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    Deus Avatar von John Irenicus
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    [Story-Cup 2017]MiMo vs. Oblomow

    Liebe Besucher*innen des Forums, liebes Publikum!

    Das zweite Battle im Rahmen des Story-Cup 2017 steht an! Dabei ist dies ein ganz besonderes Battle, denn es wird nicht unter zwei Kategoriesiegern, sondern gleich drei Kategoriesiegern des vergangenen Story-Wettbewerbs ausgefochten. Manche sagen deshalb auch: Hierbei handelt es sich um ein Triell!

    Den Sieg in der Kategorie 4 teilen sich nämlich Oblomow und Olivia, die damit beide gegen den Sieger der Kategorie 2, MiMo, antreten werden, aber natürlich auch wechselseitig gegeneinander. Mit anderen Worten: Wir haben hier drei Kombattanten und ein wildes Jeder-gegen-Jeden!

    Damit das Ganze aber nicht zu wild wird, wurde vorher per Würfel die Reihenfolge ausgelost, in der die Teilnehmer dieses Triells posten:

    1. Olivia
    2. MiMo
    3. Oblomow



    Update: Da Olivia sich nicht mehr hat blicken lassen, wird nun wie im Organisationsthread dargestellt verfahren.



    Diese Reihenfolge wechselt dann immer wieder durch, bis jeder Kontrahent seine 3 Posts gesetzt hat, die ihm zur Verfügung stehen. Jeder Post darf dabei bis zu 1500 Wörter umfassen. Die übliche Kulanz von 10% wird gewährt.

    Am Ende wird eine Umfrage darüber entscheiden, welcher der drei Schreiber sich hier am besten präsentiert hat. Wir hoffen natürlich schon jetzt auf rege Beteiligung an der Abstimmung, um möglichst ein eindeutiges Ergebnis zu erhalten!

    Aber alles der Reihe nach – zunächst muss das Battle ja erst einmal bestritten werden. Gemäß der oben dargestellten Reihenfolge wird Olivia MiMo damit beginnen. Viel Erfolg allen dreien!




    „Noch zwei Flaschen Wacholder, kommt sofort“, hörte Coragon es herüberschallen, sodass er direkt zwei Fläschchen auf die Theke stellen konnte, damit Paolo sie dort abholte. Der Wirt und sein Kellner waren mittlerweile ziemlich eingespielt, Coragons Skepsis hatte sich diesbezüglich schnell gelegt. Nun, am mittlerweile siebten Abend, den sie zusammenarbeiteten, fühlte es sich so an, als täten sie dies schon seit sieben Jahren.
    Paolo lächelte seinem Chef zu, als er die beiden gelben Fläschchen vom Tresen schnappte und sie den zwei durstigen Kerlen brachte, die an einem Tisch in der Ecke der Taverne zur fröhlichen Mastsau standen und sich bereits an der Holzplatte festhalten mussten, um nicht umzufallen.
    Der Laden brummte. Hier wurde gerufen, dort wurde gelacht, und Coragon zählte etwa fünfzig Leute, die es sich an diesem Abend in seiner Kneipe gemütlich machten und die Goldmünzen klimpern ließen. Das, was er Paolo als Lohn zahlte, nahm Coragon doppelt und dreifach wieder ein, mindestens. Er hatte es zunächst für eine blöde Idee gehalten, ihn einzustellen, hatte er doch sonst immer selbst bedient, und überhaupt: Wenn, dann brachte eine Frau die Männer in Wallung, nicht hingegen so ein junger, unbekannter Bursche, den hier niemand kannte. Aber Paolo, der sich Coragon eines abends als reisender Tagelöhner vorgestellt hatte, hatte nicht locker gelassen. Er, Coragon, solle ihn doch einfach mal arbeiten lassen, zunächst ohne Lohn, einen Abend, zwei Abende, notfalls drei Abende, er würde dann schon sehen. Coragon hatte eingewilligt, allein schon wegen der Aussicht auf eine unbezahlte Arbeitskraft.
    Es war dann anders gekommen als von Coragon gedacht. Bereits am zweiten Tag hatte er begonnen, Paolo Lohn zu zahlen. Alles andere wäre ihm unehrenhaft vorgekommen. Es hatte sich in der Hafenstadt Khorinis schnell herumgesprochen, dass beim alten Coragon nun ein junger Kerl arbeitete, der der Taverne ganz neuen Glanz verlieh. Paolo hatte für jeden Gast, der wollte, ein nettes Wort übrig, machte Witze, harmlos oder derb, teils auch auf mehreren Sprachen, sang auf Anfrage kleine poetische Weisen oder deftige Trinklieder, reimte und dichtete, und wenn er besonders gut drauf war, dann jonglierte er mit leeren Krügen, teils mit vieren oder fünfen zugleich, und bisher war nicht einer der Krüge dabei zu Bruch gegangen.
    All dieses Spektakel zog die Leute an. Coragon konnte es verstehen: Wäre er als Wirt nicht ohnehin schon jeden Abend in seiner eigenen Kneipe gewesen, er wäre vermutlich allein wegen Paolo Stammgast geworden. Dass sich große Teile der Khoriner Unterstadt in der fröhlichen Mastsau versammelten, war kein Wunder: Da mochten die Paladine am Freibierstand noch so viel Bier ausschenken, wenn man sich dafür dann den Herold anhören musste und nicht einmal eine Sitzgelegenheit hatte, dann überlegte man es sich angesichts des Unterhaltungsangebots bei Coragon doch anders.
    Das alles ging sogar soweit, dass sich nun offenbar auch Leute aus dem Oberen Viertel hinunter in die Unterstadt wagten, um abends bei Coragon einzukehren. Anders konnte er das Auftreten der beiden Damen, die gerade eben die Taverne betreten hatten, kaum deuten. Sie trugen feine Kleider, elegante Hochsteckfrisuren und für den Aufenthalt inmitten einer nicht gerade für ihre Gesetzestreue bekannten Kundschaft verboten viel Goldschmuck.
    Als Paolo wieder zur Theke zurückkehrte, nahm Coragon ihn zur Seite.
    „Hast du die beiden gesehen?“, fragte er, mit diskreter Geste zum Stehtisch, an dem die beiden Damen offensichtlich auf Bedienung warteten.
    „Na aber sicher doch“, sagte Paolo über den allgemeinen Lärm hinweg. „Auffällig wie zwei Paradiesvogel in einem Nest voller Krähen.“
    „Wenn jetzt auch schon Leute aus dem Oberen Viertel hierherkommen …“, begann Coragon, aber Paolo winkte schon ab und signalisierte, dass er verstanden hatte.
    „Kein Problem, ich sorge schon dafür, dass sie beim nächsten Mal alle ihre Freundinnen mitbringen“, sagte er vergnügt. „Vielleicht direkt ein Getränk aufs Haus? Das wird ihnen sicher schmeicheln.“
    „An was hattest du denn gedacht?“, fragte Coragon etwas ratlos. Er hatte sich längst eingestanden, dass Paolo in solchen Sachen viel mehr Ahnung hatte, als er selbst.
    „Wein muss es sein“, reimte Paolo. „Am besten ein guter.“
    „Ich hab nur schlechten“, gab Coragon unumwunden zu.
    Paolo lachte kurz auf. Er wirkte sehr entspannt, wie immer.
    „Es gibt keinen schlechten Wein“, sagte er. „Es gibt nur Wein, der schlecht präsentiert wird. Gib mir, was du hast, und überlass den Rest dann einfach mir.“
    „Ich verlass mich auf dich“, raunte Coragon, beugte sich unter die Theke und holte von dort eine etwas angestaubte Flasche Wein und zwei passende Gläser hervor. So etwas wurde hier sonst gar nicht getrunken, aber vielleicht war ja jetzt wirklich die passende Stunde für den alten Wein gekommen.
    Paolo stellte sich die Flasche und die Gläser aufs Tablett, zwinkerte Coragon noch einmal zu, und rauschte davon. Äußerst elegant manövrierte er sich durch das Gewirr der teils sitzenden, teils stehenden und teils auch schwankenden Leute, bis er bei den beiden Damen aus dem Oberen Viertel angekommen war. Er verwickelte sie sofort in ein Gespräch, bei dem er den Wein geradezu beiläufig einschenkte. Bei den beiden Frauen stieß dies sichtlich auf Anklang.
    Coragon beobachtete dies eine ganze Weile lang, beeindruckt und auch ein wenig neidisch, bis sein Blick auf den anderen Taverneneingang gelenkt wurde. Dort traten zwei Milizen ein. Coragon dachte zunächst an Peck und Ruga, die häufiger mal auf Außenermittlungen in die Kneipen der Hafenstadt kamen und insbesondere den Alkohol genau inspizierten. Tatsächlich aber war Peck nicht in Begleitung von Ruga gekommen, sondern zusammen mit dem Hauptmann der Miliz, Wulfgar. Noch bevor Coragon eine Ahnung davon bekam, wie er diesen Auftritt nun zu verstehen hatte, bemerkte er, dass die Milizionäre ganz bestimmt nicht als Gäste gekommen waren. Nach kurzer Suche waren sie zielstrebig auf Paolo zugeschritten und nahmen ihn in ihre Mitte. Coragon verstand vom Tresen aus nicht, was sie sagten, aber die Körpersprache der drei Männer genügte, um zu erkennen, dass es Probleme gab. Mit pochendem Herzen verließ der Wirt seinen Tresen und ging zu den Männern herüber. Kurz bevor er ankam, fingen Wulfgar und Peck bereits an, Paolo mitzunehmen.
    „Hey! Hey!“, verschaffte Coragon sich Gehör, woraufhin Wulfgar sich erbarmte und stehenblieb. „Was ist hier los? Paolo arbeitet hier! Er ist mein Kellner!“
    „Jetzt nicht mehr“, sagte Wulfgar grimmig. „Dieser Mann ist jetzt erst einmal festgenommen.“
    Coragon verschlug es den Atem. Er starrte abwechselnd Peck, Wulfgar und Paolo an, aber weder aus den versteinerten Mienen der Milizionäre, noch aus dem nun ganz trüb und grau gewordenen Blick seines Kellners konnte Coragon ablesen, was denn hier eigentlich los war.
    Geändert von John Irenicus (31.10.2018 um 10:20 Uhr)

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    Irenicus-Bezwinger  Avatar von MiMo
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    MiMo ist offline
    Lord Andre stand an seinem prasselnden Kaminfeuer und blickte finster ins Leere. Es waren nun schon viele Jahre vergangen, seit er seine Heimat verlassen hatte, um unter Lord Hagen dem ehrwürdigen Orden der Paladine zu dienen. Er erinnerte sich kaum noch an den kleinen Dorfplatz, an dem sich der Schrein, der Dorfladen und die Kneipe befunden hatten, die Hütte, die er selbst mit Hilfe der Nachbarn gezimmert hatte, und auch die Gesichter seiner Familie... Wie Silhouetten aus einem längst vergangenen Leben. Doch nun klopfte es, Wulfgar und Peck hievten einen dritten Mann über die Schwelle und eine der Silhouetten war mit einem Mal wieder ein klar umrissenes Gesicht.
    Schweigend starrte er den Mann an, der ihn aus verschreckten Augen anstarrte. Wulfgar sagte etwas, doch es ging in dem Rauschen in Andres Ohren unter.
    "Paolo nennst du dich jetzt also", unterbrach Andre seinen Hauptmann. "Nicht einmal den Namen, den deine Mutter dir gegeben hat, hältst du in Ehren. Innos habe sie seelig."
    "Vater...", hauchte Paolo.
    Unbeherrschter Zorn stieg in Andre auf, als ihm bewusst wurde, dass sein Sohn nicht eine einzige Narbe hatte. "Hast du überhaupt gekämpft, als die Orks in unser Dorf kamen, Paul?"
    Paolo schwieg.
    "Hast du dich versteckt und zugesehen, wie sie deine Mutter in Stücke gerissen haben?"
    Paolo biss sich auf die Unterlippe. Seine Pupillen in den weit aufgerissenen Augen zitterten.
    "Dein eigenes Leben war dir wohl zu wichtig." Andre konnte die Bitterkeit nicht aus seiner Stimme verbannen. Nicht im Traum hatte er damit gerechnet, dass sein Sohn noch lebte, doch nun, da er ihn vor sich sah, empfand er nichts als Abscheu für ihn. Er sollte sich wohl freuen, ihn unversehrt wiederzusehen, doch das tat er nicht.
    "Du hast sie doch auch nicht beschützt!", platzte es plötzlich aus Paolo heraus. So laut, dass Andre unwillkürlich zusammenzuckte. "Du hast unser Dorf doch schon Monate bevor die Orks kamen im Stich gelassen! Ohne dich war unsere Dorfwache nur noch ein trauriger Haufen gescheiterter Bauern, und das wusstest du!"
    "Ich habe in Innos Namen an vorderster Front gegen die Orks gekämpft und sie daran gehindert, unser heiliges Reich dem Erdboden gleich zu machen!", wurde Andre nun ebenfalls laut.
    "Scheinst ja nicht sehr erfolgreich gewesen zu sein", höhnte Paolo. "In ganz Myrtana gibt es kein Dorf mehr, das mehr ist als eine verkohlte Ruine. Du hast uns alle im Stich gelassen, nur um zu versagen. Du hattest gut reden, mit Hunderten bewaffneten Soldaten an deiner Seite. Wir dagegen hatten bis auf vier schartige Schwerter nichts! Glaub nicht, dass die Orks interessiert hat, wie stark ihr Gegner ist. Sie haben uns abgeschlachtet. Nicht einen nach dem anderen, sondern alle auf einmal! Und ja, ich habe zugesehen, wie sie meine Mutter getötet haben, und weißt du, was sie geschrien hat? Deinen verfluchten Namen! Den Namen eines treulosen Verrä..."
    Andre hatte seinem Sohn einen Schlag versetzt, der seinen Kopf zur Seite gerissen hatte. Dumpf bemerkte er, wie ehrlos es war, einen Mann zu schlagen, dem von zwei Soldaten die Arme festgehalten wurden, doch es scherte ihn eigentümlich wenig. Er konnte dieses unversehrte Gesicht nicht ertragen. "Du hast es nicht einmal versucht, oder?", keuchte Andre. "Du hast nicht mal versucht, gegen sie zu kämpfen!"
    Paolo spuckte ihm Blut an den polierten Brustpanzer. "Sie waren uns zehn zu eins unterlegen, Frauen und Kinder mitgezählt. Ich war nicht so dumm, es zu versuchen. Dir wäre es vielleicht lieber gewesen, wenn ich einen Heldentod gestorben wäre. Aber ich entscheide lieber selbst, was ich mit meinem Leben anfange. Und ich lebe lieber als zu sterben."
    "Du hättest sie alle beschützen können, wenn du auf mich gehört hättest", knurrte Andre verächtlich. "Wärst du mir als Anführer der Dorfwache nachgefolgt, wie ich es seit eh und je geplant hatte, hättest du dem müden Haufen Beine machen können, für bessere Ausrüstung sorgen können, aber stattdessen hast du dir lieber die Nächte in der Taverne um die Ohren gehauen und die Tage verschlafen, wie ein nichtsnutziger Gossenjunge. Du bist eine Schande für deine Mutter. Und für mich. So einen Sohn habe ich nie gewollt."
    Paolo lachte trocken. "Man kann sich seine Kinder eben nicht aussuchen. Das solltest du allmählich begriffen haben."
    "Werd nicht frech", polterte Andre. "Deine Mutter war eine wunderbare Frau. Aber von Kindeserziehung hatte sie wohl nicht viel Ahnung. Sie hat dich verhätschelt. Verzogen. Und jetzt ist sie fort und ich hab dich am Hals."
    "Du interessierst dich nicht sehr für die Wirklichkeit, was?", sagte Paolo verächtlich. "Unser Dorf wurde vor drei Jahren überrannt. Hast du in diesen Jahren irgendwann einmal versucht, mich zu finden? Bin ich dir auch nur einen Tag eine Last gewesen? Hack auf mir rum, so viel du willst. Aber lass Mutter aus dem Spiel. Sie war ein viel besserer Mensch als du verbohrter, eitler Narr es je sein wirst. Und ich lasse nicht zu, dass du sie zum Sündenbock machst. Ich wusste genau, dass du mich nicht sehen willst. Also hab ich nie versucht, dich zu finden. Und hättest du mich heute Nacht nicht zu dir geholt, hättest du weiterhin mit dem Wunschtraum leben können, dass ich mit einem Schwert in der Hand bei dem vergeblichen Versuch gestorben bin, deine ach so geliebte Frau vor einer ganzen Horde Orks zu beschützen."
    Andre vergrub kurz das Gesicht in den Händen, doch nur einen Augenblick später hatte er sich wieder gefangen, hob den Blick und funkelete Peck und Wulfgar an, die dem Wortwechsel mit offen stehenden Mündern lauschten.
    Paolo sabberte noch mehr Blut auf den Boden und grinste seinen Vater schief an. "Nur so aus Neugier, wie hast du mich eigentlich gefunden?"
    Andre schien mit sich zu ringen. "Fünf Bierkrüge auf einmal... Und das ohne Scherbenhaufen. Hab noch nie von jemandem außer dir gehört, der das drauf hat."
    Jetzt lachte Paolo tatsächlich, doch es verebbte schnell wieder. "Hätte ich gewusst, dass du auf dieser Insel bist, hätte ich das Schiff ignoriert und wär auf Feshyr geblieben."
    Andres Innereien hatten sich so schmerzhaft erkrampft, dass er Mühe hatte, das Gesicht nicht zu verziehen. Er hatte schon viel Abschaum gesehen und war ihm stets reserviert, aber mit leidenschaftlichem Hass im Herzen begegnet. Doch dieser junge Mann war eine Schande, die er nicht so leicht verarbeiten konnte. Wieso hatte Innos ihn mit so einem Sohn gestraft? Er schloss die Augen und konzentrierte sich für einen Augenblick ganz auf die Wärme des Kaminfeuers. Und plötzlich wusste Andre, was zu tun war. Einen anderen Sohn würde er wohl nicht mehr bekommen. Es war an der Zeit, dass er nachholte, was er in den letzten Jahren versäumt hatte. "Morgen früh beginnt deine Ausbildung. Du bist hiermit zwangsrekrutiert. Im Namen des Herrn Innos und des ehrenwerten Lord Hagen, Kommandant der Paladine, Statthalter von Khorinis und Protektor des Reiches von Myrtana."
    Ungläubig starrte Paolo seinen Vater an. "Das kann nicht dein Ernst sein. Du lernst auch gar nicht aus deinen Fehlern, oder?"
    "Lord Garond braucht frische Schürfer, um Sylvestros Männer zu ersetzen", entgegnete Andre kalt. "Du kannst also auch davonlaufen, wie du es schon immer getan hast. Diese Wahl lasse ich dir, schließlich gehörst du zur Familie. Aber mehr kann und will ich nicht für dich tun." Und mit diesen Worten stolzierte Andre an Paolo, Wulfgar und Peck vorbei. Im Türrahmen hielt er noch einmal inne und wandte sich seinen Männern zu. "Bis auf Weiteres nächtigt er in den Zellen. Peck, du weichst ihm nicht von der Seite. Wenn er entwischt, übernimmst du Sylvestros Mine." Andre erfüllte es mit Genugtuung, diesen Ausdruck des Entsetzens auf dem Gesicht seines Sohnes zu sehen. "Bis morgen, Paul."

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    Halbgott Avatar von Oblomow
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    Oblomow ist offline
    "Rein mit dir!", befahl Peck mit ausdrucksloser Stimme.
    Paolo folgte der Anweisung widerstandslos und trat in die Zelle. Er wollte den stämmigen Milizionär noch etwas fragen und ihn nicht unnötig verärgern.
    Unter lautem Rattern der Mechanik wurde das Gitter zwischen ihnen heruntergelassen, bevor ein Knall das Einrasten der Sperrbolzens kund tat. Der Milizionär hatte ihn bis zu diesem Moment keinen Moment aus den Augen gelassen, nun holte er sich einen Schemel, um sich ihm gegenüber hinzusetzen.
    "Du scheinst mir nicht den Eindruck zu machen, als zöge es dich ins Minental", versuchte Paolo eine Konversation in Gang zu bringen.
    Peck schürzte die Lippen und wand den Kopf hin und her, als ob er gleich etwas sagen würde, das seine Vorgesetzten besser nicht zu hören bekamen.
    Als diese Blicke ein ihm anscheinend wohlfeiles Ergebnis lieferten zeichnete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht ab.
    "Sagen wir es mal so: Ich stecke meinen Wurm lieber wo rein, als von welchen gefressen zu werden." Ein breites Grinsen ergriff sein Gesicht, während er laut und deutlich Wort für Wort aussprach. So wenig Paul der Inhalt dieser Aussage gefiel, musste er ob der derben Unverblümtheit, die der Milizionär an den Tag legte, kurz ein aufgestoßenes Lachen wieder hinunterschlucken.
    "Und wie stehen meine Chancen so?", fragte er, sich wieder besinnend, genauer nach. Peck musterte ihn von oben bis unten und sog tief Luft ein. "Also, um mal ehrlich zu sein.
    Noch vor ein paar Wochen hätte ich dir den Totenschein ausgestellt, sobald du außerhalb der Stadtmauern gegangen wärst, aber seitdem hat sich auch einiges getan.
    Was wir da alles vom Minental gehört haben: Schlimmer kann es in Beliars Reich kaum gewesen sein. Da war alles voll mit Drachen, Otterngezücht und Orks, irgendwelchen schwarzmagischen Spinnern und dabei habe ich nicht einmal mit den Söldnern angefangen.
    Dass wir überhaupt noch leben ist schon ein Wunder." "Und jetzt?" "Hat sich das alles entspannt,
    die Drachen sind tot, die Echsenmenschen sind kurz darauf verschwunden und die Orks sind auch kurz darauf in blinder Panik verschwunden. Du wirst wahrscheinlich immer noch von Minecrawlern gefressen oder in der Grube verschüttet, aber das zu überleben ist immerhin möglich." Peck verschluckte sich bei seinem abschließenden Glucksen fast. Paolo war weniger zu Lachen zumute. Sein Vater hatte schon recht gehabt: Heldenmut gehörte nicht zu seinen Stärken. Aber mit Heldenmut überlebte man auch keinen Krieg.
    Fast wie zur Bestätigung seiner Gedanken, ergänzte Peck seine Ausführungen: „Mal so von Mensch zu Mensch: So froh ich auch über den Schutz deines Vaters über die letzten Wochen bin: Ich glaube ich hab's mit meiner prügelnden Schnapsleiche als Vater besser getroffen als du.“ Paolos Mundwinkel zuckten zur Bestätigung kurz hoch, bevor sich seine Miene verfinsterte. Der Milizionär wusste gar nicht, wie recht er damit hatte. Und er durfte es auch nicht erfahren.

    Der König hatte sie nicht allein gelassen. Eine Woche vor dem Einfall der Orks hatte sich ein zerschlagener Trupp zu ihnen durchgekämpft und ihnen im Auftrag des Königs ihre Vorräte geplündert.
    Und sie kämpften tapfer, als die Orkhorde kam, bis auch der letzte niedergemetzelt war. Danach forderten die Orks ihren Tribut. Und jene, die davor zu offenherzig den treuen Recken Rhobars gegenüber waren hatten nichts mehr zu geben, außer ihrem Leben. Nur wenige Tage darauf kam der Sklavenzug der Assassine und nahm sie mit. Er blieb, seine Mutter blieb. Weil er kein Held gewesen war, weil er keine Königstreue gekannt hatte. "Ey, bevor du dir in die Hose scheißen willst, nutz' gefälligst den Eimer!", blaffte Peck ihn an. Paolo hatte sich in Gedanken verloren und zitterte am ganzen Leib vor Aufregung. "Ich", Paolo mühte sich darum Worte zu finden, "Ich glaube ich lege mich jetzt besser schlafen", druckste er konsterniert heraus. Peck schien sich damit zufrieden zu geben.
    "Sicher nicht die Art von Training, die der Lord Vater wünscht, aber mir soll's recht sein". Er lehnte sich weit zurück auf seinem Aufpasserschemel. Paolo zog sich um die Ecke, die seine Zelle besaß, zurück.
    Der Krieg war vorbei. Nur auf dieser Insel würde er noch einmal kurz aufflammen. Ein paar Tage, vielleicht ein paar Wochen, dann hätte die Orkarmee den letzten Rest des königlichen Widerstands
    hinweggefegt. Er war nicht dafür gekommen das zu verhindern, er war dafür da es zu beschleunigen. Als Sklaven mussten sie für die Orks ihre Felder neu bewirtschaften, da die neuen Herren keine Ahnung von Ackerbau hatten. Mehrere Monate gingen ins Land, bis sie herausfanden, wer er und seine Mutter waren. Aus dem tiefen Nordmar kam die Kunde. Ein gewisser Xardas hatte sie über die Mission auf Khorinis aufgeklärt, von der nicht einmal er selbst die leiseste Ahnung hatte. Kein Brief, keine Taube war seit dem Abzug seines Vaters zu ihnen gedrungen. Bis die Orks ihn zu ihrem neuen Hauptquartier auf Feshyr verschleppten, hatte er sich eingeredet, dass er im Kampf gefallen war. Danach hatte er ihn damit entschuldigt, dass kein Schriftwerk durch die Kriegswirren kommen hatte können. Seit diesem Abend hatte er Gewissheit, dass es daran nicht lag.

    Drei Wochen hatten sie ihn eingesperrt: Einzelhaft, wenig Schlaf, stundenlange Befragungen, Schläge, Scheinhinrichtungen, um aus ihm herauszubekommen, was er über diese Mission wusste. So gerne hätte er ihnen alles bereitwillig ausgebreitet, doch er hatte nichts zu geben. Nichts außer seinem Leben.
    Nun war er Spion: Entsandt um zu prüfen, wer von den Königstreuen überlebt hatte. Seine Mutter war das Pfand, mit dem sie seine Loyalität gesichert hatten. Diese „in Stücke gerissene“ Frau, die nicht das Werkzeug eines verblichenen Gottes war, sondern ganz Mensch aus Fleisch und Liebe. Er würde ihr erzählen, dass sein Vater schon tot gewesen war, als er ankam. Es war Krieg, was machten da schon Details wie zwei Wochen Unterschied aus? Für seinen Vater war sie ohnehin schon längst tot, warum sollte seine Mutter nicht das selbe von ihm denken dürfen? War es nicht genug, dass er die Wahrheit erfahren musste?

    Der Atem Paolos war tiefer geworden. Vermutlich würde er tatsächlich bald einschlafen, störte man ihn nicht mehr. Er hatte seine Aufgabe gut gemacht. Er hatte seinem Vater ins Gesicht gesehen und ihn ohne Regung angelogen. Er würde seinen Auftrag wie geplant fortführen. Noch ein paar Wochen, dann würden de Orks dank ihm wie ein Sturm durch die Insel fegen und den edlen Lord Andre zu einem Mensch der Vergangenheit machen. Er hoffte nur, dass Coragorn davonkam. Etwas war im der Wirt ans Herz gewachsen.
    Langsam schlief Paolo ein.


    „Also, was ist jetzt Ruga? Erzählst du jetzt endlich mal was Sache ist?“, regte sich Coragorn auf und befüllte bedrohlich grobmotorisch den Krug Rugas erneut mit Bier Marke Dunkles Paladiner. Ruga massierte sich die Augenbrauen, rutschte kurz darauf jedoch aus Versehen mit dem Daumen in seine Augenhöhle und ließ es daraufhin bleiben. „Hör ma' Coragon. Ich find's ja echt dufte, dass du mich eingeladen hast, aber vielleicht solltest du die Sache wirklich auf sich beruhen lassen. Ich mein, das ist jetzt ein Kellner, den du wie lange?“
    „Sieben Tage“
    „Genau, sieben: Also Ein Kellner den du sieben Tage gekannt hast, den hast du jetzt verloren. Ich mein, was ist das denn schon für einen der so lange im Geschäft ist wie du?“
    Coragon schmetterte den Humpen auf den Tresen. „Willst du mich grad verarschen Ruga? Das war nicht einfach irgendein Kellner, das war eine innosverdammte Geldmaschine. Schau dich doch mal um hier. Vorher war hier gepackt voll. Und jetzt? Keine Sau ist mehr da! Alle weg!“ Coragons Arm breitete sich dabei über die verlassenen Tische seiner Taverne. Ruga hob den Bierkrug an. „Vielleicht hättest du deinen Gästen nicht anraten sollen, sich 'zu verpissen', als sie gefragt haben, ob dein Kellner nochmal wiederkommt. Nur mal so ein Rat von jemanden außerhalb des Schankgewerbes“, brummte er in sein Trinkgefäß. Coragons Kopf versank in seinen Händen. „Hochverrat, Diebstahl, Defätistentum, Gotteslästerung, Mord, Beleidigung, Desertieren, Betrug, es muss doch Betrug sein, so wie er die Leute um die Finger gewickelt hat. Aber das ist doch wohl verzeihbar, da muss man ihn doch freikaufen können. 100, 200, 600 Goldstücke, bei Innos, Rugar, sag mir doch irgendwas womit ich arbeiten kann“, steigerte sich Coragon, ehe er den Milizionär an der Rüstung griff. Der stellte seinen Krug wieder ab. „Ich will nicht ausschließen, dass er was davon gemacht hat, aber darum geht es Lord Andre nicht“, sprach Ruga betont ruhig. „Was? Um was geht es dann?“ Die zittrige Stimme Coragons spiegelte das wirre Krallen seiner Hände an Ruga wider.
    „Wie wäre es, wenn du deine Hände von meiner Rüstung nimmst und mal den richtig guten Stoff vom Regal links unten herschaffst. Mein Bier ist schon alle und für das was jetzt kommt brauche ich etwas Lockerung für meine Zunge“, riet Ruga dem verzweifelten Häufchen Wirt, das gehorsam folgte.
    Wolken zogen in jener Nacht vor dem mond vorbei, Ruga trank und Ruga sprach.

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