[Sinistro]

Der Lehrmeister blickte abwechselnd zu den beiden jungen Frauen und nickte ihnen beiden zu. Unwillkürlich zuckten seine Mundwinkel und formten ein Lächeln – und wieder blickte er zwischen seinen Schülerinnen hin und her und nickte anerkennend.
„Ihr alle beide – für den ersten Versuch – recht gut!“ lobte er die Zwei.
Kurz darauf wurde dem Hohepriester schmerzlich bewusst, dass sie sich hier nicht im Refektorium des Kastells, sondern in irgendeiner Spiegelwelt befanden, denn sein Wunsch nach einem Glas Wein und ein wenig Nahrung blieb unerfüllt.
„Nun, meine Lieben, müssen wir wohl selber dafür sorgen, dass wir hier zu essen kriegen. Denn merkt euch auch, dass die hohe Kunst der Magie dem Körper einiges abverlangt und dass man sich regelmäßig wieder stärken müsse, sonst wird man von den Geschöpfen oder Dingen, die man erschafft, vollkommen verzehrt. Dann wird man selbst zu dem Skelett, das man zu beschwören denkt“, er blickte die Frau mit dem geschundenen Auge dabei eher mitleidig und auffordernd als belehrend an.
Da jedoch Tharas Beine bei der Aufforderung, sich nach etwas Essbarem umzusehen, versagten und auch Arzu nicht die sichersten Schritte nach dem ersten Wirken von Magie zu machen schien, blieb dem Grünäugigen nicht viel mehr übrig als Arzus Erklärungen zu folgen und den Weg zur Küche alleine anzutreten.

Stille begleitete ihn, als er nach mehreren Augenblicken zurückkam, ein Tablett mit Brot, Wurst und Käse sowie verschiedenen Gemüsen in der einen Hand, eine Flasche Wein und drei Gläser geschickt in der anderen.
Nach dem er die gefundenen Dinge einigermaßen ansehnlich auf einem der Tische drapiert hatte, deutete er den beiden Frauen, sich zu ihm zu setzen und sich zu bedienen.
Der Hohepriester machte es ihnen kurz vor, während er in Gedanken schon wieder dabei war, den Frauen erklären zu wollen, wie sie sich mit ihrem Wissen nun selbst intensiver befassen müssten und einfach üben müssten, die Schattenflamme zu wirken.
Und als er so vor sich hin grübelte, nahm er einen ausgiebigen Schluck roten Weins, den er genüsslich über seine Zunge spielen lassen wollte, den er aber umgehend wieder ausspuckte. Hier schien der Wein Essig zu sein.

„BÄH…“ fluchte er vor sich hin und spuckte mehrere Male aus, „Das hab ich mir anders vorgestellt… Und da ich mich nun nicht mit Wein belohnen kann, sollten wir uns mal ein wenig intensiver mit dem Lichtschwert und der seltsamen Rune befassen. Und wo ist überhaupt dieser ominöse Vabun?“

[Arzu]

Natürlich hätte Arzu wieder einmal hervorragendes Fladenbrot backen können, nur war sie im Augenblick viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Was Sinistro anschleppte, ließ sie schnell bereuen. Zumindest Wurst und Käse waren essbar. Das Brot etwas zu trocken. Besonders im Anbetracht, dass sie nichts hatten, mit dem sie es herunterspülen konnten.
Während sich die Varanterin am Käse bediente, betrachtete sie sich ihre rechte Hand näher. Spuren hatte das Zaubern nicht hinterlassen. Das letzte, was sie wollte, war ihre Schönheit für so was einzubüßen. Das Bild einer verbrannten Hand huschte kurz durch ihren Kopf. Dabei handelte es sich bei ihrer Schattenflamme ja gar nicht um ein echtes Feuer.
»Kennst du nicht die Geschichte des Kastells?«, fragte Arzu an den Schwarzmagier gewandt. »So ominös ist er nämlich gar nicht. Zuletzt hat er uns jedenfalls bei dem Dämon aus dem Brunnen im Stich gelassen. Abgetaucht in die Tiefen des Kastellhofs. Wenn er überhaupt wiederkommt, vermute ich, dass er uns hier suchen wird. Überall sonst laufen ja Goblins herum.«
Die Schwarzmagierin steckte sich noch ein Stück Käse in den Mund und hob dann die Hand. Genau wie beim letzten Mal konzentrierte sie sich auf den imaginären Punkt über ihrer Handfläche. Ihr Herz schlug schneller und es dauerte eine Weile, bis wieder eine Fingernagelgroße, pechschwarze Flamme manifestierte. Triumphierend ballte Arzu die Hand zur Faust und erstickte den Zauber. Sie gab hier den Ton an!