Kreischend flogen die Möwen über meinen Kopf hinweg, während die Gischt des Meeres sich an den Klippen sammelte und Seetang sowie Unrat in dem gelblichen Schaum gefangen hielt. Die Sonne brach sich ihren Weg durch die Wolken, die Morgenröte war in den immer größer werdenden Lücken zu sehen, brach die Wolkendecke irgendwann ganz und gab den Blick auf den Sonnenaufgang frei. Eine leichte Brise kitzelte meine Nase, das Salz setzte sich auf die feinen Haare in meinen Nasenflügeln, ein feines Kribbeln machte sich in dem sensiblen Riechorgan breit. Von hier oben aus hatte ich einen atemberaubenden Blick auf den Hafen Khorinis`. Ich sah die Schiffe der Händler, die sich in der Dunkelheit über das wütende Meer gequält hatten, die Segel schimmerten in den Farben der Morgenröte. Das Geschrei der Händler und Fischer reichte nicht bis zu mir und doch konnte ich es mir in Erinnerung rufen. Ich sah wie der frische Fisch auf die Planken geworfen und verteilt wurde, wie die Reichen sich die besten Stücke bereits im Voraus in ihre Taschen steckten. Ich konnte den Geruch der Meerestiere förmlich in meiner Nase einsaugen. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Im Hafen hatte ich sie zum ersten Mal gesehen. Ihre blonden Haare hatte sie sich artig zu einem festen Zopf gebunden, alleine die Schönheit ihres nackten Halses hatte mich bereits überwältigt. Sie hatte gelacht als ich hinter ihr hergegangen war. Ihre Hände hatte sie hinter ihrem Rücken zusammengefaltet, ihre Finger bewegten sich verlockend, während ihr leichter Rock ihre zierlichen Beine umschmeichelte. Einen Augenblick nur verschwand sie in der Menge, ich hatte das Gefühl das mein Herz bersten würde, wenn ich ihr Antlitz nie wieder sehen sollte. Doch dann erschien sie erneut, drehte ihr Gesicht in meine Richtung. Ihre Lippen hatten etwas anmutiges, sie waren voll und wirkten wie reife Früchte. Ihre kleinen Brüste hatte sie in ihrem schlichten Kleid versteckt, die blauen Augen leuchteten keck, bevor sie sich erneut abwandte und in eine kleine Gasse abbog. Mein Herz machte einen Satz und ich beschleunigte meinen Schritt, folgte ihr in die Gasse und sah sie in einen kleinen Schankraum verschwinden. Der Geruch von Bier stieg mir in meine feine Nase und ich kräuselte sie leicht. Sie drehte sich erneut zu mir um, drückte ihre Zähne in ihre Unterlippe und ein Schauer überkam mich. Sie setzte sich an einen Tisch und ich nahm direkt gegenüber von ihr Platz. Wir sprachen kein Wort miteinander und doch bewegten sich ihre weichen Lippen immer wieder. Sie hatte sich ein Bier bestellt und hob den großen Krug mit ihren feinen Händen an, er bedeckte beinahe gänzlich ihr Gesicht. Als sie den ersten zaghaften Schluck gemacht hatte, waren ihre Lippen von Schaum bedeckt. Langsam glitt ihre Zunge über ihre Lippen, bis diese gänzlich in ihrem Mund verschwanden. Nie hatte ich so etwas gesehen und ich wünschte mir, ich wäre der Krug gewesen, der ihre Lippen mit Schaum benetzt hatte.

Ich dachte gerne an unser erstes Treffen, es erfüllte mich mit Befriedigung an sie zu denken. Ich betrachtete kritisch meine Kleidung, prüfte ob mein bestes Hemd noch richtig saß, die feinen Stiefel trotz des Morgentaus noch gut aussahen. Meine Haare hatte ich ordentlich gekämmt und mit einer schwarzen Schleife zusammen gebunden, der Bart war gestutzt, selbst die Ohren hatte ich gereinigt und die Zähne gewaschen.

Es war ein perfekter Morgen, die Vögel zwitscherten über meinen Kopf hinweg, während die Blumen des Frühlings die Meeresbrise mit einem frischen Duft erfüllten. Ich konnte sie bereits hören, sie kamen in Scharen zu den Klippen. Hier und heute sollte es also geschehen. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Ich hatte noch etwas Zeit bevor ich meine Aufmerksamkeit den Anderen widmen musste. Ich dachte zurück an den Abend als sie den Schankraum verließ. Sie war etwas beschwipst, doch das tat ihrer Schönheit keinen Abbruch. Eher das Gegenteil war der Fall. Ihre Wangen waren leicht gerötet, ihre grünen Augen leuchteten. Die roten Haare waren ihr in einzelnen Strähnen aus dem Zopf gefallen und mich überkam das Bedürfnis sie ihr zurück zu stecken, doch ich zügelte mein Verlangen. Sie hatte sich in den Arm ihrer Freundin eingehakt und ging vor mir her. Es war wie ein Tanz, den sie mir bot, als wüsste sie welche süße Qual es mir bereitete sie so zu sehen. Ihre Haarpracht lag schwer auf ihren Schultern und dem Umhang, den sie zu dieser späten Stunde trug. Sie verabschiedete sich von ihrer Freundin und wir gingen alleine durch die Gassen, schweigend, genossen die Stille der Stadt. Sie beschleunigte ihre Schritte, es war ein Spiel, das sie immer mit mir zu spielen versuchte. Ich lachte leise in mich hinein und folgte ihr.

Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn und ich wischte sie mit meinem besten Tuch weg. Es kam von ihr. Ich faltete es auseinander und betrachtete die Initialien J.R.. Ich hielt es vor meine Nase und sog ihren allgegenwärtigen Duft ein. Wie gerne hatte ich in dieser Nacht mit ihren braunen Haaren gespielt. Ich hatte sie um meinen Finger gewickelt, sie lang gezogen und zwischen meine Zähne gelegt. Ich hatte an ihnen gesaugt und ihren betörenden Duft in mir aufgenommen. Meine großen Hände hatten ihr Gesicht gehalten, während sie den Moment schweigend genoss. Wir waren zum Meer gegangen, ich hatte sie in die Wellen getragen und sie in den Fluten in meinen Armen gewogen, ihren Kopf an meine Brust gepresst, ihre Nase kitzelte dabei meine feinen Haare.

Ich schüttelte meinen Kopf und versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Die Schritte wurden lauter. Ich versuchte sie zu zählen, doch schien es mir bei der Masse schier unmöglich. Wie viele mochten an diesem besonderen Tag wohl den steinigen und beschwerlichen Weg auf sich nehmen?

Doch für sie lohnte sich dieser Weg. Er hatte sich immer gelohnt. Oft war ich ihr gefolgt, wenn sie zum Beeren pflücken die Stadt verließ. Die seltensten Beeren wuchsen hier oben und so war sie diesen Weg ächzend hochgeklettert, mit ihrem schweren Korb in der Hand. Ich war zu ihr geeilt und bot ihr meine Hand um sie zu stützen. Doch sie wehrte ab und versuchte nur eiliger den Berg zu erklimmen. Das war typisch für sie, immer hatte sie mich zuerst zappeln lassen. Ich folgte ihr in einigem Abstand, freute mich auf den Moment, wo wir alleine an den Klippen waren. Sie hatte ihren Rock gerafft, damit es ihr leichter fiel den Berg vor mir zu erklimmen. Doch ich war wie immer schneller, überraschte sie, sodass ihr der Korb zu Boden fiel. Ich presste sie an mich, erfreute mich an ihrer Anwesenheit, fuhr mit meinen Fingern durch ihre viel zu kurzen braunen Haare, tadelte sie, weil sie mich nicht gefragt hatte ob es für mich in Ordnung sei, wenn sie ihre Haare so sehr kürzte. Sie verkrampfte sich und versuchte sich aus meiner Umarmung zu befreien. Ich zitterte, weil ich merkte, dass ich einen Schritt zu weit gegangen war. Nie hatten wir über ihr Äußerliches geredet und doch hätte ich es mir gewünscht, wenn sie mit mir über ihr Vorhaben gesprochen hätte.

Ich hörte Stimmen, die sich näherten, das Scheppern der Rüstungen wurde immer lauter. Selbst meine Kameraden aus der Miliz hatten sich auf den Weg gemacht. Seufzend setzte ich mich auf den Boden. Der Ort würde nie wieder derselbe sein, wenn sie alle wussten wo er lag. Und doch war es an der Zeit ihn mit allen zu teilen, besonders weil es unser Lieblingsort war. Ich fuhr mit meinen Fingern über ihre blonden Haare, betrachtete ihre feinen Sommersprossen und die grobe Nase. In diesem Moment wirkte sie so friedlich, als wäre sie gar nicht aufgeregt. Sie hatte ein schlichtes, weißes Kleid an, ihre Haare lagen wie ein Fächer um sie verteilt, die üppigen Brüste quollen leicht aus dem Kleid hervor, während ihre schlanke Taille sich beinahe in dem Stoff zu verstecken schien. Ich glitt mit meinen Fingern über ihren Hals und dachte an die Tränen, die sie vergoss als ich ihr das schnöde Band um den Hals gelegt hatte und einen ordentlichen Knoten in die Enden machte. Ich dachte daran, wie sie unter meiner Berührung gezuckt hatte, wie sie sich wand, ihre Augen geweitet und auf mein Gesicht gerichtet, aus ihrem Mund kam kein Ton.

Ein Schnaufen ließ mich herumfahren und ich blickte in die Gesichter der ersten Männer, die den beschwerlichen Weg geschafft hatten. Sie hatten es geschafft, endlich. Freude erfüllte meinen Körper. Ich fuhr mit meinen Fingern über das Gesicht meiner Liebsten, ihre vollen Lippen, die an diesem Morgen mit einem kräftigen Rot geschminkt waren. Ich zog sie auf meinen Schoß, murmelte leise in ihr Haar, während ihr kalter Körper sich gegen meine Kleidung drückte. So war es schon immer gewesen. Am Abend war sie stets voller Leben, doch wenn der Morgen begann, schien es, als wollte sie nie wieder erwachen. Ihr Hals hatte eine blaue Färbung angenommen, ich legte meine Hände auf ihn, die blaue Färbung hatte etwas Schönes, Anziehendes. Die ersten Milizionäre hatten den Berg erklommen, der Schweiß rann ihnen nur so das Gesicht hinab. Für einen Augenblick war ich mir nicht mehr sicher ob der Schritt der Richtige war. Ich suchte eine Antwort, griff nach ihrem Gesicht, einzelne schwarze Strähnen hatten sich auf ihre geöffneten Augen gelegt, rote Haare lagen wie ein Kleid auf ihrer Brust. Ich hörte jemanden Würgen, versuchte das Geräusch zu ignorieren. Dies war unser Moment, niemand sollte ihn zerstören, egal wie schwer der Weg nach oben gewesen war. Ein letztes Mal glitt ich mit meinen Lippen über die braunen Haare, dann setzte ich mich grade hin, sog den Duft der Meeresbrise in mir auf, spürte das zarte Kribbeln an meinen Nasenhaaren, während ich sie fest an meinen Körper drückte. Ab heute würden wir für immer zusammen sein.

Ein letzter Moment der Sorglosigkeit, ein letzter Moment der Freiheit, denn wer sich ewig bindet, wird ewig gebunden sein, wer sich entscheidet, wird ewig gefangen sein. Gebt mir Nichts und ihr gebt mir alles, gebt mir Dunkelheit und ihr gebt mir ein Leben.