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Zetubals "Impressions"-Thread

  1. #1 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Hallo alle miteinander,

    ich mag mit diesem Thread hier an eine Threadreihe vom guten alten Mephistopheles anknüpfen, in der er seine Ersteindrücke neuer Serien schilderte. Ich fand das seinerzeit immer ganz spannend zu lesen und wollte es eigentlich immer mal selber ankurbeln. Nun ist es also soweit.

    Also, worum genau geht es in diesem Thread? Was möchte ich hier anstellen?
    Die Antwort: Ich möchte mit euch über Mangas reden, in die ich selber erst reingeschnuppert habe, die aktuell noch nicht abgeschlossen sind und/oder sonstwie unter dem Radar der verbreiteten Aufmerksamkeit segeln.
    Ich werde hier keine Reviews zimmern, sondern eher subjektiv versuchen zu schildern, worum es in einer Serie geht und was sie darüber hinaus so kann oder eben nicht kann. Abschließen will ich jede Vorstellung eines Mangas mit einer Empfehlung, ob sich reinschauen lohnt und wenn ja, für wen.

    Mir gibt das einerseits die Möglichkeit, mehr über Manga zu reden. Regulär geht es hier in den Threads hauptsächlich um Anime (und die Big 3) und das finde ich ehrlich gesagt ein bisschen schade. Ich lese sehr viel mehr Manga als ich Anime schaue und habe da eigentlich viel Interesse zu plaudern. Gleichzeitig fange ich ständig neue Serien an und habe zugleich einen elendig schlechten Track Record, wenn es darum geht, Serien zu beenden. Daher also die Idee, statt Reviews auch mal Eindrücke zu schildern - das geht immer.

    Ich würde mich freuen, wenn das bei dem einen oder anderen hier auf Interesse stößt und ihr seid alle herzlich eingeladen, über die Idee sowie die jeweiligen Serien, über die ich schreibe, mit mir und den anderen zu reden.
    Ich habe Bock darauf


    Inhaltsverzeichnis für die Scrollfaulen:

    1) Tenkuu Shinpan (vom 06.08.2017)
    2) Killing Stalking (vom 28.08.2017)
    3) Yakusoku no Neverland (vom 07.11.2017)
    4) Kingdom (vom 04.12.2017)
    5) Witch Hunter (vom 23.01.2018)
    6) Dead Tube (vom 20.03.2018)
    7) Aoi Horus no Hitomi - Dansou no Joou no Monogatari (vom 30.03.2018)
    8) Parallel Paradise (vom 30.03.2018) von Arkain
    9) Darwin's Game (vom 30.04.2018)
    10) Blood and Steel (vom 28.05.2018)
    11) Suicide Island (vom 30.06.2018)
    12) Rikudou (vom 31.07.2018)
    13) Jagaaaaaan (vom 02.09.2018)
    14) Shinai naru Boku e Satsui wo komete (vom 30.07.2021)
    15) Ao no Hako (vom 01.09.2022)
    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (02.09.2022 um 11:07 Uhr) Grund: Update, Schmupdate

  2. #2 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Und los gehts mit dem ersten Manga des Threads, Tenkuu Shinpan.

    Tenkuu Shinpan ist ein seit bald vier Jahren laufender Manga, der von Tsuina Miura (verantwortlich unter anderem für "Ajin") geschrieben und von Takahiro Oba (reichlich unbekannt für "Box!") gezeichnet wird. Wie man sich bei mehr als vier Jahren Laufzeit in der knüppelharten Mangaindustrie denken kann, ist die Serie in Japan recht erfolgreich, aber eben auch nicht so super doll.
    In Deutschland wird die Serie unter dem amerikanischen Titel High Rise Invasion von Egmont Manga vertrieben und gerade heute ist für den deutschen Markt der 8. von den in Japan bisher 12 erschienenen Bänden veröffentlicht worden. Ich habe allerdings bisher nur das japanische Original gelesen, deshalb kann ich nicht mehr zum Vertrieb sagen.
    Ich habe 8 Bände gelesen, kann also keine Auskunft über den aktuellsten Stand geben.

    Die Story: Tenkuu Shinpan hat eine reichlich abgefahrene Prämisse. Schulmädchen Yuri sitzt in einem Moment noch im Klassenzimmer doch kaum hat sie ausgiebig geblinzelt, findet sie sich plötzlich auf dem Dach eines Hochhauses in einer fremden Stadt voller anderer Wolkenkratzer wieder. An sich schon weird, noch komischer allerdings ist die Tatsache, dass direkt vor ihren Augen ein maskierter Mann einen Mord begeht und danach direkt dazu übergehen möchte, die Schärfe seines Hackebeils an Yuri auszuprobieren. Yuri murkst den Kerl in Notwehr ab, muss aber feststellen, dass dieser merkwürdige Ort scheinbar ausschließlich von verirrten Japaner*innen wie ihr sowie haufenweise weiteren maskierten Psychokillern bevölkert ist. Zudem scheinen Seilbrücken, die zwischen Hochhäusern gespannt sind, der einzige Weg zu sein, um sich durch den Ort zu manövrieren, denn die unteren Geschosse der Hochhäuser sind unpassierbar.
    Sie macht sich also auf, diesen merkwürdigen Ort zu erkunden.

    Eindrücke Man mag es kaum glauben, aber diese Serie über ein Schulmädchen, das mit einer Pistole reihenweise Smileymasken-tragende Psychokiller erledigt, während sie sich durch eine Welt manövriert deren Theme "Hochhäuser" ist.....ist ziemlich fad, klischeehaft und bis zum Erbrechen konstruiert.
    Tenkuu Shinpan wirkt sehr deutlich wie ein Cash Grab, der die anhaltende Welle an "Death Game"-Serien reiten möchte.
    Man mag dem Manga zugutehalten, dass er grundsolide gezeichnet ist und alle Figuren einprägsame Erscheinungsbilder haben, die ihnen Wiedererkennungswert leihen. Das zusammen mit der Tatsache, dass die bezeiten sehr blutige, splatterige Action so dargestellt ist, dass man ihr gut folgen kann, sind wohl die Hauptgründe mal in den Manga reinzuschnuppern.
    Dem gegenüber stehen die Unarten eines uninspirierten Mangas, der durch Glück Erfolg hatte. Dauernd werden irgendwelche neuen Regeln für die Welt erfunden, neue Superdupergegner aus dem Hut gezaubert etc. Da hilft es auch ganz und gar nicht, dass hier sehr nach dem Killer of the Week Prinzip gearbeitet wird und die Welt etwa so organisch aneinander gewachsen ist wie Gothic Arcania.

    Für wen es sich lohnt: Für Leute, die diese Death Game Szenarien garniert mit Splatterei mögen. In Manga-Terms also für Fans von Serien wie Btooom!, Battle Royale, Deadman Wonderland, Deathtopia, Darwin's Game usw. Wobei ich in der Aufzählung eigentlich eher zu Battle Royale und Deadman Wonderland raten würde.

    Wer sich von Tenkuu Shinpan fernhalten sollte
    : Leute die keine konstruierten Plots mögen, Leute die etwas Neues suchen. Tenkuu Shinpan wandert ausschließlich auf bereits betretenen Pfaden und ist sehr clumsy wenn es darum geht, der Welt mehr Lore und Mythos zu verleihen.

    Werde ich noch weiterlesen? Eher nicht.

    Googlebilder zum Manga
    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:26 Uhr)

  3. #3 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Hallu,

    diesmal mag ich über einen Webtoon sprechen, den ich seit geraumer Zeit verfolge, und der den Titel "Killing Stalking" trägt.

    Killing Stalking ist eine Mischung aus Thriller, Horror, Krimi und, überraschenderweise, Liebesdrama. Der Webtoon läuft seit 2016 auf einer der größten koreanischen Webtoon-Vertriebsseiten, Lezhin. Die ersten paar Kapitel kann man kostenlos lesen, für die darauffolgenden Kapitel wird jeweils ein kleiner Obolus fällig. Aktuell gibt es 31 Kapitel.

    Worum es geht?
    Um Yoon Bum, einen jungen Kerl der hoffnungslos verliebt in Klassenschönling Sangwoo ist. Da er allerdings ein "socially awkwarder", gruseliger Hänfling ist und Sangwoo ohnehin nicht auf Männer zu stehen scheint, bleibt Yoon Bum nichts anderes übrig, als seinen Angebetenen aus der Ferne anzuschmachten. Eines Tages geht Yoon Bums Stalkertum allerdings mit ihm durch und er bricht tatsächlich in Sangwoos Bude ein ...im Glauben Sangwoo sei nicht zu Hause. Bei seinem Streifzug durch die Bude stößt Yoon Bum auf einen versteckten Kellerraum und in diesem findet er...eine geknebelte, gefesselte halbnackte Frau, die offensichtlich dort gefoltert wird. Kaum realisiert er, was er da sieht, bemerkt er einen Schatten hinter sich und wird niedergestreckt.
    Als er zu sich kommt findet er sich selbst gefesselt und angekettet im Keller von Sangwoo wieder...und muss feststellen, dass sein Angebeteter hinter der Fassade eines unbekümmerten Schönlings ein soziopathischer Sadist und Mörder ist.


    Eindrücke
    Killing Stalking ist einer der wenigen Webtoons, bei denen ich mich aktiv benachrichtigen lasse, wenn ein neues Kapitel erscheint, um es sofort zu lesen. Das allein spricht dafür, wie ungemein spannend die Geschichte um Yoon Bum und Sangwoo ist. Grund dafür ist vor allem die faszinierend merkwürdige Dynamik zwischen den beiden Hauptfiguren. Denn obwohl Yoon Bum von Sangwoos Abscheulichkeit schockiert ist, Folter erleidet und festgehalten wird, lässt er nicht davon ab, zu ihm auf eine perverse Art weiter aufzuschauen und ihn gar zu lieben. Daraus entwickelt sich eine wirklich spannende Erzählung über Yoon Bums Zerrissenheit zwischen dem Wunsch, Sangwoo endlich nah zu sein, zu fliehen und um die Frage, was es bedeutet, das Richtige zu tun.
    Oft erinnert mich die Geschichte an Stephen Kings "Misery", mit dem feinen Unterschied, dass hier der Protagonist nie sicher ist, ob er seinem Peiniger überhaupt entkommen will.
    Gerade zu Beginn macht das den Webtoon zu einem verstörenden, aber sauspannendem Leseerlebnis, bei dem die Suspense teilweise ins Unerträgliche hochgetrieben wird.
    Wirklich faszinierend wird es dann mit fortlaufender Dauer, wenn man mehr über Sangwoo erfährt. Während dessen Unberechenbarkeit am Anfang noch Motor für die Spannung der Geschichte ist, tritt mit fortlaufender Dauer ein überraschend tiefsinniger Blick in die Psyche des Charakters in den Vordergrund. Zu der weiterhin hohen Spannung gesellt sich dann Tragik und, wer hätte das gedacht, sogar (reichlich bizarre) Romantik zwischen Sangwoo und Yoon Bum.
    Dabei macht der Webtoon allerdings (bisher) nie einen Hehl daraus, was für ein Monster Sangwoo ist, sondern dreht geschickt die Perspektive und fragt, wie viel "Monster" in Yoon Bum steckt, wenn man nur tief genug in ihn hineinblickt.

    Edit: Ganz vergessen zu erwähnen, aber der Webtoon ist ziemlich tauglich gezeichnet. Neben allgemeinem Detailreichtum der Panels meine ich damit vor allem die ausdrucksstarken Mimiken, die auch in wortkargen Momenten der Geschichte jede Menge Emotion verleihen.

    Für wen es sich lohnt: Killing Stalking hat alle Elemente, die einen tollen Thriller ausmachen: Suspense, wie man ihn nur selten in Animanga findet, faszinierend einzigartige Charaktere, spannende Beziehungen untereinander, schwierige Entscheidungen, Diskussionsstoff und und und
    Empfehlen würde ich den Webtoon also allen, die sich von diesen Genres angesprochen fühlen. Ähnliche Animanga fallen mir auf Anhieb nicht ein, auch wenn ich sagen möchte, dass die Charakterdynamiken an Naoki Urasawas Mangas erinnern oder an Werke wie Shamo oder Battle Royale.

    Wer sich fernhalten sollte: Offen gesagt wohl viele Leute. Die Geschichte ist im neutralsten Sinne des Wortes amoralisch und es passieren praktisch ungewertet teilweise wirklich schlimme Dinge. Zudem ist die Beziehung zwischen Yoon Bum und Sangwoo sehr bizarr und der Story fehlt ein Sympathieträger im herkömmlichen Sinn. Wer eine konventionelle Geschichte sucht oder einen fixen moralischen Kompass braucht, wird hier übel enttäuscht. Außerdem möchte ich nochmal betonen, dass der Webtoon nichts für sanfte Gemüter ist, weil allerlei Formen psychischer und körperlicher Misshandlung stattfinden. Trigger-Warnung und so.

    Werde ich weiterlesen? Auf jeden Fall.

    Killing Stalking auf Lezhin

    Googlebilder zum Webtoon
    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:26 Uhr)

  4. #4 Zitieren
    Ritter Avatar von HappyTurtle
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    Klingt nach ganz schön harter Lektüre. Aber gerade deswegen irgendwie auch interessant.

    Bin immer wieder begeistert von der Einfachheit von Webtoons. Mal eben etwas neues lesen, gerne auch eine kleinere, ausgefallenere Indie-Sache. Hab länger keinen kompletten Manga mehr gelesen. Aber Webtoons sind so schön einfach, das kriege ich doch immer mal hin.
    HappyTurtle ist offline

  5. #5 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Das geht mir ganz ähnlich. Gerade auf langen Bahnfahrten merke ich immer wieder, dass ich in der LINE-App oder so lande. Vor allem wenn ich mal das Tablet von meiner Freundin zur Hand habe
    Zetubal ist offline

  6. #6 Zitieren
    Dreigestirn Avatar von Arkain
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    Was heißt in dem Kontext "einfach"?
    Arkain ist offline

  7. #7 Zitieren
    Ritter Avatar von HappyTurtle
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    Zitat Zitat von Arkain Beitrag anzeigen
    Was heißt in dem Kontext "einfach"?
    Wie Zet auch schon schreibt: Mobile Verfügbarkeit über Apps. Dann kann man mit den Apps direkt neue Webtoons über Kategorien, Autoren und ähnlichem finden. Und eine angenehme Kapitellänge, die auch mal in die Fahrt mit der Straßenbahn passt.
    HappyTurtle ist offline

  8. #8 Zitieren
    Cult of Chillosophy  Avatar von one-cool
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    teilweise brauchst du nichtmal internetzugang dafür, wenn ich das richtig gelesen habe.
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    Ein zugedröhnter, rosa Hase schlägt alle Hunde aus dem Feld respektive Zwinger - Old Ass Bastard
    Wenn der Internetexplorer mutig genug ist, dich zu fragen, ob er dein Standardbrowser sein darf, bist du auch mutig genug, das Mädel nach nem Date zu fragen ~ Abraham Lincoln (1863)
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    one-cool ist offline

  9. #9 Zitieren
    banned
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    Falls Du Berserk liest Schilder mal deine Eindrücke dazu bitte :0
    Takeda Shingen ist offline

  10. #10 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Zitat Zitat von one-cool Beitrag anzeigen
    teilweise brauchst du nichtmal internetzugang dafür, wenn ich das richtig gelesen habe.
    Optimal für Flugreisen bspw.
    Joa, genauso wie Netflix oder Amazon kann man auch bei LINE die Option nutzen, manche Webtoons kapitelweise runterzuladen. Wenn man das vorsorglich macht, kann man auch ohne Netz schmökern.

    Zitat Zitat von Takeda Shingen Beitrag anzeigen
    Falls Du Berserk liest Schilder mal deine Eindrücke dazu bitte :0
    Könnte ich irgendwann mal machen. Eigentlich wollte ich hier erstmal über Mangas schreiben, die (noch) nicht so bekannt sind und auch nicht so extrem umfangreich, aber man weiss ja nie was die Zukunft bringt
    Zetubal ist offline

  11. #11 Zitieren
    Cult of Chillosophy  Avatar von one-cool
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    Zitat Zitat von Zetubal Beitrag anzeigen
    Und los gehts mit dem ersten Manga des Threads, Tenkuu Shinpan.
    Hm, hab jetzt mal reingelesen und nen bisschen die Rabbid Game Vibes verspürt, die mich eigentlich eher abschrecken...
    one-cool ist offline

  12. #12 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Wieder mal Zeit für ein Update.

    Gegenstand ist diesmal ein Manga, der im Laufe des letzten Jahres regelmäßig Top-Platzierungen in den Popularity Rankings von Weekly Shounen Jump ergattert hat und der nach über 2 Millionen verkauften Bänden in Japan voraussichtlich im Dezember ein internationales Release bekommt.
    Die Rede ist von "Yakusoku no Neverland" oder, wie er wahrscheinlich hier in Deutschland heißen wird, "The Promised Neverland"

    Worum es geht:
    Die 11jährige Emma führt eigentlich ein glückliches Leben. Klar, Waisenkind sein ist blöd, aber in ihrem Waisenhaus hat sie in der liebevollen Betreuerin eine Mama und in den anderen Kindern Freunde und Geschwister gefunden. Einige Dinge trüben das Idyll allerdings. Warum müssen die Waisen tagtäglich knüppelharte Intelligenztests absolvieren, was verbirgt sich hinter dem Zaun im Wald, den zu überqueren streng verboten ist? Wohin führt das Tor, der einzige Ausgang vom Grundstück des Waisenhauses und warum kommt nie ein Brief von den Kindern, die das Waisenhaus verlassen haben?

    Eindrücke:
    Yakusoku no Neverland liest sich von Beginn an wie die Manga-Variante des Romans "Alles was wir geben mussten". Um das von der Hand zu weisen, sind die Parallelen zu deutlich. Waisenhaus, Kids die neugieriger sind als gut für sie wäre, ein Nahe-Zukunft-Setting, ein "düsteres Geheimnis" usw. Yakusoku ist allerdings alles andere als eine Kopie. Der Manga nimmt sich vielmehr dieselbe Grundlage und spinnt aus ihr eine Geschichte die sehr...ähm..."Manga" ist. Ohne zu viel zu spoilern kann ich sagen, dass einigen Kids der Plan kommt, vom Gelände des Waisenhauses auszubüchsen und ab dem Punkt beginnt ein Dauerfeuer an Psychotricks- und Spielchen, in denen Charaktere einander ständig aufs Glatteis führen.
    Und das funktioniert ziemlich gut. Weil der Manga recht geschickt Informationen zurückhält, gibt es ständig kleine Spannungshöhepunkte, Wendungen und Enthüllungen, wodurch Yakusoku bisweilen ein echter Pageturner wird.
    Was die Psychospielchen an und für sich angeht, bin ich allerdings gespaltener Meinung. Die Mindgames sind zwar teilweise echt clever und werden unterhaltsam rübergebracht, aber manche Szenarien kenne ich schon aus anderen Animanga, was die Sachen so ein bisschen fad macht. Mindgames verlieren halt ihre Wirkung, wenn man sie woanders schon zuendegedacht gesehen hat.
    Was die Charaktere anbelangt, kann ich nicht so viel rummosern. Die Protagonisten Emma, Ray und Norman sind alle drei grundverschieden, Normans und Rays Cleverness ist das Unterhaltsamste an der Story, Emma als Gegengewicht mit "Herz und Moral" dazwischen zu packen klappt nur so meh. Wirkt eher so wie die Genre-Last, die man als Shounen mitschleppen muss. Der Supporting Cast an anderen Waisenkindern ist eher klischeehaft.

    Der Artstyle ist interessant, weil er zwischen skizzenhaftem Detailgrad und großer Detailverliebtheit hin und her schwankt, je nach dem was eben wichtig ist. Was dem Manga sehr in die Hände spielt, ist das grandiose Gespür des Zeichners für Schockmomente sowie für gruselige Mimik&Gestik. Einen direkten Vergleich als Referenz habe ich nicht, aber ich würde sagen, Einflüsse kommen von Yoshihiro Togashi, ein wenig Junji Itou und eventuell Tae Jun Park. Was mir persönlich gut gefällt, sind die distinkten Looks der Kinder, die ich schon nach wenigen Kapiteln mit Namen kenne.



    Ich bin nicht auf dem aktuellsten Stand des Mangas (müsste so etwa 10 Kapitel hinterher sein), aber "aktuell" scheint der Manga von der Grundformel, die er bisher verfolgte etwas abzuweichen und ich bin mir nicht sicher, wie das so ausgeht. Auf jeden Fall bringt es ein bisschen mehr Action anstelle der Mind Games ins Spiel.

    Für wen es sich lohnt
    Für Fans von Mind Games. Für Leute, die gerne spannende Wendungen haben, die stückweise ein ziemlich mysteriöses Szenario beleuchten.

    Wer sich fernhalten sollte
    Leute die etwas ganz originelles wollen. Yakusoku besteht aus vielen Versatzstücken anderer Geschichten, setzt die auch gekonnt zusammen, aber ist jetzt nicht die Neuerfindung von...irgendetwas.
    Leute, die mehr Wert auf rasante Handlung legen als auf Gespräche und Planungen.
    Leute, die keine Lust auf kindliche Protagonisten haben.

    Werde ich weiterlesen? Jawohl.

    Googlebilder zu Yakusoku no Neverland (ACHTUNG SPOILER)
    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:28 Uhr)

  13. #13 Zitieren
    Cult of Chillosophy  Avatar von one-cool
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    damit bin ich schon seit ner Weile am liebäugeln, um ehrlich zu sein...
    Werde ich wohl im Flieger mal lesen nächste Woche.
    one-cool ist offline

  14. #14 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Dann lass danach mal hören, wie dir der Manga gefällt.
    Zetubal ist offline

  15. #15 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Update des Monats

    Einer der Mangas, denen ich seit Jahren folge, der aber (sträflich) untergeht hier ist Kingdom, über den ich hier kurz erzählen mag.

    Worum es geht:
    Kingdom spielt zur Zeit der streitenden Reiche in China, wo Bauernjunge Xin mehr oder weniger durch Zufall Freundschaft zum jungen Prinzen des Königreichs Qin, Ei Sei, schließt. Was als Abenteuer-Shounen um einen geputschten und gejagten Prinzen beginnt, der seinen bösen Bruder vom Thron stürzen will, entwickelt sich mit der Zeit zu einem Epos um die Geschicke eines ganzen Königreichs, monumentale Schlachten zwischen Zehntausenden Soldaten, Helden, Verrat, Rivalitäten und all the other good stuff.

    Eindrücke:
    Für mich als Historienliebhaber ist Kingdom ungelogen seit Jahren durchgehend der unterhaltsamste kurzweilige Manga überhaupt. Die ersten Bände bis zur ersten Militärkampagne gegen Wei sind zwar ziemlich durchwachsen und bisweilen etwas nichtssagend, aber danach findet der Manga seine ganz eigene Identität. Ich habe es anderswo schon einmal so ausgedrückt: Kingdom liest sich wie eine Rollenspiel-Fiction zu einer Total War Kampagne. Kein anderer Manga kann so effektiv und wuchtig große Schlachten inszenieren, versteht es so effektvoll Helden larger than life zu zeichnen und Taktik visuell umzusetzen.

    Während die ruhigeren Moment zweifelsohne etwas fad sein können, der Humor repetitiv ist, Xin ein mega-klischeehafter Protagonist sein mag und viele, viele Moment mit ihrer cheesyness anecken könnten, komme ich nicht umhin die großen Momente zu loben. Wer einen Manga sucht, der ein Gespür für das hat, was das Internet so inflationär als "epic" und "badass" betitelt, wird hier vollends bedient.
    Die Schlachten, die gewöhnlich mehrbändige Arcs bilden, sind zudem durch ziemlich gutes Pacing geprägt. So gibt es immer kleine Etappenziele, die selbst lange Gefechte kurzweilig in Häppchen teilen und sich insgesamt nachvollziehbar in der Schlachtverlauf einbetten.

    Zudem bin ich immer wieder baff, wie vorausschauend der Manga angelegt ist. Rückblickend finden sich Charaktere und Anspielungen auf spätere Handlungselemente schon hunderte Kapitel früher. Insofern möchte ich auch positiv erwähnen, dass Kingdom weder überhastet, noch Handlungen zu sehr in die Länge zieht (meistens zumindest).

    Für wen es sich lohnt:
    Leute mit Ausdauer (der Manga umfasst bereits jetzt mehr als 500 Kapitel und soll laut dem Autor noch etwa genauso lange fortgesetzt werden)
    Leute, die Geschichte mögen
    Leute, die auf historische Schlachtengemälde (und Action) stehen
    Leute, die sich nicht an Klischees stören

    Für wen es sich nicht lohn:
    Leute, auf die die oben genannten Dinge nicht zutreffen
    Leute, die auf realistische Geschichtserzählung stehen
    Leute, die interessante Protagonisten suchen
    Leute, die gegen Pathos allergisch sind

    Werde ich weiterlesen: Und wie!

    Googlebilder (voller Spoiler)
    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:28 Uhr)

  16. #16 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Neues Jahr, neuer Manhwa. Dieses mal geht es um Witch Hunter.

    Worum es geht:
    Hexenalarmstufe Rot auf dem blauen Erdball! Wie aus dem Nichts erklären Hexen - bis dahin friedliche Magierinnen und Heilerinnen - der Menschheit den Krieg. Während ein Großteil der Welt bei dem Schlamassel den Bach runter geht, formiert sich mancherorts ein Widerstand: Denn wo Hexen aufmucken, ist ein zünftiger Hexenjäger-Orden nicht fern.
    Eben einem solchen Hexenjäger, namens Tasha Godspell, und seinem Kampf gegen besagte aufreizend gekleidete gefährliche Besenreiterinnen folgt die Geschichte von Witch Hunter.

    Eindrücke:
    Wie mir neulich zu Ohren kam, ist Witch Hunter der aktuell bestverkaufte koreanische Manhwa überhaupt. Grund genug über den Shounen ein paar Worte zu verlieren. Vorab die Info: Es gibt (mW) 18 oder 19 Bände von Witch Hunter, die Reihe läuft noch und wird zweiwöchentlich im koreanischen Magazin Young Champ veröffentlicht. Auf Deutsch ist er bisher nicht erschienen, dafür aber auf Englisch und Französisch (sowie auf italienisch). Da ich kein Wort koreanisch verstehe, habe ich die 15 Bände, die ich bisher kenne, gemischt auf Englisch und Französisch gelesen.

    Und wie ist nun der Eindruck? Nun, Witch Hunter ist ein handwerklich und erzählerisch sehr solider Action-Shounen. Dass der Manhwa zweiwöchentlich veröffentlicht wird, wirkt sich sehr positiv auf die Qualität der Zeichnungen aus, die sehr sauber, effektvoll und immens detailverliebt daherkommen. Die Anordnung der Panels ist intuitiv, das Geschehen dabei stets übersichtlich eingefangen, was gerade in einem actionlastigen Manhwa wie diesem zu einem sehr vergnüglichen Leseerlebnis führt.
    Optisch wartet Witch Hunter zudem mit einem Reichtum an Kulissen auf. Nacheinander wechselt die Geschichte von Schauplätzen die Steampunkig wirken, zu welchen, die an das feudale China erinnern bis hin zu Orten, die in ihrem Design an europäische Fantasy/Sagen angelehnt sind. Alles immer sehr detailreich, wobei mancher sich wohl an dem wirren Mischmasch aus unterschiedlichen Stilen stören könnte. Generell ist Witch Hunter einer der zeichnerisch hochwertigsten und facettenreichsten Manhwa, die aktuell regelmäßig erscheinen (und mehr als ein Dutzend Kapitel umfassen).

    Inhaltlich macht Witch Hunter auch bisher nichts grob falsch. Klar, die Geschichte gewinnt keine Preise, aber das ist wohl auch nicht das Ziel. Tasha ist ein über weite Strecken nachvollziehbarer Protagonist, dessen Gezanke mit seiner Begleiterin Halloween und seinen Kollegen immer wieder für einen Lacher gut ist, seine Emo-Momente nerven allerdings schon etwas. Die Figuren rund um Tasha kommen bisher nur stellen- bzw. ausnahmsweise über eindimensionale Sidekicks hinaus und die Bösewichte sind sehr stereotyp böse. Die Dynamik zwischen Tasha und seiner Schwester ist zwar nichts, was ich nicht schon zigmal woanders gelesen hätte und reitet wiederholt auf der selben Masche rum, ist aber grundsolide inszeniert.

    Ansonsten bietet Witch Hunter all den Kram, den Genrefreunde suchen: Magie, Kämpfe, Kitsch, Oneliner, edgy young guys in stylischen Lederoutfits, Lolis und vollbusige Hexen Die Art, wie letztere beide sexualisiert dargestellt werden ist (wer hätte das gedacht) so gar nicht mein Ding, der Rest ist...okay, denke ich.

    Für wen es sich lohnt:
    Leute, die Action Shounen mögen
    Leute, die sich nicht an Klischees des Genres stören
    Leute, die auf überdurchschnittlich gute Zeichnungen Wert legen
    Fans von Genremix
    Fans seichter Unterhaltung

    Für wen es sich eher nicht lohnt:
    Leute, die etwas neues, erfrischendes suchen
    Leute, die keine Action Shounen mögen
    Leute, denen die willkürlichen Vermischungen verschiedener Szenarien nicht schmecken.

    Werde ich weiterlesen? Bei Gelegenheit vielleicht. Witch Hunter ist so ein typischer "guter Standard"-Shounen. Kann man gelesen haben, erfüllt die geschürten Erwartungen, macht aber auch partout nichts Außergewöhnliches. Insofern ideal, wenn man gerade nichts besseres zu lesen hat, aber auch nichts, wo ich aktiv auf den nächsten Band hinfiebere.

    Googlebilder (Spoiler und so, ihr wisst schon)
    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:28 Uhr)

  17. #17 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Irgendwie war ich im Februar zu busy, um eine Impression hier zu schildern. Mea culpa. Diesen Monat wird es aber wieder was. Denn heute gehts um ganz große Scheiße Dead Tube.

    Worum es geht:
    Filmnerd Tomohiro ist der eine Kerl an seiner Schule, der irgendwie immer mit Kamera in der Hand rumläuft. Schulschönheit Mai mag sich das zunutze machen und fragt eines Tages ganz unschuldig, ob Tomohiro ihr einen Gefallen tun könnte. Sie möchte einen ganzen Tag ihres Lebens mit der Kamera dokumentiert haben. Tomohiro willigt ein und die Sache wird schnell weird als Mai zB darauf besteht, dass die Kamera sie auch auf Toilette begleitet. Als sie sich dann am Abend in einer verlassenen Gegend mit ihrem Freund trifft, kommt es wenig überraschend, dass Mai Tomohiro auch darum bittet, die beiden beim Sex zu filmen. Während Tomohiro noch vor sich hin seufzt, passiert jedoch etwas unerwartetes. Denn während Mais Freund in freudiger Erwartung sein Ding auspackt, zückt Mai kurzerhand eine Eisenstange und prügelt den nichtsahnenden Dude mit großer Wonne und vor laufender Kamera zu Tode.
    Tomohiro findet das zwar...aus Gründen...irgendwie geil, ist aber auch dezent geschockt und trifft die naheliegende Entscheidung, ein lautes "what the fuck?!" in Mai Richtung zu werfen.

    Stellt sich heraus, dass Mai Shootingstar einer neuen Darknet-Videoplattform namens Dead Tube ist. Dort streiten Teilnehmergruppen um immense Millionengewinne. Wer die meisten Klicks generiert, gewinnt - und was du zeigst, ist dir überlassen. Von Blümchenpflücken, über Sex mit Tieren, Folter, Mord und Katzenvideos - alles ist erlaubt. Die Crux dabei: Während der User mit den meisten Klicks Cash gewinnt und straffrei bleibt, muss der Gruppenteilnehmer mit den wenigsten Klicks die Verantwortung für alle Verbrechen tragen, die die anderen Teilnehmerinnen begangen haben.
    Und ob er es will oder nicht, Tomohiro ist nun Teil des Wettbewerbs.

    Eindrücke:
    Was Autor Mikoto Yamaguchi sich hier ausgedacht hat, ist mit einiger Sicherheit die größte Scheiße, die ich seit einiger Zeit gelesen habe. Und das sage ich, obwohl ich die grundlegende Prämisse gar nicht mal so uninteressant finde. So beknackt die Idee hinter der Videoplattform Dead Tube auch sein mag, in einer überdrehten Satire, die sich selber nicht ernst nimmt und das Geschehen eher schwarzhumorig zelebriert, hätte das durchaus hinhauen können. So im Geiste von Battle Royale.
    Dead Tube ist allerdings als bierernster Exploitation-Schocker inszeniert. Und das bricht der Chose das Genick.
    Ohne erkennbares Reflexionsvermögen besteht Dead Tube in den vier Bänden, die ich gelesen habe, lediglich aus einer Aneinanderreihung kruder Handlungsrahmen, die gefüllt sind mit abartigen, rein auf shock-value ausgelegten Gewaltexzessen. Im Detail mag ich nicht auf den kranken Shit eingehen, der in Dead Tube passiert. Sicher ist aber, dass nur die schlimmsten Gorehounds hieran Gefallen finden dürften.

    Zeichnerisch ist der Manga grundsolide bis gut eingefangen, mit sauberen Panel-Layouts, gutem Lesefluss, überdurchschnittlichem Detailgrad und, zumindest in einigen Kapiteln, einem beachtlichen Gespür dafür, Information über Körpersprache und Gesichtsausdrücke zu vermitteln. Das übermäßig zu loben ist allerdings so, als würde man Uwe Bolls „Auschwitz“ ein Kompliment für die ästhetische Slow Motion machen.

    Für wen es sich lohnt:
    Dark Eldar

    Wer sich fernhalten sollte:
    Alle anderen.

    Werde ich weiterlesen? Nö.
    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:30 Uhr)

  18. #18 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Die letzte Impression ist zwar noch nicht so lange her, aber was solls. Irgendwie muss ich ja den faden Nachgeschmack der letzten auswaschen. Heute geht es, taufrisch, um Chie Inudohs Manga Aoi Horus no Hitomi - Dansou no Joou no Monogatari. Und weil der Name viel zu lang ist, um ihn vernünftig anzusprechen, nenne ich ihn hier gemäß seines französischen Vertriebstitels Reine d'Egypte.

    Worum es geht:
    Reine d'Egypte folgt dem tumultigen Leben und Tun von Hatschepsut, einer legendären Pharaonin des antiken Ägyptens im 15. Jahrhundert v.Chr.. Die Geschichte beginnt mit Hatschepsuts jungen Jahren und zeigt, wie aus einem ungestümen Mädchen über Jahre und harte Lektionen hinweg eine weltfrauliche Herrscherin wird, die sich aus eigener Kraft den Respekt und die Anerkennung von Volk & Adel erkämpft.

    Eindrücke:
    Chie Inudohs Debüt ist ein Manga, bei dem nach dem Lesen der ersten drei Bände die positiven Eindrücke definitiv überwiegen.

    Als notorischer Geschichtsliebhaber finde ich es natürlich besonders toll, dass es hier um das antike Ägypten geht. Ich gebe zu, über die Zeit und auch Hatschepsut selber kaum etwas zu wissen und finde es deshalb umso spannender, wie die Geschichte sich (scheinbar) relativ faktentreu entfaltet. Besonders die Details über den Amun-Ra-Kult bzw. die Rolle, die Religion im Leben der Leute einnimmt, ist faszinierend, zumal der Manga sie leicht aufbereitet, sodass man Information im Lauf der Erzählung automatisch aufnimmt, anstatt sie in riesigen Exposition-Batzen schlucken zu müssen.
    Weniger erbaut bin ich von den Zeichnungen. Versteht mich nicht falsch, die Zeichnungen sind handwerklich gelungen, in routinierten, nachvollziehbaren Layouts arrangiert, die Figuren haben einprägsame Charakterdesigns mit ausdrucksstarken, wenn auch etwas arg überzeichneten, Ausdrücken. Was mich stört, ist der etwas zu cleane, polierte Look des Ganzen. Für einen Manga, der immer wieder mit den historische Fakten der Epoche kokettiert, ist der Look unpassend sauber bzw. makellos. So sieht Reine d'Egypte weniger aus wie ich mir Ägypten im 15. Jahrhundert v.Chr. vorstelle, sondern eher so wie es für wohlhabende europäische Touris auf Theaterbühnen inszeniert wird. Das ist aber mitnichten allgemeingültige Kritik. Wer sich in dem modernen, etwas von koreanischen Manhwa inspirierten Shounen-Look pudelwohl fühlt, wird Reine d'Egypte bestimmt ansprechend finden.

    Bei der eigentlichen Hauptgeschichte und den Charakteren bin ich etwas zwiegespalten. Ich kann euch nicht sagen, wie sehr ich es genieße, mal einen Historienmanga zu lesen, in dem einer Frau die Hauptaufmerksamkeit zuteil wird. Die legt zwar erstmal eine Tom-Boy-Attitüde an den Tag, aber mit fortlaufender Dauer widmet sich der Manga auch ganz explizit ihrer Weiblichkeit und zwar insofern als es oft darum geht, wie sie sich besonders als Frau am Hof hervortun muss. Ihren zentralen Arc, in dem es darum geht, wie sie sich gegenüber ihrem tyrannischen Ehemann durchsetzt und letztlich versucht, sich als dominantere, bessere Herrscherin zu behaupten, finde ich wirklich sehr spannend. Dass ihr Mann allerdings ein super stereotyper Sexist und Tyrann ist, verhindert, dass sich ein interessanter persönlicher Konflikt zwischen beiden aufbaut. Auch Hatschepsut ist sehr simpel gestrickt, sodass man die Handlung und die Charaktereigenschaften aller Figuren im Wesentlichen auf einem Bierdeckel zusammenfassen könnte. Das ist verschenktes Potential in Reinform.

    Noch eine Sache zum Ton der Erzählung: Reine d'Egypte wird nämlich in einem Seinen-Magazin veröffentlicht und dementsprechend als Seinen eingestuft. Das halte ich tatsächlich für etwas diskutabel. Natürlich kann man das Argument fahren, dass es in dem Manga darum geht, wie eine Frau in eine Herrscherrolle hineinwächst, wie sie ihre Weiblichkeit damit vereinbart etc.. Und das sind wohl nicht die klassischen Kernthemen, die einen Shounen-Fan von Naruto&Co. reizen. Gleichzeitig ist der Ton der Geschichte aber näher an einer Disney-Prinzessinnen-Geschichte als an einem Shakespeare-Drama. Hatschepsut ist (bisher) eben kein besonders komplexer, dreidimensionaler Charakter mit tragischem Makel oder so. Stattdessen ist sie eher eine simple herzensgute Mulan/Arielle/Belle, deren Arc darin besteht, zu lernen wie sie Abenteuerlust und Tomboy-Manier mit ihrer Machtposition vereinbart. Das ist nicht so wirklich der Erzählton eines Seinen.
    Da mag man nun entgegnen, dass das nur zeige, wie sinnlos demographische Kategorien wie Shounen/Seinen sind, wie sie Stereotype bestätigen usw. usf.. Und das stimmt natürlich auch! Der Grund, weshalb ich es trotzdem anspreche, ist folgender: Wenn ich etwas als historischen Seinen angepriesen sehe, denke ich direkt an Vagabond, Sidooh, Historie, Ravages of Time, Vinland Saga etc. Und wenn ich mit der Erwartung, die die wecken, an Reine d'Egypte rangehe, werde ich maßlos enttäuscht werden.
    Das ist keine Kritik am Manga, sondern an dem nutzlosen Labelling und eine Warnung an alle, die sich aufgrund des Labels bestimmte Hoffnungen machen.

    Für wen es sich lohnt:
    Leute die (antike) Geschichte mögen
    Leute die Interesse an unverbrauchten Szenarien haben
    Leute die mal eine Geschichte über Frauen in Machtpositionen lesen möchten
    Fans von Disney-Prinzessinnen

    Wer sich fernhalten sollte:
    Leute die viel Action wünschen
    Leute die sehr komplexe, tiefschürfende Plots & Charaktere suchen
    Leute die etwas im Stil von Vinland Saga erwarten
    Klischeehasser

    Werde ich weiterlesen? Gut möglich. Reine d'Egypte haut mich zwar nicht vom Hocker, ist aber wirklich ein solider Manga, dessen kleinere Schwächen mein Lesevergnügen kaum getrübt haben. Stand heute ist das ein Manga, wo sich für mich eher die Frage stellt, ob er über längere Zeit mein Interesse halten kann. Insofern bin ich selber neugierig, wohin die Reise geht, und werde wohl ab und zu einen Band lesen, so lange es Spaß macht.

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    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:30 Uhr) Grund: Typos

  19. #19 Zitieren
    Dreigestirn Avatar von Arkain
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    Ich klaue mal dein Format


    Parallel Paradise, Lynn Okamoto


    Worum es geht:
    Isekai ist ein Begriff, der sich in etwa als "andere Welt" übersetzen lässt und wird mittlerweile gerne als eine Art Genrebegriff benutzt, wenn es in einem Werk darum geht, dass der Handlungsort, zumindest zu einem signifikantem Teil, eben eine solche andere Welt ist, in der die Protagonisten mehr oder weniger gefangen sind, sei sie nun digital wie in Sword Art Online oder "real", wie in Parallel Paradise. Tja und damit habe ich schon das meiste gesagt, denn nachdem Ordinary Highschool Student Youta von einem Monster ohne Grund aus dem Fenster geschmissen wird, landet er in einer Fantasywelt, mit Drachen, absurd geformten Bäumen, Schlössern, eben allem was man so braucht. Ach ja und die Welt ist komplett von jungen Frauen bevölkert, die auf mysteriöse Weise in der Welt spawnen (na ja, aus einem Schloss, wenn man es genau nimmt) und dann dort in convenient Städten die sie nicht warten können rumdödeln, bis sie mit ~20 auf ebenso mysteriöse Weise schmelzen sterben. Enter Youta, der als einziger Mann der ganzen verdammten Welt durch bloße Berührung die auf grenzenlose Geilheit gegenüber Männern gezüchteten Frauen in Windeseile pimpern kann, was ihnen conveniently das Leben mittels Trampstamp rettet. Das muss dieses "Parallel Paradise" sein, von dem ich gehört habe. Ach ja und dann ist da noch diese Sache mit irgendeinem Gott, der furchtbar böse ist, also sollte man ihn töten. Dabei muss sich Youta als Mädchen tarnen, sonst könnte es sein, dass er dran glauben muss. Wahrscheinlich in einer stadtweiten Orgie, sobald er "ergriffen" wird aber besser nichts riskieren.


    Eindrücke:
    Ich weiß nicht, ob es deutlich geworden ist, aber ich mag Rape Paradise nicht. Die Handlung ist eine einzige Aneinanderreihung von Männerträumen und Convenience, z.B. haben die Mädels zwar Bücher wie Hölle, können die aber nicht mehr lesen, also schauen sie sich die schönen Bilder an. Oh, die Bücher sind conveniently auf Japanisch geschrieben. Die Mädels sind alle etwas dämlich, also kann Youta ihnen schön alles mansplainen, unter anderem auch so schöne Dinge wie Zahlen. Denn Mathe ist schwer und zählen auch. Genau wie Gebäudewartung. Die Mädels sind natürlich alle von kleinauf Kriegerinnen der Extraklasse. In engen Spandexbikinis. Und darum müssen sie von Youta vor Monstern gerettet werden, der conveniently Martial Arts wie Judo und Kendo betreibt, wie ein guter Japaner das eben so macht. Aber hey, die sind die Elite der Elite der Elite in einer monsterverseuchten Zauberwelt, natürlich müssen die von nem Bengel gerettet werden, der das erste Mal einen Kampf sieht. Und natürlich gibt es ein convenient Katana für ihn.
    Und dann die Sexgeschichte. Kaum fasst er eins der Mädchen an, wird dieses unfassbar geil, verliert 5l Körperflüssigkeit (in ihren Adern scheint übrigens Wachs zu zirkulieren), die alsbald Pfützen bildet und ist sie für immer devot und will nur noch Sex mit Mackerboy. Und zur Krönung kriegen sie alle einen magischen Trampstamp, wenn sie entjungfert wurden. Geil. Und ja, natürlich ist der Sex quasi komplett einseitig und rapey. Und natürlich ist Youta der Welt größtes Arschloch bei allem. Immerhin kann er schon nach kürzester Zeit die verschiedenen Mädchen am Geruch wittern, eine riecht z.B. nach Zitrussäure, wenn sie geil ist (und das ist immer).

    Auch zeichnerisch bekommt man hier nichts interessantes geboten, eher Okamoto in Reinform. Soll heißen, er hat sich seit der zweiten Hälfte von Elfen Lied immer noch nicht weiterentwickelt. Samefaces überall, awkward Posen (ganz besonders beim Sex) und ungefähr vier Gesichtsausdrücke (neutral, schockiert/wütend, notgeil und sehr notgeil). Von Vorteil ist, dass anders als z.B. in Nononono nicht alle drei Sekunden irgendwer einen Schurkenmoment hat, bei dem Okamoto zeigen kann, dass er menschliche Münder für Rechtecke hält. Hier sind die Münder zwar auch großteilig offen, aber weit und rund, if you know what I mean. Schlimm ist, dass ich das Gefühl habe, er traut sich entweder nicht richtige Pornographie zu zeichnen oder (und das glaube ich viel eher) er kann es nicht. Denn nichts ist so langweilig wie mehrere Kapitel, in denen die Leute einfach nur langweiligen softcore Sex mit schlechtem Pornodialog haben. Und selbst wenn nicht, passiert in jedem Kapitel so wenig, dass man sich fragt, ob da nicht ein paar Seiten fehlen. Man vergleiche das z.B. mit World's End Harem, das als sexgetriebenes Werk eine Zeichnerin hat, die viel Erfahrung mit Pornographie hat und das sieht man einfach. Okamoto hingegen bleibt in seinem ewigen Mittelmaß, wie man es kennt und hasst und Parallel Rapeadise macht es durch seinen ekelhaft offenen Chauvinismus echt nicht besser. Am schockierendsten finde ich hierbei, dass die Serie nun schon mehrere Bände umfasst und noch kein Ende in Sicht ist - es gefällt also einer hinreichend großen Menge von Lesern.


    Für wen es sich lohnt:
    Unfallgaffer
    Machos
    Leute, die sich nicht an echte Pornographie herantrauen
    Hoffnungslose Okamotofans


    Wer sich fernhalten sollte:
    Leute, die Pornographie wollen
    Leute, die keinen Schund wollen
    Eigentlich jeder


    Werde ich weiterlesen?
    Ich bin da ja etwas conflicted. Einerseits macht mich der Manga wütend wie kaum etwas anderes, andererseits kann ich nicht wegsehen. Ich habe dieses Bedürfnis zu erfahren, wie schlecht es noch werden kann.
    Arkain ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:31 Uhr) Grund: Titel eingefügt

  20. #20 Zitieren
    Irregular  Avatar von Zetubal
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    Monats-Update!! Gerade noch so geschafft Heute geht es um Darwin's Game, einen Manga mit gleich zwei Mangakas, die sich das Zeichnen und Schreiben teilen.

    Worum es geht:
    Sudou Kaname rutscht eher unbeabsichtigt in die bizarre Welt von Darwin's Game - einem flammneuen Mobile-Game. Doch wer hier an Pokémon Go & Konsorten denkt, irrt. Denn in Darwin's Game treten die Spieler selbst in der realen Welt in gegeneinander an. Ausgestattet mit übernatürlich Kräften kämpfen sie um Vorherrschaft, Punkte und manchmal auch nurs um blanke Überleben.
    Kaname nimmt das nicht so einfach hin und schart eine wachsende Gruppe von Freunden um sich, um den schurkigen Spielern zu trotzen und das Spiel (und damit den ganzen Spuk) zu beenden.

    Eindrücke:
    Darwins Game ist ein Manga, der vor allem über Mundpropaganda schleichend seinen Weg um den Globus gemacht hat. Der seit 2012 laufende Manga des Duos "Flipflops" umfasst derzeit 13 Bände, von denen auch in Deutschland über Egmont der Großteil verfügbar ist. Ich habe bisher 9 davon gelesen, aber das nur am Rande.

    Wie er mir gefällt? Nun, zunächst mal könnte die Prämisse kaum generischer sein. Ein Videospiel stattet eine überwiegend aus Jugendlichen bestehende Gruppe mit übernatürlichen Kräften aus und die liefern sich Kämpfe. Der Protagonist ist ein Schüler, wird Anführer eines Clans, es gibt Lolis, Deadpan-Charaktere und eindimensionale Kumpeltypen-Sidekicks, der Protagonist hat eine unerhörte Sonderfähigkeit, fordert das grausame System heraus blablablub. Punkte für Originalität gibt es jedenfalls nicht.
    Die Charaktere können auch getrost als "Klischees und Tropes" abgefrühstückt werden. Kaname ist anfangs ganz interessant, weil er für einen Shounen-Protagonisten erfrischend pragmatische und stellenweise egoistische Gedanken hegt. Je mehr ich allerdings gelesen habe, desto mehr bin ich von dem Typen verwirrt. Das Writing ist derart inkonsistent, dass ich keinen Schimmer habe, welche Charaktereigenschaften ihn nun beschreiben würden. Generell ist das Writing eher von der kackigen Sorte. Unfokussierte Geschichten, nutzlose Charaktere, forcierter Fanservice, der ziemlich out-of-character daherkommt und das alles garniert mit Logikfehlern. Meh.

    Zeichnungen sind ein zwiespältiges Ding. Man spürt sehr deutlich, wenn die Mangakas Wert auf ein bestimmtes Panel oder Bildelement legen. Das sieht dann nämlich mitunter schon ganz hübsch aus. Ab und an gibt es auch richtig ambitionierte Zeichentechniken. Schon früh benutzen FlipFlops z.B. die Auflage von bestimmten Rasterfolien, um Tiefenunschärfe zu simulieren. Gleichzeitig leidet der Detailgrad an anderen Stellen merklich. Wenn man sich in den Panels ein wenig umschaut, fällt das sehr stark auf. Gesichtslose Statisten, unmögliche Posen, krakelige Linien oder einfarbige Kleckse als Frisuren - der übliche Driss. Fairnesshalber muss ich aber zugeben, dass sich die Qualität der Zeichnungen so ab Band 4 stetig verbessert und rundum relativ gute Zeichnungen mit der Zeit die Überhand gewinnen. Originell sind sie aber trotzdem nicht - Darwin's Game setzt auf das, was aktuell so als "Shounen chic" gilt - kantige, etwas sterile, realistische Designs.

    Für wen es sich lohnt:
    Fans von Shounen, in denen sich Leute mit übernatürlichen Kräften ständig battlen
    Leute mit hoher Standardkram-Toleranz
    Fans von Serien wie Accel World, dem SAO-Film, Psyren, The Gamer, Tenkuu Shinpan usw usf

    Wer sich fernhalten sollte:
    Leute, die frischen Wind im Genre suchen
    Leute die Wert auf gut geschriebene Charaktere legen

    Werde ich weiterlesen? Eher nicht. Fällt in die Tenkuu Shinpan-Sparte von Mangas, die mir gerade so eine Spur zu ausgelutscht sind. Wer kaum oder nie etwas derartiges gelesen hat, kann wohl aber seinen Spaß damit haben.

    Googlebilder zum Manga
    Zetubal ist offline Geändert von Zetubal (01.09.2022 um 19:31 Uhr) Grund: Typo

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