Projekt Guter Vorsatz. Öfter ins Kino gehen. 52 Wochen - 52 Filme.

Sechster Film:

Die dunkelste Stunde

Biopic über Winston Churchill. Und zwar nicht sein ganzes Leben. Noch nicht mal den ganzen zweiten Weltkrieg, sondern nur verdichtet die wenigen Tage von seiner Ernennung bis zu seiner legendären Rede, mit der er die britische Nation auf den Krieg gegen Hitler einschwor und damit seine Kritiker zum Verstummen brachte und fest im Sattel saß.

Churchill wird vom hinter seiner Maske fast nicht erkennbaren Gary Oldman verkörpert. Nur die Augen verraten ihn, seine Bewegungen (schon als Comissioner Gordon in Nolans Batman-Filmen spielte er eher einen zurückgenommenen, nachdenklichen Charakter) und die gewohnte Synchronstimme (zumindest in der deutschen Version, wie es in anderen ist, weiß ich nicht). Im Grunde ein Film - ganz ähnlich aufgebaut wie vor einigen Jahren The King's Speech mit Colin Firth als Georg VI. und Timothy Spall als Churchill. 2010 gings darum, wie der stotternde Bruder des wegen seiner bürgerlichen Heirat abgedankten Edward VIII. nun selbst König werden muss und in einer Rede an die Nation, in der er Hitler-Deutschland 1939 nach dem Überfall auf Polen den Krieg erklärt, über sich hinaus wächst und die Achtung des Commonwealth erringt.

Hier nun gehts um Churchills Ernennung zum Prime Minister, ein dreiviertel Jahr später im Mai 1940 und die Wende der englischen Politik vom Appeasement seines Amtsvorgängers Chamberlain und dessen Außenminister Halifax, die die Linie vertraten, mit Verhandlungen und Zugeständnissen gegenüber Hitler Frieden zu bewahren, hin zu einer echten Konfrontationspolitik, die eben keine Verhandlungen mit Hitler vorsah, keine Kapitulation, kein Stillhalten, keine Anerkennung. Schon in seiner Antrittsrede ("Blut Schweiß und Tränen"-Rede") macht er seine Haltung deutlich. Churchill selbst musste sich erst durchsetzen, stand in den ersten Tagen und Wochen stark in der Kritik für diese Haltung. Die noch fragwürdiger wurde, da die gesamte britische Armee (300.000 Mann) auf dem Kontinent in Dünkirchen von der blitzartig vorrückenden Wehrmacht eingekesselt worden war und ihr die Vernichtung drohte. (Wegen des Vorwurfs der mangelhaften Vorbereitung für diesen Kriegseinsatz musste sein Vorgänger Chamberlain zurücktreten.) Großbritannien steht am Rand einer Niederlage und die Eroberung der britischen Inseln durch die Wehrmacht wird als bald bevorstehend angesehen. Im Film wird Churchill schwankend angesichts dieser Umstände, ob er nicht doch Friedensverhandlungen zustimmen sollte. Aber eine spontane Subway-Fahrt und die Gespräche mit den Bürgern, die er währenddessen trifft, überzeugen den zuletzt an sich und seiner Haltung zweifelnden Churchill dann doch, im Parlament gegen eine solche Politik zu sprechen und seine Haltung nicht zu ändern. Churchill hält am 4. Juni im Parlament seine berühmte "We Shall Fight on the Beaches"-Rede, in der er die Opfer aufzählt, die vielleicht gebracht werden müssen und den unbedingten Kampfeswillen hervorhebt, mit dem sich Großbritannien Hitler entgegenstellen wird und er wird danach von allen Fraktionen unterstützt. Damit ist der Kurs Großbritanniens im Krieg klar und Churchill hat sich durchgesetzt.

Mit der Operation "Dynamo" werden bis zum 4. Juni die Soldaten aus Dünkirchen von Flottenschiffen, zivilen Schiffen, Fischkuttern etc. über den Kanal gesetzt. (Allerdings musste die britische Armee die gesamte Ausrüstung, Panzer, Artillerie, Fahrzeuge zurück lassen.) Diese insgesamt 340.000 geretteten Berufssoldaten bildeten danach das Rückgrat für die britische Armee, die reorganisiert, verstärkt und neu ausgerüstet 1944 in der Normandie landete. Ohne diese hätte Großbritannien keine Chance auf einen Sieg gegen Deutschland gehabt.

Natürlich dramatisiert der Film auch.
Operation Dynamo wird als Rettungsaktion allein durch zivile Fischereiboote dargestellt. Anders als im Film gab es dichte, tief hängende Wolken, die die deutsche Luftwaffe an Angriffen auf das britische Corps hinderten. Die Subway-Fahrt, in der ihm die Mitreisenden unisono sagen, dass sie um jeden Preis kämpfen wollen, hast auch nie stattgefunden. Aber einem Film der keine Doku ist, sondern die Situation mit dramaturgischen Mitteln plastisch begreifbar machen will, sei das verziehen.

Ein Film für jeden, der sich für Zeitgeschichte interessiert. Eine Warnung für jeden, der meint, Diktatoren mit Zugeständnissen beruhigen zu können. Eine Mahnung an die derzeit sehr inkompetent wirkenden britischen Politiker, die beim Brexit ein absolut katastrophales Bild abgeben. Eine tolle Darstellung von Gary Oldman und eine schöne Erinnerung an Churchills rethorische Fähigkeiten.