It's that time of the month again...und ich habe eine Impression zu einem Manhua, auf dessen Titelblatt in schwungvollen Pinselstrichen Blood and Steel steht.
Worum es geht
Der Qin-Cheng-Stil zählt zu den besten Kampfkunstschulen des feudalen Chinas. Er ist ruhmreich, mächtig und angesehen. Und doch muss Yan Heng, der neueste Schüler des Stils, hilflos mit ansehen, wie die konkurrierende Wudang-Sekte seinen Meister tötet, seine Mitschüler massakriert und die Schule dem Erdboden gleichmacht. Yan schwört Rache und zieht mit einer bunten Truppe aus Kämpfern, die ihre eigene Rechnung mit Wudang offen haben aus, um der Sekte das Handwerk zu legen.
Eindrücke:
Blood and Steel ist der Debüt-Manhua von Autor Qiao Jingfu & Zeichner Meng Ma Gong Zuo Shi und fällt in das populäre chinesische "Wuxia"-Genre, in dem Kampfkunst & Fantasy in "epischen" Heldengeschichten verbunden werden. Über weite Strecken ist Wuxia ein Buch mit sieben Siegeln für mich. Die einzelnen Bestandteile (also feudales Setting, Kampfkunst, Fantasy-Einschläge) mag ich zwar, aber Wuxia hat zwei Eigenheiten, über die ich nicht so recht hinwegkomme. Einerseits neigen Wuxia-Geschichten extrem zur Überzeichnung und Theatralisierung von Charakteren oder Geschehnissen. Das mag in Maßen ein effektives Stilmittel sein, in der Intensität und Häufigkeit, wie es in Wuxia Anwendung findet, ist es mir zu viel. Die zweite Sache hat mit dem Erzählen zu tun. Wuxia hat oft eine Erzählstimme, die das Geschehen im Präsens kommentiert. Etwa so wie ein Fantasy-Sportkommentator. In Film und Manga empfand ich das bisher immer kontraproduktiv, weil ich das Bildgeschehen ja sowieso "live" erlebe und es für Gedanken der Figuren ja Gedankenblasen gibt. Erzähler in Manga ist unnötig.
Blood and Steel weist beide Eigenarten auf, ist aber trotzdem ein toller Manhua. Oder gerade deswegen. Großes, theatralisches Drama gibt es zwar auch, aber das spart sich die Geschichte für Momente auf, wo es angebracht und nachvollziehbar ist. Zwischendurch werden die Charaktere aber auch menschlich, teilweise humorvoll und ohne unnötige Überspitzungen dargestellt. Das macht es leichter, mit ihnen mitzufühlen, wenn es ernst wird und sorgt obendrein dafür, dass man Sympathien und Antipathien aufbaut. Und es legt das emotionale Fundament der Geschichte.
Die Erzähler-Sache löst Blood and Steel klug, indem der Erzähler nicht bloß kommentiert, was sich auf den Panels abspielt, sondern vor allem Hintergrundinfos liefert über die Moves, die die Charaktere benutzen. Das entschleunigt die Kämpfe zwar, macht sie dadurch aber auch übersichtlicher. Grundsätzlich entsteht der Eindruck sehr kalkulierter Duelle, in denen Technik mit Technik beantwortet wird und derjenige siegt, der besser taktiert. Ist definitiv eine Abkehr vom wilden Actionvielerlei, das man aus japanischen Manga kennt und insofern eigenwillig - ich fand es aber ansprechend, weil es den Techniken und Stilen Charakter und Tiefe einhaucht.
Die Hauptgeschichte wiederum gewinnt keinen Blumentopf. Talentierter, aufrichtiger junger Mann erlebt Traumatisches, sinnt auf Rache, trainiert, schart eine Nakama-Truppe aus Misfits um sich...viel schablonenmäßiger kann man in dem Genre kaum erzählen. Andererseits muss man Blood and Steel zugute halten, dass die Wudang Sekte nicht aus eindimensionalen Baddies besteht, die einfach nur muhaha-evil sind. Ohne viel zu spoilern, klärt sich schnell, dass Wudang lediglich eine Philosophie vertritt, die radikal inkompatibel mit den anderen Schulen ist, wodurch der Konflikt vorprogrammiert erscheint. Generell haben viele Haupt- und Nebenfiguren eine eigene Agenda, was ein wenig hilft, die klischeebeladene Haupthandlung aufzulockern.
Der weitaus offensichtlichere Grund, weshalb man Blood and Steel lesen sollte, sind aber die Zeichnungen. Der Manga glänzt mit immenser Detailverliebtheit, die von den Accessoires an Kleidung von Charakteren bis hin zu prunkvoll verziertem Rauminterieur reicht. Einprägsam ist außerdem der Einsatz von Pinselzeichnungen und eine (für Manga-Fans) ungewohnt dicke, druckvolle Linienführung. Die sorgt dafür, dass das Bildgeschehen oft sehr wuchtig wirkt, was die Handlungsorte imposanter und die Kämpfe kinetischer macht. Grundsätzlich liefert Zeichner Meng hier phänomenale Arbeit ab, die sich sowohl in Sachen Detailreichtum, als auch in puncto Konsistenz, Stilsicherheit, Übersichtlichkeit und so ziemlich jedem anderen Aspekt mit den Größen der Manga/Manhua-Welt messen kann.
Für wen es sich lohnt:
Fans von Wuxia (z.B. Storm Riders, Ashes of Time, Saint, Weapons of the Gods, Feng Shen Ji, Legend of Emperors...)
Fans von großartigen Zeichnungen mit Wiedererkennungswert
Leute, die Martial Acts Action mögen
Wer sich fernhalten sollte:
Leute, die allergisch gegen Theatralik und Kitsch sind
Leute, die sich am eigenwilligen Wuxia-Erzählstil stören
Leute, die unverbrauchte Plots suchen
Werde ich weiterlesen? Ja, gesetzt den Fall, dass ich es mal schaffe, weitere Bände aufzutreiben. Die sind nämlich mangels Lizenzierung außerhalb von China und Japan ziemlich schwer zu kriegen. Und teuer obendrein.
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