-
 nomina nuda tenemus
»Es muss eine furchtbare Erfahrung für Euch gewesen sein«, erkannte der Magier.
»Kein Wunder, dass Ihr von Magiern nicht viel haltet. Wenn es Euch nur darum gelang, in seinen Geist zu blicken, so wie er in den Euren, weil ihr Angst um Euer Leben hattet, dann ist das natürlich keine gute Methode, um Eure Kräfte zu erforschen. Die Nutzung von Magie sollte Euch sicherer machen, das Wissen um Eure Fähigkeiten sollte Euch Halt und Gelassenheit schenken. Es muss einen anderen Weg geben, mit dessen Hilfe Ihr das erfühlt, was in Euch ist. Einen Weg ohne Angst, sondern voller Neugier, einen sicheren Weg«, entschied er dann. Oder formulierte vielmehr seine Wünsche daran, wie der in Murielle entzündete Funke der Magie von ihr gefahrlos gehalten und geformt werden konnte.
»Vielleicht fällt uns heute noch mehr dazu ein. Und vielleicht sollten wir uns erst einmal nach möglichen Schiffen erkundigen und wir könnten auch nach einem Händler für Magiebedarf suchen, bei dem ich hoffentlich die Dinge, die mir für meine Zwecke noch fehlen, bekomme.«
Dann fiel ihm noch etwas ein.
»Was spürtet Ihr, als ich Euch dort im Wald berührte? Erinnert Ihr Euch noch an das Gefühl und könnt es vielleicht sogar wieder hervorrufen?«
-
Halt und Gelassenheit? Verdammt, Herr Esteban, hier geht es um Magie!, dachte sie, sprach es aber nicht aus. Es gab kaum etwas, das so unberechenbar und beängstigend war und Murielle war der Meinung, dass niemand überhaupt eine solche Macht haben dürfte und so verlockend das irgendwie alles auch klang, sie selbst hatte wenig Lust darauf und würde sich nur damit beschäftigen, weil sie Angst vor dem hatte, was geschehen könnte, wenn sie es nicht tat und sich ihre angebliche Begabung stattdessen selbstständig machte.
Damals, als sie noch jünger war, hätte sie sich vermutlich darüber gefreut und sich unendlich viele Wege überlegt, mit ihren Kräften anderen Menschen das Leben zu erschweren, doch schien ihr dieser boshafte Wesenszug inzwischen so fremd und nicht mehr zu ihr gehörig, dass sie die ihr inneruhende mögliche Macht einfach nur als Last empfand.
Murielle versuchte sich daran zu erinnern, wie sie sich gefühlt hatte, als Don-Esteban sie fand und ihre Wange berührte. Und ja, da war es wieder, nur es in Worte zu fassen, fiel ihr so schwer, wie selten etwas, dennoch versuchte sie es:
"Ich hatte das Gefühl unendlich verloren zu sein, das Bedürfnis gehen zu wollen und die Erleichterung darüber, den Weg heim endlich gefunden zu haben. Kälte. Schwärze. Kein Licht mehr. Frieden und Stille.", sie sah auf und blickte ihm nun in die Augen, während sie weiter sprach: "Und dann war da Eure Stimme, wie ein weit entfernter Funke und ich war wütend, weil Ihr einfach nur verschwinden solltet und dann habt Ihr mich berührt und alles kribbelte. Eine angenehme Wärme breitete sich von der Stelle an in mir aus und für einen Moment war es, als würde ich erwachen. Als wäre ich das erste Mal in meinem Leben hellwach. Ich hatte das Gefühl, ich würde so viele Dinge hinter den Dingen sehen, meinen Baum zum Beispiel, nur in unendlich vielen anderen Varianten seiner selbst. Euch. Mich. Alles. Dann war es vorbei, fast. Seither habe ich den Eindruck, da sei mehr unter der Oberfläche von allem. Als gäbe es unzählige Versionen von allem, selbst von diesem Bett, ja von diesem Raum, von uns. Aber ich will sie nicht sehen, ich fürchte mich so sehr und wenn ich versuche, es wieder heraufzubeschwören, steht meine eigene Angst mir im Weg und blockiert alles."
-
 nomina nuda tenemus
Auf den ersten Blick schien es mehr eine Beschreibung von Verzweiflung zu sein, doch wenn man genauer über ihre Worte nachdachte, so ergab sich durchaus ein stimmiges Bild. Es war für Murielle die plötzliche und unerwartete Erfahrung einer neuen Welt, unbekannt, rätselhaft, nicht erklärbar. Natürlich erzeugte dies Angst.
»Ihr sagt, Ihr habt meine Stimme gehört. Hat es Euch geholfen, sie zu hören, vielleicht wie ein Anker, an dem sich ein Schiff festhält oder ein Feuer in einem Sturm, das Orientierung bietet?«
Er dachte darüber nach, was Murielle ihm von ihrer Erfahrung erzählt hatte.
»Eure Beschreibung dessen, wie ihr alles wahrgenommen habt, in unendlicher Vielfalt ... das ist neu für mich. Jeder Magier spürt es auf andere Weise, hat einen ganz eigenen Zugang zur Magie, zu diesen uns fremden Kräften. Wir können versuchen, dass Ihr dem erneut nachforscht, wenn ich Eure Hand halte und mit Euch rede oder zumindest etwas sage, so dass Ihr die ganze Zeit meine Stimme vernehmt und auch durch die Berührung meiner Anwesenheit gewiss seid.«
Er hatte sich mittlerweile aufgesetzt und hielt ihr seine Hände mit den langen, schmalen Fingern entgegen.
»Wollen wir es probieren?«
-
"Das klingt abstrus, doch Eure Stimme war beides zugleich. Oder Eure Berührung? Ich weiß es nicht. Zuerst ein Leuchtfeuer, das mir den Weg zurück nicht nur wies, sondern mich zwang und dann, als das getan war, ein Anker, der mich hielt."
Sachte schüttelte sie den Kopf, denn so ganz gefiel ihr die Erklärung nicht. "Anders kann ich es leider nicht beschreiben.", sagte sie und fühlte sich hilflos, nicht einmal dazu in der Lage zu beschreiben, was in ihr vorgegangen war.
Schließlich aber begann sie bewusst ruhig und gleichmäßig zu atmen und den Lärm, der von den Gassen heraufklang, zumindest teilweise auszublenden. Während sie Don-Esteban nun fest in die Augen blickte, nahm sie zaghaft seine Hände in die Ihren. Kühl wirkten diese zuerst, doch nur wenige Sekunden später strahlte eine wohltuende Wärme von ihnen aus, die Murielle beruhigte und dabei half, etwas mehr von ihrer inneren Anspannung aufzulösen. Es war ihr, als würde sich ein Schleier heben und den Blick freigeben auf alle unzähligen möglichen und unmöglichen Alternativen dieses einen Augenblickes. Es fiel ihr schwer, sich auf die eine für sie reale Variante zu konzentrieren und sich nicht zu verlieren in dem Wirrwarr aus Perspektiven und Optionen. Sie hielt seine Hände nun nicht mehr zaghaft, sondern fest.
"Redet, bitte.", brachte sie noch hervor und hoffte, dass es wieder funktionieren würde. Murielle war entschlossen, dem Schleier nicht so schnell wieder zu gestatten sich über ihren Blick zu legen, egal wie sehr es sie ängstigte: Don-Esteban war bei ihr, das gab ihr den Hauch eines Gefühls von Sicherheit.
-
 nomina nuda tenemus
»Sehr gerne«, antwortete der Magier.
»Ich werde Euch davon erzählen, wie ich in Varant die alte Siedlung Al-Shedim besuchte«, begann er seine Erzählung und ließ sie nicht aus den Augen dabei.
»Ich wanderte vor einigen Jahren, es waren mehr als fünf in meiner Erinnerung, aber ein Jahrzehnt war es noch nicht her, von Bakaresh, einem Zentrum des Beliarkultes in den Wüstengebieten die alte Handelsstraße nach Mora sul entlang. Kurz vor mora sul befindet sich Al-Shedim. Es ist ein Zentrum der Wüstennomaden, die die Städte größtenteils meiden. Sie sind die Nachkommen des alten Volkes und Al-Shedim ist eine der Ruinenstädte Varants, die von der langen Geschichte dieses Landstriches erzählen. Die Nomaden legen seit Alters her ihr Schicksal in die Hände von Adans. Das scheint jedem, der darüber nachdenkt, sinnig zu sein, denn in einem trockenen Gebiet wie es eine Wüste meist ist, ist Wasser ein kostbares Gut und Adanos wird eben, wie Ihr sicher ebenfalls wisst, mit dem Element Wasser in Verbindung gebracht.«
Murielles Hände zuckten in seinen, doch er hielt sie weiterhin fest, nicht gewillt, sie loszulassen, denn sicher war, dass es nicht einfach für sie war, ihre Erlebnisse noch einmal mit voller Absicht ans Licht des Bewußtseins zu holen, also aus den Tiefen des Geistes an die Oberfläche der Gedanken.
»In Al-Shedim selbst treffen sich nicht nur die verschiedenen Nomadenstämme, um miteinander Handel zu treiben und Nachrichten auszutauschen. Der Ort ist auch der Sitz der Wassermagier. Es gibt dort einen alten Tempel und die Magier erforschen ihn, um mehr über das alte Volk und seine Adanos-Verehrung zu erfahren. So wollen sie verschiedenen Mysterien nachgehen, um ihren Glauben besser zu verstehen. Alles in allem ist es ein Ort des Friedens. Doch ich war zu einem anderen Zwecke dort. Weder wollte ich Handel treiben noch die Geheimnisse Adanos' erforschen.«
Er brach ab in seiner Erzählung, deren Thema er nur aufs Geratewohl gewählt hatte, weil er vermutete, dass ihr allein der Klang seiner Stimme half, denn Murielles Bewegungen hörten auf, sie wurde wieder ruhig.
»Hört Ihr mich, Murielle? Was spürt Ihr?«, fragte er nun, nicht sicher, ob sie ihn verstand und antworten konnte.
-
Sobald er zu reden begonnen hatte, fiel es ihr leichter, sich auf das zu fokussieren, was real war. All die anderen Ebenen schienen nicht unecht zu sein, nur eben nicht die, in der sie sich befanden. Seine Stimme wies ihr den Weg durch all die Schichten und half ihr, sich vorerst voll und ganz auf die einzig Wichtige zu konzentrieren, nämlich ihre eigene. Sie sah ihn an, hörte ihm zu und hielt seine Hände. Diese drei Dinge waren nicht notwendig, aber sie schenkten ihr Sicherheit und boten ihr die Möglichkeit in einem geschützten Rahmen zu experimentieren, zu scheitern und dazu zu lernen.
"Ihr höre Euch.", nickte sie ihm zu. Und das tat sie, auch wenn sie ihm inhaltlich überhaupt nicht zu folgen vermochte, das sie sich vollkommen auf alle anderen Eindrücke konzentrierte. "Weiter, bitte.", war alles was sie noch sagte, denn sie war fest entschlossen, fortzufahren und zumindest einige der unzähligen anderen Varianten dieses Augenblickes genauer zu betrachten.
-
 nomina nuda tenemus
»Mein Ziel war es, mir die Kunst des Stabkampfes anzueignen«, fuhr er also fort, so wie Murielle es sich wünschte.
»Zu der Zeit hielt sich dort auch die Wassermagerin Aniron auf«, erzählte er in ruhigem Tonfall und vermied es, längere Pausen zwischen den Sätzen entstehen zu lassen. »Sie war es, die mit dem Kampfstab sehr gut umzugehen verstand. Und sie gab ihr Wissen an mich weiter. So kam es, dass ich die Grundlage des Umgangs mit dieser Waffe erlernte. Warum der Kampfstab? Weil es eine der einfachsten Waffen ist. Einen Stecken oder Stab kann man auch abseits des Weges irgendwo finden, er muss nicht aufwendig hergestellt werden. Er ist nicht wertvoll und wird nicht gestohlen. Und er kann dennoch effektiv eingesetzt werden. Wenn man weiß wie.«
Nun sprach er weiter über die Lebensweise der Bewohner dort.
»Die Nomaden der Wüsten Varants sind dafür bekannt, mit ihren langen Kampfstäben sehr gut umgehen zu können. Sie kämpfen in fließenden, ineinander übergehenden Bewegungen. Vielleicht haben sie sich den Wind zum Vorbild genommen, der den Sand über die Dünen jagt und ihn ohne Unterlass hierhin und dorthin treibt und ihn niemals wirklich zur Ruhe kommen lässt. So verändert sich die Wüste ständig und bleibt nie gleich. Wer sich nicht auskennt, ist ohne Führer schnell verloren, wenn er die markierten Wege verlässt. Sie werden mit Hilfe hoher Stangen markiert, an denen Flaggen im Wind flattern. Sofern kein Sandsturm herrscht, ist immer jeweils das nächste Signal sichtbar. Doch begibt man sich mitten in die Wüste, so ist man schnell verloren und verdurstet in wenigen Tagen, wenn man nicht das Glück hat, zufällig einen der wenigen Brunnen zu finden. Doch sie alle gehören bestimmten Nomadenstämmen, die sie bewachen und schützen, denn sie sind die Grundlage ihrer Existenz.«
Esteban endete mit seiner Erzählung, denn Murielle bewegte sich erneut.
-
Mit seiner Hilfe gelang es ihr, ihre Aufmerksamkeit auf einige der anderen Varianten des Hier und Jetzt zu lenken. Es war ein einziges Durcheinander, verschiedene Versionen des Raumes überlappten sich und waren schwerer zu entwirren als ein Wollknäuel, welches lange und ausgebiebig von einer sehr enthusiastischen Katze bespielt worden war.
Sie kehrte zu seiner vertrauten Stimme zurück und versuchte, diese als Ausgangspunkt zu benutzen, um die anderen Ebenen zu erkunden. Da gab es noch einen Don-Esteban, aber der lag allein auf dem Bett und schlief, im Raum keine Spur von Murielle. Sie sah diesen Raum, nur dass ein Fremder in ihm auf und ab ging. Ob sie wohl halluzinierte? Was sollte all dies darstellen? Einfach eine Abbildung aller möglichen Fügungen des Schicksals, von denen jedoch keine Einzige auch nur den Hauch von Relevanz hatte? Eine bunte Mischung aus Was-wäre-wenns? Was sollte das nutzen? Welchen Sinn machte das? Da hatte sie schon eine Begabung und dann war es eine so vollkommen Unbrauchbare. Murielle war eine einzige Enttäuschung.
Plötzlich sah sie, wie in einer Raumebene, in der eine andere Version von ihr selbst und Don-Esteban nebeneinander schliefen, die Kerze, welche anscheinend nicht gelöscht worden und schief heruntergebrannt war, das Tischtuch in Flammen aufgehen ließ. Beinahe war es ihr, als könnte sie die Hitze spüren und als würde sie den schweren Rauch einatmen, jedoch schien von dem Brand keinerlei Gefahr für sie oder ihre Version des Magiers auszugehen, denn er redete unbeirrt weiter - für ihn schien nichts von dem, was sie wahrnahm, überhaupt zu existieren.
Mit Schrecken stellte sie fest, dass das Feuer inzwischen auf die beiden Schlafenden übergegangen war. Machtlos blieb ihr nichts anderes als zuzusehen. Sie brauchte einen Moment um sich wieder ins Bewusstsein zu rufen, dass es sich vermutlich um keine Realität handelte, sondern lediglich um ein Traumgespinst. Nun nicht mehr voller Entsetzen sondern stattdessen Neugierde begann sie damit, sich auf den inzwischen verheerenden Brand zu konzentrieren, während Don-Estebans Stimme ihr noch immer als Anker diente. Natürlich war es völlig abstrus zu denken, sie könnte das Feuer Kraft ihrer Gedanken löschen, musste sie sich schließlich eingestehen. Sie blendete alle anderen Ebenen aus, indem sie dem Schleier gestattete, sich wieder über ihre Wahrnehmung zu legen und ließ die Hände des Magiers los. Noch immer hatte sie den den Geruch brennenden Stoffes in Nas.. "Oh Scheiße!", rief sie und sprang vom Bett auf, um auf den schwelenden Saum seiner Kutte zu treten, die beim Sitzen bis auf den Boden reichte.
-
 nomina nuda tenemus
Jetzt erst hatte er wirklich verstanden, was passiert war. Doch bevor er sich über sein in Brand geratenes Kleidungsstück ärgern konnte oder den Brandgeruch überhaupt richtig wahrgenommen hatte, war er mit Freude darüber erfüllt, dass Murielle so schnelle Fortschritte machte.
Noch als sie den gerade entstehenden Brand hastig austrat, rief er aus: »Hervorragend! Ihr habt nicht nur die Kraft in Euch, die Magie, gefunden und berührt, nein, Ihr habt sie auch gleich im ersten Versuch aus Eurem Inneren geholt, geformt und angewandt. Ihr seid außergewöhnlich begabt!«
Der brennende Kuttensaum war schnell wieder gelöscht. Es war nicht schade um das Kleidungsstück. Zum einen war es nicht stark beschädigt und konnte weiterhin getragen werden und zum anderen war es nie als prunkvoller, repräsentativer Habit gedacht gewesen.
»Es ist nur eine einfache Kutte, nicht schlimm«, sprach er zu Murielle. »Sie schützt vor Nässe und Kälte und in ihren Taschen lässt sich manches Ding verstauen, das auf Reisen nützlich ist. Aber sie ist nicht wertvoll oder besonders. Macht Euch also keine Vorwürfe deswegen. Der Fortschritt, den Ihr in so kurzer Zeit erfahren habt, ist bemerkenswert. Ihr habt Feuer auf magische Weise entfacht«, stellte er fest.
»Mit etwas weiterer Übung lernt Ihr auch, zu lenken, was ihr entzünden möchtet. Das Wichtigste habt Ihr heute schon gelernt. Nämlich Magie zu fühlen und anzuwenden. Wie hat es sich angefühlt?
Und wollt Ihr es weiter versuchen?«
-
Sie konnte nicht fassen, was geschehen war. "Das war wirklich ich?", fragte sie ungläubig und begann nur langsam zu begreifen.
"Aber es war ganz furchtbar, es brannte, der ganze Raum brannte lichterloh und ich wollte das Feuer löschen, aber stattdessen habe ich offenbar einen Teil davon real werden lassen.", fasste sie kurz zusammen und hoffte, dass er wenigstens etwas von dem verstand, was sie da aufgeregt stammelte. Sie atmete einige Male ruhig ein und aus, um sich einigermaßen zu sammeln.
"Ich weiß nicht wie es sich angefühlt hat, gar nicht, ich sah die Flammen und konzentrierte mich darauf, sie in meinen Gedanken zu löschen, aber natürlich geschah nichts dergleichen. Dann bemühte ich mich darum, wieder nur im Hier und Jetzt zu sein und sah plötzlich Eure Kutte schwelen, herrje. Das war so nicht geplant. Und ich habe Angst, was noch passieren könnte, aber wir werden es wohl herausfinden müssen. Ich komme fast um vor Hunger. Ernsthaft.", sagte sie und wie um ihre letzte Aussage zu bekräftigen, knurrte ihr Magen unüberhörbar.
-
 nomina nuda tenemus
»Ihr habt Recht«, stimmte er ihr und ihrem Magen zu. »Es ist genug für den ersten Versuch. Ihr seid schon so weit gekommen, wir wollen nichts überstürzen.«
Er stand auf und strich sich die Kutte zurecht.
»Verstehe ich richtig? Ihr habt in Euren Gedanken - oder Eurer Vorstellung - den ganzen Raum brennen sehen und dann brannte es tatsächlich - zumindest ein klein wenig?« Er legte Murielle die Hand auf die Schulter und sagte: »Ich denke, Ihr seid auf dem richtigen Weg. Auch wenn Euch das, was Ihr saht, geängstigt hat. Es war nicht wirklich. Oder jedenfalls war es nicht in unserer Wirklichkeit«, setzte er vorsichtig und etwas nachdenklich hinzu. So genau wusste man nie. Die Welt war seltsam und Magie war es noch viel mehr.
»Kontrolle über das, was Ihr seht und was daraus an Magie erwächst, erlangt Ihr durch weitere Übung«, stellte Esteban dann überflüssigerweise fest. Sicher war das auch Murielle klar.
»Und jetzt sollten wir etwas essen. Zum Glück befinden wir uns in einem Gasthof.« Auch das war keine umwerfende Erkenntnis.
Sie ordneten also ihre Kleidung, packten ihre Sachen, denn die Tür war von außen nicht verschließbar und Esteban wollte für ihre wenigen Habseligkeiten nicht mit einem komplizierten Verschließungszauber hantieren und verließen den Raum, um die Gaststube im Erdgeschoss zu erreichen.
Hier war für die Tageszeit recht wenig Betrieb, so dass der Wirt bald auf sie aufmerksam wurde, kurz nachdem sie sich Plätze an einem etwas abseits gelegenen Tisch gesucht hatten.
-
 nomina nuda tenemus
Schnell war etwas bestellt und geliefert. Esteban zog die Augenbraue hoch, wie es seine Angewohnheit war, wenn er etwas kritisch hinterfragte und schaute dadurch mit einem skeptischen Gesichtsausdruck auf das, was ihnen Ingor gebracht hatte. Und ob das, was er dafür verlangte, wie vereinbart dem halben Preis entsprach, wusste außer dem Wirt auch niemand. Vermutlich gehörte das zu seinem Geschäftsgebahren, solch blumigen Angebote zu machen. Ohne ausgehängte Preisliste machte es für die Gäste jedoch keinen Sinn. Der Magier ärgerte sich, dass er daran nicht schon am vortag während der Verhandlungen gedacht hatte.
Trotzdem war das Essen besser als befürchtet. Ingor hatte vielleicht auch einen Ruf zu verlieren. Oder er wollte sich von der Gespaltenen Jungfrau im südlichen Teil der Baronie absetzen, schließlich war das, was Murdra dort verteilte, eine ganze Ecke rustikaler - um es freundlich auszudrücken. Aber dort verkehrten auch meist nur Fischer, Holzfäller und Waldläufer, denen es mehr um einen vollen Magen für wenig Geld und genug Bier und Schnaps ging als um irgendwelche besonderen Gaumenfreuden.
»Wenn wir fertig sind, werde ich die Läden von Worgan und Gerrick aufsuchen. Einer der beiden wird schon haben, was ich brauche, um meine Teleportforschungen auf dem Festland fortzusetzen. Möchtet Ihr so lange nach einer Reisemöglichkeit auf einem Schiff nachfragen und wir treffen uns danach wieder hier? Oder wollt Ihr mich auf meine Einkäufe begleiten, Murielle?«
-
Sie kannte die Stadt nicht, daher schien es Murielle nicht sonderlich erfolgversprechend, wenn sie alleine losziehen würde.
"Wollt Ihr mich etwa loswerden?", fragte sie Don-Esteban zwischen zwei Löffeln der viel zu stark gewürzten Gemüsesuppe und zog dabei gespielt skeptisch eine Augenbraue nach oben.
"Mir wäre es tatsächlich lieber, wenn ich Euch begleiten dürfte. Ich fürchte, sonst verloren zu gehen. Was genau braucht Ihr denn überhaupt?", fragte sie und schob die inzwischen leere Schüssel ein Stück von sich.
-
 nomina nuda tenemus
»Ihr habt Recht«, gab Esteban zu. Er griff an seine Geldbörse und zog ein paar Kupfermünzen hervor, die er zur Bezahlung auf den Tisch warf. »Wir gehen zusammen.«
Der Wirt schob sich gerade heran, das Klimpern der Münzen hatte wohl Signalwirkung bei ihm.
»Sagt«, sprach ihn Esteban an, »ich benötige eine Überfahrt aufs Festland, Ihr wißt nicht vielleicht, ob demnächst ein Schiff erwartet wird?«
Ingor sammelte behäbig das Geld ein und schien zu überlegen. Am Ende schüttelte er jedoch nur den Kopf und meinte, dass andere das besser wüssten, er selbst habe nicht vor zu reisen. Vielleicht sollten sie den Kuriositätenhändler Gerrick fragen, der bekäme doch immer allerhand seltsame Sachen aus aller Welt und hätte vielleicht eher eine Ahnung, wann die nächste Lieferung nach Stewark käme.
»Ja, das klingt mir nach einer guten Idee«, stimmte Esteban zu und ließ sich davon überzeugen, noch eine weitere Münze in die Hand des Wirtes wandern zu lassen.
»Kommt Murielle, besuchen wir diesen Gerrick.«
Sie standen auf und verließen das Gasthaus.
-
"Seht nur.", sagte Murielle zu Don-Esteban, kurz nachdem sie das Gasthaus verlassen hatten und deutete auf ein nebenstehendes Gebäude. "Das Schild sagt, dort gäbe es einen Alchemisten. Ich trage etliche getrocknete Kräuter mit mir herum: Die meisten davon vollkommen alltäglich und an jeder zweiten Ecke wachsend. Allerdings befinden sich unter meinen Vorräten auch ein paar Briefchen mit selteneren Pflanzen. Und nicht nur Kräuter, sondern auch deren Samen. Ich habe versucht, von allem etwas aufzubewahren und zu sammeln. Allerdings habe ich nie gelernt, wie man Tränke damit herstellt und deshalb ist das meiste davon recht nutzlos für mich. Ich kann fast nur Tees und Kräuterumschläge, Ihr wisst schon, der übliche Kram, den jedes Mütterchen kennt. Dennoch sind einige der Sachen wertvoll für einen Alchemisten und ich würde irgendwann später sehen, ob ich dort etwas von dem Zeug loswerden kann. Nun aber erst zu diesem Gerrick!", plapperte sie munter.
-
 nomina nuda tenemus
»Sehr gerne«, pflichtete der Magier ihr bei. Das Schild, das sie ihm zeigte, musste sicher den Laden dieses Worgan bezeichnen.
»Wenn Ihr nicht alles für den Eigenbedarf benötigt, dann ist es sinnvoll, etwas davon zu verkaufen. Sicher könnt Ihr von dem Alchemisten auch noch etwas über die Pflanzen und Kräuter dieser Gegend erfahren - oder aber ihm Euer Wissen verkaufen.«
Er überlegte ein, zwei Augenblicke und strich sich dabei mit der Hand über das Kinn.
»Aber wenn ich recht darüber nachdenke ... ich selbst bin auch im Brauen verschiedener Tränke bewandert. Nicht, dass ich es oft tun würde, aber sofern ich die dafür nötige Ausrüstung habe, kann ich vielerlei Tränke herstellen. Wenn Ihr mögt, müsst Ihr Eure gesammelten Pflanzen nicht an diesen Alchimisten verkaufen, sondern ich kann Euch an Tinkturen, Destillaten und Tränken daraus herstellen, was Ihr mögt. Oder es zumindest versuchen.«
Sie hatten den Platz am Stadttor überquert und bogen in eine schmale Gasse ein, welche in die an der Stadtmauer entlang gebaute Unterstadt führte.
»Ihr wolltet wissen, was ich benötige? Die Gerätschaften nennen sich Magolith und Arcanograph. Mit hrer Hilfe kann ich die Stärke und Ausrichtung des magischen Feldes an einem Teleportpunkt bestimmen und es in Bezug zum Sternenhimmel setzen. Mit diesem Wissen sollte es möglich sein, den vermessenen Teleportpunkt zu nutzen, sobald ich die Magie der Teleportation gemeistert habe. Alles in allem also eine sehr trockene, theoretische Arbeit«, charakterisierte er das, was er darüber gesagt hatte völlig zutreffend. »Und für Euch sicher nicht interessant. Halten wir lieber Ausschau, denn hier irgendwo muss dieser Garrick seinen Laden haben.«
Und tatsächlich sahen sie nach einer Biegung ein einzeln stehendes Haus mit einem Ladenschild.
»Hier, das wird es sein«, vermutete Esteban und sie traten ein.
Tatsächlich handelte es sich um das Kuriositätenkabinett des Garrick, wie der Sammler und Verkäufer hieß. Das, was in den Regalen gestapelt war, an den Wänden lehnte und aus Fässern und Kisten quoll, ging weit über das übliche an der Decke hängende ausgestopfte Krokodil hinaus. Auch sah man keine Gläser mit irgendwelchen bunten Erden, die angeblich von fernen Inseln stammten und wichtige Wirkungen besaßen. Das hier war eine Kuriositätensammlung anderer Art. In einer Ecke lagen äußerst dünn gewebte Teppiche mit so fremdartigen Mustern, wie sie der Magier noch nie gesehen hatte. Wie sollte dieser Stoff auch nur irgendeine Belastung aushalten? An einem Rüstungsständer war ein Harnisch mit Armschienen aufgebaut, aber er besaß vier Arme. Wer sollte so etwas tragen? Und aus einem offenen Fass lugten die Spitzen von Waffen aus glänzendem, schwarzen Material heraus. Fast sah es aus wie schwarzes Glas. Zersprang das nicht beim ersten Angriff? Und so war der ganze Raum angefüllt mit wundersamen Dingen, wie sie auf dieser Welt noch nicht viele Menschen gesehen hatten.
»Ihr seid Garrick?«, fragte Esteban. »Habt Ihr nicht Angst, dass Euch Eure Kostbarkeiten entwendet werden? Gerade in dieser Zeit voller Kämpfe.«
Doch der Händler lachte nur ein zufriedenes Lachen und verneinte, denn er habe Wachen der besonderen Art, die jeden Dieb in die Schranken weisen würden. Welche genau das waren, verriet er hingegen nicht. Esteban vermutete irgendeinen magischen Schutz. Oder waren die Wächter selbst auch eine ihm unbekannte, merkwürdige Kuriosität aus einem fremden Land?
»Schaut Euch um, vielleicht entdeckt Ihr etwas, was Euch nützlich erscheint«, schlug er Murielle vor, welche die hier versammelten Seltsamkeiten schon längst näher betrachtete.
-
Seine letzten Worte hatte Murielle schon gar nicht mehr richtig wahrgenommen, weil sie sich fasziniert einem Stapel Bücher zugewandt hatte und nun deren sorgfältig beschriftete Einbände las. „Die Kunst der fortgeschrittenen Haarspalterei“ nahm sie kurz in die Hand, legte es dann aber wieder fort, weil sie nicht vorhatte, diese zu erlernen. „Anleitung zur Wahrheitsflexion“, las sie schmunzelnd leise einen Buchtitel vor und nahm dann Band 1 der langen Reihe „Gesammelte Werke der Verwirrung“ in die Hand, um darin zu blättern. Sie blinzelte, weil die sonderbar ineinander verschlungenen Buchstaben vor ihren Augen zu verschwimmen schienen und als sich dies immer noch nicht gelegt hatte, stellte sie das Buch irritiert an seinen Platz zurück.
In einem der Regale hatte sie ein geöffnetes Beutelchen aus filigranstem Stoff entdeckt und spähte nun neugierig hinein, um den Inhalt zu begutachten. Alles, was sie sehen konnte, waren Fusseln und sie konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass von ihnen ein recht schwacher, aber dennoch unangenehmer Geruch ausging. „Nicht anfassen!“, ertönte schon Garricks Stimme, „Das sind Fusseln aus dem Bauchnabel des Dämonen Khavek, dem unbarmherzigen Zerreißer aus Belharbor! Giftig!“
Erschrocken beschaute Murielle sich stattdessen ein Glas, in dem eine Art Glühwürmchen gefangen zu sein schien, welches ein recht intensives Licht abgab. Ein Schildchen am Behäter wies es als „Magischen Wurm aus dauerhaftem Licht“ aus. Ein unscheinbares Stück Kreide weckte ihr Interesse. „Was ist daran besonders?“, fragte sie und Garrick erklärte ihr, dass es sich dabei um Schattenkreide handelte, mit welcher es möglich war, unsichtbare Botschaften zu hinterlassen, die man nur mit einer eigens dafür verzauberten Linse lesen konnte, die er natürlich auch in seinem Angebot hatte.
„Verrückt.“, sagte sie an Don-Esteban gerichtet und sah ihn lächelnd mit glänzenden Augen an. Es gefiel ihr hier außerordentlich. So viele Dinge, so viele Möglichkeiten. Sie hatte ja keine Ahnung gehabt.
-
 nomina nuda tenemus
»Ja, da habt Ihr vollkommen Recht«, stimmte der Magier ihr zu. »Ich bin erstaunt, was für eine große und vielseitige Sammlung hier zusammengetragen wurde.«
An Garrick gewandt sagte Esteban: »Ihr habt wirklich eine interessante Sammlung, es ist beeindruckend. Aber ich suche etwas ganz spezielles. Ich benötige sowohl einen Magolithen als auch einen Arcanographen. Habt Ihr solche Gerätschaften im Angebot?«
Er hatte tatsächlich etwas dergleichen. sogar mehrere Exemplare.
»Ah, mit Linsen aus transparentem Obsidian, Drachenglas und anderen exotischen Materialien«, stellte er mit Kennerblick fest.
Und das dazugehörige Dreibein war sogar einklappbar. hier hatte sich jemand tatsächlich Gedanken gemacht, wie diese Gerätschaft am praktischsten war.
»Wie hoch ist die Genauigkeit? Es sieht mir sehr nach einer Anfertigung als Reisezubehör aus. Dort werden meist Abstriche bei der Präzision gemacht.«
»Hier nicht«, entgegnete Garrick mit gespielter Entrüstung. »Schon zwei Nächte nach Neumond gelingt die Messung präzise, da selbst das wenige Mondlicht ausreicht, um alles zu erkennen - so bestätigten mir mehrere Magier, die diese Geräte probeweise anwendeten.«
»Na gut, dann wird es wohl so sein.« Esteban war insgeheim erstaunt, dass dieser Garrick so viel über den Zweck dieser Gerätschaften wusste. war er etwa selbst ein Magieanwender, verbarg dies jedoch?
Er brachte den Preis in Erfahrung und versuchte, ein wenig zu handeln. Viel erreichte er jedoch nicht, so dass am Ende ein nicht unerheblicher Teil seines Geldbeutels den Besitzer wechselte. Immerhin erhielt er noch einige Tauschlinsen als Zugabe, als Ersatz bei Verlust.
»Und Ihr, Murielle? Habt Ihr etwas entdeckt, was Euch fehlte, von dessen Fehlen Ihr aber noch gar nichts wusstet bislang? Ein magisches Tintenfass, das niemals leer wird - so jedenfalls die Behauptung? Eine Tasche, die innen mehr Platz bietet, als es von außen den Anschein hat. Einige von den Büchern mit interessantem Titel, die Ihr entdeckt habt?«
-
Es existierten wohl nur wenige Damen, die eine neue Tasche ablehnen würden - Murielle gehörte zu dieser Minderheit. Ihre treue und langjährige lederne Begleiterin war so geräumig, wie man sie sich nur wünschen konnte und bot einen nicht zu verachtenden Tragekomfort. Es hatte bisher nie Probleme gegeben, alles Notwendige darin zu verstauen. Ja, manchmal hatte sie sogar schon darüber nachgedacht, ob ihre Tasche nicht vielleicht mit einem schwachen Zauber belegt war, war aber bisher stets zu dem Schluss gekommen, dass die einzige Magie, die ihr innewohnte, die Finesse eines kunstfertigen und sehr erfahrenen Täschners war, der ganz genau wusste, an welcher ungenutzten Stelle man noch ein zusätzliches Fach oder Schläuflein unterbringen konnte.
"Das dort.", sagte Murielle und deutete auf eine kleine Schatulle, die mit winzigen Schnitzerein verziert war. "Was genau ist das? Was befindet sich in ihr?", fragte sie den Ladeninhaber. Garrick setzte eine bedeutungsschwangere Miene auf und ließ sich mit seiner Antwort Zeit. "Nuuun..", begann er und machte eine längere Pause, die das was nun folgen würde, noch wichtiger erscheinen ließ, "..dieses Kästchen gehörte einst der liebreizenden Elementarin Shandora, Hirtin der schäumenden Gestade, die in einem Land unvorstellbar weit fort von hier liegen, am Jammermeer. Den Erzählungen nach gibt es noch ein Gegenstück dazu, es gehört ihrer Schwester Myrannor, Wanderin des mondfahlen Weltenwassers. Es gilt als verschollen..", holte er immer weiter aus.
"Aber was befindet sich darin?", fragte Murielle ihn erneut.
Garrick seufzte. "Das...", begann er und kratzte sich kurz am Hinterkopf, "..weiß niemand. Das Ding lässt sich einfach nicht öffnen, es ist bereits alles versucht worden."
"Das heißt, es ist eigentlich wertlos?", fragte sie ohne falsche Scham und grinste herausfordernd. "Wisst Ihr, ich habe eine Idee. Wir könnten eine Überraschung gegen eine Überraschung tauschen. Ich würde Euch dafür einige Sporen des äußerst seltenen Filzigen Überraschungstäublings überlassen, was sagt Ihr? Sicher kennt Ihr die Sagen, die sich um diesen raren Pilz ranken und ich kann Euch versprechen, sie sind wahr."
Der Sammler konnte das Leuchten in seinen Augen nicht verbergen und so dauerte es nicht lange, bis die Gegenstände ihre Besitzer wechselten.
"Ob wir sie wohl jemals öffnen können?", fragte sie Don-Esteban und schüttelte die kunstvoll gefertigte Schatulle vorsichtig, um zu hören, ob darin vielleicht etwas klapperte. Kein Geräusch erklang, aber das Gewicht des Kästchens verhieß, dass es nicht leer sein konnte.
-
 nomina nuda tenemus
»Wer weiß. Vielleicht zu einer bestimmten Zeit oder an einem besonderen Ort? Oder es steht etwas darüber in irgendeiner Bibliothek. In Bakaresh im Beliartempel gibt es einige Bücher. Und in Vengard bei den Feuermagiern gibt es natürlich auch eine große Büchersammlung.« Esteban musste zugeben, dass Murielle ein womöglich sehr interessantes Ding entdeckt hatte. War es wirklich ein Kästchen oder nur ein verzierter Holzklotz in Form eines Kistchens? Ließ er sich mit einer Säge bearbeiten oder war das gar kein Holz, sondern irgendein hartes, fremdartiges Material? Er musste zugeben, dass eine gewisse Aura von der Schatulle ausging, die etwas Besonderes verhieß.
»Passt gut darauf auf, sie ist wirklich seltsam und interessant. wer weiß, welches Geheimnis sie birgt. Vielleicht wird der Inhalt, wenn er eines Tages enthüllt wird, nur ein weiteres Rätsel sein.«
Er wandte sich noch einmal an den Kuriositätenhändler.
»Ihr bekommt doch sicher immer wieder von den hier ankommenden Händlern neue Waren für Eure Sammlung. Daher wisst Ihr doch sicher über die Reisen und Routen der Kapitäne Bescheid. Wisst Ihr, ob demnächst ein Schiff erwartet wird und wo es von Stewark aus wieder hinreisen wird? wir suchen nämlich eine Reisemöglichkeit zum Festland, am besten nach Varant.«
Der Händler überlegte kurz. »Ja, ich weiß schon so ungefähr, wie die Handelsrouten verlaufen, die manche der Schiffer benutzen und wann sie hierher kommen wollen. Aber auf See kann man selten auf einen genauen Zeitplan vertrauen.«
»Da habt Ihr sicher recht«, stimmte ihm Esteban zu.
»Runold war erst vor einem Monat hier und hat Stewark in Richtung Gorthar verlassen«, überlegte Garrick laut. »Und das Schiff der Handels-Companie von Sendar kam in diesem Jahr gar nicht, obwohl es immer kurz vor den Herbststürmen Stewark anläuft. Dafür war ein Schiff aus Vengard hier, was nicht alltäglich ist. Aber um das alles abzukürzen: Feisal aus Bakaresh war lange nicht mehr in Stewark. Er müsste noch kommen - sofern er nicht mit Mann und Maus untergegangen ist. Ich rate euch: Wartet einfach noch ein paar Tage. Das könnte Euer Mann sein.«
Zufrieden nickte der Magier und beide traten, nachdem sie sich von Garrick verabschiedet hatten, mit ihren Waren wieder aus der Tür auf die Straße zurück.
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
|