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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Fütter uns

    Als der Held erwachte, dachte er, dass er es jetzt eigentlich geschafft hatte. Zwei Tage hatte diese Aufgabe gedauert. Die Welpen waren in Sicherheit. Hier hatten sie Futter und Wasser. Doch würden sie schon allein überleben können? Er glaubte nicht, dass sie schon jagen konnten. Er sah ihnen dabei zu, wie sie aufwachten und miteinander rangen. Fauli beteiligte sich immerhin, wenn jemand gegen ihn stieß. Der Held wollte sie nicht einfach ihrem Schicksal überlassen, doch er wollte jetzt auch nicht Wochen hier verbringen, denn das wäre ihm dann doch zu langweilig. Er entschied sie tagsüber hier zurück zu lassen und nachts nach ihnen zu sehen. Bevor er die Jungen verließ, beschloss er aber das Plateau weiter zu erkunden, um sicher zu gehen, dass es hier keine Bedrohung für die kleinen Schattenläufer gab. Sie folgten ihm auf Schritt und Tritt und hatten sich sichtlich an ihn gewöhnt und tollten vergnügt über die weiten Wiesen, haschten nach Schmetterlingen und Keck kletterte einmal sogar in einen Hasenbau. Kurz hoffte der Held, er würde bereits einen guten Fang machen, doch alles was er zurückbrachte, war ein langer Stock, den er zwischen die Zähne geklemmt hatte. Am Nachmittag kehrten sie zur Höhle zurück und die Welpen legten sich schlafen. Der Held fand, dass jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen war, um sich aus der Höhle zu schleichen und ein Stück zu gehen. Am Rande der Ebene verwandelte er sich in einen Menschen zurück und teleportierte sich mit einer Rune nach Silden. Er trug seine bequeme Abenteurerkleidung, die er getragen hatte, als er erstmals zum Festland kam. Erst hatte er überlegt die Paladinrüstung anzulegen, die er zum Ende des Orkkrieges getragen hatte, doch dann fiel ihm ein, dass die Ritter und Paladine gerade nicht sehr gut auf ihn zu sprechen waren und er sie so vermutlich nur noch mehr gegen sich aufbrachte, wenn sie ihn so sehen sollten. Auch hier in Silden sammelten sich schon nach kurzer Zeit allerhand hagere Gestalten um den Helden. Es mussten über achtzig Leute sein. Offenbar waren auch die Leute aus Okara und den im Wald vorgelagerten kleinen Lagern hierhergezogen. Der Held hatte sich bereits überlegt wie er vorgehen sollte und erhob die Stimme: „Sind die Ritter mit den neuen Nahrungsmittelvorräten aus Vengard eingetroffen?“
    Die aufgerissenen Augen und das sofort einsetzende Stimmengemurmel gaben ihm bereits die Antwort, noch bevor Anog, der Befehlshaber von Silden sagte: „Ritter? Neue Nahrungsmittelvorräte? Davon hören wir jetzt das erste Mal.“
    Alle ausgehungerten Bewohner von Silden hingen dem Helden an den Lippen, als der erklärte: „Die Ritter und einige Söldner sind jetzt zusammen mit neuen Nahrungsmittelvorräten von Khorinis angekommen. Lee hat sie angewiesen das Essen an die Städte zu verteilen. Eigentlich sollten sie doch bald hier ankommen. Es ist immerhin schon einige Tage her, dass sie von Vengard aufbrechen sollten.“
    „Hoffentlich ist ihnen nichts passiert“, sagte Anog beunruhigt und fuhr sich durch sein kurzes schwarzes Haar.
    „Den Rittern?“ fragte Hatlod der Bootsbauer zweifelnd. „Die sollten doch wohl auf sich und das Essen aufpassen können. Wohl eher haben sie selbst alles in die Taschen gesteckt und sind abgehauen.“
    „He, das sind immerhin Ritter“, empörte sich Anog, obwohl auch seine Rüstung aussah, als wäre sie für einen wesentlich größeren Mann gedacht gewesen, so ausgehungert sah er aus.
    „Na und“, sagte Hatlod grummelnd. „Die kacken auch bloß in den Wald und wenns in so schweren Zeiten ums Essen geht, ist sich jeder selbst der Nächste.“
    „Sie werden bestimmt bald hier ankommen“, versuchte der Held sie zu beruhigen. „Langfristig reicht das natürlich nicht. Khorinis kann nicht alle hier auf dem Festland ernähren. Das geht einfach nicht. Lee hat gesagt, alle müssen zusammenhalten, wenn wir das durchstehen sollen. Also, wie siehts bei euch aus? Was ist mit den Feldern von Silden?“
    „Welchen Feldern?“ fragte Anog, der nicht wusste wovon er sprach.
    Auch die anderen Bewohner schauten verwundert.
    „Na hier muss es doch früher auch mal Felder gegeben haben.“
    „Längst verwildert“, kommentierte Inog, der Bruder von Anog.
    „Na dann machen wir es wie die Leute aus Trelis. Da war ich neulich und es werden dort neue Felder angelegt. Hier gibt es doch genügend Platz“, meinte der Held unbekümmert.
    Die hungernde Meute sah ihn verwundert an und der aufgeweckte Jäger Pavel fragte mit hochgezogener Augenbraue: „Weißt du überhaupt wie viel Arbeit es bedeutet neue Felder anzulegen? Und womit überhaupt?“
    „Ich habe Saatgut für Wintergetreide und Rüben organisiert. Auch die kommen mit der Lieferung.“
    „Säen können wir. Von der Feldarbeit versteht der eine oder noch ein bisschen was. Aber ein leerer Magen arbeitet nicht“, gab Kent zu bedenken.
    „Was ist denn mit den Bisons, die hier früher immer in der Umgebung grasten?“ wechselte der Held scheinbar das Thema.
    „Die meisten sind noch da. Wir sind aber viel zu geschwächt, um es mit diesen starken Tieren aufzunehmen“, gestand Freman, der mal ein zäher Krieger gewesen war, nun aber nur noch ein Schatten seiner selbst.
    „Ich habe einen Zauber, der heißt Tiere zähmen. Bestimmt jemanden, der Magiekundig ist, damit er ein Bison mit dem Zauber zähmt. Dem könnt ihr dann ein Geschirr anlegen, damit es den Acker pflügt und euch bei der Arbeit hilft.“
    „Hast du nicht richtig zugehört? Wir sind zu geschwächt. Wir hängen hier nur so herum wie ein halber Schluck Wasser, der in einem alten gammligen Stiefel vergessen wurde. Mit uns ist im Moment nicht viel anzufangen“, entgegnete Mannig, der mal Schmied in Okara war.
    Das ließ den Helden nachdenklich werden. Die Leute in Trelis waren auch geschwächt. Denen hatte er immerhin ein paar Reste anbieten können und er wusste nicht wann die Lieferung mit den Lebensmitteln in Silden eintreffen würde. Vielleicht würde es länger dauern als angenommen, denn er wusste nicht, ob Lee überhaupt genügend Wagen hatte um die Nahrungsmittelvorräte gleichzeitig loszuschicken, oder ob die Städte nacheinander beliefert wurden. Als er in Vengard war, wollte er hauptsächlich so schnell wie möglich verschwinden und hatte daher nicht so genau auf die vorhandene Ausrüstung geachtet.
    „Verstehe. Ich werde ein Bison für euch hierherholen. Dann könnt ihr es essen und euch stärken.“
    Diese zwei einfachen Sätze brachten endlich Leben in die Bude. Die dürren Männer brachen in geschwächtes Jubelgeschrei aus und drängten den Helden zum Aufbruch.
    „Wir heizen schon mal die Feuer an, damit wir das Fleisch so schnell wie möglich braten können“, sagte der Krieger Owen eifrig, dessen Rüstung nur noch lose um seinen schlaffen Körper hing.
    Der Held wandte sich also am Fluss entlang den großen weiten Wiesen von Silden zu. Der Dauerlauf über die herbstlichen von Spinnenweben überzogenen Grasflächen empfand der Held als angenehm. Er brauchte die Bewegung und die frische Luft. An den Gedanken stattdessen in einem muffigen Thronsaal zu sein, graute es ihm. Er sah in der Ferne die beeindruckenden wunderschönen Wasserfälle und hörte schon ihr wildes Tosen. Die Bisonherde zu finden war sehr einfach. Sie grasten auf einem Hang und so wie er das einschätzte, war sie sogar noch gewachsen. Er konnte einige junge Kälber sehen, die neben ihren Müttern grasten. Es gab keine gefährlichen Räuber mehr in der Gegend, die den großen Grasfressern nachstellen würden und die Menschen in Silden waren nach eigener Aussage zu schwach um sich gegen so eine große Herde kräftiger Tiere zu stellen. Der Held dachte darüber nach wie er ein Tier töten aber dennoch in einem Stück nach Silden bringen sollte. Normalerweise zerlegte er ein erbeutetes Tier an Ort und Stelle. Er musste aber zugeben, dass er sich meist nur herausschnitt was er für den Eigenbedarf brauchte und dabei meist sehr verschwenderisch vorging. Jetzt brauchten sie aber so viel Fleisch wie möglich. Es wäre wohl besser, wenn das Bison Silden noch lebend erreichte und er es erst dort tötete. Er legte sich auf den grasbewachsenen kalten Boden auf einem kleinen Hügelkamm zwischen wucherndes Gestrüpp auf die Lauer und beobachtete die Tiere. Sie standen eng beisammen. Besonders die Mütter mit den Kälbern achteten darauf möglichst in der Mitte der Herde zu sein. Zum ersten Mal überlegte der Held wie er nachhaltig jagen könnte. Die kleinen Kälber wären eine leichte Beute, doch sollten sie besser überleben, damit aus ihnen auch einmal große Bisons werden könnten. Auch die Mütter sollten besser unangetastet bleiben, damit sie für genügend Nachwuchs sorgen konnten. Während der Held die Herde beobachtete, stellte er fest, dass es mehrere Männchen gab, die rauften. Sie waren aber kleiner als die Weibchen, woraus der Held schloss, dass sie wohl noch nicht ausgewachsen waren. Vielleicht sollte er sich so eins holen, oder den großen kräftigen Bullen, der hin und wieder einige Mitglieder seiner Herde herumscheuchte und einige jüngere Tiere zur Ordnung rief, wenn sie es zu bunt trieben. Als der Held sich der Herde langsam näherte, versuchte er möglichst unentdeckt zu bleiben, doch der Wind drehte sich und er sah wie die Tiere schnauften und in seine Richtung sahen. Der große Bulle, der wohl der Herdenführer war, kam sogar in seine Richtung, stampfte mit den Füßen und schüttelte drohend mit dem Kopf. Der Held hatte bereits die Rune zur Hand, mit der er Tiere zähmen konnte. Er musste sich nur noch weiter nähern. Das wollte der Bulle aber nicht tolerieren und ging in den Angriff über. Normalerweise hätte der Held das Tier einfach niedergestreckt, aber so war es wichtig, dass es noch am Leben blieb. Er wich aus und als der Bison gerade an ihm vorbei war, sprach er den Zauber. Der alte Bulle schaute verwirrt nach links und rechts, schlug mit dem Schwanz ein paar Fliegen weg und drehte sich dann zu ihm um.
    „Komm mit!“ befahl der Held dem Bison.
    Der Bulle folgte ihm, doch nach einigen Metern blieb er stehen und sah zu seiner Herde zurück. Das ließ den Helden fragen, ob er vielleicht etwas falsch gemacht hatte, oder der Zauber vielleicht nicht stark genug war, um den Herdentrieb des Tieres zu brechen. Die anderen Tiere sahen zu ihnen herüber, unschlüssig, was sie tun sollten. Die Mütter wollten ihre Kälber keiner Gefahr aussetzen und den jungen Männchen fehlte es wohl an Erfahrung, um mit dieser seltsamen Situation umzugehen.
    „Komm mit!“ wiederholte der Held erneut und der Bulle setzte sich wieder in Bewegung.
    Während der Held über die Wiese lief, sah er immer wieder zurück, um nachzusehen, ob der Bulle ihm noch folgte. Jetzt da sie sich von der Herde entfernt hatten, gab es keine Probleme mehr. In Silden wurden der Held und das Bison jubelnd empfangen. Dem Helden war bewusst, dass es recht hinterhältig war das von ihm gezähmte Tier nun zu töten, doch es musste sein, um die hungernden Menschen mit dem dringend benötigten Fleisch zu versorgen. Zwei Hiebe mit Beliars Klaue reichten um den Bullen zu töten, der viel zu spät bemerkt hatte, was ihm blühte. Die Klaue knisterte zufrieden.
    „Komisches Schwert, das du da hast“, bemerkte Lars, der sofort, nachdem das Tier umfiel, näher gekommen war, um sich das tote Bison anzusehen.
    Der Held antwortete seinem ehemaligen Weggefährten, mit dem er nach Nordmar gegangen war, nicht und häutete den Bullen stattdessen. Kaum war das Fell abgezogen traten schon Candela und Fraser näher, die erfahrene Jäger waren und wussten wie ein Tier effizient zerlegt werden musste. Doch der Held wollte nicht bleiben. Seiner Meinung nach hatte er getan was nötig war, damit sich die Menschen erstmal versorgen konnten. Er würde später zurückkehren, damit die Arbeit an den Feldern beginnen konnte.
    „Hat einer den Druiden Runak gesehen?“ fragte er.
    Doch die Leute zuckten nur mit den Schultern.
    „Kenn ich nicht.“, „Hab ich ewig nicht gesehen.“, „Lebt der überhaupt noch?“ waren die Aussagen der Bewohner.
    Der Held sah, dass er selbst auf die Suche gehen musste. Er hatte einen Plan und für den waren die Druiden Myrtanas essenziell. Es war ein ereignisloser Weg durch den Wald, bis er Runak auf halbem Weg zwischen Silden und Geldern traf. Der alte Druide war gerade dabei Kräuter, Knollen und Pilze zu suchen. Er trug immer noch einen grünen Umhang und stützte sich auf seinen hölzernen Stab.
    „Was führt dich zu mir, Wanderer?“, begrüßte Runak ihn unaufgeregt.
    Sein Blick blieb einen Moment an der Klaue Beliars kleben, doch er sagte nichts dazu.
    „Ich brauche deine Hilfe“, kam der Held wie fast immer schnell auf den Punkt.
    „Wobei?“ fragte Runak argwöhnisch.
    „Die Menschen in Myrtana hungern. Wenn nichts getan wird, werden die meisten den Winter wohl nicht überleben. Sie sollen Felder anlegen, doch sie sind schon so sehr geschwächt, dass sie das nicht mehr schaffen. Ich habe Rendell aus Trelis den Stein des Schattenläufers gegeben, damit er sich verwandeln kann und dabei hilft die Felder zu pflügen.“
    Der Druide ließ nicht erkennen, ob er wusste von wem der Held sprach. Wenn er darüber verärgert war, dass der Held seinen Druidenstein an irgendeinen X-beliebigen Typen weitergegeben hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Er hob nur eine Augenbraue und sagte mit immer noch ruhiger Stimme: „Eine sehr ungewöhnliche Vorgehensweise. Wir Druiden haben dir die Druidensteine anvertraut, damit du sie für das Gleichgewicht der Welt einsetzt und nicht, damit du sie an die Bewohner Myrtanas verteilst.“
    „Willst du etwa, dass die Menschen verhungern?“ fragte der Held herausfordernd.
    Der Druide antwortete nicht direkt, was den Helden ärgerte. Er mochte nicht, wenn er keine direkte Antwort bekam, sondern sein Gegenüber erst einmal weit ausholte, bevor er eine verschleierte Auskunft gab.
    „Wir Druiden setzen uns für das Gleichgewicht der Welt ein. Es muss eine Balance herrschen. Indem du alle Orks getötet hast sind die Kräfte Beliars zurückgedrängt und kaum noch Existent.“
    „Aber auch die Menschen sind schwach“, entgegnete der Held.
    Der Druide nickte.
    „Das stimmt. Auch ich möchte, dass Myrtana wieder erstarkt und es den Menschen gut geht. Doch bisher lebten auch immer viele wilde Tiere in Myrtana. Von denen ist kaum noch etwas zu sehen. Du hast sie fast ausgerottet. Die Balance ist gestört. Sollte ich dir da wirklich helfen? Ich hätte nicht gedacht, dass du so sorglos mit dem zerbrechlichen Gleichgewicht der Welt umgehst.“
    „Ich habe es wohl etwas übertrieben“, meinte der Held, kratzte sich hinten am Kopf und fühlte für einen klitzekleinen Moment tatsächlich etwas das vielleicht Schuld sein könnte, doch das schüttelte er gekonnt wieder ab. „Ich habe vier kleine Schattenläufer in die Berge im Westen gebracht. Dort können sie in Ruhe aufwachsen. Dann gibt es auch wieder wilde Tiere in Myrtana.“
    Der Druide sah ihn bekümmert an.
    „Das reicht nicht. Du hast nicht verstanden, dass das Leben aller Tiere und Pflanzen miteinander verknüpft ist. Fehlt eine Art kann alles zusammenbrechen. Die Natur braucht dann Zeit um sich neu zu orientieren. Es fehlt aber nicht nur eine Art, es fehlen nahezu alle großen Tiere. Es ist eine Katastrophe. Und jetzt erwartest du, dass ich dir helfe?“
    „Was schlägst du vor?“ fragte der Held.
    „Wir müssen der Natur sehr viel Zeit geben, um sich zu erholen. Indem wir einfach nur beiseitetreten und die Natur machen lassen, stellt sie selbst das Gleichgewicht wieder her“, erklärte der Druide.
    „Verstehe, aber die Menschen brauchen etwas zu essen. Zu jagen gibt es sowieso kaum noch etwas.“
    „Was deine Schuld ist!“ erinnerte der Druide und zeigte anklagend auf den Helden.
    „Ja, ist ja gut“, sagte der Held und trat unruhig von einem Bein aufs andere. „Wie wärs, wenn du und die anderen Druiden an den Rand von Myrtana geht und nachseht, ob sich da neue Tiere aus den Nachbarländern angesiedelt haben? In der Tiergestalt, solltet ihr euch nah heranwagen können.“
    „Und dann?“
    „Als Druiden solltet ihr einen Überblick über den Tierbestand in Myrtana haben.“
    Der alte Druide wirkte beleidigt.
    „Das haben wir auch jetzt schon und es ist furchtbar um die Tiere bestellt.“
    Der Held sah ihn schief an.
    „Mir geht es aber darum, dass ihr wenn ein Überhang besteht in die Dörfer geht und den Menschen sagt, was sie jagen können. Ich hatte damals den Eindruck, dass sich in den Wäldern extrem viel gefährliches Viehzeug tummelt. Die Reviere können nicht sehr groß gewesen sein.“
    Runak, der Druide sah nachdenklich aus.
    „Das stimmt allerdings. Normalerweise haben Wölfe und Schattenläufer riesige Territorien. Ein Wolfsrudel würde den ganzen nördlichen Bereich von Silden bis nach Gotha für sich beanspruchen. Sie sind Ausdauerjäger, sie hetzen ihre Beute. Und Schattenläufer dulden normalerweise keine Artgenossen in ihren Revieren. Damals gab es wirklich einen Überhang an Raubtieren, aber seitdem du hier warst, ist das vorbei. Es würde wirklich sehr lange dauern, bis ich zu irgendjemanden sagen könnte, dass wieder ein Überhang besteht.“
    „Ist doch egal. Wichtig ist, dass wir jetzt darüber gesprochen haben, so dass du handeln kannst, wenn es so weit sein sollte.“
    Obwohl Runak ganz danach aussah, als wenn das eben nicht egal war, für den Helden war das Thema Tierbestand damit abgehakt und er kehrte zu seinem eigentlichen Anliegen zurück.
    „Was ist jetzt mit den Bewohnern Myrtanas? Ich hatte mir das so vorgestellt: Jede Stadt muss Felder anlegen, damit sie ihr eigenes Überleben sichern kann. In jeder Stadt müsste es mindestens einen Magiekundigen geben, der sich entweder in ein Tier verwandeln, oder Tiere zähmen kann. Es sollten große Tiere sein, die Pflüge ziehen und bei der Bewachung der Felder vor Strauchdieben schützen können. Also so etwas wie Schattenläufer, Ripper, oder Bisons. Ein Golem wäre auch nicht schlecht, aber da müsste es einen gut ausgebildeten Magier geben, der sich um ihn kümmert.“
    Der Druide sah ihn nachdenklich an und fuhr sich mit der Hand immer wieder durch den grauen Bart.
    „Ich weiß worauf du hinauswillst Entscheider. Das ist eine ganz schöne Umgestaltung für das Land und birgt zahlreiche Risiken. Was ist, wenn die Menschen es übertreiben mit der Landwirtschaft? Dann haben die Tiere weniger Platz. Was ist, wenn die Menschen die Verwandelten mit anderen Tieren verwechseln und sie jagen?“
    „So wie ich das sehe macht niemand mehr als er muss. Wenn sie genug zu essen haben, dann werden sie keine größeren Felder mehr anlegen. Im Moment war es schwer sie überhaupt zur Arbeit zu motivieren.“
    Der Druide sah ihn zweifelnd an. Er befürchtete wohl etwas anderes.
    „Und die Leute in Trelis haben vorgeschlagen Rendell mit einem Schal kenntlich zu machen, damit die anderen ihn erkennen können.“
    Diese Auskunft ließ den Druiden verwundert und verstimmt aussehen. Vielleicht hatte er keine Lust mit einem Schal am Hals herumzulaufen. Vielleicht hinderte es auch das Gefühl eins mit der Natur zu sein.
    „Ich hoffe, dass die Leute schnell mit der Arbeit beginnen. Ich habe eben einen Bisonbullen nach Silden getrieben und getötet, damit die Menschen dort etwas zu essen haben und sich für die Arbeit stärken können.“
    „Einen Bullen?“ fragte der Druide skeptisch. „Aus der Herde?“
    „Ja, genau.“
    „Wenn du mal wieder Fleisch brauchst, solltest du lieber auf kleinere Gruppen ausweichen. Die Herden sollten möglichst unangetastet bleiben. Ein Bulle führt eine Herde. Wenn die männlichen Tiere geschlechtsreif werden, werden sie vom Herdenführer vertrieben und sammeln sich in kleinen Gruppen, die sich weit verstreuen. Erst wenn ein Bulle stark genug ist, um den Altbullen herauszufordern kommen sie zu den Herden zurück. Jetzt wo er tot ist, wird es wohl ein richtiges Gerangel um den Platz des neuen Herdenführers geben.“
    „Verstehe. Ich werde deinen Rat respektieren“, sagte der Held.
    Der Druide nickte und wirkte ein wenig zufriedener.
    „Und was soll ich jetzt deiner Meinung nach tun, Entscheider?“
    „Ihr sollt jeder Stadt entweder einen Druidenstein des Rippers oder des Schattenläufers geben, oder Schriftrollen, um Tiere zu zähmen.“
    „Wir geben unser Wissen nicht leichtfertig aus der Hand“, entgegnete Runak.
    „Dann müsst ihr eben neue Druiden ausbilden, so dass ihr in jedem Dorf einen Druiden hättet, der diese Arbeit übernimmt.“
    „Druiden leben in der Natur und nicht bei den Menschen im Dorf“, entgegnete der Druide geduldig.
    „Dann ändert sich das eben“, sagte der Held stur. „Es müssen ja nicht alle in den Städten leben, aber in jeder Stadt mindestens einer, der Rest kann von mir aus weiter im Wald leben. Sieh es doch mal positiv, wenn ihr in den Städten Fürsprecher habt, können die darüber wachen, dass nicht gejagt wird und mit denen könnt ihr dann auch Verbindung aufnehmen, wenn die Zahl der Tiere überhandnimmt.“
    „Entschuldige, dass ich das so sage, aber dein Plan kommt mir nicht durchdacht vor. Da gibt es viele Unwägbarkeiten…“
    „Das wird sich mit der Zeit schon ergeben“, meinte der Held leichthin.
    „Ich bin nicht überzeugt.“
    Der Held verlor endgültig die Geduld.
    „Ihr nennt mich Entscheider und ich habe mich entschieden.“
    „Und wenn wir uns nicht nach deiner Entscheidung richten?“ fragte der Druide argwöhnisch.
    „Dann gibt‘s volles Pfund aufs Maul.“
    Der Held hielt die linke Hand Flach und knallte dann mit der rechten Faust dagegen, um seine Worte zu verdeutlichen.
    „Verstehe.“
    Der Druide fuhr sich wieder durch den Bart.
    „Na gut, ich werde mich mit den anderen Druiden beraten.“
    Der Held nickte, drehte sich um und stiefelte dann zurück nach Silden. Dort war ein großes Gelage in vollem Gang. Der Bulle war bereits vollständig zerlegt. Zahlreiche Feuer brannten, damit das Fleisch möglichst bald gebraten werden konnte. Die Menschen saßen um die Quellen der Wärme, unterhielten sich fröhlich und aßen das Bisonfleisch, das bereits gar war. Der Held sah Owen wie er sich in einen Busch übergab. Offenbar hatte er zu sehr geschlungen und sein ausgehungerter Magen hatte das nicht vertragen. Der Held griff sich Inog, der gerade sein letztes Stück Fleisch in den Mund steckte und fragte: „Und wie läuft’s?“
    „Wir haben schon seit Ewigkeiten nicht mehr so viel essen können. Danke“
    Seine Augen leuchteten und ein breites Grinsen stand ihm im Gesicht. Man könnte jetzt gerührt sein, aber der Held nahm es einfach nur zur Kenntnis und fragte weiter: „Wer hat denn hier ein Magietalent?“
    Inog überlegte und wiegte dabei seinen Kopf.
    „Also Talent würde ich es jetzt nicht nennen, aber ich hab mal gesehen wie Kent einen Wolf beschworen hat, als er Unterstützung bei einer Jagd brauchte. Hab gehört er wollte mal ein Druide sein, hat sein Vorhaben dann aber abgebrochen, weil er meinte, er sei zu schreckhaft um im Wald zu leben.“
    „Perfekt“, sagte der Held und ließ Inog einfach stehen.
    Es war leicht Kent zu finden. Wie alle anderen hockte er an den Feuern und schlug sich den Bauch voll.
    „He du“, begrüßte der Held ihn und kam sofort auf den Punkt. „Du wirst ein Bison zähmen, dass ihr dann für die Feldarbeit nutzen werdet!“
    „Werde ich das?“ fragte Kent erstaunt.
    „Ja wirst du“, stellte der Held klar. „Komm mit!“
    Wiederwillig schaute Kent zum behaglichen wärmenden Feuer, fürchtete aber wohl was ihm blühen würde, wenn er nicht folgte. Kent wusste was der Held drauf hatte. Damals waren sie sich in einer Höhle begegnet, wo er sich vor einigen Rippern versteckt hatte. Der Held hatte sie ihm vom Hals geschafft und ihm dann gesagt, er solle nach Okara gehen, oder er würde ihm das Fell über die Ohren ziehen. Das hatte Kent ihm sofort geglaubt und auch jetzt fürchtete er, dieser Mann würde handgreiflich werden, wenn er nicht tat was er wollte. Der Held legte einen ganz schön scharfen Schritt vor und Kent musste sich sehr beeilen. Hustend und prustend hechelte er hinter ihm her. Der Held hielt erst an, als die Bisonherde ins Blickfeld kam.
    „Da, siehst du?“ fragte der Held und zeigte auf die Herde. „Ich habe gerade mit Runak dem Druiden gesprochen. Er sagt die Herden sollten wir schonen. Davon lasst also die Finger!“
    „Machen wir eh, oder hast du vorhin nicht zugehört?“ fragte Kent missmutig und sah so aus, als stellte er sich gerade vor, wie er sich gegen so eine Wand aus Fleisch und Muskeln stellen sollte.
    „Wir suchen uns jetzt eine kleine Gruppe von Bullen und werden einen davon zähmen“, verkündete der Held sein Vorgehen.
    „Jetzt rennt er schon wieder los“, klagte Kent, weil der Held schon wieder ein ordentliches Tempo vorlegte und er sich mühen musste um ihn nicht zu verlieren.
    „Mach doch nicht so einen Lärm“, tadelte der Held seinen Begleiter, als sie eine kleine Gruppe von vier Bisons am Waldrand fanden.
    Kent rang laut nach Luft und stand kurz vor einem Zusammenbruch. Es blieb ihm nichts, als dem Helden einen empörten Blick zuzuwerfen. Der Held achtete nicht darauf, sondern zog eine Tiere-zähmen Schriftrolle aus seiner Hosentasche und reichte sie Kent.
    „Wir gehen da jetzt hin und du zähmst einen der Bullen!“ verlangte der Held, als wäre nichts weiter dabei.
    „Ach ja? Sonst noch was?“ fragte Kent, dem ganz schön die Muffe ging.
    „Du machst dir aber auch vor jedem Stück Fleisch, das nicht auf deinem Teller liegt, in die Hose“, sagte der Held ruppig und ging zu der kleinen Gruppe halbstarker Bisons.
    Die hatten bereits bemerkt, dass sich ihnen zwei Menschen näherten und drohten ihnen, indem sie wie der alte Bulle, mit den Hufen stampften und die Hörner schwangen. Sie schnauften wild.
    „Muss das wirklich sein?“ jammerte Kent, der so aussah, als würde er am liebsten die Beine in die Hand nehmen und verschwinden.
    „Nun mach schon!“ forderte der Held barsch. „Ich lenke sie ab und du zähmst eins!“
    Die Klaue Beliars rührte er nicht an, sondern zog eine Feuerpfeil Rune. Als sich die Bisons näherten, warf er immer mal wieder einen Zauber, zielte aber links und rechts neben die Tiere, um sie nicht unnötig zu verletzen. Er wollte sie lediglich auf Distanz halten. Das war neu für ihn und hin und wieder traf er doch. Immerhin war er so umsichtig gewesen extra einen schwachen Zauber auszuwählen. Wenn die Bisons ihn angriffen, wich er aus. Es waren keine gezielten Angriffe. Es sah ganz so aus, als wüssten sie nicht wie sie mit ihm umgehen sollten und wollten ihn bloß vertreiben.
    „Jetzt mach endlich!“ rief der Held Kent zu.
    Der stand verängstigt immer noch viel zu weit entfernt, gab sich nach dem Ruf des Helden aber einen Rück und trat zu einem Bison, der ihm den Rücken zugekehrt hatte und sprach den Zauber. Das Tier hörte auf sich wie wild zu gebärden, drehte sich herum und starrte ihn an.
    „Du musst ihm befehlen mit dir zu gehen!“ rief der Held und wich einem weiteren Bisonangriff aus, indem er rasch zur Seite sprang und die anderen in Schach hielt indem er einen weiteren Feuerpfeil auf sie warf.
    Langsam begann das die Tiere merklich zu reizen und sie wurden mutiger. Sie sollten nicht noch länger hierbleiben, oder der Held würde seine neuen Ideen rasch über Bord werfen und hier ein Schlachtfest veranstalten.
    „Ähm… Komm mit?“ sagte Kent fragend zu dem Bullen.
    Der warf den Kopf hin und her und stampfte mit dem rechten Vorderhuf. Es sah nicht danach aus, als wenn er ihm folgen wollte.
    „Du musst entschlossener klingen! Es ist zwar ein Zauber, aber du musst auch deinen Teil dafür tun. Das Tier darf nicht denken, dass du vor ihm angst hast“, rief der Held Kent zu und warf gleich drei Feuerpfeile vor die Füße der Bisons, die erschrocken zurückwichen, bevor sie sich für einen neuen Angriff umsortierten. Kent schluckte, atmete tief ein und aus und rief laut: „Komm jetzt mit!“
    Er drehte sich um und der junge Bisonbulle folgte ihm tatsächlich. Der Held sah die Aufgabe als erfüllt und lief in eine andere Richtung, in dem Wissen, dass die anderen Bullen ihn noch kurz verfolgen würden, um das Gefühl zu haben, die Sieger zu sein und ihn vertrieben zu haben. Als das erledigt war, stieß er wieder zu Kent, der wie zu erwarten war, Richtung Silden ging. Die Sonne ging langsam unter und tauchte die weiten Wiesen in orangenes Licht. Jetzt konnten sie die überall herumfliegenden und in den Gräsern wiegenden Spinnenweben besonders gut sehen. Die Wasserfälle rauschten in der Ferne und erfüllten die Luft mit einem frischen Geruch.
    „Wie lange hält der Zauber an?“ fragte Kent und warf einen unruhigen Blick über die Schulter, zu dem Bison, das ihm jetzt lammfromm folgte.
    Der Held zuckte mit den Schultern. So genau wusste er das nicht.
    „Keine Ahnung. Bisher liefen mir die Tiere immer hinterher, bis ich sie wegschickte, sie im Kampf getötet wurden oder ich es getötet habe.“
    „Aber was mach ich wenn die Wirkung des Zaubers irgendwie plötzlich nachlässt?“ fragte Kent ängstlich.
    „Dann wirst du ihn neu zähmen. Hier.“
    Der Held reichte ihm drei weitere Tiere-Zähmen Zauberspruchrollen.
    „Das sind alle, die ich im Moment habe. Ich habe den Druiden Runak gefragt, ob er und die anderen uns in unserer Sache unterstützen.“
    Kent nickte. Seiner Miene nach zu urteilen, war das heute für ihn schon genug Abenteuer gewesen. In Silden wurden sie mit großen Oho empfangen. Jeder wollte mal zum Bison und es abklopfen. Das Fell staubte und die Männer lachten.
    „Da haben wir jetzt unseren eigenen Bison. Gut gemacht Kent“, lobte Freman.
    „Aber nicht auch noch töten und essen! Das braucht ihr für die Feldarbeit“, mahnte der Held.
    Er wusste nicht, ob sie sich daran halten würden, doch er hatte auch keine Lust hier Amme zu spielen und nachzusehen, ob sie wirklich ein Feld anlegen würden. Er aß ein wenig von dem bereits gebratenen Fleisch, steckte vier Kilo Bisonfleisch ein und nahm den Teleporterstein von Geldern zur Hand und teleportiere sich dorthin. Geldern war so wie Trelis sehr unordentlich und auch hier sammelten sich die Menschen um ihn. Das kannte er bereits und verteilte den größten Teil des Bisonfleischs, was ihm schnell Gehör verschaffte. Die hungrige Meute riss es ihm geradezu aus den Fingern. Während sie am Fleisch nagten, erklärte er ihnen, dass bald neue Nahrungsmittelvorräte aus Vengard kommen würden und seinen Plan und was er mit den Leuten aus Trelis und Silden besprochen hatte. Hier fand sich der Jäger Boris, dem er den Ripperdruidenstein überreichte und der fortan beim Anlegen von Feldern helfen sollte. Dann sah der Held seine Aufgabe auch hier als getan und verzog sich nach Südwesten, wo er sich im Wald versicherte, dass ihm niemand folgte. Er stieg das Plateau hinauf wo er heute Morgen die Schattenläuferwelpen zurückgelassen hatte. Es kam ihm so vor, als wäre das viel länger her. Bevor er sich verwandelte, schmiss er das übrig gelassene Bisonfleisch aus seiner Tasche auf den Boden und nahm es dann als Schattenläufer ins Maul. Zwei der Jungtiere, Keck und Streuner fand er umhertollend auf einer Wiese, die ihm jedoch gleich folgten, als sie merkten, dass er etwas zu fressen dabei hatte. Fauli lag schlafend in der Höhle und Winsel jammerte mal wieder und war der Erste am Futter, als er es auf den Boden spuckte. Der Held legte sich auf kalten Stein und stellte erstaunt fest, dass er sich erschöpft fühlte. Er wunderte sich darüber und dachte nach. Natürlich hatte er damit gerechnet, dass die Aufgabe die Hungersnot zu beenden langwierig und schwierig sein könnte. Doch was ihn jetzt ärgerte war, dass er unbewusst Befehle gegeben hatte. Es war einfach irgendwie so gekommen, ohne, dass er darüber nachgedacht, oder es gewollt hatte. Er hatte den Leuten seinen Plan einfach vor die Füße geworfen und dann erwartet, dass sie mit ihm an einem Strang zogen. Gedanklich rechtfertigte er seine Entscheidung damit, dass sie überleben sollten und so wie die Leute herumeierten würde es wohl nichts werden, wenn er ihnen alles überließ. Beim Druiden war es anders. Runak hatte klar seine Meinung gesagt. Er hatte nicht mitmachen wollen und er hatte ihn mit der Androhung von Gewalt zwingen müssen es sich noch einmal zu überlegen. Er wollte doch selbst nicht, dass man ihm Vorschriften machte. Er wollte nicht König sein, obwohl Lee und auch Milten und Gorn ihn dazu überreden wollten. Doch wenn er es sich eingestand, hatte er den ersten Schritt schon selbst getan und Befehle gegeben, so wie ein König es wohl tun würde. Und er hatte Runak dazu gezwungen etwas zu tun, was er nicht wollte. Runak wollte wohl auch einfach nur sein eigenes Leben führen, ohne dass ihm jemand Vorschriften machte, einfach nur im Wald leben, zusammen mit den Tieren. Der Held musste zugeben, dass das seinen Reiz hatte. Ihm gefiel es irgendwie auch hier einfach nur ein Tier zu sein und sich vor der Verantwortung, die auf ihn wartete zu verstecken. Er hatte Runak aufgezwungen was er selbst nicht wollte. Der Held schnaubte und weil er im Moment ein Schattenläufer war, war es ungewohnt laut und drohend, so dass er sich selbst ein bisschen erschreckte. Es war Winsel, der zu ihm kam und ihn besorgt ansah. Er stützte seine kleinen Pfoten auf seine große linke Pranke und sah mit großen Augen zu ihm hoch. Dann winselte er und stieß seinen Kopf gegen seinen großen Körper. Der Held fragte sich was das sollte. Vielleicht war das so ein Schattenläuferding.

    Die nächsten Nächte verbrachte der Held stets auf dem Plateau bei den kleinen Schattenläufern. Er genoss es einfach abschalten zu können und sich mit grundlegenden Dingen zu beschäftigen. Fressen, schlafen, Hasen jagen, den jungen beim Spielen und entdecken der Welt zusehen. Tagsüber quälten ihn Gedanken, ob er das richtige Tat. Er wollte seine Aufgabe die Hungersnot zu beenden unbedingt erfüllen, aber es widerstrebte ihm Befehle zu geben. Doch immer wieder musste er feststellen, dass die Menschen geradezu nach Führung schrien. Wenn er einfach nur bei ihnen auftauchte und sie fragte, wie sie sich ihre Zukunft vorstellten, zuckten sie nur mit den Schultern, sahen Ahnungslos in die Runde, so als hofften sie irgendjemand würde schon wissen wie es weitergehen sollte. Sie hatten all die Zeit sich darüber Gedanken zu machen, doch keinem war etwas eingefallen, um ihre Notlage zu beenden. Sie dachten nur daran wie sie die nächsten Tage überleben sollten, hielten einfach immer nur die Hände auf und wollte von ihm etwas zu Essen haben. Deswegen kam der Held immer wieder auf seinen Plan zurück. Zuerst waren die Menschen skeptisch, doch spätestens, wenn er erzählte, dass Silden, Geldern und Trelis bereits mit dem Projekt begonnen hatten, zogen auch sie mit und umso mehr Städte sich in die Liste einreihten, umso eher waren die Bewohner der anderen Städte bereit selbst mit anzupacken. Der Held hatte außer der Schattenläuferrune keine mehr, die er hergeben konnte, um den Menschen zu helfen. Die anderen Tiere waren zu klein, um einen Pflug zu ziehen. Doch er reichte die Schattenläufer- und Ripperschriftrollen und verschiedene Verwandlungstränke an die Menschen weiter, damit sie diese bei Bedarf nutzen konnten. Nach Vengard teleportierte sich der Held nicht. Dort hätte keiner Zeit jetzt Felder anzulegen und der Held wollte nicht vor Lee und die anderen treten, weil er sich nicht mit ihnen herumstreiten wollte. Als er in Faring und Gotha war, erzählten ihm die Menschen, dass die Nahrungsmittellieferungen eingetroffen waren. Der Held fand, dass sich die Ritter viel Zeit ließen, aber er war auch froh ihnen nicht über den Weg zu laufen. Bestimmt waren sie immer noch sehr angefressen wegen seiner Offenbarung wer nun eigentlich das Gitter der Burg im Minental geöffnet hatte. Die Schattenläufer wuchsen jetzt immer schneller heran und er begann sie zur Jagd zu führen. Er wusste, dass Schattenläufer Lauerjäger waren und versuchte ihnen einen entsprechenden Jagdstil zu vermitteln. Doch alles was es auf dem Plateau zu jagen gab, waren Hasen. Das wurde bald eintönig und langweilig und bald war er auch genervt, denn die Jungen lernten seiner Meinung nach nur sehr langsam und begingen immer wieder die gleichen Fehler. Die Hasen grasten meist nicht weit von ihren Bauen und sobald sie sich erschreckten, flüchteten sie in ihren Unterschlupf. Die Jungen waren aber meist zu ungeduldig, um sich nah heranzuschleichen und preschten zu früh los. Manchmal versuchten sie auch die Kaninchen auszugraben, was nie von Erfolg gekrönt war. Die Jagd auf Mäuse und Ratten gelang besser und erstaunlicherweise waren Echsen und Schlange am einfachsten zu fangen. Sie konnten sich nicht in Baue zurückziehen, das dichte Fell der Schattenläufer schützte vor einem Biss und die meisten Schlangen waren nur schwach giftig. Außerdem waren sie aufgrund der aufziehenden Kälte jetzt oft träge, doch sie verkrochen sich jetzt für den Winter und sie wurden immer schwerer zu finden. Der Held freute sich über jeden noch so kleinen Jagderfolg, denn das bedeutete, dass die Jungen immer eigenständiger wurden und bald völlig auf sich allein gestellt leben konnten. Erstaunt musste er feststellen, dass er eine leichte Wehmut verspürte. Er wollte nicht so weit gehen und sagen, dass die kleinen Fellknäul ihm ans Herz gewachsen waren, aber er hatte die Zeit in der Wildnis genossen, wo niemand große Erwartungen an ihn hatte. Die Jungen freuten sich einfach darüber, wenn er da war und noch etwas mehr, wenn er Futter mitbrachte. Ansonsten forderten sie nichts von ihm. Anders war das in der Welt der Menschen, dort hielten natürlich auch immer alle die Hand auf und wollten sozusagen von ihm gefüttert werden, aber er merkte an ihren Blicken und Worten auch, dass sie große Erwartungen hatten und glaubten er würde ihnen schon aus ihrer Miesere helfen und Myrtana wiederaufbauen. Er wollte das nicht. Er wollte frei herumreisen und Abenteuer erleben. Er half den Menschen gern, aber er wollte keine Verantwortung.
    Geändert von Eispfötchen (27.09.2021 um 15:02 Uhr)

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    Lee’s Sorgen

    Während der Held als Schattenläufer in den Wäldern Myrtanas herumstreunte, hatte Regent Lee in Vengard handfeste Probleme. Er saß an seinem großen Eichenschreibtisch und hatte seinen sorgenvollen Kopf in die Hände gelegt. Wie hatte es nur so schieflaufen können? Er hatte fest damit gerechnet, dass der Held jetzt an seiner Stelle das Land führen würde, stattdessen saß er immer noch hier und war keinen Schritt weitergekommen. Sie hatten wieder einige Lebensmittel von Khorinis erhalten. Schön. Das war nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. So würden die Menschen vielleicht ein paar Wochen länger durchhalten. Und dann? Er wusste nicht mehr weiter. Seine Kopfschmerzen plagten ihn jetzt ununterbrochen und hinderten ihn daran vernünftig zu denken. Sein Blick kreiste und fiel auf die leere Eintopfschüssel vor ihm. Er musste zugeben, dass er Theklas Kochkünste vermisst hatte. Sie schaffte es irgendwie aus allem ein leckeres Essen zu zaubern. Sie war erst ein paar Tage hier, aber seine Männer lagen ihr schon zu Füßen. Jeder leckte sich die Finger nach ihrem Eintopf. Sie hatte nach ihm das beste Zimmer bekommen. Sein Berater hatte ihr bereitwillig Platz gemacht, nachdem er seiner Aussage nach das beste Gericht seines Lebens von ihr bekommen hatte. Lee hätte nicht gedacht, dass so etwas Einfaches wie eine warme, wohlschmeckende Mahlzeit so viel Hoffnung und Zufriedenheit bringen könnte. Eigentlich sollte er sich darüber freuen, weil sich die Moral der Männer hob, doch er wusste, dass das nur das Ausmaß der Katastrophe verschleierte, in der sie sich befanden. Die Hoffnung war wie dichter Nebel, der den Abgrund, über dem sie sich festkrallten, verbarg. Manchmal half es aber den Abgrund zu sehen, um Handeln zu können. Die Schatzkammer und die Vorratskammer waren leer. Beide Kammern waren riesengroß und beide waren so verweist, das nicht einmal Spinnen darin wohnten. Schon eins dieser Schicksale kündete den Untergang einer Burg an, beides zugleich war der letzte Sargnagel für Myrtana. Trotzdem erwarteten alle von ihm, dass er es noch einmal herumriss und Lee wusste, dass er das nicht konnte. Wie hatte er sich überhaupt anmaßen können zu glauben diese Mammutaufgabe bewältigen zu können? Sein Kopf pochte schmerzhaft. Lee seufzte erschöpft. Die Tür ging auf und Gorn trat herein. Lee wusste, dass er schwach aussah, aber er war so erschöpft, dass er es nicht schaffte, sich aufzurichten.
    „Der Feuermagier aus dem nördlichen Kloster und die Wassermagier aus Varant sind eingetroffen. Der Rat kann nun zusammenkommen“, verkündete Gorn, nicht ohne seinem Vorgesetzten einen besorgten Blick zuzuwerfen.
    Endlich rührte sich der Regent. Quälend langsam erhob er sich und verkündete: „Ich bin gleich da.“
    Gorn ging und Lee trat zur Waschschüssel und spritzte sich Wasser ins Gesicht, in der Hoffnung, das würde ihn beleben. Er fühlte sich nicht besser.
    Er trat in den Thronsaal, wo nun ein großer uralter Tisch aus Eichenholz stand. Er war fast voll besetzt. Weil er nicht mehr weiterwusste, hatte der Regent sie hier versammelt. Er wusste, dass es ein Zeichen von Schwäche war, doch jetzt war nicht die Zeit für Eitelkeiten. Sie mussten Lösungen finden, um ihren drohenden Untergang noch vielleicht irgendwie abwenden zu können. Er hoffte immer noch darauf die anderen zu überzeugen den Helden doch noch zum neuen König zu ernennen. Dies war der letzte Strohhalm, an den er sich klammerte. Er setzte sich an den Kopf des Tisches. Neben ihn auf der linken Seite saß Gorn, als Kommandeur der Söldnerstreitmacht, obwohl dieser Begriff wahrlich hochgegriffen war für die paar hungrigen und verwahrlosten Männer unter seinem Kommando. Neben ihm saß Lees Berater. Er würde die Ergebnisse dieses Zusammentreffens schriftlich festhalten. Rechts vom Regenten saß Lord Hagen, der die Ritter und Paladine führte. Neben ihm saß auch dessen Stellvertreter, Lord Garond und neben dem saßen die Feuermagier Pyrokar, Karras, Milten und Altus aus dem Kloster von Nordmar. Ihnen gegenüber saßen Saturas, Myxir, Merdarion und Vatras.
    „Schön, dass ihr alle gekommen seid“, begann Lee mit fester Stimme. „Ich hoffe, dass unsere Zusammenkunft das Schicksal von Myrtana zum Guten wenden kann.“
    Es war der oberste Feuermagier vom Festland, Meister Altus, der zuerst das Wort ergriff: „Es ist mir eine Freude hier zu sein und euch alle zu treffen. Natürlich wünsche ich mir, dass Meister Karrypto noch hier wäre. In dieser schweren Zeit könnten wir seine Weisheit und Weitsicht gut gebrauchen. Er wüsste bestimmt einen Rat.“
    Lee hörte wie mehrere andere Magier ihre Anteilnahme über Karryptos Tod ausdrückten, doch er hörte nicht so genau hin, denn er versuchte sich nichts weiter anmerken zu lassen. Es war der Held, der damals Karrypto getötet hatte, als sie sich zusammen nach Vengard teleportiert hatten. Der Held hatte wohl selbst noch etwas zu erledigen gehabt, doch Lee war ihm sehr dankbar, dass er ihm bei seiner Rache geholfen hatte. Damals, als er noch General unter König Rhobar II. war, hatten Leute von dessen Hof ihn verraten, weil sie wohl seinen Erfolg neideten. Er wusste nicht genau wer es gewesen war, der die Intrige gesponnen hatte, an deren Ende die Königin tot und er zur lebenslangen Haft in der Barriere verurteilt wurde, aber er glaubte nicht, dass es Karrypto war. Lee kannte ihn von früher und da war er ihm nie als Neider aufgefallen. Vermutlich hatte er überhaupt nichts damit zu tun gehabt, aber er hatte treu zu König Rhobar II. gestanden und war ihm und dem Helden damit im Weg gewesen und die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass besser niemand dem Helden im Weg stand. Eigentlich hatte Lee nur den König töten wollen, um sich zu rächen, aber es war zu erwarten gewesen, dass die anderen das Duell mit ihm und dem König nicht einfach so hinnehmen würden. Niemand außer dem Helden und ihm wusste von ihrer schändlichen Tat, denn jeder der es hätte verraten können war tot. Später erzählte Lee, dass es die Orks gewesen seien. Er fühlte sich unbehaglich, wenn er daran dachte. Er hatte egoistisch gehandelt. Jeden Tag in der Barriere hatte er daran gedacht sich zu rächen. Der Hass hatte ihn innerlich regelrecht zerfressen und als die Gelegenheit da war, hatte er sie gerne ergriffen, um sich endlich von dieser Last, die auf seiner Seele gelegen hatte zu befreien. Um den König war es ihm nicht schade, aber der eine oder andere Getreue war unschuldig gewesen und um die tat es ihm Leid. Lee wurde aus seinen Gedanken gerissen, als er merkte wie er angesprochen wurde: „Ist das Schiff wieder unterwegs nach Khorinis?“
    Es war Lord Hagen, der ihn danach fragte.
    „Ja“, antwortete der Regent etwas verspätet. „Es sind wieder Schürfer an Bord, damit die Arbeit in den Minen rasch voran geht. Die letzte Lieferung mit magischem Erz wurde nach Nordmar zum Hammerklan gebracht, um unsere Ausrüstungsvorräte wieder aufzustocken, damit wir für einen möglichen nächsten Kampf gerüstet sind.“
    „Dieser Torlof ist doch jetzt nicht mehr Kapitän, oder?“ fragte Lord Garond düster.
    „Nein. Er wurde strafversetzt“, sagte Lee knapp, denn die Situation war ihm immer noch peinlich.
    Er hatte Torlof immer als grimmigen Kämpfer gekannt, der seinen Vorurteilen treu war, doch hatte er nie gedacht, dass er den Helden zu solch einer Tat anstiften würde.
    „Na da ist er ja noch mal milde davongekommen“, knurrte Lord Garond.
    „Wir brauchen jetzt jeden“, rechtfertigte sich Lee, aber das milde Strafmaß von Torlof hatte wohl auch sehr viel mit dem zu tun, zu was er selbst den Helden angestiftet hatte.
    „Eigentlich war es ja die Schuld des Drachentöters. Er hat das Tor geöffnet“, sagte jetzt Lord Hagen. „Hätte ich nicht von ihm erwartet. Auch wenn er eine unverschämte Zunge hat und keinen Respekt uns gegenüber zeigte, so hatte ich nicht gedacht, dass er sich gegen uns stellen würde.“
    „Wer weiß was da in ihn gefahren ist“, versuchte Lee sanft Partei für seinen Freund zu ergreifen.
    „Das lag bestimmt an diesem verdammten Schwert“, polterte Gorn.
    Lord Hagen rümpfte die Nase.
    „Dieses furchtbare Ding. Ein Affront für alle Diner Innos, dass er damit durch die Gegend läuft“, sagte Lord Hagen.
    „Naja, immerhin hat er damit die Drachen töten können“, setzte sich Gorn weiter für seinen Freund ein.
    „Dennoch“, schaltete sich jetzt Pyrokar ein. „Sollte er die Waffe nun nicht länger tragen. Sie ist ein Werk Beliars.“
    Auch Saturas meldete sich jetzt zu Wort.
    „Da stimme ich zu. Auch wenn sie ihren Nutzen für unsere Sache hatte, so ist sie doch ein schreckliches Werkzeug der Zerstörung und auch für den Träger äußerst gefährlich. Unsere Nachforschungen im Tal der Erbauer, in Jharkendar, haben ergeben, dass sie dieses Land in den Untergang führte. Der vorherige Träger, Rhademes, erlag den Einflüsterungen des Schwertes, das ihn mit seinem verderblichen Einfluss gegen sein eigenes Volk trieb. Nur jemand, der stark im Geiste und standhaft in seinem Glauben ist, kann ihrem Bann widerstehen. Je Mächtiger der Träger, desto gewaltiger ist auch die Macht des Schwertes. Es hat einen eigenen Willen und sucht sich daher besonders mächtige Menschen aus, um die eigene Kraft zu mehren. Es nötigt seinen Träger Teile der Lebenskraft auf es zu übertragen. Solche finsteren Rituale finden für gewöhnlich an Schreinen Beliars statt. Ich fürchte auch der Befreier von Myrtana ist dem Bann des Schwertes erlegen.“
    Milten war wieder etwas eingefallen, was der Held ihm mal erzählt hatte, doch er zögerte. Er war der Jüngste in der Runde und er wusste, dass manche hier am Tisch es nicht schätzten, wenn jemand einfach so dazwischen quatschte, aber er hielt es für wichtig, dass die anderen davon wussten.
    „Er sagte mir, dass er in Jharkendar nur Quahodron und Rhademes als Geist sah.“
    „Was tut das jetzt zur Sache?“ fragte Pyrokar ungeduldig, der Miltens Einwurf tatsächlich nicht besonders schätzte.
    Doch der junge Feuermagier ließ sich nicht einschüchtern und erklärte: „Nun, er hatte die Vermutung, dass die Lebenskraft, die der Träger in die Klaue Beliars fließen lässt, dafür sorgt, dass man vielleicht nicht restlos stirbt.“
    Milten sah es in Saturas und Myxirs Augen aufblitzen.
    „So etwas haben wir Wassermagier uns auch schon überlegt“, sagte Saturas und Myxir fügte hinzu: „Uns ist aufgefallen, dass Quahodron nicht ohne Grund in einer aufwendig errichteten Gruft beigesetzt wurde. Laut uralten Steintafeln sollte er der Nachwelt Auskunft über das Schicksal der Menschen in Jharkendar geben, um sie vor der Macht der Klaue Beliars zu warnen, damit sie nicht ebenfalls dieses schreckliche Schicksal teilen würden.“
    Saturas taxierte Milten aufmerksam und fragte nach: „Meinst du, er denkt, dass er selbst auch nach seinem Tod an das Schwert gebunden sein könnte?“
    „Das ist seine Theorie. Ich wollte ihn dann natürlich sofort dazu bringen das Schwert wegzulegen und die magische Verbindung zu lösen, doch er hielt nichts davon und sagte, er fände es sogar in Ordnung. Das sei eben der Preis für das Schwert. Meiner Unverständnis für seine Meinung entgegnete er lediglich ich solle ihn dann eben später mit einem Untoten vernichten Zauber belegen, oder wir sollten ihn in irgendeinen Tempel einsperren.“
    „Dieser Trottel hat ja keine Ahnung …“, murrte Saturas. „Das funktioniert doch nie.“
    „Und er hatte kein Problem damit, dass wir ihn in einen Tempel einmauern sollen?“ fragte Gorn verwundert.
    Milten zuckte mit den Schultern.
    „Er meinte, er wäre nicht scharf darauf als Untoter herumzuschlurfen, aber er meinte, vielleicht stimme seine Theorie ja nicht.“
    Gorn nickte.
    „Hört sich ganz danach an, als würde er sich nicht gerne über ungelegte Eier Gedanken machen.“
    „Das sollte er aber!“ sagte Saturas scharf. „Wenn er mehr über die Konsequenzen seiner Taten nachdenken würde, dann würde uns wohl einiges erspart bleiben.“
    Milten wollte nicht, dass sie vom Thema abkamen und sagte daher: „Er glaubt, dass es von Anfang an Beliars Plan war ihn beim Kampf gegen den untoten Drachen durch die Klaue töten zu lassen und er dann als untoter Diener Beliars gegen das Festland ziehen sollte. Vermutlich hat er die Klaue deswegen gegen die Orks nicht mehr eingesetzt. Er wusste, dass sie gefährlich war.“
    „Und warum dann dieser Sinneswechsel?“ fragte Lee neugierig.
    Zuerst sagte niemand dazu etwas. Es war ganz ruhig.
    „Vielleicht war ihm langweilig“, sagte Gorn in die Stille hinein.
    „Das könnte sogar sein“, sagte Lord Hagen abschätzig.
    Pyrokar sah gewichtig in die Runde und verkündete: „Ich denke jeder hier am Tisch wird mir zustimmen, wenn ich sage, dass wir ihm die Klaue Beliars schnellstmöglich abnehmen müssen.“
    „Ganz recht“, stimmte Saturas zu. „Und wenn wir sie ihm abgenommen haben, dann müssen wir sie untersuchen, damit wir diese unheilige Bindung lösen können. Wir können es nicht gebrauchen, dass er sich nach dem Tod gegen uns stellt. Die Schattenlords sind schon schlimm genug. Nicht auszudenken was Beliar mit ihm anstellt, wenn er tot ist. Adanos möge uns vor diesem schrecklichen Schicksal bewahren.“
    „Aber wie sollen wir ihm die Klaue abnehmen?“ fragte Gorn. „Milten, Lester und ich haben oft versucht ihn dazu zu überreden das Schwert wegzulegen, aber er wollte nie auf uns hören und ich glaube nicht, dass er sich die Klaue einfach so abnehmen lässt. Er wird sich mit allen Mitteln dagegen wehren.“
    „Er hat Recht“, stimmte Milten zu. „Und wie Saturas sagte, hat die Klaue auch ein eigenes Bewusstsein. Wenn wir versuchen sie anzufassen, wird sie uns wohl mit einem Blitz rösten.“
    „Dann müssen wir uns eben etwas einfallen lassen“, sagte Saturas gewieft. „Ich habe auch schon einen Plan. Ihr braucht euch nicht damit zu befassen. Wir Wassermagier werden uns darum kümmern.“
    „Und dann?“ fragte Lee. „Was wenn ihr ihm die Klaue abgenommen habt?“
    „Sie kommt hierher und wird strengstens bewacht“, verkündete Saturas ernst.
    „Das wird ihn ganz schön aufregen“, brummte Gorn.
    „Was es schwierig machen wird, dass er dann noch mit uns redet“, stimmte Lee zu.
    „Das wird er schon“, antwortete Saturas mit glitzernden Augen. „Mit der Aussicht das Schwert zurückzubekommen, wird er mit uns reden.“
    „Du willst es ihm dann doch nicht wirklich zurück geben?“ fragte Merdarion verwundert.
    „Natürlich nicht!“ antwortete Saturas scharf, so dass Merdarion eingeschüchtert den Kopf einzog.
    „Und woher soll er wissen, dass die Wassermagier das Schwert haben?“ wollte Lee wissen.
    Saturas lächelte.
    „Oh, das wird er schon mitbekommen. Wenn er will, ist er schlau und er sucht sich seinen Weg, selbst dann wenn man alles daran setzt etwas geheim zu halten.“
    Lee dachte nach. Das hörte sich immerhin nach einem Plan an. Er nickte.
    „Gut. Wir brauchen ihn.“
    „Du willst ihn trotz dieser Geschichte neulich doch nicht immer noch zum König machen?“ fragte Lord Hagen streng. „Ich muss sagen, ich bin noch nicht mal ganz damit zufrieden, dass du jetzt hier der Regent bist, aber bei ihm sehe ich nun wirklich schwarz. Mag sein, dass er gegen den Schläfer gekämpft, die Drachen getötet und Myrtana befreit hat, aber nicht jeder gute Abenteurer ist auch ein guter König. Ein guter König muss weitsichtig sein, gütig, edel und gerecht und er ist nicht mehr als ein vagabundierender Abenteurer, ein fähiger zwar, aber nur ein Abenteurer und kein König.“
    Garond stimmte ihm zu, indem er sagte: „Sehe ich auch so. Wer weiß was er sonst noch alles auf dem Kerbholz hat.“
    Lee versuchte nicht allzu schuldbewusst auszusehen und sagte: „Aber was ist, wenn Myrtana angegriffen wird? Wir sind viel zu geschwächt, um einen neuen Angriff abzuwehren. Die anderen Länder werden auch bald mitbekommen, dass die Orks nicht mehr hier sind und sie werden die Gunst der Stunde sicher nutzen, um uns ihrerseits anzugreifen und unser Land zu besetzen und dann würden wir auf jeden Fall besser fahren, wenn der Befreier Myrtanas in unseren Reihen mitkämpft.“
    „Ja, gut, dagegen habe ich nichts“, sagte Lord Garond schnell. „Aber als König will ich ihn ganz sicher nicht haben.“
    „Und wer soll es sonst tun?“ wollte Lee verärgert wissen. „Du hast mich neulich auch gehört. Ich habe versagt. Ich bin kein guter König.“
    Stille erfüllte den Saal. Es dauerte lange bis wieder jemand die Stimme erhob.
    „Vielleicht wird aus ihm ein guter König, wenn er genug gute Leute an seiner Seite hat, die ihm mit Rat und Tat zur Seite stehen. Er hat Potential, das steht wohl außer Frage. Er braucht nur Leute, die ihm ein Gefühl dafür geben was richtig und was falsch ist“, sagte jetzt Meister Altus.
    Seine Stimme war freundlich und warm, fast so, als säßen sie in gemütlicher Runde zusammen bei einem hübschen warmen Tässchen Tee.
    „Mir kam er nie als jemand vor, der Ratschläge anderer Leute annimmt. Nie nahm er sich für etwas Zeit. Er ist doch immer wie aufgezogen und rennt von einem Abenteuer ins nächste“, sagte Lord Hagen hart.
    „Wir müssen ihn eben überreden. Wenn jemand Myrtana retten kann, dann er“, sagte Lee und hieb mit der rechten Faust auf den Tisch, so als wäre damit alles gesagt.
    „Na schön, wenn du so große Stücke auf ihn hältst, dann versuchen wir es, aber wisse, dass du damit das Vertrauen der Paladine und Ritter gefährdest“, sagte Lord Hagen eisern.
    „Das muss ich dann wohl in Kauf nehmen“, sagte Lee, dem mehr daran gelegen war den Helden auf dem Thron zu sehen, als es den Paladinen recht zu machen.
    Damit war die Versammlung beendet. Die Wassermagier gingen sofort daran ihren Plan mit der Klaue Beliars in die Tat umzusetzen, denn sie teleportierten sich sofort weg. Lord Hagen und Lord Garond gingen zur Tür. Lee sah wie Gorn zu seinem Freund Milten ging, um mit ihm zu sprechen, dann wandte er sich um und ging in sein Gemach zurück. Er war so schrecklich müde.

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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Der warmherzige Meister Altus

    Milten war gerade erst vom Tisch aufgestanden, da sah er auch schon Gorn auf sich zukommen. Damit hatte er gerechnet und sein Freund stellte auch genau die Frage, die er sich gedacht hatte.
    „Hat er wirklich gesagt, dass er glaubt, er wird ein Untoter?“
    Gorn sah sehr besorgt aus, fast so besorgt wie Milten war, als der Held es ihm damals gesagt hatte.
    „Ja und ich fürchte, er sieht das nicht als die Katastrophe, die sie ist.“
    „Ist doch immer so. Meist ist das ja gut. In Irdorath und im Orkkrieg hat mich sein Optimismus immer aufgebaut. Ich hab mir immer gedacht, wenn er einen Weg sieht, dann haben wir auch noch eine Zukunft, doch jetzt …“
    „Ich weiß was du meinst. Ich bin froh, dass die Wassermagier einen Plan haben, um an die Klaue zu kommen.“
    „Ich hoffe, es funktioniert, nur … er wird sicher toben vor Wut“, sagte Gorn und Milten konnte ihm direkt ansehen wie unbehaglich ihm zumute war.
    Der Feuermagier nickte nur.
    „Wenn es so weit kommt, hoffe ich, dass er sich nicht selbst verletzt, oder andere. Ich wünschte wir könnten auch etwas tun, aber so wie Saturas geredet hat, glaubt er, dass sie es ganz allein schaffen. Weiß auch nicht, ob er mir noch vertraut.“
    „Wieso?“ fragte Gorn verwundert.
    „Weißt du nicht mehr damals im neuen Lager? Die Wassermagier haben mir Zuflucht gewährt nachdem Gomez alle anderen Feuermagier im alten Lager niedermetzeln ließ, aber ich habe dem Helden geholfen hinterrücks ihren Erzhaufen der magischen Macht zu berauben. Seitdem vertraut Saturas mir nicht mehr.“
    Gorn lachte schallend.
    „Naja, wer könnte es ihm übel nehmen.“
    So wie Gorn lachte, rutschte auch bei Milten ein Lächeln übers Gesicht.
    „Wo ist eigentlich Diego?“ wollte der Feuermagier wissen.
    „Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, lief er in Vengard rum. Erzählte mir, er wolle die Stadt wieder aufbauen.“
    Milten schaute überrascht.
    „Ach?“
    „Ja, aber ich sag dir: Er plant irgendwas. Wenn Diego sich so etwas überlegt, dann geht es um Profit und nicht um Nächstenliebe. Naja … soll er machen. So lange Vengard dann wieder eine Stadt ist und nicht nur eine Ruine. Was ist mit Lester?“
    „Er sagte mir heute Morgen, dass er nach Varant will, um dort Sumpfkraut anzupflanzen“, erklärte Milten.
    „In dieser Affenhitze?“
    „Er meint, an einem bestimmten Örtchen am Fluss würde es gut wachsen können.“
    „Naja, soll er mit seinem Sumpfkraut glücklich werden. Manchmal beneide ich ihn darum, dass er so sorglos ist und keine Verpflichtungen hat. Ich bin für meine Jungs aus Gotha verantwortlich, aber ehrlich gesagt bin ich auch gerne für sie da. Sie werden allerdings noch ein wenig auf mich warten müssen. Erst will ich wissen, ob unser Freund der neue König wird, oder nicht. Ich hoffe es, doch so wie die Ritter und Paladine darüber reden wird es wohl schwierig werden. So, ich geh dann mal eine Runde um Vengard und spreche mit den Wachen. Nachsehen, ob alles in Ordnung ist.“
    Gorn schlug Milten leicht auf die Schulter und ging dann aus dem Thronsaal. Nun wandte sich der Feuermagier seinen Kollegen zu. Altus, Pyrokar und Karras sprachen angeregt miteinander und er kam näher, um zu hören worum es ging.
    „…wenn das Schwert dann hier ist, werden wir die Wassermagier in ihrem Vorhaben unterstützen. Gemeinsam können wir unsere magische Macht bündeln“, verkündete Pyrokar mit ernster und entschlossener Stimme.
    „Ah, Milten, schön dich wieder zu sehen“, sagte Meister Altus mit seiner herzlichen Stimme. „Als mir Innostian sagte, er solle mir von dir ausrichten, dass du mal kurz weg wärst, hätte ich eher mit ein paar Tagen, als so vielen Wochen gerechnet.“
    Milten sah verlegen aus und bekam rote Ohren. Tatsächlich hatte er selbst nicht damit gerechnet, dass er so lange fort sein würde und jetzt bereute er, nicht persönlich Meister Altus Bescheid gegeben zu haben, so wie es angebracht gewesen wäre, sondern nur dem Alchemisten des Klosters den Auftrag gegeben hatte Meister Altus eine Nachricht zu überbringen. Offenbar schlug das auch bei Pyrokar sauer auf, denn sein scharfer Blick fuhr zu ihm herum und er schnarrte: „Wie bitte? Du bist einfach so aus dem Kloster von Nordmar abgehauen, ohne dich bei Meister Altus offiziell abzumelden? Muss ich dich daran erinnern, dass du immer noch dem hohen Rat der Feuermagier unterstehst und nicht einfach wie irgendein Hallodri durch die Welt ziehen kannst wie es dir gefällt?“
    Milten wollte sich gerade rechtfertigen, doch staunend hörte er, wie Meister Altus schon versuchte den obersten Feuermagier von Khorinis zu beruhigen.
    „Pyrokar, bitte. Milten hatte sicher seine Gründe so rasch aufzubrechen. Sicher, es war nicht ganz einfach die Ausbildung der Novizen fortzusetzen,...“
    Bei diesen Worten öffnete Pyrokar ungläubig den Mund, immerhin hatte er Milten auf Khorinis nicht gestattet die Novizen auszubilden, doch Altus ließ sich gar nicht aus der Ruhe bringen und mit seiner ruhigen Art sprach er einfach weiter: „aber wie ich gehört habe, ist es wieder einmal dem Erlöser zu verdanken, dass es keine Orks mehr hier auf dem Kontinent gibt und wenn ich richtig in meiner Annahme bin, hat Milten ihm dabei geholfen.“
    Der jüngere Feuermagier nickte.
    „Ja … es tut mir auch Leid, dass es so lange gedauert hat. Nach einer sehr blutigen Schlacht vor Moral Sul kamen meine Freunde und ich überein, ihn dazu zu überreden auf die Suche nach dem legendären Schwert Uriziel zu gehen. Er hatte es damals im Kampf gegen den Schläfer getragen und wir hofften, er würde über diesen Schatz die Klaue Beliars vergessen, oder … sie zumindest beiseitelegen. Leider hatten wir die Einflüsterungen des Schwertes wohl unterschätzt. Ich hoffe, der Plan der Wassermagier gelingt und sie bekommen das Schwert von ihm weg.“
    „Ja, das hoffe ich auch. Möge Innos sein Licht über diesem Vorhaben erstrahlen lassen“, sagte Meister Altus mit warmer Stimme.
    Damit war wohl alles gesagt, denn Pyrokar und Karras, gingen eine Treppe in einen Turm hinauf, von dem er wusste, dass dort die Bibliothek war.
    „Ich hoffe, ich habe dir keinen Ärger gemacht“, sagte Altus und lächelte Milten entschuldigend an.
    Wieder wurde Milten rot.
    „Du mir? Wenn dann habe ich dir Ärger gemacht, weil ich einfach so verschwunden bin. Ich wünschte, ich hätte mir die Zeit genommen mich offiziell abzumelden, so wie Meister Pyrokar es gesagt hat.“
    „Mach dir keine Sorgen. Ich bin dir deswegen bestimmt nicht böse. Ich habe nicht vergessen wie es ist jung zu sein und sich aufgeregt dem nächsten großen Abenteuer zuzuwenden. Darüber kann man schon mal die drögen Formalien vergessen. Auch wenn ich das Kloster liebe, es hat mich auch sehr gefreut, es mal wieder zu verlassen und durch Nordmar und Myrtana zu gehen, doch ich bin nicht mehr so jung wie einst und nun bin ich sehr müde von meiner langen Reise. In den Klans und in Faring konnte ich die Nächte verbringen, dennoch bin ich jetzt erschöpft und würde mich sehr gerne ausruhen. Kannst du mir zeigen wo ich ein Bett finden kann?“
    „Aber natürlich.“
    Milten ging voran, durch viele Gänge und Korridore der alten Burg, bis er schließlich vor einem Raum stehen blieb, in dem er sonst mit Lester geschlafen hatte. Links war gleich das Zimmer in dem Pyrokar und Karras nächtigten, rechts schliefen Lord Hagen und Lord Garond.
    „Leider ist die Burg nicht wieder ganz hergestellt und der Platz ist begrenzt.“
    „Ach, das macht doch nichts“, sagte Meister Altus gutmütig, trat ein und sah sich um.
    Der Raum war sauber und ordentlich. Gegenüber der Tür war ein kleines Fenster ohne Glas, darunter ein kleines Tischchen mit einer Kerze. Links und rechts an den Wänden standen einfache, aber bequeme Betten. Meister Altus ging an einem wackligen Regal mit Büchern und Heiltränken vorbei und setzte sich aufs rechte Bett.
    „Ah ja, das ist sehr gut für meinen alten Rücken.“
    Milten biss sich auf die Lippen. Eigentlich sollte er den alten Magier jetzt wohl alleine lassen, damit er sich ausruhen konnte, aber er war auch neugierig und fragte deswegen: „Wer leitet denn jetzt in deiner Abwesenheit das Kloster und wer lernt die Novizen an?“
    „Dargoth leitet das Kloster und Aidan kümmert sich um die Novizen. Nun, ich fürchte sie sind nicht ganz so zufrieden mit ihm und es kam immer mal wieder vor, dass einige von ihnen zu mir kamen und mich mit Fragen löcherten, wann du endlich wieder zurück ins Kloster kommst.“
    Ein leises Lächeln umspielte das Gesicht von Altus. Milten konnte nicht anders, als ebenfalls leicht zu lächeln. Es war natürlich schön zu hören, dass die eigene Arbeit geschätzt wurde, doch andererseits hatte er so auch das Gefühl möglichst schnell zum Kloster zurückkehren zu müssen.
    „Die Novizen müssen noch viel lernen, bis sie die Prüfung der Magie bestehen können. Alles braucht seine Zeit. Würdest du mich jetzt bitte allein lassen? Ein alter Mann wird schnell müde“, sagte Meister Altus leise und legte sich aufs Bett.
    Milten nickte und ging rasch davon. Er fühlte sich rastlos und durchstreifte Vengard. Er hatte mit Diego reden wollen, konnte ihn aber nicht finden. Vielleicht hatte er die Stadt verlassen, oder sich in eins der halb zerstörten Häuser zurückgezogen. Die Sonne berührte den Horizont. Um diese Jahreszeit hieß das freilich nicht, dass man gleich ins Bett fallen müsste. Milten ging zurück in die Burg an den Alchemietisch und nutzte seine letzten Feuernesseln, um daraus Manatränke zu brauen. Eigentlich hatte er noch ein gutes Dutzend, aber irgendwie hatte er das drängende Gefühl auf einen Ernstfall vorbereitet sein zu müssen. Seitdem Feomathar plötzlich die Burg im Minental angegriffen hatte, wollte er immer für alles gewappnet sein. Vielleicht war es, weil seine Gedanken wieder um diesen Angriff kreisten, heute Nacht träumte er seit langem mal wieder von der schrecklichen Nacht als der Feuerdrache die Burg angegriffen hatte. Es war nicht das erste Mal und es würde sicher nicht das letzte Mal sein, dass er davon träumte. Diese Träume plagten ihn oft, doch als er mit dem Helden unterwegs war, hatten sie ihn seltsamerweise verschont. Heute schlugen sie dafür mit umso deutlicheren Bildern und Eindrücken zu. Er hörte das Brausen der gigantischen Flügel und das Brüllen des Drachen, wie er die Luft einsog und das Geräusch, das erklang, als er Feuer spie. Er fühlte, wie die Mauern unter dem Angriff erzitterten, die Hitze, die sich so rasend schnell ausbreitete. Er hörte wieder die furchtbaren Schreie der halb verbrannten Männer, roch das verkohlte Fleisch, sah die Angst in den Augen der Verteidiger, spürte die Panik, das Entsetzen, die Hilflosigkeit angesichts eines so übermächtigen Feindes.
    Milten wachte jäh auf. Obwohl es kalt war, schwitzte er, doch er zitterte auch am ganzen Körper. Wie es in Myrtana üblich war, schlief er in seinen Klamotten. Noch immer liefen ihm fürchterliche Schauer über den Rücken und ihm war nun auch noch schlecht. Der Feuermagier setzte sich auf und barg erschöpft das Gesicht in den Händen. Der Traum war ihm so real vorgekommen. Es war, als wäre er noch einmal in dieser schrecklichen Situation gefangen. Milten schämte sich nicht dafür, dass er Angst hatte, als Feomathar die Burg angegriffen hatte. Wer hätte da keine Angst? Na gut, vielleicht der Held. Bei dem Gedanken sich dem Feuerdrachen entgegenzustellen hielt die Furcht sein Herz fest im eisernen Griff. Nein. Nie, niemals hätte er sich gegen so ein Biest stellen können, dachte er sich. Er wäre wohl vor Angst kampfunfähig gewesen. Ganz so wie es schon damals war. Selbst als er sich hatte überwinden können einen Feuersturm zu werfen, es hatte wohl keinen nennenswerten Effekt gehabt. Der Drache war einfach zu mächtig gewesen. Sich gegen so eine Urgewalt zu stellen war Wahnsinn. Und doch hatte der Held es getan und gesiegt. Das war der Grund warum so viele zu ihm aufsehen, wusste Milten, auch wenn er zugeben musste, dass der Held sich manchmal wie ein Arsch verhielt. Seltsamerweise verspürte Milten meist gerade dann Ehrfurcht vor den Taten des Helden, wenn er nicht bei ihm war. Aus der Ferne machte es irgendwie noch mehr Eindruck. Während der letzten Unternehmungen mit dem Helden, waren solche Gedanken ein wenig in den Hintergrund getreten. Der große Kämpfer war nicht hochmütig oder machte auch nur irgendein Aufhebens um seine Taten. Nein, er verhielt sich, als wäre er einfach nur irgendein Landstreicher, der des Weges gekommen war, einfach um mal zu sehen was es da so gab. Vielleicht war es Absicht, vielleicht war das auch einfach nur seine Art, doch wenn er mit dem Helden zusammen unterwegs war, wirkte alles ganz natürlich. Jetzt wo er wer weiß wo unterwegs war und Milten an den Drachenangriff zurückdachte, rückten die Taten des Helden wieder mehr in den Vordergrund und er dachte wieder mehr darüber nach. Nein, sein Freund war wirklich kein schlechter Mensch. Er hatte so viel Gutes für sie getan und auch wenn man nie wusste wo er gerade war, sie wussten, dass er da war und sie vor dem abgrundtief Bösen beschützte. Doch das Böse selbst wollte von ihm Besitz ergreifen. Die Klaue musste weg. Daran führte kein Weg vorbei, wusste Milten. Er hatte schon länger darüber nachgedacht wie seinem Freund möglichst schonend dieses unsägliche Schwert abgenommen werden könnte, doch jetzt wo Saturas, Vatras und die anderen Magier einen festen Plan hatten, wirkte es zum ersten Mal auch wirklich machbar. Der junge Feuermagier hatte gehofft seinem Freund mit gutem Zureden dazu zu bringen das Schwert des Todes beiseitezulegen, doch das hatte offensichtlich nichts gebracht. Selbst nachdem sie Uriziel geborgen hatten, dass der Held nach eigener Aussage als gutes Schwert bezeichnet hatte, machte er einfach keine Anstalten dieses vermaledeite Artefakt Beliars aus den Händen zu legen. Es hatte ihn schon zu sehr im Griff und wenn sie nichts taten, würde es ihn und damit auch sie alle ganz sicher in den Untergang stürzen. Der Held hatte immer betont, dass er es gebraucht hatte, um gegen die Drachen zu bestehen. Aus diesem Grund war der Feuermagier auch immer bereit gewesen über diesen Makel des Helden hinwegzusehen. Es war nötig gewesen, um das Schlimmste zu verhindern. Milten schluckte. Die Drachen. Wohl nie würde er vergessen was in jener Nacht geschehen war, als Feomathar die Burg angriff. Die schreckliche Schreie, das furchteinflößende Brüllen des Drachen, der durchdringende Geruch der aufs übelste verbrannten Leichen. Es würde ihn wohl für immer in seinen Träumen verfolgen.
    „Was bedrückt dich, junger Freund?“ fragte die warme, ruhige Stimme des alten hohen Feuermagiers durchs Dunkel.
    Milten fuhr zusammen.
    „Meister Altus, ich wollte dich nicht wecken.“
    „Ist schon gut, in meinem Alter hat man eh Schlafprobleme“, sagte Altus mit gleichmütiger Stimme.
    „Schlecht geträumt?“ fragte Milten, weil er nicht wusste, was er sonst sagen sollte.
    „Nein.“
    Es gab eine lange Pause.
    „Anders als du.“
    Milten fühlte sich ertappt und er wischte sich kalten Schweiß von der Stirn.
    „War das so offensichtlich?“
    „Manche Albträume spielen sich stumm im Kopf ab, aber deiner war es nicht“, sagte Altus diplomatisch.
    Milten schluckte beschämt.
    „Tut mir Leid.“
    „Es gibt nichts was dir deswegen leidtun müsste, Milten“, sagte Altus sanft.
    Wieder Stille.
    „Möchtest du darüber reden?“
    Milten zögerte. Er wusste nicht, ob er so einfach über das Erlebte reden konnte. Er hatte es bisher immer vermeiden wollen.
    „Vielleicht hilft es dir darüber zu sprechen, aber wenn du nicht möchtest, ist das natürlich auch in Ordnung“, sagte Altus einfühlsam.
    „Ich weiß nicht, wie ich anfangen soll“, gestand Milten.
    Er fühlte sich hilflos. Im Grunde wollte er über diese schlimme Zeit nicht reden, sie am liebsten tief in sich vergraben und vergessen, doch eine innere Stimme sagte ihm, dass es vielleicht besser wäre dieses Übel hinauszuwürgen, um es los zu sein.
    „Im Traum ging es um den Drachenangriff im Minental, richtig?“
    Offenbar hatte der junge Feuermagier irgendetwas dahingehend im Schlaf gesagt, so dass der alte Magier es erraten hatte. Milten nickte, dann fiel ihm ein, dass sein Gesprächspartner das in dieser Dunkelheit nicht sehen konnte und antwortete: „Ja, richtig.“
    Wieder Stille.
    „Warum warst du dort?“ fragte der alte Mann ruhig.
    „Die Paladine wurden mit der Aufgabe betraut magisches Erz aus dem Minental zu bergen. Der hohe Rat der Feuermagier vom Kloster in Khorinis hat mich ins Tal geschickt, um die Expedition mit meiner Magie zu unterstützen und weil ich die Gegend dort kenne, war ich am besten dafür geeignet. Wie ihr wisst, wurde ich im Minental zum Feuermagier ausgebildet.“
    „Hat dich der Rat etwa ganz allein dorthin geschickt? Sicher wäre noch ein weiterer erfahrenerer Feuermagier bereit gewesen mit dir zu gehen“, kam es fragend aus der Dunkelheit.
    Milten hatte das unbestimmte Gefühl die Entscheidung des Rats verteidigen zu müssen, auch wenn er sich damals auch gefragt hatte, warum keiner der anderen Feuermagier mit ihm ging. Immerhin waren die Aufgaben im Minental zu der Zeit viel dringlicher gewesen, als die im Kloster wo es genügend Feuermagier gab.
    „Nun … damals wusste noch keiner, wie schlimm es werden würde“, sagte der jüngere Magier zögernd.
    Altus antwortete nicht, aber Milten konnte hören, wie der alte Mann leise und traurig seufzte. Wieder war es kurz still, bis Milten sich bereit fühlte mehr zu erzählen: „Der Angriff des Drachen kam ganz plötzlich. Die meisten haben geschlafen und als die Wache Alarm schlug, war das Biest schon längst über der Burg und hat einen Schwall Feuer auf uns hinabgehen lassen. Wer im Freien stand hatte kaum eine Chance und wurde vom Drachenfeuer eingeäschert. Gut, dass ich zu langsam war, um hinauszurennen, sonst hätte es mich wohl auch erwischt. Parcival und Keroloth hatten sich gerade noch in die Halle der Feuermagier retten können. Parcival hatte aber wenige Sekunden durch das Drachenfeuer rennen müssen, um noch die schützenden Mauern des Feuertempels zu erreichen. Das hatte ausgereicht, um ihn übel zu verbrennen.“
    „Bei Innos, wie schrecklich. Hat ihn seine Rüstung nicht vor dem schlimmsten Schaden bewahren können?“
    Milten schwieg einen Moment.
    „Sie … hat ihn vor dem Tod bewahrt, ja, doch … seine Haut warf sofort Brandlasen und klebte an der erhitzten Rüstung fest. Ich sprach gleich einen Heilzauber, doch war die Rüstung noch so aufgeheizt, dass seine Haut sofort wieder verbrannte und mit dem Metall verschmolz. Keroloth und ich mussten ihn aus der Rüstung holen, um ihm wirklich helfen zu können.“
    „Das hört sich sehr grausam an“, sagte der hohe Magier des Feuers voller Anteilnahme.
    „Ja, es war fürchterlich. Das Schlimmste was ich jemals tun musste. Parcival hat vor Schmerz ganz fürchterlich geschrien. Er wusste, dass wir ihm helfen wollten, doch als wir ihm die Rüstung abnahmen, mussten wir ihm so auch seine vom Feuer geschmolzene Haut abziehen. Diese Schreie. Das war das Schlimmste. Ich wusste nicht, dass jemand so schauderhaft schreien kann …“
    „Es tut mir so leid, weil du solches Leiden erleben musstest. Doch immerhin … du hast ihn retten können, nicht wahr?“
    Ein tiefes Seufzen kam aus Miltens Mund.
    „Ja, nachdem wir ihn aus seiner glühenden Rüstung befreiten, konnte ich ihn erneut heilen und er war gerettet. Doch diese Qualen, die dieser arme Mann durchleiden musste …“
    Jetzt wo er einmal angefangen hatte zu reden, ging es ihm besser. Das Erlebte hatte ihm schon lange auf der Seele gebrannt und er spürte, dass es ihm richtig gut tat sich nicht einfach nur irgendjemandem anzuvertrauen, sondern jemanden, der ihm geduldig zuhörte. Milten hatte Meister Altus als weisen, geduldigen und ausgeglichenen Mann im Kloster in Nordmar kennen gelernt. Er war nie laut geworden. Diszipliniert, aber nicht streng nahm er die Tage an wie sie kamen. Mit tiefer Ruhe und Geduld führte er das Kloster unaufgeregt und voller Weitsicht. Damals hatte er Milten freundlich willkommen geheißen und seine Bemühungen geschätzt. Anders, als die Feuermagier auf der Insel Khorinis, hatte er ihm nie vorgeschrieben, was er hatte tun sollen. Er hatte ihn immer machen lassen und ihm lediglich einige kluge Ratschläge mitgegeben. Miltens Entscheidung neue Novizen auszubilden, hatte der alte Feuermagier begrüßt und ihm freie Hand gelassen. Als Milten von den Taten des Helden erzählte, hatte er ihm aufmerksam zugehört und auf dessen Ankunft gewartet.
    „Möge Innos ihn seine schrecklichen Erlebnisse überwinden lassen. Ich werde für ihn beten. Auch wenn du dir vielleicht Vorwürfe machst, weil du ihm solche Schmerzen bereiten musstest, gräme dich nicht. Du hast das Richtige getan. Du warst für ihn die Rettung vor dem Verderben. Er hatte großes Glück, dass du für ihn da warst und ihm in dieser schweren Stunde beistandst.“
    Altus Worte waren voller Mitgefühl und Wärme. In dieser rauen Welt war so etwas wirklich selten und Milten hatte ganz vergessen wie es war jemanden zu haben, der ihm das Gefühl gab sich ohne jede Scham und Scheu aussprechen zu können, egal wie schrecklich und furchtbar der Inhalt der Gespräche auch war. Bei seinen Freunden hatte Milten oft das Gefühl, sie könnten denken, er wäre zu weich für diese harte Welt. Dort ging es oft einfach darum seinen Mann zu stehen und durchzuhalten. Er wollte vor ihnen nicht schwach erscheinen. Umso mehr tat es ihm nun gut, sich diesem warmherzigen und verständnisvollen Menschen anzuvertrauen, der ihm ohne Vorbehalte so offen und gütig zuhörte und ihm Trost spendete.
    „Ich … ich hätte bestimmt mehr tun können“, sagte Milten aufgewühlt und schluckte schwer. „Nachdem ich Parcival geheilt habe, war der Drache erstmal vorüber geflogen. Wir konnten ihn noch hören. Seine Flügel peitschten durch den Wind wie riesige Segel. Es war wie ein wütender Orkan. Ich hätte rausgehen müssen, um den anderen zu helfen, doch ich hatte einfach solche Angst ins heiße Drachenfeuer zu geraten und zu verbrennen.“
    „Das ist doch nur natürlich“, sagte Altus verständnisvoll. „Vorher hatte niemand sich auch nur vorstellen können einem solchen Ungeheuer gegenüberzustehen und dann plötzlich in so eine schreckliche Situation geworfen zu werden versetzt einen fast zwangsläufig in Panik.“
    „Als ich mich dann endlich dazu aufraffen konnte hinaus zu gehen waren auf dem Hof überall grauenvoll verbrannte Leichen. Nie habe ich solch eine Luft geatmet. Es roch nach Feuer, Qualm, Elend, Tod. Ich fand noch zwei Ritter, die aus ihrer Deckung kamen und die ich notversorgte, dann kam der Drache zurück. Die Verteidiger der Burg schossen mit Bolzen und Pfeilen auf ihn, doch sie prallten an den harten Drachenschuppen einfach ab. Ich stand einfach nur da, wie versteinert im Angesicht dieses fürchterlichen Scheusals. „Mach doch etwas!“ rief mir der Drachenjäger Feros zu, der einen Bolzen nach dem anderen auf das Biest abfeuerte. Erst dann hab ich aus meiner Starre gefunden und einen Feuersturm auf den Drachen abgeschossen. Der Zauber traf ihn an der rechten Flanke, aber es sah nicht danach aus, als würde sich der Drache überhaupt daran stören. Er wütete einfach weiter und holte tief Luft um erneut sein totbringendes Feuer auf uns loszulassen. Feros und ich konnten uns glücklicherweise noch rechtzeitig in den Raum mit den Unterkünften retten, doch andere hatten nicht so viel Glück. Während der Drache weiter ausspie, sahen Feros und ich nach den Verletzten in diesem Gebäude. Manchen konnte ich selbst mit Magie nicht mehr helfen. Ich musste hilflos dabei zusehen, wie sie unter grauenvollen Schmerzen elendig zu Grunde gingen. Das ganze Gebäude erzitterte unter dem Angriff des Drachen. Wir mussten achtgeben vom Feuer weg zu bleiben und den Trümmern auszuweichen, die auf uns herabfielen. Dann endlich flog der Feuerdrache weg und ließ die Burg zerstört und rauchend zurück.“
    Milten spürte eine jähe Berührung und zuckte erschrocken zurück. Doch es war nur Altus der ihm tröstend ganz leicht eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. Der junge Mann war so sehr in seine Erinnerungen versunken gewesen, dass er nicht gemerkt hatte, wie der hohe Feuermagier aufgestanden und neben ihn getreten war.
    „Ihr musstet Furchtbares durchleiden. So ein grausiges Schicksal wünsche ich niemanden.“
    „Ich hoffe, ich habe genug getan. Oft habe ich das Gefühl, ich hätte irgendwie mehr tun müssen. Wäre ich doch nur mutiger gewesen…“
    „Junger Freund, unterschätze nicht was du in dieser äußerst schwierigen Situation geleistet hast. Ich bewundere deine Courage und deine Aufopferungsbereitschaft, weil du dich selbst angesichts dieser immensen Gefahr für deine Mitmenschen eingesetzt und ihnen beigestanden hast, obwohl dein eigenes Leben bedroht war.“
    „Danke, dass du das sagst, aber er war viel mutiger und hat sich ganz allein den Drachen gestellt, während wir anderen uns im Grunde nur hinter den Mauern der Burg verkrochen haben und zu Innos beteten, dass wir dieses Inferno überstehen würden. Tagelang waren wir in einer Art Schockstarre. Wie betäubt aßen wir, versuchten unseren Aufgaben nachzugehen, aber in Gedanken waren wir nur noch bei diesem Angriff, der uns nicht mehr aus dem Kopf ging. Egal mit wem ich damals sprach, alle wirkten tief zerrüttet. Ihre Augen waren stumpf und wie tot geworden. Sie hatten jede Hoffnung verloren. Alle glaubten dort im Minental sterben zu müssen. Doch dann plötzlich war er auf einmal da. Ganz so, als wäre nichts weiter dabei, hatte er sich durch die Reihen der Orks geschlagen, die unsere Burg belagerten und uns damit jeden Ausfall verwehrten. Er begann einfach mit den Leuten zu reden, so als wären wir nicht in einer tot geweihten Burg und würden nur noch darauf hoffen einen weiteren Tag zu überstehen. Er hat so eine besondere Art an sich. Er gibt einem das Gefühl, dass alles nur halb so wild ist, dass alles gut werden wird. Ich denke, darum sehen viele zu ihm auf. Selbst wenn er natürlich auch seine Fehler hat.“
    „Ich verstehe. Der Erlöser bringt Hoffnung, wo eigentlich keine mehr zu erwarten ist“, sagte Altus gutmütig.
    „Ich glaube, er ist genau der den Myrtana jetzt braucht. Ich wüsste einfach nicht wer uns sonst aus der Krise helfen sollte. Das ist ein unmögliches Unterfangen und unmögliches … das schafft nur er.“
    Der alte Feuermagier entzündete eine Kerze auf dem Tisch und es war, als bräche er damit einen finsteren Zauber. Ein goldener Schein erfüllte das Zimmer und begann die dunklen Erinnerungen zu vertreiben.
    „Milten“, sagte Altus ruhig und sah den jungen Feuermagier lange an. „Ich weiß, dass du aufgrund deiner schrecklichen Erlebnisse und den Taten dieses Mannes tiefe Ehrfurcht für ihn verspürst. Das ist vollkommen nachvollziehbar. Aber bitte, stelle nicht solch hohe Erwartungen an ihn. Er ist auch nur ein Mensch und kann all diese Last unmöglich alleine tragen. Wir alle sollten dazu beitragen Myrtana zu retten.“
    „Natürlich. Ich werde alles tun, um ihm dabei zu helfen“, sagte der jüngere Feuermagier entschlossen.
    Einen Moment war Milten still, dann konnte er es sich nicht verkneifen zu sagen: „Du nennst ihn doch aber auch den Erlöser.“
    „Ja, das stimmt. Er hat Myrtana von den Orks befreit und du hast mir erzählt, dass er den Schläfer besiegte und die Drachen tötete. Ich denke durchaus, dass er diese Bezeichnung verdient, doch müssen wir uns auch ganz objektiv fragen, wie viel wir ihm noch zumuten sollten. Versteh mich nicht falsch. So wie du, denke auch ich, dass er unser neuer König werden sollte, doch er braucht Berater, die ihm helfen.“
    Milten nickte.
    „Ja, du hast Recht.“
    „Möchtest du eine Tasse Tee?“ wechselte Altus plötzlich das Thema.
    Milten sah ihn überrascht an.
    „Gerne.“
    Der hohe Feuermagier nickte und ging dann aus dem Zimmer, um heißes Wasser aufzusetzen und seine Gedanken zu beruhigen.

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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Diego's Plan

    Diegos Bauch schmerzte. Was half es ein guter Jäger zu sein, wenn es nichts Gescheites zu jagen gab? Gestern hatte er einige Fleischwanzen erschlagen, die sich zwischen den Ruinen von Vengard prächtig vermehrten. Davor hatte er zuletzt an seinem ersten Tag in der Kolonie eine Fleischwanze gegessen. Einmal und nie wieder, das hatte er sich geschworen.
    Er hatte seinen Schwur brechen müssen.
    Vielleicht würde das nicht sein letzter sein. Diego sah grimmig in den wolkenverhangenen Himmel und rückte seinen Bogen zurecht. Auch heute gab es nichts zum Jagen, nicht im Wald und auch nicht unten an den Klippen wo das Meer ihm erschien, als sei es ebenso aufgewühlt wie er. Dort saßen einige halb verhungerte Fischer und versuchten ihr Glück beim Angeln. Er wollte nicht auch so enden. Jeden Tag dort hinunter stolpern, halb wahnsinnig vor Hunger und sich an den Hoffnungsschimmer klammern, dass heute einige Fische anbeißen würden. Ein Fisch reichte nämlich nicht. Zumindest nicht diesen Männern hier. Sie mussten auch für die Leute in der Burg fischen. Diego wollte sich da heraus halten. Er hatte eigene Pläne. Ihm schwebte Großes vor. Er wollte Vengard wieder aufbauen. Freilich nicht ohne Hintergedanken. Jetzt hatten die meisten Menschen nichts außer im besten Fall noch ihre alten Häuser. Kein Gold, kein Essen, manchmal nicht einmal wärmende Kleidung für den Winter. Die Not war groß. Sein Plan sah vor einiges von seinem Gold unter die Leute zu bringen. Freilich nicht als Geschenk. Er würde ihnen Kredite gewähren. Sie bekamen jetzt Gold, doch er würde Zinsen verlangen. Wie viel, da war er sich noch nicht ganz klar. Wären drei Prozent zu wenig? Vielleicht sollten es lieber neun Prozent sein? Das hörte sich immer noch nach wenig an, doch das täuschte. Nur wenige Menschen in Myrtana konnten wirklich gut rechnen. Händler, Magier und angehörige des Adels würde er damit wohl nicht hereinlegen können. Doch die meisten anderen Menschen hatten mit Mathematik nicht viel am Hut. Ihnen reichte einfache Addition und Subtraktion um durchs Leben zu kommen, so etwas Ausgefallenes wie Prozentrechnung war vielen völlig fremd. Das böse Erwachen würde also später kommen. Und für dieses Später musste er freilich gerüstet sein. Er selbst war ein erfahrener Kämpfer, doch es wäre nicht schlecht eine kleine schlagkräftige Truppe in der Hinterhand zu haben, die sich sein Gold plus Zinsen holte, wenn die Schuldner nicht zahlen wollten. Natürlich hatte er sich auch schon überlegt was passieren sollte, wenn sie nicht zahlen konnten. Immerhin würde sehr schnell eine große Summe an Zinsgeld zusammenkommen. Wer nicht würde zahlen können, würde für ihn arbeiten müssen. Entweder ebenfalls als Schläger, oder als Arbeiter, um die Häuser in Vengard wieder aufzubauen. Diese Häuser würden dann ihm gehören und nicht den Arbeitern, die sich die Buckel krumm geschuftet hatten. Er würde diese Gebäude nicht verkaufen, oh nein. Er würde sie vermieten, so wie er es mit seinem Haus in Mora Sul gemacht hatte. Oelk würde sich ganz schön umgucken, wenn er zu ihm käme und er das Gold für die Miete rausrücken sollte. Damit hätte er dann wohl auch schon seinen ersten Schläger. Oelk war ein brauchbarer Kämpfer. Jahrelang hatte er in der Arena von Mora Sul gekämpft. Jemand musste schon Nerven aus Stahl haben, um sich ihm gegenüberzustellen.
    Die so in Vengard entstandenen neuen Häuser würde er zunächst an seine Schuldner vermieten. Sie sollten natürlich weiter für ihn arbeiten und sie würden halbwegs zufrieden sein, erstmal einen Schlafplatz zu bekommen. Für den sollten sie freilich zahlen. Jeden Monat würde er die Mieten eintreiben lassen. Das würde leichter zu kontrollieren sein und die Bewohner würden sich irgendwann an die monatlich zu entrichtenden Kosten gewöhnen. So war es auch damals mit dem Schutzgeld im Alten Lager. Zuerst hatte jeder Buddler gemurrt, als er Schutzgeld an die Gardisten zahlen sollte, doch hatten sie das erst einige Wochen gemacht, hatten sie sich daran gewöhnt und sahen es schon fast als selbstverständlich an. Natürlich hatten sie immer noch genörgelt, aber es hatte nur sehr selten jemanden gegeben, der gegen dieses System aufbegehrte. Dadurch, dass seine Schuldner, dann auch noch Miete zahlen sollten, würden sie ihren Goldbetrag nicht so schnell abarbeiten können. Die Frist, bis zur Zurückzahlung würde länger dauern und durch den Zins würde er mit jedem verstrichenen Tag automatisch mehr Gold bekommen. Wenn sie dann endlich ihre Schulden abgearbeitet hatten, konnten sie gehen. Umso mehr Häuser in Vengard dazukamen, umso mehr Leute würden sich auch dafür interessieren in der Hauptstadt zu wohnen. Natürlich müsste es auch Annehmlichkeiten geben. Ein Badehaus, eine Arena, einen Markt, eine Bank, vielleicht sogar ein Theater und all das würde ihm gehören. Umso attraktiver Vengard werden würde, umso höher würde er seine Mieten ansteigen lassen. Schließlich sollten die Bewohner für die neuen Annehmlichkeiten zahlen. Wer nicht mehr zahlen konnte, weil der Betrag zu hoch wurde, würde von seinen Schlägern vor die Tür gesetzt. Die Burg würde dem König gehören, doch die Stadt gehörte dann ihm. Diego grinste breit. Ja, das hatte er sich gut überlegt, doch zunächst mussten die Grundlagen geschaffen werden. Ohne Stabilität konnte es nichts werden und hier kam der Held ins Spiel. Vor ihrer Reise nach Khorinis hatte er sich nicht genau festlegen wollen. Er hatte die Wünsche seines Freundes nach Freiheit und Abenteuern respektiert. Er mochte ihn und wollte nicht, dass er unglücklich war, doch er brauchte ihn für seine Ziele. Mit ihm wäre viel einfacher zu reden, als mit Lee. Außerdem brauchte er sein Zeug zurück, dass sein Freund immer noch in dieser praktischen magischen Hosentasche mit sich herumschleppte. Vielleicht würde Diego sogar Schatzmeister werden. Er hatte dem Helden das mal so aus Spaß vorgeschlagen, doch nun dachte Diego sich, dass er nichts dagegen hatte, wenn das Wirklichkeit werden würde. Die Schatzkammer von Lee war bestimmt leer. Er dagegen hatte das nötige Gold.
    Diego ging nun zur Burg, um dort zu fragen, ob er etwas Fisch kaufen konnte und vielleicht würde er dort auch schon seinen ersten Schuldner finden. Ungewöhnlich viele Menschen waren in der Burg versammelt. Normalerweise waren um diese Zeit die meisten unten am Meer und angelten, doch heute standen hier Fischer und Wachen, unterhielten sich leise, aber schauten immer wieder zur Tür, die ins Innere der Burg führte, so als warteten sie auf etwas. Im Moment verwaltete Bennet das Lager an der Schmiede.
    „He, hast du etwas zum Essen zu verkaufen?“ fragte Diego.
    Bennet seufzte.
    „Du bist jetzt schon der vierte Typ, der mich deswegen anquatscht. Nein, hab ich nicht. Würde ich sonst so abgemagert aussehen? Ich würde mir das Zeug viel lieber selber reinziehen, als es zu verkaufen. Gold ist mir im Moment nicht so wichtig.“
    Damit hatte sich auch Diegos geplante Nachfrage nach Bennets Liquidität erübrigt.
    „Gibt es irgendwas Neues?“
    Bennet ruckte mit dem Kopf zur Seite.
    „Na sieh mal da!“
    Diego drehte sich um und sah wie mehrere Söldner aus der Burg schritten und zum Schluss folgte Lee. Sie traten im Hof an, wobei der Regent mit dem Rücken zur Schmiede stand und seine Weggefährten ansah. Dazu gehörten Gorn, Jarvis, Wolf und Cord. Rod und Cypher waren nicht dabei. Offenbar hatten sie sich bereits abgesetzt und waren eigene Wege gegangen.
    „Es freut mich euch hier versammelt zu sehen“, sagte Lee feierlich und sah tatsächlich sehr glücklich in die Runde. „Seit der Zeit in der Barriere habt ihr zu mir gehalten und mir vertraut. Ich habe euch gesagt, dass wir die Kolonie verlassen und eines Tages in Vengard stehen würden und nun ist es endlich so weit. Ich weiß, ihr seid schon ein paar Tage hier und habt die Burg bewacht, aber ich möchte die Gelegenheit nutzen und euch für eure Treue danken. Ihr habt mir immer beigestanden und daher biete ich euch an, ganz offiziell als Hauptmänner der königlichen Wache beizutreten, damit ist euch ein lebenslanger Platz mit gesichertem Einkommen in Vengard sicher. Doch es ist eure Entscheidung. Ihr könnt natürlich auch auf eigene Faust herumziehen und entscheiden, was ihr nun mit eurem Leben anfangen wollt.“
    Cord war der Erste, der sich zu Wort meldete: „Ich nehme dein Angebot an. Wenn möglich, würde ich gerne die anderen Wachen im Schwertkampf unterweisen. Ich finde, dieser abgemagerte Haufen braucht noch etwas gutes Training.“
    Lee schmunzelte leicht und sagte: „Guter Mann Cord, nichts anderes habe ich von dir erwartet.“
    Jarvis nickte nur und sagte knapp: „Bin auch dabei.“
    Gorn zögerte einen Moment, polterte aber dann mit seiner lauten Stimme los: „Nimms mir nicht übel Lee. Ein Leben als Hauptmann der Wache hört sich nicht schlecht an, aber ich fühle mich für meine Männer in Gotha verantwortlich und werde sie nicht im Stich lassen. Sobald ich weiß, ob du König bleibst, oder nicht, werde ich zurück nach Gotha gehen. Natürlich halte ich dir auch weiterhin die Treue.“
    Lee nickte.
    „In Ordnung. Du bist mir auch dort von großem Nutzen.“
    Wolf sah etwas unbehaglich drein.
    „Ich bin kein Mann, der es lange hinter Mauern aushält. Hauptmann der Wache, das liegt mir nicht. Ich würde lieber als Jäger für dich arbeiten. Im Moment ist nicht viel um Vengard herum zu holen. Ich denke, ich werde erstmal durch Myrtana streifen und mich mit der Gegend vertraut machen, sehen was es noch so an Wild zu holen gibt. Hab gehört die Minecrawler sind hier anders als auf Khorinis. Ich hoffe, ich finde noch welche, damit ich mir das mal genauer ansehen kann.“
    „Schade, aber es ist natürlich deine Entscheidung. Ich hoffe auf Jagdglück für dich“, wünschte ihm Lee. „Schön, dass wir das so schnell geklärt haben. Nun, Cord, Jarvis, ich möchte, das ihr die anderen Wachen fair behandelt, aber wer Ärger macht, muss auch die Konsequenzen tragen.“
    Jarvis und Cord nickten. Das kannten sie natürlich schon von früher. Die Versammlung löste sich auf. Wolf verließ den Burghof Richtung Wald, Lee ging in den Thronsaal zurück, Cord und Jarvis trommelten alle von der Wache zusammen und machten klar, wer hier jetzt das sagen hatte und fingen sofort mit dem Training an. Sie waren nicht garstig, nur ein wenig ruppig. Gorn ging zu Diego, der ihn mit den Worten begrüßte: „Dachte mir schon, dass du bald wieder nach Gotha gehen wirst.“
    „Kann doch meine Jungs nicht im Stich lassen. Will aber noch sehen, ob der Plan der Magier funktioniert und sie unserem Freund die Klaue abnehmen können.“
    „So? Das wollen sie machen? Hm…“
    Gorn sah ihn ungläubig an.
    „Muss ich mir Sorgen machen? Sonst wusstest du doch immer über alles Bescheid.“
    „He, ich will mich nicht einmischen“, behauptete Diego. „Anders als du, hab ich hier nicht besonders viel zu melden.“
    „Du hättest eben auch aufs Neue Lager setzen sollen“, triezte Gorn ihn und zwinkerte seinem Freund zu.
    Diego gab nur ein kurzes verstimmtes Brummen von sich und sagte dann: „Ich werde noch ein bisschen warten. Hört sich so an, als wenn der Plan der Wassermagier nicht allzu lange auf sich warten lassen wird. So lange kann ich bestimmt noch warten. Ich will immerhin auch wissen, ob unser Freund noch König wird.“
    „Ach, bist du jetzt doch dafür? Sonst hast du dich mit deiner Meinung ja eher zurück gehalten“, sagte Gorn erstaunt.
    „Ich … bin zu der Erkenntnis gelangt, dass es für alle gut wäre, wenn er der neue König wird.“
    Gorns Augen verengten sich skeptisch.
    „Hauptsache du ziehst nicht irgendein krummes Ding mit ihm ab. Es ist wichtig, dass er einen guten Start als König bekommt.“
    „Was denkst du von mir? Ich werde ihn doch nicht über den Tisch ziehen“, sagte Diego und bemühte sich ehrlich zu klingen.
    „Na gut, dann bin ich beruhigt.“
    „Lester hat mir gesagt, dass er in Lago Sumpfkraut anbauen will. Ich hoffe, er passt gut auf sich auf. Die Assassinen haben uns in Mora Sul so komisch beäugt“, wechselte Diego das Thema.
    „Lester ist gut darin sich aus Schwierigkeiten herauszuhalten, der macht das schon“, wollte Gorn ihn beruhigen.
    „Und was ist mit Milten? Geht er zurück ins Kloster in Nordmar?“ fragte Diego.
    „Ich weiß nicht. Im Moment bleibt er noch hier. Natürlich will auch er wissen, ob die Wassermagier Erfolg haben.“
    Gorn und Diego sahen kurz zu Cord, der Bennet nach einem brauchbaren Schwert fragte, offenbar war eins der Wachen beim Training zerbrochen. Als der neue Hauptmann der Wache ein grob geschmiedetes Schwert mit der rechten Hand empfing, sah Diego einen Aquamarinring aufblitzen. So einer war ihm schon bei Lares aufgefallen und hatte er so einen nicht auch mal beim Helden gesehen? Er fragte sich, ob diese Ringe eine tiefere Bedeutung hatten.

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    Der Weg in die Selbstständigkeit

    Der Held nahm zur Kenntnis wie schnell die kleinen Schattenläufer wuchsen. Schon jetzt waren sie fast so groß wie Wölfe und Keck hatte gestern seinen ersten Hasen gefangen. Nun vielleicht schmälerte diesen Triumph, dass es bereits ein alter Hase war, aber dennoch war der Held erfreut, da er nun wusste, dass er die Schattenläufer bald sich selbst überlassen konnte. Er selbst hatte auch viel über die Jagd in Tiergestalt gelernt. Als Mensch reichte es meist einfach auf irgendein Biest zuzulaufen, um einen Angriff zu provozieren. Hier auf dem Plateau gab es aber keine großen Kontrahenten, die einem Schattenläufer Paroli bieten könnten. Er musste wie ein Schattenläufer jagen, aus dem Hinterhalt. Er musste lernen, dass es unglaublich viel Geduld erforderte sich an die Beute anzuschleichen und zu warten, manchmal Stundenlang. Dabei war es aber wichtig, trotzdem jeden Muskel anzuspannen und wachsam zu sein, denn jederzeit könnte ein Kaninchen aus seinem Bau kommen und dann musste er schnell zuschlagen. Die jungen Schattenläufer ahmten ihn nach und so wie er besser in der Jagd wurde, fiel es auch ihnen immer leichter sich zu gedulden. Als Mensch wäre ihm diese Jagdmethode wohl schwer gefallen. Einfach nur auf dem Boden lauern und warten, dass etwas geschah, das war überhaupt nicht seine Art, doch hier in der Wildnis gab es nichts was ihn drängte. Es gab nichts zu tun. Nur die kleinen Schattenläufer wollten Futter, ansonsten stellte niemand Ansprüche an ihn. Ein wenig würde er das wohl vermissen.
    Er riss die Augen auf. Da! Ein Kaninchen hatte sich aus seinem Bau gewagt und er wollte gerade losspringen, um es sich zu holen, doch Winsel kam ihm zuvor. Sein Hunger war wohl zu groß. Er sprang mit einem großen Satz auf das Kaninchen, hielt es mit den Vorderpfoten auf dem Boden fest und brach dem kleinen Tier dann mit einem kräftigen Biss das Genick. Es war ein Fang wie aus dem Lehrbuch. Der Held brummte zufrieden. Diese Nacht blieb er noch bei den Jungen, doch als sie sich zum Schlafen in die Höhle begaben ging er nicht mit ihnen. Sie sahen kurz zu ihm zurück, doch dann gingen sie weiter. Wussten sie, dass er sie verlassen würde? Er verließ das Plateau und verwandelte sich in einen Menschen zurück. Ihm ging durch den Kopf, dass er sich keine Gedanken machen sollte. Es waren nur Tiere, was sollten die schon denken?
    Er teleportierte sich nach Kap Dun, um zu sehen wie es mit dem Fischfang voran ging. Er sah kaum jemanden. Vermutlich waren die meisten Bewohner unten am Strand und angelten. Ohne Schiff war es mühsam genügend Fische zu fangen. Der Held hielt sich aber nicht damit auf zum Strand runter zu gehen. Er wusste, wo er schnell erfuhr was er wissen wollte. Marlo, der früher Händler in Reddock war, führte nun eine Kneipe. Sie war noch neu und hatte bisher keinen Namen. Sehr präsent befand sie sich gegenüber des Hotels, neben dem Haus von Norris, der nun Kap Dun führte. Früher stand ein Zelt der Assassinen an diesem Platz. Der Held betrat das Holzhaus und bemerkte den intensiven frischen Geruch nach Holz. Hier war es erstaunlich gepflegt. Marlo legte viel Wert auf eine ordentliche Taverne, so viel war sicher. Es gab eine Theke, zwei Tische und einige Stühle. Sogar einen Kamin gab es, damit die Kundschaft auch im Winter kommen würde. Josh, der nach Rendells Aussage hierhiergekommen war, um zu Angeln, kauerte deprimiert an einem Tisch vor einer leeren Schnapsflasche. Sein Kopf sank müde auf die Tischplatte. Phil und Harek, die damals Sklaven in Kap Dun waren, saßen auch in der Kneipe und würfelten, um sich die Zeit zu vertreiben. Sie hatten wohl die Nacht durchgezecht, aber wohl keine Lust darauf endlich schlafen zu gehen. Marlo sah geschafft und sehr abgemagert aus. Auch ihn hatten diese schweren Zeiten nicht verschont.
    „Schöne Taverne hast du“, begann der Held ein Gespräch.
    Marlo grinste ihn müde an und fuhr sich über seinen fast kahlen Schädel.
    „Ja, nicht wahr. Haben alle aus Kap Dun mit angepackt, dafür durften sie dann eine Woche saufen, ohne etwas zu bezahlen. Naja … hehe…“
    Der dürre Wirt lachte.
    „Hab ja nicht behauptet, dass ich unendliche Vorräte an Alkohol da hätte. Nach zwei Tagen war Schluss, aber mittlerweile habe ich schon gute Lieferwege aufgetan.“
    „Welche denn?“ wollte der Held wissen.
    „Ich hab ein Ruderboot. Damit rudere ich einmal in der Woche nach Lago rüber und hole mir Nachschub. Copper arbeitet für mich. Er gibt mir Begleitschutz. Den Assassinen traue ich nur so weit wie ich einen Troll werfen kann, aber Schnaps brennen können sie. Wenn wir hier eine Grundlage hätten, dann könnten wir das auch. Vielleicht nicht so guten, aber irgendwas wäre schon mal besser als nichts. Hast du rein zufällig Reis, Hopfen oder irgendwelche Früchte bei dir?“
    „Nein. Ich hab schon alles Essbare an die Menschen in Myrtana verteilt“, antwortete der Held.
    „Ja, schlimm ist es geworden. Alle haben Hunger, aber wenn‘s dann nicht mal was zu saufen gibt, dann ist das echt schlimm. War wohl ein Grund warum mir so viele bereitwillig dabei geholfen haben diese Kneipe aufzubauen. Groß ist sie nicht, aber es reicht.“
    „Ver-stehe.“
    „Hast du gemerkt wie gut ich den Platz für meine Taverne ausgesucht habe?“ fragte Marlo und er lächelte breit und zufrieden und fuhr sich über seinen Schnurrbart.
    Bevor der Held etwas sagen konnte, gab der Wirt schon Antwort: „Wenn mal bessere Zeiten kommen und wieder Schiffe unten in der Bucht anlegen, dann brauchen die Seemänner nur den Pfad hoch nach Kap Dun kommen und sich links halten und schon sind sie hier in meiner Taverne. Kurze Laufwege, das ist wichtig für die Kundschaft.“
    „Sieht aber nicht so aus, als würde hier demnächst irgendein Schiff anlegen“, bemerkte der Held trocken.
    „Stimmt“, sagte Marlo und seufzte schwermütig.
    „Wie läufts mit den Fischen?“ wollte der Held wissen.
    „Geht so. Fast jeder in Kap Dun ist Fischer geworden. Ich gehe auch zum Angeln runter, meist am Nachmittag, jedenfalls wenn ich denn mal zum Schlafen komme.“
    Er warf einen kurzen finsteren Blick zu Phil und Harek.
    „Ich bin natürlich froh über Kundschaft, aber die soll gefälligst auch was kaufen und nicht nur rumsitzen und mit irgendwelchen Scheißwürfeln rumspielen.“
    „Kommt denn viel Kundschaft?“
    „Nicht wirklich. Die meisten Leute in Kap Dun haben nichts mehr zum Tauschen und Gold schon gar nicht mehr. Der letzte mit Gold war so ein Typ mit Tätowierungen im Gesicht, rauchte Sumpfkraut und hat Schnaps und einen Fisch bestellt.“
    „Lester war hier?“ fragte der Held interessiert.
    „Du kennst auch jeden, was?“
    Marlo lachte schallend. Der Held wusste nicht was daran lustig sein sollte.
    „Wo ist er hingegangen?“ fragte der Held nach.
    „Hat mich gefragt wo ich den Schnaps herhabe. Da habe ich ihm erzählt, dass ich ihn mit dem Ruderboot aus Lago hole. Da wurde er hellhörig und hat gefragt, ob ich ihn übersetzen würde.“
    „Und? Hast du ihn nach Lago gebracht?“
    Marlo grinste.
    „Klar hab ich. Er hat mir mehr Gold gezahlt, als ich im letzten Monat überhaupt gesehen habe.“
    „Verstehe.“
    Der Held nickte. Damit hatte er schon viel herausgefunden, aber er war noch nicht zufrieden.
    „Wie läuft es mit der Feldarbeit?“
    „He, wir haben erst angefangen. Du weißt ja, letztes Mal hat sich noch keiner so richtig bereit erklären wollen sich das Geschirr anzulegen. Wir haben die Tränke unter uns aufgeteilt. Brenton, der meist als Holzfäller arbeitet, kam wohl noch am besten damit zurecht. Die Anderen hatten bald keinen Bock mehr als Tier eine Furche in die Erde zu ziehen und haben sich vom Acker verpisst. Meinten es wäre unangenehm ein Geschirr zu tragen. Diese Arschgeigen fühlten sich wohl herabgewürdigt.“
    „Verstehe“, wiederholte der Held. „Hast du es je versucht?“
    Marlo hob abwehrend die Hände.
    „He, ich habe hier genug mit meiner neuen Taverne zu tun.“
    „Aber Brenton würde auch weiterhin als Tier arbeiten, wenn er neue Tränke bekommen würde, oder?“
    „Ich denke schon. Weißt du …“
    Marlo grinste verschwörerisch.
    „Die Männer aus Myrtana kommen nicht nur mit der Aussicht nach Kap Dun hier zu Angeln, sondern auch weil hier zwei Frauen leben. Sie waren auch bei der Rebellion dabei. Jetzt schlagen sich die Männer um sie, doch sie wollen wohl nicht einfach irgendeinen Grobian an sich ran lassen. Die haben besondere Ansprüche. Wehrhafte Mädels sind das.“
    Er grinste so, als hätte er seine Aussage selbst überprüft.
    „Die suchen sich selber aus, wer mit ihnen das Bett teilt. Und Brenton hat natürlich ebenfalls ein Auge auf eine davon geworfen. Ich glaube, es war die Jüngere. Sie hat auch mal interessiert zu ihm geschaut, als er als Schattenläufer das Feld gepflügt hat. Vielleicht denkt er ja, sie wäre beeindruckt und er bildet sich deswegen was drauf ein.“
    So genau hatte es der Held eigentlich gar nicht wissen wollen. Ihm hätte gereicht zu erfahren, dass Brenton neue Tränke brauchte, um weiterhin am Feld arbeiten zu können. Trotzdem sagte er: „Gutes Gespräch.“
    Er legte hundert Goldstücke auf den Tresen, drehte sich um und verließ die noch namenlose Taverne, um Brenton zu suchen. Der kam gerade gähnend und sich streckend aus seiner Hütte und fuhr sich durch seine schwarzen Haare. Er war ebenso abgemagert wie die meisten Myrtaner und offensichtlich sehr verwundert so früh am Morgen angesprochen zu werden.
    „He du. Ich hab gehört, du kommst ganz gut als Tier zurecht. Hier hast du noch fünf Verwandlungstränke. Drei Verwandlungstränke in einen Schattenläufer und zwei für Ripper“, sagte der Held kurz angebunden und drückte ihm die Tränke einfach in die Hände.
    Brenton drückte die Tränke überrascht an die dürre Hühnerbrust, damit sie ihm nicht herunterfielen. Er beeilte sich etwas halbwegs Intelligentes zu sagen: „Ähm… Danke. Gut, dass du kommst. Umso schneller ich das Feld gepflügt habe, umso schneller können wir das Saatgut in die Erde bringen. Die Lieferung aus Vengard liegt im Lagerhaus. Das Essen ist natürlich schon aufgebraucht.“
    „Verstehe.“
    Der Held drehte sich einfach um und ließ Brenton zurück, der ihm verwundert nachsah und dann in seine Hütte zurückkehrte, um die Verwandlungstränke in seiner Truhe einzulagern, bis er sie nutzen wollte. Währenddessen ging der Held runter zum Strand und lief ungebremst ins Wasser. Mit einem Boot wollte er nicht fahren. Wozu? Er konnte doch schwimmen.

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    Sumpfkraut in Lago

    Lester und der Held saßen unter der warmen Sonne Varants, die einen vergessen ließ, dass der Winter schon vor der Tür stand, bei Bernd dem Händler vor dem Haus. Dieser Mann war schmal und klein und ein ungepflegter Bart wucherte in seinem Gesicht, konnte allerdings eine große Warze am Kinn nicht ganz verdecken. Er war früher Sklave und wurde durch den Überfall der Nomaden auf Lago befreit. Heute verkaufte er Waren aller Art und jetzt hatte er angesichts der starken Nachfrage von Spirituosen auch eine kleine Bar eingerichtet.
    „Ich verdiene ganz gut. Marlo zahlt jeden Preis, den ich ihm nenne. Muss er wohl. Drüben gibt es wohl keinen Schnaps.“
    Bernd lächelte und offenbarte zwei große Zahnlücken. Offenbar hatte er schon ein paar Mal kräftig aufs Maul bekommen.
    „Marlo meinte, er würde mit einem Assassinen handeln“, sagte der Held.
    Bernd verdrehte die Augen.
    „Für den ist vermutlich jeder, der in Varant lebt, ein Assassine. Hier in Lago kommen natürlich auch mal Assassinen vorbei, aber die Nomaden haben ein Auge darauf, dass sie nicht länger bleiben, wenn du verstehst was ich meine. Ist mir ganz recht so. Ich genieße mein freies Leben. Wie gesagt, ich verdiene gut.“
    Bernd grinste wieder breit.
    „Na dann schieb noch mal einen Schnaps rüber, du reicher Mann“, sagte der Held und ließ ein paar Goldstücke auf den Tisch fallen.
    Bernd goss nach und schenkte sich dann selber ein. Zu dritt stießen sie an und tranken.
    „Was hast du denn im Moment vor?“ fragte Lester seinen Freund.
    „Ach, im Moment versuche ich was gegen die Hungersnot zu tun. Hab den Bewohnern der Städte in Myrtana Verwandlungstränke und ein paar Druidensteine gegeben, damit sie die nötige Kraft haben die Felder zu pflügen. Mal sehen, ob es klappt. Ein paar Bisons mussten auch dran glauben. Eigentlich ist es eine recht langweilige Aufgabe und so furchtbar langwierig. Vermutlich wird es noch Monate dauern, bis überhaupt irgendein Fortschritt zu sehen ist.“
    Der Held sah frustriert aus. Lester klopfte ihm auf die Schulter und meinte: „Pflanzen brauchen eben Zeit zum wachsen und in Myrtana wird es jetzt Winter, da wächst fast gar nichts mehr.“
    „Das Sumpfkraut wächst hier doch ganz gut“, entgegnete der Held.
    „Ja, Sumpfkraut ist auch etwas anderes“, sagte Lester und grinste breit. „Außerdem ist Rasul ein guter Gärtner. Er versteht viel von dem Kraut.“
    „Übrigens … da ich dir vorhin all dein Sumpfkraut zurückgegeben habe, was wirst du damit anfangen?“ fragte der Held seinen Freund.
    „Na anbauen“, sagte Lester, so als wäre das selbstverständlich. „Ich hab mit Rasul ausgemacht, dass wir den Sumpfkrautbestand um eine große Fläche erweitern wollen. Hier ist ja nur die kleine Fläche bei der Arena zu gebrauchen, aber unten am Fluss ist ein Stück am Westufer rauf eine tolle langgezogene Fläche, die bestens für den Anbau von Sumpfkraut geeignet ist. Dort ist es schön warm und feucht und der Boden ist voller Nährstoffe, da sollte es wie verrückt wachsen. Dort werde ich die Pflanzen aus dem Minental einsetzen. Wenn ich sie dann ein bisschen in Ruhe lasse und sie sich vermehren, werden wir bald so viel Sumpfkraut haben, das es für alle Menschen von Myrtana, Nordmar und Varant reicht.“
    Der Held stellte sich kurz vor, wie alle Menschen vom Festland bekifft waren und musste schmunzeln. Dann wurde er plötzlich wieder wachsam. Daran, wie Lester an ihm vorbei sah und die Augen verengte, erkannte er, dass sein Kumpel wohl etwas gesehen hatte, das Aufmerksamkeit erforderte. Er wollte ihn gerade danach fragen, als Lester ihm schon zu zischte: „Pass auf! Der Typ hinter dir will dir bestimmt ein Andenken an Varant mitgeben.“
    „Sieht der so aus, als hätte ihm ein Steingolem seinen Gesichtserker an einer Burgmauer plattgedrückt?“
    „Ja genau. Kennst ihn wohl?“
    „Sicher.“
    Der Held stand rasch von seinem Sitz auf und stellte sich dem Unruhestifter entgegen. Wie der Held bereits vermutet hatte, war es Tufail und der hatte wohl noch eine offene Rechnung mit ihm, wie ihm der in seinem Ärmel versteckte Dolch sagte.
    „Ist was? Oder stehst du nur zum Spaß mit dem Zahnstocher hinter mir?“ fragte der Held salopp.
    Das Gesicht des Angreifers wurde zuerst weiß wie alter Milchreis und wechselte dann zur Farbe von rohem blutigem Fleisch. Ganz offensichtlich ärgerte er sich darüber, dass der Held seine Absichten vorzeitig erkannt hatte.
    „Du erbärmlicher Sohn einer Sandratte hast meinen Bruder auf dem Gewissen. Dafür werde ich mich rächen!“
    „So? Willst du nen Sarg, oder ne Feuerbestattung?“ fragte der Held.
    Der Assassine antwortete nicht, sondern griff mit seinem Dolch an. Der Held fackelte nicht lange, wich aus, zog die Klaue Beliars und machte den Angreifer einen Kopf kürzer.
    Bernd sah beunruhigt zum Aufruhr herüber.
    „Das hätte ganz schön ins Auge gehen können“, meinte Lester, als er sich den nun im blutigen Sand liegenden Dolch näher ansah. „Der ist vergiftet. Wenn er dich auch nur gestreift hätte, wärst du wohl verloren gewesen.“
    „Hab doch noch Heilzauber“, ließ sich der Held nicht weiter beunruhigen.
    „Wenn ich du wäre, würde ich wachsam bleiben“, riet Lester ihm, den das eben geschehene mehr beunruhigte als den Helden. „Gibt bestimmt noch mehr Assassinen, die Angehörige in Ishtar verloren haben und wer weiß wie schnell solches Gift wirkt.“
    Der Held zuckte nur mit den Schultern.
    „Ich pass schon auf mich auf. Um dich mach ich mir da mehr Sorgen.“
    „Um mich?“ fragte Lester und lachte verdutzt. „Wieso denn um mich? Was habe ich damit zu tun?“
    „Die Leute hier sind nicht ganz einfach, schnell beleidigt und immer auf der Suche nach dem eigenen Vorteil. Wäre wohl schlecht, wenn jemand ein Problem mit dir hat und du wegen zu viel Sumpfkraut in dem Moment Schwierigkeiten hast dich auf einen Kampf zu konzentrieren“, drückte es der Held vorsichtig aus.
    „Ich?“ fragte Lester und zeigte überflüssigerweise auf sich selbst. „Ach i wo. Wo denkst du denn hin? Ich bin topfit.“
    „Naja“, der Held sah Lester zweifelnd an. „Ich denke da nur an unsere Überfahrt aufs Festland. Pass einfach auf und lass dich nicht abstechen, in Ordnung?“
    „Ich werd schon auf mich aufpassen alter Freund“, sagte Lester grinsend.
    Der Held sah ihn immer noch zweifelnd an, griff in seine Hosentasche und zog eine Rune hervor.
    „Hier. Nimm diese Rune, dann hast du Unterstützung.“
    „Wolf rufen“, sprach Lester, als er den Zauber erkannte.
    Er setzte den Zauber gleich ein und ein brauner Wolf, der zutraulich zu ihm hochsah, materialisierte sich. Als er Lester erkannte, gab er ein freudiges Fiepen von sich und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz.
    „Ja hallo Waldi, wie geht‘s dir denn?“ fragte Lester glücklich den Wolf und strubbelte ihm durchs Fell.
    Wie zur Antwort stellte sich der Wolf auf die Hinterbeine und stemmte seine Vorderfüße gegen Lesters Körper und drückte seinen Kopf zutraulich gegen ihn.
    „Er hat dich wohl vermisst“, stellte der Held fest. „Na sieht so aus, als wenn ihr euch versteht.“
    „Danke“, sagte Lester glücklich. „Na dann werde ich wohl mal mit dem Sumpfkrautpflanzen anfangen. Komm mit Waldi!“
    Lester drehte sich um und verließ mit Waldi auf den Fersen Lago. Der Held lachte leise und kramte dann einen Teleporterstein aus seiner Hosentasche. Er wollte mal nachsehen wie weit die Druiden mit ihrer Entscheidung gekommen waren.
    „He, was ist mit der Leiche? Soll die jetzt einfach so da liegen bleiben?“ fragte Bernd, doch der Held hörte gar nicht richtig zu und teleportierte sich einfach weg.

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    Ein neuer Auftrag für den Ring des Wassers

    Lares seufzte und fragte sich welcher Wassermagier sich diesen beknackten Plan ausgedacht hatte. Saturas? Vatras? Merdarion? Oder alle Wassermagier zusammen? Lares schätzte sich als guten Dieb ein, aber ausgerechnet ihn zu beklauen und dann auch noch die Klaue Beliars, das würde in vielerlei Hinsicht schwierig werden. Zum einen war es schwer ihn überhaupt zu fassen zu kriegen. Ständig reiste er herum und durch seine Teleporterrunen konnte er innerhalb von Minuten verschwunden sein. Und wenn man ihn dann mal antraf, musste man ihn auch irgendwie dazu bringen eine Zeit lang an diesem Ort zu bleiben, oder ihm folgen zu können. Der Plan der Wassermagier sah vor, ihm das Schwert zu stehlen, wenn er schlief, nur wie Lares seinen Kumpel kannte, ließ er auch mal das eine oder andere Nickerchen ausfallen. Wenn es denn so weit wäre, brauchte es Magie, um der Klaue habhaft zu werden. Eigentlich sollten das die Wassermagier machen. Sie hatten sich über die Städte Myrtanas aufgeteilt, weil sie es am wahrscheinlichsten fanden, dass er sich irgendwo im Mittelland rumtreiben würde. Doch es gab nicht genügend Wassermagier, so dass in manchen Städten magiebegabte Mitglieder vom Ring des Wassers diese Arbeit erledigen sollten. Und so war es in Geldern. Lares hätte sich gewünscht, dass ein Wassermagier diese schwierige Aufgabe übernehmen würde, aber er hatte nur zwei ehemalige Sklaven aus Varant bekommen. Sie waren magiekundig und hatten die ambitionierten Ziele selbst zu Wassermagiern zu werden. Mit diesem Auftrag wollten sie sich den Wassermagiern beweisen. Dabei konnte so viel schief gehen. Lares war sich unsicher, ob er diesen Auftrag wirklich durchziehen sollte. Sein Kumpel würde bestimmt stocksauer werden, wenn er sie dabei erwischte, wie sie ihm das Schwert stehlen wollten. Wenn es schief ging, dann würde Lares wohl entweder durch den Zorn der Klaue sterben, weil sie sich entlud, oder er würde sterben, weil sein Kumpel ihn damit köpfen würde. Lares fuhr sich gedankenverloren um den Hals.
    Er war sein Freund, verdammt! Lares hatte nun wirklich viele Leute beklaut, aber bei Freunden hielt er sich zurück. Gut, er hatte nicht viele wirkliche Freunde, aber ihn zählte er dazu. Sie hatten so viel zusammen durchgemacht und irgendwie war ihm dieser Vagabund sympathisch.
    „He, Lares, ich habe gerade gesehen wie er durchs Stadttor gekommen ist.“
    Lares sah auf und schaute in das teigige Gesicht von Tavin. Er war glatzköpfig und genauso ein dürres Hemd, wie die meisten Männer in diesen Tagen. Lares seufzte. Er rang mit sich.
    „Na gut, ich rede mal mit ihm. Mal sehen was sich machen lässt. Du und Morgan, ihr bleibt hier! Besser er sieht euch nicht.“
    „Warum?“ fragte Tavin verwundert.
    Lares rollte mit den Augen.
    „Frag nicht so blöd! Besser er weiß nicht wie ihr ausseht, dann wird es schwerer für ihn euch zu jagen und die Innereien aus euch rauszuprügeln.“
    Tavin bekam große Augen und sah aus, als würde ihm schlecht.
    „Was für ein beschissener Auftrag“, schimpfte Lares und ließ Tavin einfach stehen.
    Lares ging zur Schmiede, weil sein Freund dort gerade mit dem Schmied sprach. Er tauschte einige Waffen gegen Erzrohlinge ein und drehte sich dann herum.
    „He, na wie geht’s?“ fragte Lares, als der Held ihn gesehen hatte und auf ihn zukam.
    „Gut“, sagte der Held knapp.
    Mit seinen geschulten Sinnen bemerkte Lares, dass sein Gegenüber heute bereits ins Glas geschaut hatte. Schnaps aus Varant, wenn er es richtig einschätzte. Daraus ließ sich was machen.
    „Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen. Komm! Gehen wir ins Wirtshaus, trinken was und quatschen ein bisschen“, schlug Lares vor und grinste breit.
    „Ich hatte eigentlich vor nach Norden zu den Druiden zu gehen. Hab noch was mit ihnen zu besprechen.“
    „Ach, die können doch warten“, sagte Lares und wedelte mit der Hand. „Einen Tag hin oder her. Komm schon, ich möchte mal wieder richtig mit dir reden.“
    Der Held kniff kurz die Augen zusammen. Wurde er misstrauisch? Lares versuchte nicht verunsichert auszusehen.
    „Na gut, gehen wir.“
    Ein riesengroßer Felsbrocken fiel Lares vom Herzen. Er klopfte seinem Freund kameradschaftlich auf die Schulter und sie gingen zusammen zum Wirtshaus von Geldern. Unten war der Schankraum und oben konnte man übernachten, wenn man wollte. Das war ideal für den Plan. Jetzt musste Lares den Helden nur dazu bekommen, kräftig einen über den Durst zu trinken und sich anschließend auszuruhen. Im Wirtshaus war es leer. Alkohol auf leerem Magen war auf Dauer sehr anstrengend für den Körper. Das wusste auch Lares und wünschte sich, er hätte heute was zu essen gehabt.
    „Setz dich schon mal, die erste Runde geht auf mich“, rief Lares seinem Freund zu und ging zum Wirt und sagte: „Zwei Nordmarer Nebelgeist!“
    Flüsternd setzte er hinzu: „Aber tu die beiden in einen Krug und den anderen füllst du mit Wasser, einverstanden? Er steht noch gut im Futter und kann das verkraften, aber wenn ich mit leerem Magen zu viel saufe, kippe ich aus den Latschen. Wenn wir eine neue Runde bestellen, machst du es genauso. Heute Abend wartet ein prall gefüllter Goldsack auf dich.“
    Lares streckte dem Wirt schon mal zwanzig Goldstücke mehr als nötig hin, um die erste Runde zu bezahlen. Der Wirt nickte bloß und stellte zwei Krüge raus, in die er die Getränke kippte. Lares nahm sie an und achtete genau darauf seinem Freund den Krug mit dem doppelten Nordmarer Nebelgeist hinzustellen. Er setzte sich, stieß mit seinem Kumpel an, und sie tranken. Lares nippte zuerst nur etwas am Wasser, doch dann sah er wie der Held seinen Krug in einem Zug ausleerte.
    „Meine Fresse, hast du einen Zug drauf. Hätte wohl gleich ein Fass her rollen sollen, oder? He, Wirt, noch eine Runde!“
    Der Wirt kam mit vier neuen Krügen angeschlurft.
    „Du hättest auch einfach nur eine Flasche hinstellen können“, meinte der Held.
    Lares biss sich auf die Lippen. Er warf einen bedeutungsvollen Blick zum Wirt, der schnell improvisierte: „Ne, hier gibt es jedes Mal einen neuen Krug, das lässt sich dann am Ende besser zählen. Ich hatte es schon so oft, dass mich die Leute verarschen wollten und mir sagten, sie hätten drei Schnaps weniger getrunken, als ich aufgeschrieben habe. Wenn aber die Krüge dastehen, kann mich keiner bescheißen.“
    „Es sei denn sie sind weg“, sagte der Held keck.
    „Die sind abgezählt, ich merk sofort, wenn einer weg ist“, knurrte der Wirt und warf ihm einen finsteren Blick zu.
    „He, sollte nur ein Spaß sein“, kam es zur Antwort.
    „Will ich hoffen“, meinte der Wirt, stellte vier Krüge auf den Tisch und ging wieder weg.
    Lares trank seinen ersten Krug aus und stellte erleichtert fest, dass auch der zweite nur mit Wasser gefüllt war. Zum Glück ließ sich jetzt auch sein Freund etwas mehr Zeit.
    „Wie läuft‘s bei dir? Was machst du so?“ fragte sein Freund.
    „Ach nicht viel. Ich hänge so herum. Hab was zum Jagen in den Wäldern gesucht, aber das ist schwerer als einen Goldsack in einem Bauernhof zu finden. Zu stehlen gibt es auch nichts. Die Taschen der Leute sind leer. Da ist nicht mehr viel zu holen.“
    „Bereust du es aufs Festland mitgekommen zu sein?“
    „Nein. Auf Khorinis wäre wohl auch nicht mehr los und irgendwie bin ich froh die Rebellion gegen die Orks miterlebt zu haben. War eine aufregende Zeit.“
    Der Held brummte nur und trank seinen zweiten Krug aus.
    „Willst du vom Festland verschwinden?“
    „Wohin? Mit was?“ fragte Lares.
    Der Held zuckte mit den Schultern.
    „Wer weiß, vielleicht kommt irgendwann mal ein Schiff vorbei.“
    „Wenn, dann um Myrtana anzugreifen. Zum Handeln kommt doch freiwillig keiner her“, meinte Lares.
    Er hatte das Gefühl irgendwie ein richtiges Gespräch in Gang bringen zu müssen, doch er wusste, dass sein Freund meistens keine langen Reden schwang. Es würde schwierig werden.
    „Wie bist du damals eigentlich an die Goldteller der Orkschamanen herangekommen?“ wollte Lares wissen.
    „Na was denkst du? Nachdem die Orks tot waren, brauchten sie die ja nicht mehr“, sagte der Held und zwinkerte ihm zu.
    „Oh“, kam es von Lares.
    Für eine längere Geschichte hatte seine Frage offenbar nicht getaugt. Sie tranken ihren dritten Krug. Lares wischte sich seine Haare aus dem Gesicht, denn sie waren ganz schön lang geworden und nun fielen sie ihm ständig in die Augen.
    "Siehst du mich noch, oder soll ich dir mit meinem Schwert die Haare abrasieren?" fragte sein Freund und zwinkerte ihm zu.
    Lares wurde es ganz anders. Er musste daran denken, dass er ihn wohl eine Etage tiefer, nämlich den Hals abrasieren würde, wenn er herausbekam, dass er ihm eben dieses Schwert stehlen wollte.
    "Nein", antwortete Lares und er konnte seine Angst nicht ganz verbergen.
    "He, sollte nur ein Scherz sein."
    Es wurde kurz still.
    „Hab gehört sie wollen dich hier zum König machen“, versuchte Lares es erneut.
    „Hör bloß auf“, schmetterte sein Freund dieses Gesprächsthema ab.
    Sie saßen einen Moment stumm da und Lares wurde es schon bang, weil sein Freund sich fragen könnte, was das hier sollte. Vielleicht würde er gleich einfach aufstehen, sich verabschieden und gehen. Doch unerwartet fing er dann selbst ein Gespräch an.
    „Weißt du noch damals in der Barriere? Wenn es ein Gewitter gab, dann konnte man sie richtig gut sehen.“
    „Ja, das weiß ich noch sehr gut. Hing lange genug dort fest.“
    Es war nicht klar, ob der Held ihm richtig zugehört hatte. Jedenfalls ging er nicht auf seine Antwort ein.
    „Manchmal hab ich einfach mal eine Pause eingelegt und zugesehen wie die Blitze auf die Barriere trafen. Das sah richtig beeindruckend aus. Sonst sah man die Barriere ja nicht, da könnte man fast glauben, sie wäre gar nicht da. Aber sie so zu sehen … das hat mich jedes Mal darin bestärkt mein Ziel die Barriere niederzureißen weiter voran zu treiben.“
    Lares schluckte. Was machte er hier eigentlich? Er wollte den Mann berauben, der ihm die Freiheit ermöglicht hatte, den Mann, der ihn mit aufs Festland genommen hatte. Er würde ihn verraten. Nichts anderes als das war es, was er hier trieb: Verrat. Er könnte diese Aufgabe immer noch abbrechen. Er könnte den Abend jetzt beenden und gehen und es wäre nie etwas passiert. Es fielen ihm wieder die Worte von Saturas ein, als er dem Ring des Wassers erklärt hatte, worum es ging. Lares sah auf das Schwert. Im Moment sah es gar nicht so übel aus. Es hing leise am Gürtel seines Freundes. Dunkle Rauchschwaden waberten drumherum, doch sonst sah es beinahe aus wie ein ganz normales Schwert. Saturas meinte, der Befreier Myrtanas würde unter dem Bann des Schwertes stehen und sie müssten ihn daraus befreien, oder Schreckliches würde geschehen. Lares war neugierig darauf zu hören, wie sein Freund zu dieser Sache stand, doch es wäre klüger heute nicht über das Schwert zu sprechen, damit er nicht misstrauisch wurde und dachte, dass er ihm die Klaue abnehmen wollte. Auch wenn es Lares nicht passte, er fühlte sich dazu genötigt diesen Auftrag durchzuziehen. Für die Wassermagier, aber auch für seinen Freund, wenn es stimmte, was sie sagten und ihn das Schwert früher oder später ins Verderben stürzen würde.
    „Bin froh da raus zu sein“, antwortete Lares schließlich und hoffte, er hatte nicht zu lange mit einer Antwort gezögert.
    Der Held sah aber nicht mehr ganz frisch aus und hatte die lange Pause wohl nicht bemerkt.
    „Damals hat immerhin keiner hohe Ansprüche an mich gestellt“, sagte sein Freund und er klang irgendwie traurig.
    Lares konnte sich ein Glucksen nicht verkneifen. Sein Freund sah ihn verwundert an und fragte: „Was ist?“
    „Das glaubst auch nur du. Klar, am Anfang warst du nur der Neue. Aber du hast schnell bewiesen, dass du was auf dem Kasten hast. Obwohl du zuerst im Alten Lager warst, hast du doch auch andauernd bei uns rumgehangen und die Banditen und Söldner haben über dich geredet. Zum Beispiel über diese Geschichte wie du Baal Isidro das Erz und das Sumpfkraut abgenommen hast.“
    „Ja, das war sehr gewinnbringend“, erinnerte sich der Held und schmunzelte.
    „Naja und natürlich waren auch immer irgendwelche Gerüchte im Umlauf. Ratford will mal gesehen haben, wie du im Wald einfach auf einen Schattenläufer zugelaufen bist und ihn aufgeschlitzt hast und Gorn hat von einem Kampf gegen einen Troll erzählt.“
    „Ja, und?“ fragte der Held und zuckte mit den Schultern.
    „Mann, weißt du überhaupt was du da redest? Die meisten haben sich im Neuen Lager doch nur die Eier geschaukelt, den ganzen Tag Reis gefressen und darauf gewartet irgendwie an Erz zu kommen, um es dann später wieder in der Taverne zu versaufen. Bei dir war dagegen immer was los. Für Lee und mich war klar, dass nur du das Zeug dazu hast zusammen mit Gorn die Freie Mine zurückzuerobern und du hast es verdammt noch mal gepackt. Das war doch das reinste Himmelfahrtskommando.“
    „Hm…“
    Eigentlich hatte Lares erwartet, dass ihn sein Lob freuen würde, doch sein Freund sah eher deprimiert aus.
    „Soll heißen, ihr habt auch damals schon große Stücke auf mich gehalten und ich hab es nur nicht gemerkt.“
    Lares sah ihn skeptisch an, wusste dann aber nicht was er sonst sagen sollte, außer: „Sozusagen. Wir sind dir bis nach Irdorath gefolgt, Mann. Das hätten wir doch nicht für irgendeinen Nichtskönner getan.“
    Lares winkte dem Wirt, damit er Nachschub brachte. Kaum stand der doppelte Nordmarer Nebelgeist auf dem Tisch griff der Held zu und spülte ihn die Kehle hinunter.
    „Ich will kein König sein“, sagte er jetzt mit schwerer Zunge. „Ich will einfach nur herumziehen und Abenteuer erleben. Frei sein, keine Verantwortung, verstehst du?“
    Lares sah seinen Freund verunsichert an. Das machte ihm anscheinend wirklich zu schaffen.
    „Das macht dich fertig, was?“
    Mit einem kräftigen, etwas unkoordiniert aussehenden Nicken, gab sein Freund seine Zustimmung.
    „Hast du genug getrunken? Vielleicht solltest du dich oben in einem Bett ausruhen. Ich regle das mit der Bezahlung beim Wirt schon.“
    Der Held sah ihn aus glasigen Augen an. Seine Stirn furchte sich.
    „Irgendwas wollte ich doch noch machen…“
    „Ach, das hat bis morgen Zeit. Du musst doch auch mal schlafen“, versuchte Lares ihn zu überreden.
    Wieder nickte der Held.
    „Stimmt, die letzten Tage hab ich das etwas schleifen lassen.“
    Während Lares zum Wirt ging, um ihm einen dicken Geldbeutel zu überreichen, stand der Held leicht schwankend auf und torkelte zur Tür.
    „He, langsam“, sagte Lares, als er hinter seinem Freund herging, weil der beinahe gestolpert wäre. „Komm, hier geht’s hoch.“
    Lares bugsierte den Helden die Treppe hoch und fragte sich dabei, welcher Trottel sich ausgedacht hatte, dass die Betten eines Wirtshauses im oberen Stock liegen sollten.
    Hier war niemand. Es gab im Moment mehr als genug leerstehende Häuser in Geldern, da brauchten nur Leute auf der Durchreise diese Betten hier in Anspruch nehmen. Hier stand auch ein Kamin, aber er war nicht in Betrieb, deshalb wirkte der Raum kalt und dunkel, aber dem Helden war das wohl im Moment egal.
    „Ruh dich aus“, empfahl Lares und sah zu wie sich sein Freund auf eine der Strohmatten fallen ließ.
    Sein Kumpel lag auf der rechten Seite, so dass die Klaue Beliars ihn nicht beim Schlafen störte. Jetzt war der Moment gekommen sie ihm abzunehmen. Er sollte zu Tavin und Morgan gehen und ihnen Bescheid geben, dass ihr Teil der Aufgabe nun anstand. Doch Lares zögerte. Er vergrub das Gesicht in den Händen und lehnte sich für einen Moment mit dem Rücken an den Türrahmen. Was sollte er tun? Sollte er ihn wirklich verraten? Sollte er das Schwert klauen? Er könnte immer noch gehen. Würden die anderen seinen Kumpel wirklich zum König machen, wenn er das Schwert los war? Das war offenbar genau das, was sein Freund keinesfalls wollte. Er würde ihn doppelt verraten. Das Schwert klauen und ihn ein Stück in die Richtung schubsen, die er keinesfalls gehen wollte. Saturas hatte aber gesagt, es wäre das Richtig das zu tun. Er hatte da irgendwelches langes Gerede über die Zukunft von Myrtana abgelassen. Ja, sicher, Lee hatte auch Schwierigkeiten die Situation hier in den Griff zu bekommen und sein eigener Bauch war auch nur voller Wasser. Lares schaute auf seinen schlafenden Freund. Er würde es hinkriegen, ganz sicher sogar. Er würde das Ruder noch mal rumreißen. Er schaffte alles. Ein hoffnungsvoller Gedanke keimte in Lares auf. Vielleicht müsste er nur so lange König sein, bis die Hungersnot vorbei war und Myrtana sich stabilisiert hatte. Dann könnte es ja wieder jemand anders machen. Das würde doch bestimmt gehen. Mit diesem Gedanken hatte er sich selbst überredet, verließ die Taverne und traf sich mit Morgan und Tavin, die bei seiner Hütte gewartet hatten.
    „Es ist so weit. Er schläft. Wir sollten uns beeilen. Einer von euch sollte einen Schlafzauber bereithalten, falls er aufwacht. Selbst wenn wir anderen beiden schon unterwegs sein sollten, wir brauchen einen guten Vorsprung.“
    Seine beiden Mittäter nickten und zusammen gingen sie zur Taverne zurück. Sie versuchten möglichst wenige Geräusche zu verursachen. Lares fiel das leicht, aber die beiden anderen hatten das Konzept des Schleichens wohl nicht verstanden. Glücklicherweise wachte der Held davon nicht auf. Die beiden Wassermagieranwärter standen einen Moment einfach nur da und starrten auf den Schlafenden herab.
    „Na los!“ zischte Lares und riss sie so aus ihrer Starre.
    Tavin zog eine Telekinese Spruchrolle aus dem Beutel, den er sich umgehängt hatte, lockerte die Finger und setzte dann seine Magie ein. Irgendwas ging schief. Nicht das Schwert, sondern etwas Stroh stieg in die Luft auf und kam Tavin entgegen. Lares konnte nicht verhindern sich gegen die Stirn zu schlagen. Wäre es nicht so wichtig still zu sein, hätte er Tavin jetzt zur Schnecke gemacht, so rempelte er ihn aber nur verärgert an. Der Zauber brach ab und Tavin sah entschuldigend zu Lares hoch. Die alte Spruchrolle hatte sich bereits in Luft aufgelöst. Er brauchte eine neue und kramte in seinem Beutel. Diesmal zielte er wohl sorgfältiger, denn die Klaue löste sich vom Gürtel und schwebte tatsächlich in der Luft auf sie zu. Kaum wurde sie vom Zauber berührt, begann sie laut zu knistern. Vielleicht wollte sie seinen Träger wecken, damit der dieses Treiben unterband, oder das Schwert wollte sie einschüchtern. Vermutlich würde es sie töten, sollten sie ihm zu nahe kommen. Tavins Finger zitterten. Wenn er den Zauber jetzt löste, wäre wieder eine Spruchrolle verbraucht.
    „Ganz ruhig“, flüsterte Lares ihm zu.
    Langsam gingen Lares und Tavin rückwärts die Treppe hinunter. Morgan blieb oben, einen Schlafzauber in der Hand, um ihnen einen guten Vorsprung zu sichern.
    „Und jetzt?“ flüsterte Tavin.
    „Hol einen Teleporterstein aus der Tasche und bring das Schwert nach Vengard!“ raunzte Lares.
    Tavin sah ihn verwirrt an.
    „Ich habe keinen Teleporterstein und selbst wenn, mit einem laufenden Zauber kann ich mich nicht teleportieren. Ich könnte den Zauber nur abbrechen, aber dann teleportiert das Schwert sich ja nicht mit mir.“
    Lares stieß ein wütendes Knurren aus und tigerte im Licht des Mondes hin und her.
    „Dann müssen wir es eben so nach Vengard bringen.“
    „So?!“
    „Ja, haben die Magier wohl vergessen uns zu sagen. Wirklich, ein dämlicher Plan ist das“, schimpfte Lares. „Komm! Wir haben keine Zeit zu verlieren. So erregen wir natürlich ganz schön Aufsehen. Es wird nicht schwer für ihn sein uns zu folgen. Besser wir sind in Vengard, bevor er uns eingeholt hat.“
    Tavin hielt den Telekinesestrahl jetzt vor sich und versuchte das Schwert einen Meter vor sich in der Luft zu halten. So gingen sie dann auch durch das Stadttor. Eine der Wachen gähnte gerade laut, doch als ein vor Blitzen wild zuckendes Schwert an ihm vorbeischwebte, riss er hellwach die Augen auf.
    „Was zum …?“ kam es auch von seinem Kollegen.
    „Kümmert euch um euren eigenen Kram!“ knurrte Lares sie an und bevor die beiden von der Stadtwache wussten was sie jetzt tun sollten, war das seltsame Gespann schon im Wald verschwunden.
    „Sag mal, hast du das gerade auch gesehen, oder hab ich zu viel Schnaps gesoffen?“ fragte die eine Wache.
    „Eh, du bist im Dienst und säufst?“ fragte die Andere.
    „Naja was anderes kann man ja hier nicht machen.“
    „Auch wieder wahr. Ich hab das aber auch gesehen. Sollen wir das melden?“
    „Müssen wir wohl, aber erst wenn die Wachablösung kommt, sonst lassen wir das Tor doch unbewacht zurück.“
    „Stimmt.“

    Der Weg nach Trelis war mühsam. Tavin war es offenbar nicht gewohnt im Dunkeln herumzulaufen. Er hatte sich schon zwei Mal den Fuß an Wurzeln gestoßen und war über einen großen Stein gestolpert, so dass der Zauber unterbrochen wurde und das Schwert zischend in ein Gebüsch fiel.
    „Warum hab ich nur ausgerechnet dich an der Backe?“ schimpfte Lares. „Jetzt sieh zu, wie du das Schwert da wieder rausbekommst und es ist besser für dich, wenn du jetzt nicht das Gebüsch herumschweben lässt!“
    „He, ich kann doch nichts dafür, dass es hier so dunkel ist. Du hättest ja auch mal an eine Fackel denken können“, wehrte sich Tavin, holte einen mittleren Manatrank aus seinem Beutel hervor, entkorkte ihn und trank die Flüssigkeit.
    „Damit er uns noch leichter findet? Du träumst wohl! Wenn der uns mit dem Schwert findet, zerhackt er uns in kleine Stückchen.“
    „Ich hab gehört ihr seid Freunde.“
    Lares sog zischend die Luft ein.
    „Wenn der erfährt was ich gemacht habe, wird mir das wohl nicht viel helfen und jetzt sieh zu, dass du das Schwert wieder holst!“
    Die Klaue schätzte es offenbar gar nicht einfach in irgendeinem Gebüsch in einem unbedeutenden Wald zwischen Geldern und Trelis entsorgt zu werden, denn sie ließ ein paar Blitze durch das Dickicht zucken. Lares kam es ganz so vor, als würde ihnen das Ding sagen wollen, dass es sie rösten würde, sobald sie nah genug an es heran kamen. Es war nur ein Gegenstand, aber er glaubte fast, dass es wütend war. Endlich schwebte es dank Tavins Telekinese hoch in die Luft, streifte einen Baum, durch den jetzt auch ein Blitz zuckte und einige tote Vögel fielen herunter.
    „Ja, errege noch mehr Aufsehen“, knurrte Lares.
    „He, ich gebe hier mein Bestes“, meinte Tavin.
    „Was wohl nicht viel ist, du talentloser Käsekacker“, gab der alte Gauner zurück.
    „Wenn ich mal Magier bin, wird es dir leidtun so mit mir geredet zu haben“, entgegnete Tavin.
    „Wenn es denn überhaupt mal so weit kommt. So wie es aussieht werden wir tot sein, noch bevor der neue Tag beginnt“, schnarrte Lares.
    „Es geht doch schon wieder voran. Siehst du, ich beeile mich ja.“
    „Das will ich auch schwer hoffen.“
    Tavin stellte sich nicht gerade geschickt an und brauchte bis nach Trelis noch zwei weitere Telekinese-Spruchrollen. Vielleicht hatten die Magier sowas schon bedacht und ihm deswegen so viele mitgegeben. Hauptsache das Schwert kam in Trelis an.
    „Ich geh schon mal voran und hole Merdarion“, sagte Lares und lief einfach los.
    „He, lass mich nicht mit dem Ding allein“, jammerte Tavin ihm nach, doch Lares achtete gar nicht darauf.
    Merdarion schlief im Gasthaus und Lares musste ihn wachrütteln.
    „Wir haben das Schwert. Tavin kommt gleich her.“
    Der Wassermagier riss die Augen auf.
    „Gut gemacht. Ich komme sofort mit.“
    Tavin sah völlig fertig aus, als er vor der Stadt ankam. Merdarion überhäufte ihn mit Lob. Lares nervte das, denn er fand Tavin hatte das nicht wirklich verdient.
    „Sehr gut gemacht Tavin. Du kannst dir sicher sein, dass wir Wassermagier deinen Mut und dein magisches Geschick in Erinnerung behalten werden. Zur Belohnung werden wir dich und Morgan zu Wassermagiern ausbilden. Schlaf dich jetzt erstmal aus und komme dann nach Vengard. Wir werden uns da versammeln.“
    Tavin legte das Schwert auf dem Boden ab, so dass Merdarion seinerseits einen Telekinese Zauber auf es wirken konnte. Der Wassermagier sah jetzt zu Lares.
    „Du kommst mit! Ich brauche dich noch.“
    Ein tiefes Grollen kam aus Lares Kehle. Er hatte gehoffte jetzt abhauen zu können. Je mehr Kilometer er zwischen sich und seinen Freund brachte, umso besser, doch er hatte irgendwie schon geahnt, dass er den ganzen Weg bis nach Vengard mitkommen sollte.
    „Wir sollten uns beeilen“, mahnte Lares.
    „Kriegst wohl kalte Füße Lares?“ fragte Merdarion freundlich.
    „Solltest du auch, oder glaubst du er wird sich darüber freuen, dass wir ihm sein Schwert geklaut haben? Ich weiß wirklich nicht wie ihr es hinbekommen wollt, dass er sich die Klaue nicht einfach zurückholt. Der wird stinksauer sein. Ich seh schon ein paar Köpfe rollen.“
    Seine Worte vertrieben die gute Laune des Wassermagiers.
    „Ja, wir sollten uns wirklich beeilen.“

    Es wurde eine lange Nacht. Merdarion stellte sich viel geschickter an als Tavin. Er trug eine Telekineserune, so dass er nicht befürchten musste keinen Zauber mehr übrig zu haben. Anders sah es mit seinen magischen Kräften aus. Auch er war sehr erschöpft, als sie die nächste Stadt erreichten: Montera.
    Dort sollte Lares Myxir wecken. Er übernahm das Schwert jetzt, doch Merdarion würde mit ihnen zur Hauptstadt gehen. Sie kamen noch an Gotha und Faring vorbei, wo Cronos und Nefarius zu ihnen stießen. Jeder neu dazu gekommene Wassermagier war einmal damit an der Reihe die Klaue herumschweben zu lassen. Die schien in ihrer Wut nicht nachzulassen. Immer noch knisterte und rauchte sie vor Zorn, aber Lares dachte sich, dass das nichts im Vergleich zu seinem Freund wäre. Hoffentlich hatte Morgan die Stellung gehalten. Ihm wurde übel bei dem Gedanken, dass sein Kumpel jeden Moment wie ein wütendes Nashorn auf sie zustürmen könnte. Dieser Gedanken trieb ihn zur Eile. Er war in seinem Leben selten so glücklich gewesen, wie in dem Moment, als er im Schein der aufgehenden Sonne die Ruinen von Vengard sah. Auch hier staunten die Stadtwachen, doch wegen der vielen Magier sagten sie sich wohl, dass es schon seine Richtigkeit haben würde, wenn da ein magisches Schwert über den Burghof flog. Lares eilte schon los, um Saturas zu holen, der hier in Vengard auf sie warten sollte. Er war hocherfreut seine Kollegen mit dem Schwert zu sehen.
    „Meine Brüder, ihr habt es geschafft. Adanos, sei Dank. Was für ein großer Tag. Bringen wir das Schwert runter in die Kerker. Merdarion, hole du die Feuermagier! Sie müssen uns bei dieser Sache unterstützen.“
    Die übrigen Wassermagier setzten sich in Bewegung und ließen das Schwert behutsam die Treppe hinunter schweben.
    „Lares! Für dich habe ich noch einen Auftrag!“ hielt Saturas ihn davon ab ihnen zu folgen.
    „Noch einen?“ fragte Lares ungläubig. „Ich hab meine Haut heute doch schon für euch riskiert und ich denke es ist unnötig zu sagen, was uns blüht, wenn er hierherkommt.“
    „Ja, das ist wirklich unnötig“, sagte Saturas trocken. „Du sollst Vatras in Ardea und Riordian in Kap Dun benachrichtigen, damit sie hierherkommen.“
    Lares sah aus, als würde er gleich vor Wut platzen. Er atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen.
    „Na schön, diese eine Sache noch, aber dann hau ich ab und damit du es weißt, so bald braucht ihr mich nicht mehr um einen Gefallen bitten.“
    „Warte, du kriegst noch deine Belohnung“, hielt Saturas ihn auf.
    „Behalte das Gold!“ sagte Lares, dem es nicht richtig vorkam für seinen Verrat bezahlt zu werden.
    Er wusste, er würde sich dann nur noch mieser fühlen.
    „Geht’s dir gut? Bist du krank?“, fragte Saturas amüsiert.
    Lares antwortete ihm nicht auf seine Fragen, sondern sagte stattdessen: „Seht bloß zu, dass er nicht mehr an das Teil kommt, oder es wird bald keine Wassermagier mehr auf dem Festland geben, wenn du verstehst was ich meine…“
    Mit diesen Worten drehte sich Lares um und schritt eilig zum Burghof hinaus.
    Geändert von Eispfötchen (23.10.2021 um 13:07 Uhr)

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    Kochende Wut

    Das Erste was er hörte waren Schritte, die sich eilig entfernten. Der Held fühlte sich wunderbar ausgeruht. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so gut geschlafen hatte. Genüsslich streckte er sich und setzte sich dann auf. Sofort merkte er, dass etwas fehlte. Wo war sein Schwert? Hektisch sah er sich um. Es war nicht da. Wo konnte es nur sein? Er erinnerte sich nur noch wie er gestern Abend mit Lares ein paar Nordmarer Nebelgeist gekippt hatte. Er war betrunken und müde gewesen. Vielleicht hatte er die Klaue Beliars zurück in seine Tasche gesteckt? Eilig stand er auf und kramte in seiner Hosentasche herum. Wenn er doch nur all dieses Zeug von Diego los wäre, dann würde es nicht so lange dauern etwas Bestimmtes zu finden. Er ging alles zweimal durch, aber die Klaue war nicht dabei. Es gab nur eine andere Erklärung. Sie war ihm gestohlen wurden. Diese Erklärung traf ihn wie ein Blitz, der unbändigen Zorn in ihn freisetzte. Wütend brüllte er auf. Jemand hatte ihm die Klaue Beliars geklaut! Dabei hatte er gedacht, dass sie jeden anderen, der es wagte sie anzurühren verbrutzeln würde. Doch irgendwie musste es ja funktioniert haben. Die Gedanken des Helden rasten. Es war doch nicht etwa Lares, der ihm die Klaue gestohlen hatte? Sein Freund? Wie hätte er ihm das Schwert stehlen können, ohne dabei draufzugehen? Vielleicht, wenn er sie gar nicht berührte? Mit einem Zauber könnte er das Schwert von ihm wegbekommen, doch Lares konnte, so weit er wusste, mit Magie nicht viel anfangen. Allerdings arbeitete er für die Wassermagier. Warum die plötzlich so ein großes Interesse an der Klaue haben sollten war ihm noch nicht klar. Saturas selbst hatte doch damals in Jharkendar keine großen Einwände gehabt, als er sie an sich nahm. Seltsam. Es waren seine Freunde, Milten, Lester und Gorn, die ihm ständig damit auf die Nerven gegangen waren das Schwert loszuwerden. Hatten sie etwa mit den Wassermagiern darüber geredet? Der Held fand es ungeheuerlich was sich da für Abgründe vor ihm auftaten. Er hatte so viel für alle hier getan und sie wagten es ihn zu bestehlen. Er hatte seinen Freunden vertraut und sie verrieten ihn. Während er wütend die Treppe hinunterstampfte, versuchte er keine voreiligen Schlüsse zu ziehen, aber bei allen Göttern, wer auch immer ihm die Klaue abgenommen hatte, würde bitter dafür bezahlen. Der Held zog Uriziel aus seiner Hosentasche. Seine Finger schlossen sich fest um den Griff des Schwertes. Er ging zum Tor und hielt der linken Stadtwache Uriziel unter die Nase.
    „He Mann, steck die Waffe weg!“ sagte die Wache ängstlich.
    Der Held achtete gar nicht auf seine Worte, sondern hielt ihm das Schwert nun dicht an die Kehle.
    „Steck die Waffe weg!“ rief nun auch sein Kollege und hob seinen Speer.
    „Habt ihr hier gestern Nacht ein paar Galgenvögel vorbei kommen sehen, die ein schwarzes Schwert dabei hatten? Es ist die Klaue Beliars. Leicht zu erkennen. Ein Totenkopf im Griff und vermutlich hat es ständig elektrische Entladungen um sich geworfen.“
    „Nein, wir haben geschlafen. Die Nachtwache hatte Dienst“, sagte die rechte Wache.
    „Aber sie haben uns erzählt, dass sie sowas gesehen haben“, beeilte sich die linke Wache zu sagen, die spürte, wie der Zorn des Mannes vor ihm nur so sprühte.
    „Ein Typ hat es mit einem Telekinese Zauber an ihnen vorbei manövriert.“
    „Und die haben ihn nicht aufgehalten?“
    „Die waren wohl zu überrascht. Wer vermutet denn, dass ein komisches Schwert an einem vorbeischwebt? Außerdem hat Lares sie angefaucht, sie sollten sich gefälligst um ihren eigenen Kram kümmern.“
    Wut brandete heiß und brodelnd im Helden auf.
    „Lares also! Na, der kann was erleben! Wo ist er hingegangen? Nach Trelis?“
    „Ja, kannst du jetzt endlich das Schwert einpacken? Sieht auch ganz schön gefährlich aus.“
    Der Held sagte nichts weiter, packte das Schwert an eine Halterung auf seinem Rücken und stürmte aus der Stadt. Zunächst vermutete er, dass Lares mit dem Schwert nach Varant wollte, denn die Wassermagier lebten dort. Als er nach Trelis kam, quatsche er eine der Stadtwachen an.
    „Der Schattenläufer ist tot“, sagte der Held, so als wenn er erst gestern zur Jagd nach ihm aufgebrochen wäre.
    Die Stadtwache seufzte.
    „Ja, wissen wir schon längst. Warum bist du nicht schon früher vorbeigekommen, um uns das zu sagen? Wir haben uns gefragt wo du bleibst. Haben am nächsten Morgen einen Suchtrupp losgeschickt. Mann, hatten wir Schiss, dass uns das Mistvieh überrascht und angreift. Haben Gernot dann in dieser Grube gefunden und natürlich auch den toten Schattenläufer. War schon etwas von den Vögeln angepickt, aber einiges von dem Fleisch konnten wir noch gut gebrauchen. War immerhin mal ordentlich was zu beißen und das meine ich wörtlich. Zäh wie Leder dieses Fleisch.“
    „Hast du Lares hier vorbeikommen sehen?“ wechselte der Held einfach mal das Thema.
    „Ja, ist mit einem Wassermagier weitergezogen.“
    „Wohin?“
    „Montera.“
    „Hm… Bis später“, verabschiedete sich der Held und ging einfach Richtung Montera weiter.
    Zuerst fragte sich der Held was sie denn in Montera wollten, doch dann ging ihm auf, dass sie wohl bis nach Vengard weiterlaufen würden. Mit der Klaue Beliars an der Zauberangel konnten sie sich nicht einfach teleportieren. Er dagegen schon. Es war bereits Mittag. Sie waren bestimmt schon in den Ruinen der Hauptstadt angekommen, aber er würde sein Schwert finden und wenn er die ganze Stadt auseinandernehmen müsste. Rauchend vor Zorn suchte er den Teleporterstein nach Vengard. Gleißendes Licht umhüllte ihn und von jetzt auf gleich stand er im Thronsaal.
    „Oh, Hallo“, kam es von Lee, der auf dem Thron saß und wie dem Helden auffiel, gar nicht so überrascht, wie er eigentlich sein sollte, von seinen Dokumenten aufsah.
    „Wo ist es?“ fragte der Held laut.
    „Was?“ fragte Lee, doch der Held fand, dass er so aussah, als wüsste er ganz genau wovon er sprach.
    „Die Klaue Beliars. Sie wurde mir gestohlen und wer immer das war, wird keine Zeit mehr haben, es lange zu bereuen.“
    „Jetzt beruhige dich doch erstmal!“ versuchte Lee ihn zu beschwichtigen.
    „Ich beruhige mich, wenn ich das will! Jetzt rück mit der Sprache raus! Hast du Lares befohlen mir die Klaue zu stehlen?“
    Lee öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, aber es war Saturas, der auf der anderen Seite des Thronsaals stand und nun sagte: „Nein, ich war das. Die Klaue Beliars befindet sich nun im sicheren Gewahrsam der Wassermagier.“
    Der Held drehte sich ruckartig zu ihm herum. Sein Zorn kochte weiter hoch.
    „Du! Wie kannst du es wagen mir die Klaue zu stehlen?!“ polterte er und kam auf Saturas zu wie ein tobendes Nashorn.
    Den alten Wassermagier ließ das gänzlich ungerührt was angesichts dieser Situation äußerst beeindruckend war.
    „Und wie konntest du es wagen einfach ungefragt die Macht des magischen Erzhaufens aus dem Neuen Lager für deine Zwecke zu nutzen?“ gab Saturas kalt zurück.
    „Jetzt komm mir nicht mit dieser alten Kamelle!“ knurrte der Held ihn an.
    „So lange ist das noch gar nicht her, wenn man es sich recht überlegt.“
    „Das war etwas ganz Anderes“, behauptete der Held und zeigte mit dem rechten Daumen auf das prächtige Schwert auf seinem Rücken. „Ich habe die magischen Kräfte des Erzes gebraucht, um Uriziel wieder aufzuladen und damit einen untoten Orkschamanen bezwingen zu können. Es war nötig, damit die Barriere fallen konnte.“
    „Und das hier ist nötig, damit du nicht dem Bösen verfällst.“
    „Blödsinn!“ brüllte der Held, der die Macht des Schwertes über ihn nicht sehen wollte.
    „Du verschließt die Augen vor der Realität“, hielt Saturas ihm vor. „Dieses Schwert übt einen verderblichen Einfluss auf dich aus und damit muss jetzt Schluss sein!“
    „Du weißt ja nicht was du redest! Ich habe meine Lebenskraft in dieses Schwert gesteckt! Gib es sofort zurück, oder ich werde richtig ungemütlich!“
    „Hörst du dich überhaupt reden? Merkst du nicht was das Schwert aus dir gemacht hat? Früher hättest du nie so mit mir gesprochen“, sagte Saturas streng.
    „Na und?! Rück es jetzt sofort raus!“ schnauzte der Held, der im Moment für überhaupt keine Diskussion zugänglich war.
    Weil Saturas das merkte, kam er dem Helden ein Stück entgegen: „Ich werde dir das Schwert zeigen. Komm mit!“
    Der Held war nicht überrascht, dass der Wassermagier scheinbar einknickte, denn seiner Meinung nach stellte sich niemand mehr ungestraft gegen ihn. Alles woran er denken konnte war, die Klaue Beliars so bald wie möglich wieder in seinen Besitz zu bringen. Saturas führte ihn aus der Halle und einige Gänge entlang, eine Treppe hinunter und in einen Keller, wo Steve und Mason, die einst Rebellen waren und jetzt für Lee arbeiteten, vor der Tür wache hielten. Als sie Saturas sahen, traten sie bereitwillig beiseite. Zuerst war der Held noch optimistisch, denn wenn der alte Wassermagier ihm das Schwert nicht zurückgeben würde, dann müsste er lediglich die beiden Wachen und ihn töten und wäre am Ziel. Dass die drei auf der gleichen Seite standen wie er, daran dachte er im Moment nicht. Er fühlte sich aufgeputscht, gereizt, unruhig und mit dem sicheren Gefühl, dass das erst besser werden würde, wenn er die Klaue zurück in seinen Händen hielt.
    „Da ist sie“, sagte Saturas und zeigte in den Raum.
    Dem Helden klappte die Kinnlade herunter. Dort, mitten im Raum auf einem steinernen Podest, lag das Schwert und drumherum befand sich eine kleine blau schimmernde Barriere.
    „Was zum Henker …?“ entfuhr es dem Helden, dann wandte er sich zu Saturas um und knurrte: „Willst du mich verarschen?“
    „Es ist nur zu deinem Besten, wenn du dich von der Klaue Beliars fern hältst“, sagte Saturas geduldig, obwohl er das Gefühl hatte sich ständig wiederholen zu müssen.
    Wütend zog der Held Uriziel vom Rücken und stellte sich drohend in Kampfposition.
    „Löse die Barriere sofort auf!“
    „Na so schon gar nicht“, sagte Saturas, dessen Augen sich angesichts dieser aggressiven Reaktion verengt hatten. „Und bevor du deine dumme Idee in die Tat umsetzen willst, muss ich dir noch sagen, dass ich allein nicht fähig bin diese Barriere zu lösen. Viele verschiedene Magier haben sie erschaffen und magisch verstärkt und bei Adanos, ich werde dir ganz sicher nicht ihre Namen nennen. Wenn du so etwas Dummes tun solltest wie mich zu töten, wird dir das gar nichts nutzen. Es wird nur noch schwerer die Barriere aufzulösen und die anderen werden dir dann ganz sicher nicht mehr helfen an das Schwert zu kommen.“
    Siedend heiße Wut schmolz jede Vernunft des Helden und er brüllte voll hilflosem Zorn auf, da er wusste, dass er nichts ausrichten konnte, um an das Schwert zu kommen. Er schlug einmal kräftig mit Uriziel gegen die Barriere, doch der Zweihänder durchdrang die Magie nicht, sondern prallte einfach ab. Nun steckte der Held Uriziel wütend weg und tigerte unruhig um die Barriere herum. Obwohl er wusste, dass es vollkommen sinnlos war, versuchte er mit seiner rechten Hand die magische Barriere zu durchdringen, doch alles was ihm das einbrachte waren Schmerzen.
    „Du verdammter alter Zausel!“ schrie der Held erzürnt. „Willst du, dass ich dir die Fresse poliere, du seniler alter Tattergreis? Deine Mutter treibt‘s mit Ziegen! Erbärmlicher Piesepampel! Du degenerierter bonierter Schleimscheißer! Quacksalber! Sandhocker!“
    Während sich der Held immer weiter in Rage redete und immer neue Schimpfwörter um sich warf, ließ sich Saturas bewundernswerterweise gar nicht aus der Ruhe bringen. Es war, als wenn all die bösen Wörter einfach an ihm abtropfen würden wie ein leichter warmer Sommerregen. Der Held lief immer noch zornig um die magische Barriere herum und ließ seiner Wut freien Lauf. Saturas ließ den Helden wüten, in der Hoffnung, dass er sich irgendwann beruhigte, denn er fürchtete, er würde den Hass nur noch weiter schüren, wenn er etwas entgegnete, doch nach fast zwanzig Minuten, sah es immer noch so aus, als könnte das ewig so weitergehen.
    „Ist es jetzt bald mal gut?“ fragte Saturas genervt. „Beruhigst du dich jetzt endlich?“
    „Nein!“ rief der Held dickköpfig.
    „Dann willst du also nicht wissen wie du an das Schwert kommst?“ fragte Saturas und beobachtete den Helden eingehend, der sich sofort zu ihm umdrehte und aufgeregt fragte: „Zurück? Los! Lass hören!“
    „Es hat sich ein Rat zusammengefunden, um über die Zukunft Myrtanas zu entscheiden und du sollst auch bei den Gesprächen beteiligt werden.“
    „Ach? Und du hast nicht mitbekommen, dass ich gerade eine Scheißwut im Bauch habe?“ fragte der Held giftig.
    „Doch, aber vielleicht schaffst du es ja sie hinunterzuschlucken, hörst auf dich wie ein Hanswurst zu benehmen und wirst vernünftig. Ich schreibe dein verrücktes Verhalten der Macht dieses finsteren Schwertes zu, also nehme ich dir dein Verhalten nicht krumm, aber wenn du nicht bald aufhörst hier herumzuzetern wie ein khorinisches Waschweib, verliere ich wirklich die Geduld.“
    Der Held atmete tief ein wie ein Drache, der gleich einen Feuerschwall speien wollte und stieß dann die Luft aus wie ein wütender Stier.
    „Also schön“, sagte er, immer noch aggressiv, aber merklich gefasster.
    „Gut, folge mir!“ sagte Saturas und verließ den Raum, so als wäre er nicht die ganze Zeit schlimmer beleidigt wurden, als irgendein anderer Magier vor ihm.
    Die Wachen vor dem Raum sahen ganz bleich aus. Normalerweise wurden Magier mit großem Respekt behandelt und wer sich nicht daran hielt, musste dafür büßen. Sie sahen Saturas und dem Helden beklommen nach und redeten aufgeregt, als sie meinten, dass sie außer Hörweite waren.

    Im Thronsaal hatten sich dieselben Leute versammelt wie an dem Tag, als beschlossen wurde dem Held die Klaue Beliars abzunehmen. Sie sahen zu Saturas und zum Helden, letzterer schaute finster zurück, sagte aber zunächst kein Wort. Es war Lee, der von seinem Platz aufstand und ihn mit offenen Armen begrüßte.
    „Schön, dass du kommst. Du bist so schnell verschwunden, als ihr mit dem Schiff von Khorinis hier eingetroffen seid, eigentlich sollte diese Versammlung schon da stattfinden.“
    „Ach, dazu das alles? Nur damit ich nach Vengard zurückkomme?“ knurrte der Held verstimmt.
    „Nein, nicht nur deswegen, aber es war ein wichtiger Punkt. Wir müssen besprechen wie es mit Myrtana weiter gehen soll“, erklärte Lee.
    „Schön, dann macht das doch, wozu braucht ihr mich?“ fragte der Held, verschränkte die Arme vor der Brust und weigerte sich Platz zu nehmen.
    Saturas, der sich gerade zwischen Merdarion und Vatras setzte, erklärte: „Wir hatten bereits eine Versammlung einberufen, doch wir dachten uns, dass du vielleicht auch helfen kannst.“
    Lee beeilte sich hinzuzufügen: „Wie du weißt, hungern die Menschen in Myrtana, auch unsere Vorratskammer hier in Vengard ist leer, genauso die Schatzkammer. Selbst wenn wir mit jemandem handeln könnten, hätten wir kein Gold um Lebensmittel einzukaufen.“
    Er wollte noch etwas sagen, doch der Held unterbrach ihn und seine Stimme machte deutlich, dass die Wut immer noch heiß in ihm brodelte wie eine kochende Suppe.
    „Ach darum geht es euch? Gold? War ja klar. Es geht immer ums Gold. Na schön, hier nehmt.“
    Verärgert langte der Held in seine magische Hosentasche und warf einen Goldsack nach dem anderen auf den riesigen Tisch. Alle Anwesenden schauten ihm verdutzt zu, denn rasch hatte sich eine beträchtliche Summe auf dem Tisch angesammelt.
    „Es … es ist nicht nur das Gold“, begann Lee von neuem und sah baff dabei zu wie immer noch mehr Gold auf dem Tisch landete. „Wir wissen nicht wie wir die Leute über den Winter bringen sollen.“
    „Ich habe bereits was getan. In jeder Stadt habe ich jemanden ausgesucht, der sich in ein Tier verwandeln soll, oder mit Spruchrollen Tiere zähmt, damit die Felder gepflügt werden. Wenn eure Lieferungen mit dem Saatgut dann in den Städten ankommen, können sie das in die Erde bringen“, erklärte der Held und versuchte ruhig zu bleiben.
    „Das haben wir schon gehört“, sagte Lee. „Das ist ein toller Einfall gewesen, nur hilft das den Leuten nicht über den Winter zu kommen.“
    „Wenn ich es richtig verstanden habe, lässt du das Schiff immer noch zwischen Khorinis und Vengard hin und her pendeln. Sollen eben weitere Nahrungsmittel mit dem Schiff kommen. Ihr könntet auch ein Schleppnetz hinten ans Schiff hängen, damit es nebenher noch ein paar Fische einsammelt.“
    „Das reicht aber nicht“, entgegnete Lee.
    Inzwischen hatte sich ein großer Haufen mit Goldsäcken vor Lee aufgetürmt. Selbst die Wassermagier, die nicht viel von materiellem Reichtum hielten, bekamen bei der schieren Menge an Gold große Augen.
    „Hast du einen Drachenschatz gefunden?“ witzelte Gorn und zwinkerte dem Helden zu, im Versuch die Stimmung zu heben.
    „Nein, das hat sich nur über die Zeit so angesammelt“, antwortete der Held kühl.
    „Wie … viel ist das?“ fragte Lord Hagen, der noch nicht ganz fassen konnte, wie der Befreier Myrtanas so viel Gold aus seiner Hosentasche zauberte.
    „Sollten so in etwa neunhunderttausend Gold sein. Reicht das? Krieg ich jetzt mein Schwert zurück?“ fragte er gereizt.
    „Nein!“ kam es abweisend von Pyrokar. „Du kannst die Klaue Beliars nicht einfach freikaufen, wie irgendeinen Gegenstand im Pfandleihhaus und jetzt setz dich hin und hör auf dich wie ein bockendes Kind zu benehmen!“
    Der Held durchbohrte ihn mit einem grimmigen Blick, atmete tief und grollend ein und setzte sich dann endlich ganz ans andere Ende des Tisches, gegenüber von Lee, wo noch ein freier Platz übrig war. Er sagte nichts und sie konnten gut sehen, dass er immer noch vor Zorn rauchte. Vatras war der Erste, der wieder das Wort ergriff: „Ich hab den Eindruck, dass du noch nicht ganz verstanden hast, warum wir dir die Klaue Beliars abnehmen mussten.“
    Der Held sagte gar nichts und blickte mit starrem Blick auf den Tisch vor sich, angestrengt darum bemüht nicht wieder auszurasten. Milten und Gorn tauschten einen kurzen Blick. Sie waren besorgt um ihren Freund und fragten sich, ob es unter diesen Umständen wirklich zu einer Lösung ihres Problems kommen würde. Lord Hagen und Lord Garond tauschten leise ein paar Sätze aus. Der sonst so freundliche Vatras sah den Helden nun mit strengem Blick an und mahnte: „Wir vom Orden des Wassers haben dich mehrmals davor gewarnt nicht den Pfad des Gleichgewichts und dem Erhalt dieser Welt zu verlassen. Doch du hast dich mehrerer schwerer Verbrechen schuldig gemacht. Du hast die Klaue Beliars nicht nur gegen Feinde eingesetzt, sondern es sind durch sie auch zahlreiche unschuldige Menschen zu Tode gekommen. Du hast uns keine Wahl gelassen. Wir mussten dir die Klaue Beliars abnehmen, damit du nicht noch weiter dem Bösen verfällst. Hoffentlich ist es nicht schon zu spät. Ich werde für dich zu Adanos beten und hoffen, dass du wieder zur Besinnung kommst.“
    Der Held verdrehte die Augen, sagte aber nichts, doch sie merkten wie etwas in ihm kämpfte. Am liebsten hätte er wieder damit angefangen seinen Frust an den Wassermagiern auszulassen. Sie hatten ihm das Schwert abgenommen, nur weil sie es eben für richtig hielten. Doch wenn er wieder anfangen würde mit ihnen herumzustreiten, würde er die Klaue wohl nie mehr zurückbekommen. Mit all seiner Willensstärke versuchte er den tobenden Orkan in seinem Inneren zum Schweigen zu bringen. Irgendwie musste er es schaffen, seine Wut zur Seite zu drängen und mit ihnen reden. Vielleicht würden sie sich doch noch irgendwie einigen können.
    „Verstehe“, sagte er schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen. „Und was soll ich jetzt tun? Glaubt ihr, dass ich irgendeine Lösung einfach so aus der Tasche zaubere?“
    „Naja, das mit dem Gold war doch schon mal ein guter Anfang“, meinte Gorn, der immer noch versuchte die eisige Stimmung aufzutauen.
    Lee atmete tief durch und fragte sich wie oft er dem Retter Myrtanas das noch sagen musste.
    „Du weißt bestimmt noch, wie ich gesagt habe, dass ich kein guter Regent bin und wir hatten vereinbart, wenn ich es nicht schaffe die Probleme in Myrtana zu lösen, du nach deiner Rückkehr zum Festland der neue König wirst.“
    „Ich hatte mich nicht dazu bereit erklärt“, stellte der Held klar.
    Auch Milten versuchte seinen Freund zu überreden: „Ich weiß, du möchtest das nicht, aber wir brauchen dich.“
    „Ja, du packst das“, kam nun auch von Gorn Zuspruch.
    Selbst der alte Feuermagier Altus sagte: „Du wirst das ja nicht allein machen müssen. Wir werden da sein und dich beraten.“
    Die Wassermagier sagten nichts, auch Pyrokar, Karras und die beiden Paladine wussten wohl nicht so recht, ob das wirklich der richtige Weg war.
    „So, ihr wollt mich also trotz allem immer noch zum König machen?“ fragte der Held genervt.
    Er ließ die anderen gar nicht zu Wort kommen, sondern wollte gleich Einwände gegen diese Idee vorbringen. Er hatte das Gefühl, dass sich ihre Gespräche immer nur im Kreis drehten. Er wollte sie bei ihrem Stolz packen, um endlich seine Kein-König-Kampagne abzuschließen. Dabei schaffte er es nicht, die Wut ganz aus seinen Worten zu verbannen.
    „Ihr wollt mir doch nicht etwa sagen, dass ihr nichts, aber auch wirklich gar nichts alleine schafft?“
    Die anderen sahen ihn verwundert an. Lord Hagen verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit stählernem Blick an, doch der Held ließ das an sich abprallen und redete weiter: „Jahrelang habt ihr versucht die Barriere im Minental zu zerstören und nichts habt ihr geschafft. Hätte ich sie nicht zerstört würde sie wohl immer noch bestehen. Gegen die Drachen konntet ihr auch nichts ausrichten.“
    Er wies mit der Hand auf Lord Garond und sagte in beißendem Ton: „Ich hab damals nicht mal Unterstützung von den Rittern und Paladinen bekommen. Nicht einen Mann habt ihr entbehren können und habt euch lieber in der von Orks belagerten Burg verkrochen. Die konntet ihr auch nicht besiegen. Hier auf dem Festland habt ihr die Orks auch nicht abgewehrt. Und kaum war ich weg, fing alles wieder von vorne an. Ihr kriegt überhaupt gar nichts alleine hin, was? Und jetzt soll ich die Karre mal wieder aus dem Dreck holen? Findet ihr nicht auch, dass ihr auch mal was alleine schaffen solltet, oder soll ich für euch auf ewig die Amme spielen?“
    Seine Worte waren beißend und verletzend und das sollten sie auch sein. Der Held erwartete, dass sie sich gegen seine Worte aufbäumen würden, das ein Streit begann und den könnte er dann so lenken, dass sie endlich anfangen würden selbst für sich einzustehen und die Dinge in die Hand zu nehmen, anstatt andauernd zu erwarten, dass er schon irgendwie alles richten würde. Zuerst schien sein Plan auch aufzugeben. Pyrokar wollte das so offenbar nicht auf sich sitzen lassen, denn er entgegnete: „Du hast wohl vergessen, dass wir für dich das Auge Innos repariert haben?“
    „Nein, aber ihr habt es euch auch stehlen lassen“, entgegnete der Held trocken.
    Daraufhin wusste Pyrokar nichts zu sagen und warf dem Helden nur einen miesepetrigen Blick zu. Der Held sah verwundert in die Runde. Irgendwie wollte sich jetzt niemand mehr gegen seine Anschuldigungen wehren. Die Wassermagier blieben ganz ruhig. Gorn sah sogar beschämt auf seine Hände, die er auf dem Tisch abgelegt hatte. Selbst die Paladine sagten nichts. Es war Lee, der sich räusperte und sagte: „Es ist so …“
    Er atmete einmal hörbar tief ein und aus.
    „Du hast vollkommen Recht.“
    Der Held sah ihn erstaunt an. Das hatte er ganz sicher nicht erwartet.
    „Wir schaffen es nicht allein. Ohne dich wären wir niemals so weit gekommen. Wir würden noch in der Barriere festhängen, die Orks hätten das Festland erobert und gehalten. Die Menschen würden hier immer noch in Sklaverei leben. Auch wenn uns nicht gefällt das zugeben zu müssen, aber die harte Realität ist: Das wir wirklich nichts ohne dich schaffen und gerade deswegen brauchen wir dich als Anführer, gerade deswegen musst du unser König sein.“
    Bei dem Wort „musst“ zuckte der Held kurz zusammen und guckte verbissen.
    „Ich muss gar nichts! Ihr solltet mal die Hintern hochbekommen und anfangen selbst für euch einzustehen!“ antwortete der Held und klang dabei unwillentlich wie ein genervter Vater, der seine dreißig jährigen Söhne, die immer noch zu Hause herumhockten, endlich zur Selbstständigkeit treiben wollte.
    „Wir haben es doch versucht“, antwortete Lee, aber er klang mehr verzweifelt als kämpferisch. „Aber wir schaffen es einfach nicht ohne dich.“
    Der Held schaute genervt und fragte herausfordernd: „Habt ihr denn jeden Stolz verloren? Was macht ihr denn, wenn ich jetzt einfach weggehe und euch allein lasse?“
    Zuerst war es ganz ruhig.
    „Sterben“, sagte Lee dann schließlich mit rauer Stimme.
    Er sah aus, als hätte er durch die harten Worte des Helden nun endgültig aufgegeben, beugte sich nun zu ihm, hob die Hände auf den Tisch und stützte sich darauf ab.
    „Ohne dich sterben wir“, sagte er nachdrücklich.
    Der Held sah irritiert zu seinem alten Freund, der aussah wie ein gebrochener Mann. Ein gebrochener Herrscher eines gebrochenen Königreichs. Der Held hatte immer geglaubt, dass die Menschen in Myrtana mit ihrer Sturheit und Rauheit niemals einknicken würden. Jetzt zu sehen wie sein alter Freund zusammenbrach, der schon so vieles erlebt und mitgemacht hatte, der bei ihm immer den Eindruck erweckt hatte, als hätte er die Lage stets unter Kontrolle und wüsste was zu tun sei, das erschütterte ihn. Der Held wusste nicht, was er noch tun konnte, um sie davon zu überzeugen ihren Plan ihn zum König zu machen aufzugeben. Für einen kurzen Moment überlegte er ihnen zu erzählen, wer den obersten Feuermagier Karrypto, die Paladine Georg, Cobryn, Markus, Thordir und die anderen in Vengard getötet hatte. Er war sich sicher, wenn er auch noch diese Bombe platzen ließ, würde keiner mehr an dem Gedanken festhalten ihn zum König machen zu wollen. Lord Hagen und Lord Garond wären vermutlich außer sich. Vielleicht würden sie ihn sogar sofort angreifen. Nun, er fürchtete sie nicht, aber aus Erfahrung wusste er, wenn einer einmal ein Schwert zog und es dann so richtig los ging, war es meist nicht damit getan, wenn die ersten tot auf dem Boden lagen. Irgendwie fanden sich dann immer auch noch andere genötigt einzugreifen und die Sache eskalierte so richtig. Das wollte der Held vermeiden, denn töten wollte er hier niemanden. Nicht mehr. Doch selbst wenn die Paladine nicht angreifen würden, wäre mit ihnen wohl kein Gespräch mehr möglich.
    Sie schienen jetzt schon auf seiner Seite zu sein, denn sie wollten wohl alles daran setzen, dass er nicht König wurde. Die neue Ablehnung würde von den Magiern kommen und von seinen Freunden. Er spürte ein unangenehmes Ziehen in seiner Brust. Wenn er die Tötung des Hofstaats zugab, würde er damit auch Lee mit in die Sache hineinziehen und alle würden erfahren, dass er Rhobar II. getötet hatte. Sie würden auch ihn nicht mehr als Regenten dulden. Damit wäre auch der letzte Rest Stabilität für Myrtana verloren. Auch wenn er im Moment ein gewisses Unbehagen verspürte, wenn er bei ihm war, so war der Grund eigentlich nur, dass Lee so überzeugt von ihm und seinen Taten war, dass dieser ihm die Treue schwören wollte. Nach wie vor fand er Lee sympathisch und trotz all seiner Bemühungen ihn in dieses unbequeme Amt zu zwingen, wollte er ihm nicht schaden. Sein Blick war immer noch auf Lee geheftet, der sehr besorgt aussah, so als ahnte er was ihm gerade durch den Kopf ging und wanderte dann weiter zu Milten, der tatsächlich ein wenig optimistisch schaute. Vielleicht dachte er Lee’s Worte würden ihn zum einwilligen bewegen, doch wie würde er wohl reagieren, wenn er erzählen würde, dass er Meister Karrypto, der zur Abwehr noch einen Feuersturm auf ihn abgeschossen hatte, dann von ihm niedergemetzelt und mit dem in Myrtana üblichen Exekutionsangriff getötet wurde: Ein Schwert, das dem liegenden Opfer von oben in die Brust gerammt und dann herumgerissen wurde, so dass innere Organe zerfetzt wurden und die Brustknochen splitterten. Der Held wollte Miltens schockierten Blick nicht sehen. Irgendwie sah sein Freund immer noch zu ihm auf, obwohl er schon von einigen seiner Missetaten erfahren hatte, doch das würde ihn wahrscheinlich seine Freundschaft zu ihm kosten. Er entschied daher nichts zum Ableben des vorherigen Königs zu sagen. Während er grübelte, hatte Lord Hagen das Wort ergriffen: „Bei allem gebotenen Respekt, aber ich finde nicht, dass er der Richtige für den Posten des Königs ist. Das mag deine Meinung sein, Lee und vielleicht auch die des einen oder anderen Anwesenden, aber wir Paladine und Ritter halten ihn spätestens nach seinem Eingeständnis das Burgtor geöffnet zu haben als ungeeignet. Er mag zwar sehr viele Heldentaten vollbracht haben, aber mit welchen Mitteln, frage ich mich?“
    „Ich finde Lord Hagen hat Recht“, sagte der Held und die anderen am Tisch sahen ihn verwundert an, vor allem Lord Hagen.
    „Ach?“ fragte der und hob eine Augenbraue.
    „Ja, einige von euch loben mich geradezu in den Himmel. Ihr seht nur was ich geleistet habe, aber nicht wie es dazu kam. Meine Schwächen berücksichtigt ihr überhaupt nicht. Für mich heiligt der Zweck oft die Mittel. Wenn ich über Leichen gehen muss, damit ich ans Ziel komme, dann gehe ich eben über Leichen und später bereue ich es oft noch nicht einmal. Ich bin ungeduldig, unzuverlässig und vorlaut. Nicht unbedingt Eigenschaften, die man sich von einem guten Herrscher erhofft, oder? Ich denke nicht immer nach, bevor ich etwas tue, oft entscheide ich einfach aus dem Bauch heraus. Das funktioniert für mich, aber nicht wenn es um Entscheidungen geht, die alle etwas angehen sollten.“
    Die anderen dachten kurz darüber nach. Es war der Feuermagier Altus, der als erstes mit ruhiger Stimme antwortete: „Es ist gut, dass du dich zu deinen Fehlern bekennst. Das zeigt, dass du dich mit dir und deinen Schwächen auseinandergesetzt hast. Das ist der erste Weg zur Besserung. Natürlich bist auch du nicht ohne Fehler und Schwächen, niemand ist perfekt. Deswegen würden wir dich als Rat unterstützen. Es verlangt niemand von dir, dass du von heute auf Morgen alles wissen und können sollst, was ein König normalerweise über Jahre hinweg über umfangreiche Studien erlernt.“
    Der Held verdrehte die Augen. Er wollte mit seiner Aussage eigentlich endlich alles von sich abschütteln und jetzt zeigte dieser Feuermagier auch noch Verständnis.
    „Aber wenn es sowieso einen Rat geben soll, warum soll ich dann unbedingt der König sein? Lee könnte das doch weiterhin machen und ich mach einfach nur ein paar Vorschläge, über die ihr dann abstimmen könnt.“
    Offenbar hatte er etwas vorgeschlagen, dass für Redebedarf sorgte, denn die anderen am Tisch verfielen in lange ausschweifende Diskussionen. Der Held atmete erleichtert auf. Endlich hatte er sie mal auf Distanz gebracht. Vielleicht würde seine Kein-König-Kampagne doch noch ein gutes Ende nehmen.
    „Also, ich finde, was er sagt hört sich gut an“, ließ Lord Garond hören.
    „Ach? Auf einmal?“ fragte Gorn und sah ihn misstrauisch an.
    „Ja, so würde er seine Ideen mit einbringen, die ja manchmal richtig gut sind und wir können sie dann verfeinern, so dass es in keiner sozialen Katastrophe endet“, stimmte auch Lord Hagen zu.
    „Aber dann fällt die Außenwirkung weg“, meinte Lee. „Als König ist er auch unser Aushängeschild.“
    „Ja eben!“ unterbrach der Held ihn.
    „Versteh mich nicht falsch“, fuhr Lee unbeirrt fort. „Aber andere Länder werden sich zweimal überlegen uns anzugreifen, wenn sie wissen, dass du hier König bist. Das macht schon viel mehr her, als einfach nur ein Rat.“
    „Ja, ein abschreckendes Beispiel, das ist er in der Tat“, sagte Lord Hagen kalt.
    Lee warf ihm einen strafenden Blick zu, wandte sich dann aber wieder dem Helden zu und erklärte weiter: „Ich befürchte, dass du dich nicht genug an uns gebunden fühlst, wenn du nur Mitglied in einem Rat wärst. Du würdest dir wohl gar nicht so viele Gedanken machen und dich leichtfertig in ein neues Abenteuer stürzen. Das hast du ja schon einmal getan. Wir brauchen dich aber hier. Außerdem sind unsere Chancen mit Nordmar und Varant zusammenzuarbeiten besser, wenn du der König bist. Im Moment kommt Nordmar ganz gut mit uns aus, aber die fragen sich im Moment auch, warum sie überhaupt weiterhin mit uns zusammenarbeiten sollen. Auch von Nordmar beziehen wir Fleischlieferungen, denn dort gibt es noch etwas mehr Wild, doch jetzt wo der Winter kommt, möchten sie das Fleisch natürlich lieber an ihre eigenen Bewohner verteilen. Für die sind wir nur ein Klotz am Bein. Dich kennen sie, mit dir würden sie bestimmt weiter verhandeln. Und noch wichtiger ist es mit den Assassinen. Uns trauen sie nicht über den Weg. Wir sind Todfeinde. Doch du warst schon öfter bei ihnen…“
    „Ja, ich habe ganz Ishtar ausgerottet. Sie können mich super leiden“, sagte der Held spöttisch.
    „Ja…“, sagte Lee lahm und sah ganz so aus, als hätte der Held ihm damit Ruckzuck den Wind aus den Segeln genommen. „Immerhin wissen sie, dass sie uns wegen dir nicht einfach so überfallen können.“
    „Oder sie überfallen uns gerade wegen ihm, weil sie sich rächen wollen“, gab Lord Hagen zu bedenken.
    „Dann hätten sie uns schon längst angegriffen. Wenn wir mit ihnen handeln, dann könnten wir vielleicht über den Winter kommen. Anders als wir, wurden sie durch den Krieg nicht so hart getroffen.“
    „Nochmal. Er hat eine ganze Stadt abgeschlachtet, was gibt es da nicht zu verstehen?“ fragte Lord Hagen genervt.
    „Ja, richtig“, hielt der Held zu dem Paladin. „Ich würde alles nur noch schlimmer machen.“
    Milten und Gorn sahen verwundert zwischen Lord Hagen und dem Helden hin und her. Dass die beiden Mal einer Meinung sein würden, hätten sie nicht gedacht.
    „Aber sie beten zu Beliar und dadurch, dass du wegen der Klaue auch zu Beliar beten musstest, hast du vermutlich eher einen Zugang zu ihnen als wir anderen. Was glaubst du werden sie mit einigen Abgesandten von Feuer- und Wassermagiern machen?“ fragte Lee, der langsam seinen Kampfgeist zurück bekam.
    „Dann schickst du eben irgendwen anders“, schlug der Held schulterzuckend vor.
    „Wen denn?“ wollte Lee wissen.
    „Wie wär’s mit Gorn?“
    „Mich?“ fragte Gorn verwundert. „Nach allem was letztes Mal in Mora Sul passiert ist? Hatte nicht das Gefühl, dass sie begeistert waren.“
    Lee schaltete sich wieder dazwischen: „Wir brauchen jemanden mit Führungsstärke. Außerdem würde ein Rat sehr lange brauchen, um Entscheidungen zu treffen. Bisher sind wir ja auch noch nicht zu einem Ergebnis gekommen.“
    „Aber vorhin meintest du doch, es würde trotzdem einen Rat geben“, hielt der Held dickköpfig dagegen.
    „Ja, damit sich der König alle Vorschläge und Einwände anhören kann und auf dieser Grundlage dann entscheidet“, sagte Lee hartnäckig.
    Doch auch der Held wollte nicht aufgeben. Irgendwie musste er sich aus dieser Situation doch herausquatschen können.
    „Es kommt mir aber falsch vor, wenn ich einfach so König werde, weil ihr hier das wollt. Was ist mit all den anderen Menschen von Myrtana? Die möchten vielleicht jemand ganz anderen zum König. Lass doch die Menschen entscheiden, wem sie folgen wollen“, schlug der Held vor, damit das Thema jetzt endlich vom Tisch war.
    „Du möchtest, dass die Bürger entscheiden?“ frage Myxir erstaunt.
    „Ja, warum denn nicht?“ wollte der Held wissen.
    Es war kurz still, dann sagte Vatras, der sich über den Bart fuhr: „Das ist gar keine so schlechte Idee.“
    „Wie bitte?“ fragte Pyrokar verärgert. „Ihr wollt es dem einfachen Volk überlassen, wer unser Land regieren soll? Wer weiß wen die wählen, nur weil jemand beliebt ist, heißt das doch noch lange nicht, dass er auch das Zeug zum König hat.“
    „Aber es werden doch alle wählen. Jeder sollte eine Stimme mit gleichem Wert haben“, sagte Vatras.
    „Und was, wenn jemand mit viel Gold andere besticht, damit sie ihn wählen?“ fragte Pyrokar verbissen.
    „Wir können nur darauf hoffen, dass die Menschen in Myrtana verstehen wie ernst die Lage ist und sich ehrlich verhalten“, sagte Altus.
    „Aber es wird sehr lange dauern, bis das alles erledigt ist“, gab Milten zu bedenken. „Erstmal müssen alle Bürger informiert werden, dass es überhaupt eine Wahl gibt und dann müsste jeder abstimmen, die Stimmen müssten ausgezählt werden und erst dann wüssten wir wen sie als König haben wollen.“
    „Und wie sollte das mit der Abstimmung überhaupt laufen?“ fragte Merdarion. „Sollen sich alle Menschen in Vengard versammeln und ihren Willen kundtun? Das artet doch im Chaos aus.“
    „Sie könnten es aufschreiben und jemand sammelt diese Schriften dann in den Städten und bringt sie nach Vengard“, schlug Altus vor.
    „Es können aber nicht alle Menschen in Myrtana schreiben“, hielt Merdarion dagegen.
    „Dann müssten sie ihren Willen jemanden mitteilen, der es kann“, antwortete Altus.
    „Aber der könnte ganz einfach jemanden aufschreiben, den er selber wählen möchte, als zweite Stimme. Wie soll das jemand der nicht lesen und schreiben kann überprüfen?“ wollte Merdarion wissen.
    Das schien Altus zu treffen. Das hatte er wohl nicht bedacht.
    „Vielleicht wäre sogar jemand so dreist und würde alle Angaben manipulieren“, vermutete Lord Hagen. „Irgendein Schuft könnte so tun, als würde er sich bereiterklären die Zettel mit den Stimmen der Bürger einzusammeln und nach Vengard zu bringen, aber dann tauscht er die Zettel mit eigenen Vorschlägen aus.“
    „Also so viel bösen Willen wollen wir doch keinem zutrauen, oder?“ fragte Altus besorgt.
    „Leider müssen wir alles bedenken, wenn wir diese Lösung in Erwägung ziehen wollen“, erklärte Lord Hagen eisern.
    „Der Orden der Paladine könnte sich dessen annehmen“, schlug Lord Garond vor. „Wir könnten die Stimmzettel einsammeln und dann sicher nach Vengard bringen.“
    „Und wer sagt uns, dass ihr nicht auch die eine oder andere Stimme austauscht?“ fragte Gorn grimmig.
    Lord Garond und Lord Hagen sahen empört aus.
    „Wie kannst du es wagen uns der Täuschung zu beschuldigen?“ fragte Lord Hagen und sah Gorn wütend an.
    „Das hier ist Myrtana, hier schaut jeder wie er am besten ans Zielt kommt“, sagte Gorn nur.
    Lee seufzte.
    „Verdammt noch mal, dann geht eben jeweils ein Paladin und ein Söldner los. Dann können sie sich gegenseitig misstrauisch beäugen und sicherstellen, dass keiner schummelt.“
    „Also das hört sich für mich noch nicht sehr zufriedenstellend an“, sagte Pyrokar genervt.
    Karras sah unterwürfig zu Pyrokar und sagte dann in die Runde: „So eine Abstimmung wird alles verzögern. Dann dauert es noch länger, bis wir Lösungen für unsere Probleme finden.“
    Insbesondere die Magier diskutierten scheinbar endlos miteinander. Der Held verdrehte die Augen. Immer dieses Gezänk. Sollten sie sich doch einfach für etwas entscheiden und es dann machen. Ihm fiel es meist leicht Entscheidungen zu treffen und wenn er sich entschieden hatte, dann tat er sofort alles für die schnelle Umsetzung. Schlimmer als eine schlechte Entscheidung empfand der Held Untätigkeit. Schon jetzt hier einfach nur herumzusitzen und diese Diskussion mit anzuhören empfand er als nervig. Er war unruhig und wippte mit dem rechten Bein. Der Held fand, dass er jetzt genug guten Willen gezeigt hatte.
    „Wann kriege ich mein Schwert zurück?“ fragte er mit erhobener Stimme über das große Palaver hinweg.
    Die Gespräche verstummten. Die meisten Anwesenden sahen ihn an, als wäre er nicht mehr ganz richtig im Kopf, so als wäre es doch ganz klar, dass er die Klaue Beliars nicht mehr zurückbekäme. Das versetzte dem Helden einen tiefen Stich, der die Wut, die er versucht hatte in sich einzukapseln, erneut freisetzte.
    „Du musst verstehen, dass du das Schwert nicht einfach so zurück bekommst“, fing Saturas an, es ihm zu erklären, ganz so, als wäre er ein kleiner Junge, der einfach nicht verstand, warum er sein Lieblingsspielzeug nicht zurückbekam, nachdem er seine Geschwister verhauen hatte. „Du musst erst beweisen, dass du dich besserst, dass du Verantwortung übernehmen kannst, dass du den Einflüsterungen des Schwertes widerstehen kannst.“
    „Und wann wird das sein?“
    „Das wird die Zeit zeigen. Adanos möge über dich wachen“, sagte Saturas und es hörte sich abschließend an.
    Der Held schnaubte.
    „Hört sich nicht so an, als würde das bald passieren. Ich denke, ich bin hier fertig.“
    Er stand einfach auf und ging zügig durch den Thronsaal. Die Wache an der Tür sah nach Befehlen fragend zu Lee, der aber auch nur mit den Schultern zuckte und schon war der Held nach draußen verschwunden.
    Geändert von Eispfötchen (23.10.2021 um 13:08 Uhr)

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    Schicksalhafte Entscheidungen vom Entscheider

    Der Held suchte nach Diego, denn er wollte endlich dessen Sachen loswerden. Er fragte Bennet wo Diego abgeblieben war und der erzählte ihm, dass sein alter Freund zurzeit in einer übrig gebliebenen Hütte in den Ruinen von Vengard wohnte. Es war nicht schwer ihn zu finden. Der Held brauchte einfach nur nach dem Haus suchen, das noch am Besten in Schuss war. Er fand Diego davor auf einer Bank sitzen. Neben ihm ein wackliger Tisch, auf dem ein Bier stand. Diego sah ihn erstaunt an, als er ihm entgegenkam.
    „Was ist denn mit dir los? Hat dir ein Razor die Leber rausgerissen, oder warum guckst du so angefressen?“
    „Lares hat mir die Klaue Beliars gestohlen!“ rief der Held viel lauter, als nötig gewesen wäre.
    „Wirklich?“ fragte Diego verwundert und furchte seine Stirn.
    „Ja, wirklich“, sagte der Held nachdrücklich und lief unruhig vor Diegos Unterschlupf auf und ab. „Wenn ich den erwische, wird er sich wünschen mich nie getroffen zu haben.“
    „He, jetzt mal langsam. Ich dachte, ihr seid Freunde.“
    „Dachte ich auch, aber er hat mich verraten! Am Vortag hat er mich noch ganz verlogen gefragt, ob wir einen zusammen trinken gehen. So ein Arsch! Ich habe ihm vertraut. Er muss mich beklaut haben, als ich geschlafen habe. Die Wassermagier haben ihn damit beauftragt es mir abzunehmen. Jetzt haben sie es in eine Barriere eingeschlossen, so dass ich da nicht mehr rankomme.“
    „Vielleicht …“, fing Diego vorsichtig an. „wollte er nur das Beste für dich. Milten, Lester und Gorn wollten doch auch, dass du das Ding los wirst, weil es dich nicht mehr klar denken lässt und ich finde auch, dass du dich viel zu leichtfertig in Schwierigkeiten gebracht hast, wenn du dieses Schwert im Kampf geführt hast. Denk nur an die Schlacht bei Mora Sul.“
    Doch der Held wollte das nicht hören. Er fing an Diegos Sachen aus seiner Tasche zu holen.
    „Ich hab keinen Bock mehr ständig deinen Krempel durch die Gegend zu tragen“, murrte er und legten einen Goldsack nach dem anderen auf den wackligen Tisch ab.
    „Gut, ich wollte dich gerade danach fragen“, behauptete Diego.
    Er merkte, dass sich sein Freund immer noch wie ein unter Druck stehender Dampfkessel verhielt und suchte ein unverfängliches Thema, über das sie sprechen könnten.
    „Hast du Lester gesehen?“
    „Ja, er ist in Lago und baut an der Küste Sumpfkraut an. Ich hab ihm eine Wolf-beschwören Rune gegeben, damit er besser auf sich aufpassen kann“, antwortete der Held in ungewohnt hartem Tonfall und knallte einige schwere Bücher auf den Tisch.
    „Du hast mir sehr geholfen, indem du meine Sachen hier hochgebracht hast“, versuchte Diego irgendwie die Wogen zu glätten.
    „Kein Problem“, kam es nur knapp zurück.
    Es entstand eine lange unangenehme Pause, während der nur immer neues Zeug vom Helden aus seiner magischen Hosentasche geholt und auf dem Tisch, oder drumherum abgestellt wurde. Endlich war das letzte Stück, eine antike Schriftrolle, abgelegt und der Held seufzte erleichtert.
    „Was willst du jetzt machen?“ wagte Diego zu fragen.
    „Ich suche dieses Kameradenschwein Lares, hast du ihn gesehen?“
    Der Held durchbohrte Diego geradezu mit seinem Blick, so dass der sich genötigt sah zu sagen: „Ich hab gesehen wie er nach Ardea gegangen ist. Wenn du ihn findest, musst du versuchen mit ihm zu reden. Er hatte bestimmt seine Gründe, warum er dir das Schwert abgenommen hast.“
    „Ich muss gar nichts!“ brauste der Held wieder auf.
    Diego seufzte. Hätte er mal nur nichts gesagt.
    „Ich hab keine Lust mehr mir ständig sagen zu lassen, was ich tun muss! Ich will all diese Verantwortung nicht! Ich glaub, ich hau ab!“
    Diegos Augen wurden groß.
    „Was? Wohin?“
    „Ganz egal, Hauptsache weg. Irgendwo dahin wo mich keiner kennt und keine Erwartungen an mich hat. Wo es noch Abenteuer gibt, anstatt zu überwachen, ob die Leute auch ihre Felder ordentlich bestellen.“
    „Aber … was wird aus Myrtana?“
    „Scheiß drauf!“ sagte der Held, der die Schnauze voll hatte, drehte sich um und ging davon.


    Den Weg nach Ardea hatte er schnell zurückgelegt. Torlof stand am Rand der abgestochenen Grasflächen vor Ardea, die sich zu Feldern wandeln sollten und hielt es für eine gute Idee die unzufriedenen Neubauern mit Beschimpfungen zur Arbeit zu motivieren: „Seid nicht so faul, ihr Hängohren! Fangt mal an richtig zu arbeiten! Immer dieses Gejammer: Ich kann nicht mehr. Die Arbeit ist zu schwer. Ich hab Hunger. Mir ist kalt. Buhu… nehmt euch mal zusammen ihr Pullerpötte.“
    „He Torlof, hast du Lares gesehen?“ fragte der Held, blieb stehen und sah sich um.
    „Der kam hier heute Morgen hektisch vorbeigelaufen, um Vatras zu sagen, dass er nach Vengard gehen solle und ging dann eilig nach Kap Dun weiter, um das gleiche mit Riordian zu machen. Ich wollte ihn in ein Gespräch verwickeln, aber er sagte nur, dass er möglichst schnell, möglichst weit von hier weg wollte.“
    „Kann ich mir vorstellen“, knurrte der Held. „Was machst du hier eigentlich?“
    „Na wonach sieht’s wohl aus?“ keifte der ehemalige Kapitän ihn an. „Ich wurde als Aufpasser für die Bauern strafversetzt. Jorgen hat jetzt meinen Job und ich muss diese Scheiße hier machen. Alles nur wegen dir!“
    „Du hättest eben doch Kap Dun ansteuern sollen“, sagte der Held, der auch immer noch gereizt war.
    „Hör bloß auf! Ich will dich nicht mehr sehen! Verzieh dich!“, knurrte Torlof.
    „Genau das habe ich vor“, sagte der Held kalt.
    Er ging ein Stück weiter. Aus den Augenwinkeln sah er eine Bewegung und drehte den Kopf, um sich das genauer anzusehen. Da war tatsächlich ein Schiff, sehr groß sogar, größer noch als die Esmeralda. Es fuhr an der Küste entlang und würde auch bald am Leuchtturm von Ardea vorbei kommen. Was es hier wohl machte? Und wer konnte das sein? Seine Neugier war geweckt und stritt mit seinem Durst nach Rache um die Oberhand. Der Held ging noch ein paar Schritte Richtung Kap Dun und blieb dann wieder stehen. Wann hatte er schon einmal so eine Chance wie jetzt? Wann würde wohl das nächste Schiff vorbei kommen? Welche Abenteuer würde er wohl draußen in der Welt erleben? Sicher, er hatte Lares ganz sicher nicht verziehen, aber die Abenteuerlust war dann doch stärker und zog ihn zum Wasser. Er verwandelte sich in einen Lurker und schwamm auf das Schiff zu, dass jetzt abgedreht hatte und begann sich vom Festland fort zu bewegen. Der Held musste sich beeilen, wenn er es noch erreichen wollte. Er war froh über seine Entscheidung und jede Welle, die er durchschwamm, schien eine Sorge wegzuspülen, bis er sich völlig unbeschwert und frei von jeder Verpflichtung fühlte.


    Vatras stand im Studierzimmer und sah durch das Fernrohr, wobei ihm ein tiefes enttäuschtes Seufzen entfuhr. Saturas hörte es, sah von seinen Studien auf und kam zu ihm.
    „Ist alles in Ordnung?“
    Vatras legte das Fernrohr beiseite, sah aber immer noch aus dem Fenster und sagte, ohne seinen Kollegen anzusehen: „Ich schätze nicht. Da draußen segelt ein großes Schiff …“
    „Ein Schiff?“ unterbrach Saturas ihn verwundert und sah nun prüfend ebenfalls aus dem Fenster.
    „… und ein Lurker ist eben darauf zu geschwommen, raufgeklettert und hat sich in einen Menschen zurückverwandelt. Ich schätze unser Plan den Bewahrer des Gleichgewichts zum König zu ernennen ist fehlgeschlagen. Ich weiß nicht, ob wir ihn jemals wiedersehen werden. Ob wir zu hart waren?“
    Saturas rümpfte die Nase.
    „Nein, es war richtig. Vielleicht ist es sogar besser so. Er war schon immer unverschämt, aber ich hätte nie gedacht, dass er so aggressiv geworden ist.“
    „Die Klaue Beliars hat ihn lange in seinem Bann gezogen. Wir hätten mehr auf ihn Acht geben müssen“, sagte Vatras traurig.
    Saturas sah ihn an und sein Blick zeigte deutlich, dass er sich diese Verantwortung nicht zuschieben lassen wollte.
    „Wie hast du dir das vorgestellt? Sicher … vielleicht hätte ich ihn damals dazu drängen sollen die Klaue ins Meer zu werfen, aber er macht doch sowieso was er will.“
    „Ja, das sehe ich“, sagte Vatras und sah enttäuscht dem Schiff nach, das Kurs nach Osten nahm.
    Geändert von Eispfötchen (16.10.2021 um 23:08 Uhr)

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    Burgherrin Avatar von Eispfötchen
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    Eispfötchen ist offline
    Achtung: Aufgrund besserer Lesbarkeit habe ich mich dazu entschieden diese lange Geschichte aufzuteilen, so dass eine Reihe entsteht.
    Die Posts, die hier vorher standen sind jetzt hier zu finden: Auf der Jagd nach der Esmeralda

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