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    Lehrling Avatar von Hoid
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    Die Schmerzen waren unerwartet gekommen. Nicht nur die Füßen waren wund von der ungewohnten Belastung des gestrigen Tages, sondern jeder Muskel schien nach Linderung zu schreien, als Hoid erwachte. Er stöhnte, als er sich aufrichtete.
    "Scheint, als hätte das Training was gebracht", kommentierte Haana ihren leidenden Schüler, "Hier, trink das und mach dich fertig, wir legen los, sobald du gefrühstückt hast."
    Alles im Körper des Händlersohns protestierte gegen diese Anordnung, doch es war nicht so, als gäbe die Jägerin ihm eine Wahl. Während er also ein karges Frühstück aus Brot, einem Apfel und etwas Wasser, dass seltsam bitter schmeckte, zu sich nahm, war seine Lehrerin eifrig am werkeln. Sie besorgte neues Feuerholz, entfernte das neue, gefallene Laub von den Lagern der Gruppe und prüfte die beiden aufgehangenen Tierhäute. Marsh und Camon schienen wieder auf der Jagd zu sein, denn es fehlte jede Spur von ihnen.
    "Sag mal, ist Camon immer so?", fragte der Dunkelhaarige bemüht beiläufig.
    "Wie denn?", wollte die Nordmarerin wissen.
    "Na du weißt schon", wich er aus, ehe er aufgrund ihres Blickes doch konkreter wurde, "so unnachgiebig."
    "Nein", antwortete die junge Frau schließlich und schien es dabei belassen zu wollen, ehe sie doch noch etwas hinzufügte, "Er fühlt sich dafür verantwortlich, dass dir nichts passiert und ist dementsprechend besorgt. Vermutlich ärgert er sich, deiner Bitte nachgekommen zu sein."
    Darüber schwieg der Halbvaranter.

    Nachdem er sein Mahl beendet hatte, forderte Haana ihn zum Aufbruch. Sie führte ihn an einer andere Stelle, als beim letzten Mal, peilte einen Baum als Ziel an, der mit Sicherheit fünfzig Schritte entfernt war und lief wie schon zuvor voraus. Dieses Mal schien es keinen Eichelhäher in der näheren Umgebung zu geben, denn auf dem Weg hier her war Hoid sicherlich nicht völlig lautlos gewesen und doch blieb der krächzende Warnruf aus.
    Das erhöht meine Chancen, unentdeckt Haana zu erreichen, dachte er und schöpfte aus dieser Hoffnung Kraft.
    Wie gelernt knickte er seine Knie leicht ein und lehnte sich sachte nach vorn. Seine Stiefel hatte er gar nicht erst angezogen und so spürte er jeden kleinen Stein unter seinen Füßen. Außerdem fiel sofort auf, dass die Temperaturen über Nacht gesunken waren. Adanos hatte der durstigen Erde Regen geschenkt und einen milden Wind übers Land gesandt. Der Waldboden war nicht mehr so warm und trocken wie am Vortag und somit auch weicher, was seine Erfolgschancen weiter verbesserte. Entsprechend bevorteilt wartete er nur noch einen kurzen Augenblick auf das Zeichen seiner Lehrerin und dann pirschte er los.

    Der Schmerz in seinen Muskeln war bereits nicht mehr so schlimm wie beim Erwachen und so bewegte er sich zwar noch langsamer vor, als ohnehin schon bei dieser Fortbewegungsart nötig war, doch war das immer noch besser, als zu verkrampfen und daraufhin zu stürzen.
    Das Gelände vor ihm war wenig anders, als das, wo er gestern noch geübt hatte. Dadurch wurde ihm bewusst, wie ähnlich sich der Wald auch am Boden war und es erklärte auch, weshalb erfahrene Jäger wie Haana oder Marsh kaum mehr schauen mussten, wo sie ihren Fuß absetzten. Die meisten Verursacher von Geräuschen erspürten sie ohnehin durch die Sohlen ihrer weichen Lederstiefel oder sie verstanden sich darauf, die entstehenden Geräusche mit denen der Natur zu verschleiern.
    Noch immer war es für Hoid anstrengend, seine Hüfte in jeden Schritt, den er machte, zu drehen, sodass er mehr Kontrolle über das Aufsetzen und eine bessere Gewichtsverteilung besaß. Allerdings war es auch nicht verwunderlich, übte er doch erst seit läppischen zwei Tagen. Kein Meister war je vom Himmel gefallen und doch wollte er unbedingt so schnell wie irgend möglich lernen, sich unbewusst so leise zu bewegen, wie seine Lehrerin.
    Diese blickte ihm kritisch entgegen, wie er bemerkte, als er kurz aufsah, um die näheren Umgebung einzuschätzen. Wurzeln, Büsche, tiefhängendes Geäst und weiches Moos. Alles war da und so entschied er sich für die feuchte, grüne kissenartige Masse, die seine Schritte abfedern würde. Das Moos kitzelte seine Füße und umschmeichelte sie gleichermaßen wie ein Federkissen.
    Etwa die Hälfte er Strecke lag bereits hinter ihm und das hieß, dass er beinahe einen so langen Weg zurückgelegt hatte, wie es gestern die Anforderung an ihn gestellt gewesen war.

    Wenige Schritte weiter wurde er jedoch wieder von seinem eigenen Körper enttäuscht, denn sein linker Oberschenkel krampfte unerwartet und ließ ihn das rechte Knie zu Boden senken. Dabei zerbrach ein Zwei, den er nicht wahrgenommen hatte und nur einen Augenblick später änderte sich die Stimmung des Waldes. Man konnte förmlich spüren wie sich der Gesang der Vögel änderte, einige stoben durchs Blätterdach davon, flohen vor der potentiellen Gefahr.
    "Verdammt", knurrte Hoid, der noch immer seinen Oberschenkel umklammerte.
    Haana näherte sich ihm eilig, erkannte sie doch, dass er Schmerzen litt.
    "Heb dein Bein und drück es gegen meine Hände", wies sie ihn an.
    Mit Mühe legte er ihr seinen Fuß in die Hände und drückte unter ziehendem Schmerz dagegen. Sie leistete Gegendruck und nach und nach entspannte sich der Oberschenkel.
    "Du wirst gemerkt haben, dass nur weil kein Eichelhäher in der Nähe ist, die Tiere trotzdem gewarnt werden."
    "Ja, ich hatte es mir etwas leichter vorgestellt", gab der Halbnordmann mit zusammengebissenen Zähnen zu.
    "Der Eichelhäher ist mitunter der kritischste Richter im Wald. Wen er dich nicht bemerkt, dann bist du bereits ziemlich gut. Doch auch ohne ihn kann ich sagen, dass ich beeindruckt bin, wie schnell du Fortschritte machst", lobte die Lehrerin den Schüler, wobei das Fehlen einer Regung in ihrem Gesicht jedoch dafür sorgte, dass er sie nicht ganz ernst nahm.

  2. Beiträge anzeigen #42
    Lehrling Avatar von Hoid
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    Hoid ist offline
    Den ganzen Nachmittag übte Hoid wie verrückt, wobei er zwischendurch Pausen brauchte, da ihn seine schmerzenden Muskeln immer wieder dazu zwangen. Trotzdessen war er überrascht, dass sie ihm weniger Probleme machten, als er erwartet hatte. Bei einer günstigen Gelegenheit - Haana hatte irgendwann aufgegeben am Baum auf ihren Schüler zu warten und war zurückgekommen - fragte er seine Lehrerin, ob sie etwas mit dem Wasser gemacht hatte, das sie ihm in der Früh gegeben hatte.
    "Die Blätter von Wildrüben helfen gegen Muskelschmerz. Ich habe einige in den Trinkschlauch gegeben", erklärte sie, wobei ihre hellen Augen auf ihm ruhten.
    Sie saßen zusammen im Gras an einer Stelle, wo der Himmel nicht vom Blätterdach verdeckt wurde. Durch die milderen Temperaturen ließ es sich in der Sonne gut aushalten und so konnte der Dunkelhaarige seine Füße wärmen, die vom feuchten Waldboden enorm kalt geworden waren. Man konnte deutlich die blauen Adern auf ihnen sehen.
    "Daher also der bittere Geschmack", fand Hoid die Erklärung.
    "Genau. Vieles, was hilft, hat einen bitteren Geschmack, weil es in rauen Mengen schädlich sein kann", sprach die Jägerin etwas zutiefst wahres aus.
    Darüber dachte der Halbnordmann einen Moment nach.
    Es stimmt, dass das meiste im Leben in Maßen zu genießen war, da ein Übermaß selten gesund ist, dachte er und entfernte geistesabwesend einige Erdkrumen von seinen Sohlen.

    "Ich glaube, wir sollten weitermachen, ehe es zu spät wird. Ich denke, dass du bald für den nächsten Schritt bereit sein wirst", rief Haana zur nächsten Übungsrunde auf.
    "Der nächste Schritt?", fragte der Schüler interessiert nach.
    "Nun, sich leise fortbewegen zu können ist eine Sache, doch was nützt es dir, wenn du nicht weißt, wo sich deine Beute hinbewegt", gab sie ihm einen Hinweis auf ihre nächste Lektion.
    "Das Fährtenlesen, hm?", erkannte der Händlersohn und erhielt zur Bestätigung ein Nicken, "Dann los!", motivierte er sich selbst und stand auf.
    Seine Beine kribbelten von der neuerlichen Anstrengung, natürlich auch vor Vorfreude. Eben deshalb machte er sich gleich daran, den Pfad einzuschlagen, den er jeden seiner Versuche genommen hatte. Immer hatte er mehr als die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, doch meist verließen ihn die Kräfte oder eher endete in einer Zwickmühle. Dieses Mal jedoch, nach einem halben Dutzend vorangegangener Durchläufe, würde er es bis zum Baum schaffen!
    Mit einem Lächeln auf den Lippen pirschte er die bereits bekannte Strecke entlang, wich gekonnt Sträuchern und Ästen aus, zwängte sich durch heikle Passagen und erreichte schlussendlich den Punkt, an dem er bei seinem letzten Versuch gescheitert war.

    Vor ihm fand sich ein ganzes Feld von Brombeersträuchern, die, wie er schmerzlich hatte feststellen müssen, Stacheln besaßen, an denen er mit seinem Beinkleid hängengeblieben war. Dieses Mal jedoch würde er einen weiteren Bogen um die Gewächse schlagen, sodass er nicht einmal in die Nähe der Widerhaken kam.
    Um die kleine, natürliche Plantage befand sich hauptsächlich kahler Waldboden, der nur von totem, feuchten Laub bedeckt war; quasi eine Freude für des Jäger in Spes Auge. Allerdings war trotz des einladenden Untergrund Vorsicht geboten, denn unter den feuchten Pflanzenresten konnten sich noch trockene Zweige befinden, die sofort brachen, wenn man auf sie trat. Entsprechend vorsichtig setzte Hoid seine Füße ab, ignorierte mittlerweile gekonnt das Kitzeln, welches der weiche Boden auslöste. Schritt um Schritt umrundete er das Gestrüpp, entfernte sich dabei zwar von seinem eigentlichen Ziel, doch über kurz oder lang würde er schon dort ankommen. Er spürte Haanas Blick in seinem Nacken und konzentrierte sich umso mehr darauf, seine Hüfte unterstützend einzudrehen.

    Dann jedoch passierte, was er unbedingt zu vermeiden versucht hatte. Er stürzte und landete dabei unsanft auf dem nun nicht mehr so weichen Boden. Nur knapp hatte er sich mit seinen Händen abfangen können, sonst wäre er direkt mit seinem Gesicht aufgeschlagen. Etwas benommen stöhnte er, blinzelte die schwarzen Punkte vor seinen Augen weg. Erst jetzt bemerkte er einen stechenden Schmerz in seinem linken Knöchel, den er außerdem nicht mehr bewegen konnte; er steckte fest.
    "Hoid!", erreichte ihn eine weibliche Stimme, die Besorgnis in sich trug.
    "Ahh, was ist...?", fragt er verwirrt.
    "Beweg dich nicht!", befahl Haana, "Dein Bein steckt in einem Kaninchenbau fest."
    Ein Kaninchenbau? Na klasse, dachte er ergeben.
    "Was soll ich tun?", fragte er hilfesuchend.
    Über ihnen tobte die Vögel, schrien sich gegenseitig ihre Warnrufe zu.
    Ein weiterer Fehlschlag, seufzte Hoid innerlich.
    "Ich werde dir helfen aufzustehen und dich stützen, sodass du den Winkel erreichst, in dem du deinen Fuß befreien kannst", erklärte sie und schob ihren Arm bereits unter seinen.
    Sie war ihm sehr nahe, näher als jemals zuvor und ihr Geruch stieg ihm in die Nase. Dieser Duft nach Nüssen und Laub gepaart mit frischem Schweiß.
    "Und hoch!", gab sie das Kommando und der Schüler drückte sich mit ihrer Hilfe in eine kniende Position.
    "Ahh!", entwich es ihm, da sich die geänderte Position negativ auf seinen Knöchel auswirkte. Instinktiv wollte er danach greifen und schloss dabei die Augen.
    "Nein! Du musst dich jetzt weiter aufrichten. Ich helfe dir", hielt die Nordmarerin ihn auf und drückte ihn mit ihrer viel kleineren Statur hoch.
    Sie hatte mehr Kraft, als erwartet, doch konnte der Verletzte ihr nicht gut helfen, da der Schmerzihn davon abhielt.
    "Na los, nur noch ein Stück!", feuerte sie ihn unter Anstrengung an.
    Mit einem letzten Ruck drückte sie ihn so hoch es ihre Größe zuließ. Es reichte aus, dass Hoid sich aus eigener Kraft ein Stück weiter nach hinten lehnen konnte, um seinen Fuß eigenständig zu befreien. Erschöpft setzte er sich auf den Boden, schwer am atmen.
    "Danke für die Hilfe", keuchte er zwischen den stoßartigen Atemzügen.
    "Lass mich deinen Knöchel ansehen", verlangte die Jägerin und legte mit kritischem Blick die betroffene Stelle frei.

    Schmutz verbarg die Rötung, doch Haana war sich sicher, dass der Knöchel zumindest verstaucht war, wenn nicht sogar gebrochen. Hoid wollte sich seinerseits davon überzeugen und drückte an verschiedenen Stellen seines Knöchels. Einige von ihnen sendeten Warnsignale an sein Hirn, doch großteils schien er in Ordnung zu sein.
    "Einige Sehnen sind etwas überbeansprucht. Ansonsten fehlt mir nichts", diagnostizierte er seine eigene Verletzung.
    "Aber ich bin sicher, dass...", begann die junge Frau.
    "Keine Sorge! Mein Vater war Wundarzt und ich habe mir einige Dinge abgeschaut. Glaub mir! Morgen ist wieder alles im Lot", versicherte er ihr und hielt dem verunsicherten Blick stand, den sie ihm zuwarf, "Wenn du mir hilfst ins Lager zurückzukommen, dann könnten wir morgen die Übungen mit Sicherheit fortsetzen."
    Haana schaute ihn eine Weile lang nur an, seufzte dann und hob einen Mundwinkel zu so etwas ähnlichem wie einem Lächeln.
    "Dann komm", meinte sie und erhob sich, um ihrem Schüler aufzuhelfen.
    Gemeinsam liefen sie zurück zum Lager. Dieser Tag war weniger erfolgreich verlaufen, als Hoid es sich gewünscht hatte.

  3. Beiträge anzeigen #43
    Lehrling Avatar von Hoid
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    Hoid ist offline
    Am Himmel regierte der Mond, flankiert von unzähligen Sternen, die sich entlang der Milchstraße tummelten. Völlige Stille herrschte, die nur von gelegentlichem Zirpen der Grillen und dem sanften Rascheln der Blätter im nächtlichen Wind durchbrochen wurde.
    Hoid schlug die Augen auf. Er fror und Durst plagte ihn. Schwerlich unterdrückte er ein Husten, denn auch sein Hals brannte von der kühlen Luft der Nacht. Langsam richtete er sich auf, versuchte keine unnötigen Geräusche zu verursachen und die anderen zu wecken. Nur langsam fiel die Schlaftrunkenheit von ihm ab, sodass er sich auf die Suche nach seiner Reisetasche machen konnte, in die er seinen Trinkschlauch gesteckt hatte. Nicht weit von ihm fand er sie schließlich, sodass er sich nur strecken musste, um sie zu fassen zu bekommen. Möglichst leise zog er sie zu sich, nahm den Wasserbehälter heraus und trank einige Schlucke. Beinahe sofort beruhigte sich das Brennen im Hals und auch sein Durst verschwand. Lediglich gegen die Kälte hatte das Wasser nicht geholfen und so breitete er seinen Reisemantel über seinen Beinen aus. Zuvor jedoch prüfte er noch den Zustand seines Fußes, mit dem er in dem Kaninchenbau gesteckt hatte. Die Sehnen schienen noch immer gereizt zu sein, doch zumindest konnte er ihn ohne Schmerzen frei bewegen. Testweise ließ er ihn kreisen, bis er sich zufrieden wieder hinlegen wollte. Erst da bemerkte er, dass noch jemand im Lager wach war.

    In den gelben Augen Haanas spiegelte sich die glimmende Glut des Feuers. Ihr Blick lag ohne Zweifel auf ihm, während sie sich einer Katze gleich eingerollt hatte. Für einen Moment fühlte sich Hoid, als wäre er ihre Beute, doch noch ehe er diesen Gedanken zu Ende spinnen konnte, schloss die Jägerin ihre Augen wieder.
    Der junge Mann wurde aus dieser Frau einfach nicht schlau und auch, wenn sie nichts mit seinen bisherigen Liebschaften gemeinsam hatte, weder äußerlich noch charakterlich, wirkte sie eine Art Reiz auf ihn aus. Allerdings wollte er nicht, dass es ihrer Lehrer-Schüler-Beziehung im Weg stand, weswegen er auch nicht wie sonst in die Offensive ging, sondern sich eher passive verhielt. Außerdem schien Haana auch nicht die Art Frau zu sein, die umgarnt werden wollte.
    Das Bild einer Raubkatze, die sich ihre Beute aussucht, um im richtigen Moment zuzuschlagen, passt da schon eher, schoss es Hoid durch den Kopf, ehe er sich wieder in eine bequemere Liegeposition brachte. Er betete zu Innos, dass am morgigen Tag sein Fuß geheilt war und er mit dem Training fortfahren konnte. Wenige Momente später fiel er mit gestilltem Durst, gelindertem Hals und einem warmen Umhang über dem Körper in einen traumlosen Schlaf.

  4. Beiträge anzeigen #44
    Lehrling Avatar von Hoid
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    Hoid ist offline
    Seit seinem Unfall mit dem Kaninchenbau war einige Zeit vergangen und natürlich war Hoids Fuß wieder völlig genesen, wenn auch nicht so schnell, wie er Haana gegenüber prognostiziert hatte. Scheinbar waren eben doch nicht nur einige Sehnen überbeansprucht gewesen, sondern hatte sich eine Schwellung am nächsten Tag herausgebildet, die ihm das sanfte Auftreten, welches bei der Pirsch unablässig war, unmöglich gemacht hatte. Daher hatten sie zwei weitere Tage darauf verzichten müssen Hoids Fertigkeit der lautlosen Fortbewegung in der Wildnis zu verbessern. Stattdessen hatte sich Camon überreden lassen, dass man dem wissbegierigen Kaufmannssohn einige Dinge beibrachte, die der Jagdführer erst für später angeordnet hatte. Doch bevor der Dunkelhaarige noch alle Tiere im Umkreis von fünf Meilen um ihr Lager mit seinen nervigen Fragen vertrieb, hatte er eingewilligt, dass Marsh ihm einige Dinge zum Ausnehmen von Tieren und Entfernen der wertvollsten Trophäen erklärte. Leider war die Jagd nicht allzu erfolgreich gewesen, weshalb das Objekt der Verdeutlichung lediglich ein Kaninchen war. Zumindest in Hoids Augen war ein so kleines Tier kaum der Rede wert und sicher konnte man mit dem Fell nur wenig Gold verdienen.

    „Also passt gut auf“, hatte der bärtige Nordmann seine erste Lektion begonnen, „Zunächst sollte das Tier ausgeblutet werden. Bei einem Kleintier wie diesem Nager ist es am einfachsten den Kopf abzutrennen, damit das Blut besser abfließen kann. Je größer die Beute ist, desto länger dauert dieser Prozess“, der Jäger hielt kurz inne, ehe er fortfuhr, „Kurze Zeit später kann man bereits mit dem Häuten beginnen, wobei zunächst die Läufe entfernt werden sollten. Sie sind nicht nur im Weg, sondern bringen auch einige Münzen ein als ‚Abwehr gegen das Böse‘ oder sowas“, erläuterte Marsh sein Tun, wobei er auf die Pfoten deutete.
    Hoid hatte bereits davon gehört, dass manche Menschen Hasenpfoten als Glücksbringer wertschätzten, doch hatte er bis jetzt nicht verstanden, warum die Füße von einem Kleintier Glück spenden sollten.
    „Dafür müsst ihr das Gelenk aushebeln“, während er sprach machte er es gleichzeitig vor, „Und den restlichen Knochen durchtrennen. Danach macht man einen kleinen Schnitt am Bauch nahe dem Beckenm des Hopplers. Seid unbedingt vorsichtig, denn wenn Ihr ins Fleisch schneidet, ist Eure bisherige Arbeit umsonst und das Fleisch ungenießbar.
    Marsh drückte den Pelz des Tiers am Bauch zusammen und schnitt sie gekonnt ein.
    „Danach zieht Ihr das Fell vorsichtig über die Beine und hoch zum Hals des Kadavers. Es löst sich unerwartet leicht von den Muskeln und es sollte Euch nicht allzu viel Kraft kosten. Am Ende ist das Fell nur noch am Hals des Tieres fest, wenn Ihr es richtig gemacht habt.“
    Als Veranschaulichung war dem Jäger eben dies gelungen und er deutete auf die umgestülpte Haarmasse.
    „Habt Ihr soweit alles verstanden?“, wollte der Lehrer von seinem Schüler wissen, der eifrig nickte.
    Marsh schien zufrieden mit sich und seinem Lehrling.

    „Sollte sich aus welchem Grund auch immer Blut im Fell befinden, gibt es eine einfache Methode, mit der Ihr diesen Fehler korrigieren könnt.“
    Er griff nahe des Feuers in einen erkalteten Haufen Asche und ließ ihn durch seine Finger rieseln.
    „Wenn man etwas Asche in die mit Blut verschmierte Stelle reibt, kann man beides mit klarem Wasser wieder entfernen.“
    „Das ist ein wirklich praktischer Hinweis!“, erwiderte der Lehrling, der gebannt die Worte in sich aufsog.
    „Allerdings“, stimmte der Jägersmann zu, „Nun kümmern wir uns um unser Fleisch, denn auch wenn uns die Jagd Gold einbringt, ist es umso wichtiger, dass wir selbst etwas zum Überleben in der Wildnis haben. Es ist zwar profitabler das Fleisch ebenfalls zu verkaufen, doch wer will schon von altem Brot, hartem Käse und ollen Wurzen leben?“
    Marsh zwinkerte Hoid zu, ehe er auf die dunkleren Stellen am Kaninchen zeigte.
    „Hier befinden sich die Organe, welche es zu entfernen gilt. Achte unbedingt darauf beim Einschnitt in die Haut keines zu verletzen, sonst verdirbst du damit das gute Fleisch.“
    Wie schon beim Fell setzte der Jäger einen Schnitt am Bauch an, wobei er die Haut zwischen zwei Fingern hochzog. Diesmal jedoch trennte er mit dem Messer alles auf, anstatt es mit den Fingern zu ziehen und ein übler Gestank überfiel die Nase des Städters.
    „Das ist ja widerlich!“
    „Stimmt, aber man gewöhnt sich dran“, erwiderte der Nordmann, der dem Geruch viel näher war, jedoch keine Miene verzog, „Du musst das Brustbein durchtrennen und auch diese dünne Hautmembran“, er deutete mit der Messerspitze auf eine durchsichtige Hautschicht, die die Organe zu halten schien, „Danach fallen die Innereien von selbst heraus.“

    So kam es auch und das satte Platschen in einem Eimer bekräftigte den Ekel nur noch, der in Hoid aufstieg. Nur mühsam konnte er es sich verkneifen seine letzte Mahlzeit in die Freiheit zu entlassen.
    „Es ist wichtig, dass wir die Gedärme in ausreichender Entfernung zum Lager vergraben, weil diese sonst nach kurzer Zeit faulen. Der Geruch ist nicht nur widerlich, sondern zieht auch Aasfresser an. Und ich meine nicht nur Fliegen und Maden.“
    Die Warnung war unmissverständlich gewesen, weshalb der Halbvaranter mit einem schnellen Nicken sein Verstehen übermittelte.
    „Alternativ kann man natürlich auch einige als Nahrung verwenden – was meine bevorzugte Verwendungsart ist.“
    Mit belustigter Miene beobachtete Marsh seinen Schüler, der sich bei dem Gedanken daran zu winden begonnen hatte.
    „Habt Euch nicht so, es schmeckt besser, als Ihr meint zu wissen“, beruhigte der Hüne ihn, ehe er fortfuhr, „Schaut Euch in jedem Fall die Leber“, er deutete auf eines der größeren Organe, „genau an, denn wenn sich dort gelbliche Flecken finden lassen, ist das ganze Kaninchen ungenießbar und Ihr solltet das Fleisch schleunigst loswerden. Wenn dem nicht so ist, könnt Ihr den Kadaver einfach mit Wasser abspülen und Euch daran machen unliebsame Stücke wie Sehnen und Fett zu entfernen.“
    Beides zeigte Marsh ihm, wobei er ein anderes Messer nutzte, als noch zuvor.
    Vermutlich will er verhindern, dass das Fleisch verdirbt, wenn er mit dem gleichen Messer weiterarbeitet, überlegte der Dunkelhaarige, Außerdem scheint die Klinge anders geformt zu sein.

    „Jetzt könnt Ihr es über dem Feuer braten, wenn Ihr wollt. Ich als kulinarischer Wanderkoch“, er schmunzelte über diese Bezeichnung, „würde zwar noch weitergehen, um einen besseren Geschmack zu erzielen, doch das würde ich an Eurer Stelle eher einem Koch überlassen. Einige Kräuter und Pilze könntet allerdings selbst Ihr auftreiben, um das Mahl nicht allzu fad werden zu lassen.“
    Offenbar fertig mit der Lektion erhob sich Marsh und nahm den Eimer an sich, schaute prüfend hinein und verzog etwas missmutig den Mund.
    „Verdammt, die Blase ist geplatzt“, murmelte er leise vor sich hin“, nächstes Mal muss ich wieder vorsichtiger sein.“
    Kurzerhand verließ er das Lager in Richtung Süden, um die Innereien loszuwerden. Bald würden auch Haana, die Marshs Platz bei der Jagd eingenommen hatte, und Camon zurückkehren. Hoid freute sich bereits sehr aufs Essen und fragte sich, wann er selbst einmal versuchen durfte ein Tier zu häuten.

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    General Avatar von Yared
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
    Yared ist offline

    An Bord der Santorija, Hafen von Vengard, Myrtana, Provinz des Großreiches Rhobars III.

    Abendlicher Dunst lag über Vengard und verschleierte die Dächer und Türme in ein schmutziges Rosé. Die im Westen hinter der Stadt gen Horizont herabsinkende Sonne tauchte das Schiff, seine weißen Segel und die unter dem Bug aufschäumende Gischt in ihr glühendes Orange. Von den Piers aus mochte es gerne so aussehen, als gleite die Santorija auf einem besonders breiten Sonnenstrahl der tiefliegenden Sonnenscheibe, welche sich nur herabgesenkt hatte, um dem Gefährt der höchsten Mittlerin zwischen Innos und den Menschen die Ehre zu erweisen.
    Yared hatte dieselbe üppige Beflaggung angeordnet wie schon bei der Abfahrt aus Thorniara. Die große in zwei lange Spitzen auslaufende Breitwimpel der Reichskirche, die am Querstock jeweils von zwei langen Zeptertauen mit Quasten flankiert wurden und jede Nock des Dreimasters schmückten, flatterten gemächlich in der herbstlichen Abendbriese.
    Da die Santorija direkt gegen die untergehende Sonne fuhr, und die sanften Böen nicht zuließen, dass sich ein abendlicher Herbstnebel über den Fluten nieder senkte, hatten die Wachen auf den Türmen des sich auf einem Felsen aus der Mitte der Stadt über die vengarder Bucht erhebenden Palastes sicher schon vor mehreren Glasen ihr Näherkommen bemerkt.
    Kaum hatten sie die Hafeneinfahrt passierten, konnte man einen Boten sehen, der eilig die Wachpostenstellung verlies und die Kaimauer entlang Richtung Oberstadt rannte. Man kannte die Zeichen auf Flaggen und Bannern, die Zeichen der Reichskirche. Die Ankunft des Kirchenoberhauptes erforderte eine unverzügliche Meldung an Hafenkommandantur, Tempel und Palast und wenn auch nur pro forma.
    Zeitgleich löste sich ein Boot mit offizieller Flagge von der Kaimauer und glitt unter eiligen Ruderschlägen seiner siebenköpfigen Besatzung längsseits.
    Maros, der Bootsmann der Santorija, ließ Taue zum Festmachen und die Jakobsleiter hinunterlassen, damit der Hafenkapitän und seine Gehilfen an Bord steigen konnten, ohne dass das Schiff zu viel an Fahrt einbüßte. Bis sich der gut genährte Magistrat, dem man kaum noch ansah, dass er in jüngeren Jahren selbst einmal zur See gefahren war, seine Beine über die Backbordreling geschwungen hatte, erwarteten ihn bereits Donna, Goya und Zarah. Die Zahlmeisterin und Yareds Leutnant fingen die Beamten routiniert ab und fingen an die Anlegeformalitäten zu klären. Zarah hingegen hielt sich im Hintergrund. Die Agentin der Krone würde nur eingreifen, wenn der Hafenkapitän anfangen sollte sich aufzuspielen oder darauf bestand den Kapitän zu sprechen. Yared war gerade zu beschäftigt, um sich mit dem Behördenkleinklein zu befassen. In Momenten wie diesen wurde ihm einmal mehr bewusst, dass der Santorija ein ausreichend erfahrener Gefechtsrudergänger fehlte, weshalb Maros, Goya oder Yared diffizilere Manöver, wie das Durchqueren und Anlegen in einem vielbevölkerten Hafenbecken wie dem Vengards, selbst übernehmen mussten.
    Für ein einschreiten Zarahs bestand hingegen sichtlich keine Veranlassung. Für Yared schien sich der Hafenkapitän nicht zu interessieren. Sein Blick und der seiner Begleiter wanderte hingegen ständig Richtung Bug.
    Dort hatten sich Francoise und ihr Gefolge eingefunden. In ihren roten Gewändern - Yared konnte nicht erkennen, ob sie für den Anlass besonders prunkvoll gewählt waren - stand die oberste Feuermagierin an der Reling des Vorschiffs und sah zu den Anlegestellen hinüber. Yared konnte nur spekulieren, ob sie den Platz gewählt hatte, nur um das Anlegemanöver von mitzuverfolgen, einen ersten Eindruck der Lage in der Stadt zu gewinnen oder das Volk zu begrüßen, dass sich in Windeseile - so schnell, wie sich die Kunde von ihrem Eintreffen eben in der Stadt verbreitete - auf den Kaianlagen einzufinden und anzusammeln schien.
    Janus, einer der Schiffsjungen, kam zu Yared auf das Achterdeck hinauf. Goya hatte ihn geschickte, um ihm mitteilen zu lassen, welchen Liegeplatz man der Santorija zugewiesen hatte. Der Kapitän der Santorija ließ das Ruder in seinen Händen leicht nach Steuerbord gleiten. Er hatte bereits angenommen, dass man ihnen einen der Ehrenplätze am Rande des Militärhafens zuweisen würde, wo sonst nur Staatsgäste empfangen wurden oder der König selbst, wenn sein Schiff nicht im direkt unter dem Palast gelegenen Militärhafen anlegte, weil er ein Bad in der Menge genießen wollte. Jetzt hatte er die Bestätigung dafür erhalten.
    Geändert von Yared (19.12.2018 um 03:45 Uhr)

  6. Beiträge anzeigen #46
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline
    Irgendwann war der befreiende Ausruf vom Ausguck erschallt, »Vengard voraus!«. Aus dem Dunst und leichten Nebel erhoben sich die Gebäude der Stadt, erst die des Hafens, vielleicht keine Zierde fürs Auge, aber sie waren Zeugen des Krieges und mehr als einer Katastrophe. Isegrim dachte einen Moment an die Flut, die in Folge irgendeines Geschehnisses über die Hafenanlagen geschwappt war. Isegrim war damals einer der leidtragenden Armen und Obdachlosen gewesen, ein Mann ohne Dach über dem Kopf, der in der Kälte hausen und frieren musste. Aber selbst in Zeiten des Krieges oder zumindest brüchigen Friedens hatten sich die Oberen der Stadt als gnädig und als hilfsbereit erwiesen. Ja, Isegrim verband einiges mit dieser Stadt. Gutes wie auch Schlechtes. Freude wie Ärger. Hoffnung als auch Verzweiflung.

    Vom Hafen her war ein Boot gekommen, sieben Mann, einer stehend. Ein Beamter, ein Magnat. Kräftig, fast feist in seiner Gestalt, die aus seiner Stellung in der Stadt erwuchs. Sofort verspürte Isegrim Abneigung dem Magnat gegenüber. Er würde eine hohe Menge Gold verwetten, dass selbst heute noch Menschen in diesen Straßen oder im Armenviertel verhungerten oder jedes Goldstück hundert Mal umdrehten. Wut stieg in ihm auf. Er würde sehen, wie lange sie in der Stadt blieben. Vielleicht war ja die Zeit, herauszufinden wo der Beamte wohnte, um ihn um einige Finanzen zu erleichtern. Ein wölfisches Grinsen stahl sich auf die Züge des Soldaten und Meisterdiebes. Es gab da die Legende von einem Mann, der zwar kein Händchen für Namen hatte, aber als Retter der Armen und Feind der Reichen galt. Rohbirn Kapuze. Robin Hut? Irgendetwas derartiges. Angeblich ein Waldläufer aus dem fernen Silden, der von den Reichen nahm und den Armen gab. Nun, dachte Isegrim, wenn es ihn gegeben hat, haben entweder die Orks oder die Soldaten des Königs kurzen Prozess mit ihm gemacht. So ist das eben. Egal wer der Reiche und Mächtige ist, geht man ihm an die Finanzen, kostet es einen den Kopf.

    Der Hafen kam langsam näher, der Kapitän steuerte höchstpersönlich. Yared, der ihn an seiner Dienstwaffe ausbilden wollte. War das eine Ehre, ein Privileg? Er wusste es nicht. Isegrims Blick ging zu der obersten Feuermagierin, in deren Nähe sich auch Shakuras aufhielt. Ihre Blicke trafen sich kurz, man tauschte ein wissendes Lächeln und ein Kopfnicken aus. Dann war es Zeit von Bord zu gehen.

  7. Beiträge anzeigen #47
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Vengard

    Nach der Ankunft im Hafen hatte sich Isegrim bei Kapitän Yared abgemeldet mit der Begründung, seine frühere Heimat ein wenig erkunden zu wollen. Während der Korsar als auch die Oberste Magierin ihren offensichtlichen Pflichten als hochrangigen Führungspersönlichkeiten von Militär und Kirche nachgehen mussten, hatte Isegrim als kleines Zahnrad im Reichsgefüge die Freiheit, nirgendwo präsent sein zu müssen. Natürlich hatte ihm Yared einen Treffpunkt und eine Zeit genannt, doch war dieser Rahmen recht groß gewählt worden, sodass der Soldat mehr als genug Freiraum besaß. Natürlich war ihm der Blick des Kapitäns immer wieder aufgefallen. Misstrauisch und fragend. Im Zusammenhang mit dem Marschbefehl, der Isegrim an seine Seite gebracht hatte. Was steckte dahinter? Eine Frage, die auch Isegrim geklärt sehen wollte. Denn auch er war im Fokus gewisser Mächte. Wo Yared vielleicht in Intrigen irgendwelcher Würdenträger des Reiches eingespannt wurde, war es für Isegrims Fall eher das Werk irgendeines Verbrechers. Die Krähe? Sweers, der elende Hund? Oder gar Damien, der irgendwie die Rache suchte. Die Götter alleine wussten es.

    Sein erster Weg führte Isegrim auf den Markt. Ein seliges Lächeln legte sich auf seine Züge. Hier hatte er oft 'gearbeitet', was in seinem Leben eher das Betteln und der Taschendiebstahl gewesen waren. Fyresgrim hatte zwar wenig Wert auf das geschriebene Wort gelegt, Isegrims Mutter jedoch umso mehr. Früh hatte sie ihm erklärt, dass Worte oft mehr wogen als Gold und Geschmeide. So hatte er sich damals auf den Diebstahl von Papieren und Briefen spezialisiert und damit ein recht annehmliches Leben geführt. Natürlich, er hatte auf der Straße gelebt, quasi in der Gosse, aber nie großen Hunger oder Kälte gelitten. Freunde und Diebesgenossen hatte er hier reichlich gehabt im Herzen des Reiches. Nun ja, heutzutage war alles sauberer, ordentlicher, pompöser. Der Krieg hatte seine Kosten gefordert, da er nun aber seit fast zehn Jahren vorbei war, blieb nun das Gold für Prunk und Protz. Seine Füße trugen Isegrim zu einer Rüstungsschmiede in einer Gasse im Marktviertel.
    »Guten Abend, Soldat!«, rief ihm der Mann hinter der Theke zu, ein bärbeißiger, blondhaariger Nordmann. »Oh, nein. Keiner von der Armee. Orden. Na, äh, Innos zum Gruß.«
    Isegrim war einen Moment überrascht. »Ein Bruder aus dem Norden in einem Laden im Süden ... Und ja ja, Innos zum Gruß. Aber wohl eher die Ahnen.«
    Ein zweifelnder Blick war die Antwort. Natürlich, Isegrim sah nicht aus wie ein Nordmann. Er lächelte verständnisvoll. »Feuerclan. Bin über einige Ecken mit dem alten Fyresgrim verwandt.«
    Der zweifelnde Blick schwand, wurde dafür aber von einem leicht abfälligen abgelöst. »Ein Verrückter und Tyrann! Aber man kann sich seine Verwandten und Ahnen nicht aussuchen. Nun, Feuerclanler und ferner Verwandter von Fyresgrim dem - zum Glück - Toten: Was kann ich für dich tun?«
    Isegrim hob nur die Hände zu einer Geste des Friedens. »Lass Vergangenheit Vergangenheit und Tote Tote sein, Bruder. Die ganzen Streitigkeiten und der Hass zwischen den Clans bedeutet heute nichts mehr.« Er klopfte auf das Wappen auf seinem schweren Waffenrock. »Das zählt. Innos, der Orden, das Reich.«, sprach er feierlich. Eine hohle Geste, ein leerer Schwur. Würde Innos sich für seine Schäflein interessieren, hätte er Isegrim nie Soldat im Orden werden lassen. Eher hätte ihn der Blitz getroffen.
    Der Schmied nickte langsam. »Entschuldige. Manches aus dem Norden sitzt einfach noch tief, Bruder. Was kann ich für dich tun?«, fragte er.
    »Ich habe da eine Skizze, können wir die mal anschauen und ihre Umsetzung planen? Ich brauche eine Rüstung für, nun ja, Aktivitäten im Namen des Ordens, die nicht gerade das offensichtliche Wappen mitsamt offensichtlicher Zugehörigkeit wiedergeben.«, erklärte er. Der Schmied nickte erneut.
    »Wird zwar nicht billig, mein Bruder. Aber ich werde dir sicher helfen können. Wenn du zahlen kannst ...«
    Isegrim breitete die Arme aus, lachte das ehrlichste Lachen der Welt.
    »Bruder, ich bin der letzte Mensch auf Erden, der nicht zahlen könnte.«

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    Vengard, Burg

    Der Rüstungsschmied hatte sich die Skizze der Rüstung genau angeschaut und eine eigene Zeichnung angefertigt, die wesentlich professioneller gewirkt hatte als die Isegrims, der nun zwar nicht untalentiert beim Zeichnen war, aber eben nicht professionell.
    »Erinnert an die Rüstung die manche Leute Hammerclan getragen haben, damals als die Söldner von Khorinis zu uns stießen ...«, hatte der Schmied nebenher erklärt, »Angeblich waren dort auch ehemalige Drachenjäger aus Khorinis und dem Süden dabei, die, hm, ähnlich gerüstet waren.«
    Isegrim hatte nur die Schultern gehoben. »Die Tage sind lange her. Ich will ja nicht vor Drachenfeuer geschützt werden sondern außerhalb meiner offiziellen Tätigkeit. Vor Klingen, Äxten, Messern und dergleichen.«, hatte er geantwortet, »Ob nun irgendein alter Haudegen mich anschreien und mir die Rüstung vom Leib reißen wird, weil ich ansatzweise wie irgendein Möchtegern-Drachentöter von früher aussehe ... Innos, das juckt mich nicht.«
    Sie hatten noch zwei Stunden zusammen gesessen und einen Preis ausgehandelt, der es zwar in sich hatte, mit der Beute aus dem ausgeraubten Anwesen von Thorniara und einigen Versprechen zu bezahlen wäre. Eintausend Münzen. Eine stattliche Menge, keine Frage. Aber die Rüstung würde es wert sein.

    Nun befand sich Isegrim weiter auf Erkundung durch die Hauptstadt des Großreiches von Myrtana. Das Wetter war nicht unbedingt gnädig, trug weder dazu bei, dass die Menschen gute Laune zeigten, noch dass die Schönheit des Ortes nach den Jahren der Zerstörung prachtvoll zur Schau gestellt werden konnte. Seine Schritte trugen den Soldaten der Miliz in Richtung der Berg, die er früher immer nur aus der Ferne hatte bewundern können. Im ständigen kalten Nieselregen wirkte sie natürlich bedrohend und wehrhaft, nicht aber schön und majestätisch. Die Fahnen und Flaggen wehten nicht, hingen nur schwer von Feuchtigkeit an ihren Stangen und Masten. Die Wachen auf den Zinnen wirkten gelangweilt und mies gelaunt, drückten sich in jede Ecke, die Schutz vor der Kälte bot. Auf dem Vorhof der eigentlichen Burg, wo sich die Kaserne der Stadtgarde und deren Stall befanden, wimmelten dennoch mehr als genug Soldaten herum. In erster Linie waren es Rekruten, die von schreienden Feldwebeln auf Trapp gehalten wurden. Liegestütze, Rundläufe, Spaziergänge mit Baumstämmen. Die Armee war ein wahrer Hort an erschöpfenden Ausbildungsmöglichkeiten. Seltsamerweise jedoch wurde Isegrim, fast als hätte man ihn erwartet, von einem jungen Mann angesprochen. Die zweite Person in der Stadt mit der er Worte wechselte und wieder war es jemand aus dem Norden. Ein junger Bursche, fast noch ein Jugendlicher. Ein Knappe, riet der Soldat. Blond, blauäugig und ein Schönling.
    »Isegrim Fyresgrimson, Soldat?«, fragte der Junge herab. »Bist du das?«
    Der Soldat salutierte übertrieben. »Jawohl, Herr Knappe! Soldat Fyresgrim, melde mich gehorsamst!«
    »Spiel dich nicht so auf, Soldat.«, zischte der Bursche angewidert. »Eine Schande.«
    Isegrim hob nur die Schultern, trat heran und packte schnell die Schulter des Knappen, zog ihn heran bis ihre Gesichter sich fast berührten.
    »Dann würde ich vorschlagen, dass du Haufen Scheiße deine Arroganz fallen lässt und mir ohne hochwohlgeborenes Tamtam erzählst, was du willst!«, flüsterte er bedrohlich und finster, »Ärger kriege ich nur, wenn ich einen Ritter schlage. Einen dummen, dämlichen Knappen darf ich verhauen wie ich will. Damit nehme ich dem Ritter sogar noch Arbeit ab, klar? Also würg hervor, was du hervorwürgen willst. Ohne Ausschmückung. Und schnell, bitte.«
    Er stieß den Knappen weg. Zwei Gardisten, die das Ganze gesehen hatten, blickten kurz zwischen ihrem Kameraden und dem Knappen hin und her. Als ihnen die Tätigkeit des Letzteren klar wurde, wandten sie sich wieder ab und führten ihr halblautes Gespräch über die Vorzüge varantinischer Frauen fort. Der Knappe, blass und verschreckt, atmete kurz durch.
    »Sir Ragnar Fyresgrim schickt mich, Euch zu ihm zu bringen, Herr.«, erklärte der Junge formell. »Folgt mir bitte.«
    Isegrim lachte. »Du bist Ragnars Knappe? Ich lach mich kaputt, hast du keinen besseren Herrn finden können?«, fragte er hämisch.
    Der Junge wurde bleich vor Wut. »Der Herr ist ein Vorbild ... Ihr ... er ... folgt mir einfach, Herr Isegrim.«
    »Auf dem Fuße, Knäppchen. Auf dem Fuße.«

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    Es klopfte an der Tür seines Büros, das gleichwohl auch seine Unterkunft war. Früher hatte Ragnar Fyresgrim auf den Schlachtfeldern des Nordens gestanden, knietief im Blut der Orks und seiner Waffen- und Clansbrüder. Hatte die Kälte des Winters auf der Haut und die Hitze des Gefechts im Innern verspürt. Jetzt waren es Kopfschmerzen, Müdigkeit und Antriebslosigkeit. Irgendwie, dachte er, ist mit dem Ritterschlag und der Sporen eines Paladin alles schlimmer und komplizierter geworden. Ragnar war beleibe nicht dumm, ganz im Gegenteil, in seinem Körper, der dem Archetyp eines Kämpfers entsprach, wachte der scharfe Verstand eines Adlers. Nur besaß er zu wenig Geduld und Einfühlungsvermögen für diesen Papierkram, diese ganze Bürokratie. Oberster Berater des Myrtanischen Statthalters für Beziehungen zum Feuerclan von Nordmar. Eine elendig lange Bezeichnung für ein Tätigkeitsfeld, das nur das Abnicken oder Kopfschütteln zu Entscheidungen des Statthalters Lord Wenzel im Bezug auf den Feuerclan beinhaltete. Ein Affe könnte diese Arbeit ebenso gut erledigen. Wenn nicht besser. Erneut klopfte es.
    »Ja!«, rief er. Zwei Männer traten ein. Einer war Wylis. Sein Knappe, ein Bursche vom Wolfsclan. Aus ihm würde noch ein passabler, ja ausgezeichneter Ritter werden. Ragnar hatte an der Seite des Vaters des Jungen gekämpft, dieser war jedoch bei der Befreiung des Nordens von den Orks gestorben. Auf dem Schlachtfeld hatte Ragnar versprochen, sich um den Sohn zu kümmern. Hiermit erfüllte er diesen Schwur. Wylis wirkte, als hätte er in eine vergammelte Zitrone gebissen. Der Grund stand nur zwei Schritt dahinter. Kleiner als jeder Nordmann, dunkelhaarig, unrasiert und abgezehrt aussehend wie immer. Aber in Uniform, bewaffnet und vital. Eine Verbesserung zu den Zuständen von vor vielen Monden.
    »Mein Herr, ich bringe Euch Isegrim Fyresgrimson, Soldat der Miliz des Ordens zu Thorniara!«, formulierte Wylis und nahm Haltung an. Ragnar winkte ab.
    »Danke, Wyl. Bitte, sei so gut und begib dich in den Stall und füttere Loki. Vorher jedoch ... bring mir, was der Bote von Lord Roland uns hat zukommen lassen.«, wies ihn der Paladin und Ahnenkrieger an. Der Junge verschwand, kehrte mit einer Kiste zurück. Er hatte indessen den Tisch frei geräumt, sodass der Knappe das Behältnis dort abstellen konnte. Vorsichtig öffnete er sie und drehte sie zu seinem Herrn um. Dann verbeugte er sich und ging seiner Arbeit nach. Ragnar sah seinen Bruder an. Prüfend, abschätzig.
    »Na, Brüderchen, was gefällt dir nicht?«, fragte Isegrim süffisant, »Unzureichende Rasur? Die Rüstung nicht ganz so reinlich?«
    Ragnar seufzte nur. »Kleiner Bruder, wärst du nicht so ein elendig großmäuliger und scheinbar witziger Kerl, wärst du ein passabler Soldat, ja sogar mehr.«
    Darauf erwiderte der Angesprochene nichts, hob nur die Schultern und nickte zu der Kiste, sah Ragnar fragend an.
    »Das? Hm, ein Geschenk. Eine Belohnung. Aber auch ein Schwur, ein Versprechen und eine Pflicht, Bruder. Das ... das was sich hierin befindet, wird dein Leben verändern. Nimmst du es an, wird es dich weit bringen, aber du musst es mit Respekt und Rechtschaffenheit behandeln. Zeigst du beides nicht, Bruder, wird es dein Tod sein, dein Ende. Dann ist das Licht Innos' dir nicht mehr gewogen. Und nur noch die Dunkelheit mag dich erwarten.«
    Aus der Kiste griff Ragnar eine Schriftrolle, die versiegelt war. Sie trug das Siegel der Ordensburg Gotha, des Großmeisters der Paladine Lord Roland. Fragend sah Ragnar seinen Bruder an. Abwartend.


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    In die Innere Burg und in das Haus des Ordens war Isegrim dem Knappen gefolgt und hatte immer wieder bissige Kommentare und Schoten von sich gegeben. Anfangs hatte der Bursche noch zickige Antworten gegeben, ehe er irgendwann in grummelndes Schweigen verfallen war. Irgendwann waren sie vor einer Tür stehen geblieben. Die Stimme, die nach dem Klopfen herein gebeten hatte, war unverkennbar die von Ragnar Fyresgrim gewesen. Er hatte seinen Knappen - der nun den Namen Wylis trug - eine Kiste holen lassen und ihn dann zur Arbeit geschickt. Danach waren sie alleine im Raum gewesen. Viel pathetisches Gerede folgte, ehe Ragnar eine Schriftrolle hervor holte und sie Isegrim reichte.
    »Spürst du das Gewicht, Bruder? Das Gewicht der Verantwortung, die du tragen wirst, wenn du das Siegel brichst?«, fragte Ragnar langsam.
    Isegrim besah sich das Siegel, erkannte es aber nicht. Sicherlich war es irgendetwas hochherrschaftliches. Nicht unbedingt der König, nicht die Mutter Oberin der Kirche ...
    »Dies ist von Lord Roland. Weißt du, Isegrim, wer Lord Roland ist?«, Ragnar beugte sich etwas vor, »Ist dir der Name geläufig?«
    Der Soldat nickte knapp. »In ... in den Tagen, da ich auf der Straße lebte, kurz bevor es mich nach Argaan verschlug, war ich in Gotha. Es gab dort eine Zeremonie, den Armen wurde Speis und Trank versprochen. Ein neuer Großmeister der Paladine war erwählt worden. Lord Roland, ein junger Paladin, ein Held des Krieges und Rebellenführer in den Zeiten der Besatzung.«, erklärte er, »Und wenn du hier einen Brief von ihm hast und ihn mir gibst, nun, dann ist die Wahl der folgenden Geschehnisse äußerst ... beschränkt.«
    Isegrim verstummte und sah Ragnar an. Erst einen Augenblick, dann zwei. Fast eine Minute verstrich, in der Isegrim zwischen seinem Bruder und der Schriftrolle hin und her sah. Dann gab er sie ihm zurück. Echter Gram trat auf sein Gesicht, ehrliches Unwohlsein.
    »Bruder«, flüsterte er, »Das Dasein als Soldat, der Dienst in Thorniaras Miliz ist in Ordnung. Aber ... aber ich tauge nicht zum Bruder im Orden. Ich bin nicht das Material, aus dem man später einen Ritter und Paladin schmieden kann. Brüchiges Eisen wird niemals eine Erzklinge ...« Er ließ die Schultern hängen. »Ist diese Ernennung mit einem Schwur oder einer Beichte verbunden?«, fragte er langsam.
    Ragnar nickte nur. »Ja, das ist sie. Beides kann und werde ich dir abnehmen, Bruder.«, bestimmte er. »Du bist ein Sohn von Fyresgrim. Du bist aus dem besten Stahl des Nordens geschmiedet. In den Essen des Winters. Nur solche können Ritter und Paladin werden. Denk an Rhobar den Ersten, Rotbart! Er war vom Feuerclan, er war einer von uns! Und er wurde König. Was kann dann erst ein einfacher Mann aus dem Clan alles werden!«
    Innerlich lachte Isegrim bitter auf. Diese Ernennung würde einen weiteren Nagel in seinen Sarg schlagen, seine Geschäfte und Beziehungen in der Unterwelt noch weiter untergraben. Bisher saß er rittlings auf der Palisade, die bequem und mit Kissen unterfüttert war. Zwar immer mit der Gefahr, dass er abstürzen konnte, aber die war bisher eher klein gewesen. Bis auf die Geschichte mit Narbe, aber nun ja. Das hier jedoch. Das Kissen verschwand und die Pfähle der Palisade waren angespitzt und stechend. Würde sein doppeltes Spiel auffallen, das wusste Isegrim, wäre ihm der Tod sicher. Ob durch die Krähe oder den Henker. Dennoch bot ihm der Orden weit mehr Möglichkeiten, weit mehr Freiheiten. Mehr Einfluss, mehr Mittel. Es war ein Spiel mit Innos' ewigem Feuer. Leider war Isegrim ein Spieler. Er seufzte, tat als hätte er lange mit sich gerungen und würde sich dem gewählten Schicksal ergeben.
    »Sag, Ragnar, hast du Roland gedrängt ...«, fing der Soldat an.
    »LORD Roland, Bruder. Daran gewöhne dich. Der Orden steht für Ordnung, Hierarchie und Respekt.«
    Isegrim unterdrückte unmerklich eine bissige Antwort. »Hat Lord Roland auf dein Drängen hin gehandelt?«, fragte er langsam.
    Ragnar hob die Schultern. »Ein wenig vielleicht. Ich habe dich als eventuellen Nachfolger ins Spiel gebracht. Natürlich erst in ein paar Jahren, wenn ich des Dienstes für Innos und dem Orden überdrüssig bin, wenn ich mein karges Land im äußersten Norden Nordmars aufsuchen und dort einen Weiler errichten will, bevölkert mit Bürgern, die mir Steuern zahlen. Wobei wir beide wissen, dass das Quatsch ist. Aber du kennst die myrtanischen Milchgesichter.«, lachte der Paladin und Ahnenkrieger, »Fakt ist, dass du einer ehrbaren, alten Sippe entstammst die bis in die Tage zurückreicht, da die Ahnen unter den Menschen wandelten. Fakt ist auch, dass deine Dienstzeugnisse der letzten Monde nahezu tadellos sind. Fakt ist auch, dass du jung bist und nicht auf den Kopf gefallen. Perfekter Nachschub für den Orden.«, schloss er.
    Isegrim tat als würde er erneut überlegen, ehe er ergeben nickte.

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    Vengard, Burg, Ordenshaus

    »Nun denn, Bruder. Knie nieder.«, befahl Ragnars dröhnender Bass. Sein kleiner Bruder ging ergeben auf ein Knie, senkte das Haupt wie zum Gebet. Einen einzigen, unglaublichen kurzen Moment lang flackerten Zweifel im Ahnenkrieger auf. Für einen winzigen Augenblick war er andererorts gewesen, begleitet von zwei Männern. Sie waren im tiefsten Schnee des Nordens gewesen, unter schwarzen, dräuenden Wolken. Um sie herum gezackte, pechschwarze Berge. Die Nordlande! Eine Gestalt in scharlachroter Robe beschwor Feuerbälle und schleuderte sie. Ein anderer focht mit einer Klinge und einem Schild und wehrte Feinde ab, die keine Form hatten. Nur eine vermummte Kreatur war klar zu sehen. Sie lachte und dieses Lachen war der Tod und die Finsternis. Der Augenblick verging derartig schnell, dass Ragnar den Kopf schütteln musste. Es hatte sich echt angefühlt, so kurz es auch gewesen war. Eine Vision? Albtraum? Innos allein wusste es. Die Zweifel und das Bild vergingen wie Rauch.
    »Hiermit ernenne ich - Sir Ragnar Fyresgrimson, Paladin Innos' und des Königs - dich - Isegrim Fyresgrimson - zum Bruder des Orden Innos'. Von nun an steht dein Leben im Dienste des Orden. Weltliche Besitze haben für dich ihren Wert verloren, Bruder, denn nun zählen nur noch Innos, der Orden und der König. Hiermit seist du Anwärter der Ritter, ein angehender Streiter Innos', in den Fußstapfen Lord Dominiques des Heiligen wandelnd. Von nun an verpflichtest du dein Leben deinen Brüdern und unserem Gott. So Er will, Bruder, so es Innos' Wille ist, wirst du Ritter. Oder du gibst ihm dein Leben im Kampf gegen die Dunkelheit, gegen Beliars Finsternis und erreichst wahre Erleuchtung in den Hallen Unseres Herrn!«, sprach Ragnar feierlich und blickte auf das dunkle Haupt seines Bruder hinab. Bemerkte er ein Zittern. War es Nervosität? Angst? Vorfreude? Ragnar konnte es nicht einschätzen. »Erhebe dich, Ordensbruder Isegrim.«
    Der frisch ernannte Ordensbruder tat wie ihm befohlen wurde. Er erhob sich, neigte den Kopf vor seinem leiblichen Bruder. Sie sahen sich einen Moment an, ehe beide entschlossen, wortlos nickten. Sie waren Nordmarer, sie brauchten nicht viele Worte, das wusste Ragnar schon immer. In diesem Augenblick erkannte er wieder einmal, dass sein jüngster Bruder ihm doch am ähnlichsten war, dass er ihn doch am meisten leiden konnte.
    »Hätte ... da nicht irgendein Schwur sein müssen? Ein Eid oder dergleichen?«, fragte Isegrim grinsend.
    »Ach«, winkte Ragnar ab, »Erst wenn du Ritter und später Paladin wirst. Dann gibt es das ganze große Drumherum, Speis, Trank, Wein, Weib und Gesang. Ich wollte dies hier persönlich machen, da du eine nordmarische Ernennung verdient hast. Schmucklos und echt.« Er reichte ihm erneut die Schriftrolle. »Brich das Siegel. Das ist dein Urkunde, quasi dein Nachweis für die Aufnahme und die Mitgliedschaft im Orden Innos'. Meinetwegen kannst du dir in der Folgezeit auch noch einen Ritter suchen, der dich als - lach nicht! - Knappen erwählt, aber wirklich nötig ist das auch nicht. Vorallem, da du ja quasi im Dienste eines gewissen Ritters und Korsars der Krone stehst.« Ein wissendes Lächeln huschte über Ragnars Züge. Isegrim kniff die Augen zusammen, ehe er den Kopf schüttelte.
    »Du alter Hund«, murmelte er, »Das ist also auf deinem Mist gewachsen.«
    Ragnar nickte. »Yared hat eine gute Reputation im Orden und den Streitkräften des Reiches. Einer der verflucht nochmal besten Seemänner dieser Zeit. Natürlich soll aus dir kein Seewolf werden, aber, nun ja, ein Kapitän muss seine Leute im Griff haben, Gefolgschaft erreichen und die Herzen seiner Männer gewinnen. Dies von ihm zu lernen, Bruder, ist sicherlich nicht schlecht.«
    Isegrim hob die Schultern. »Nun, da wird er wenigstens froh sein, dass meine Versetzung zu ihm nicht das Ergebnis irgendeiner Intrige ist. Sondern eher die Frucht der Vetternwirtschaft.«
    »Ja«, sprach Ragnar, ehe er sich umwandte und in die Kiste griff. »Hier hast du einen leichten Waffenrock. Natürlich in den Farben des Ordens. Und ein Umhang mit dem schwarzen Symbol des Paladinordens. Glückwunsch. Nun, lass uns mit einem Bier anstoßen und dann ab zurück zu Sir Yared.«
    »Wolltest du mir nicht noch die Beichte abnehmen, Bruder?«
    Der Paladin und Ahnenkrieger ging zu einem Fass in der Ecke, zapfte zwei Feuerclaner Helle.
    »Du Held, was meinst du wofür das Bier da ist?«
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    Vengard, Burg

    Etwas wacklig auf den Beinen trat Isegrim, Meisterdieb und frisch ernannter Ordensbruder, aus dem Ordenshaus der Burg Vengard und sah sich auf dem Hof um. Die Wachen sahen ihn kurz an, bemerkten die veränderte Aufmachung und die Insignien des Ordens. »Für Innos, willkommen im Orden, Bruder.«, sagte einer der beiden gerüsteten Brüder, der andere nickte nur zustimmend. Isegrim nahm dies kopfnickend und dankmurmelnd an und machte sich auf den Weg zu Kapitän Yared, den Ratschlag im Hinterkopf, dass er möglichst viel von ihm lernen sollte. Zum einen den Kampf mit dem Schwert, der Dienstwaffe wie der Korsar es genannt hatte. Nun wohl eher Ordenswaffe. Was war denn ein angehender Ritter ohne Ahnung vom Schwertkampf? Nichts, da war sich Isegrim sicher. Darüber hinaus wäre er mit seiner Art bei dem Kapitän wesentlich besser aufgehoben als in der Bastion von Thorniara oder dem Ordenshaus von Vengard oder gar der Burg Gotha. Denn nun, das wusste er sogar in seinem angetrunkenen Zustand, würden weitaus mehr Augenpaare auf ihm ruhen, sein Vorgehen und seine Taten beobachten. Er würde also seine Spuren wesentlich besser verschleiern müssen. Er dachte angestrengt nach. Vielleicht eine Maske tragen, wenn es zum Diebesgeschäft käme? Eine Tarnidentität aufbauen? Dumm war das nicht. Die Krähe macht es meisterhaft vor. In diese Richtung würde Isegrim auch gehen müssen.
    Wobei nun eher die Reise nach Nordmar ansteht, in die gute, alte Heimat. Wahrscheinlich auch auf Ragnars Mist gewachsen, der hier und da Kontakte spielen ließ, um Yareds Weg an den der Obersten Magierin zu binden. Gen Kloster. Also sind mir noch die Hände gebunden, was meine Geschäfte angeht ...

    Einen vorbeieilenden Botenjungen hielt er unsanft auf. »Heda, du Penner!«, rief der im ersten Moment aus, ehe ihm gewahr wurde, was für eine Rüstung mit wessen Insignien der Störenfried trug. Kurz versuchte das Spatzenhirn die Verbindung zwischen dem unrasierten, fahlen Gesicht und dem Orden Innos' zu finden, ehe Isegrim diesen Denkvorgang unterbrach. »Bleib ruhig, Junge. Sag, hast du Kapitän Sir Yared ... Sir Kapitän Yared ... Innos im Himmel, den Korsar des Königs! ... Hast du ihn gesehen, irgendwo? Ja, du nickst! Perfekt, zehn Münzen wenn du mich zu ihm bringst. Und vorher noch einen Ort zeigst, wo ich mich etwas frisch machen kann.« Er spuckte aus, Biergeschmack im Mund. »Mein Bruder ist ein wahrer Schluckspecht, unerreicht in der Familie! Los, Bursche, auf auf!«

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    Sleeping Dragon Avatar von Françoise
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    Die Arme hinter dem Rücken verschränkt, stand Françoise auf dem Vorschiff als sie in den Hafen der Hauptstadt einliefen. Viel zu lange hatte die Priesterin Vengard nicht mehr besucht und sie freute sich tatsächlich darauf. Argaan bedurfte viel ihrer Aufmerksamkeit. Oftmals auch zu Recht. Dennoch war Françoise nicht die oberste Feuermagierin einer einzelnen Insel. Ihr Verantwortungsbereich war das gesamte Königreich. Dank Innos konnte sich die Priesterin in ihrer Abwesenheit auf die anderen Feuermagier im hohen Rat verlassen.
    Schließlich legte das Schiff im Hafen an. Yared hatte abermals zu Ehren der obersten Feuermagierin die Beflaggung der Reichskirche hissen lassen und damit an Land für reges Treiben gesorgt. Noch bevor ein einziges Tau geworfen war, kam ein Boot zur Santorija. Unterdessen hatten sich gut ein Dutzend Milizsoldaten am Kai eingefunden und in einer Zweierreihe aufgestellt. Sie salutierten wie Zinnsoldaten als Françoise von Bord ging und den Kai betrat.
    »Meinen aufrichtigen Dank, Sir Yared. Es war eine sehr angenehme Überfahrt. Nicht zuletzt aufgrund der guten Gesellschaft.«, sagte die Priesterin und lächelte dabei zu Arvideon herüber. Das Männchen hatte sich zum Gefolge der obersten Feuermagierin gesellt. Nicht, dass Yared und seine Crew keine guten Begleiter waren. Ganz im Gegenteil. Bloß musste ein Magier ab und an auch unter seinesgleichen verweilen.
    »Innos zum Gruß und herzlich Willkommen in Vengard!« rief eine bekannte Stimme zur Priesterin hinüber. Als sich Françoise umdrehte, sah sie Karrypto gemeinsam mit Ulthar herbeikommen. Die Nachricht ihrer Ankunft hatte also den Tempel bereits erreicht.
    »Innos zum Gruß, Brüder. Es freut mich außerordentlich euch zu sehen.«
    »Der Bote hat uns gerade auf dem Flur erreicht.«, sprach Uthar in der ihm typischen heiseren Stimme.
    »Richtig. Gewiss werden die anderen auch erfreut sein, dich wiederzusehen.«, ergänzte Karrypto, der vor Françoise das Amt des obersten Feuermagiers inne gehabt hatte. Ulthars Blick schweifte zu den Begleitern der Priesterin und entdeckte Shakuras unter ihnen. Er lächelte und nickte dem alten Novizen wissend zu.
    »Es gibt viel zu besprechen.«, warf die Priesterin ein. »Doch lasst uns nun erst einmal zum Tempel gehen. Die Reise hat mich hungrig gemacht.«

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    Drachentöter Avatar von Shakuras
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    Im Tempel

    Das Schiff legte an und geeint hatten sie gestanden und unter den aufgeregten Rufen der stolzen Bevölkerung Vengards sicheren Fuß aufs Festland gesetzt. Shakuras war zu diesem Anlass passend in dem Gewand seines Ranges gekleidet und wählte seine Position als Schlusslicht der nahen Gefolgschaft von Francoise. Ein Zwerg und soviel wusste der Alte, ein Freund und Berater des großen Schiffers, begleitete sie ihres Weges. Er wirkte eigenartig und fremd in den Augen des Novizen und das machte seine Person nur umso interessanter. Vielleicht würde sich später eine Gelegentheit ergeben, um mit dem Kleinwüchsigen einen ersten Kontakt aufzunehmen...

    Stillschweigend und gemäß nahm Shakuras Kenntnis von den Ratsmagiern Karrypto und Ulthar, um ihnen darauf die Ehre und Verbeugung zuteil werden zu lassen.
    Im Tempel dann trennten sich ihre Wege. Man würde auf ihn zukommen, hieß es.

    Der Novize suchte sich im Weiteren im Tempel und im Gebet und ließ sich die freien Gemeinschaftskammern der Niederrangigen zeigen. Er würde sicherlich einige Tage bis zur Audienz beim Heiligen Rat in der Hauptstadt verweilen und auch nach dem.

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    General Avatar von Yared
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    Reagans Kontor, Vengard, Myrtana, Hauptstadt des Großreiches Rhobars III.

    Wenn die Santorija Yareds Zuhause war, dann war das Tuchhandelskontor seines Onkels Reagan seine zweite Heimat. Vor sechs Wintern, als er nach dem Krieg die letzten Blutsverwandten auf Seiten seines Vaters wiedergefunden hatte, hatten sie ihm eine der Kammern des großen vengarder Kaufmannshauses überlassen. Seitdem hatte es keiner von ihm zurückgefordert und so war es sein Zimmer geworden. Das Zimmer von Cousin Yared, von Neffe Yared und mittlerweile auch von Onkel Yared, seit Ravan, der Älteste Sohn von Maeve und Ron - inzwischen ein aufgeweckter Bursche von sieben Wintern - angefangen hatte zu sprechen.
    Allerlei Gegenstände, Bücher, Dokumente und Werkzeuge, sowohl der Seefahrt, als auch seiner anderen Professionen hatte Yared über die Jahre hier angesammelt und gelagert. Als er jetzt auf seinem Bett sitzend seinen Blick schweifen ließ blieb er an seinem Gitarrenbanjo hängen.
    Der Kapitän erhob sich und nahm das Instrument von der Wand, dass er vor sechs Wintern in Vengard erstanden hatte und stimmte ein paar Akkorde an. Leicht, aber bestimmt ließ er seine Fingerkuppen über die Saiten wandern, während er in die Glut starrte. Vielleicht würden ihn das Fingerspiel und die sanften Klänge beim Grübeln unterstützen.
    Ragnar Fyresgrimson. Yared kannte den Namen, wusste, auch wenn er ihm nie begegnet war, wer sich dahinter verbarg.
    Das änderte aber nichts an seiner Unzufriedenheit.
    Sicher hatte Isegrims älterer Bruder ein nachvollziehbares Motiv. Aber warum die Urkundenfälschung? Jemandem wie Ragnar, einem Ahnenkrieger, einem Paladin aus den oberen Ordenskreisen - so jemandem stand es ohne weiteres offen, Lord Hagen oder gar Lord Roland persönlich um die Versetzung seines Bruders zu bitten. Jemand wie Ragnar bedurfte dieser Scharade nicht.
    Yareds Unzufriedenheit nährte sich natürlich auch aus dem Umstand, dass die Santorija jetzt weg war und das, obgleich es nun eigentlich der beschwerlichen Reise nach Nordmar, zumal im hereinbrechenden Winter, gar nicht bedurfte, wenn, ja wenn wirklich Ragnar Fyresgrimson hinter all dem steckte.
    Wie er davon erfahren hatte? Seine Cousine war nicht umsonst beim myrtanischen Nachrichtendienst und natürlich hatte sie ihren Vorgesetzten von den zwielichtigen Umständen von Isegrims Einschiffung berichtet. Alles andere hatten kurze Nachforschungen ergeben. Ragnar hängte es zwar nicht an die große Glocke, aber er hielt es offensichtlich auch nicht derartig geheim und die Gerüchteküche in den Behörden Vengards servierte stets heiß und fettig.
    Sollte er den Marsch abblasen, stattdessen nach Trelis der Santorija hinterher reisen? Er war sich noch uneins.
    Das andere, was ihn umtrieb, war immer noch die elende Geschichte mit dem Schwarzmagier in der Kanalisation von Thorniara.
    Es war nicht so gelaufen, wie es hätte laufen sollen. Der Kapitän dachte damit nicht an den Plan, der eher weniger als mehr funktioniert hatte. Pläne überlebten so gut wie nie den ersten Feindkontakt.
    Das Unwohlsein, das immer wieder in seinen Gedanken aufstieg, hatte einen anderen Grund.
    Wenn Yared ehrlich war - und das war er sich selbst gegenüber meistens, auch wenn er sich selbst nicht gänzlich verstand - hatte er Angst im Angesicht des Magiers gehabt. Das war nur natürlich gewesen, auch war er nicht in Panik verfallen oder war zur Salzsäule erstarrt. Aber eigentlich war er gänzlich aufgeschmissen gewesen. Er hatte sich nicht zu wehren gewusst. Er war sich sicher im Grund nicht überreagiert zu haben, aber genauso sicher war er sich, dass es eigentlich einen anderen Weg hätte geben müssen. Ihm hatten die Mittel gefehlt, um der Situation gewachsen zu sein, um der magischen Bedrohung etwas wirklich wirksames entgegensetzen zu können.
    Das Ganze erinnerte ihn stark an die Tage und Glasen vor der letzten Begegnung zwischen ihm und I nadhor, dem Geist der Ratten. Hätte er damals vor sechs Wintern doch Porgans Angebot annehmen sollen? Hätte er sich als Träger der Macht eines Druidensteins weniger ausgeliefert und nutzlos gefühlt?
    Hätte er den Angeboten Lord Hagens oder seines Kontaktes beim Nachrichtendienst, die immer wieder in Gesprächen zwischen den Zeilen gefallen waren und ihm die Aufnahme in den Orden und Weihe und Macht eines Paladins angetragen hatten - sei es aus Respekt oder um noch ein nützlicheres Werkzeug zu erhalten - annehmen sollen?
    Der Gedanke daran bereitete ihm noch mehr Unbehagen.
    Nein, man wurde nicht einfach Paladin, trat nicht einfach dem Orden bei und labte sich an dem feurigen Trunk aus den heiligen Feuerkelchen, nur um dem eigenen Ohnmachtsgefühl auszuweichen. Das war nur eine weitere Seite der Medaille, auf deren Rücken das hässliche Wappen von Feigheit, Eigennutz und Machtgier prangte.
    Aber war es nicht auch irgendwo feige und eigennützig, sich dem zu verweigern?
    Oh, Herr, zeige mir den Weg., betete er im Stillen.
    Der Kapitän hatte längst aufgehört die Saiten zu schlagen. Auch Feuer im Kamin seiner Kammer war beinahe heruntergebrannt. Er legte das Instrument beiseite und erhob sich abermals. Yared trat hinaus auf den Wandelgang, um einige der neben seiner Tür aufgestapelten trockenen Holzscheite zu holen.
    Die hereinbrechende Kälte der Nacht hatte das erstarkende Nieseln zum Schneeregen werden lassen. Dicke saftig halb angetaute Flocken klatschten in den Innenhof des Kontors.
    Yared trat für einen kurzen Moment an das Geländer, atmete tief die nasskalte Nachtluft ein und sah dem Niederschlag nach. In der Küche brannte noch Licht.
    Als Yared den Kopf senkte konnte er Umrisse einer Gestalt. Kaldrin konnte das nicht sein. Dessen Sägen drang regelmäßig, durch die dicke Eichentür gedämpft, aber dennoch klar vernehmbar aus der Kammer neben der seinen.
    Ron und Reagan waren nicht da. Sie waren gemeinsam schon vor Wochen mit mehreren Gespannen nach Nordmar aufgebrochen, um dort noch vor Einbruch des Winters ihre Tücher, feine Seide vom östlichen Archipel und aus Varant bei den Clans gegen edle Pelze zu tauschen. Noch waren sie nicht überfällig, aber sie wurden bereits in wenigen Tagen erwartet. Maeve, Rons Frau, hoffte, dass sie den Pass bei Faring bereits überquert hatten, eine Hoffnung die Yared teilte, denn wie es schien kam der Winter dieses Jahr früher als üblich.
    War Maeve noch einmal hinunter gegangen, nachdem sie ihre drei kleinen Racker ins Bett gebracht hatte?
    Yared beschloss nachzusehen. Vorher allerdings schnappte er sich eine Armbeuge voll Scheite, schleppte sie zu seinem Kamin und legte nach. Das Feuer wollte schließlich genährt sein, wollte Yared bei seiner späteren Rückkehr nicht nur Asche und ein ausgekühltes Zimmer vorfinden.
    Kurze Zeit später empfing ihn der warme Schein einer Öllampe am Eingang zur Küche. vorsichtig warf er einen Blick hinein. Die Gestalt, die noch zu so später Stunde die Küche unsicher machte, war Zarah. Yareds Cousine stand mit dem Rücken zur Tür und brühte sich gerade einen heißen Tee auf, vermutlich um sich aufzuwärmen oder vor dem Zubettgehen noch etwas zu entspannen.
    Ähnliches hatte sie ihm schon oft empfohlen oder sogar für ihn getan, wenn er sehr im Stress war. Yared schätzte den klugen Rat seiner Cousine mindestens so sehr, wie den von Ornlu oder Arvideon.
    Gerade wollte der Kapitän, einem Impuls folgend hineingehen, seine Gedanken vor ihr ausbreiten - oft genug half schließlich das laute Aussprechen von Gedankengängen, um sich selbst ihre Plausibilität und die tatsächlichen eigenen Präferenzen zu offenbaren - als aus dem Durchgang zwischen Tor und Innenhof hinter ihm lautes Klopfen erklang.
    Zarah unterbrach ihr Herumhantieren mit Wasserkessel, Teeblättern und Becher und wandte sich um, um hinaus- und dem bereits wieder verstummten Gelärme nachzugehen. Dann jedoch bemerkte sie den Kapitän im Türrahmen.
    "Lass nur. Ich gehe schon.", sagte Yared, drehte sich um und machte sich auf, nachzusehen, wer zu dieser späten Stunde noch Einlass in das Kontor suchte.

  16. Beiträge anzeigen #56
    Sleeping Dragon Avatar von Françoise
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Eine Seite nach der nächsten überflog die Priesterin. Sie saß umringt von Papierstapeln und Pergamentrollen an ihrem Schreibtisch. In ihrem Arbeitszimmer im Tempel hatte sich nicht verändert. Ganz im Gegensatz zu der Welt außerhalb der Tür. Was sie las waren die unzähligen Berichte über Ereignisse, die sich in ihrer Abwesenheit auf dem Festland ergeben hatten. Der hohe Rat hatte in jener Zeit die meisten Amtsgeschäfte abgewickelt und hatte nur bei besonders wichtigen Entscheidungen in Korrespondenz mit der obersten Feuermagierin gestanden. Für alles andere war der Aufwand schlicht zu groß gewesen. Und obwohl manche dieser Ratsentscheidungen tatsächlich nur Formsache oder Banalitäten waren, hielt es Françoise für weise, sich trotzdem damit auseinander zu setzen. Eine Aufgabe, die sie seit ihrer Ankunft in Vengard beschäftigte.
    Ein Klopfen an der Tür unterbrach schließlich die Stille. Als die Priesterin hereinrief, trat Mary mit einem Tablett ein.
    »Ein Tee gefällig?«, fragte ihre Meisterschülerin. Françoise seufzte und stützte ihr Kinn auf der Hand ab.
    »Gerne.«
    Die Novizin ging um den Schreibtisch und balancierte dabei an den Unterlagenstapeln vorbei. Vorsichtig schob sie einige Pergamentrollen beiseite und stellte den Tee ab.
    »Bitte sehr. Ich sollte dich daran erinnern, dass heute eine Ratssitzung ansteht.«
    »Ja, stimmt. Moment. Wie viel Uhr haben wir denn?«
    Unruhe kam in der Priesterin auf und sie suchte die Tischuhr, die sich gekonnt hinter den Dokumentenbergen versteckte.
    »So spät schon?! Wann ist das denn passiert?«
    Zwar war noch ein wenig Zeit bis zur Sitzung des Rates - andernfalls wäre Marys Erinnerung auch völlig nutzlos gewesen. Trotzdem blieben der Priesterin jetzt nur noch Minuten, wo sie mit Stunden gerechnet hatte. Sie ließ sich tiefer in ihren hochlehnigen Stuhl rutschen und trank einen Schluck des Tees.
    »Wirklich gut. Danke, Mary. Ich habe zwei weitere Aufgaben für dich. Geh bitte zuerst zum Hofmeister und arrangiere eine Audienz beim König für mich. Danach finde bitte Shakuras. Er soll sich im Rundsaal vor dem Rat einfinden.«
    »Bin schon auf dem Weg. Soll ich ihnen noch etwas dazu sagen?«
    »Dem Hofmeister kannst du sagen, dass ich mit Rhobar die Lage in Argaan besprechen möchte. Was Shakuras angeht, er wird die Gründe vom Rat direkt erfahren.«
    »Alles klar!«
    Geschwind machte sich Mary auf den Weg und ließ dabei gekonnt die Stapel von Papieren unversehrt hinter sich stehen. Auch Françoise setzte sich in Bewegung. Statt der Novizin jedoch zu folgen, nahm sie die Seitentür. Diese führte unmittelbar in den großen Rundsaal des Tempels. Dort war der Zugang geschickt hinter einem der langen, roten Banner versteckt und erlaubte einen diskreten Auftritt. Nicht jedes plötzliche Auftauchen eines Magiers deutete gleich auf Zauberei hin.
    Zu Françoises Linken standen die sieben Thronsessel der Hohepriester im Halbkreis vor der gigantischen Innosstatue. Zu ihrer Rechten befanden sich etliche Reihen von Bänken, in der Mitte geteilt von einem breiten, roten Teppich, der hinauf zur Statue führte. Genau gegenüber des riesigen Abbilds, auf der anderen Seite des Rundsaals befand sich das große Eingangstor. Françoise sah durch das offene Tor das rege Treiben im Foyer des Tempels, seinem wichtigsten Knotenpunkt. Von dort gelangte man nicht nur zum Haupteingang des Gebäudes und in den Runsaal, sondern auch zur Bibliothek auf der einen Seite und den Wohngemächern auf der anderen Seite. Innos und dem Architekten zum Dank gab es aber jene kleine Tür, die der Priesterin den ganzen Umweg ersparte. Das Privileg des Amtes. Ein weiteres Privileg war es, gemeinsam mit den sechs Hohepriestern über Stunden hinweg zu debattieren. Und das stand ihr jetzt bevor.

  17. Beiträge anzeigen #57
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Reagans Kontor, Vengard, Myrtana, Hauptstadt des Großreiches Rhobars III.

    Die zehn Goldmünzen hatten relativ schnell den Besitzer gewechselt, nachdem ein peinlich berührter und sichtlich genervter Botenjunge einen angetrunkenen und aschfahlen Ordensbruder zum Kontor eines gewissen Herrn Reagan eskortiert und dort höflich, aber nicht unbedingt nachdrücklich um Einlass gebeten hatte. Isegrim hingegen - beflügelt von der wunderbaren Unbeschwertheit des leichten bis mittelschweren Rausches - hatte lautstark verlangt, in das Kontor gelassen zu werden. Irgendwann hatte man sich seiner erbarmt und eine Gestalt war im Türrahmen erschienen. Leider nicht die Person, die sich der Bruder erhofft hatte. Ganz im Gegenteil, er hatte eigentlich damit gerechnet, durch das Kontor zur Unterkunft des Kapitäns geführt zu werden. Mit langwierigen Erklärungen, dass es ein Unding sei, einen Mann wie Yared um eine so Unzeit zu stören. Innos hingegen wollte scheinbar, dass der elendig lange Weg durchs Kontor erspart bliebe und schickte direkt den Korsar.
    »Guten Abend, Herr Korsar, Sir.«, Isegrim riss sich sichtlich zusammen, nahm Haltung an, straffte sich und präsentierte auf diese Weise sogar seine neue Aufmachung.
    Der Blick Yareds ging zu dem Botenjungen, der sich langsam von dannen machte, nachdem er das Gold erhalten hatte. Dann fixierten die düsteren Augen aus dieser wettergegerbten Miene wieder den Meisterdieb, der wirklich unter diesem unfreundlichen Blick zu schrumpfen schien.
    »Sir Yared, ich melde Euch hiermit meine Aufnahme im Orden Innos' als Bruder.«, fuhr er kleinlaut fort, »Ernannt von meinem Bruder Ragnar Fyresgrim, der dies auch entsprechend ... begießen wollte. Das erklärt meine derzeitige Verfassung, die jedoch nicht der Normalfall ist sondern Produkt der Trinkfestigkeit Sir Ragnars.«
    Hüstelnd überreichte er dem Korsar das Bestätigungsschreiben, das Isegrim auch wirklich als Ordensbruder auswies.
    »Mein ... mein Bruder gab mir den Rat, mich weiterhin an Euch zu halten, da er der Meinung ist, dass ich an Eurer Seite wohl zu einem rechtschaffenen, produktiven Mitglied des Ordens heranwachsen kann.«
    Die Augen des Korsars waren weiterhin unnachgiebig auf ihn gerichtet.
    »Götter, Sir Yared ... kann ich einen Schluck Wasser haben? Vielleicht auch einen ganzen Eimer, um mein Erscheinungsbild zu verbessern. Ich hoffe ... Ihr habt keinen allzu schlechten Eindruck von mir.«

  18. Beiträge anzeigen #58
    General Avatar von Yared
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    Die Gilde Innos' im Forenrollenspiel
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    Reagans Kontor, Vengard, Myrtana, Hauptstadt des Großreiches Rhobars III.

    Die Sonne war gerade erst am Aufgehen und kämpfte gegen den Morgennebel an, als Yared an die Tür der Kammer neben den Stallungen trat, die sonst zur Verwahrung von Zaumzeug und Utensilien zur Reinigung von Hof, Ställen und Lagerräumen diente, seit gestern jedoch die provisorisch eingerichtete Bettstatt des jüngsten Mitglieds des ehrenwerten streitenden Arms des Orden Innos' beherbergte.
    Der Kapitän schlug kräftig gegen die Eichenbohlen, bis sich drinnen der neue Bewohner hörbar regte. "Isegrim, macht Euch frisch, esst etwas, und kommt dann in den Innenhof."
    Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte sich Yared um und schlenderte wohlgemut Richtung Kontortor, woher er das Quietschen der Scharniere vernommen hatte.
    "Guten Morgen, Kalle. Hast du alles bekommen?"
    Kaldrin der sich gerade den Straßenstaub vom Mantel geklopft hatte, brummte einen Morgengruß und nickte. Dann hob er ein nicht ganz armlanges Bündel auf, dass er an die Wand des Hofdurchgangs gelehnt hatte und streckte es dem Kapitän entgegen.
    Yared nahm es ihm ab, schlug es aus den Tuchstreifen, in die es gewickelt war, und begutachtete den Inhalt.
    "Was schulde ich dir?", fragte er seinen Waffenmeister.
    "Passt schon. Wir rechnen später ab."
    Yared nickte und sah dann zum geschlossenen Tor.
    "Ist Zarah auch schon zurück?"
    "Nicht, dass ich wüsste, Käpt'n.", brummte Kaldrin und verabschiedete sich gen Küche.
    Wie zur Wachablösung kam ihm aus dieser soeben Isegrim entgegen, der erstaunlich schnell auf den Beinen war, nachdem er am Vorabend mit den besten Voraussetzungen für einen Kater angerückt war. Auch wenn er nicht wie einer aussah, schien der Kerl doch die Konstitution oder zumindest die Trinkfestigkeit eines waschechten Nordmarers zu besitzen.
    "Ihr kommt genau rechtzeitig, Isegrim."
    Yared ließ die Verpackung auf einer Kiste liegen, die am Zugang des Innenhofs stand. Dann warf er Isegrim das eine der beiden hölzernen Übungsschwerter zu. "Fangt!"
    Der Nordmarer fing es geschickt und beäugte es scheinbar kritisch.
    "Ich gehe davon aus, dass Ihr wisst, wie man ein Schwert hält. Lasst mich aber eines gleich zu Anfang sagen: So lange Ihr in Eurer anderen Hand keinen Parierdolch, Buckler oder einen richtigen Schild führt, scheut Euch nicht für die heftigen Schläge beide Hände an den Griff zu nehmen. Auch wenn das kein Zweihänder ist, verleiht die zweite Hand doch Stabilität, Nachdruck und manchmal auch notwendige Kontrolle an der Klinge."
    Während seiner Ausführungen ging der Kapitän vor seinem Lehrling im Hof auf und ab und ließ dabei sein eigenes Waffenimitat in der Rechten kreisen, um ein Gefühl für den Schwerpunkt des Holzschwertes zu bekommen. Es schien so robust und einigermaßen in Balance zu sein, wie Kaldrin es ihm versichert hatte.
    "Ich will erst sehen, wie Eure Instinkte sind. Greift mich an!"

  19. Beiträge anzeigen #59
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Reagans Kontor, Vengard, Myrtana, Hauptstadt des Großreiches Rhobars III.

    Isegrim beäugte das Holzschwert in seiner Hand ebenso misstrauisch wie den Kapitän, der in bester Ausbildermanier beim Erklären der Grifftechnik auf dem Innenhof des Kontors auf und ab ging. Immer mal wieder nickte der Bruder, während Yared mit der bahnbrechenden Idee auftrumpfte, man könne statt einer Hand ja auch einfach beide Hände an den Griff der Waffe legen. Ehe Isegrim vor Überraschung Schock hintenüber fallen konnte, forderte der Kapitän schon, dass er angreifen sollte. Liebend gerne, dachte sich der Ordensbruder und schoss vor.
    Der Nordling war natürlich der festen Überzeugung, dank seiner Geschicklichkeit und den Reflexen eines Diebes der schnellere Kämpfer zu sein. Schon immer war er in Auseinandersetzungen derjenige gewesen, der auf Schnelligkeit, Präzision und die damit verbundene Wirkung gesetzt hatte. Warum lange kämpfen und selbst ermüden, wenn man die empfindlichste Stelle des Feindes suchen, dort schnell und gnadenlos zuschlagen und den Kampf so beenden kann? Natürlich hatte Isegrim seine – in seinen Augen – unverrückbare Rechnung nicht mit dem Kapitän gemacht, der den Angriff mit einer Leichtigkeit parierte, die Isegrim echte nordmarische Zornesröte ins Gesicht trieb. Mehrmals folgte der Nordling der gleichen Taktik. Kurzes Abwarten, eine Schwachstelle suchen, losschießen, zuschlagen … und nicht treffen. Es schien, als wüsste Yared stets, wo sein Schüler zuschlagen wollte, als wäre er im immer drei Schritte voraus.
    »Junge, mach dir nichts draus!«, mit einem Apfel in der Hand stand Yareds Waffengefährte da, dieser schlaksige Kaldrin. »Du hättest mal seinen Lehrmeister sehen sollen! Der hätte dich noch verspottet, angespuckt und dir die blanke Klinge übern Arsch gezogen wie 'nem Lausbuben!«
    Ein Blick von Yared brachte Kaldrin zum Schweigen, wenngleich Isegrim meinte, in den Augen des Kapitäns eine Spur Belustigung zu sehen. Das machte ihn noch wütender. So gerne er sich auch nicht als Nordmann gab, trug er doch mehr als genug Eigenheiten der Nordmarer in sich. In diesem Falle ein Mangel an Geduld und eine Menge Wut. Als der vorerst letzte Angriff spielerisch abgewehrt wurde, warf der Nordling fluchend sein Holzschwert über den Hof.
    »Bei allen Göttern, Yared! Reicht das!? Meine Instinkte mit diesem … Ding« - verächtlich nickte er zum Holzschwert hin - »sind miserabel! Ich bin ein Die... ein, äh, Späher! Schwerter und Späher vertragen sich nicht. Was mache ich falsch? Ich weiß, dass ich schnell und geschickt bin. Warum macht es aber den Eindruck, als wüsstet Ihr ständig, was mein nächster Zug ist?«
    Yareds eindringlicher Blick veranlasste Isegrim dazu, murrend zum Holzschwert zu gehen und es wieder aufzunehmen.
    »Sagt mir wenigstens, dass Euer Lehrer Euch damals ebenso dumm hat dastehen lassen ...«
    Geändert von Isegrim (25.11.2018 um 23:18 Uhr)

  20. Beiträge anzeigen #60
    Veteran Avatar von Die Feuermagier
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    Kloster von Nordmar, Halfgars Kammer

    Thierry brachte das Abendmahl. Zu spät, viel zu spät. Dieser Bursche war eine Schande für seine Familie und für die Kirche Innos', ein mittelmäßig begabter Junge aus leidlich gutem Hause des Mittellandes. Andere Männer im Norden hätten ihn einen Milchtrinker und ein süßes Fräulein genannt, doch Halfgar war nicht wie andere Männer im Norden. Männer, die ihn übrigens ähnlich bezeichnet hätten wie Thierry, nur wesentlich verächtlicher und hasserfüllter. Denn obgleich Nordmänner schon seit Jahrzehnten die Roben der Magier trugen, waren Anwärter aus diesen Landen unter ihren Artgenossen verpönt, mitunter sogar geächtet. Immer wieder in seinen Jahren, da Innos ihn erwählt und man ihm die Robe der Feuermagier gegeben hatte, war es zu bedauerlichen Vorkommnissen gekommen. Novizen nordmarischer Abstammung, die unglücklich gestürzt oder die bei einer Kneipenschlägerei ums Leben gekommen waren, wenngleich sie niemals ein solches Etablissement betreten hatten. Oh ja, Halfgar kannte derlei Dinge zur Genüge. Sein eigener Vater hatte ihn mit einer Mischung aus grimmigem Stolz und unverhohlener Missachtung gestraft. Stolz, da sein Sohn es in die Riege der Inquisitoren geschafft hatte, jene Gruppe scharlachrot gewandter Männer und Frauen, die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, schwarzmagische Abnormitäten zu jagen und vernichten. Missachtung, da sein Sohn Feuermagier geworden war, ein Mann des Wortes und des Wissens, kein Mann der Axt. So wie Ragnar beispielsweise, diese Ausgeburt nordmarischer Tugenden. Halfgar lächelte kalt, als ihm der Brief auf dem Tisch in seiner Kammer erneut Gewahr wurde. Ragnars krakelige Handschrift.
    »Innos, deine Erwählten haben ihn gesalbt und dein Avatar hat ihm die Ritterwürde erteilt ... und dennoch ist dieser Kretin so ungebildet wie ein Barbar.«, murmelte der Inquisitor in seinen dünnen, fast weißblonden Bart. »Ein Wildschwein in teurer Kleidung ist letztlich immer noch ein sich im Schlamm suhlendes Tier.«
    »Meister?«, Thierry, der das Tablett abstellte und das Essen vorbereitete, hielt inne, sah den Magier ängstlich an.
    »Nichts, Bursche. Hast du die Uhrzeit vergessen? Wenn ich sage, dass ich zwei Stunden vor Mitternacht speisen möchte, dann steht das Essen zwei Stunden vor Mitternacht auf diesem Tisch dort« - Halfgar wedelte mit der Hand zum genannten Mobiliar - »und nicht eine Stunde und dreißig Minuten vor Mitternacht. Verstanden? Für deine Unachtsamkeit lasse ich dich für die nächste Woche einteilen, die Treppen zu streuen.« Er schüttelte den Kopf. »Vielleicht sorgt die beißende Kälte dafür, dass dein Wirrkopf langsam Ordnung annimmt. Und jetzt verschwinde.«
    Der junge Thierry sah aus, als würde er noch etwas erwidern wollen, ehe er verschwand. Seufzend besah sich Halfgar das Essen, ehe er sich den Brief vornahm und las. Und mit jeder Zeile wuchsen Verwunderung und Wut.
    Bruder, - Ragnar, ein Mann kurzer Einleitungen - im Laufe des Winters wird eine Gesandtschaft des Ordens das Kloster von Nordmar aufsuchen. Man munkelt, die Oberste Magiern samt ihrem kirchlichen Hofstaat wird eintreffen ... und mit ihnen ein Mann namens Yared, seines Zeichens Ritter der Krone und Korsar Seiner Majestät. Ihn wird sein Knappe begleiten, ein Soldat und Ordensbruder. Du wirst ihn kennen. Es ist Isegrim, unser jüngster Bruder. Halfgar, es ist Zeit die Vergangenheit ruhen zu lassen. Was Isegrim tat, ist unverzeihlich und nur Innos mag ihm die Absolution erteilen. Sein Beitritt in den Orden Innos' von Argaan als auch in den militärischen Arm des Ordens sind in meinen Augen ein deutliches Zeichen unseres Gottes, das Isegrim mit rechtschaffenen Taten in diesem Leben seinen Platz im Jenseits verdienen wird, frei von allen Untaten und Sünden. Mit Isegrim und Sir Yared wirst du den Gerüchten nachgehen, die in letzter Zeit von der Nordgrenze dringen. Ich bitte dich als dein Bruder, als Paladin Innos' und als Sippenführer, die Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen. Wir Lichter Innos' müssen zusammen wirken, um Beliars Finsternis zu vertreiben. Für Innos, Ragnar.
    Halfgar zerknüllte das Schreiben, schritt energisch zum Kamin und überließ es den Flammen, eine Antwort auf Ragnars Worte zu finden. Der Inquisitor triefte vor Hass und Abscheu. Isegrim! Das schwarze Schaf der Familie, dieser vatermordende Hurensohn trug also die Farben des Ordens? Suchte Wiedergutmachung? So sehr Halfgar auch unter Fyresgrim gelitten hatte, war er doch sein Vater gewesen. Und von allen Söhnen des Flammenwolfes war er doch der am meisten geliebte gewesen. Insofern hatte sein Tod Halfgar erschüttert und den Wunsch nach Rache geweckt.
    »Innos, welches Spiel spielst du mit mir, mir diese Rache zu verwehren? Den Kopf dieser Ratte im Wolfspelz, mehr will ich nicht!«
    Einen Augenblick hielt Halfgar in seinem Wehklagen inne, da ihm eine Idee kam.
    »Isegrim kommt hier her. Quasi in meinen Wolfsbau. Ich werde ihn hier festnehmen und dem Schwert oder den Flammen überantworten. Die Ehre und das Recht Nordmars gebieten es. Soll Ragnar ruhig an diese elende Wiedergutmachung glauben, ja, nur zu. Aber Isegrim, dieser falsche Sohn, wird hier oben sterben. Und dann ist Vater gerächt.«
    Mit neu erwachtem Heißhunger machte sich Halfgar Fyresgrimson über das nun kalte Mahl her.

    Isegrim
    Geändert von Die Feuermagier (26.11.2018 um 23:03 Uhr)

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