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    Waldläufer Avatar von Die Ordenskrieger
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Die Ordenskrieger ist offline

    Vengard, Burg, Ordenshaus (Sir Ragnar Fyresgrimson)

    Der Bote, ein junger Reiter in staubiger Uniform, salutierte vor dem Paladin und trat dann zackig aus dessen Arbeitszimmer im Ordenshaus der Ritter und Paladine von Vengard, direkt unter den aufmerksamen Augen des Königs liegend. Wieder Post aus dem Norden, dieses Mal jedoch nur ein einziger Brief. Seufzend blickte der ehemalige Ahnenkrieger und getreue Paladin Innos' zu den Dokumenten, Berichten und Nachrichten auf seinem Schreibtisch, die allesamt die Unterschrift Sir, nein, Lord Yareds von Geldern trugen, Isegrims Meister, sowie die von Major Rickert Sweers, einem Kompaniechef aus des Trelis-Regiments, der die letzten drei Jahre an der Nordgrenze, dem verdammten Ende der Welt, verbracht hatte. Ein erfahrener Veteran, ehemaliger Rebell und ein Soldat, härter als magisches Erz. Was darin geschrieben stand, hatte Ragnar anfangs die Sprache verschlagen. Isegrim war mit einem untoten Feind zusammen gestoßen und hatte überlebt. Eine magische Verfluchung oder Attacke hatte Halfgar getötet. Sein Bruder hatte Innos das höchste Gut gegeben: Sein Leben. Dennoch hatte er einen gewissen Stolz auf Isegrim empfunden, war ihm damit doch klar geworden, dass er sich nicht getäuscht hatte in seinem jüngsten Bruder. Ihn wunderte nur schon seit einigen Wochen, dass der Ordensbruder sich noch nicht hier hatte blicken lassen, um seine weitere Ausbildung im Orden zu durchlaufen ... aber vielleicht würde dieser Brief eine Auskunft darüber geben.

    Geehrter Lord Ragnar Fyresgrimson,

    ich schreibe Euch nach reiflicher Überlegung, da ich einem Verdacht nachgehen musste, der sich bestätigt hat. Düstere Schatten sind über einen der Euren gefallen ...


    Der Paladin schluckte, als er diese Worte las. War Isegrim etwa ... tot?

    ... und ich möchte Euch mein Vorgehen erklären, so gut es mir gelingen mag. Major Rickert Sweers bestätigte mir vor Kurzem, dass er Bruder Isegrim vom Orden Innos' - Euren jüngsten Bruder - und einen Leutnant seiner Kompanie - Zadwik - als Boten zum meiner Kommandantur im Hammerclan schickte, um mir die Berichte über die Situation an der Nordgrenze sowie Briefe an den Heiligen Rat, den Berater Seiner Majestät, dem Großmeister sowie Euch zu übergeben, die nach Vengard und Gotha weiter geleitet werden sollten. Die Übergabe erfolgte jedoch nur durch Bruder Isegrim, jedoch in der Rüstung und der Verkleidung eines Söldners, ganz ohne Insignien oder Wappen des Ordens'. Ebenfalls vermisste ich Leutnant Zadwik. Ehe ich Isegrim persönlich sprechen konnte, war er jedoch schon verschwunden. Er befand sich die nächste Zeit im Hammerclan und lungerte herum, trank und faulenzte. Ich ließ ihn beschatten und forderte vom Stab im Feuerclan eine Bestätigung meines Verdachts, welche alsbald folgte. Ich ließ einen meiner Offiziere die grobe Strecke reiten, die Isegrim und Zadwik zurück gelegt haben mussten und fand die arg zugerichtete Leiche eines Leutnants in Reiteruniform. Gleichwohl Getiere sich an ihm gütlich getan hatten, bemerkte mein Soldat dennoch eine tiefe Wunde am Bein, direkt an der Arterie.

    Ragnar schluckte abermals, dieses Mal jedoch musste er die Wut unterdrücken, die ihm beim Lesen dieser Zeilen überkam.

    Lord Ragnar, ich komme zu dem Ergebnis, das Euer Bruder Isegrim, Ordensbruder Innos', Leutnant Zadwik getötet oder zumindest tödlich verwundet hat. Wir fanden nahe des Clans auch die Überreste eines Wappenrocks des Ordens', der in etwa zu der Größe Isegrims passt. Meine Männer bestätigten mir, dass Isegrim gen Vengard aufbrechen wird, weshalb ich Euch darüber informiere. Zieht entsprechende Schlüsse aus der Tat, aber als ehrbarer, erfahrener Offizier der Myrtanischen Armee fordere ich eine gerechte Bestrafung für diesen feigen Mord an einem Soldaten Innos'. Sollte ich keine Rückmeldung erhalten oder erfahren, das der Mann ungeschoren davon kommt, werde ich andere Schritte bei anderen Stellen in Erwägung ziehen.

    Mit Innos', Lord Ragnar.

    Hochachtungsvoll,
    Hauptmann Barthon


    "Verdammter Idiot!", brüllte Ragnar auf und warf den Brief zur Seite. Er war so laut, dass sein Knappe Wylis in das Zimmer platzte, da er Angst hatte, der ehemalige Ahnenkrieger würde einen Wutanfall bekommen, wie es öfter der Fall war. "Dieser Narr im Wolfspelz!"
    "Wer, mein Lord?", fragte Wylis nervös.
    "Mein Bruder! Schwing deinen Arsch zum Nordtor und richte dem Wachhabenden aus, dass er meinen Bruder SOFORT festzusetzen hat, sobald er die Stadt betritt. Du hast ihn letztes Jahr gesehen, beschreibe ihn so gut es geht. Aber keine unnötige Gewalt, die Knüppel nur nutzen wenn er meint handgreiflich werden zu müssen."
    Der Paladin blickte seinen Knappen ernst und eindringlich an. "Hast du verstanden, Bursche?"
    "Jawohl, mein Lord. Es wird geschehen wie Ihr befehlt!"
    Als der Knappe gegangen war, wandte sich Ragnar dem Fenster zu, stützte die Hände auf das Holz der Fensterbank und seufzte schwer und verzweifelt.
    Wieso, Bruder? Wieso musst du in alte Muster zurückfallen? Ich habe all die Zeit versucht, dich zu einem ehrbaren Mann zu machen, zu einem Krieger Innos'. Als hättest du mit dem Mord an Vater nicht schon einmal gezeigt, dass dir die Ehre und Treue der Nordmänner fremd ist ...

    Isegrim

  2. Beiträge anzeigen #162
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    Isegrim ist offline

    Vengard

    Der Karren passierte das Nordtor und wurde der üblichen Kontrolle unterzogen. Isegrim aß dabei gelangweilt einen Apfel und plauderte und scherzte hin und wieder mit dem jungen Yorgen über das Wetter im Süden, das der Junge zum ersten Mal in seinem Wetter kennen lernen würde. Auf den letzten Meilen zur Stadtmauer hin hatte der Bursche die ganze Zeit über in Richtung Osten zum Meer geschaut, das bis hin zum Horizont reichte und unendlich schien. Nun bohrte Yorgen mit Fragen gehörig an Isegrims Geduld, da er scheinbar alles über die Hauptstadt erfahren wollte, was es jemals zu wissen gab. Weit kamen sie aber nicht.
    "Du, Händler, darfst weiter", knurrte einer der Gardisten in den Farben der Vengarder Stadtwache. Seine Kumpanen positionierten sich um den Karren. "Und der Halbwüchsige ebenso. Aber der da bleibt hier."
    Wie es das Schicksal so wollte, zeigte der Finger des Mannes direkt auf Isegrims Visage. Langsam aber sicher wanderte die Hand zum Schwertgriff, aber eine Bewegung Yorgens ließ ihn innehalten.
    "Bitte, Meister Eisenwolf, das ist unmöglich. Das sind sieben Soldaten, schwer bewaffnet ..."
    Isegrim blickte die Männer an. Er hatte Orks gegenüber gestanden, sogar einem Untoten (und war kläglich unterlegen gewesen ...), da würden diese Wachen doch kein Problem darstellen. Jeder Gedanke an einen Kampf verflüchtigte sich jedoch, als der Wachhabende erklärte, wessen Befehl er ausführte:
    "Im Namen Lord Ragnar Fyresgrimson, seid Ihr - Bruder Isegrim - festgenommen." Er machte eine Handbewegung und ein Armbrustschütze legte an. "Begleitet uns bitte ohne großes Aufhebens. Kein Trara, kein Kampf, kein Geschrei."
    Einer der Soldaten, ein übermütiger, ungeduldiger, packte am Kragen des Hemdes, welches er unter seiner Rüstung trug. Dabei riss er so kräftig, dass die Wolfsbrosche sich löste und in den Dreck fiel, in Unrat und Schmutz. Dies versetzte Isegrim dann in wirklichen Zorn. Ohne zu zögern holte er aus und drückte dem jungen Soldaten die Faust ins Gesicht, dass die Nase brach. Dann brach für einen kurzen Moment die Hölle aus Tritten sowie Faust- und Knüppelschlägen über ihn herein. Mit blutender Nase, wachsendem Veilchen und einem gelockerten Zahn wurde er aufgerichtet, Rüstung und Kleidung vor Dreck stehend.
    "Ich habe Euch gewarnt, Bruder Isegrim. Führt ihn ab, Männer, direkt in den Kerker des Ordenshauses. Abmarsch!"

  3. Beiträge anzeigen #163
    Waldläufer Avatar von Die Ordenskrieger
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    Vengard, Burg, Ordenshaus, Kerker (Sir Ragnar Fyresgrimson)

    Die Kerker des Ordenshauses waren selten bis gar nicht genutzt worden, zumindest in der jüngeren Geschichte des Großreichs von Myrtana. Es gab schlicht und ergreifend niemanden, den man hier wirklich einsperren konnte oder wollte. Sicherlich, der eine oder andere Anwärter oder übermütige, volltrunkene Bruder war schon einmal hier gelandet um eine Nacht lang ausnüchtern zu können, aber das jemand über längeren Zeitraum in den Gefängniszellen untergebracht war, das war wohl schon lange, lange Zeit her.
    Wylis kam zu ihm, nachdem ihm gemeldet worden war, dass die Wachen vom Nordtor Isegrim ergriffen und ins Ordensgefängnis gebracht hatten. Ein älterer Wachtmeister hatte Ragnar in Empfang genommen, nachdem er im Untergeschoss des Ordenshauses angelangt war.
    "He he, Lord, ist ja eine Ewigkeit her das wir hier mal Besuch hatten ...", kicherte der alte Mann und klimperte mit dem Schlüsselbund. Ragnar erinnerte sich an ihn. Irgendein Greis den man aus Respekt vor dem Alter und der fixen Idee eines Beraters Seiner Majestät eingestellt hatte, um den betagten Teil der Bevölkerung irgendwie noch in die Arbeitswelt integrieren zu können. Da war die Tradition der Nordmarer wesentlich besser: Wenn die Alten merkten, dass ihre Zeit gekommen war, gingen sie hinaus mit Breitschwert oder Axt und finden den Tod in der Kälte. Besser als den Alten so unwürdige Aufgaben zu übertragen ...
    "... ist aber ein Schreihals, dieser Gefangene ... nur am Meckern, nachdem ihn die Wachen eben abgeliefert haben."
    Ragnar grinste freudlos. "Liegt in der Familie."
    In einer der hintersten Zellen fanden sie einen schweigsamen, düster dreinblickenden Isegrim. Mit einem Kopfnicken entließ der Paladin den greisen Wächter, ließ sich jedoch vorher noch den Schlüssel geben. Ohne Rüstung, eher in einfache Kleidung gewandet, sah Ragnar zwar immer noch beeindruckend aber weit weniger kriegerisch aus. Der Blick aus seinen Augen war jedoch Feuer. Das Feuer der Männer ihres Clanes und der Diener Innos'. Isegrim hingegen wirkte nicht beeindruckt, viel eher war sein Blick suchend, lauernd.
    "Wieso?", fragte Ragnar nach einiger Zeit. "Wieso hast du Leutnant Zadwik umgebracht, Grim?"
    Ein Riss in der Maske der Sicherheit und Vorsicht.

    Isegrim

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    Drachentöter Avatar von Shakuras
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Shakuras ist offline

    Vengard - Burg - Kronratssaal - Heiliger Rat

    Stein. Harter Stein. Die Wände, der Tisch, selbst die Tür. Wer diesen Ort berief, der tat das bewusst und offiziell. Der, der Zugang erhielt, war eingeschlossen. Das, was hier besprochen wurde, war auch eingeschlossen. Ein gänzlich hermetisch versiegelter Raum, geschaffen vom Menschen aus Natur und Magie. Der Saal war groß, aber schmucklos. Schwache Geister konnten sich hier bedrängt fühlen und Ängste entwickeln. Starke Geister mochten das für sich nutzen und ihre Ziele deutlicher hervorheben. Nur wer hier tagte, in dieser wesentlichen Unnatürlichkeit, der wusste darum und um die Wirkung diesen Ortes. Es gab keine augenscheinliche Ablenkung, nur Fokus.

    Shakuras saß am steinernen Rundtisch. Es war eine außerordentliche und rein vom Orden der Feuermagier persönliche Einberufung. Weshalb ihre Exzellenzen diesen Ort gewählt hatten, der ihnen selbst eher fremd war, um den Hohen Feuermagier zu laden, dass wusste er nicht. Shakuras vermutete eine Brisanz und eine auf höchster Ebene bezweckte interne Außenwirkung an die Leitfiguren des Königs und Reiches. Das Rot des Feuers beanspruchte den stark kargen Raum und die Augen des Hohen Rates vom Orden lagen erwartungsvoll auf ihm.

    "Was kann ich euch über Thorniara und das kirchliche Lehen schon bedeutend sagen, das unsere Oberste nicht mit euch vertrauensvoll teilte?
    Ich war ein Novize unseres Gottes und vollrichtete mein Ding."
    Geändert von Shakuras (06.06.2019 um 15:30 Uhr)

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    Vengard, Burg, Ordenshaus

    Isegrim stockte für einen Moment der Atem nachdem Ragnar ohne lange Vorworte die Frage gestellt hatte. Er schluckte kurz, hatte das Gefühl als wäre ihm schon die Schlinge um den Hals gelegt worden. Wo eben noch ein Stolz und Selbstsicherheit präsent gewesen waren, selbst unter dem Dreck und Staub der Straße, lag nun das klare, unverkennbare Gefühl erwischt worden zu sein. Scham, etwas, das Isegrim lange nicht mehr gespürt hatte. Echte Scham. Denn die Frage Ragnars war ohne Zweifel berechtigt, mehr als das, sogar überaus notwendig.
    "Er ...", Isegrim räusperte sich, "... hielt kurz vor der Ankunft im Hammerclan an. Es kam zum Kampf."
    "Wie?", Ragnars Stimme war ein düsteres Grollen im Halbdunkel des Kerkers.
    Der Meisterdieb fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, das plötzlich schweißbedeckt war. Ihm war als wäre er in einer Räucherkammer. "Weißt du woher ein Großteil der Soldaten von Rhobars Wacht kam?"
    Sein Bruder nickte langsam.
    "Und weißt du, was ... was an der Grenze geschehen ist?"
    Ein weiteres Nicken. Ragnar war gut, er wusste, dass Isegrim handeln musste. Und die einzig mögliche Handlung in dieser Situation war das Reden. Und eben auch nur die Wahrheit.
    "Gut", Isegrims Stimme war belegt. "Wie du weißt ... war ich der einzige Überlebende des Trupps, der ins Nordgebirge ging um zu spähen. Der ... Feind hat alle bis auf mich nieder gemacht. Alles Jungs aus einer der Trelis-Kompanien. Nach meiner ... Genesung ... war die übliche Meinung im Lager, dass ich die alleinige Schuld am Tod der Männer trage ..."
    Ragnar schwieg eisern.
    "Und Innos weiß, dass ich sie trage. Den Großteil, denn ich war der, der rasche Entscheidungen treffen musste. Ich traf die falschen, war ungeduldig und übermütig." Isegrim seufzte, da er merkte, wie sich ihm ein Kloß im Hals bildete und Tränen in die Augen traten. Seine Hände zitterten. In Gedanken rasten immer wieder die Bilder vorbei. Die untoten Soldaten, die ihre lebenden Kameraden zerrissen und verspeisten. Die Gestalt des Nekromanten ... und das Grabesgelächter. Übelkeit überkam Isegrim, aber er hielt sich zurück.
    "Zadwik war mit einem der Toten verwandt, beide aus irgendeinem Kleinadel. Dort gilt wohl noch das Recht irgendeiner Vendetta, fast wie im Norden. Er dachte wohl, er könne den Tod des Mannes mit meinem Blut rächen.", erzählte Isegrim, "Wir hielten an, stiegen ab und kämpften. Dabei schlug ich ihm eine tiefe Wunde ins Bein. Und danach ... handelte ich falsch."
    Ragnars Schweigen währte scheinbar unendlich. Mit einem Kopfnicken und einer Handbewegung brachte er ihn dazu, fortzufahren.
    "Während des Kampfes hatte sich Zadwiks Pferd losgerissen und war davon galoppiert. Ich hätte Zadwik verarzten müssen, zumindest so weit, dass ich ihn zum Hammerclan hätte bringen können ... aber ich ließ ihn zurück. Ich war arrogant, ich war hochmütig. Ich spielte den Entscheider über Leben und Sterben und verurteilte den Mann zum Tod." Er schüttelte, fassungslos über sich selbst, langsam den Kopf. "All das was ich im Norden erlebt habe, dann der Befehl Lord Yareds ... das ich ebenfalls den Rückzug antreten sollte. Und ... und Halfgars Tod, verdammt ... ich fühlte mich verlassen, verraten und stand mit dem Rücken zur Wand."
    Ragnar schnaubte. "Du hättest es Hauptmann Barthon melden müssen. Direkt, ohne zögern. Die Sache hätte sich aufgeklärt. Die Treliser sind halbe Varanter, die haben den warmen Wind des Südens in den Adern, die lechzt es gerne nach einem Kampf. Aber bei Innos, Isegrim, du hast dich in eine heikle Situation manövriert."
    Der Paladin fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht, dann durchs Haar. Dann schüttelte er den Kopf.
    "Ich werde sehen, was ich tun kann.", erklärte er, "Ein Feuermagier wird in meinem Auftrag in den Feuerclan teleportieren und mit Major Rickert Sweers persönlich reden. Ich stimme mich mit ihm ab, denn Zadwik war sein Soldat. Und ich bin für dich verantwortlich als dein Bruder und der Paladin, der dich in unseren Orden brachte, das war Innos' Entscheidung ..."
    Isegrim riss den Kopf hoch, immer noch Tränen in den Augen, aber der Blick war nun vorwurfsvoll, ja fast schon herausfordernd und aggressiv. "Bist du das wirklich? Mein Bruder?", zischte er.

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    Vengard, Burg, Ordenshaus, Kerker (Sir Ragnar Fyresgrimson) (Isegrims Herkunft III)

    "Hast du den Verstand verloren?", fuhr Ragnar seinen kleinen Bruder an, trat einen Schritt vor in Richtung der Gitterstäbe, packte sie wütend. "Bist du übergeschnappt, Grim? Allein für diese Frage müsste ich dich durch die Burg bis zum König und wieder zurück prügeln als gäb's kein Morgen!"
    Isegrim war unbeeindruckt von dem Ausbruch. Er sprang seinerseits auf und trat näher, die Miene nun fast schon offen feindselig. "Ein Bruder, selbst aus einer so kaputten Sippe wie unserer, würde nicht tatenlos zusehen, wie sein jüngster Bruder des feigen, grundlosen Mordes bezichtigt wird! Ein Bruder würde nicht den Befehl unterzeichnen, diesen Bruder in den Kerker zu bringen! Ein Bruder hätte sich vor den jüngeren Bruder gestellt und lautstark jenen gefordert vorzutreten, der der Meinung ist, ich sei ein kaltblütiger Mörder!"
    Ragnar spuckte aus. "Erstens", begann er, bemüht seine Stimme ruhig zu halten, "hast du in der Situation kaltblütig gehandelt. Deinen Überwurf fand man nahe des Hammerclans und dort hast du dich als Söldner abgegeben, rum gelungert und irgendwelche Ziele ausgespäht, denen man nächtliche Besuche hätte abstatten können, um sie einigen Goldes zu erleichtern! Also verkaufe dich hier nicht als das Opfer, Isegrim."
    Der Paladin holte ein, zwei Mal tief Luft um sich zu beruhigen. "Zweitens habe ich meine Pflicht als Bruder mehr als einmal unter Beweis gestellt. Oft war Vater kurz davor dich zu erschlagen, doch mein Rat ... oder meine Drohung hielt ihn stets davon ab. Und ... ich schenkte dir eine zweite Chance, Grim, die Möglichkeit ein Soldat, ein Bruder des Ordens zu werden. Die Schatten des alten Lebens zurück zu lassen und ins Licht Innos' zu treten. Und was tust du? Wirfst es leichtfertig davon, als wäre es nichts wert. Du spuckst mir, deinem Bruder, ins Gesicht, du trittst meine Bemühungen mit Füßen. Ein Bruder, Grim, würde seinem Blute so etwas nicht antun, also ersticke an deinen Vorwürfen!"
    Die letzten Worte hatte er gebrüllt, dass es im Kerker nur so donnerte. Isegrim wich einen Schritt zurück, vielleicht nachdenklich, vielleicht getroffen, vielleicht aber auch nur aus Trotz. Als er wieder aufblickte, sah Ragnar angekratzten Trotz.
    "Da war eine Frau im Hammerclan, sie suchte mich aus. Alt, südländisch, violette Augen. Sie erzählte mir Dinge, Bruder, die meine Welt durcheinander gebracht zu haben.", sprach er, "Sie erinnert sich an eine Raubfahrt, die ein gewisser Feuerwolf angeführt hat. Vater. Und ihn begleitete ein junger, rothaariger Recke."
    Isegrims Blick war eindeutig. Sein Lächeln freudlos und verzweifelt. "Du, Bruder, sollst es gewesen sein. An der gortharnischen Küste, achtundzwanzig Jahre zurückliegend."
    Ragnar schluckte schwer. Natürlich erinnerte er sich an diese Fahrt. Ein paar Schiffsbauer hatten ein prächtiges Langboot gebaut wie aus den alten Sagas. Drachenkopf am Bug, rot-weiß gestreifte Segel und bunt bemalte Schilder an den Seiten. Die Krieger bemalt, auf Gold und Ruhm und Kampf aus. Angeführt von Fyresgrim, damals noch einem Barbaren mittleren Alters, in der Schlacht ein Wirbelsturm aus Stahl und Flüchen. Und er, Ragnar, hatte ihn begleitet, damals noch Schönhaar genannt. Seine erste Fahrt, der der erste echte Kampf folgen würde. Und dieser Raubzug zeigte ihm, dass Fyresgrim ein Monster war. Er schlachtete, er lachte wie wahnsinnig, er tötete Mensch und Tier wie zum Spiel. Als sie in das ummauerte Anwesen eindrangen, suchte der Feuerwolf sofort nach dem Herren des Hauses, einem hübschen, adrett gekleideten und zivilisierten Gortharner. Er spaltete ihm den Schädel und warf seiner Frau den Leichnam vor die Füße, ehe er sie schändete und tötete. Dann platzten sie in das Zimmer, in welchem ein Kinderbett stand. Fyresgrim stach die Amme nieder und ließ sie zum Sterben zurück. Den Säugling ... Ragnar schluckte, wankte kurz ... den Säugling warf er vom höchsten Turm des Anwesens. Mit Beute kehrten sie zurück, Gold, Waffen und einem Weib, das aber eines Nachts auf offener See den Freitod wählte, indem sie vom Boot sprang.
    Ja, Isegrim hatte recht, sie waren keine Brüder. Denn seine Geschichte war weniger tragisch, weniger späte Rache versprechend. Dies alles erzählte er Isegrim in kurzen, leisen Worten. Ragnars Stimme war nun ebenfalls belegt, als er Isegrims Herkunft erklärte.
    "Deinen Vater kenne ich nicht, Bruder", flüsterte er, "Aber deine Mutter war ... eine Dirne, die Vater bei einer Reise nach Bakaresh aufgabelte. Er versprach ihr Kost und Unterkunft für gelegentlichen ... Spaß, vielleicht liebte er sie anfangs gar. Als sie im Norden ankam, hatte sie jedoch schon ein Kind bekommen, vielleicht von einem ihrer Kunden .... deswegen Vaters Hass auf dich, deswegen die Verachtung der anderen Idioten ... da selbst der jüngste und dümmste unter ihnen wusste, wer und was du warst."
    Ragnar legte die Stirn an die Gitterstäbe, spürte die beruhigende Kühle.
    "Aber, Isegrim, du bist unter seiner Fuchtel groß geworden, du hast ihn und die Hänseleien, die Schläge und die Verachtung, den Hass, überlebt. Du hast dich als Wolf erwiesen. Wen kümmert das Blut in den Adern? Sag es mir? Zadwiks Blut war blau, jetzt ist er tot. Und offenbar zu Lebzeiten ein Arsch gewesen ... erinnere dich an Gellon und Lukor, die Kriegsherren von Varant, die an General Lee scheiterten. Es hieß sie konnten ihren Stammbaum bis zum Alten Volk zurück verfolgen ... jetzt sind sie schon seit Jahrzehnten tot. Blut ist Blut. Wichtig ist nur, dass es in den Adern fließt, das es uns am Leben erhält. Woher es aber stammt, wessen Blut es ist ... das ist egal. Der Mann, dem rot das Leben durch die Adern fließt, der entscheidet, was für ein Mensch er ist, was sein Schicksal ist. Herkunft, Blut, Stammgeschichte ... das sind doch alles nur hohle Worte. Nichts von Bedeutung."
    Er öffnete die Augen, sah seinen Bruder an, dessen Gesicht nun im Schatten lag.
    "Aber ich verspreche dir, Isegrim, kleiner Bruder, dass du noch genug Lebensjahre haben wirst, um dein Schicksal zu schmieden. Um zu beweisen, dass Blut nichts zählt. Nur Taten."

    Isegrim

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Vengard, Burg, Ordenshaus, Kerker

    Und mit diesen Worten hatte der Paladin Isegrim zurück gelassen, der sich einen Moment - trotz der abschließenden warmen und aufmunternden Worte Ragnars - wie der wohl einsamste Mensch in Adanos' Sphäre vorkam. Natürlich verstand er die Intention, die hinter dieser Offenbarung stand, und ebenso wusste er auch, dass er nie voll und ganz sicher sein könnte, wer denn letztlich wahr gesprochen hatte. Ashara oder Ragnar, die vermeintliche Tante oder der vermeintliche Bruder. Hier bewirkten das Gesprochene schon seinen ersten, guten Effekt. Denn Isegrim verinnerlichte es, fand seinen Frieden damit, dass die Unsicherheit über seine Herkunft rückwärts gerichtet war, in der Vergangenheit verankert. Und die konnte nicht einmal die Götter verändern. Ihnen wie auch Isegrim und jedem anderen Wesen dieser Sphäre lag nur der Weg in die Zukunft offen, und welcher das sein, wohin er führen und wie einfach oder schwer er sein würde, das würde sich zeigen. Bei der Entscheidung über richtig oder falsch, gut oder böse, mutig oder feige spielte das Blut keine Rolle.

    Schlurfende Schritte waren zu hören, begleitet von schweren. Der greise Wachtmeister kehrte zurück, begleitet von zwei Ordensgardisten. Sie entzündete nahe Fackeln, damit mehr Licht in den Gang des Kerkers fiel.
    "Legt Eure Rüstung ab, Bruder Isegrim.", sagte einer, während der Alte am Schloss rumfuhrwerkte. "Dann Eure Unterbekleidung. Danach zieht Ihr dies hier an. " Der Mann hielt etwas hoch, das einem Büßergewand am ähnlichsten sah. Isegrim setzte zu einer harschen Erwiderung an, ehe er sich eines besseren besann. Stumm nickte er. "Danach werdet Ihr etwas zu essen bekommen."
    "Danke", brachte der Meisterdieb nur hervor, "Was gibt es?"
    "Eintopf."
    "Oh, mein Leibgericht."
    "Schweigt.", forderte der andere Gardist. "Tut, was wir gesagt haben."

    Bei Innos, Ragnar, ich hoffe du kriegst mich hier alsbald wieder raus ...

  8. Beiträge anzeigen #168
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    Isegrim ist offline

    Vengard, Burg, Ordenshaus

    Schwere Schritte waren zu hören, die Flamme der Fackel flackerte in einem jähen Windzug. Ragnar trat vor die Gitter, das Gesicht ernst. Er zog einen Schlüsselbund aus der Tasche und öffnete die Tür der Zelle, öffnete sie und bedeutete Isegrim mit einer Handbewegung, ihm zu folgen. Sie verließen den Kerker und machten sich durch das Ordenshaus auf den Weg zurück ins Arbeitszimmer des Paladins. Die Minuten, die sie durch das Haus gingen, waren ein kurzer Weg der Schande. Mehr als genug Brüder und Ritter sahen ihn und schüttelten den Kopf oder wirkten zumindest erschrocken darüber, dass einem der angesehensten Paladine ein Verbrecher folgte, zumindest jemand der Buße tun musste, da er sonst ja nicht das Büßergewand tragen würde. Als sie im Zimmer ankamen, breitete Wylis gerade die Ausrüstung des Ordensbruders aus. Mit einer weiteren Handbewegung bedeutete Ragnar ihm, das Gewand abzulegen und die Rüstung anzulegen. Dann schenkte Wylis seinem Lord und dessen Bruder Wein in zwei Kelche ein. Ragnar trank und schwieg, während Isegrim sich bekleidete. Nachdem er damit fertig war, griff er sich einen der Kelche und trank ein, zwei große Schlücke.
    "So, Grim."
    Isegrim stellte den Kelch ab. "Ragnar."
    "Einer der Erwählten hat sich meiner Bitte angenommen und sich mit Major Sweers im Feuerclan getroffen", erklärte der Paladin, "Er schilderte ihm den Tathergang so, wie du es mir vorgetragen hast. Der gemeinsame Weg, dann der Halt, der Kampf, die Niederlage Zadwiks und dann dein ... Vergehen."
    Der Ordensbruder schluckte kurz. Rickert Sweers war ein Soldat aus Eisen, eher würde er brechen als sich zu beugen. Wie hatte er sich wohl entschieden?
    "Der Major ist fuchsteufelswild darüber, dass du einen seiner vielversprechenderen Offiziere besiegt hast. Er meinte, er habe den Jahrgang Zadwiks persönlich an der Waffe ausgebildet und das ein nordmarischer Ordensbruder ohne Gefühl für Taktik und ohne Feinsinn es schafft, einen seiner Männer zu erledigen, sei eine Frechheit. Aber er sieht es auch als Zeichen, seine Ausbilder härter ran zu nehmen, damit die entsprechend in der Ausbildung die Rekruten schinden."
    Isegrim schwieg.
    "Er hat vollstes Verständnis für deine ... psychische Lage, Grim. Er war auch dort oben, er sah ... sah Halfgars Leichnam so wie du, nur sah er ihn nicht sterben. Er meint, es muss einem das Herz zerreißen, wenn man den Bruder sterben sieht. Auch ... weiß er von dem, was du an der Grenze erlebt hast. Natürlich fordert er vom Orden eine Schuldzahlung für den Verlust eines Offiziers sowie die Zahlung einer Wiedergutmachung an die Familie Zadwiks." Er seufzte. "Wir wissen, dass du ... Gold hast, Grim. In Thorniara, hier ... ich kenne deinen Nebenerwerb, auch wenn du es vor geheim gehalten hast. Aber während du an der Front warst, habe ich Nachforschungen betrieben. Hier und da an Fäden gezogen. Deine ... Ersparnisse in Thorniara werden ausreichen, um die Zahlungen zu decken. So ist der Orden fein raus und Spuren deiner diebeskünstlerischen Fähigkeiten sind getilgt."
    Der Ordensbruder fuhr sich übers Kinn. Er musste sich endlich mal wieder rasieren. "Klingt doch ... gut?"
    Der Paladin schüttelte den Kopf. "Zumindest was die Causa Zadwik angeht, Bruder. Ich musste natürlich die Sachlage mit anderen Meistern im Orden teilen und auch sie haben entschieden, wie mit dir zu verfahren ist. Fakt ist, Bruder, dass du ein streitbarer Mann bist. Deine Vergangenheit als Dieb, als Spitzel, auch deine Tätigkeiten in Thorniara, all das ist nicht im Sinne unseres Gottes und dem Kodex des Ordens. Der Schutzgott der Diebe und Verbrecher ist Beliar, da sie seine Dunkelheit zur Ausübung ihres Werks nutzen. Aber ... deine Treue gegenüber Lord Yared und dem Reich, wie du an der Nordgrenze gezeigt hast, sind unbestritten. Du hast gegen den Tod gekämpft. Für das Leben. Du hast deine Männer über die Grenze geführt. Ja, ihr seid gescheitert, Bruder, aber das Scheitern gehört zum Leben dazu. Dafür hast du gesehen, wer der wahre Feind ist, was die Schrecken Beliars wirklich sind. Du hast maßgeblich dazu beigetragen, den Orden über eine wachsende Gefahr im Norden zu unterrichten und hast damit bewiesen, das meine Entscheidung, dich in den Orden zu bringen, letztendlich nicht falsch war, nein, sogar richtig und gut. Und deine Fähigkeiten, dein Talent ... muss in eine Bahn gelenkt werden, die unseren Vorstellungen entspricht. Handeln und Schreiten in den Schatten, aber für Innos, sein Licht tragend. Du ... Bruder, du hast die Bürde, in Schlamm, Dreck und Unrat, da wo kein rechtschaffener Mann kämpfen will, seinen Willen zu verbreiten."
    Ein Lächeln stahl sich plötzlich auf die Züge des Paladins, triumphierend, überlegen aber auch stolz. "Du wirst mich nach Gotha begleiten, Grim. Noch heute. Dort werden wir auf den Großmeister der Paladine treffen, auf Lord Roland von Gotha. So Innos will, Isegrim, wird er dir die goldenen Fesseln anlegen, dich in das Gefängnis des Dienstes an Innos', der Ordnung und der Menschheit bringen. Du, Grim, wirst in Gotha zum Ritter geschlagen, das ist die übereinstimmende Entscheidung im Orden. Eine Belohnung für deine Dienste an der Nordgrenze unter dem Kommando von Yared von Geldern, aber auch eine Strafe für deine Verfehlungen, Bruder. Denn wisse: Ordensritter können den Orden nicht einfach verlassen. Entweder sie sterben oder sie sind Verräter. Das ist die Strafe für deine Taten. Den Mord an Fyresgrim, dein Leben als Dieb."
    Isegrim hörte die letzten Worte gar nicht mehr. Ihm war kalt und irgendwo in der Entfernung, wohl auf dem Dach des Palastes des Königs, hörte er einen Schwarm Krähen schreien.
    Innos, sie nehmen mir meine Freiheit und belohnen mich gleichzeitig. So wird Ordnung erzwungen ...

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    Gotha, Burg

    Gotha, die stolz aufragende Burg der Paladine, ein Bauwerk alter Tage, bevor es hier überhaupt ein Königreich unter König Rhobar I. gegeben hatte. Zu alten Zeiten wohl der Sitz eines Lords oder Grafen, hatte sich nach der Reichsgründung alsbald der Orden der Paladine als militärischer Arm der Feuermagier und Schwert Innos' an diesem Ort niedergelassen. Gotha war seit langer Zeit der Stammsitz der Paladine, ausgenommen jene Jahre, da ein Dämon Beliars die Burg unsicher machte und mit des dunklen Gottes Verderbtheit zeichnete. Erst die heldenhafte Tat eines namenlosen Paladins und das Opfer König Rhobars II. war es zu verdanken, dass Gotha einmal mehr im Lichte des Ordens erstrahlen konnte. Ebenjener Paladin, der den Dämon erschlug, wurde später zu König Rhobar III., dem Herrscher des Großreichs von Myrtana.
    All diese Dinge hatte Sir Ragnar seinem Bruder auf dem Weg nach Gotha erklärt, vorbei an weiten Feldern nahe Vengard, durch die Wälder und Hügel nahe Faring und dann in das gothaer Tal, in dem sich die Burg befand, ein schützendes Bollwerk zwischen Montera und der Hauptstadt.

    Nun befand sich der Ordensbruder auf einem Gästezimmer innerhalb der Burg, die über dem am Fuße des Berges gelegenen Dorf thronte. Auf dem Weg über den Burghof hatten sie unzählige junger Anwärter gesehen, zumeist Burschen im alter zwischen dreizehn und achtzehn Jahren, die neue Generation von Ordensbrüdern, Jugendliche, die in den Jahren der Orkbesatzung in Angst als Kinder gelebt und nun das Glück hatten, in einer friedlichen Welt aufzuwachsen. Friedlich zumindest im Midland. Ältere Ritter und Paladine überwachten die Ausbildungen, trieben die Burschen mit Rufen und dem Holzstock an. Liegestütze, Hampelmänner, Kniebeugen und elendig lange Runden um den Burghof gehörten ebenso zu den Übungen wie Schaukämpfe und das Schießen mit der Armbrust, der Fernkampfwaffe der Paladine.
    "Siehst du das, Grim?", hatte Ragnar beim Überqueren des Hofes gefragt und auf die Anwärter gedeutet, "Das ist die Zukunft. Die Paladine von Morgen, die Wächter Innos' für eine Welt, die nur noch Seine Ordnung kennt. Aus diesen Halbstarken werden einmal die Eroberer des Östlichen Archipels, der Nordlande, von Khorinis, den Südlichen Inseln und auch dem fernen Gorthar hervorgehen. Diese Welpen, Bruder, werden diese unsere Welt zu einer Welt Innos' machen!"
    Isegrim hatte eisern geschwiegen. Natürlich war sein Bruder erfahren, aber er kannte die Probleme der Leute der Welt nicht so gut wie Isegrim. Die Welt lernst du kennen, sagte er sich, wenn du sie als Bettler, als Bodensatz der Gesellschaft erlebst. Daran misst sich ein Volk: Nicht daran, wie es die Starken verehrt sondern wie es den Schwachen hilft. Und da ist unser Volk von Festländern ziemlich miserabel. Wir verachten die Schwächsten der Schwachen.

    Es klopfte an der Tür, nachdem Isegrim sich seiner Rüstung entledigt und ein einfaches Gewand angezogen hatte. "Herein", bat er. Ein Feuermagier in recht schmuckloser roter Robe trat ein. Es war ein Mann, der das mittlere Alter langsam hinter sich ließ. Davon sprachen die ergrauenden, dunklen Stoppeln auf seinem Schädel, den er sich wohl regelmäßig schor. Isegrim verbeugte sich respektvoll, während der Magier nur den Kopf senkte zum Gruß. "Für Innos', Erwählter."
    Der Mann winkte lächelnd ab. "Bruder reicht völlig, Bruder Isegrim." Das Lächeln war ehrlich und einnehmend. "So, du bist also der jüngste Wurf in Fyresgrims Rudel?"
    Gleichwohl er einen wunden Punkt traf, nickte Isegrim mit zusammengepressten Lippen. Er bot dem Magier den einzigen Stuhl an, den das Zimmer hergab. Es war spartanisch eingerichtet, zweckmäßig, mehr nicht.
    Sein Gegenüber schüttelte den Kopf. "Ich bin Jasur", stellte der Magier sich vor, "Ja, ein varantinischer Name für einen Feuermagier. Ich floh als Kind mit meinen Eltern von Bakaresh nach Geldern, als den Assassinen von Spitzeln mitgeteilt wurde, dass wir Innos verehrten. In Geldern wurde ich ausgebildet und erwählt."
    Isegrim nickte nur. Er wollte sich nicht vorstellen, wie ebenjene Jahre in Bakaresh gewesen waren. Unter den schrecklichen Assassinen Zubens sowie Gellon und Lukkors. Als der Ordensbruder nicht antwortete, sprach der Magier weiter:
    "Der Großmeister schickt mich. Ich werde dein Beichtvater sein, Bruder."
    Der Magen des Meisterdiebes zog sich zusammen. Die Beichte. Natürlich. Sicher ein Schachzug Ragnars, der so alles offen legen wollte vor den Meistern des Ordens. Eine aufrichte Beichte würde ihnen zeigen, dass Isegrim trotz seiner Verfehlungen Innos voll und ganz annahm.
    "Verstanden, Bruder Jasur."
    "Gut. Dann fangen wir einfach an", entschied der Magier, schlenderte an Isegrim vorbei und stellte sich ans Fenster und besah sich fast gelangweilt und nebensächlich die Trainierenden auf dem Hof. "Hast du einen Mann umgebracht?"
    "Ja.", antwortete der Ordensbruder rau und direkt. "Habe ich."
    "Für Gold? Aus niederen Beweggründen?"
    "Nein. Einen Mann tötete ich aus Rache für den Mord an einem Freund."
    Der Magier wandte sich um, die Augen zusammen gekniffen. Isegrim blinzelte kurz.
    "Ja. Ein Schmuggler namens Weyland der einen Novizen Adanos' namens Salophilius gefoltert und ermordet hat." Er nickte langsam. "Ja, du hast aus einer Überzeugung gehandelt, die nachvollziehbar ist. Aber wisse, Bruder, dass Rache nur Innos obliegt. So es sein Wille ist, sind wir sein rächendes Schwert. Du und ich, wir als Menschen können nicht sagen, wer leben und sterben darf, wessen Tod gerächt werden muss oder gerecht ist. Verstehst du, was ich sage? Gut, weiter."
    "Einen Soldaten. Leutnant Zadwik. Es ist nicht lange her. Er griff mich an, ich verwundete ihn tödlich."
    Erneut nickte der Magier. "Bruder Ragnar hat es uns erklärt. Es gibt manchen Bruder im Orden, der deine Tat verachtet. Und ja, verachtenswert ist sie. Aber ... wir Menschen wurden von Innos und Adanos geschaffen. Innos' Licht brennt in uns, aber Adanos' Anteil an dem Werk macht uns unausgeglichen. Da wo Stärke ruht, versteckt sich auch Schwäche. Im Norden hast du Stärke und Mut bewiesen, danach aber einen schwachen Geist. Der Mord an Zadwik ist damit erklärt aber nicht gesühnt. Dein Dienste im Orden für den Rest deines Lebens ist aber Sühne genug. Weiter!"
    Isegrim schluckte und wandte den Blick von Jasur einen Moment ab.
    "Ich tötete ... meinen ... Vater."
    "Nein."
    "Was?"
    "Ragnar war auch in diesem Punkt offen. Du dachtest es ist dein Vater gewesen, aber er war es nicht. Ja, er nahm dich auf, als deine Mutter mit dir im Feuerclan eintraf, ja, er gewährte dir das Privilig, seinen Namen zu tragen, aber er war nicht dein Vater. Ich habe oft mit deinem Bruder Halfgar geschrieben, fünfzehn Jahren durfte ich Fyresgrim einmal gar persönlich kennen lernen. Und ... ich sah, dass dieser Mann übel war. Böse. Einer der streitbarsten, finstersten Menschen, die ich kenne. Er nannte Innos zwar seinen Gott, Bruder Isegrim, aber gedient hat er nur sich selbst. Er wusste es nicht, aber es war mehr von Beliar als Innos in ihm. Auch dieser Mord ist damit erklärt und wird durch deine Hingabe im Orden gesühnt werden."
    Der Ordensbruder nickte, rieb sich das Kinn. "Was ist mit Orks?"
    Jasur lachte auf. "Orks sind Orks. Tiere. Von Beliar erwählt. Mit ihnen solltest du kein Mitleid haben, niemals!"
    "Aber an der Grenze traf ich sie ... sie waren verzweifelt, hungrig ..."
    "Ihr Lohn für den Dienst in Beliars Namen. Alles was Beliar erschafft, vergeht in Innos' strahlendem Licht. Genug davon." Er machte eine fordernde Handbewegung. "Hast du noch etwas zu beichten?"
    "Ich ... war ... bin ein Dieb. Ich stahl, ich erpresste, ich half schlechten Menschen sich zu bereichern und habe mich daran bereichert. Ich beleidigte, ich habe meine ... meine Bruder nicht wertgeschätzt und ..."
    Der Beichtvater nickte nur. "Es sei dir verziehen, Bruder Isegrim. Weißt du, ich kenne deinen Bruder, da ich bis vor einigen Jahren noch Inquisitor war. Habe meinen Dienst in Varant verrichtet und dabei das Dunkel in manchen Menschen gesehen. Innos' Magie gibt mir die Macht in den Geist meines Gegenübers zu schauen. Und in deinem sehe ich ... nun, ehrlichen Willen, echte Reue und Ehrgeiz, die Seele eines Kämpfers. All die Jahre deines Lebens hast du einen Platz auf der Welt gesucht ... hier hast du ihn wohl gefunden. Im Orden Innos'. Als Bruder hast du geblutet und gekämpft. Meiner Ansicht nach ist es nur richtig und gut, wenn du Ritter wirst. Begleite mich, Bruder Isegrim, statten wir dem Herren dieser Burg einen Besuch ab."

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    Isegrim ist offline

    Gotha, Burg

    "Wieso führst du mich zu der Kapelle, Bruder Jasur?"
    Der Magier lachte auf. "Willst du lieber im Festsaal auf Lord Roland von Gotha treffen? Bei einem verschwenderischen Abendmahl von goldenen Tellern? Und mit einer Zuschauerschar? Bruder Isegrim, ein Ritterschlag im Orden ist nicht zu vergleichen mit einem Ritterschlag vom König höchstselbst. Der ist nämlich gleichermaßen Ehrung wie Politik. Ehrung, weil damit große Taten großer Männer belohnt werden können. Denke an den einen oder anderen Helden des Orkkrieges, Isegrim, der nun ein Ritter oder Lord ist. Wenn du jedoch zum Ordensritter geschlagen wirst, ist das eine Belohnung für deine Ausbildung, für deinen Dienst im Orden. Ein Zeichen Innos', das er dich als würdig genug erachtet, Seiner Sache mit Feuer und Schwert zu dienen. Es ist wie ... wie die Erwählung zum Magier durch den Hohen Rat des Feuers. Deswegen gibt es hier weder Prunk noch großes Tamtam. Du wirst befördert, sagen wir es mal so trocken und einfach wie möglich, nicht mehr und nicht weniger."
    Isegrim seufzte kurz, was Jasur abermals lachen ließ. "Was nicht heißt, dass nicht auch eine Ehrung ist. Die Kapelle hier in der Burg war eines der ersten Gebäude, die damals gebaut worden waren. Einige Jahre nachdem Innos den Menschen in Nordmar erschienen war und Sein Wort verkündet hatte, wurde diese Kapelle hier auf diesem Berg errichtet. Später entstand die Burg. Einer der Steine vor dem Altar - jener der in Gold eingefasst ist - stammt von dem Steinboden im Kloster von Nordmar, wo Innos erscheinen ist. Dieser Stein und seine Macht, das Zeichen das er darstellt, sind heilig!" Der Magier stieß den Ordensbruder an. "Und jetzt Kopf hoch, ernste Miene aufsetzen. Ich gehe vor und kündige dich an."
    Sie waren recht zügig bei der Kapelle angekommen, die sich an den Fels des Berges schmiegte. Zwei Ritter standen Wache und nickten dem Feuermagier respektvoll zu, als er eintrat. Dann verschränkten sie die Speere.
    "Lord Roland von Gotha, ich bringe Euch Bruder Isegrim."
    Eine kraftvolle Stimme antwortete mit einem hörbaren Grinsen: "Dann lasst den Bruder eintreten."
    Die Speere gaben den Weg frei, sodass Isegrim in die Kapelle trat. Lord Roland von Gotha, Held des Krieges und Großmeister des Orden Innos' nach der Abdankung Lord Ferox' von Khorinis, war ein Mann besten Alters, der vor dem Altar stand. Nicht in strahlender Rüstung, sondern in einem ähnlich einfachen Gewand gekleidet wie Isegrim. Einzig die Klinge an seiner Seite wirkte von edelster Machart. Der Schwertgurt sowie die Scheide der Waffe waren aus bestem Leder und mit goldenen Intarsien geschmückt. Der vergleichsweise junge Großmeister hatte kurzes, dunkles Haar und ein kantiges, doch freundliches Gesicht in dem helle, offene Augen ruhten. Nah bei ihm stand Ragnar, das feuerrote Haar zum Zopf gebunden, ebenfalls einfach gekleidet. Seine Miene wirkte ausdruckslos, aber ein kurzes Zwinkern zu seinem kleinen Bruder sprach der Härte Hohn. Einzig eine dunkelhaarige Frau in dunklem Leder wirkte irgendwie fehl am Platze, wurde aber weder von den Anwesenden vorgestellt, noch tat sie es selber. Eher wirkte sie wie eine Zuschauerin, die in Ermangelung besserer Alternativen den Ritterschlag anschauen wollte. Isegrim räusperte sich und kniete vor Lord Roland nieder.
    "Lord Roland, es ist mir eine Ehre, Euch kennen zu lernen."
    Der Paladin nickte und gebot Isegrim sich wieder zu erheben. "Ragnar hat mir einiges erzählt. Um ehrlich zu sein, ich zweifelte einige Zeit an seiner Entscheidung. Aber nach dem, was du an der Nordgrenze als Knappe Lord Yareds erlebt und wie du es über- und durchgestanden hast, denke ich, dass seine Entscheidung die richtige war." Die Züge des Mannes wurden ernst. "Natürlich haben Ragnar und Jasur ihr Wissen mit mir geteilt, ebenso wie vor dem Konvent. Du hast in der Vergangenheit Taten begangen, die verachtungswürdig sind. Du warst von falschem Stolz erfüllt, verachtendem Hochmut und manischer Gier. Du hast Blut zu Unrecht vergossen. Aber du hast an der Nordgrenze bewiesen, dass das Licht Innos' in der brennt. Das der Kampf um deine Seele überstanden ist und die Schatten vertrieben wurden. Spätestens ... deine Beichte hat gezeigt, dass dir am Dienst für Innos und das Königreich etwas liegt. Das du, wie Jasur so gerne sagt, deinen Platz gefunden hast. An unserer Seite, als unser Bruder im Frieden wie im Kampfe. Du wirst für die Absolution durch Innos ebenso kämpfen wie er, als dein Gott, es auch für dich tut, in diesem endlosen Krieg zwischen Ihm und Seinem dunklen Bruder." Ein kurzes Lächeln. "Bruder Isegrim, knie nieder."
    Der Ordensbruder tat wie geheißen. Der Großmeister zog seine Klinge, drehte sich um und legte sie auf den Altar ab. Ragnar trat hinzu, entkorkte eine Phiole und ließ Wasser darauf tröpfeln, während Jasur, der ebenfalls an den Altar getreten war, einige Worte der Segnung sprach. Dann ergriff Lord Roland die Klinge, hielt gerade vor sich in die Höhe. "Sprich den Eid, Bruder Isegrim."
    Den ganzen Weg von Vengard nach Gotha hatte Ragnar ihm diesen Eid eingeprügelt wie einen Psalm aus einem heiligen Buch. Deshalb kam er ihm fehlerfrei über die Lippen:

    Hiermit schwöre ich,
    Innos,
    dem Gott des Feuers und der Gerechtigkeit,
    dem Vater der Menschheit,
    und der Krone Myrtanas,
    in Ehre mein Leben lang zu dienen,
    ihre Kinder zu schützen,
    ihre Gesetze zu achten,
    und mit meinem Leben zu verteidigen,
    bis die Flamme meines Lebens erlischt.

    Es war getan. Isegrim hatte die Worte gesprochen. Hatte sich freiwillig die Fesseln des Ordens angelegt und den Schlüssel in einen tiefen, dunklen Brunnen geworfen. Auf Gedeih und Verderb war er nun fester Teil des Orden Innos'. Sein altes Leben war vorbei, unwiederbringlich. Sein Neues würde heute beginnen. Die Klinge des Großmeisters berührte seine Schultern, dann sein Haupt.
    "Erhebe dich, Sir Isegrim.", sprach Lord Roland dann feierlich, "Erhebe dich, Ritter Innos'."
    Der Ritter erhob sich und neigte den Kopf vor dem Paladin. Dieser steckte die Klinge zurück in die Scheide.
    "In alten Tagen war es Sitte, dass der Mann, der einen anderen zum Ritter schlägt, ihm eine Backpfeife verpasst, Sir Isegrim, aber ... das ist etwas rabiat, nicht wahr?"
    Noch während er sprach, übernahm Ragnar eben jene alte Sitte in die Neuzeit. Eine schallende Backpfeife hinterließ einen roten Abdruck auf der Wange Isegrims und ein kurzes Klingeln in den Ohren.
    "... aber da Ragnar nicht der Mann ist, der dich zum Ritter geschlagen hat, ist das wohl kein Problem. Er ist dein großer Bruder, also muss er doch sicher gehen, dass du deinen Eid und deine Pflicht nicht vergisst."
    Dann trat der Großmeister vor, packte die Schultern Isegrims und nickte ihm feierlich zu.
    "Glückwunsch, Sir Isegrim."
    Die Frau im Hintergrund verschwand pfeifend aus der Kapelle, wurde aber von niemandem wirklich beachtet. Bruder Jasur trat vor und klopfte Isegrim auf die Schulter und Ragnar umarmte ihn derart stark, dass der frische Ordensritter die Befürchtung hatte, noch in der Kapelle als Ritter zu sterben.
    "Feiert diesen Tag, ihr beiden. Euer Vater wäre stolz auf euch. Denn schon ab morgen geht er weiter, der ewige Kampf des Lichtes gegen die Dunkelheit. Nun jedoch mit einer zusätzlichen Klinge auf unserer Seite. Für Innos!", rief der Lord aus.
    "Für Innos!"

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    Gotha, Burg

    Nachdenklich stand Isegrim auf dem Burgwall, an die Zinnen gelehnt und hin und wieder einen kräftigen Schluck aus einer bauchigen Flasche nehmend. Er hörte Schritte neben sich, drehte sich jedoch nicht um. Irgendwas sagte ihm, dass es Ragnar war.
    "Wein?", fragte der Paladin nur.
    "Schnaps.", antwortete der Ritter und hielt seinem Bruder die Flasche hin. Der packte sie, trank kräftig und unterdrückte ein Husten.
    "Bei den Ahnen, Stollengrollen? Wo hast du den denn aufgetrieben?"
    "Sagen wir, der Quartiermeister war etwas unaufmerksam ..."
    Die Miene des Paladins verdüsterte sich. "Ich dachte, dass das vorbei wäre, dein Leben als Dieb."
    Er wandte sich halb zu Ragnar herum. "Aber dennoch beherrsche ich die Fähigkeiten eines Diebes. Sieh es endlich ein, Ragnar, ich bin kein strahlender Ritter, kein Kriegsheld. Ich renne nicht mit Schwert und Schild brüllend in das Getümmel. Am Besten diene ich dem Orden auf meine Art. Auf meinem Schlachtfeld. In den Schatten."
    "Das ist aber nicht die Art von uns Nordmännern ...", knurrte der ehemalige Ahnenkrieger barsch.
    "Und zum Glück bin ich kein Nordmann. Ja, ich mag als einer erzogen worden sein, aber die Werte des Clans waren nie wirklich die meinen." Er seufzte. "Ganz im Gegenteil. Ich war eigentlich immer ein Pariah, ein Sonderling für die Männer im Clan." Dieses Mal lächelte er. "Und bitte, Ragnar, tu nicht so, als hätte es noch nie Ordensritter gegeben, die in den Schatten für Innos kämpfen."
    Der Hüne murmelte etwas in seinen feuerroten Bart, ertränkte die Worte aber in einem Schwall Schnaps. Er ließ das Thema auf sich beruhen, was Isegrim nur entgegen kam.
    "Was hast du denn nun vor?", fragte der Paladin stattdessen. "Was ist dein Plan?"
    Isegrim blickte wieder von den Zinnen hinab, von Vengard nach Montera. Dann hob er die Schultern und lachte kurz auf. "Ich werde wohl bald wieder zurück nach Thorniara segeln. Dies hier, das Festland, obwohl es meine Heimat ist ... hier finde ich nicht mein Glück. Eher dort. Ich will meinen Teil dazu beitragen, Ethorns Aufstand zu beenden." Ein schiefes Grinsen. "Wenn man das Aufstand nennen möchte. Auf jeden Fall kann ich dort mehr bewegen als hier in Gotha oder Vengard oder sonst wo."
    Ragnar nickte. "Dienst unter Lord Hagens Befehl. Ein guter Anführer. In Thorniara kannst du deine Geschichte weiter schreiben, Bruder. Ruhm und Ansehen erlangen."
    Als wäre mir darum gelegen, Ragnar, als wäre Ruhm mein Ziel. Oder das Ansehen der Mitmenschen. Das hat mich nie geschert ...
    "Aber ich werde in Trelis an Bord gehen."
    "Wieso?"
    "Weil ich dort noch etwas wiedergutmachen muss." Der Ritter nickte langsam. "Um Verzeihung bitten."
    Ragnar verstand, was Isegrim meinte. Ein Aufflackern des Stolzes in seinen Augen, ehe sie wieder grimmig wirkten. "Dann, Bruder", knurrte er, "mh. Alles Gute. Lass dich nicht umbringen."
    Der Ritter grinste. "Ich bin wohl der Überlebenskünstler unter uns Brüdern, Ragnar. Daran ändert auch das Sir nichts."

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    Gotha, Burg, Rüstkammer

    "Bruder Isegrim", der Wachsoldat räusperte sich, während der Ritter zu später Stunde in der Rüstkammer der Ordensburg stand und sich von einem sichtlich müden Quartiermeister ausstatten ließ. "Sir Isegrim", verbesserte er sich, neigte den Kopf und nickte dann dem Logistiker aufmunternd zu. "Ich habe am Tor einen Jungen aufgehalten, der unbedingt zu Euch wollte. Dürrer Bursche, vielleicht fünfzehn oder sechzehn. Ist der festen Überzeugung, Sir, Euer Lehrling zu sein."
    Isegrim schlug sich mit der Hand vor den Kopf. "Bei Innos, ich habe Yorgen vergessen."
    Der Soldat nickte. "Ja, Yorgen ist sein Name. Ihr kennt ihn?"
    "Natürlich. Lasst ihn zu mir. Er wird mich natürlich begleiten."
    Ein erneutes Nicken bestätigte Isegrims Befehl. Der Soldat verschwand, während sich der Ritter wieder dem Quartiermeister zu wandte, der auf die Rüstung deutete, die auf einem mitgenommen aussehenden Holztisch ausgebreitet lag.
    "Eine Ritterrüstung, Sir Isegrim. Die leichte Ausfertigung, ähnlich der Rüstung der Ordensbruder. Kette und Stahl, jedoch mit mehr Bewegungsfreiheit. Bei allem Respekt, Sir, seht Ihr mir nicht aus wie ein Frontkämpfer.", der Quartiermeister grinste schief. "Daher hätte ich noch etwas ... Zusätzliches für Euch."
    Der Ritter sah den Mann fragend an, der einen Moment verschwand, in seiner Waffenkammer kramte und mit zwei Dingen zurückkehrte. Einem kleinen Köcher mit Lederkappe sowie einer Waffe, die Isegrim schon oft gesehen hatte, jedoch bisher nie in den Genuss gekommen war, sie einmal zu nutzen.
    "Eine Armbrust.", murmelte Isegrim. Der Waffenmeister nickte.
    "Eine einfache Armee-Ausfertigung, für einen Anfänger mehr als geeignet. Natürlich solltet Ihr lernen, wie man mit dem Ding auch trifft, aber die Sache ist einfacher als das Bogenschießen oder der Waffenwurf. Sir Isegrim, diese Waffe ist der erste Schritt in die Zukunft. Irgendwann, das sage ich Euch, werden wir über die Schleudern des Alten Volkes, die Bogen der Waldläufer und Jäger lachen, uns kopfschüttelnd fragen, warum jemand jemals so etwas gebraucht hat." Er seufzte. "Auf kurze Distanz ist diese Waffe absolut tödlich. Für eine größere Reichweite bräuchtet Ihr natürlich eine größere Waffe, die mehr, hm, Wumms hat. Aber die sind eher für ausgebildete, ja, meisterhafte Schützen geeignet. Zu Beginn reicht die hier" - der Mann reichte ihm Köcher und Armbrust - "völlig aus."
    Behutsam nahm der Ritter die Waffe entgegen. Eine robuste Waffe, Armeestandard, wie schon gesagt wurde. Die Sehne war ölig, das Holz poliert und gepflegt. Isegrim wusste, dass manche Anwärter - meist als Strafe - die Aufgabe hatten, die Waffenkammer und ihren Inhalt mehr als häufig auf Vordermann zu bringen. Am Zustand der Armbrust erkannte er, dass der Quartiermeister sein Regiment eisern führte.
    "Ich danke Euch, Bruder", sprach er, "Wirklich. Wenn es etwas gibt, was ich tun kann ..."
    Der Quartiermeister lachte wiehernd. "Zwei Dinge, ehrlich gesagt: Mich nun endlich zu Bett gehen lassen und ... mh, schießt Euch mit der Armbrust nicht ins eigene Knie."
    Damit verschwand der Mann, während Yorgen eintrat, die Augen groß und ehrfürchtig.
    "Stimmt es ...", fragte er langsam. Isegrim nickte. "Ihr seid ein Ritter?"
    "Ja, Yorgen. Sir Isegrim.", antwortete er, "Und nun brechen wir auf."
    "Was? Jetzt schon, aber ... ich bin den ganzen Weg von Vengard hier hin marschiert, Sir Isegrim."
    Der Ritter grinste wölfisch. "Und wir werden noch viel weiter marschieren, Bursche. Erinnere dich, was ich im Hammerclan gesagt habe: Du wirst dereinst in den Orden kommen. Durch mich. Du bist nach wie vor mein Schüler und ... über kurz oder lang auch mein Knappe. Wir werden nach Montera reisen."
    Der Bursche konnte gar nicht ruhig dastehen vor Aufregung. Isegrim grinste noch viel wölfischer.
    "Freu dich nicht zu früh, Yorgen. Knappen tragen die Ausrüstung ihrer Ritter."
    Doch auch die Aussicht, als Packesel eines Ritters zu enden, konnte den Jungen nicht abschrecken. Und im Innern wusste Isegrim wieder, dass er den Charakter Yorgens richtig gedeutet hatte. Der halbstarke Dürre war aus zähem Leder gemacht und würde einen erstklassigen Soldaten und Ordensdiener abgeben. In seinem, Isegrims Bereich. Aus den Schatten, für Innos.

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    Richtung Trelis

    Die Armbrust war für Isegrim eine völlig neue Art des Kampfes. Die letzten Monate hatte er sich mehr und mehr auf das Schwert verlassen, davor war er schon immer ein passabler Dolchkämpfer gewesen, aber die Fernkampfwaffe eröffnete ihm nun Möglichkeiten, die sein Handeln in Zukunft weitaus mehr beeinflussen könnte, als es die Klingen an seinem Gürtel tun würden. Während der Reise gen Süden, nach Trelis, hatte er mehr als einmal während einer Marschpause dagesessen und das Wunderwerk der Technik in seinen Händen bestaunt. Die präzise, solide Fertigung. Der stählerne Bogen, die reißfeste Sehne, den handlichen Spanner und das System des Hebels, der die Sehne losließ. Dieses Zusammenspiel war für ihn wesentlich interessanter als es die Magie oder der Lauf der Gestirne jemals gewesen waren.

    Die Funktionsweise brauchte für ihn keine große Erklärung. In Montera hatten der Ritter und Yorgen ihren ersten Halt gemacht und während dieser Zeit hatte er das Gespräch mit Armbrustschützen der Garnison gesucht und sich die einleitenden Worte über den Umgang mit der Armbrust angehört, die weit einfacher waren als die Erklärungen, die ein Bogenschütze ihm über seine Waffe geliefert hätte. Danach hatten für Isegrim mehrere Dinge einen Sinn ergeben. Zum Beispiel die breite Verteilung der Armbrust als Armeewaffe sowie an die Gilden in den Städten, die - sollten sie in Form der Bürgerwehr zur Verteidigung herangezogen werden - sie nach einer kurzen Ausbildung problemlos bedienen würden. Und auch, warum sie in einer Schlacht, die zumindest statisch verlief, eine so gefürchtete Waffe war. Sie ermöglichte gezielte Schüsse, zwar nicht in der gleichen Schnelligkeit wie Bogenschützen mit ihrem Werkzeug, aber dafür wesentlich präziser ohne einen großen Verlust durch ungeübte Handhabung zu haben.

    Danach hatte Isegrim immer wieder die Zeit genutzt, um mit der Armbrust zu üben. Anfangs stehend und ohne wirklichen Spannung im Körper, was sich aber bei dem merklichen Rückstoß durch die sich entspannende Sehne als unzweckmäßig für die Treffer herausstellte. Daraus folgerte Isegrim rasch, dass ein gewisses Schießgestell dem entgegen wirken würde. Den Kolben der Armbrust in die Schulter drückend und über die Spitzen des Bolzens zielend, verbesserte sich seine Quote rasch.

    "Meister, darf ich auch einmal", hatte Yorgen irgendwann gefragt, von Isegrim jedoch nur einen abschätzigen Blick geerntet. Gefolgt von einem Kopfschütteln. Betrübt hatte der Bursche geseufzt. "Wieso nicht, Meister? Es scheint ja einfach zu sein."
    Isegrim hatte Yorgen nur auf die Schulter geklopft. "Und da liegt das Problem. Ich werde dir keine Waffe an die Hand geben, mit der du einfach und spielerisch Menschen töten kannst.", erklärte er, "Einen Dolch oder ein Schwert können wir holen, denn dafür brauchst du Übung, um damit wirklich zur großen Gefahr zu werden. Aber das hier" - er klopfte sacht auf die Armbrust - "ist für dich erst einmal tabu. Verstanden?"
    Der Junge hatte nur genickt, während sich Isegrim wieder seiner Übung zugewandt hatte.

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    Nahe Trelis

    "Yorgen."
    "Ja, Meister Eisenwolf?"
    "Wir werden beobachtet."
    "Wie kommt Ihr darauf?"
    "Ich weiß es einfach ..."
    Die beiden Reisenden lagerten außerhalb von Trelis, irgendwo zwischen den Höfen und fernab der Straßen. Isegrim war daran gelegen, dass Yorgen das Leben in der Wildnis, unter freiem Himmel kennenlernte. Natürlich hatte er auch in Nordmar viel frische Luft abbekommen, aber selbst das Leben im Hammerclan war nicht mit dem in den Wäldern des Festlandes zu vergleichen. Je mehr Erfahrung der Bursche sammeln, je schneller er sich daran gewöhnen würde, umso einfacher würde es in Krisensituationen für ihn werden. Und Isegrim wusste, dass bei dem, was er plante zu erschaffen, Krisensituation durchaus eine gewisse Häufigkeit aufweisen würden.
    Die Augen eines Beobachters hatte der Ritter alsbald gespürt, ein Überbleibsel aus den Jahren als Bettler. Denn auch in Vengards Gassen konnte man nie vor üblen Gestalten gefeit sein. Er hob die Armbrust, wandte dem Feuer noch mehr den Rücken zu als bisher schon und starrte in die Dunkelheit außerhalb des vom Lagerfeuer erhellten Kreises.
    Ein Knacken im Unterholz. Isegrim rührte sich nicht, ebenso wenig wie Yorgen. Schritte waren zu hören. Nur ein Mensch, wie es schien. Leicht gerüstet oder gekleidet, schwere Stiefel hätten anders geklungen. Der Ritter entspannte sich etwas, behielt jedoch immer noch die Armbrust erhoben. Jemand trat fast genau an der Stelle, auf die er gezielt hatte, aus dem Unterholz.
    "Da brat mir einer ein Urvieh", murmelte Isegrim, "Damien in all seiner schmierigen Person."
    Der Hehler und Bankier breitete die Armee aus und lächelte einnehmend. "Isegrim, mein Schüler."
    Yorgen verstand sowieso die Welt nicht mehr und schaute zwischen dem Ritter und dem schwarz gekleideten Mann hin und her. Schüler? Isegrim? Seine Augen wurden groß, als er den graumelierten Mann mit dem Pferdeschwanz musterte.
    "Gibt es etwas, Damien?", fragte Isegrim fast beiläufig, zielte jedoch nun mit der Armbrust weitaus präziser auf des Hehlers Bauch. "Du würdest nicht nachts in der Wildnis an mein Feuer treten, wenn es nichts wichtiges geben würde" - er seufzte - "und deine Hilfe für dieses Aas von Schmuggler habe ich dir nicht vergessen. Ich erinnere mich auch noch an meine Worte an dich." Die Armbrust hob sich, zielte nun auf die Brust des Verbrechers. Offene Feindseligkeit lag in den dunklen Augen des Ritters.
    "Gemach, Isegrim", die Arme immer noch ausgebreitet stand Damien da, "Ich habe das Kreischen einer Krähe vernommen."
    Isegrim lachte freudlos. "Ein Grund mehr, dich zu erschießen, wenn du dem Ruf einer Krähe folgst. Wenn sie zu laut sind, Damien, haben sie die Angewohnheit, von einem geschmissenen Stein getroffen zu werden ... wahlweise auch von Bolzen oder Pfeilen." Ein kurzes Wackeln mit der Armbrust, um die Worte zu unterstreichen.
    Damien schluckte kurz und trat näher ans Feuer heran, ignorierte dabei den sitzenden Yorgen, der eine Hand auf dem Bein ruhen ließ, die andere hinter sich. Isegrim schluckte schwer.
    "Du wurdest zum Ritter ernannt?", fragte der Hehler langsam und nickte zu der Ausrüstung, die von Isegrim und Yorgen geschleppt wurde. Er nickte bestätigend. "Sehr gut. Das ermöglicht uns einiges. Öffnet uns Türen, Isegrim."
    "Tu verdammt noch mal nicht so, als wäre mein Ritterschlag eine verdammte Neuigkeit!", zischte Isegrim, "Du und dein räudiges Pack an Krähen, Ebenhölzern, Hunden und wie Ihr Ganoven euch nennt, habt doch verdammt nochmal überall irgendwelche Spitzel hocken wie verdammte Tauben auf den Dächern von Vengard!"
    Yorgen blickte kurz überrascht auf, als er die hasserfüllte Stimme seines Meisters hörte, ehe er sich wieder besann, die rechte Hand noch immer hinterm Rücken.
    "Gemach, gemach", wiederholte Damien und sah den Ritter betrübt an, "Ja, nun, wir wussten von deinem Ritterschlag. Ja, wir haben mehr als genug Spitzel in jeder Stadt des Festlandes. Das ist ja auch Sinn der Sache. Wir haben in der Kürze der Zeit entschieden, dich zu einem Treffen einzuladen. Denn du, Isegrim, bist der Schlüssel mit dem wir in den Orden, in die Nähe des Königs kommen. Es stimmt, mächtige Gestalten der Unterwelt haben sich zusammen getan. Ebenholz, dieser riesige Südländer. Die Krähe. Rag der Rote Hund, Weyland Sweers' ehemaliger Vertreter. Und ... ein alter Bekannter von mir, ein Mann noch während des Krieges gegen die Orks in der Unterwelt bekannt war, ein ehemaliger Schwarzmagier. War sogar mal am Raub des Artefaktes deines Ordens beteiligt. Dem legendären Auge Innos'." Einen Moment schien Damiens Lächeln geradezu träumerisch zu sein, ehe er fortfuhr. "Wir wollen dich zu dem Treffen einladen. Es findet auf einem Hof an den Hängen des Archolos statt, einem Weingut. Interesse?"
    Isegrim sah den Hehler lange und durchdringend an. Dann nickte er langsam.
    "Bin dabei.", erklärte er und legte die Armbrust beiseite. "Das klingt doch zu vielversprechend um es zu ignorieren, Damien."
    Der Hehler lachte und klatschte zufrieden in die Hände. "Sehr gut, dann versuch morgen dort zu sein. Es ist das Weingut der Familie Calvero, schön abgeschieden." Er verneigte sich. "Also, wir sehen uns morgen, mein alter Schüler."
    Nachdem der Verbrecher wieder im Unterholz verschwunden war, wandte sich Yorgen zu seinem Meister.
    "Ernsthaft?", zischte er, ganz und gar nicht mehr der ehrfürchtige Adlatus. "Ihr seid Ritter, Sir Isegrim! Und doch bandelt Ihr mit diesem Verbrecher an wie eine billige Dirne!"
    Isegrim seufzte, all die Anspannung fiel von ihm ab, während er seinen Lehrling musterte.
    "Zwei Dinge, Yorgen: Hinterfrage bitte nicht meine Entscheidungen. Ich habe Innos einen Eid geleistet und an diesen werde ich mich halten. Mein Gott weiß, das ich kein frommer Mann bin, kein fanatischer Anhänger seiner Ordnung, aber er ist der Gott der Menschheit. Unser Gott. Deswegen werde ich diesen Eid nicht brechen.", erklärte Isegrim, "Ich werde nämlich die Chance nutzen, Yorgen, und diese Vereinigung zerschlagen. Übermorgen wird es sie nicht mehr geben. Ebenholz, die Krähe, diesen Hund, Damiens alten Mentor ... danach werden sie wieder in ihre Löcher zurück kriechen und wieder wie anständige Diebesgilden in Kanalisationen und Höhlen hausen müssen, nicht vornehm speisend in Anwesen."
    Dann wurde sein Blick kalt und gnadenlos. "Und zweitens, Yorgen, kriege ich mit, dass du noch einmal meinen Dolch nimmst, ohne um Erlaubnis zu fragen, werde ich dir so dermaßen eins aufs Maul geben, dass du dir wünscht, du wärst noch in Nordmar geblieben!"
    Die Augen Yorgens wurden groß und er zog langsam den Stahldolch seines Meisters hinterm Rücken hervor. "Aber ich dachte ... ich könnte Euch helfen und den Mann, diesen Damien, töten."
    Isegrim lachte tonlos. "Dieser Mann, Damien, hätte dich ohne mit der Wimper zu zucken erledigt, Yorgen. Er mag zwar ein Verbrecher sein, aber angeblich hat er früher mit den Assassinen in Varant zu tun gehabt. Der Kerl ist ein Mörder, eine sadistische Seele." Er seufzte. "Deswegen bin ich so wütend. Du hast unüberlegt gehandelt und dein Leben riskiert. Das will ich verhindern, Yorgen, mehr als alles andere auf der Welt."

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    Sleeping Dragon Avatar von Françoise
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Angestrengt unterdrückte Françoise das Verlangen zu gähnen. Auf ausdrücklichen Wunsch des Statthalters von Montera wohnte die Priesterin einem lokalen Spektakel bei - Duellen in der hiesigen Arena. Kaum hatte der beleibte und überaus fromme Mann von der Ankunft der obersten Feuermagierin in seiner Stadt erfahren, setzte er alles in Bewegung, um ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Zumindest seiner Auffassung nach angenehm. Der Zweck ihres Aufenthalts verbot es, den Statthalter zu verprellen. Wenn möglich, so hatte es die Priesterin geplant, sollte es in Zukunft einen steten Fluss von Gütern aus Montera nach Thorniara geben. Da konnte sie unmöglich bei der ersten Begegnung ins Fettnäpfchen treten.
    Deshalb saß sie jetzt auf der Tribüne hinter der Arena, direkt neben dem Statthalter. Er feuerte indes die beiden Kämpfer im Ring begeistert an. Laut seiner Erklärung war die Arena ein Überbleibsel aus den Tagen der Besatzung. Es überraschte nicht, dass die Orks Gefallen an dieser blutigen Art der Unterhaltung besaßen. Menschen aber offenbar nicht minder.
    Aber selbst ein Import des Erzfeindes konnte sich nicht vor der ordnenden Hand Innos' verbergen. Eine Liste von Regeln zeigte auf, was im Ring erlaubt und was verboten war. Gewichtsklassen gab es und eine Einteilung nach Kunstfertigkeit im Umgang mit der Waffe. Auch Wetten waren gestattet - natürlich unter Berücksichtigung eines Steuersatzes.
    Nicht nur gestandene Krieger kreuzten hier die Klinge. Vom einfachen Feldarbeiter bis zum ranghohen Soldaten war alles vertreten.
    Und dennoch schlich sich die Müdigkeit unerbittlich an Françoise heran. Womöglich hing es damit zusammen, dass es vor dem Ausflug zur Arena ein kleines Bankett gegeben hatte. Einige hohe Beamte, wichtige Persönlichkeiten der Stadt und mehrere Paladine hatte der Statthalter dazu eingeladen und für sie gut aufgetischt. Françoise hätte lieber einen Spaziergang nach dem Essen gemacht, doch das war leider keine Option.
    Ein weiterer Kampf begann. Dieses Mal aus der Gruppe der Bauern und Handwerker. Im Gegensatz zu den wohlhabenderen Kämpfern und der Soldaten liehen sie sich Gambesons aus dem Bestand der Arena. Rotweiß gegen blau.
    »Ein Drachenzahn.«, bemerkte die Priesterin beiläufig.
    »Bitte, wie meinen?«, erwiderte der Statthalter.
    »Die Waffe, die der Kämpfer in blau trägt. Nennt man die nicht Drachenzahn?«
    Der beleibte Adlige schüttelte verdutzt den Kopf.
    »Nein, nein. Das ist eigentlich eine Sense. Der Bursche hat lediglich das Blatt gedreht, so dass es gerade dem Stiel folgt. Die typische Waffe eines Bauern.«
    »Wie seltsam. In meiner Heimat gibt es etwas ganz ähnliches. Aber nicht von Bauern getragen.«
    »Nun, ich bin mir sicher, dass es nichts derart krudes ist.«

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Weingut nahe Trelis

    In seine dunkle Kettenrüstung gekleidet marschierte der Ritter durch die Pforte zum Hof des Weingutes, auf dem sich zu dieser Zeit nicht allzu viele Arbeiter herumtrieben. Wahrscheinlich war das eine der Vorkehrungen vor dem Treffen gewesen; so wenig Aufmerksamkeit wie möglich. Isegrim betrachtete diese Maßnahme mit einem Kopfschütteln. Ein Treffen in all der Betriebsamkeit wäre weniger auffällig gewesen als eine Zwangspause für die Arbeiterschaft des Weingutes. Ein Mann in edler Kleidung erwartete ihn am Eingang eines Weinkellers. Er wirkte verschwitzt und etwas aufgekratzt.
    "Herr Calvero", schloss der Ritter und neigte den Kopf zum Gruß.
    "Sir Isegrim?", fragte der Mann vorsichtig, was nickend bestätigt wurde. "Wenn Ihr mir folgen würdet."
    Sie stiegen hinab in den Weinkeller, der nicht wirklich schön aussah. Eine Weinverkostung hätte hier eher den Anstrich eines Besäufnisses. Calvero sah Isegrims abschätzigen Blick und seufzte. "Die Orks haben den Hof im Krieg komplett niedergebrannt", erklärte er entschuldigend, "Diese Kreaturen hatten keinen Geschmack für Wein. Ebenso wenig ihre verräterischen Söldner. Die haben hier alles geplündert und dann verwüstet."
    Isegrim zuckte mit den Schultern, ehe sie einen größeren Raum des Kellers betraten. Ein langer Tisch war dort aufgestellt worden und mehrere Fackeln und Unmengen an Kerzen erhellten die Kammer. Ein großer, ja fast hünenhafter Südländer in edler, dunkler Kleidung erhob sich.
    "Der Eisenwolf!", rief er laut aus, "Der Mann, der Weyland Sweers nahezu gebrochen hat."
    Ein rothaariger Nordmann, der nur Rag sein konnte, blickte auf und musterte Isegrim. "Getötet hat er ihn aber nicht. Der Arsch hat sich in der Silberseeburg das Genick gebrochen. Glaubt man das? Der große Schmuggler stirbt beim Ordnen von Büchern!" Dann spuckte er aus, ganz zu Calveros Unwillen. "Der Wichser da könnte nicht mal eine Ratte töten. Eisenwolf am Arsch ..."
    Damien, der am Kopfende saß, lächelte beruhigend. "Rag, entspann dich. Und pass auf, was du sagst. Isegrim ist gefährlich."
    Der Ritter nickte dem Hehler zu. "Ebenholz, Rag, Damien ... fehlen aber noch welche, oder?", fragte er.
    Ein Nicken Damiens in die Schatten. Da stand noch ein Mann, blass, blonde, fast weiße Haare. Der Blick glich dem einer Schlange. Kalt, berechnend.
    "Dein alter Meister?", fragte Isegrim lachend, "Köstlich. Drei Generationen an Diebeskünstlern hier, das hat ja fast etwas von einem Familienfest", urteilte er und lachte auf, ehe er sich setzte und dann wieder Damien anstarrte. "Aber da niemand das Offensichtliche anspricht, Damien: Du bist die verdammte, beschissene Krähe. Dieser Patriot im Diebesgewand. Der Arsch, der mir mehr als genug Ärger bereitet hat."
    Die Krähe lachte und breitete die Arme aus. "Ja, Grim, ich bin die Krähe."

    Einige Zeit verging, in der Wein getrunken und geplaudert wurde. Frauen brachten Essen, worauf sich Isegrim hungrig stürzte. Er musste vorbereitet sein für das, was kommen würde. Er maß die anderen mit Blicken. Ebenholz trug keine Waffen, was bedeutete, dass er auf andere Weise gefährlich war. Rag trug eine Axt. Ein typischer Nordmann. Damien wahrscheinlich Messer im Überfluss und der Blasse hatte nur einen Gehstock dabei, wirkte aber dennoch gefährlicher als alle Versammelten zusammengenommen.
    "Also dann, wollen wir endlich anfangen?", fragte der blasshäutige Mann mit leiser Stimme.
    "Natürlich", Damien schluckte und sprach schnell weiter, "Wir sind zusammen gekommen, um ... bestehende Streitigkeiten und Unstimmigkeiten ad acta zu legen. Wir leben in einem Großreich, das dereinst die Welt erobern wird. Wir sollten unseren Teil vom Kuchen abhaben, so früh es noch möglich ist."
    Ebenholz nickte. "Lieber mit dem Moloch als dagegen."
    "Pah", Rag spie aus, "Feiglinge."
    Der Ritter lächelte herablassend. "Oh, ganz der Nordmann, nicht? Zu engstirnig um die Realität zu sehen. Hätten wir doch lieber den alten Sweers an deiner Stelle sitzen und nicht seinen dämlichen Handlanger mit verbrannter Fresse ..."
    "Ich sollte dich ...!", Rag sprang auf, die Hand am Axtgriff.
    "Du solltest gar nichts, Rag!", Ebenholz fixierte den Krieger mit dunklen Augen. "Außer dich wieder auf deinen Arsch setzen."
    Seltsamerweise tat dies der Rote Hund ohne Widerworte. Isegrim lächelte weiterhin herablassend.
    "Freunde, sparen wir uns das beschissene Geplänkel. Das Ziel ist scheinbar klar, aber wo stehe ich da?"
    Damien lächelte. "Du bist unser Mann im Orden. Und wenn du Paladin wirst, bist du unser Mann in Vengard, am Hof. Der Schlüssel zu absoluter Macht. Und unser Mann auf Argaan."
    "Aber ich dachte ...", Rag murrte erneut. Dieses Mal hob Ebenholz nur eine Hand, murmelte etwas und schwarzes Feuer tanzte darüber. Isegrim schien als hätte die Dunkelheit im Raum zugenommen, trotz der Kerzen. Sein Inneres zog sich zusammen und auf der Zunge schmeckte er Galle. Ohne das Ebenholz es merkte, fixierte der Ritter ihn mit einem Blick, der gleichermaßen Entsetzen und Hass ausdrückte. Rag hingegen nickte nur und schwieg.
    "Gut", Isegrim räusperte sich, brachte sich wieder unter Kontrolle, wenngleich sein Herz wie wild schlug. "Und dann?"
    "Beherrschen wir die Unterwelt ebenso wie wir dann im Reich die Fäden ziehen. Wir könnten hohe Stellen besetzen. Schatzmeister der Krone, Berater Seiner Majestät ... stellt euch die Möglichkeiten vor, Freunde ..."
    Oh, beim Heiligen Dominique, diese Kerle sind wahnsinnig. Und Ebenholz ist Schwarzmagier, da lege ich meine Hand oder Rags andere Gesichtshälfte für ins Feuer!
    "Nun", Isegrim rieb sich übers Kinn und fing plötzlich an zu lächeln. "Da bin ich leider nicht dabei."
    Damien blickte auf. "Was?"
    "Ich bin nicht dabei.", wiederholte Isegrim und erhob sich, "ganz einfach. Das ist Wahnsinn, Damien. Du sitzt hier mit einem Schwarzmagier im Bunde und bist selber Mal mit den Assassinen von Bakaresh im Bunde gewesen ..." Ein Kopfschütteln. "Ich bin nicht der größte aller Diener Innos', aber ich werde nicht mit Dienern Beliars paktieren. Lieber sterbe ich. Und darüber hinaus ... Diebe sollten in den Schatten bleiben, nicht wie fette, arrogante Grafen in ihren Anwesen hocken und Ränke schmieden. Ihr, meine Freunde, seid eine Schande für die einfachen Diebe, für die Männer und Frauen und Kinder, die keine andere Möglichkeit haben, als zu stehlen."
    Seine Hand ging an die Klinge. Gut, sagte er sich, das war es dann wohl. Aber vielleicht kann ich noch jemanden mit ins Jenseits nehmen! Vielleicht diesen räudigen Schwarzmagier.
    Doch ehe er handeln konnte, hörten sie Calveros lauten Schrei aus einer der Vorkammern und die Schritte von schweren Stiefeln.
    "Nun, Freunde, ich denke das war es für euch.", knurrte Isegrim, ehe er lachend die Klinge blank zog.

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    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Weingut nahe Trelis

    Einen kurzen Moment der Stille hatte es nach Isegrims Worten gegeben, gefüllt mit Verwunderung ob der überraschenden Antwort sowie Entsetzen über die plötzlich ausgebrochenen Kämpfe in den vorderen Kammern des Weinkellers. Rag war der erste Verbrecher, der seine Fassung zurück gewann. Er zog die Axt und sprang über den Tisch auf Isegrim zu, der geschickt zur Seite wegduckte, herumwirbelte und den Mann direkt mit Schlägen eindeckte. Der Typ war zwar groß und stark, aber der Sprung über den Tisch war schon das Hoch seiner Akrobatik gewesen. Isegrim tänzelte um Rag herum und verpasste ihm zwei Schnitte an Arm und Bein, ehe er sich wieder außer Reichweite der Axt begab. Plötzlich tauchte Ebenholz hinter Isegrim auf, hob die Hände und schien etwas zu murmeln. Ein Bolzen beendete, was auch immer für eine Beschwörung da gekommen wäre. Der Hüne fiel hinten über, das Geschoss im rechten Auge steckend. Isegrim nutzte Rags verständnislose Starre aus und trieb dem Nordmann das Schwert bis zum Griff in die Brust, legte sein ganzes Gewicht in den Stoß. Er säuberte seine Klinge an der Kleidung des Toten, erhob sich wieder und schaute sich um. Der blasse Mann - Damiens Lehrmeister - war verschwunden, zumindest zeugte keine Leiche von seinem Dahinscheiden. Ebenholz war tot, Rag war tot. Zwei von vier Verbrechern. Der dritte, Damien höchstselbst, befand sich gerade in einem rasanten Schwertkampf mit einem in dunklen Leder gekleideten Glatzkopf, der eine eindrucksvolle Narbe im Gesicht trug und seinen Säbel sowie den Dolch in der Nebenhand wie ein Meister beherrschte. Der Hehler hingegen hatte das Gehabe unterdrückter Gefährlichkeit abgelegt und kämpfte nun ebenfalls wie ein wilder Dämon. Das Schwert in seiner Hand wehrte fast mit Leichtigkeit den Säbel ab und eine fiese Finte bannte die Gefahr des Dolches, der aus einer nun blutenden Hand katapultiert worden war. Isegrim reagierte schnell. Er riss die Armbrust vom Gürtel los, spannte sie rasch, packte sich einen Bolzen und beruhigte sich im Stillen, dass die Hände aufhören sollten zu zittern. Er legte den Bolzen ein, hob die Armbrust und zielte auf Damiens Brust, der gerade den Säbel beiseite geschlagen hatte und nun davor war, dem Narbengesicht das Schwert in den Leib zu stoßen.
    Die Überraschung und die Kraft der sich entspannenden Sehne ließen den Hehler nach hinten fallen, als hätte ein Ork nach ihm geschlagen. Der Narbige erhob sich, spuckte aus, besah sich kurz die Hand, ehe er seinen Säbel aufsammelte und zu Damien ging. Dabei warf er Isegrim einen kurzen Blick zu und nickte. Dankbar, anerkennend.
    "Damien", knurrte der Mann mit rauer Stimme, "Damien der Hehler. Damien der Bankier. Damien die Krähe. Damien, der eigentlich tot sein sollte. Damien, der nachweislich von Tenebricus' Lakaien vergiftet worden war. Damien, der den Namen seines Vaters als Deckung genutzt hat. Damien ..." Der Narbige spuckte aus. "Oder sollte ich eher sagen: Vryce. Vryce, der mal beim Dunklen Bund war. Vryce, der danach für einige Monde bei den Schwarzmagiern studierte. Vryce, der alle Ketten zerschlug und sich frei nannte, nur um in dem berüchtigten Trilo von Braga seinen neuen Auftraggeber zu finden. Vryce - oder Damien - der nun sterben wird."
    Das Gesicht des liegenden Verbrechers war blass. Blut sprudelte um die Wunde, in der der Bolzen steckte. "Nicht schlecht", spie er aus, zusammen mit Blut und Speichel. "Mit wem habe ich das Vergnügen ... seid ihr Trilos Männer? Lebt der alte Hund etwa noch und hat sich nicht bei irgendeiner hirnrissigen Aktion in die Luft gepustet? Ha ..."
    Der Narbige seufzte. "Kein Trilo, kein Jemand. Ich bin Stefford."
    Vryces Gesicht wirkte ahnungslos. "Scheiße, nie gehört ..."
    Der Kämpfer namens Stefford lachte. "Wäre ja auch schön dumm, wenn du bisher vom Geheimdienst der Krone gehört hättest. Wir sind die Menschen, die in den Schatten für das Wohl unseres Großreichs arbeiten. Und nicht ihr räudigen Verbrecher, die unter dem Anschein des Patriotismus die Krone schröpfen wollt." Er spuckte auf den Sterbenden. "Aber dank unserem ahnungslosen Sir Isegrim hier, war es uns möglich, die Bedrohung, die ihr für das Reich darstelltet, zu beseitigen. Man sieht sich in Beliars Reich, du Kanaille."
    Mit diesen Worten beendete der narbige Stefford das Leben des Mannes, der Damien oder Vryce hieß. Isegrim wirkte leer, wie ausgebrannt. Sein Blick flackerte kurz, ehe er den Mann fixierte, der nun auf ihn zu kam. Einen Moment überlegte er, ob es nun ihm an den Kragen gehen würde, aber irgendwie bezweifelte er das.
    "Alles in Ordnung, Ritter?", fragte Stefford. Isegrim nickte, deutete mit einem Nicken auf die Hand seines Gegenübers.
    "Damit?", kam die Gegenfrage.
    Der Mann hob die Schultern. "Passiert. Verheilt wieder. Danke für deine Mithilfe, auch wenn du es gar nicht wusstest. Die ... Leitung des Geheimdienstes hat dich jedoch gut eingeschätzt, Sir Isegrim. Sie erklärte mir - da ich an dir zweifelte -, dass du nach Trelis gehen wirst, um die Krähe zu suchen. Sie fand dich. Fast als wäre es Schicksal. Nun, wir ließen diesen Verbrechern hier die Information zukommen, natürlich nicht direkt, dass du hier her unterwegs seist. Und auch Ordensritter. Das war ein Köder, den diese Hunde nur zu bereitwillig schlucken wollten." Stefford hob die Schultern. "Das haben sie nun davon. Gute Arbeit, mein Freund. Das Reich ist etwas sicherer geworden."
    Isegrim lächelte trocken. "Nur aufgrund der Agenten des Myrtanischen Geheimdienstes.", antwortete er, lächelte dann aber eine Spur herzlicher.
    "Ich breche dann mal auf, Stefford. Muss meinen Burschen einsammeln und ein Schiff nach Argaan kriegen", erklärte der Ritter und reichte dem Agenten die Hand. Dieser nahm sie, schüttelte sie kräftig und lächelte ebenfalls.
    "Dann sieht man sich, Ritter. Vielleicht früher als gedacht, wir Diener Innos' in den Schatten müssen doch zusammenhalten."

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    Kämpfer
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    Trelis, Hafen

    "Erzählt, Meister!"
    Yorgen war ein energiegeladenes, junges Bündel das neben ihm her lief und scheinbar durchgehend zu plappern schien, ohne die Müdigkeit des Ritters zu bemerken. Er fühlte sich elend, als hätte er eine ganze Nacht oder zwei nicht geschlafen oder würde an irgendeiner Krankheit leiden, die zwar nicht tödlich war aber dennoch kräftezehrend. Seine blutunterlaufenen Augen fixierten den Burschen.
    "Bei Innos, Yorgen ... ruhig. Ich erzähle dir alles zu gegebener Zeit."
    "Aber ich wäre so gerne dabei gewesen!", griff Yorgen den Faden von vor einigen Tagen auf. "Ich hätte Euch helfen können!"
    "Du hättest dort den Tod gefunden, Junge", murmelte Isegrim und dachte wieder an dieses Gefühl, als er Ebenholz' Magie gesehen hatte. Das Wirken Beliars. Sicherlich nicht auf meisterhafter Ebene, denn dann wäre niemand dem Weinkeller entkommen, aber dennoch gut genug, um ein schwarzes Feuer zu beschwören. Der Ritter schluckte und spürte wieder die Übelkeit in seinem Magen, als er an das Ende der Verbrecherbande dachte. Ihm schwirrte der Kopf. Ja, er hätte mit ihnen zusammen Macht erlangen können. Eine beträchtliche Macht. Aber zu welchem Preis, wenn diese Kanaillen ganz offensichtlich mit Beliar im Bunde gestanden hatten. Was hätte es ihn gekostet? Seine Seele? Seinen Frieden im Tode? Dann lieber meine Seele behalten und keine Macht haben, dachte er bei sich und wiegelte die letzten Versuche Yorgens ab, ihm noch weitere Erzählungen zukommen zu lassen.

    Im Gehen strich die Hand des Ritters über den Griff der Armbrust. Solides Holz. Es hatte eine beruhigende Wirkung. Ruhe, Gelassenheit. Konzentration. Dinge, die er als Armbrustschütze brauchen würde. Er hatte es im Weinkeller gemerkt. Die sich rasch entfaltende, eskalierende Situation. Hektik, viel Bewegung. Für einen Schützen kein gutes Umfeld um mit der Armbrust zu arbeiten. Ganz im Gegenteil.
    Entweder verwende ich sie wie ein Scharfschütze, aus einer sicheren Position und ungesehen. Oder ich brauche eine kleinere, handlichere Version, die ich einhändig bedienen kann. Das würde mir zwar im Kampf nur einen kleinen Vorteil geben, aber selbst kleine Vorteile können das Glück wenden.
    Sie marschierten weiter, hin zum Hafen.

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    Kämpfer
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    Varant

    Isegrim dröhnte der Schädel und die Handgelenke schmerzten elendig, als er versuchte, die Fesseln irgendwie zu lockern. Der Stuhl auf dem er saß, war unbequem und nicht gerade dafür gezimmert worden, um darauf lange Stunden zu hocken. Sein Blick war immer noch etwas fahrig und sein Hirn brauchte noch etwas Zeit, um wieder voll und ganz arbeiten zu können. Nie hätte er sich gedacht, dass ein Schlag auf den Kopf so schmerzen konnte. Dazu kam die Temperatur im Raum, die furchtbar hoch zu sein schien. Zumindest die Verbindung hatte der Ritter schon ziehen können: Er war nicht in Thorniara, nicht auf einem Schiff aber auch nicht mehr in Trelis, wo seine letzte Erinnerung ihren Ursprung hatte. Dort hatten sie in er Hafenkneipe auf die Rückmeldung eines Kapitäns gewartet, den sie wegen einer Überfahrt gefragt hatten. Als der Ritter dann in Richtung des Abtritts marschiert war, um Platz für weiteres Bier zu schaffen, hatte jemand ihn niedergeschlagen. Dann war er - lange Zeit später - hier aufgewacht. In diesem Raum, an diesem Ort. Er spitzte die Lauscher und versuchte etwas oder jemanden zu hören. Aber da war nichts. Keine Vögel, kein Rauschen der Brandung und nicht das belebte Treiben einer Stadt. Mühevoll zählte er eins und eins zusammen: Hitze und keine Geräusche. Er war also an einem Ort, der fernab vom Trubel einer wachsenden Bevölkerung lag, und an dem die Hitze sogar langsam in die Gebäude drang. Varant. Er musste also in der Wüste sein.
    "He!", rief er heiser, "Ist da wer?"
    Dabei versuchte Isegrim Lärm mit dem Stuhl zu machen, indem er kippelte und hoffte, die Stuhlbeine würden genug Radau machen. Jedoch verkalkulierte sich der Ritter und stürzte schmerzhaft zur Seite. Er stöhnte und keuchte und spuckte aus. "Verdammt ... Scheiße."
    Die Tür öffnete sich, Licht und Wärme drangen ein. Isegrim sah Sand und Sand und noch mehr Sand. Am Horizont meinte er vielleicht das Meer zu sehen, vielleicht aber auch eine Illusion. Eine Gestalt trat ein, gefolgt von zwei weiteren, die den Stuhl wieder aufrichteten. Jemand beugte sich vor, musterte Isegrims hängendes Gesicht, dessen Kinn auf der Brust lag. Ein Speichelfaden hing herab.
    "Ah, sehr schön. Du bist aufgewacht.", die Stimme des Mannes war glatt, hatte aber einen südländischen Akzent, "Können wir dann anfangen?"
    Isegrim versuchte aufzublicken, doch dabei drehte sich sein Schädel wie ein Brummkreisel. "Womit ... anfangen?", brachte er hervor.
    Nun sah er das Profil des Mannes. Kurzes, pechschwarzes Haar, die gebräunte Haut eines Varantiners. Die Augen waren dunkel, fast schwarz und das Lächeln, das er zeigte, wirkte wie das Zähnezeigen einer Kobra.
    "Unserer Unterhaltung.", der Mann breitete die Arme aus, "wir brauchen einige Informationen von dir, die du natürlich bereitwillig geben wirst. Sonst ... nun, ich will dir nicht die Folge von Zuwiderhandlung erklären, Isegrim. Sehr ... schmerzhafte Folgen. Also, beginnen wir."

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    Kämpfer
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    Varant

    »Was hast du Idiot dir dabei gedacht?«
    Ein Fluch. »Er ist Ritter, du Narr. Weißt du was er alles weiß? Was er uns verraten kann? Und bedenke, er wurde dabei beobachtet, als er vom Weingut am Archolos in die Stadt kam. Nachdem Ebenholz dort den Tod gefunden hat.«
    »Scheiß auf den Kerl. Der war nie einer von uns, nie ein echter Sohn der Wüste. Hat sich gekleidet wie ein reicher Händler, hat etwas schwarze Magie gelernt und das war es. Glaubst du ernsthaft, dass der Kerl Einfluss in Varant besaß? Was meinst du warum er in Myrtana aktiv wurde, hm? Weil er hier im Untergrund nichts zu melden hat. Er ist nie einer von Zubens Männern gewesen ...«
    Ein weiterer Fluch, dieses Mal wesentlich derber. »Also meinst du, dass er wertlos ist?«, kam die darauffolgende zögerliche Frage.
    »Natürlich. Der Orden interessiert mich nicht die Bohne und auch niemand anderen. Wäre der Kerl ein Paladin, irgendein hohes Tier, meinetwegen. Aber der? Einer von vielen Rittern. Aus dem kriegst du auch nicht mehr als aus anderen.«
    Einige Augenblicke Stille, nachdem der Mann aufgehört hatte zu sprechen.
    »Und was machen wir nun mit ihm?«, fragte der, der öfter geflucht hatte.
    »Verscherbel ihn an vorbeiziehende Nomaden oder Piraten. Hauptsache er verschwindet. Wenn du ihn nicht los wirst, nun ja ... dann töte ihn oder setz ihn in der Wüste aus.«
    Schritte die sich entfernten, die auf sandbedecktem Holz knirschten. Die Hüttentür öffnete sich. Isegrim hing kraftlos in den Fesseln, gezeichnet von Tagen und Stunden der eingehenden Befragung. Es erinnerte ihn an seine kurze Zeit der Gefangenschaft bei Weyland und seinem Bastardkollegen Rag, die beide letztendlich den Tod gefunden hatte. Gerechtigkeit, so nannte der Ritter das. Aber hier würde es keine Gerechtigkeit geben. Er hatte die Worte gehört. Seine geröteten Augen öffneten sich, tiefe Schatten lagen darunter.
    »Und nun?«, keuchte er.
    »Du armseliger Hund. Du bist so wertlos wie dein ganzes Blut. Ein Kamel würde mir mehr bringen ...«
    Isegrim spuckte aus, was jedoch nicht allzu erfolgreich war. Der Speichel lief ihm übers unrasierte Kinn, tropfte zu Boden. »Dumm gelaufen«, zischte er.
    »Du elendes Aas ... ich sollte dich ...«
    »Dann tu es!«, unterbrach Isegrim ihn leise aber entschieden. »Zeig mir, dass ihr Wüstenhunde Mumm habt.«
    Das Zischen einer Klinge, die gezogen wurde. Sie lag ihm am Hals. »Ihr Midländer seid dumm wie eure Kühe und Schweine. Ich werde dich verhökern, zu einem Spottpreis an irgendeine vorbeiziehende Galeere, darauf kannst du Gift nehmen. Ich wünsche dir, dass du am Ende in irgendeiner Schwefelmine zugrunde gehst, du Bastard!«
    Isegrim lachte schwach. »Aber erst nachdem ich deiner Mutter ...«
    Ein Schlag und die Welt versank in der wohltuenden Dunkelheit der Bewusstlosigkeit.

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