Projekt Guter Vorsatz. Öfter ins Kino gehen. 52 Wochen - 52 Filme.

Achter Film:

Die Verlegerin

Klassischer Spielberg. Und damit meine ich nicht, dass faltige Außerirdische oder hungrige Knorpelfische drin vorkommen. Vom Hollywood-Eventkino, das er ja in den späten Siebzigern/frühen Achzigern mit erfunden hat, hat er sich ja schon lange weiter entwickelt.

Ein Presse-/Polit-Thriller aus der guten, alten analogen Zeit. Okok, ohne Waffen und Schießereien und so. Geht einfach nur um die Frage, was eine freie Presse wert ist. Aber das ist auch mit ordentlich Spannung inszeniert. Katharine Graham (Meryl Strep) ist die Besitzerin und Verlegerin der Washington Post, Ben Bradlee (Tom Hanks) ihr Chefredakteur. Graham an der Spitze der Zeitung war damals etwas sehr ungewöhnliches, das zeigt auch Streep in ihrem Spiel, indem sie immer wieder die Unsicherheit, mit der sie sich in der Rolle bewegt, stark ausspielt; das Sich-nicht-trauen, eine vorbereitete Rede zu führen, nur um dann die selben Worte ihren Berater sagen zu lassen, zögernd, zweifelnd, eine Rolle als Entscheiderin einnehmend, für die sie nicht vorbereitet ist und die ihr als Kind der Zeit auch nicht wirklich liegt. Es geht also in der zweiten Ausrichtung auch um die Rolle von Frauen in Führungspositionen. Der Post gehts finanziell nicht allzu gut, sie will deshalb an die Börse, um frisches Geld einzusammeln, den Investoren muss die Aktie schmackhaft gemacht werden. Die Argumente dafür muss dann doch ihr Berater vortragen. Ohnehin hören die ausschließlich männlichen Finanziers sowieso lieber auf einen Mann.

Kompliziert wird es, als dann die New York Times beginnt, die Pentagon Papers zu veröffentlichen, eine geheim kopierte Analyse der Regierung zum Vietnamkrieg, aus der hervorgeht, dass das amerikanische Volk seit Anfang an über Einsatzumfang, Zielstellung, Beginn des Engagements usw. belogen worden war. Nachdem der Times die weitere Veröffentlichung gerichtlich untersagt wird, gelangt die Post ebenfalls an den Bericht. Graham entschließt sich, ihn veröffentlichen zu lassen und lässt sich dabei nicht mehr von ihren Beratern beeinflussen, die dagegen sind. Das ist die Szene, in der sie ihre Unsicherheiten beiseite schiebt und sich als Verlegerin positioniert. Die Gefahr, dass die Investoren abspringen, wenn die Post auch in Anklagen verwickelt wird, schreckt sie nicht, denn ihr ist wichtig, dass die Zeitung frei schreiben kann, was für die Reporter als wichtig erscheint. Und somit werden Artikel über die Inhalte der Pentagon Papers veröffentlicht. Den Gerichtsprozess gewinnen die Zeitungen, als der oberste Gerichtshof urteilt, dass die Presse nicht der Regierenden zu helfen habe, sondern den Regierten. Geheime Infos zu veröffentlichen, ist kein Verbrechen.

Und wenn es vorher eine Zeit gab, in der die Journalisten der großen Blätter gemeinsam mit dem Präsidenten und seinem Stab an Parties und Veranstaltungen teilnahmen, als sie eine Art Teil des politischen Establishments waren und in dessen Sinne schrieben, so ist diese vorbei, wenn es darum geht, schreiben zu dürfen, was immer die Presse als wichtig ansieht. Irgendwelche Kontakte und Freundschaften zwischen Verlegern und Politikern können dies nicht verhindern, denn die Zeitungen sind nicht der verlängerte Arm der Politik. Das erkennt auch Graham, die als Vertreterin einer alten Mediendynastie mit wichtigen politischen Entscheidern, wie dem ehemaligen Verteidigungsminister McNamara, der die Pentagon Papers überhaupt erst hat anfertigen lassen, persönlich verbunden ist. Ihrem Chefredakteur wird sie nicht sagen, was er zu tun oder zu lassen hat.

In erster Linie ist der Film also ein Hohelied des liberalen Hollywoods auf die Notwendigkeit der Pressefreiheit. Er kann und sollte laut Spielberg auch als Warnung in Zeiten von Fake News und "alternativen Fakten" verstanden werden, in der das Korrektiv der Presse stärker als seit langem, von denen, denen es auf die Finger schaut, verunglimpft wird. Und das leider immer erfolgreicher, denn in der digitalen Zeit mit ihren vielen, vielen Kanälen ist es ungleich einfacher, einen steten Strom an Lügen, Verdrehungen, Behauptungen und gefärbten Meinungen aufrecht zu erhalten und auch sehr, sehr viele Menschen damit zu erreichen.

Natürlich ist in den entscheidenden Dialogen auch ein wenig die übliche amerikanische Pathetik im Spiel, aber nie allzu schlimm, es hält sich in Grenzen. Inszeniert ist der Film altmodisch ohne hektische Schnitte oder Kameragewackel, schließlich gehts hier auch um Ereignisse aus dem Jahr 1971. Dazu passt die hübsch-scheußliche Ausstattung mit all den piefigen Wohnzimmereinrichtungen in dunklem Holz, den überbordenden Plüschsesseln, der Blümchenmustertapete, den klirrenden Kristall-Leuchtern, den seidenen, gemusterten Kleidern, die heute nicht einmal mehr ältliche Omas tragen, den tackernden Schreibmaschinen im Großraumbüro, der heute antik anmutenden Setz- und Drucktechnik mit Bleilettern und riesigen, lauten Rotationsdruckmaschinen, den Wählscheibentelefonen und dem tatsächlichen Interesse der Menschen an der neuesten gedruckten Ausgabe der täglichen Zeitung. Altmodisch eben. Aber im besten Sinne. Und die verhandelten Fragen sind ja auch zeitlos.

Für politisch Interessierte und Fans von gediegenem Spielberg-Filmen.


Oscar-Nominierung für Bester Film und Beste Hauptdarstellerin.