-
Als plötzlich das winzige Skelett einer Maus über den Tisch zu ihr gerannt kam und sich reckte, ganz wie eine lebende Maus, um sie mit ihren leeren Augenhöhlen unter die Lupe zu nehmen, musste Thara plötzlich das Kunststück vollbringen, gleich drei Objekte gleichzeitig und möglichst ununterbrochen im Blick zu behalten – ihre beiden Gesprächspartner und das untote Kreatürchen. Eine Aufgabe, die auch mit zwei Augen kaum zu bewältigen gewesen wäre. Wobei die untote Maus das einzige war, das sie nicht beunruhigte.
Großartig, dachte sie sich und beobachtete die Maus, Mit Dämonen und herumlaufenden Skeletten komme ich besser klar als mit Menschen. Ich bin wohl wirklich daneben…
Sie wartete regungslos, bis Evander ihr seine Fragen stellte.
„W-wie lange…“, setzte Thara an und überlegte, „Ich… weiß nicht. I-ich meine, vielleicht… e-e-ein paar Tage? O-oder Wochen? V-v-vielleicht… i-i-ich glaube, die Zeit ist hier irgendwie… äh… anders?“
Sie versuchte noch einmal, ein unsicheres Lächeln zu Stande zu bringen, dem man hoffentlich nicht (aber sehr wahrscheinlich schon) ansah, wie nervös sie tatsächlich war. Wie ängstlich.
„Die Stadt… i-ich meine… Thorniara, ich komme da… da her. U-und vor ein paar Tagen… Wochen… T-tagen habe ich… i-i-ich… habe… habe…“
Sie verstummte und nagte kurz nervös an ihrem Fingernagel. Wie viel sollte sie erzählen? Es war vermutlich besser, nicht zu viel… Und war die Skelettmaus… wie fühlte sich die wohl an? Vorsichtig hob Thara einen Finger und hielt ihn dem kleinen untoten Ding hin. Die Maus kam sofort näher und schien an ihrem Finger zu schnüffeln. Konnten Skelette riechen? Oder tat die Maus das nur, weil sie sich irgendwie daran… erinnerte, wie es war, am Leben zu sein? Thara stupste die Maus an. Das Skelett sah regelrecht überrascht aus, sofern das bei einem Skelett möglich war, und huschte hinter die Suppenschüssel (deren Inhalt nach wie vor unangetastet war). In dem Moment fiel Thara wieder ein, dass sie ja eigentlich gerade mit Evander redete.
„Äh… a-a-also, ich meine…“ - Verdammt, worum war es gerade gegangen? - „Ähm… t-t-tut mir leid, ich… ich…“
Thara senkte den Kopf und zuckte hilflos mit den Schultern. Sie hatte völlig den Faden verloren.
Geändert von Thara (26.07.2023 um 22:31 Uhr)
-
Evander schenkte Thara ein mildes Lächeln und hob leicht die Hand als Geste, dass alles in Ordnung war. Der junge Mann fragte sich, was ihr wohl widerfahren war, dass sie so verstört und ängstlich geworden war. Das Lächeln verriet sofort, wie ängstlich die Novizin wirklich war und Evander wusste, dass es wohl viel Arbeit kosten würde sie davon zu überzeugen, dass er ihr nichts Böses wollte. Und dieses Unterfangen würde er wohl kaum von jetzt auf gleich umsetzen können, so etwas erforderte entsprechend Zeit.
"Schon in Ordnung, es gibt nichts wofür du dich entschuldigen müsstest.", erwiderte der Schwarzmagier mit ruhiger Stimme.
Kurz darauf kam die Skelettmaus wieder hervor und stupste Thara mit ihrer knochigen Schnauze an und versuchte auf ihre Hand zu klettern.
"Es scheint wohl so als würde sie dich mögen.", schmunzelte Evander und wirkte deutlich amüsiert, dabei fügte er ermutigend hinzu: "Nur zu heb sie hoch, sie beißt nicht."
Erneut nippte der Schwarzmagier an seinem Wein und schwenkte den ein wenig Becher, während er grübelte: "Das Problem mit dem Zeitgefühl legt sich sicher irgendwann. Du wirst sehen, dass man sich hier schnell einlebt. Du hast vorhin einen Namen erwähnt. Sinistro wenn ich mich recht erinnere, bildet er dich im Moment aus?"
Nebenbei schob Evander den leeren Teller weg, welcher kurz darauf verschwand und er wies mit dem rechten Zeigefinger auf ihren Eintopf: "Aber vergiss nicht dein Essen, du siehst ehrlich gesagt so aus als könntest du eine gute Mahlzeit vertragen und es wäre doch schade, wenn das Essen kalt wird oder?"
-
Thara ließ die untote Maus auf ihre geöffnete Hand klettern und hob sie neugierig hoch. Das possierliche Skelett richtete sich auf ihrer Handfläche auf und sah sich in alle Richtungen um, bevor es anfing, sich zu putzen. Thara lächelte – diesmal ehrlich. Während sie der Maus zusah, vergaß sie beinahe die stressige Situation, in der sie sich befand. Das Tier – obwohl es nicht einmal mehr ein echtes Tier war, nur die durch Magie animierten Überreste eines Tieres, die eine Parodie falschen Lebens vorgaukelten – beruhigte sie ein wenig.
Als Evander sie zum Essen aufforderte, setzte Thara die Maus wieder vorsichtig ab und nahm gehorsam einen Löffel von ihrem Eintopf. Er war noch immer heiß und schmeckte genauso vorzüglich, wie alles, was sie hier im Kastell bisher gegessen hatte, auch wenn sie nicht einmal die Hälfte der Zutaten, die in der Brühe schwammen, hätte benennen können.
„J-ja, Sinistro…“, sagte sie schließlich zwischen zwei Löffeln, „Er… I-ich habe bisher nur ihn hier… getroffen. A-a-also, bis jetzt, natürlich. Äh…“
Thara stockte und ließ den Löffel sinken. Ob Sinistro sie ausbilde, hatte Evander wissen wollen. Ihr Blick wanderte zu dem Buch und den Blättern, die sie noch immer mit einer Hand an ihre Brust gepresst hielt, auch wenn ihre Haltung am Tisch dadurch nicht die bequemste war, und huschte dann unsicher zu Evander und zu der Frau, die neben ihr saß und bisher nur gelauscht hatte. Sie sahen beide kultiviert aus. Gelehrt. Magier eben, die über Wissen und Fähigkeiten verfügten. Sie selbst hingegen…
„S-sinistro hat... also… i-i-ich v-versuche gerade… l-lesen zu lernen“, flüsterte sie beinahe und starrte beschämt vor sich auf den Tisch. Sie seufzte leise. „A-aber ich glaube, ich bin nicht besonders… g-gut darin.“
-
Lucia war zunächst sichtlich überrascht, als plötzlich eine weitere Frau ins Refektorium kam. Zwar störte sie - mehr oder weniger - das Gespräch zwischen Evander und ihr, aber diese seltsame Frau weckte auf allen möglichen Ebenen das Interesse der Magierin. Für diesen Moment vergaß' sie völlig ihre Gesellschaft in der Stube und auch das zuvor geführte Gespräch mit dem Schwarzhaarigen. Auch als der Name Sinistro fiel beschwor das ein kurzes Lächeln in ihrem Gesicht. So war es schließlich der Hohepriester selbst der Lucia vor vielen Jahren an die Magie heran führte.
Thara - wie die Fremde sich mehr als schüchtern und endlos stotternd vorstellte - sah' aus als wäre sie selbst von den Toten auferstanden. Sie trug ein einfaches weißes Kleid, trug ewig lange schwarze Haare die zum Teil ihr Gesicht versteckten. Zusätzlich zu ihrer ständigen Stotterei und der extrem schüchternen, sich selbst ablenkenden Art wusste man zwischenzeitlich nicht ob das Mädchen einem Leid tun sollte, oder ob es einem selbst kalt über den Rücken laufen würde. Ihrer Körperpflege nach zu urteilen und auf Grund des Ortes an dem sich die Drei befanden musste Thara einmal durch die Hölle und zurück gegangen sein. Möglicherweise war es auch eine von Beliars Prüfungen selbst und er schenkte ihnen Thara an diesem Abend. Wer wusste das schon. Als Lucia das Mädchen musterte verlor sie sich kurzzeitig in ihren Gedanken um das "Wer" und "Wieso" dieser Frau das sie die Spielereien mit Evanders Skelettmaus fast nicht mehr mitbekam. Erst als das Mädchen davon sprach lesen zu lernen rüttelte sie sich selbst mit einem leichten Kopfschütteln in die Realität zurück.
'Nicht besonders gut darin?', dachte sich Lucia und fragte sich leicht schmunzelnd ob sie nicht vielleicht erst einmal versuchen sollte ganze Sätze sprechen zu lernen. "Thara, ja? Es freut mich Euch kennen zu lernen. Mein Name ist Lucia. Es ist schön Gesellschaft im Kastell zu bekommen. Ich nehme doch an Ihr wisst, an was für einem Ort Ihr Euch befindet? Ihr seit doch sicher nicht nur zum lesen lernen hier, oder?", lächelte sie das schüchterne Mädchen an.
-
Thara warf Lucia, die sich jetzt erstmals in das Gespräch einschaltete, einen kurzen, schüchternen Seitenblick zu. Das goldene Blond von Lucias langen Haaren und ihre blasse Haut bildeten einen Kontrast zum tiefen Schwarz ihrer samtenen Robe, sie hatte feingeschnittene Gesichtszüge und intelligente, tiefblaue Augen. Ihre ganze Art und Haltung spiegelten eine selbstsichere Erhabenheit wider, von der Thara nur träumen konnte. Gegenüber Lucia fühlte sie sich augenblicklich schäbig und plump, und obwohl die blonde Magierin freundlich lächelte, glaubte Thara, einen leichten Anflug von Spott in dem Lächeln zu erkennen. In den Fragen, die sie stellte, schwang dann auch ein gewisser ironischer Unterton mit. Ob Thara denn wisse, wo sie sich befinde, hatte Lucia gefragt. Ob sie überhaupt hier her gehöre, hatte sie gemeint.
Thara schluckte nervös. Wie gut kannte sie selbst die Antwort auf diese Frage?
„J-ja, ich… weiß w-wo ich bin!“, antwortete sie zögerlich, „U-u-und ich bin hier, w-weil… weil… naja… ich glaube, die anderen Götter, sie… s-sie hatten nie etwas übrig für mich. Nur… nur Beliar…“
Nachdenklich betrachtete Thara ihre Hand. Ihre zierlichen Finger mit den abgekauten Nägeln, die blasse, fast schon durchscheinende Haut ihres Handrückens. Sie erinnerte sich daran, wie rot ihre Hände gewesen waren an jenen Abenden, als sie Beliars Werkzeug gewesen war, unwissentlich, aber keineswegs unwillentlich. Rot, rot vom Blut ihrer Väter. Die Bilder dieser Nächte standen ihr so deutlich vor Augen, als wäre es gestern erst geschehen, und sie vergaß beinahe, dass sie nicht allein war.
„Er war der Einzige, der mir je zugehört hat“, murmelte sie und drehte dabei ihre Hand hin und her, als würde sie einen faszinierenden Gegenstand betrachten, den sie noch nie im Leben gesehen hatte. „Er war der Einzige, der mir einen Weg gezeigt hat, und… ich bin diesen Weg gegangen, und jetzt kann ich nicht mehr zurück. Ich… ich will nicht mehr zurück!“ Obwohl sie leise sprach, war ihre Stimme fest und kalt wie Eis. Sie ballte kurz die Hand zur Faust und öffnete sie wieder. Einen Moment lang starrte sie weiter auf ihre Finger, bevor die Erinnerungen verblassten, langsam wieder dem hier und jetzt Platz machten und Thara sich wieder der Tatsache gegenwärtig wurde, dass sie nicht allein war. Sie lächelte schüchtern und zog ein wenig den Kopf zwischen die Schultern.
„S-s-sinistro sagte, i-i-ich soll… l-lesen lernen”, versuchte sie sich zu rechtfertigen, „Damit ich… d-damit…“ Sie zuckte mit den Schultern. Ihr Blick fiel auf die Skelettmaus, die vor ihr auf dem Tisch hin und her lief, als würde sie nach Brotkrumen suchen. „Also, er… e-er sagte, ich k-k-könnte v-vielleicht Magie… a-aber…“ Thara schüttelte kurz den Kopf, als wollte sie sich selbst widersprechen. „Ich weiß nicht. Aber… I-ich will ihn nicht enttäuschen…“
-
Lucia blieb überrascht. Das Mädchen beantwortete ihre Frage zunächst auf ihre gewohnt stotternde Art und Weise, schien sich aber irgendwann komplett loszulassen und sprach klar und deutlich warum sie sich in Beliars Gunst stellen wollte. In diesem Moment wirkte Thara keineswegs verwirrt oder schüchtern sondern völlig klar und unverdreht. Ihre Hände machten dabei seltsame Bewegungen und nun bemerkte die Grafentochter auch die abgeknabberten Fingernägel die zum restlichen Erscheinungsbild passten. Es gab keinen Zweifel daran das irgend ein Wendepunkt in ihrem Leben stattgefunden hatte und sie deshalb hier ins Kastell fand. Lucia hatte auch keinen einzigen Zweifel daran das sie eines Tages die Künste der Magie beherrschen würde. Ihre Worte, ihr Erscheinen - alles sprach für Beliars Finger in diesem dunklen Spiel.
"Na seht Ihr, seht Ihr...", antwortete Lucia und lächelte das blasse Mädchen mit den schwarzen Haaren erneut an. "Ihr könnt doch wunderbar klar ausdrücken warum Ihr hier seit. Es freut mich das es noch mehr Frauen gibt die ihr Leben zurücklassen und sich in die Dienste von Beliar stellen. Wir sind sicher nicht die einzigen die zu dieser Erkenntnis gekommen sind. Und sicher werden wir nicht die Letzten sein!", erklärte sie. "Und das mit dem Lesen sollten wir unbedingt angehen. Wenn ich Euch helfen kann, sagt mir gern' Bescheid. Unsere Bibliothek enthält gesammeltes Wissen aus der ganzen Welt. Ihr werdet nicht drum herum kommen sie zu erforschen! Und ich bin mir sicher dann wird das sicher eines Eurer liebsten Plätze hier im Kastell sein.."
-
Thara senkte den Kopf und hoffte, dass niemand mitbekam, wie ihr vor Scham die Röte ins Gesicht stieg, als Lucia ihre Ausdrucksweise kommentierte. Ihr war sehr wohl bewusst, dass es für andere ziemlich lästig sein konnte, ihrem ständigen Gestammel zuhören zu müssen, aber was sollte sie tun? Gerade Fremden gegenüber war sie froh, wenn sie es überhaupt schaffte, halbwegs zusammenhängende Satzteile hervorzubringen. Oft genug verhaspelte sie sich derart, dass überhaupt nichts Sinnvolles dabei herauskam, oder sie blieb einfach gänzlich stumm, selbst wenn sie eigentlich etwas sagen wollte.
„Es t-t-tut m-mir leid, f-für… w-wie ich spreche, i-i-ich ver… versuche, anders, a-a-aber… aber…“ Aber? Thara zuckte mit den Schultern und seufzte leise. Am liebsten hätte sie sich unter irgendeinem Stein verkrochen. Vielleicht wäre es besser, wenn sie so wenig wie möglich sagte, bevor sie den anderen noch mehr auf die Nerven ging? Allerdings schien Lucia noch immer mit ihr reden zu wollen. Sie bot ihr sogar an, ihr beim Lesen lernen behilflich zu sein. Thara strich unsicher mit dem Fingern über den Rücken des Buches, das sie aus der Bibliothek mitgenommen hatte. Sie hatte versucht, die ersten Schritte allein zu machen, war aber nicht weitergekommen. Sie brauchte Hilfe…
„W-würdet Ihr mir w-wirklich… also… w-w-wirklich hel… helfen?“, fragte sie unsicher und hob leicht den Kopf, so dass sie Lucia mit ihrem gesunden Auge ansehen konnte, bevor sie die eigentliche Frage stellte: „I-ich meine… Warum?“
-
"Warum?", wiederholte Lucia die Frage. Sie versuchte zunächst ihre Schüchternheit zu erklären, bevor sie sich selbst erkannte und zum wichtigen Thema zurück kehrte. Scheinbar erkannte Thara das es wesentlich sinnvoller wäre Hilfe anzunehmen auf diesem Weg, den sie sich ausgesucht hatte. "Die Frage ist doch eher: Warum nicht? Ihr seit ein Lehrling im Dienste Beliars'. Was bringt es wenn Ihr dann nicht lernt? Und wenn ich Euch dabei behilflich sein kann dann werde ich das selbstverständlich tun. Und wer weiß...vielleicht seit Ihr eines Tages so weit das Ihr mir bei etwas behilflich sein könnt."
Die Magierin musterte weiterhin das Mädchen, sah' zu dem Buch das sie bei sich trug. Offensichtlich hatte Thara schon einen Anfang gewagt. "Wie weit seit Ihr denn schon?", fragte Lucia und nickte mit einer seichten Kopfbewegung zu ihrem Buch.
-
Ein Lehrling im Dienste Beliars? Tharas Blick wechselte verwirrt zwischen Lucia und Evander, der die Unterhaltung mit einem leichten, amüsierten Lächeln verfolgte hin- und her. Bin ich das? Sie hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht. Seit sie im Kastell angekommen war, war sie sich sicher, dass es ihre Aufgabe wäre, Beliar zu dienen, aber sie hatte nie erwartet, irgendwie Teil dieses Zirkels von Magiern zu werden. Auch wenn Sinistro behauptet hatte, sie könnte vielleicht eines Tages Magie erlernen, wollte sie dem bisher keinen Glauben schenken. Sie hatte gedacht, sie würde vielleicht irgendwelche einfachen Arbeiten für die Magier verrichten, aber mehr auch nicht, und damit wäre sie auch völlig zufrieden gewesen. Aber Lucia schien ganz selbstverständlich davon auszugehen, dass sie hier im Kastell so etwas wie eine Lehre durchlaufen sollte.
„L-lehrling, i-ich?“, fragte sie vorsichtig und zuckte mit den Schultern, „I-i-ich w-weiß nicht… aber… äh… ich… i-ich meine, nein, also…“
Was zur Hölle wollte sie sagen? Thara schüttelte kurz den Kopf, als wenn sie auf diese Art ihre Gedanken neu ordnen könnte.
„E-entschuldigung.“ Sie lächelte unsicher und schob dann langsam das Buch und Sinistros Pamphlet auf den Tisch. „D-die hier hat mir S-sinistro gemacht…“, erklärte sie und deutete auf die Blätter mit den Buchstaben und Bildern darauf, „U-und das B-buch hat die… die… Blibilotek m-mir gegeben… äh… g-g-glaube ich. Ich meine… Das k-klingt dumm, oder? A-a-aber es ist einfach immer… w-wieder aus dem Regal gefallen! U-und es ist w-wohl zum l-lesen lernen…“
Thara schlug das Buch auf und deutete auf die groß gemalten Buchstaben und kurzen, reich bebilderten Texte.
„A-aber ich w-w-weiß nicht, wie ich… a-a-anfangen soll. D-das Zeichen hier…“ – sie holte wieder Sinistros Pamphlet hervor und zeigte auf das erste Symbol, ein ‚A‘, mit dem Bild eines Apfels daneben – „B-bedeutet das… ‚Apfel‘? U-u-und sind das d-dann nicht sehr… w-wenige Zeichen? Wenn j-jeder Gegenstand…“
Thara verstummte, als sie einen kurzen Seitenblick zu Lucia warf und ein amüsiertes Lächeln auf dem Gesicht der Magierin erblickte. Ein Lächeln, wie man es aufsetze, wenn man einem kleinen Kind dabei zusah, wie es irgendwelchen dummen Unsinn machte.
„Es… e-es tut mir leid“, murmelte sie und senkte den Kopf, als wäre sie bei etwas Verbotenem ertappt worden, „I-i-ich v-versteh‘ es nicht…“
-
Wenn man die Magie erforschen wollte, dann war die Kunst des Lesens wohl unabdingbar. Er selbst war schon froh, mit dieser Gabe ins Kastell gekommen zu sein. Denn das zu können war keine Selbstverständlichkeit und Tharas Situation führte es ihm wieder einmal vor Augen, dass es immer noch häufig Dinge gab, die man für selbstverständlich hielt.
Neugierig blickte Evander auf die Buchstaben und Bilder, die sich auf den Blättern befanden und wenn er sich nicht irrte, handelte es sich schlichtweg um das Alphabet.
"Das sieht so aus, als hätte man euch schlichtweg eine Auflistung aller Buchstaben gegeben, mit zusätzlichen Bildern für jeden Buchstaben, damit man einen Bezug zu diesen Schriftzeichen aufbaut. Denn ihr seht ja hier den Apfel richtig? Und der Apfel fängt mit dem Buchstabe A an. Diese Bilder oder Zeichen wie man es nennen mag neben den Buchstaben sollen euch das lernen erleichtern.", erklärte Evander und deutete dabei mal vom Schriftzeichen hinüber auf das Bild.
Schließlich griff er nach seinem Trinkgefäß und stellte fest, dass der Wein bereits leer war und so wünschte er sich nochmals Wein nach und dieser füllte sich augenblicklich nach. Nachdem Evander einen weiteren Schluck zu sich genommen hatte und den Becher weggestellt hatte, wandte er sich wieder Thara zu: "Wenn ich euch einen Hinweis geben darf, wichtig ist, dass ihr euch für das Studium Zeit nehmt, aber wenn ihr merkt, dass ihr an eure Grenzen stoßt, legt lieber eine Pause ein. Dann sammelt ihr eure Gedanken und macht weiter, wenn ihr einen klaren Kopf habt, dann behaltet ihr das erlernte leichter im Gedächtnis. Aber auch ich musste das erst lernen. Aber wenn ihr Fragen habt oder Hilfe braucht, stehe ich ebenso jederzeit zur Verfügung, immerhin dienen wir alle demselben Gott und sollten entsprechend füreinander da sein."
-
‚A‘ wie der Anfang von ‚Apfel‘ also? Thara sah sich die restlichen Bilder und Buchstaben auf Sinistros Pamphlet an und versuchte, das Konzept zu begreifen. Wenn dieses ‚A‘ für den Laut „a“ stand, dann musste sich das Wort ‚Apfel‘ aus mehreren solchen Lauten zusammensetzen, oder? Stand deswegen in Texten immer eine Reihe von Buchstaben mit kaum Abständen dazwischen direkt nebeneinander, gefolgt von einem größeren Abstand und dann wieder einer Buchstabenreihe? Das würde irgendwie Sinn ergeben! Sie dachte nach – wenn ‚A‘ der erste Buchstabe von ‚Apfel‘ war, was wäre dann wohl der zweite? Thara deutete auf die Zeichnung einer Pfanne, neben der das Symbol ‚P‘ stand:
„D-dann heißt das hier… äh… ‚pf‘?“
‚A-pf‘ – fehlte nur noch ‚el‘!
Evander lachte kurz amüsiert auf und erklärte ihr, wie man das ‚P‘ wirklich aussprach. Anschließend fuhren er und Lucia damit fort, Thara die einzelnen Buchstaben zu erläutern und wie sie funktionierten. Wie sich herausstellte, hatte sie mit ihrer Vermutung recht gehabt – Buchstaben, die direkt nebeneinanderstanden, gehörten zusammen und bildeten einzelne Worte. Am Ende der Lektion fühlte sich Thara, als würde ihr der Kopf rauchen, und sie hatte gewisse Zweifel, dass sie alles würde behalten können, was die beiden Magier ihr beigebracht hatten, aber trotzdem war sie auf eine Art glücklich, wie sie es schon sehr, sehr lange nicht mehr erlebt hatte. Sie konnte das Gefühl kaum einordnen und es fiel ihr nach wie vor schwer, zu akzeptieren, dass die beiden ihr einfach so geholfen hatten. Schon dass sie ihr überhaupt geholfen hatten, kam Thara noch immer abwegig vor.
Und dass sie sie als Mitglied ihrer Gemeinschaft ansahen…
Konnte das wirklich wahr sein?
„I-ich… v-v-vielen Dank“, flüsterte Thara, „O-ohne euch hätte ich das w-wahrscheinlich nie…“
Sie hatte plötzlich einen Kloß im Hals und musste sich glatt zusammenreißen, um nicht einfach völlig ohne Grund loszuheulen. In der Hoffnung, dass die beiden Schwarzmagier es nicht bemerkten, wandte sie sich kurz ab und schniefte leise. Ob durch Zufall, oder weil sie aufmerksamer war, als man es meinen wollte – Evanders Skelettmaus suchte sich genau diesen Moment aus, um ihren Arm hochzukrabbeln und über ihr Ohr auf ihren Kopf zu klettern. Thara musste unwillkürlich lachen und hob wieder den Kopf, auf dem nun die Maus thronte und sich interessiert in der Gegend umsah.
„Darf… d-d-darf ich euch e-eine Frage stellen?“, begann sie zögerlich, „B-beliar – wie, äh, i-ich meine… wie dient ihr ihm, u-u-und wie… s-seid ihr dazu gekommen?“
-
Evander sah sie ruhig an, während sie für einen Moment ihr Gesicht abwandte und für ihn war es schwer zu sagen warum sie das tat. Doch er verschwendete nicht allzu viele Gedanken darüber, vielleicht war sie gerade gerührt oder auch nicht. Sie zeigte zumindest Dankbarkeit und das reichte dem Schwarzmagier vollkommen, zumindest wenn es sich um jemanden aus dem Zirkel handelte.
Der Hohe Schwarzmagier sah kurz zu wie seine Maus auf Tharas Kopf kletterte was ihm ein leichtes Schmunzeln entlockte, wenn gleich es auch kaum sichtbar war. Als sie den beiden Schwarzmagiern die Frage stellte, warum sie hier waren und wie sie Beliar dienten, blickte Evander einen Moment nachdenklich in die Ferne und griff abermals zu seinem Weinbecher, den er etwas schwenkte.
Nach einem Moment des Schweigens erhob Evander seine Stimme: "Es ist schon sehr lange her, da war ich mit meinem Onkel in Myrtana unterwegs. Da hatte ich auch noch die Bestrebung, ein Paladin zu werden. Doch dann wurde mein Onkel ermordet und ich gab Innos die Schuld dafür, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich niemanden mehr aus meiner Familie. Ich habe Rache geschworen und irrte noch lange umher, bis ich den Zirkel gefunden habe, welcher mir ein Zuhause bot. Ich lernte sehr schnell, die Schwarzmagier zu wertschätzen."
Evander machte eine Pause um das Erzählte etwas wirken zulassen, bevor er schließlich fortfuhr: "Und zu deiner Frage, wie ich Beliar diene. Nun ich diene ihm in dem ich seine Schriften studiere und mich jeden Tag seinen Lehren widme. Es mag vielleicht etwas unspektakulär klingen, doch damit ich schenke Beliar damit etwas von meiner Zeit und kann mich ihm dadurch nah fühlen."
-
Seine Schriften studieren… Jeden Tag seinen Lehren widmen…
Genau wie auch Sinistro es ihr erklärt hatte. Beliars Macht mehren, indem man sein eigenes Wissen und damit seine eigene Macht mehrte. Sollte das wirklich das sein, was Beliar von ihr – ausgerechnet von ihr – erwartete?
Thara ließ ihren Finger nachdenklich über die Blätter mit den Buchstaben wandern, die schwarzen Linien nachzeichnend. Nicht nur, dass sie nicht lesen konnte, auch darüber hinaus hatte sie arge Zweifel daran, dass sie sich zur Gelehrten eignete. Sie hatte nie irgendeine Form von Bildung erhalten – wenn man vom auswendigen Herunterleiern sinnloser Gebete im Waisenhaus einmal absah. Und selbst das war ihr damals ausnehmend schwergefallen, weil sie sich bei dem Chaos, das die meiste Zeit in ihrem Kopf herrschte, nur schwer konzentrieren konnte. Mehr als einmal hatte sie Stunden über Stunden allein in der dunklen Kammer sitzen müssen, weil sie mal wieder eine der Lobpreisungen des ‚guten‘ Gottes nicht richtig hatte aufsagen können.
Sie seufzte leise. Warum musste alles nur so schwierig sein? Konnte sie nicht einfach Beliar dienen, indem sie im Kastell die Flure wischte? Oder Fische ausnahm? Sie wäre völlig zufrieden gewesen. Sie hatte keine hochfliegenden Ambitionen. Ein einfaches Leben ohne ständige Angst und Schmerzen war alles, wonach sie sich sehnte.
„I-ich… w-werde mich bemühen“, murmelte sie. Ja, sie würde sich bemühen. Aber würde es ausreichen?
„E-eure Rache…“, fragte sie plötzlich, als ihre Gedanken, wie so oft, einfach von einem Thema zum nächsten sprangen, „H-habt… habt Ihr sie bekommen?“
-
Evander schüttelte auf ihre Frage hin den Kopf und erwiderte: "Nein, bisher habe ich meine Rache nicht bekommen. Ich weiß derzeit nicht einmal wo sich die Mörder aufhalten oder wer sie wirklich waren. Dennoch werde ich sie irgendwann bekommen, da bin ich mir ziemlich sicher. Sie sollen ruhig denken, dass sie sich in Sicherheit befinden."
Bei dem Gedanken musste der hohe Schwarzmagier schmunzeln und er freute sich schon auf den Tag, wenn er den Mördern seines Onkels gegenüber stand, denn dann würde er sie alle auch nur vorstellbaren Schmerzen durchleben lassen.
Der Schwarzmagier schnippte einmal und die Skelettmaus, kam sofort zu ihm zurück und kletterte wieder auf seine Schulter, wo sie es sich gemütlich machte. Evander sah sie ein prüfend an, es schien, als ob sie etwas beschäftigte und er fragte schließlich: "Woher kommen eigentlich eure Selbstzweifel?"
Er selbst hatte noch nie einen Menschen mit so wenig Selbstvertrauen gesehen, zumal die Verunsicherung aus Thara förmlich heraussprudelte. Irgendwie hatte er das Bedürfnis Thara dabei zu helfen ihr Selbstbewusstsein aufzubauen, nur fragte er sich warum? Er kannte die Novizin doch kaum, der einzige Grund, der er vielleicht hatte, war das sie ein Anhänger Beliars war. Konnte es sein, dass er für sie wirklich so etwas wie Sympathie empfand?
-
„W-w-woher meine…?“
Thara hob den Kopf und sah Evander einen Moment lang verständnislos an. Schließlich zog sie die Schultern hoch und machte sich noch ein wenig kleiner, während sie versuchte, eine Antwort auf die unangenehme Frage des Schwarzmagiers zu formulieren.
„I-i-ich k-kann… nichts“, flüsterte sie beinahe, „I-ich meine, ihr… i-ihr seid… Magier! Ihr… i-ihr wisst so viel, u-u-und könnt z-zaubern und… u-und… all das. Ich kann… nichts davon. Und auch sonst. Ich… i-ich kann nichts außer, i-i-ich weiß nicht, Dreck wegräumen? Aber… ich w-will euch n-nicht enttäuschen, oder Sinistro, o-o-oder gar B-beliar, a-a-aber ich weiß nicht… i-ich habe Angst, d-dass ich das nicht schaffe!“ Thara fing nervös an, auf ihrem Daumennagel herumzubeißen, von dem ohnehin nicht mehr viel übrig war. „W-was ist, w-w-wenn ich… wenn ich das nicht kann, was ich tun soll? Wenn ich… nutzlos bin? Ich… i-i-ich w-weiß nicht, wohin ich sonst gehen könnte!“
-
Evander sah einen Moment zu Lucia und dann wieder zu Thara bevor er dieser diesmal eher vorsichtig aber mitfühlend auf die Schulter legte. Bei diesem Anblick konnte man direkt Mitleid mit dem armen Mädchen bekommen. Das was die junge Novizin ihnen gerade anvertraut hatte, konnte einen natürlich ganz schön erschrecken. Dieses Bild von sich selbst zu haben, dass man nichts konnte oder gar nutzlos war. Dies war ein psychisches Loch, aus dem man nur sehr schwer herauskam und dann meist nur mithilfe anderer. Evander hielt einen Moment inne und wägte seine nächsten Worte mit Bedacht ab, da diese gut gewählt werden sollten.
Doch schließlich sprach er zur Schwarzhaarigen: "Hört gut zu, was ich euch zu sagen habe und prägt euch die Worte gut ein. Zuallererst, seid ihr nicht nutzlos, schon gar nicht, wenn da ihr in diesen Hallen wandelt und Beliar dient. Ihr bemüht euch eifrig seine Studien zu verinnerlichen und das ist sehr lobenswert. Als Nächstes, wir alle haben hier klein angefangen und ich selbst bin noch nicht sehr viel weiter als ihr, denn ich habe gerade lediglich die zweite Stufe der Magie erlernt und ich habe noch einen langen Weg vor mir. Und bei euch kommt hinzu, dass ihr zusätzlich das Lesen erlernen müsst. Da ist es doch nur normal, dass ihr mehr Zeit benötigt. Lernt eifrig und sucht Hilfe, wenn ihr nicht weiterkommt und ihr könnt auch gerne zu mir kommen, falls ihr mal nicht weiter wisst."
Ob seine Worte etwas bewirkten würde sich wohl in nächster Zeit zeigen, er konnte natürlich nicht erwarten, das sich sofort etwas änderte. Doch er hoffte ihr damit ein wenig geholfen zu haben.
-
„Danke“, murmelte Thara, „V-vielen Dank. U-und… äh… f-f-falls ich Euch bei irgendetwas helfen kann, i-i-ich… also… äh…“
Thara verstummte. Sie, einem Magier helfen? Selbst wenn er ‚nur‘ den zweiten Kreis der Magie beherrschte (was auch immer das bedeuten mochte)? Wobei sollte sie ihm schon helfen können, vor allem hier im Kastell, wo offenbar alle Arbeiten, die sie überhaupt hätte verrichten können, von Dämonen oder durch reine Magie erledigt wurden. Wenn sie ehrlich war, konnte sie sich nicht einmal erklären, wieso Evander sich überhaupt mit ihr abgeben wollte, aber sicherlich nicht, weil er ihre Unterstützung benötigte.
„T-tut mir leid, i-ich wollte nicht… a-also ich w-will nicht sagen, dass Ihr m-m-meine Hi-hilfe braucht, a-aber… ich… i-ich meine…“, entschuldigte sie sich hastig und blickte verlegen zur Seite, „Also… falls doch…“
Thara zuckte mit den Schultern, lächelte verlegen, zog ihre noch immer halb volle Schüssel mit dem Eintopf zu sich heran und begann konzentriert zu essen. Es war mehr eine Übersprungshandlung, als dass sie wirklich noch Hunger verspürte. Die ganze Situation, die Unterhaltung, verwirrte sie, und sie musste irgendwie eine Pause einlegen, um sich zu sammeln.
Als die Schüssel schließlich leer war und einfach wie von selbst wegschwebte, legte Thara die Hände in den Schoß und wartete still. Sie wollte nicht aufdringlich sein, falls die beiden Magier langsam genug hatten von einer Unterhaltung mit einem dummen, stotternden Mädchen. Es war überhaupt schon ein Wunder, dass sie es so lange mit ihr ausgehalten hatten.
Ein Gedanke stahl sich in ihr Bewusstsein. Ein Gedanke, der ihr so völlig unwahrscheinlich vorkam, aber…
Vielleicht… vielleicht gehöre ich wirklich dazu?
-
Das Kastell, so wurde dem Hohepriester wieder klargemacht, hat seine ganz eigenen Gesetze. Waren nun Tage, Stunden vergangen, waren es nur wenige Augenblicke? Niemand konnte es sagen. Doch so, wie sie zusammensaßen, saßen sie zusammen, als der Grünäugige im Eingang des Refektoriums stand uns sah, dass sich ein kleines Grüppchen an Menschen dort versammelt hatte.
Da saßen sie zu dritt um einen Tisch, alle unterschiedlich langes Haar wie die Orgelpfeifen, auch sonst waren sie orgelpfeifengleich der Größe nach geordnet an dem Tisch, an dem sie schon so lange saßen. Die Frau mit den blonden Haaren stach ein wenig heraus, doch auch die junge Frau in dem weißen Kleid zog die Aufmerksamkeit auf sich, schon allein dem Umstand geschuldet, dass weiß eine Farbe war, die als Kleidung an einem Wesen hier im Kastell kaum bis nie zu sehen war. Und alleine die Größe im Vergleich zu den beiden eher kleingewachsenen weiblichen Wesen lenkte die Aufmerksamkeit auf die männliche Gestalt an diesem Tisch.
Sinistro schmunzelte, zuckte kurz mit der linken Augenbraue und steuerte schnellen Schrittes auf das ungleiche Trio zu.
„Ha, welch wunderbare Fügung des Schicksals, ausgerechnet euch drei hier zu sehen. Beliar erscheint mir heute gewogen und ihr drei seid es, die mir nun unbedingt bei einem Experiment helfen müssen! Ihr werdet eine tragende Rolle im Erlangen neuester Erkenntnisse der Zusammenhänge des Universums, der Götter und der Grundlagen der Magie einnehmen! Nicht lange nachgedacht, folgt mir!“ sprach der Grünäugige, dem anzumerken war, dass hier etwas Großes im Gange war und der einen gewissen Grad der Überzeugungskraft an den Tag legte, der es schwer machte, seiner Aufforderung nicht zu folgen.
Und als er sich tatsächlich sofort wieder umdrehte und das Refektorium verließ, ohne Wein zu sich genommen zu haben, ohne gegessen zu haben und ohne Höflichkeitsfloskeln mit den Menschen ausgetauscht zu haben, musste jedem klar sein, dass er seinen Worten baldmöglichst Taten folgen lassen wollte.
Ohne abzuwarten, ob ihm die Drei wirklich folgten, steuerte er einen der Übungsräume an, in dem bereits ein Versuchsaufbau warten sollte.
Geändert von Sinistro (07.08.2023 um 19:16 Uhr)
-
Thara zuckte erschrocken zusammen, als plötzlich Sinistro über ihre kleine Runde hereinbrach wie eine Naturgewalt und sie auf seine gewohnt weitschweifige Art aufforderte, ihm zu folgen, weil er Hilfe bei irgendwelchen bahnbrechenden Experimenten bräuchte. Ohne auch nur eine Antwort abzuwarten, rauschte der Hohepriester auch schon wieder davon und ging offenbar wie selbstverständlich davon aus, dass man ihm folgen würde.
Thara klaubte schleunigst ihr Buch und die Pergamente zusammen und wollte schon loslaufen, zögerte dann aber einen Augenblick, da sie sich nicht sicher war, was die anderen beiden tun würden. Sie konnte ja auch nicht einfach so aufspringen und sich verkrümeln, wenn sie gerade mitten in einem Gespräch war, oder? Es sei denn, Sinistro hatte das Sagen… Aber hatte er das? Wie waren überhaupt die Hierarchien im Kastell beschaffen? Außer, dass sie selbst wohl ganz unten stand, wusste sie bislang nicht viel darüber.
Unsicher huschte ihr Blick zwischen der Tür des Reflektobiums, durch die der Hohepriester soeben verschwunden war, und den beiden anderen Magiern hin und her. Die sahen sich kurz amüsiert an, zuckten mit den Schultern und erhoben sich, ohne jedoch allzu große Eile an den Tag zu legen. Evander trank noch in aller Ruhe sein Weinglas leer, bevor er mit einer angedeuteten Verbeugung den Damen den Vortritt ließ.
Schließlich verließen sie in Orgelpfeifenformation den Speisesaal, um an der Seite des Hohepriesters welterschütternde Entdeckungen zu machen.
-
Der ehemalige Magielehrmeister stand in der Mitte des Raumes, neben und über ihm war ein Gerüst in die Höhe gebaut, dessen Ende vom Boden aus nicht mehr sichtbar war. Der Raum selbst schien endlos hoch zu sein und auch keine Decke mehr zu haben und so konnte das Licht der untergehenden Sonne die Szenerie in ein rötliches Licht tauchen, das sofort an das Feuer Innos erinnern konnte. In der Konstruktion konnte man drei Emporen sehen, die gegenüberliegend auf einer Höhe von zwei bis drei Stockwerken in das Gerüst gearbeitet waren. Unten in der Mitte war ein Kreis auf den Boden gezeichnet, dessen Umrandung seltsame Runen verzierten. Und in diesem Kreis stand der Hohepriester, die Augen gen Himmel gerichtet.
Ihm war nicht aufgefallen, dass die ihn begleitenden Menschen nicht so schnell waren wie er selbst und ihm war nicht aufgefallen, dass sie seinen Ausführungen, wie er sich den Versuchsaufbau vorstellte, nicht nachvollziehen konnten, da die Gruppe den Ort des Experiments noch gar nicht erreicht hatte, als er schon begonnen hatte, die einleitenden Worte von sich zu geben.
Doch nichts erschien dem Hohepriester wichtiger als die Sicherheit seiner Mitstreiter und so setzte er erneut zu seinem Monolog an, der den jungen Mitstreitern alles erklären sollte.
Er stellte ihre Aufgabe dar, wie sie sich auf den Emporen mit den dort vorbereiteten Seilen festbinden sollten, sich auf den Holzuntergrund stellen sollten und alle metallischen Dinge meiden sollten.
Er erklärte, dass sie ihren Schmuck ablegen müssten, da nicht sichergestellt sei, dass er nicht das Experiment beeinflusse, führte aus, wie er sich vorstellte, dass sie den von ihm beschworenen Steingolem aus dem Kreis in der Mitte über ein kompliziertes System aus Rädern und Haken auf ihre Höhe zogen, um ihn dort zu halten, bis er ihnen das Signal zum Loslassen gäbe.
Und er versuchte zu erklären, wie er mit seiner Macht eine Verbindung in die Sphären Innos` und Beliars schaffen wolle, diese übereinanderlegen mochte, um den Golem dann in beide Sphären gleichzeitig hinabfallen zu lassen.
Laut seinen Ausführungen müsse der Golem, sofern er die Sphären zeitgleich erreichte, sich wie die Sphären in zwei Teile einer Art umwandeln und dies bewiese die Allmacht der Götter in ihren Sphären. Gleichzeitig könne der beschworene Golem, der dann zwei Golems wäre, über die Beschaffenheit der Welten berichten.
Die wichtigste Aufgabe wäre hierbei, den Steingolem gleichzeitig von allen drei Emporen loszulassen, damit die Geschwindigkeit, mit der er gen Boden fiele, ein Vielfaches der Geschwindigkeit eines einfachen Golems in Bewegung ergäbe – nur so wäre ein zeitgleicher Eintritt in beide Sphären möglich.
Der Grünäugige blickte gespannt und fragend, ob alles verstanden sei, in die Gesichter der ihn Umgebenden.
Berechtigungen
- Neue Themen erstellen: Nein
- Themen beantworten: Nein
- Anhänge hochladen: Nein
- Beiträge bearbeiten: Nein
|