Die Luft war erfüllt von dem Stimmengewirr der Gäste und dem Scharren der Humpen auf den hölzernen Tischplatten. Der Raum war rappelvoll mit den verschiedensten Bewohnern der Hafenstadt.
Nun, so verschieden waren sie vielleicht doch nicht. Wie an den meisten Abenden konnte Fiene unter ihnen keine einzige Frau entdecken und wenn sie es genau bedachte, so waren es doch alles nur Männer, die nach einem mehr oder weniger anstrengenden Arbeitstag ihre Sorgen und Strapazen über einem frisch gezapften Bier in der Gesellschaft von Freunden vergessen wollten. Ob es nun ein Händler vom Marktplatz oder einer der Handwerkslehrlinge war, ein Veteran der Miliz oder ein grüner Raufbold unbekannter Beschäftigung, ein Schürzenjäger aus dem oberen Viertel oder ein verheirateter Mann, der der Fuchtel seiner Gattin für einen Moment entfleucht war, letzten Endes waren sie alle aus demselben Grund hier. Und so war es auch nicht verwunderlich, dass sie hier einhellig Seite an Seite auf den Bänken saßen und für den Moment vollkommen vergessen hatten, dass sie am nächsten Tag vielleicht wieder Geschäftskonkurrenten, Rivalen im Kampf um eine Frau oder Vorgesetzter und Fußabtreter waren. Das schummrige Kerzenlicht verlieh der Szenerie die übliche Behaglichkeit. Es war ein Abend wie jeder andere und so stand auch Fiene auf ihrem gewohnten Posten hinter der Bar.
„Ein Bier für den frisch gebackenen Milizsoldaten!“, rief sie und kloppte den randvollen Humpen mit Schmackes auf den Tresen vor Krijns Nase, ohne dass auch nur ein Tropfen überschwappte.
„Ich hab doch noch gar nicht bestellt“, protestierte Krijn und sah erschrocken von den Schnallen seiner schwarzen Snapperlederhandschuhe auf, die er gerade verzückt begutachtet hatte.
Fiene lupfte eine Augenbraue. Krijn war bisher nicht nur vom Bartwuchs verschont geblieben, seine Gesichtszüge waren auch noch so weich, dass man meinen konnte, dass Innos den Kopf eines kleinen Jungen auf die Schultern eines Mannes geschraubt hatte, um Krijn zu erschaffen. Und wann immer er dies auch noch mit seiner unschuldigen Art unterstrich, konnte Fiene nicht anders als verschmitzt zu lächeln. Und mit einem Ruck zog sie den Bierkrug wieder an sich. Krijn hatte noch versucht, sie daran zu hindern, doch er war zu langsam gewesen. Nun hing er mit ausgestrecktem Arm über der Theke und versuchte vergeblich an sein Bier zu kommen. „Okay, Herr Milizionär. Dann bestellt doch mal!“, neckte sie ihn.
„Na gut, na gut“, gab Krijn auf und ließ sich zurück auf seinen Barhocker fallen. „Ein Bier, bitte.“
„Als hättest du hier schon mal was anderes bestellt“, lachte sie noch, ehe sie den Krug wieder vor seiner Nase aufs Holz donnerte und sich nach dem nächsten durstigen Gast umsah.
Rupert hatte mit seinem Bruder die Köpfe zusammengesteckt. Die beiden waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie die Biere vor ihrer Nase scheinbar völlig vergessen hatten. Elvrich hatte offenbar jemanden gefunden, dem er die Geschichte von seiner Entführung durch die Banditen noch nicht erzählt hatte, und verteilte wild gestikulierend den Inhalt seines Humpens über der Theke. Olf und Paku hatte sie gerade erst nachgefüllt und der alte Holgerson ganz am Ende der Reihe brauchte wie üblich den ganzen Abend, um seinen Wacholder zu leeren.
Also beschloss Fiene schon mal ein paar Biere für Arthur auf Vorrat zu zapfen, als eben dieser auch schon mit seinem leeren Tablett hinter die Bar zurückkehrte. Seine Stirnfransen klebten ihm im Gesicht und er wirkte etwas fahrig, als er sich einen der unbenutzten Humpen von dem Regalbrett über den Fässern angelte und ihn unter den nächstbesten Zapfhahn hielt. Er tat Fiene etwas leid, denn da sie selbst den Barbereich nicht verlassen sollte und Coragon damit beschäftigt war mit ein paar Stammgästen in der hintersten Ecke zu klönen, blieb fast die ganze Arbeit an ihm hängen.
Trotzdem schien er alles im Blick zu haben, denn mit einem flüchtigen Seitenblick auf seine Kollegin fragte er besorgt: „Gab es Probleme mit Krijn?“
„Ach, Blödsinn“, winkte Fiene ab, angelte sich auf Zehenspitzen auch einen Krug und füllte ihn aufs Geratewohl mit Dunklem Paladiner. „Ich musste ihn nur daran erinnern, dass er nicht zum ersten Mal bei mir bestellt.“
Ihre Nackenhaare stellten sich auf, als ein kühler Luftzug an ihnen vorüberzog. Die Tür war zwar nicht direkt neben der Bar, doch bei den vorherrschenden Februartemperaturen gab es fast keinen Ort in der Taverne, an dem man das Öffnen der Eingangstür nicht spürte. Als Fiene sich umwandte, um zu sehen, wer gekommen war, wusste sie sofort, dass es der Kronstöckel des heutigen Abends war. Der Mann hob seinen betrübt hängenden Kopf nur, um unter seiner Hutkrempe hervor nach einem freien Platz zu spähen. Und ganz wie Fiene es erwartet hatte, steuerte er auf den einzigen freien Platz an der Theke zu und kletterte auf den Hocker zwischen Krijn und Elvrich.
Fiene hatte den Kronstöckel längst erkannt, das dunkle Paladiner auf Arthurs Tablett abgestellt und sich einen weiteren Humpen geschnappt. Der Neuankömmling hatte gerade erst seinen Hut vor sich abgelegt, als Fiene auch schon einen Humpen mit weißem Rum vor ihm abstellte. „Schönen guten Abend, Frerk!“
Frerk schenkte ihr ein kurzes, mattes Lächeln, ehe sein Gram sich wieder gegen seine Höflichkeit durchsetzte. „Guten Abend, Kleines. Was hast du mir denn da Schönes gebracht?“
„Weißen Rum. Du siehst aus, als hättest du ihn nötig.“ Fiene schnappte sich einen Lappen und begann damit über die Theke zu wischen, damit er nicht das Gefühl bekam, sie von der Arbeit abzuhalten.
„Ach, den kann ich mir heute glaub ich nicht leisten, Liebes. Gib mir lieber ein Bier. Ein halbes, wenn es keine Umstände macht.“
„Geht aufs Haus“, sagte sie sofort.
Natürlich wollte Frerk umgehend protestieren, doch dann überlegte er es sich anders, nickte ihr dankbar zu und setzte den Humpen an die Lippen.
Fiene war zufrieden. Sie hatte lange geübt, um den Tonfall hinzubekommen, der jede Widerrede im Keim erstickte. Und es war schließlich nicht ihr Gold, das sie da verschenkte. „Willst du nicht erzählen, was dir über die Leber gelaufen ist?“
Frerk seufzte schwer. Lange stierte er in seinen Rum, dann lugte er vorsichtig zu Krijn, der gerade fasziniert die Nieten seines Milizenrocks zählte, und zu Elvrich, der mit dem Rücken zu ihm immer noch wilde Geschichten auftischte. Dann seufzte er noch einmal. „Es muss aber unter uns bleiben, Kleines.“ Und ohne ihr Einverständnis abzuwarten, fuhr er fort. „Ich fürchte, ich habe meiner Frau ihr wunderbares Herz gebrochen.“
Fiene verbarg das Befremden, das in ihr aufstieg. Mit so etwas hatte sie nicht gerechnet, Frerk und seine Fiona waren immer ein Herz und eine Seele gewesen. Sie konnte sich nicht recht entschieden, was sie als nächstes sagen sollte, doch da fuhr Frerk auch schon fort.
„Sie ist ganz hysterisch geworden. Stundenlang hat sie das Haus auf den Kopf gestellt. Und bitterlich geweint hat sie. Sich um meinen Hals gehängt, obwohl ich es doch war, der…“ Frerk schüttelte sich.
„Und wo ist Fiona jetzt?“, fragte Fiene zaghaft. „Es klingt nicht so, als sollte sie jetzt alleine sein.“
„Matteo hat an unsere Tür geklopft, weil er das Geschrei nicht mehr ertragen hat. Du weißt ja, er wohnt direkt neben uns. Als Fiona ihm erzählt hat, was passiert ist, hat er ihr ein Blaufliederextrakt gebracht, von dem sie sofort eingeschlafen ist. Er hat es wohl bei Constantino gekauft. Hättest du gedacht, dass unser guter Matteo Schlafprobleme hat? Warum sonst sollte er so etwas bei Constantino kaufen?“
„Hm“, machte Fiene, die letzte Woche gehört hatte, wie Rupert sich darüber lustig gemacht hatte. Wofür sie ihm versehentlich ein Bier in den Schoß gekippt hatte.
Frerk nahm noch einen tiefen Zug von seinem Rum. Langsam schien er sich mit dem Alkohol in seinem Magen und einer Zuhörerin ihm gegenüber relativ zufrieden zu fühlen. Der Kronstöckel taute auf. „Nie wieder werde ich mich mit Lehmar treffen. Nie wieder!“
Fiene wollte sich gerade abwenden, weil Olf und Paku mit einer knappen Geste in ihre Richtung die nächste Runde bestellt hatten. Doch bei Frerks Worten wandte sie sich noch einmal um. „Was hat Lehmar mit der Sache zu tun?“ Sie war die letzte in dieser Taverne, die einen Skandal dem behaglichen Alltagsmiteinander vorgezogen hätte, doch wenn der Geldverleiher andere Männer zum Ehebruch verführte, dann war das schon ein starkes Stück.
„Naja, ich hab Fionas… ihren… halt bei Lehmar…“ Frerk wurde ganz kleinlaut.
Fiene entspannte sich wieder. Offensichtlich steckte hinter der Geschichte doch etwas ganz anderes. Während sie Olfs und Pakus Humpen einsammelte und die Luft aus ihnen ließ, schöpfte sie ein wenig Hoffnung für das sonst so harmonische Paar Frerk und Fiona. Vielleicht würde ja alles gut werden. Sie machte sich nun auch selbst einen Humpen voll und stellte ein leeres Fass gegenüber vom Kronstöckel auf. Breitbeinig setzte sie sich und knallte ihren Humpen auf die Theke, dass das Bier nur so überschwappte. Frerk war erwartungsgemäß zurückgeschreckt, doch irgendwie musste sie ihn ja wachrütteln. „Jetzt lass dir nicht alles aus der Nase ziehen! Wir haben hier schon so viele Nächte zusammen gezecht, mir wirst du jawohl erzählen können, was passiert ist.“ Ihr verwegenes Grinsen schien Frerk zunächst unheimlich, doch er räusperte sich.
„Du hast ja recht, Kleines. Vielleicht ist dies genau der richtige Zeitpunkt für den Rat einer Frau, die weiß, wie der Scavenger läuft.“ Er nahm einen großen Schluck von seinem Rum. „Wie du vielleicht weißt, wette ich ab und zu bei diesen Arenakämpfen hinter dem Lagerhaus im Hafen.“
Fiene nickte vorsichtig und behielt Krijn dabei genau im Auge. Frische Rekruten konnten in ihrem Übereifer mehr kaputt machen als sie dadurch retteten. Doch Krijn hatte sich wohl verzählt und gerade von vorn begonnen, die Nieten an seinen lederbeschlagenen Schulter zu zählen, wofür er sich merkwürdig verrenkte.
„Vielleicht war es in letzter Zeit auch mal ein bisschen öfter und es lief nicht wirklich gut. Ich hab nie viel gesetzt, aber du weißt, als Verkäufer von Schreibbedarf hab ich es schwer in dieser Stadt. Hier kann doch fast niemand lesen, geschweige denn schreiben. Und die Pfeffersäcke im oberen Viertel, die es können, gehen natürlich viel lieber zu Filigrano, obwohl sein Pergament nur halb so dick ist wie meines, das schwöre ich bei meinem Namen!“
„Also kamst du bald in Geldnot“, erinnerte Fiene ihn an das eigentliche Thema.
„Genau. Und als ich mir von Lehmar ein wenig geliehen habe, - Nur ganz wenig, wirklich! - hat der eine Sicherheit verlangt, falls ich nicht rechtzeitig zurückzahle.“
Fiene setzte ihren Krug ab und wischte sich den Schaum von der Oberlippe. „Du konntest nicht zurückzahlen und musstest ihm die angebotene Sicherheit aushändigen. Was war es?“
„Nun ja…“
„Euer Haus?“, riet Fiene ins Blaue hinein.
„Bei Innos, nein! Ich hab doch gesagt, dass es nur ganz wenig Gold war!“ Frerk wirkte geradezu erschüttert, was sie bloß von ihm dachte, als sei die Wahrheit vieeel weniger verwerflich. Dann rang er sich endlich zu einer Antwort durch: „Ihm gehört jetzt der Ehering meiner geliebten Fiona.“
Fiene lupfte eine Augenbraue. „Und sie hat sich geweigert, ihn herauszurücken.“
„Nein, so war das nicht…“ Frerk wurde wieder kleinlaut. „Weißt du, Fiona hat ihn schon seit Jahren nicht mehr getragen. Sie hilft dem Fischhändler am Marktplatz dabei, die Fische auszunehmen, weil mein Laden nicht genug abwirft. Und damit sie ihn zwischen all den glitschigen Fischen nicht verliert, trägt sie ihn nicht mehr. Früher hat sie ihn jeden Abend wieder angesteckt, aber mit den Jahren wurde das halt immer seltener. Also konnte ich ihn gestern ganz leicht aus ihrem Nachttischchen nehmen und zu Lehmar bringen. Ich hatte schon die Vermutung, dass sie sich gar nicht mehr an diesen Ring erinnert. Ich kann mir nicht erklären, wie sie es bemerkt hat, aber kaum dass sie heute von der Arbeit nachhause kam, fiel ihr auf, dass der Ring weg war. Sie hat das ganze Haus auf den Kopf gestellt, irgendwann hat sie nur noch geweint und war wirklich untröstlich… Nie im Leben hatte ich gedacht, dass ihr der Verlust eines Rings so nahe gehen würde, den sie seit Jahren nicht mehr getragen hat!“
„Ach, Frerk.“ In diesem Moment fiel es Fiene wirklich schwer, Mitleid für den geknickten Kronstöckel aufzubringen.
„Du hast den Ring deiner Frau gestohlen?“, mischte Krijn sich plötzlich in das Gespräch ein und erhob sich drohend von seinem Hocker.
Fiene schnappte sich den leeren Humpen des Rekruten und wirbelte zu den Fässern herum. „Ich fürchte… Ja“, hörte sie Frerk in ihrem Rücken stammeln. „Ich weiß ja selbst nicht, was mich da geritten hat. Ich dachte einfach nur an das Geld und dass alles besser würde, wenn ich nur ein paar Mal auf den richtigen Recken wette…“ Frerks Stimme klang so vergrämt und Fiene rechnete es ihm hoch an, dass er den übermotivierten Krijn nicht mit dem Argument in die Schranken wies, dass der Besitz seiner Frau dem Gesetz nach auch sein Besitz war. Also wandte Fiene sich wieder um und knallte den Krug so laut auf den Tresen, dass sich nicht nur Olf und Paku sondern auch Elvrich und seine Jungs verdutzt zu ihr umwandten.
Fiene fasste Krijn ins Auge, der unter ihrem Blick sichtlich schrumpfte und bald mehr denn je wie ein kleiner Junge wirkte. „Willst du hier eigentlich den ganzen Abend alleine an der Theke sitzen und deine neue Ausrüstung bewundern? Schwing dich lieber zu deinen Kollegen, da hinten sitzen doch Peck und die anderen. Je früher du Freunde unter ihnen findest, desto angenehmer werden die nächsten Wochen, glaub mir.“
„Gute Idee, Fiene!“, antwortete Krijn und strahlte. Sein Bier mit beiden Händen tragend trollte er sich.
Frerk wollte gerade zu einem Danke ansetzen, als sie sich auch schon wieder auf das Fass gesetzt hatte und ihm ins Wort fiel. „Frerk. Dieser Ring bedeutet ihr natürlich alles. Er ist ein Symbol für das wichtigste, das sie in ihrem Leben hat. Dich.“
Nun traten Frerk doch tatsächlich Tränen in die Augen. Rasch leerte er seinen Rum.
Doch sie war noch nicht mit ihm fertig. „Dein Geschäft lief doch noch nie gut. Sie hat dich nicht geheiratet, weil du ihr Leben absicherst oder sie mit Reichtümern überhäufst. Ganz im Gegenteil, sie hat dich geheiratet, obwohl niemand weiß, wie lange du dich noch in der Unterstadt halten kannst. Dass ihr der Ring wichtig war, siehst du doch schon allein daran, dass sie Angst hatte, ihn bei der Arbeit mit dem Fisch zu verlieren. Sie hat ihn lieber abgenommen als ihn auch nur der kleinsten Gefahr auszusetzen. Und dass sie seinen Verlust schon so früh bemerkt hat, bestätigt das doch nur. Auch wenn sie ihn nicht mehr getragen hat, muss sie regelmäßig nach ihm gesehen haben. Vielleicht hat sie ihn jeden Abend nach ihrem Feierabend hervorgeholt, ihn betrachtet und sich an den Tag zurück erinnert, an dem sie dich elenden Paddel geheiratet hat. Und statt dass du den Karren jetzt wieder aus dem Dreck ziehst, sitzt du hier und versäufst das letzte Geld!“ Fiene war sich völlig bewusst, dass sie Frerk den Rum aufs Haus spendiert hatte, und ihr war auch nicht entgangen, dass Coragon ihr in diesem Moment einen scharfen Blick zuwarf, obwohl er am anderen Ende des Raums stand. Trinkmoral senkende Parolen hörte der Wirt auch zehn Meilen gegen den Wind. Sie zwinkerte ihm verstohlen zu und konzentrierte sich dann wieder auf Frerk.
„Aber was soll ich denn tun? Selbst wenn ich meine Schulden bei Lehmar zurückzahle, wird er mir den Ring nicht zurückgeben.“
„Lehmar ist Geschäftsmann, oder? Verhandel mit ihm. Wenn etwas für ihn dabei herausspringt, wird er den Ring schon wieder herausrücken. Aber du darfst dir jetzt nicht ewig Zeit lassen, sonst hat Lehmar den Ring schon weiterverkauft, ehe du dich darum gekümmert hast.“
Frerk schwieg einige Augenblicke und betrachtete den Boden seines Humpens. „Du hast recht“, sagte er langsam, aber gleich darauf wirkte er wieder verunsichert. „Wenn Lehmar merkt, wie wichtig mir der Ring ist, wird er das schamlos ausnutzen.“
„Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen“, entgegnete Fiene unbeeindruckt. „Lehmar weiß, dass er mit diesem Ring mächtig Druck auf dich machen kann. Aber du musst jetzt in den sauren Apfel beißen, du hast gar keine andere Wahl. Stell dich deinem Fehler, damit Fiona nicht eines Tages doch noch bereuen wird, dich geheiratet zu haben.“
Und mit der Erinnerung an seine untröstliche Frau hatte sie endlich den Kampfgeist in ihm geweckt. „Du hast recht. Gleich morgen früh, noch bevor ich meinen Laden öffne, werde ich zu Lehmar gehen. Und jetzt muss ich zurück zu meiner Frau. Ich weiß noch nicht, wie ich ihr das Ganze beibringen soll, aber ich bin mir sicher, dass ich ihr Trost spenden kann. Vielen Dank, Fiene!“ Und mit einer großspurigen Geste wollte er zwei Goldmünzen auf den Tresen werfen, doch im letzten Moment hielt er inne. Zerknirscht steckte er sie wieder ein. „Beim nächsten Mal“, versprach er und stürmte aus der Taverne, ohne der fröhlichen Mastsau auch nur einen Kupferling eingebracht zu haben.
Fiene sah ihm noch einen Moment zufrieden nach, dann spürte sie, dass Coragon hinter sie getreten war.
„Den Kronstöckel hast du wieder aufgepäppelt, was?“, brummte der Wirt und Fiene wusste auch ohne sich zu ihm umzudrehen, dass er zufrieden lächelte.
Nach ihren ersten Wochen in der fröhlichen Mastsau hatte sie mit ihm darüber geredet, dass es fast jeden Abend jemanden gab, der völlig allein und von Problemen gebeugt in die Taverne schlurfte, sich in eine Ecke oder an die Theke setzte, und für den Rest des Abends mit sich selbst beschäftigt einen Humpen nach dem anderen leerte. Fiene hatte ihm damals erklärt, dass diese Menschen sie immer an Kronstöckel erinnerten, weil dies dafür bekannt war, dass es immer allein wuchs und großer Fürsorge bedurfte, wenn man es wieder aufpäppeln wollte, bevor es gänzlich verkümmerte. Genau wie das Kraut kamen auch diese Menschen allein und brauchten jemanden, der ihnen mit einem offenen Ohr und vielleicht auch einem guten Rat zur Seite stand. „Frerk ist ein guter Kerl. Er schafft das schon.“
„Und wie ich sehe, musste er nichts bezahlen.“
„Du hast gesagt, ein Bier aufs Haus pro Abend ist okay.“
„Aber der Rum ist doch viel teurer!“
„Ups, daran hatte ich gar nicht gedacht“, log Fiene, tauschte ein verschwörerisches Grinsen mit ihrem Chef und angelte sich Ruperts Krug, um ihm nachzufüllen.