«
    Der Diener Adanos' klopfte ihm auf die Schulter. »Wir werden sehen. Machen wir uns auf den Weg. Ich begleite dich, stehe dir zur Seite.«
    Und so machten sich der Novize und der Schmuggler, der gar nicht mehr so wirklich ein Schmuggler und eher ein Mann war, der langsame Schritte in Richtung Glauben tat, auf den Weg.

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    Waldläufer
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    Während die beiden Männer im Schein der untergehenden Sonne über die Brücke nach Stewark marschierten, erhob Denver plötzlich das Wort und bat seinen Begleiter höflich, einen Moment inne zu halten. Sie lehnten sich an die steinerne Brüstung der Vorbrücke, die dann in gut fünfzig Metern Platz für die Holzbrücke machten, die bei Bedarf hochgezogen werden konnte. Innerlich applaudierte der einstige Schmuggler den Erbauern der Stadt Beifall.
    »Was gibt es, Denver?«, fragte er und sah den Novizen mit hochgezogener Augenbraue an, mildes Interesse in den Augen. »Weiter mein Gewissen ergründen? Schauen, ob es da etwas gibt. Oder den Grund für meine ... Fühllosigkeit feststellen, die ich gegenüber zwei Feinden empfunden habe, die am Boden sind, die nicht mehr weiter können. Und die an Beliars Pforte klopfen.« Er wandte sich um, lehnte die Unterarme auf die Brüstung und blickte in die wogende Tiefe hinab, wo sich um spitze Felsen die Gischt des Meerwassers bewegte.
    »Natürlich mutet es befremdlich an, Weyland, versteh dies bitte.«, begann der Novize. Weyland machte nur mit der rechten Hand eine Bewegung, die ihn zum Fortfahren aufforderte. »Aber das ist wohl bei einem Mann deiner Erfahrungen und Erlebnisse eine herbe Verbesserung, nicht wahr? Du hast mir einiges von dir erzählt, mich geradezu zu deinem Beichtvater gemacht, und ich habe dich kennen lernen dürfen. Die Skizze des jähzornigen, stolzen Mannes habe ich vor mir gesehen, der grausam und brutal ist, neidisch und missgünstig. Dieser Mann hätte dort an der Bettstatt dem Sterbenden das Leiden ... kurz und schmerzhaft gestaltet, aus purer Rachsucht und Bosheit heraus. Du hättest deine Seele mit dem Makel Beliars befleckt.« Denver sah ihn von der Seite an, lässig gegen die Brüstung gelehnt. »Aber du warst nicht dieser Mann, der du einst warst. Du saßt dort und - verzeih mir, ich habe mich etwas hinein geschlichen und dich beobachtet - du hast Gnade gezeigt gegenüber einem Menschen, der dir so viel Ungemach bereitet hat. Er wollte Wasser und du gabst es ihm. In diesem Moment hast du Hilfsbereitschaft gezeigt und das hat mich beeindruckt.«
    Weyland nickte nur und wandte den Kopf halb um, sah Denver mit einer Spur Verzweiflung in den Augen an. »Aber ich habe keine Vergebung übrig gehabt. Das ich ihm Wasser gab war ... eine natürliche Reaktion, oftmals unbekannt, aber manchmal steckt in mir doch ein Mensch, der zumindest so viel Anstand hat, einem Sterbenden kleine Bitten zu erfüllen, egal wie viel Hass zwischen ihnen stand. Aber trotzdem, Denver, ich konnte ihm nicht vergeben, konnte seine Taten nicht vergessen.«
    Mehrmals nickte der Novize und klopfte ihm auf die Schulter. »Und das ist auch gut so, denke ich, Weyland.«, erklärte er. »Du hast dein Wesen, dein Gewissen, in Einklang gehalten. Hilfsbereitschaft, aber keine Vergebung. Kurze Minuten des Beistands, aber kein Vergessen. Du hast dein unsicheres Gewissen, das nicht wusste, ob die Taten dieser Männer zu entschuldigen seien, im Zaum gehalten. Ja, die Art wie du wirktest, war ... fremd, weil so unnahbar. Aber genau das ist wohl die Art Mensch, die das Gleichgewicht als Diener braucht. Menschen die das Gute und das Böse sehen und beides nüchtern beobachten können. Die durch Licht und Dunkelheit wandern können ohne ihnen anheim zu fallen, nein, die Adanos' Lehren hoch halten, die würdige Vertreter seines Glaubens sind: Dass das Gleichgewicht nie verloren gehen darf, das die Welt beides benötigt.«
    Nachdem Denver keine weiteren Worte mehr über die Lippen kamen, entweder weil ihm nichts weiteres einfiel oder er genug gesagt hatte, seufzte Weyland und richtete sich wieder auf. »Bei Adanos, Denver, vielleicht hast du recht. Wahrscheinlich sogar wirklich. Ich habe meine Jahre gehabt, da ich beiden Seiten der Waage diente, dem Guten wie dem Bösen. Vielleicht wird es jetzt Zeit, mich dafür einzusetzen, dass beides in Einklang bleibt. Es muss wohl einfach so sein, ja.«
    Der Novize grinste breit. »Schlafe einige Nächte darüber, dann komm zum Haus der Magier. Es wird ... sicher möglich sein, dich im Kreise von uns Novizen Willkommen zu heißen. Aber jetzt gehen wir erstmal in die Klippenschenke. Ich hab Kohldampf! Ich zahle auch für dich, so sehr mag ich dich heute, alter Mann!«

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    Der Mann schälte sich aus der dünnen Decke auf dem Bett in der Massenunterkunft der Klippenschenke. Zwar hatte er sicherlich noch die Möglichkeit einen Schlafplatz bei den Arbeitern zu ergattern, aber da wäre kein ganz so erholsamer Schlaf gewährleistet wie hier. Denn die Handwerker, Zimmerleute und Tagelöhner zechten gerade bei diesen angenehmen Temperaturen noch bis spät in die Nacht, nur um einige Stunden später wieder wie der frisch wie der junge Frühling zur Arbeit zu gehen, ohne dass man ihnen den vorabendlichen Alkoholkonsum auch nur ansieht. Eine Fähigkeit die Weyland nie besessen hatte. Der Kater am Folgetag war immer die stille Furcht beim Trinken gewesen.
    Seine Schritte lenkten ihn zu einem Waschzuber, der hinter der Taverne stand. Von hier aus hatte man einen wunderbaren Blick auf das Meer und die nach Salz riechende Brise frischte einen richtig auf. Vom Wirt hatte er sich ein Rasiermesser und eine Schere geliehen sowie eine handflächengroße Spiegelscherbe. Seufzend begann der ehemalige Schmuggler damit, sich zuerst vorsichtig das Gesicht zu rasieren. Im Innern musste er doch einen Moment grinsen, als er daran dachte, wie er sich das erste Mal rasiert hatte. Und dann aus Dutzenden kleinen Wunden am Kinn und den Wangenknochen blutend an seinen Vater heran getreten war und ihn um Würde bemüht nach seiner Meinung gefragt hatte. Der alte Sweers hatte nur wiehernd gelacht, ihm auf den Rücken geklopft und gesagt, dass es einfach Menschen gibt, die einen Bart tragen und weniger mit scharfen Messern im Gesicht rumhantieren sollten. In Nachbetrachtung wohl einer der wirklich wenigen Augenblicke, in denen sich Weyland seinem Vater so nahe gefühlt hatte wie ein Sohn. Nicht eine Stunde später hatte er ihn auf dem Hof so dermaßen verdroschen, da er das Holzschwert fallen ließ, dass noch Tage später die Knochen schmerzten.
    »Sieh an, sieh an«, murmelte er und betrachtete seine Züge in der Scherbe, »Rasiert siehst du zwar immer noch hässlich aus, jedoch wesentlich weniger ungepflegt. Adanos, ich muss wieder mehr essen, wirke ja geradezu ausgehungert.« Er fuhr sich über die Wangenknochen, spürte das Schaben der Stoppeln. Dann machte er sich daran, mit der Schere das Haupthaar zu schneiden. Schwarze Haarsträhnen, langsam durchsetzt mit grauen Härchen, fielen neben dem Zuber zu Boden. Als es kurz genug war, bearbeitete der Weyland seinen Kopf mit dem Rasiermesser, was eine Tortur war. Irgendwann überwand er sich selber und bat einen weiteren Gast, der zur Morgenhygiene aus der Taverne getreten war, die Stellen zu rasieren, die er nicht erreichen konnte. Schweigend half ihm der Mann, ehe der sich wieder seiner eigenen Pflege widmete.
    Wieder betrachtete Wey das Ergebnis im Spiegelstück. Nun siehst du fast aus wie einer dieser Wanderprediger. Nicht die erhabenen, würdevollen, eher diese abgewrackten, sumpfkrautsüchtigen Irren. Adanos, warum wurde ich mit dieser Fresse gesegnet? Da dachte ich wirklich, eine Rasur würde mich zivilisierter wirken lassen, aber jetzt sehe ich erst recht aus wie der hinterletzte Straßenschläger. Na ja, was will man machen? Die Leute lieben mich ja nicht wegen meinem Äußeren sondern wegen meinem strahlenden Charakter.
    Grinsend verschwand Weyland wieder in der Taverne und kleidete sich an. Er würde schauen, was er unternehmen würde.

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