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    Raubkatze  Avatar von Maris
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Tempel des Löwen - Der Verrat

    Dies war der Moment.
    Triumphierend bäumte sich Al-hamza vor dem Menschen auf, der widerwillig, sich letztlich aber doch dem Willen des Naturgeistes fügend, seine Befehle ausgeführt hatte. Der Sturm aus purer magischer Kraft bündelte sich über der erhobenen Hand des Dieners, und der Große Löwe schritt näher, um die Gabe seines Untergebenen zu empfangen. Endlich würde er zu alter Stärke zurückkehren, endlich würde er genug Kraft besitzen, um erneut den Thron der Großen Katze für sich zu beanspruchen! Der Löwe blickte dem Menschen in die Augen und brüllte über den Sturm der Magie hinweg. Jetzt! Die Zeit war gekommen!
    Doch der Mensch streckte nicht die andere Hand aus, um die fleischliche Hülle des Herrn der Löwen zu berühren. Der Blick des Dieners war geradewegs auf die Augen Al-hamzas gerichtet, und eine erschütternde Entschlossenheit verriet dem Löwen, dass er einen Fehler begangen hatte. Der Mund des Menschen verzog sich zu einem trotzigen Lächeln - dann schlossen sich die Finger der erhobenen Hand. Nein, das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Und doch geschah es. Machtlos sah der Große Löwe mit an, wie diese niedere Kreatur die Lebenskraft des Drachen ergriff und sie ganz und gar in sich aufnahm und seinen Triumph zerstörte.

    Die Lebenskraft des Drachen brannte sich durch Geist und Fleisch des Nomaden. Die aufgerissenen Augen richteten sich auf das brüllende Antlitz des sich in Rage windenden Löwen, der den Betrug realisiert hatte und erkannte, wie ohnmächtig er in diesem Moment war. Die Kraft des Drachen war ihm entglitten, sein unwürdiger Diener hatte sie in sich aufgenommen, und er konnte ihn nicht strafen, weil er sich selbst damit schaden würde. Die Energie raubte Maris den Atem, fraß sich durch sein Innerstes, ließ ihn sich aufbäumen. Eine Flut aus Schmerz ergoss sich in seinen Geist, und doch überwog die Genugtuung, den Tyrann überlistet zu haben, seiner erdrückenden Kontrolle entkommen zu sein.
    Der äußere Sturm legte sich, doch in Maris wütete er noch immer weiter. Der Wüstensohn spürte, wie seine Kräfte anschwollen, er fühlte die Energie der Bestie aus dem Weißaugengebirge in sich. Schließlich kehrte die Stille zurück in den Steinkreis über dem Tempel des Löwen, und einzig Maris und die wutschnaubende fleischliche Form Al-hamzas, des Großen Löwen, blieben zurück. Bedrohlich bäumte sich der Naturgeist vor dem Löwenkrieger auf, doch angesichts dessen, was geschehen war, hatte der König der Katzen seinen Schrecken verloren. Hilflos stand er da, zähnefletschend, krallenscharrend, und wusste sich doch nicht zu helfen.
    "Wie fühlt es sich an, die Kontrolle zu verlieren?", brüllte Maris aus voller Kehle, "Wir sind Eins, du und ich, also behandle mich wie Deinesgleichen! Die Macht ist nicht verloren, aber du wirst mit mir zusammenarbeiten müssen, wenn du sie nutzen willst - gewöhn dich dran!"
    Der Große Löwe machte einen Satz nach vorne und stieß Maris mit der Masse seines Körpers mit Leichtigkeit zu Boden. Der Aufprall raubte dem Nomaden den Atem, doch der Löwe schritt an ihn heran und stellte ihm eine der mächtigen Pranken auf den Brustkorb. Das Gewicht des gewaltigen Körpers lastete auf der Brust des Löwenkriegers, als das Maul des Löwen sich langsam und zähnefletschend seinem Gesicht näherte. Ein tiefes Knurren ließ Maris' Körper erbeben, während sich die fünf Krallen der Löwenpranke spielend leicht in seinen Körper schnitten. Voller Zorn brüllte Al-hamza ihm ins Gesicht, dass seine Ohren klingelten, dann stieß er sich kraftvoll ab und sprang davon. Al-hamza war so plötzlich verschwunden, wie er gekommen war.
    Keuchend, blutend und mit mehr als nur einer gebrochenen Rippe blieb der Nomade allein im Innern des Steinkreises zurück, ohne sich von der Stelle zu regen. Sein Blick war gen Himmel gerichtet.
    Und er lachte.

  2. Beiträge anzeigen #22
    Raubkatze  Avatar von Maris
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    Die Waldbruderschaft im Forenrollenspiel
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    Nordvarant, Lager tief im Sand - Daheim

    "Wie schwer sind seine Wunden?"
    "Fünf gebrochene Rippen, die Lunge hat aber nichts abbekommen. Die Einschnitte der Krallen sind eine halbe Handbreit tief, haben aber nichts Kritisches verletzt. Die Blutungen ließen sich alle stillen. Er dürfte sich gut erholen, stur wie er ist, aber er wird in den nächsten Wochen bestimmt keinen Spaß haben. Nur eine Sache bereitet mir Kopfzerbrechen."
    "Was meinst du?"
    "Er glüht. Seine Körpertemperatur ist höher, als es normal wäre, aber er ist nicht fiebrig. Es scheint vielmehr eine magische Kraft in ihm zu arbeiten, aber mit so etwas habe ich es bislang noch nicht zu tun gehabt."
    "Was denkst du - wie lange, bis er aufwacht?"
    "Du kannst fragen stellen... Würde mich nicht wundern, wenn er noch eine Woche durchschläft! Sein Körper war äußerst erschöpft, als du ihn mir gebracht hast, und ich kann nicht einschätzen, wie viel Kraft ihn diese Magie in seinem Inneren kostet."
    "In Ordnung, dann lassen wir ihn schlafen. Aber bitte gib mir Bescheid, sobald er sich regt. Ich muss mit ihm sprechen..."

    Gedämpft drang das warme Mittagslicht in das Innere des Zeltes, als Maris mit einiger Mühe die verkrusteten Augen öffnete. Er war allein, lag längs ausgestreckt auf einer Bettstatt. Von draußen drang leise ein Kinderlachen an sein Ohr.
    "Was zum..? Wo bin ich?"
    Der Nomade stützte sich auf seine Ellenbogen und versuchte sich aufzurichten, sank aber sofort wieder zurück in das Kissen, als ein stechender Schmerz sich durch seine Brust bohrte.
    "Ahhh! Heilige Mutter, was zum Henker..?"
    "Maris, du alter sturer Bock! Musst du meine Arbeit gleich wieder zunichte machen? Bleib liegen, du Dummkopf!"
    Mit zusammengekniffenen Augen blickte der Wüstensohn auf die Silhouette der Frau, die mit in die Seite gestemmten Fäusten im Zelteingang stand. Ihre langen Haare gingen fließend in die Konturen einer Robe über. Die strenge Stimme dieser Frau war ihm wohlbekannt und durchaus willkommen.
    "Aaliyah? Wie komme ich hierher? War ich nicht..."
    "Das kannst du Shakyor fragen. Der wollte sowieso mit dir reden, sobald du aufwachst, obwohl ich finde, dass du dich erstmal gehörig erholen solltest, bevor ihr eure hochwichtigen Dinge besprecht."
    Unter leidvollem Ächzen rollte sich Maris aus seiner Bettstatt, fand den Boden unter seinen Füßen und richtete sich unbeholfen auf.
    "Shakyor ist hier? Was macht..."
    "Frag ihn selbst, mir erzählt ja keiner was über eure Dummheiten da draußen. Mir wird dann nur ein blutendes Stück Nomadenfleisch mit gebrochenen Rippen vor die Füße gelegt, das ich zusammenflicken darf und das zu schwach ist, um vernünftig mit Magie behandelt zu werden, ohne kritische Abwehrreaktionen auszulösen."
    "Aber ich war doch... der Tempel...", stammelte der Nomade verwirrt.
    "Tempel? Wir sind immer noch in Nordvarant, am Arsch der Welt, um deinen Tiergeschichten nachzugehen. Al Shedim ist weit weg."
    Wäre er nicht so erschöpft und verwirrt gewesen, hätte sich Maris angesichts der altbekannt schnippischen Art Aaliyahs direkt zu Hause gefühlt.

    "Mama, was ist Arsch?"
    Plötzlich stand ein Mädchen von vielleicht zwei oder drei Jahren an Aaliyahs Seite und zog mit fragendem Blick an ihrer Robe. Die Wassermagierin seufzte.
    "Da siehst du, was deine Fragerei anrichtet, Maris."
    Aaliyah kniete nieder, und ihre harte, abweisende Art wandelte sich augenblicklich zu einem fürsorglichen Tonfall.
    "Das ist das, was ganz am Ende ist. Wenn du erwachsen bist, verstehst du das besser. Geh wieder raus und spiel mit Hadiyya, mein Schatz. Ich komme gleich wieder."
    Maris starrte sie mit offenem Mund an. Er hätte sie gern zu der ausgezeichneten Reaktion beglückwünscht, das aufgeschnappte Wort nicht zu verbieten und dadurch noch interessanter für das Mädchen zu machen, aber er war viel zu perplex ob der Tatsache, dass Aaliyah von der Kleinen tatsächlich gerade Mama genannt wurde.
    "Das ist... Du hast..? Ich meine... deine Tochter?", stammelte er mit fragendem Blick, als das Mädchen das Zelt wie gewünscht verlassen hatte.
    "Ja, was hast du denn erwartet? Denkst du etwa, du kannst dich einfach drei, vier Jahre nicht bei deiner Familie blicken lassen und alles steht still?"
    Aaliyah sah die Sippe tatsächlich als Familie an? Die Dinge hatten sich wirklich geändert.
    "Aber... ihr hättet schreiben können."
    "Hast du etwa geschrieben?", entgegnete sie schroff, "So ist das eben, wenn man am anderen Ende der Welt lebt!"
    Langsam fing sich der Nomade wieder von den für ihn schockierenden Neuigkeiten.
    "Wie heißt sie denn? Ist sie von diesem Mann aus Mora Sul, über den Djafar damals getratscht hat?"
    Die Wassermagierin legte ihre harte Haltung ab und taute Maris gegenüber etwas auf.
    "Sie heißt Riya. Und nein, mein Mann ist nicht aus Mora Sul. Er ist hier, du kannst ihn später kennenlernen, wenn du magst. Aber so ist das eben mit Tratschereien: oft ist nur die Hälfte von dem wahr, was man erzählt."
    Hatte sie ihn gerade angezwinkert? Ihre Zähne strahlten ihn aus einem lächelnden Mund an. War das tatsächlich die streitlustige Eiskönigin, die er kannte?
    "Das ist... ich muss das erstmal verarbeiten. Und wer ist jetzt Hadiyya?"
    Das Grinsen in Aaliyahs Gesicht wurde immer breiter. Sie genoss es sichtlich, Maris so verwirrt zu sehen.
    "Das ist die Tochter von Thamar und Wassar. Es hatte gar nicht lange nach deiner Abreise gedauert, da war sie schwanger. Die Zeit mit deiner Kleinen scheint bei ihr einen Nerv getroffen zu haben."
    Ungelenk setzte sich Maris wieder. Thamar war auch Mutter? Er hatte wahrlich eine Menge verpasst. Und keiner hatte ihm etwas gesagt...
    "Na komm, Großer", sagte Aaliyah versöhnlich und trat auf ihn zu, "Ich helf dir auf, und dann setzen wir uns draußen unter die Plane am Feuerplatz. Dann kannst du erstmal etwas essen und trinken und sehen, was du alles verpasst hast."
    Die Wassermagierin nahm Maris' Arm und legte ihn über ihre Schulter.
    "Ja... das klingt nach einer guten Idee."

  3. Beiträge anzeigen #23
    Raubkatze  Avatar von Maris
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    Lager in Nordvarant - Die Spur des Panthers

    Die Mittagssonne schien unerbittlich auf das Zeltlager hinab, und keiner wagte sich hinaus in das gleißende Licht, das den Sand zum Kochen brachte. Sie hatten ihr Lager auf einer breiten Erhebung errichtet, um den erfrischenden Wind zu nutzen, der hier durch die Zelte strich - im Talkessel wären sie gebraten worden. Einige Wochen waren vergangen, seit Maris seinen ganz persönlichen Sieg über den Großen Löwen errungen und sich die Kraft einverleibt hatte, dem Naturgeist einen würdigen Gegenpart bieten zu können. Seit dem Verrat hatte sich Al-hamza nicht mehr offen gezeigt, weder im Wach-, noch im Traumzustand, doch es war dem Nomaden ganz recht so. Die Bestie verstand ganz und gar keinen Spaß in dieser Angelegenheit, und die Narben auf dem Oberkörper des Wüstensohns, zugefügt durch Krallen so hart wie Diamant, belegten das.
    Unter Aaliyahs Fürsorge hatte Maris die Verletzungen auskuriert und selbst der Schmerz durch die fünf gebrochenen Rippen war mittlerweile nur noch halb so schlimm, doch trotz aller Schmerzen hatte er die letzten Wochen vollauf genossen. Er war zu Hause, im Kreise seiner Freunde und stand auf dem Sand, der ihm Heimat bedeutete. Gemeinsam folgten sie einer Aufgabe - den Pantherfürsten zu finden, dem sich Suzuran vor Jahren hatte stellen wollen, der jedoch immer noch sein Unwesen zu treiben schien. Shakyor und sein Löwenfreund persönlich hatten sich der Suche angeschlossen, und selbst die nahebei lagernden Nomadensippen wurde mit eingespannt, indem sie in ihren Gebieten nach Auffälligkeiten Ausschau hielten. Und tatsächlich: die Panthersichtungen schienen sich vor allem im Gebirge ganz im Nordwesten der Wüste zu häufen. Gemeinsam waren sie der Spur bis hierher gefolgt und durchkämmten mühsam das Gebiet. Eine andere Option sahen sie nicht.
    "Mama, mir ist langweilig...", nölte Hadiyya herum und piekte der neben ihr liegenden Riya in den Arm, die den Eindruck erweckte, jeden Moment zu zerfließen und lautlos im Sand zu versickern.
    "Lass dir von Onkel Maris eine Geschichte über die südlichen Inseln erzählen", schlug Thamar vor, "Und hör auf Riya zu ärgern, sonst bekommst du Ärger mit Tante Aaliyah!"
    Hadiyya zog ihren Finger sofort zurück. Nach einigem Zögern erhob sie sich und schlurfte durch den Schatten der Zeltplane zu den beiden Männern herüber, die sich leise am Tisch bei einem Glas heißem Minztee austauschten.
    "Dass du tatsächlich aus Silden kommst... vielleicht haben wir uns schonmal gesehen - wir haben einmal vor einigen Jahren Samhain in Silden mitgefeiert. Thamar hat alle unter den Tisch gesoffen!"
    "Glaub ich dir aufs Wort", entgegnete Maris' gegenüber lachend. "Gegen sie hab selbst ich kaum eine Chance, und ich habe einige Jahre an der Grenze zu Nordmar gelebt."
    Seamus war eine markante Gestalt: Aaliyahs Mann war noch etwas größer gewachsen als Maris, doch er brachte wesentlich mehr Muskelmasse mit. Der vollbärtige Waldläufer mit den rotbraunen Haaren war ein Berg von einem Mann, wie man sie sonst nur im kalten Norden antraf, doch er war eine freundliche Seele und hatte ein ruhiges Gemüt.
    "Getroffen haben wir uns aber eher nicht. Ich war schon lange nicht mehr in Silden - erst im Norden, dann an der Südgrenze Myrtanas. Und dann traf ich Aaliyah."
    Ein Gemisch wie Feuer und Wasser (wobei die Wassermagierin in diesem Falle eher das Feuer verkörperte). Es war erstaunlich, dass diese zwei so unterschiedlich wirkenden Menschen sich gefunden hatten, doch die ruhige Art des Waldläufers erklärte, warum die widerborstige Eiskönigin sich viel aufgetauter gab als in der Vergangenheit.

    "Onkel Maris?", flötete es schüchtern aus dem Munde Hadiyyas.
    "Ja, Kleine?"
    "Erzählst du mir etwas von den südlichen Inseln?"
    Der Nomade lächelte sanft.
    "Na klar erzähl ich dir etwas von dort. Wusstest du, dass es dort einen Baum gibt der so hoch ist, dass seine Krone in den Wolken wächst?"
    Die Augen des Mädchens weiteten sich.
    "Oooh! Kann man da raufklettern?"
    "Oh ja, das kann man. Aber es ist anstrengend, und nur ganz wenige schaffen das. Da oben dürfen aber auch nur ganz weise Leute hin, die der Natur dienen und ihre Geheimnisse hüten."
    "Bist du auch so einer?"
    Maris grinste. Doch bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, regten sich stimmen am Rande des Lagers.
    "Entschuldige, Schatz", sagte der Nomade und erhob sich. Ali, der als Wache eingeteilt war, kam auf ihn zu. "Was ist los, Ali?"
    "Es ist Shakyor. Er sagt, sein Löwe hätte etwas gefunden!"

    "Also Bruder, was habt ihr Zwei entdeckt?", drängte Maris ungeduldig, als sie sich allesamt im Schatten eingefunden hatten. Seamus schien etwas unbehaglich zumute zu sein, dass Shakyors Löwe es sich neben ihm gemütlich machte und sich ausgiebig zu säubern begann, doch er nahm es gelassen.
    "Wir beiden durchkämmten die unzugänglicheren Felsspalten auf dem Ostpass, um nach Spuren Ausschau zu halten. Ich schickte meinen Freund stets voraus, wenn das Terrain nicht mehr für den Menschen geeignet war, und er stöberte einige Höhlen und Durchgänge auf. Lass es dir selbst zeigen, was er fand."
    Maris' Blick wanderte hinüber zu dem Löwen, der seine Wäsche mit heraushängender Zunge unterbrach, und zögerte einen Moment.
    "Seamus, wenn du das jetzt siehst, gehörst du definitiv zur Familie", sagte er mit einem Zwinkern, rückte näher auf den Löwen zu und legte seine Hände auf den Kopf des Löwen.
    "Hey mein Freund, möchtest du mir zeigen, was du entdeckt hast?"
    Maris konzentrierte seine Magie und stellte erstaunlich leicht eine Verbindung zu seinem Gegenüber her. War es die neue Kraft, über die er verfügte, oder die Tatsache, dass er Shakyors Löwen einfach nur sehr gut kannte und das Tier die Verbindung aktiv suchte? Einzelne Bilder in schneller Abfolge schossen durch den Geist des Nomaden, Bilder von Höhlenerkundungen, Eindrücke von Gerüchen und Lichtspielen, die den Löwen in Jagdlaune versetzt hatten. Tief hinab in eine kaum zugängliche Höhle hatte sich das Tier gewagt, doch der Pfad hatte sich nach einiger Zeit verbreitert und war besser begehbar geworden. Es war dunkel, nur vereinzelt strömten Lichtstrahlen durch feine Risse im Gestein in die Höhle hinein. Und dann sah er es, dort lag ein Bündel in einer Ausbuchtung der Höhle. Nein, kein Bündel - beim Näherkommen erkannte er, dass es ein Mensch war. Schwarzes Haar, die feinere Kleidung einer Frau am Körper. Die Farbe wusste der Löwe mit seinen Augen nicht zu erkennen. Ein seltsames Ding schien aus ihrem Kopf zu wachsen - nein, es war eine Art kleiner Krone, fein geschwungen und mit einem kleinen Stein versehen. Der Geruch kam ihm bekannt vor, er zog den Löwen an und stieß ihn zugleich ab. Vorsichtig beschnüffelte er den reglosen Menschen - nicht tot, doch auch nicht schlafend. Ihr Herz schlug langsam, sehr langsam, und ihr Atem war kaum vorhanden. Und dann blickte der Löwe auf das Gesicht des Menschen...

    "Suzuran!"
    Schmerzhaft löste sich die Verbindung zwischen Mensch und Löwe, dass das Tier empört zurücksprang, sich einmal im Kreis drehte und wieder niederließ, um mit der Körperpflege fortzufahren.
    "Was ist mit ihr?"
    Shakyor hob die Schultern.
    "Ich weiß es nicht. Ich selbst habe mich nicht in die Höhle hinein gezwängt."
    "Wo ist das? Bring mich dorthin!"

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    Raubkatze  Avatar von Maris
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    Verborgene Höhle - Die schlafende Katze

    Stück für Stück schob er sich mühevoll vorwärts, der Atem schwer, Ellbogen und Wangen zerkratzt vom Fels. Es war kein Wunder, dass Shakyor sich hier nicht durch gezwängt hatte, wenn selbst er kaum ein Durchkommen fand - und er war deutlich schmaler gebaut als der oberste Nomade. Ächzend schob Maris seinen Degen vor sich her durch den Spalt, den er vom Gürtel gelöst und in der Hand getragen hatte, um nicht unnötig sperrig zu sein, wenn er durch den Felsspalt in die Höhle hinab stieg.
    Was in aller Welt macht die nur da unten?, schoss es ihm immer wieder durch den Kopf, gleich gefolgt von Und was ist mit ihr passiert?, doch das Kopfzerbrechen war sinnlos. Er würde zu ihr gelangen müssen, um Antworten zu erfahren, und dieser Weg führte eben durch den schmalen Spalt.
    Endlich weitete sich die Öffnung im Fels zumindest so weit, dass der Nomade sich auf die Knie begeben konnte und nicht mehr bäuchlings herum robben musste. Vereinzelt drang Licht durch weitere Risse zu ihm ins Halbdunkel herab, sodass der Löwenkrieger sich nicht zu große Sorgen um schlechte Sicht machen musste. Maris erkannte die Windungen der Höhle von dem, was Shakyors Löwe ihm gezeigt hatte, und dem Weg weiter folgend konnte er bald schon aufrecht stehen. Sein Schritt war zügig, denn so sehr ihm Suzuran in all den Jahren Ärger bereitet hatte, er sorgte sich doch um sie - nun, da sie Hilfe zu benötigen schien.
    Voller Unruhe folgte er dem Höhlenverlauf, bis er schließlich die Nische erreichte, in der er das zusammengekauerte Bündel entdeckte.
    "Suzuran!"
    Der Ruf verhallte, doch die Druidin rührte sich nicht. Maris kniete vor ihr nieder, legte ihr die Hände auf die Schultern, schüttelte sie leicht - sie war so reglos wie eine Puppe. Als er ihr Gesicht berührte, um ihren Kopf zu heben, erschrak er darüber, wie kalt sie war - doch sie atmete immer noch, wenn auch so schwach, dass es kaum auszumachen war.
    Hinter ihm erfüllten Geräusche die Düsternis - Djafar, der von einer Erkundung ebenfalls zurückgekehrt war, hatte es in die Hand genommen, ihm hier herunter zu folgen und einen möglichen Abtransport zu organisieren.
    "Maris! Bei der Mutter, das wird ein hartes Stück Arbeit, sie hier herauszuholen. Wie geht es ihr?"
    "Sie ist eiskalt", entgegnete der Löwendiener besorgt, "Sehr schwacher Atem. Absolut keine Körperspannung. Nicht bei Bewusstsein."
    Weiteres Geraschel im Rücken des Nomaden.
    "Wir haben eine improvisierte Trage gebaut, auf die wir sie binden können. Über ein Seil können wir sie dann hoffentlich herausziehen, wenn Aaliyah es schafft, den Eingang mit ihrer Magie etwas zu vergrößern."
    Maris nickte. Er legte seine Hand auf Suzurans kalte Wange und starrte auf den seltsamen hölzernen Kopfschmuck, der an eine Krone anmutete.
    "Dieses Ding..."
    Sie hatte es damals genutzt, als er sie im Tempel von Al Shedim gefangen gehalten und verhört hatte, um mehr über die Geschehnisse herauszufinden. Und wenn er sich recht entsann, hatte sie gehörigen Respekt vor diesem Objekt gehabt.

    "Denkst du, der Panther, den sie gesucht hat, ist in der Nähe?"
    "Hmm..."
    Maris konnte die Augen nicht von der hölzernen kleinen Krone nehmen.
    "Ich werde der Höhle weiter folgen. Bitte lass Aaliyah einen Blick auf sie werfen und bereite die Reise nach Al Shedim vor!"
    Djafar schien nicht begeistert von dem Plan.
    "Brauchst du Rückendeckung? Es ist nicht klug, sich dem allein zu stellen."
    "Nein Bruder, das muss ich allein erledigen, falls es hier überhaupt etwas zu erledigen gibt."
    Sein Blick haftete weiter auf der hölzernen Krone.
    "Wir sollten sie ihr abnehmen. Wer weiß, was dieses Ding anrichtet, wenn man sie zu lange trägt."
    Vorsichtig streckte er die Finger nach ihr aus, doch als die Fingerspitzen das Holz berührten, streckten ihn Bilder von so heftiger Intensität nieder, dass sein Kopf sich anfühlte, als würde er jeden Moment zerplatzen. Unkontrolliert drang die Vision auf ihn ein, so wild, dass Maris kaum etwas von dem Gesehenen wirklich wahrnahm. Als der Sturm nachließ, fand er sich die Krone in den verkrampften Händen haltend auf dem Boden der Höhle wieder.
    "Maris! Was ist los?"
    Es dauerte einen Moment, bis der Löwenkrieger sich wieder gefangen hatte.
    "Vision. Selten so ne heftige erlebt."
    Djafar schnaubte. Er sah sich darin bestätigt, dass Maris das hier nicht allein machen sollte.
    "Was hast du gesehen?"
    "Hab nicht die geringste Ahnung."
    Er würde darüber nachdenken müssen, was er gesehen hatte, doch einige wenige Bilder waren ihm doch hängen geblieben.
    "Nur, dass Suzurans Reise hierher tatsächlich mit dem Panther zu tun hatte."
    Er rappelte sich auf.
    "Ich muss weiter."

    "Willst du mich verarschen? Komm mit zurück zum Lager, werte aus, was passiert ist und baue einen ordentlichen Plan auf!", insistierte Djafar aufgebracht.
    "Nein, vielleicht ist die Spur noch frisch. Wer weiß, wie die Regeln für diese Naturfürsten aussehen? Vielleicht ist das die einzige Chance, das Vieh aufzuspüren."
    "Aber..."
    "Keine Widerrede, mein Freund. Du kümmerst dich um ihre Bergung, ich gehe weiter."
    Er ließ die Krone in einer der tiefen Taschen seiner Kluft verschwinden.
    "Und das Ding nehme ich mit."
    Djafar schüttelte besorgt den Kopf.
    "Das ist eine ganz schlechte Idee..."
    Maris lächelte verschmitzt.
    "Sind es nicht die schlechten Ideen, die uns dahin geführt haben, wo wir heute sind?"

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    Verborgene Höhle - In den Schatten

    Schritt für Schritt führte ihn die Höhle tiefer in das Gebirge hinein. Djafar hatte ihm eine Fackel mitgegeben, doch angesichts der Enge wünschte sich Maris, er hätte sich irgendwann in der Vergangenheit einmal zeigen lassen, wie man eine magische Lichtkugel heraufbeschwor. Die Hitze des Feuers brannte ihm auf den Wangen, die Fackel war so nah, dass er sich mehr selbst blendete, als den Weg auszuleuchten. Hier unten herrschte eine so dichte Stille, dass der Nomade das Gefühl hatte, selbst das Geräusch seiner Schritte würde beinahe verschluckt. Doch es waren nicht die Enge und auch nicht die Dunkelheit, die diese Erkundung so unbehaglich machten - er spürte, dass hier mächtige Magie am Werke war.
    Je weiter er schritt, desto stärker schien eine seltsame Kraft von der hölzernen Krone Suzurans auszugehen, die er sich an der Taille an die Nomadenkluft gebunden hatte. Die Magie rief nach ihm, doch ein gewaltiges Widerstreben, dieses Ding zu nutzen, das Suzuran in diesen Zustand versetzt hatte, und sich einem Artefakt der Panther hinzugeben, hielt ihn davon ab, dem Drang nachzugeben. Dennoch: dieses merkwürdige Relikt schien auf seine Umgebung zu reagieren. Der Schein der Fackel schien immer mehr unterdrückt zu werden, je weiter er schritt - die Dunkelheit verdichtete sich zu einer einzigen schwarzen Suppe, die man beinahe greifen konnte. Suzurans Krone jedoch schien einen feinen Riss im Gewebe der Finsternis zu verursachen, und egal wie sehr sich das Dunkel verdichtete, es umschloss Maris nie vollkommen.
    Der Diener des großen Löwen wusste, dass er seinem Ziel nahe war. Hier war eine gewaltige Kraft am Werk, und es war kaum vorstellbar, dass es sich dabei um etwas Anderes handelte als den Pantherfürsten, der das Gleichgewicht in Varant so sehr bedrohte. Er wappnete seinen Geist, konzentrierte seine erst kürzlich erstarkten magischen Kräfte. Dies konnte das Ende des Weges sein - oder der Anfang eines weiteren. Dennoch vertraute der Nomade auf seine Kraft und die seiner Verbündeten - so sehr Al-hamza ihn als Ärgernis empfinden mochte, er würde seinen Tod nicht zulassen, wenn das bedeutete, dass auch er selbst erneut in den Schlaf des Todes fallen musste, um auf eine neuerliche Wiedergeburt zu warten. Und dann gab es da noch zwei andere Waffenbrüder, die vermutlich noch nichts von ihrem Glück wussten und sich nur mit ihrem Äonen dauernden, brüderlichen Konflikt beschäftigten...

    Als die Finsternis so dick war, dass Maris sie schon körperlich spüren konnte und sich fühlte, als liefe er gegen eine Wand aus Nichts, ertrug er das ständige Drängen der Magie der Krone nicht mehr. Von der Fackel ging mittlerweile nicht mehr als ein Glimmen aus - seufzend ließ er sich fallen und löste das Artefakt von seiner Kluft. Das geschwungene, feine Holz fühlte sich kalt, hart und glatt an. Eine fremdartig scheinende Magie ging von diesem Gegenstand aus, und die Verlockung, diese Kraft zu erkunden, löste eine Begierde aus, der man kaum widerstehen konnte.
    "Ach, was soll's..."
    Maris hielt die Krone in beiden Händen und führte sie langsam zu seinem Haupt hin. Es war, als lichtete sich der Schleier der Dunkelheit vor seinen Augen, und er sah, dass er sich am Eingang einer gewaltigen Kammer befand. Sie schien der Ursprung des Dunkels zu sein - und dort, inmitten der Kammer, sah er ein paar leuchtender Augen, das tödlich lauernd seine Beute betrachtete.
    Erschrocken riss er die Krone beiseite, noch bevor sie seinen Kopf endgültig berührte, und sah sich wieder von Dunkelheit umgeben. Doch die Augen waren nicht verschwunden. Sie starrten ihn immer noch in aller Grausamkeit an.
    Dann gibt es wohl kein Zurück mehr...
    Mit dieser Bestie gab es kein Verhandeln, kein Ergründen des Wie und Warum. Diese Augen wollten töten, wollten ihr Opfer bluten sehen. Maris lenkte die gesammelte magische Kraft in einen Zauber, mit dem er einen ganz speziellen Geruch absonderte, um sehr spezielle Wesen anzulocken. Nein, es waren zwei spezielle Gerüche, die er nur bei einer einzigen Gelegenheit flüchtig wahrgenommen, doch mit Hilfe seiner Erinnerungskraft und genügender Vorbereitung entschlüsselt hatte. Womit er nicht gerechnet hatte, war die Intensität dieses Geruchs: der stechende Gestank von Katzenurin erfüllte die dunkle Leere und raubte ihm völlig die Sinne. Maris hoffte, dass die Markierungsdüfte dieser beiden Exemplare auch aus dieser merkwürdigen Höhle herausdringen und die beiden Brüder anlocken würden, doch für den Moment war er auf sich gestellt.

    Die smaragdfarbenen Mörderaugen waren weit aufgerissen, und ein unruhiges Knurren vibrierte im dichten Schwarz. Maris spürte, dass dieser Schatten die Furcht selbst zu seiner Waffe machte, und alles in ihm schrie nach Flucht, doch er nahm all seinen Mut zusammen und schritt auf die Finsternis zu.
    "Du bist in das Revier eines größeren Räubers eingedrungen, Panther!"
    Er sammelte seine Magie für den nächsten Zauber.
    "Das Unheil, das du bringst, hat die Natur meiner Heimat auf den Kopf gestellt. Wir werden das jetzt richtigstellen."
    Die Augen regten sich. Ohne den Körper des Schatten zu sehen, erkannte Maris die Bewegung. Seine Hand wanderte auf eines der Pergamente in seiner Tasche, auf denen das Zeichen des Löwen abgebildet war, während die Kreatur seinen Körper für den Sprung spannte.
    "Im Namen der großen Katze wird deine Existenz enden!"
    Mit einem gewaltigen Satz schnellte der schwarze Jäger auf ihn zu, doch aus dem Nichts erschien der Geist eines Löwen und warf sich der Bestie entgegen. Für einen kurzen Moment sah Maris im Aufleuchten der Geistergestalt die Konturen des Pantherfürsten, dessen Fell aus wabernden Schatten zu bestehen schien. Eine Erschütterung ließ die Höhle erbeben, als der wuchtige Sprung des Panthers von dem Geist gestoppt wurde und die Kreatur auf den Boden schlug, während der Geist augenblicklich wieder verschwand. Brüllend bäumte sich die Bestie auf und umkreiste ihre Beute - nun ging sie mit mehr Vorsicht in den Kampf als zuvor.
    Maris öffnete den Mund und entließ eine gewaltige Menge an Sumpfkrautrauch aus seiner Kehle. Wenn er selbst schon nichts sehen konnte, sollte es dem Biest nicht besser ergehen. Vorsichtig bewegte er sich durch den Raum und lud den potenten Rauch an verschiedenen Stellen mit seiner Magie auf, sodass ein magisches Leuchtfeuer zurückblieb, das dem Panther noch mehr die Orientierung rauben sollte. Langsam zog er schließlich seinen Degen - die lederne Scheide verursachte glücklicherweise keine Geräusche dabei.

    Flach atmend verharrte Maris in der Dunkelheit. Er hatte dafür gesorgt, dass sie beide nur aus nächster Nähe zuschlagen konnten, doch der Panther kannte diesen Ort besser als er und der Krautatem würde sich nicht für immer im Raum halten. Wo war das Vieh nur?
    Die Frage erübrigte sich wenige Momente später, als der Pantherfürst ein markerschütterndes Brüllen ausstieß. Einen Moment lang geschah nichts, doch nach einigen Momenten der Stille wurde der Ruf des Fürsten von einigen seiner Diener beantwortet. Unzählige Pantherkehlen ließen ihr Brüllen in der Ferne erschallen.
    Verdammter Dreck...
    Die Finsternis blieb. Maris bewegte sich weiter vorsichtig durch den Raum, doch er konnte seinen Gegner nicht finden. Nach und nach lichteten sich die Rauchschwaden - dann sah er nicht nur die Augen des Pantherfürsten, sondern mindestens ein Dutzend weiterer Augenpaare, die ihn umzingelten.
    Schwer und scharf stieß Maris die Luft aus, als die blanke Panik ihn übermannte. Es war diese Kreatur, sie pflanzte das Entsetzen geradezu in sein Herz! Er war allein in tiefster Finsternis, umzingelt von Unmengen an Gegnern, die ihre schutzlose Beute zerfleischen und ein weiteres Hindernis auf ihrem Weg zur Herrschaft über Varant aus dem Weg räumen wollten. Er würde hier sterben, allein und vergessen, und niemand würde seine Knochen finden. Alle Hoffnung fuhr hinfort, die nackte Angst blockierte das Denken des Löwenkriegers. Schutzlos und unfähig sich zu wehren blickte er seinem sicheren Untergang entgegen.
    Doch plötzlich zerriss die Dunkelheit. Goldener und silberner Schein strahlten durch die Risse in den Schatten, und unter majestätischem Gebrüll sprangen der edle goldene Löwe der Ebenen und der kräftige silberne Löwe der Berge daraus hervor. Aus der Ferne erschallte weiteres Gebrüll - auch die Löwenfürsten hatten ihre Schützlinge herbei gerufen.

    Sein Plan, die Fürstenbrüder anzulocken, hatte funktioniert! Mit einem Schlag hatte die Furcht des Panthers keine Macht mehr über ihn und der Kampfgeist kehrte in sein Herz zurück.
    Das war der Wendepunkt, da war er sich sicher!
    Geändert von Maris (08.05.2018 um 13:14 Uhr)

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    Raubkatze  Avatar von Maris
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    Verborgene Höhle - Der Fall des Fürsten

    Erleichtert blickte Maris auf die beiden Löwenfürsten, die seinem Lockzauber gefolgt waren und ihren Bruderzwist beiseite schoben, um den gemeinsamen Feind zu vernichten.
    "Ihr kommt aber auch wirklich keinen Moment zu spät!"
    Der Riss in der immer noch fast stofflich präsenten Finsternis im sie herum ließ ein wenig Licht hinein, und so sehr sich das Dunkel auch zu wehren versuchte, gelang es ihr doch nicht, die Lücke zu schließen. Die Löwenfürsten strahlten ihrerseits ein Licht ab, das selbst diesen unheiligen Ort erhellte - der eine golden, der andere silbrig. Das Brüllen der Brüder wurde aus immer mehr Löwenkehlen beantwortet, die immer näher schienen, und bald erblickte der Nomade die Mähnen einiger Tiere im Halbdunkel. Eine Höhle voller blutlüsterner Raubkatzen... dieser Kampf würde eine wahre Schlacht werden!
    Plötzlich wirkte der Schatten, der immer noch über allem thronte, bei weitem nicht mehr so bedrohlich. Die Löwen waren in seine Höhle eingedrungen, doch die Chancen standen nicht mehr auf seiner Seite. Doch als hätte er sich auf die Macht seiner Grausamkeit besonnen, schien das Schwarz schlagartig wieder dunkler zu werden. Jeder sehnige Körper der vielen Räuber, die hier aufeinander trafen, war bist zum Zerbersten gespannt. Es war der silberne Löwe, der sich auf den Pantherfürsten stürzte und die Schlacht eröffnete.

    Das Halbdunkel der Höhle versank in Gebrüll und Chaos, als die Katzen übereinander herfielen. Fänge schlugen in Fleisch, Krallen bohrten sich durch Pelz und Haut. Die Löwenbrüder stürzten sich gemeinsam auf den Pantherfürsten, und es schien, als zerriss die Dunkelheit in gewaltige Fetzen. Licht und Schatten schienen im ständigen Widerstreit, überall fielen mächtige Leiber übereinander her. Maris verlor den Kampf der Naturfürsten aus den Augen, als einer der Panther sich vom Leichnam eines erlegten Löwen löste und verletzt auf ihn zupreschte. Er ließ sein Schwert fallen und griff in seine Tasche, wo die Hand erneut den Weg zu einem der Pergamente mit dem Zeichen des Löwen fand. Die Rolle zerfiel unter dem Magiestoß und ein weiterer Geisterlöwe erschien aus dem Nichts, um den Panther abzufangen. Unerbittlich stürzte sich der Löwe auf das verletzte Tier und brachte es mit einem Biss in die Kehle zur Strecke, bevor es verschwand.
    Schnell griff Maris nach seinem auf dem Boden liegenden Degen und wandte sich um, als ein weiterer Panther und ein Löwe eng im Kampf verschlungen in seine Reichweite gerieten. Der Nomade passte einen günstigen Moment ab und stach schnell und präzise in den Leib des Panthers, als er sicher sein konnte, nicht seinen Verbündeten zu erwischen. Er blickte sich um und fand die Fürsten ein gutes Stück entfernt wieder. Beide Löwenfürsten hatten ernsthafte Verletzungen davongetragen, aber kämpften ohne ein Zeichen der Schwäche weiter. Der Körper des Panthergeistes war zu dunkel und undefinierbar, um Verletzungen auszumachen.
    Ohne auf die anderen Kämpfe zu achten, bahnte sich der Nomade seinen Weg zu den mächtigen Raubkatzen hinüber. Die Löwenbrüder attackierten den Pantherfürsten von zwei Seiten, doch die Bestie schien ihnen immer wieder zu entwischen! Der Leib des Panthers wurde Eins mit den Schatten und stahl sich so ein ums andere Mal in den Rücken seiner Gegner.
    Die magischen Reserven des Löwenkriegers waren beinahe aufgebraucht, doch für einen letzten Zauber genügten sie noch. Im Näherkommen nahm Maris Kontakt zum Geist des goldenen Löwen auf und übermittelte eine simple Botschaft:
    "Lass deinen Bruder kämpfen! Vertreibe die Dunkelheit!"

    Der Goldene stockte, dann richtete er sich zu voller majestätischer Größe auf und mit einem markerschütternden Brüllen erfüllte ein gleißendes goldenes Licht den Raum. Als der Silberne angriff, konnte sich der Pantherfürst nicht mehr davonstehlen. Maris erreichte die kämpfenden Fürsten und stach sofort zu. Seine Klinge glitt an dem Fell, das aus wabernder Dunkelheit zu bestehen schien, einfach ab und verursachte kaum Schaden, doch der Panther wandte sich ruckartig zu ihm um und schlug seine Fänge wie ein schwarzer Blitz in die entblößte Schulter des Nomaden.
    Gleißender Schmerz duchfuhr Maris' ganzen Körper und raubte ihm den Verstand. Es fühlte sich an, als kochte sein Blut, als die Zähne sich in sein Fleisch gruben. Ätzend troff der Geifer in die Wunde, und Maris sah nur noch die mordlustigen Augen inmitten tiefster Finsternis, als sein Denken sich verabschiedete.
    Mit einem Ruck löste sich ein Teil des Schmerzes und das strahlende Silber des Fürsten der Berge zuckte unscharf vor seinem betäubten Verstand auf. Als sein Blick wieder klarer wurde, erkannte Maris, dass der Silberne die fehlende Deckung des Pantherfürsten genutzt und ihn mit einem Biss an die Kehle zu Boden gerungen hatte. Als der Schatten um sie herum sich endgültig verflüchtigte, stürzte sich auch der Goldene auf die dunkle Bestie und ließ die Krallen auf den Leib hinab fahren. Doch plötzlich schreckten die beiden Löwenfürsten zurück. Sie gaben den Blick auf den schwer gezeichneten Panther frei, doch der silberne Löwe brüllte und wand sich vor Schmerz. Pechschwarzes Blut seines Gegners tropfte von seinen Zähnen, doch es schien, als ergriffe die Finsternis von ihm Besitz. Der Löwenfürst wehrte sich mit aller Kraft, doch in feinen Adern breitete sich das klebrige Schwarz auf seinem ganzen Körper aus und ließ das strahlende Silber ersterben. Unter Schmerzensschreien verschwand der silberne Löwe mit einem Schlag ins Nichts, und sein goldener Bruder folgte ihm erschüttert in die Flucht.

    Unter brennenden Schmerzen im Körper blieb Maris allein zurück. Kraftlos wandte er sich um - überall lagen die Leiber der gefallenen Raubkatzen, die Überlebenden waren scheinbar ebenfalls geflohen. Erst jetzt bemerkte er, dass die Kammer gen Himmel eine breite Öffnung besaß, durch die das Licht herein flutete - nun, da der Schatten vertrieben war.
    Schnaubend wand sich der schwer verletzte Pantherfürst vor ihm, richtete sich kraftlos auf. Die Bestie war noch nicht tot, und das Dunkel seines Blutes schien nun auch einen der Fürstenbrüder befallen zu haben. Hasserfüllte Augen richteten sich nur auf ihn, und er war viel zu erschöpft, um zu fliehen oder selbst anzugreifen. Doch plötzlich erkannte Maris es: er hatte diesen Moment schon einmal gesehen. Er wusste, was geschehen würde, und eine seltsame Ruhe überkam ihn. Der Panther spannte sich für einen letzten Sprung an die Kehle seines Opfers. Blitzschnell schoss der Schatten auf den Nomaden zu, dessen linke Hand den Griff seines Degens fand. Im Sonnenlicht strahlend reckte sich der Stahl der Bestie entgegen, als er Schatten ihn erreichte, und bohrte sich tief in den Rachen der Kreatur. Die Klinge brach nah am Heft.
    Erstaunt riss die Bestie ihre Mörderaugen auf, versuchte verzweifelt, noch ein letztes Mal in den Leib ihres Feindes zu schnappen, doch die Fänge des Pantherfürsten bohrten sich durch kein Fleisch mehr.
    Der Schatten war endgültig in die Dunkelheit gestürzt.

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    Raubkatze  Avatar von Maris
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    Lager in Nordvarant - Ein Sieg, der keiner ist

    "Du kannst einfach nicht in ein Abenteuer kommen, ohne halb zerstört wieder aufzukreuzen und dich von mir zusammenflicken zu lassen, hmm?"
    Aaliyahs Worte klangen mild, ein Scherz zur Aufmunterung und nicht der übliche anklagende Unterton. Viel zu lange schon untersuchte sie die unerträglich brennende Wunde an der rechten Schulter, die der Pantherfürst ihm zugefügt hatte. Ihr Blick war besorgt, doch Maris bemerkte es nicht, denn er war zu sehr damit beschäftigt, die Geschehnisse zu verarbeiten und einzuordnen.
    "Das war kein gewöhnlicher Naturfürst", murmelte er kopfschüttelnd.
    "Und durch mein Handeln ist der Silberne nun - AU! Scheiße, das ist noch schlimmer als vorher!"
    Aaliyah löste die Hände von seiner Schulter und blickte ihn ernst an.
    "Mein Können wird da nicht helfen. Was auch immer diesem Ding seine Macht gegeben hat, sorgt dafür, dass meine Magie abgestoßen wird."
    Maris stieß entnervt die Luft aus.
    "Irgendeine Idee, was das sein könnte?"
    Die Wassermagierin zuckte mit den Schultern.
    "Genaues kann ich dir nicht sagen, dafür braucht es einen Experten. Aber für mich sieht es so aus, als handelt es sich um die Magie Beliars."
    Der Nomade nickte und blickte finster in die Ferne.
    "Das ist es, was ich mir auch schon gedacht habe. Ein Pantherfürst, korrumpiert von der Macht Beliars. Und wegen mir ist der Silberne nun von der gleichen Seuche befallen."
    "Hör auf, dir Vorwürfe zu machen!", widersprach Aaliyah scharf. "Du hast dich diesem Vieh gestellt und es besiegt. Nach dem, was du erzählt hast, hätte das kaum jemand überlebt."
    Maris schüttelte den Kopf und schwieg. Erst nach einer Weile setzte er wieder zum Sprechen an.
    "Fragt sich nur, wer dafür verantwortlich ist. Um ein so mächtiges Wesen wie einen Naturfürsten zu korrumpieren, ist starke Magie nötig."
    Die Magierin schüttelte ihren schwarz gelockten Schopf.
    "Das ist wirklich nicht mein Gebiet. Vielleicht solltest du mit jemandem darüber reden, der sich mit dunkler Magie besser auskennt und dem du trauen kannst."

    Einige Stunden später war die Niedergeschlagenheit im Lager eingespielter Geschäftigkeit gewichen. Die Sippe machte sich bereit für die Rückreise nach Al Shedim, nachdem ihre Aufgabe hier abgeschlossen war - ob nun zum Guten oder nicht. Nach dem Ende des Kampfes hatten seine Freunde den Löwenkrieger gefunden und durch die große Öffnung in der Höhlendecke recht einfach heraushelfen können. Der Kadaver des Pantherfürsten war wie ein Schatten im Lichtschein verschwunden - mehr als ein wenig pechschwarzen Blutes war nicht geblieben, doch zumindest davon hatte Maris etwas in ein Fläschchen gefüllt, um es verständigeren Magiern zu zeigen und deren Meinung zu hören.
    Bei der Abreise blickten die Nomaden noch einmal mit einem Schauer auf dem Rücken in Richtung der Berge, in denen sich der furchtbare Kampf abgespielt hatte. Schließlich hielten sie in der Nähe eines Gebirgsausläufers, und Shakyor trat an Maris heran.
    "Also dann, mein Freund..."
    "Danke, dass du dich um die Leichname der Löwen und Panther kümmerst. Sie sind alle Opfer dieser Verderbnis."
    Der oberste Nomade nickte ernst.
    "Solltest du schon fort sein, wenn ich nach Al Shedim nachfolge: wir werden die Augen offen halten, was die Natur und das Verhalten der Löwen betrifft. Wenn irgendetwas Auffälliges geschieht, erfährst du davon."
    Maris rang sich ein Lächeln ab.
    "Ich weiß deine Hilfe und die unserer Brüder zu schätzen. Vielleicht finde ich auf Argaan auch etwas mehr darüber hinaus."
    Shakyors Stirn lag in Falten.
    "Und du sagst, in diesem Schwarzmagierkastell leben Diener Beliars, deren Wort man vertrauen kann?"
    "Bedingungslos vertrauen würde ich ihnen nicht", entgegnete Maris, "aber sie sind Forscher. Sie dürften auch an der Aufklärung eines Ereignisses interessiert sein, das höchstwahrscheinlich mit der Magie ihres Gottes zusammenhängt."
    Der Oberste atmete schwer aus.
    "Pass auf dich auf. Denk daran: auch deine Kraft kennt Grenzen."
    Er blickte auf Maris' verletzte Schulter, die in Bandagen liegend unter der Nomadenkluft versteckt war.
    "Keine Sorge, das wird schon", entgegnete Maris lächelnd. "Mutters Segen mit dir, Freund."
    "Und mit dir auch."

    Die kleine Karawane zog bald darauf gen Süden, die bewusstlose Suzuran auf eine Trage gebunden, die ähnlich einem Schlitten hinten am Geschirr des letzten der fünf Kamele befestigt war. Sie würden sich nach dem Zustand ihrer Verletzten richten müssen, um zu sehen, wie schnell sie reisen konnten.
    Der Weg nach Al Shedim war lang.

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    Raubkatze  Avatar von Maris
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    Zeltlager, nördlich von Mora Sul - Eine schwierige Reise

    "Setz dich in den Schatten und trink ein wenig Tee! Du gönnst dir viel zu wenig Ruhe!"
    Thamar baute sich mit verschränkten Armen vor Maris auf - wenngleich das bei ihrer geringen Körpergröße nicht viel zu bedeuten hatte. Doch sie meinte es ernst.
    "Na gut, wenn's sein muss..."
    "Aaliyah soll sich deine Schulter dann gleich nochmal anschauen. Du siehst echt scheiße aus."
    Der Nomade lächelte schwach.
    "Pass auf, was du vor den Kindern für Worte in den Mund nimmst..."
    Mit scharfem Blick streckte sie ihm den Zeigefinger entgegen.
    "Nicht lustig. Ruhe. Jetzt."
    Abwinkend wankte Maris von dannen und trollte sich hinüber zu dem abseits gelegenen Schattenplatz, an dem auch Suzuran gelagert wurde. Aaliyah, die seit Maris' Rückkehr mehr als genug Gelegenheit hatte, ihre eingerosteten Kenntnisse als Heilerin wieder aufzufrischen, war gerade mit der Untersuchung fertig, als er sich auf den Teppich unter der Zeltplane fallen ließ.
    "Wie sieht's aus?"
    "Unverändert", entgegnete die Wassermagierin, "Sie ist stabil, körperlich scheint sie vollkommen in Ordnung zu sein. Aber ihr Verstand ist vollkommen verschlossen, als ob sie den tiefsten Schlaf aller Zeiten schläft. Und sämtliche Körperfunktionen sind auf einen Bruchteil des Normalen heruntergefahren. Soll ich mir mal deine Schulter ansehen?"
    "Später", winkte er ab. "Gönn dir eine Pause. Wir haben noch ein wenig Zeit, bis die Sonne nachgelassen hat und wir weiter können."

    Am späten Vormittag hatten sie die Karawanserei passiert und sich schnell mit neuem Proviant eingedeckt, um vor der Nachmittagshitze noch ein Stück des Weges zurücklegen zu können. Am Rande der Karawanenstraße hatte die Sippe nun ihr provisorisches Lager aufgeschlagen und ruhte aus, um am späten Nachmittag mit neuen Kräften bis nach Mora Sul gelangen zu können. Djafar war vorausgeritten, um Jubair Bescheid zu geben, damit die Tür zu seinem Haus für sie offen stand, wenn sie kamen.
    Als sich Aaliyah nach kurzem Protest zurückzog, rückte Maris an Suzuran heran und blickte besorgt auf sie herab.
    "Läuft alles nicht sonderlich toll, was?"
    Er drückte ihre Hand und erschauderte, als er spürte, wie kalt sie war.
    "Diese Krone, oder was auch immer das ist... du hättest sie nicht benutzen dürfen. Wir hätten gemeinsam nach dem Pantherfürsten suchen sollen - egal, wie sehr wir auf verschiedenen Seiten in diesem Streit stehen mögen. Jetzt scheint alles noch schlimmer zu sein als vorher."
    Der Löwenkrieger schüttelte traurig den Kopf.
    "Ich bringe dich zu Ornlu. Vielleicht weiß er, wie wir dir helfen können. Und ich werde herausfinden, was mit dem Panther geschehen ist."
    Maris zog die kleine Phiole mit dem pechschwarzen, verderbten Blut der Kreatur hervor.
    "Vielleicht kann man uns auch im Kastell helfen. So ungern ich das zugebe..."
    Seine Erinnerungen an den letzten Besuch dort waren alles andere als positiv, doch er musste gestehen, dass es der beste Anlaufpunkt war, wenn man ungeklärte Fragen über das Wirken dunkler Magie hatte.
    "Du wirst schon sehen: wir kriegen das hin. Dieser Kampf ist noch lange nicht vorbei, aber wir haben es schon so manches Mal mit Kräften zu tun gehabt, die wir nicht verstehen, und sind immer noch hier."
    Maris wollte wieder zurück nach Hause. Nicht das Zuhause, in dem er sich gerade befand - seine Heimat, sein Varant - sondern in die hässliche, enge und völlig überfüllte Burg am Silbersee, wo seine Kinder und seine mittlerweile wohl hochschwangere Frau auf ihn warteten. Es wurde wirklich Zeit, dass er zurückkehrte.
    "Halte einfach durch, ja?"
    Als appellierte er auch ein wenig an sich selbst...

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    Raubkatze  Avatar von Maris
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    Al Shedim - Abschied

    Die Zeltreihen um den Tempel von Al Shedim waren wieder zahlreicher als früher.
    Nach einer Nacht im Hause Jubairs und seiner Familie in Mora Sul, die ihnen einen Luxus bot, wie ihn Maris schon lang nicht mehr erlebt hatte, waren sie gleich am nächsten Morgen zum großen Versammlungsort der Nomaden weitergezogen, der sich nach und nach wieder zu einer stehenden Siedlung zu entwickeln schien. Der Löwenkrieger hatte den gemütlichen Aufenthalt in der Heimat seiner Jugend - eben jenes Mora Sul - aufgrund der Schmerzen in seiner Schulter und all der Zweifel ob der gefühlten Niederlage kaum genießen können, doch als er sah, dass seine zweite Heimat wieder zu erblühen begann, war sein Herz vor Freude aufgegangen. Nicht zuletzt hatten die Flüchtlinge aus Setarrif, die damals per Schiff vor dem Angriff des Drachen gerettet und hierher gebracht worden waren, einen großen Teil dazu beigetragen. Selbst Alma und Arvo, die damals in der goldenen Stadt Argaans als Haushälter bei ihnen gelebt hatten, waren ihm über den Weg gelaufen und so hatte es ein zwar kurzes, doch recht herzliches Wiedersehen gegeben. Freilich war die Stadt bei weitem nicht mehr so groß wie in ihrer Blütezeit vor knapp zehn Jahren, doch es war deutlich zu sehen, dass man sich hier eingerichtet und eine neue Generation von Mitgliedern des Wüstenvolkes das Zepter übernommen hatte.
    Leider war die Zeit viel zu knapp, um jeden zu besuchen, dem er gern einen Besuch abgestattet hätte. Das waren nicht nur die Nomaden, sondern auch Mitglieder des Kreises des Wassers - allein auch deshalb, weil sich ein erfahrener Heiler wie Warus hätte seine Verletzung anschauen können. Doch Maris wollte so schnell wie möglich nach Argaan zurückkehren, da er Suzurans Zustand als stabil genug einschätzte, um die Überfahrt zu wagen. Er hoffte, dass seine nächste Rückkehr nach Al Shedim mehr Gelegenheit bieten würde, mit vertrauten Gesichtern zu sprechen und sich etwas mehr zu Hause zu fühlen, als es diesmal der Fall war.

    "Grüß dich, Maris! Djamal schickt mich. Ich soll dir mitteilen, dass alles bereit ist."
    Seamus trat von der Seite an den Nomaden heran, der sich auf dem Tempelvorplatz stehend in Gedanken verloren hatte.
    "Ist es schon so weit? Klappt das gut mit Suzurans Lager?"
    Der rothaarige Hüne nickte.
    "Djafar, Azad und ich haben die Kleine mit einem Boot raus Djamals Dau gebracht und ihr ein vernünftiges Lager bereitet, sodass sie die Fahrt sicher überstehen sollte."
    "Und ihr seid euch wirklich sicher, dass ihr das tun wollt?"
    Seamus zuckte lächelnd mit den Schultern.
    "Du weißt doch, wie stur Aaliyah ist. Meinst du, sie lässt dich und die Frau unbeaufsichtigt übers Meer fahren, wo ihr doch beide Pflegefälle seid? Außerdem wollten Riya und ich die südlichen Inseln sowieso gern einmal sehen."
    Maris war nicht wohl dabei, dass auf Djamals Dau neben Suzuran und ihm auch noch eine junge kleine Familie mitfuhr, so sehr er ihre Fürsorge zu schätzen wusste.
    "Außerdem kannst du mit deiner Schulter schlecht mit anpacken", ergänzte der Waldläufer und fügte lächelnd hinzu: "Und sowieso habe ich aus verlässlicher Quelle gehört, dass du auf dem Meer nicht die größte Hilfe bist, die man sich vorstellen kann."
    Maris zog eine Schnute, wenngleich er nicht wirklich böse sein konnte.
    "Nicht lustig."
    Dass er trotz jahrelanger Konfrontationsversuche immer noch schwer an seiner panischen Angst vor den Tiefen des Meeres zu knabbern hatte, war innerhalb der Sippe wahrlich kein Geheimnis.

    Wenige Stunden später war der Moment des vorläufigen, neuerlichen Abschiedes gekommen. Thamars Tochter Hadiyya heulte wie ein Schlosshund, als ihre Freundin ohne sie zu ihrem Abenteuer aufbrach und zusammen mit Aaliyah in einem Boot zur Dau übergesetzt wurde. Als Letzte wurden Seamus und Maris abgeholt - der Abschied von seinen Sippenbrüdern und -schwestern viel herzlich aus, doch es mischten sich auch andere Gesichter unter diejenigen, die dem Löwenkrieger eine gute Reise wünschen wollten: Fyr der Adept, Alma und Arvo, selbst Sirii meinte Maris auf einer Ruine sitzend ausmachen zu können. Zu gern hätte er sich mit ihr noch einmal magisch verbunden und ihr warme Grüße von Aniron ausgerichtet, doch die Katzenohren waren schon bald wieder hinter den abgenutzten Steinen verschwunden.
    Schließlich nahm Maris seinen Mut zusammen und stieg in das Boot, das auch Seamus und ihn übersetzen sollte. Immerhin, früher hätte er nicht auf diese Art abreisen können - insbesondere, nachdem ihm dereinst vor über 10 Jahren als frisch gebackener Wasserträger sein damaliger Kamerad Mirakuli aus Versehen im Spaß fast ertränkt hätte, an eben jener Stelle vor dem Ufer Al Shedims. Doch die Dinge änderten sich - die Menschen entwickelten sich weiter.
    Es wurde Zeit, zurückzukehren.

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    Fischjägerin  Avatar von Larah
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    Dorth-Lager, unweit der Passstraße nach Nordmar, nördliche Sildenwälder, Myrtana

    Larah drückte die Zeltplane einen Spalt breit zur Seite und schlüpfte nach draußen.
    Der Blutmond stand zwischen den Baumwipfeln. Glutrot glomm er vor der Finsternis des klaren Nachthimmels, bedrohlich wie das blutunterlaufene Auge eines Wolfes zwischen den Spitzen zweier Fichten.
    Die Fischjägerin wandte ihre Blick von dem Naturschauspiel ab, fasste die Becher nochmals fester und ging hinüber zu Jodas. Der Waldläufer stand auf einer kleinen Anhöhe, neben ihm ein Berg von einem Mann, mit wildem zotteligen Haar sowohl auf dem Haupt als auch im Gesicht. Es war Bhôr, der Anführer der Waldläufer in den nördlichen Sildenwäldern.
    Sie sprachen schon eine ganze Weile miteinander. Wortfetzen, die herüber klangen, malten ein breites Bild. Die neuesten Neuigkeiten aus dem Tal und den Wäldern wurden ausgetauscht, das Wetter der nächsten Tage prognostiziert, der Zustand der Passstraße, die unweit von hier durch die Berge führte, beraten.
    Man hätte meinen können, es sei ein Trampelpfad, der den Namen Straße kaum verdiente, doch unter dem fest getrampelten Lehm, Moos und Farnen verbargen sich Pflastersteine, groß wie die Handflächen eines Ogers. Noch weiter oben gab es die Ruine eines alten Kastells, aufgegeben lange bevor die Orks unter Kan nach Myrtana gekommen waren. Einst hatte es den Pass bewacht, den Pass zwischen den Ländereien am Sildener See und den abgelegenen Hochebenen des westlichen Nordmar. Jodas hatte ihr erklärt, dass die Straße einst als Nachschubweg für die Grenztruppen der Nordmark angelegt worden war. Um die Truppen im harten nordmarischen Winter zu versorgen hatte man Getreide von den Höfen aus Trelis und Waffen und Rüstzeug geschmiedet aus den Erzen der gelderner Minen den Sildenfluss hinauf getreidelt. Um sie am Nordufer des Sees auf Karren umzuladen und die Militärstraße den Pass hinauf nach Nordmar zu bringen. Wo zuvor nur Bauern vereinzelte Gehöfte am Seeufer bewirtschaftet hatten, hatten sich nach und nach Menschen an diesem Umschlagplatz angesiedelt. Ein Gasthaus war gebaut worden, um den Durchreisenden Kost und Logis zu bieten, während sie auf das nächste Boot nach Trelis oder die nächste Karawane in den Norden warteten. Handwerker zogen zu, Hufschmiede, die die Pferde beschlugen, Küfer, die Fässer reparierten, Bootsbauer und Wagenbauer, die Karren und Boote instand hielten. Die Wassermühle wurde gebaut, das Getreide aus Trelis gemahlen, sodass die Soldaten endlich Mehl statt volles Korn, Brot statt laschen Breis voller Spelzen erhielten. Kaufleute folgten, die das gute Geschäft mit den Soldaten witterten, während dem wachsenden Treiben diejenigen zusahen, die schon immer hier gelebt hatten. Die Fischer am See, die königlichen Jäger am Waldrand und in den tiefen des Unterholzes das Volk der Wälder. Sie alle beobachteten den Aufstieg der Siedlung am See. Sie blieben über die wechselhaften Zeiten die kamen. Sie waren jetzt noch da, nachdem so gut wie alle anderen Silden verlassen hatten, als Tod und Verwüstung über die Siedlung am See gekommen waren. Nur sie waren geblieben, die Fischer, die Jäger und die unsteten Augen aus dem grünen Dickicht - und natürlich die Grüne Krähe, das Gasthaus.
    Dort hatte Larah überwintert, in einem von Aidars Zimmern, hatte Tage und Nächte undurchdringlicher Schneestürme und bitterer Kälte am warmen Kamin in der Schankstube verbracht. Dann war der Frühling gekommen. Sie hatte ihre Proa auf Vordermann gebracht und war mit den anderen Fischern auf den See hinausgefahren, bis vor einigen Wochen Jodas wieder nach Silden gekommen war. Seit der Pass frei von Schnee und Eis war, brachen sich üble Gerüchte Bahn. Man munkelte von Orks, die viel weiter südlich gesichtet worden waren, als sie sich eigentlich aufhalten sollten. Jodas hatte beschlossen dem nachzugehen. Er hatte sie überredet ihre Proa zurückzulassen, hatte sie gebeten ihn zu begleiten. Im Gegenzug hatte er ihr versprochen, sie dem Umgang mit dem Speer zu lehren.
    Vor zwei Tagen waren sie aufgebrochen. Nun lagerten sie in den Ruinen unweit der Straße mitten im Pass. Die Überreste des kleinen Gehöfts - vermutlich einst ein befestigter Rastplatz mit Ställen für den Kurierdienst des alten Reiches, um die Pferde wechseln zu können - diente nun, überwachsen und beinahe gänzlich von der Natur zurückerobert, als einer von vielen Lagerplätzen, zwischen denen das Volk von Dorth meist mit dem Lauf der Jahreszeiten wanderte.
    Wie hatte ihre Großmutter immer gesagt? Die Wanderungen des Volkes der Wälder waren wie die Wanderungen des Mondes, manchmal offen, doch nur von denen bemerkt, die wachen, manchmal verdeckt, wie der blutrote Mond in den Schatten lauernd, lauernd zuzuschlagen und Beute zu machen.
    Larah trat zu den beiden und verteilte die Becher mit dem lauwarmen Tee. Die beiden Männer nahmen ihn dankend entgegen.
    "Man sagt der Blutmond kündet vom Heraufziehen eines Krieges.", meinte der Hüne mit den wilden schwarzen Haaren.
    "Bis jetzt hat noch kein Blutmond, den ich erlebte, den Vorabend einer Schlacht gekennzeichnet. Der Blutmond erinnert uns an das Blut, das vergossen wurde und vergossen werden wird. Das ist wahr. Aber genauso erinnert er uns an das Blut, dass in unser aller Adern strömt. Er ist Zeichen des Lebens und der Vergänglichkeit. Er erinnert uns daran, dass die Welt im Wandel ist. Er ist ein Zeichen der Götter und ein Zeichen der Götter ist immer ein guter Zeitpunkt,", meinte Jodas, "ein guter Zeitpunkt für einen Neuanfang. Morgen werden wir mit dem Training beginnen."
    Larah nickte stumm und nippte an ihrem Becher.
    Ja, es war Zeit für den nächsten Schritt.

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    Lehrling Avatar von Hoid
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    Trelis

    Das silbrige Licht des abnehmenden Mondes erhellte die leeren Straßen Trelis'. Hoid stand im Flur seines Heims, richtete seine Tunika und überprüfte, ob er sein Essbesteck am Gürtel angebracht hatte. Zufrieden lächelnd griff er nach dem kleinen Ledersäckchen, welches vor ihm auf dem niedrigen Tisch ruhte. Er wog es in der Hand, entschied, dass es für die Nacht ausreichend sein würde und befestigte es ebenfalls an seinem Gürtel. Derartig gerüstet trat er nach draußen in die sternenklare Nacht. Sorgfältig verschloss er die Pforte, ehe er sich federnden Schrittes in Richtung Stadtzentrum aufmachte. In der Taverne würde er einige bekannte Gesichter treffen und fürchtete ein wenig, dass sie ihn nicht mehr willkommen heißen würden, war er doch schon seit zwei Jahren nicht mehr dort gewesen. Dann jedoch verwarf er seine Befürchtungen, da es nahezu undenkbar war, dass man ihn abweisen würde.
    Die Straßen waren wie leer gefegt, eine laue Briese erinnerte nur schwach an die immense Hitze, die tagsüber herrschte. Die meisten Häuser lagen völlig im Dunkeln, die nächtliche Stille wurde nur von dem entfernten Weinen eines Säuglings durchbrochen. Die Fackeln am Wegesrand erhellten den Pfad, den der Dunkelhaarige nahm und ihn bald an sein Ziel brachte. Aus dem Wirtshaus drangen Gelächter und musikalische Klänge, man hörte Klatschen und rhythmisches Stampen passend zum dargebotenen Lied. Warmes Licht drang nach außen und mischte sich mit dem des Mondes. Es wirkte fast wie ein Schleier, der sich um die Schenke legte und sie umso einladender machte.

    Etwas zögerlich drückte der junge Arctander die Tür auf. Die gesteigerte Lautstärke der Geräuschkulisse umspülte ihn und ein Wall aus Hitze, alkoholischen Dämpfen und Tabakrauch wartete nur darauf von ihm durchbrochen zu werden. Er trat ein, zog damit die Aufmerksamkeit einiger Gäste und des Wirts auf sich, der seinen Augen nicht zu trauen schien.
    "Wenn das mal nicht der junge Herr Hoid ist!", polterte er vergnügt und machte Anstalten hinter seinem Tresen hervor zu kommen.
    Nun drehten sich auch alle anderen Köpfe in seine Richtung und viele der Gesichter, die ihm entgegenblickten erkannte er. Da waren der Sohn des Schmieds, die Tochter des Müllers und der Schriftführer des Stadtvogts. Einige Soldaten, deren Dienst geendet hatte nickten ihm von ihrem Ecktisch aus zu. Strahlende Augen und laszives Lächeln begrüßte ihn von einem anderen Platz und schließlich griff eine riesige, stark behaarte Hand nach der seinen, sodass es aussah, als würde eine Bärenpranke sich um eine Falkenklaue legen. Die feingliedrigen Finger des Kaufmannssohns konnten glücklicherweise jedoch ebenfalls fest zupacken, was dem Wirt ein weiteres Lächeln abgewann.
    "Tut gut dich zu sehen, Junge", meinte Roland und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
    "Schön, dass du wieder da bist!", riefen ihm einige junge Kerle von einem nahen Tisch zu, die er als Knechte der umliegenden Höfe erkannte.
    Hoid nickte ihnen höflich zu und lächelte dabei verschmitzt.
    "Willst du heute bei uns sitzen?", fragte Lina, die Jüngste des Wachhauptmanns, und zwinkerte ihm einladend zu.
    "Verzeiht Teuerste, aber ich möchte mich heute Nacht erst einmal an der Atmosphäre eines gut gefüllten Schankraums erfreuen", war seine ausweichende Antwort, wollte er doch tatsächlich lieber für sich allein ein Bier trinken und die wiedererlange Lebensfreude auf sich wirken lassen.

    Der junge Arctander suchte sich einen freien Tisch in der Nähe des Barden aus, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Dieser nickte ihm grüßend zu, hatte offensichtlich den Stimmungsumschwung der Leute bemerkt, als er zur Tür hereingekommen war. Kein Wunder, verdienten derlei Künstler doch auch ihren Lebensunterhalt damit, die zu unterhaltende Menge verstehen zu können. Während sich der Musiker also daran machte, ein weiteres Stück vorzutragen - er hatte sowohl eine Leier, als auch eine Querflöte vor sich liegen - bestellte Hoid einen großen Krug Bier bei der guten Britta, der Frau des Wirts. Kurz darauf kam der Humpen auch schon und mit einem Lächeln fügte die Kellnerin hinzu: "Der geht auf's Haus."
    Und da kostenloses Bier noch besser schmeckte, als welches, das man bezahlen musste, ließ es sich der Dunkelhaarige schmecken. Der Barde hatte unterdessen mithilfe seiner Leier und einer angenehm tiefen Stimme ein Lied über einen Soldaten, der nach einem langen Feldzug endlich heimkehrte, angestimmt und sorgte damit dafür, dass sich Hoid angesprochen fühlte. Es kam ihm gar so vor, als wäre er dieser Soldat, der endlich zu Frau und Freunden zurückkehrte und mit offenen Armen empfangen wurde.

    Die Zeit schritt unaufhörlich voran und damit leerte sich der Schankraum der städtischen Herberge zunehmend. Bald packte auch der Barde seine Sachen zusammen, leerte den letzten Krug was-auch-immer-er-den-ganzen-Abend-über-getrunken-hatte und begab sich in den ersten Stock, wo er für die Dauer seines Aufenthalts ein Zimmer bezogen hatte.
    Schließlich befanden sich nur noch Roland, der Wirt, Hugo, der Sohn des Schmieds und eine Gruppe aus zwei Männern und einer Frau, die sich an einem Tisch aufhielten, den Hoid bisher nicht hatte einsehen können, in der Taverne. Britta war bereits zu Bett gegangen, da die wenigen übrigen Gäste auch von ihrem Mann allein bewirtet werden konnten. Sie hatte bereits die leeren Tische abgewischt und die Stühle für den morgigen Tag gerade gerückt.
    "Zapfenstreich!", rief der bullige Wirt und schlug auf die Zapfen des Bierfasses als Zeichen dafür, dass es nur noch eine Runde geben würde, ehe er dicht machte.
    Dies lockte auch die Gruppe der für Hoid Unbekannten heran, da man den letzten Trunk an der Theke einnehmen wollte. Sie grüßten alle höflich und während sie bei Roland bestellten musterte der Dunkelhaarige sie. Ihre Kleidung wirkte robust und abgetragen, vermutlich wetterbeständig und für Reisen und Übernachtungen unter freiem Himmel gedacht. Die beiden Männer waren unrasiert, hatten wachsame Augen und wirkten selbstbewusst. So auch die Frau, die einen weiten Mantel trotz der warmen Stube trug. Als einer der Männer zu seinem Gürtel griff um einen Beutel mit einigen Kupferstücken hervorzuholen, konnte der Kaufmannssohn einen Blick auf ein besonders langes Messer und etwas, das aussah wie ein Seilende erhaschen. Waren sie Banditen? Unwahrscheinlich. Eventuell Jäger oder Söldner.

    "Willscht du no ei mit mi trinkä?", lallte ihm Hugo mit lautstarker Stimme ins Ohr und unterbrach so die Überlegungen Hoids.
    Diesem war es jedoch deutlich zu anstrengend an seinem ersten Tag im Schankhaus nach zwei Jahren sogleich jemanden nach Hause bringen zu müssen. Also ignorierte er den muskulösen Handwerker - gewagt mochte man meinen, sollte man einen Betrunkenen mit solch beachtlicher Kraft doch gewöhnlich keinen Grund geben, beleidigt oder zornig zu werden - und suchte lieber das Gespräch mit den Fremden. Doch noch ehe er ein Wort sagen konnte, kam ihm derjenige, der bezahlt hatte, bereits zuvor.
    "Ihr seid derjenige, über den heute Nacht alle gesprochen haben, nicht wahr?", fragte er geradeheraus mit ehrlichem Interesse in den waldgrünen Augen.
    "Das...dem ist wohl so", reagierte der Dunkelhaarige etwas überrumpelt, "Mein Name ist Hoid Arctander, erfreut Eure Bekanntschaft zu machen."
    "Das hier ist Haana", stellte er die einzige Frau der Runde vor, die ihm zur Begrüßung einen starren Blick gleich dem eines Raubvogels zuwarf, "Er hier heißt Marsch und mich könnt Ihr Camon nennen."
    Sie alle prosteten sich zu und nahmen einen Schluck des letzten Biers dieser Nacht.
    "Darf ich fragen, was euch nach Trelis treibt?", wollte Hoid wissen.
    "Nun, wir sind Jäger auf der Reise nach S..."
    "PROSCHT!", platzte Hugo dazwischen und unterbrach das Gespräch abrupt mit einer ausladenden Geste, die die Hälfte des Inhalts seines Kruges auf die Umstehenden katapultierte.
    "Ich mach das schon", griff Roland beherzt ein, packte den Trunkenbold und begleitete ihn zur Tür, wo er prompt seinen Mageninhalt auf die Straße entleerte, als ihn die frische Nachtluft traf.
    Camon räusperte sich und richtete somit die Aufmerksamkeit wieder auf ihre Unterhaltung.
    "Wie ich gerade sagte, sind wir Jäger. Wir waren zuletzt in Montera und haben zwischen dort und hier einiges an Beute machen können. Wenn ihr also Interesse an Fellen oder anderen Trophäen habt, lasst es uns wissen."
    "So, ich muss dich leider auch bitten zu gehen Hoid", schaltete sich der Wirt ein, der gerade Hugo losgeworden zu sein schien, "Diese Herrschaften haben hier Zimmer bezogen und ich würde jetzt gern schließen."
    "Das verstehe ich, Roland, ich gehe sofort", versicherte der Dunkelhaarige, ehe er sich noch einmal der Gruppe aus Jägern zuwandte, "Ich werde darauf zurückkommen. Wann brecht ihr wieder auf?"
    "Innerhalb der nächsten zwei Tage, abhängig davon, ob der hiesige Fleischer das erlegte Wild annimmt, oder nicht."
    "Dann werdet ihr zuvor noch von mir hören. Gute Nacht die Herren, die Dame", verabschiedete sich der Kaufmannssohn, verneigte sich leicht vor der Frau, wie es ihm seine Eltern eingebläut hatten und verließ die Schenke, um sich auf den Weg nach Hause zu machen.
    Ich habe diese Abende wirklich vermisst, dachte er noch für sich, während er Roland zum Abschied winkte, ehe dieser die Tür hinter sich zu zog.

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    Trelis

    "Wo war es denn nochmal?", dachte Hoid laut, während er die Schubladen einer der vielen Schränke durchsuchte, die in seinem Elternhaus zu finden waren.
    Seit er die gestrige Nacht auf die Gruppe aus Jägern in der Taverne getroffen war, musste er an diesen Tand denken, der als Hochzeitsgeschenk des Stammes seines Vaters an seine Mutter überreicht worden war. Einmal hatte sie ihrem Sohn gegenüber erwähnt, dass sie "diesem abscheulichen Ding" nichts abgewinnen konnte, es jedoch zuliebe ihres Mannes in Ehren halten wollte. Allerdings schien sie im ersten Moment, den Rurik nicht mehr so genau hinsah - viele Ehejahre bringen wohl eine Art Vertrautheitsblindheit mit sich - die Chance ergriffen und das Schmuckstück von seinem ehemals angestammten Platz auf dem Kaminsims entfernt zu haben.
    "Aha!"
    Triumphierend hielt der Kaufmannssohn das gute Stück hoch, froh es endlich gefunden zu haben. Es war eine kunstfertige Arbeit an einem riesigen Schattenläuferhorn. Die Spitze war goldüberzogen und die Öffnung mit einer goldenen Platte verschlossen, wobei eine Kette die beiden Enden des Horns verband. Es war leichter, als es aussah und sicherlich einiges wert. Jedoch interessierte sich Hoid weniger für den Wert des Kunstwerks, als die fachmännische Meinung der Jäger, die er heute erneut zu treffen gedachte. Dafür befreite er den Tand von der feinen Staubschicht, die die jahrelange Lagerung mit sich gebracht hatte und polierte die beschlagenen Stellen, sodass das Gold wieder funkelte.

    Ehe er jedoch aufbrach, nahm er noch eine Kleinigkeit zu sich. Er schnitt ein Stück frischen Brotes von dem großen Laib in der Küche ab, bestrich es reichlich mit qualitativem varanter Honig und genoss das süße Ergebnis zu einem leichten Sommerwein, der viele Jahre im hauseigenen Keller zum Reifen gelagert worden war.
    Noch einmal richtete er seine Tunika, nahm den gleichen Beutel mit Silber- und Goldstücken, den er auch gestrige Nacht mit sich geführt hatte und verließ sein Heim. Es würde noch gute zwei Stunden hell sein, sodass die Sonne sich bereits weit im Westen befand. In den Straßen herrschte reges Treiben, wollte jeder doch das Ende des Tages noch so gut es ging nutzen, um etwaige Erledigungen oder Geschäfte abzuwickeln. Freundliche Gesten aus jeder Richtung begleiteten ihn auf seinem Weg, wobei er jedoch auch bemerkte, wie leise getuschelt wurde, wenn sich die Leute aus seiner Hörweite wähnten.
    "...Jahre hat man ihn nicht mehr gesehen!"
    "Seine Schwester war nie so..."
    "...armen Jungen fehlen sicher seine..."
    Eltern? Feiern? Frauen?, überlegte Hoid eine passende Ergänzung zum letzt gehörten.
    Wie sahen ihn die Leute? War er ein verwöhnter junger Mann, der eigenständig nichts auf die Reihe bekäme? Oder doch eher der gute Spross einer anerkannten Familie, die ein tragisches Ereignis zu verarbeiten hatte? Wurde Navani ebenso häufig und intensiv thematisiert wie er, wenn sie durch die Straßen spazierte? Vermutlich nicht, zeigte sie sich sicher stark und unbeugsam wie eh und je.
    Schwermut ergriff von dem jungen Mann, als ihn wieder das Gefühl der Ablehnung überkam, die er von seiner Schwester, dem Menschen, dem er am nächsten sein sollte, erfuhr.

    Schon immer war es ihm wichtig gewesen, wie er auf seine Mitmenschen wirkte. Er wollte beliebt sein, immer ein Lächeln geschenkt bekommen, wenn er in eine Richtung sah. Dass man schlecht über ihn sprach wollte er sich nicht vorstellen müssen und auch, wenn er sicherlich nicht in jedermanns Augen fehlerfrei war, so hoffte er doch, dass es immer etwas gab, dass seine eigenen Verfehlungen in den Schatten stellte und so von ihnen ablenkte. Oft war es das Gold, mit welchem er durchaus freigiebig umging, zum Umtrunk einlud oder die Garderobe der schönen Tochter des Metzgers um ein neues Kleid aufstockte.
    "Schönen Tag, mein Herr", grüßte ihn einer der Wachleute der myrtanischen Armee, die die Ordnung des Reichs sicherstellten und auf die braven Bürger Acht gaben. Höflich erwiderte der Dunkelhaarige den Gruß, neigte dabei respektvoll das Haupt. Seiner Meinung nach war es ein Segen gut behütet leben zu können. Wenn er da an seine Kindheit zurückdachte, in der die Orks gewütet hatten und jeder Mensch, der nicht Widerstand hatte leisten können entweder Sklave oder Söldner gewesen war, dankte er Innos und dem König für die Welt, in der sie heute lebten. Natürlich hatte er genug philosophische Werke gelesen, dass er wusste, dass es immer einen Krieg zu führen gab und sei es nur der vor dem eigenen Herd. Jedoch war der Kampf auf Argaan, von dem sein Onkel und seine Tante, die in Thorniara lebten, ab und an in ihren Briefen berichteten, wohl noch nicht zu einem Ende gekommen. Jahrelang schon kämpften die Rebellen dort gegen die Krone und immerhin hatten selbst die mächtigen Orks den Kürzeren gegen die Streitkräfte der Myrtaner gezogen, weshalb Hoid ihren Wiederstand für zwecklos hielt. Doch der Kampfschauplatz war ohnehin viel zu weit weg, als dass er sich die Mühe machen wollte ausgiebiger darüber nachzudenken.
    Doch die Erinnerung an seine Verwandten in Thorniara brachten die Verlusttrauer wieder in ihm hervor. Er hatte ihnen vom erklärten Tod seiner Eltern berichtet und mit der postwendenden Antwort war er eingeladen worden, sie zu besuchen, wenn ihm danach wäre. Bisher jedoch war er ihnen eine Antwort schuldig geblieben.

    Mit derart geknickter Stimmung, die er bei seinem Aufbruch von Zuhause noch nicht verspürt hatte, erreichte er das Wirtshaus, wo er Camon und seine Begleiter vermutete. Wenn sie versuchten ihre Ware zu verkaufen, würden sie möglichst immer an ein und demselben Ort anzutreffen sein, damit sie keine potentielle Kundschaft verpassten. Außerdem schlossen sich Geschäfte mit einem Krug Bier in geselliger Umgebung meist besser ab, als in einer staubigen Verkaufsstube.
    Etwas unwillig öffnete Hoid die Tür, trat wie am Tag zuvor in den Schankraum, der deutlich weniger gut besucht war, als letzte Nacht.
    Kein Wunder, es ist ja auch noch hell, stellte er in Gedanken fest und lächelte sogleich Britta an, die gerade auf einen Tisch beim Eingang zuging, um die Leute dort mit Getränken und Eintopf zu versorgen.
    "Ein Bier für Euch?", fragte sie ihn beim vorbeigehen.
    "Ein großes", erwiderte er grinsend und sie lachte herzlich.
    Die schlechte Stimmung war ebenso schnell wieder fort, wie sie gekommen war. Fast so, als hätte er sie beim Betreten der Taverne zurückgelassen. Das Wirtsehepaar verbreitete einfach immerzu gute Laune, vermutlich war das auch ihr Erfolgsrezept.
    Nach einem kurzen Sondieren der anwesenden Gäste, fand der Kaufmannssohn, nach wem er Ausschau gehalten hatte und steuerte auf denselben Tisch zu, an dem der Jägertrupp schon gestern gesessen hatte, ehe sie sich alle an der Theke getroffen hatten. Kurz winkte Hoid noch Roland zu, ehe er auf Camon zusteuerte und ihn per Handschlag begrüßte.
    "Ah, der junge Herr Arctander", empfing der Gruppenführer ihn und lächelte freundschaftlich.
    "Hoid reicht aus", gab dieser zurück und reichte auch den andern beiden, Haana und Marsch, die Hand.

    In diesem Moment kam Britta mit vier Krügen frischem Bier herbei, verteilte sie und widmete sich wieder anderen Gästen. Der Kaufmannssohn hatte sich unterdessen an den Tisch gesetzt.
    "Habt Ihr euch entschieden, ob ihr einige Felle von uns erwerben wollt?", kam Camon gleich zur Sache und setzte eine geschäftige Miene auf.
    "Eigentlich...", begann der Dunkelhaarige und schien damit dem Jägersmann den Wind aus den Segeln zu nehmen noch ehe er richtig abgelegt hatte, "wollte ich Euch bitten einen Blick auf etwas zu werfen."
    "Und was mag dieses Etwas wohl sein?", schaltete sich Marsch interessiert ein, der nichts von der Enttäuschung seines Gefährten zu verspüren schien.
    Hoid holte das bearbeitete Schattenläuferhorn hervor und legte es vor sich auf den Holztisch. Marsch machte große Augen und auch Haana, die bisher kein einziges Wort in seiner Anwesenheit gesagt hatte, rutschte neugierig auf ihrem Stuhl etwas nach vorn.
    "Dies war ein Hochzeitsgeschenk an meine Eltern und ich würde gern wissen, ob Ihr mir etwas darüber sagen könnt."
    "Darf ich?", fragte Marsch, der es nach einem bestätigenden Nicken nahm und untersuchte.
    "Marsch erkennt eine gute Arbeit, wenn er sie sieht", erklärte Camon.
    "Allerdings", bestätigte dieser und legte das Kunstwerk zurück auf den Tisch, "Das ist feinste Goldschmiedearbeit aus Nordmar vom Hammerclan. Ich kenne sogar den Schmied, der dieses Stück angefertigt hat. Zu dem Horn selbst kann ich allerdings nicht viel sagen."
    "Das solltest du aber", schaltete sich überraschend Haana ein, was ihr einen erstaunten Blick Hoids einbrachte.
    Sie hatte das Horn nun ihrerseits in der Hand und inspizierte seine Beschaffenheit.
    "Ein junges Tier, fast ausgewachsen. Wurde in Nordmar erlegt", stellte sie mit präzisen Aussagen fest.
    "Woran seht Ihr das?", wollte der Kaufmannssohn verwundert wissen.
    "Unbearbeitet, härter als bei Schattenläufern in wärmeren Gebieten", antwortete sie wortkarg, "Und lasst das Ihr, ich hasse das", fügte sie noch mit einem drohenden Funkeln in den Augen hinzu, dass Hoid einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
    "Nehmt sie nicht zu ernst, Hoid", versuchte Camon die Wirkung, die Haana offenbar auf Menschen hatte, zu mildern, "Ihr wisst nun, was es mit diesem guten Stück auf sich hat. Können wir Euch sonst noch irgendwie behilflich sein?"
    "Nehmt mich mit auf die Jagd!", überfiel der junge Mann seine Gesprächspartner und erntete überraschte Gesichter.

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    Trelis

    Sichtlich überrumpelt tauschten Camon und Marsch Blicke aus. Haana fixierte unterdessen wieder Hoid mit ihren falkenartigen, hellgrünen, fast gelblichen Augen. Sie war eine interessante Frau von durchschnittlicher Größe. Ihr dunkelblondes Haar ruhte auf ihren Schultern, eine spitzte Nase mit einer leichten Neigung zum Mund schien auf ihre schmalen Lippen zu zielen. Sie war bei weitem keine Schönheit, doch ihre Art und ihr Auftreten, das einem Raubvogel ähnelte, hatte eine seltsame Anziehung auf den Kaufmannssohn. Vom Alter her schätzte Hoid sie etwas jünger als sich ein, wobei ihre Weggefährten einige Jahre älter sein dürften. Marsch, der die Arbeit am Schattenläuferhorn begutachtet hatte, war ein vollbärtiger Hüne mit langem, wilden, schwarzen Haar. Am ehesten erinnerte er an einen dunklen Bären, der mit seinen Pranken tödliche Hiebe verteilen konnte. Jetzt jedoch umfasste er mit jenen nur seinen Krug Bier, welches ihm beim Trinken in den Bart lief.
    Camon, der vermeintliche Anführer der kleinen Mannschaft, stammte offensichtlich aus südlicheren Gefilden, was sein dunklerer Teint und die bernsteinfarbenen Augen, die jedes Detail in sich aufzusaugen schienen. Er führte ihre Geschäfte und war auf den ersten Blick der charismatischste unter ihnen.
    "Ich bin nicht sicher, ob das eine gute Idee ist", versuchte er die Forderung des Bittstellers höflich abzuweisen.
    "Bitte lasst mich Euch begleiten!", setzte dieser jedoch so gleich nach und legte die Handflächen aneinander, als würde er beten, "Ich verspreche keine Bürde zu sein und gehorsam jeder Anweisung zu folgen, die Ihr mir gebt."
    "Ich weiß nicht...", begann Camon wieder, wurde jedoch von Marsch unterbrochen.
    "Weshalb wollt Ihr uns begleiten?"
    Echtes Interesse schwang in seiner Stimme mit und sein Blick war offen und freundlich.
    "Ich...", einen kurzen Augenblick zögerte der junge Mann, der sein ganzes Leben lang einer Leidenschaft nach der anderen hinterhergejagt war, "Mir fehlt etwas im Leben, seit meine Eltern fort sind. Abgesehen von ihnen versteht sich."
    Er nahm einen großen Schluck Bier, die anderen taten es ihm gleich.
    "Schon immer begeisterte ich mich schnell für neue Dinge, doch nichts konnte mir bisher das geben, was ich suche."
    "Was ist es, dass Ihr sucht?", fragte Camon, der nun nicht mehr versuchte Hoid von dessen Vorhaben abzubringen.
    "Ich werde es erst wissen, wenn ich es endlich gefunden habe", kam die wenig zufriedenstellende Antwort.
    "Nehmen wir ihn mit", meinte Haana unerwartet, ohne dabei die Art, wie sie ihn ansah - als sei er ihre Beute - zu ändern.
    Camon blickte zu Marsch, der mit einem Lächeln auf den Lippen die Schultern hob, so als hätte er nichts dagegen einzuwenden. Der Anführer seufzte schwer, wurde er doch von seinen Kumpanen überstimmt.
    "Also gut, wir brechen morgen mit den ersten Sonnenstrahlen auf Richtung Geldern. Packt nur Dinge ein, die Ihr unbedingt braucht und seid auf einen anstrengenden Tag gefasst", instruierte der Jägersmann das neugewonnene Gruppenmitglied.
    Euphorisch nickte Hoid, der seine Freude kaum im Zaum halten konnte.
    "Verlasst Euch darauf!"
    "Mal sehen, wie lange du durchhältst", spottete die einzige Frau der Runde, als sie sich alle zuprosteten und auf eine gute Zusammenarbeit anstießen.
    Ihm wurde etwas mulmig zumute, wusste er doch nicht recht, wie er diese Frau zu nehmen hatte.
    "Ihr werdet Euch schon noch an sie gewöhnen", lachte Marsch, "Sie ist eben eine echte Nordmarerin!"

    Da Hoid der Meinung war, dass er einiges an Schlaf brauchen würde, wenn er in aller Herrgottsfrühe aufstehen musste, verabschiedete er sich bald von seinen neugefundenen Kameraden. Die Sonne war gerade dabei ihre letzten, kräftigen Strahlen abzugeben, ehe der Mond seine Schicht antreten und die Nacht den mildtemperierten Mantel der Dunkelheit über Morgrad ausbreiten würde. Auf den Straßen war jeder in Richtung heimischen Herd. Es waren Verabschiedungen und Gute-Nacht-Wünsche zu hören, sowie jammernde Kinder, die das Abendbrot nicht mehr abwarten konnten, ehe es ins Bett ging. Die ersten Kerzen wurden bereits in den Häusern entzündet und die Stadtwache trieb die Leute an, nach Einbruch der Dunkelheit zuhause zu sein. Die Fackeln am Wegesrand wurden alsbald entzündet und der abendliche Schichtwechsel der Soldaten stand kurz bevor. Sie wirkten müde, aber froh, dass sie bald zu ihren Liebsten oder in die Taverne konnten, um noch einige Stunden entspannen zu können.
    Der Kaufmannssohn kam ebenfalls bald an seinem Elternhaus an, schloss auf und trat in den einsamen, dämmrigen Flur. Er seufzte schwer. Der Umstand, dass er ganz allein lebte, machte ihm zu schaffen, auch wenn er es gegenüber anderen nicht zeigen würde. Eben deshalb freute er sich umso mehr auf das Abenteuer mit der Jägertruppe. Der Gedanke an das Übernachten unter freiem Himmel, das Nachstellen von potentieller Beute und dem Ausnehmen und Häuten der gefangenen Exemplare erfüllte ihn mit Vorfreude und ließ ihn seinen Missmut, den er in diesem Haus empfand, vergessen.

    Da er noch nicht müde genug war, um Schlaf zu finden, hatte er einige Kerzen entzündet und suchte einige Dinge zusammen, die er seiner Meinung nach für das Überleben außerhalb der Stadt brauchen würde.
    Mein Reisemantel, den Dolch, den ich zu meinem achtzehnten Namenstag von Vater geschenkt bekommen habe, zwei Wasserschläuche, ein halbes Dutzend Äpfel, einen halben Laib Brot, etwas Käse, Schinken, Wurst, ein Buch über die Artenvielfalt Midlands, ein Tagebuch, Besteck, Feuerstein und Zunder sowie festes Schuhwerk und Kleidung zum Wechseln. Damit sollte ich ausreichend gerüstet sein bis wir Geldern erreichen, ging Hoid alles durch, was er zusammengesucht hatte und das nun sein Bett bedeckte - vollständig bedeckte.
    Sein Blick wanderte von dem einzigen Reisebeutel, den er besaß, zu der Vielzahl an Sachen, die er einzupacken gedachte und musste feststellen, dass die Kapazität der Tasche niemals ausreichen würde. Etwas ratlos überlegte er, welche der seiner Meinung nach absolut unabdingbaren Gegenstände er wirklich zurücklassen konnte. Vehement versuchte er sich in die Lage eines Jägers zu versetzen, der von Ort zu Ort reiste, um seine Ware feilzubieten, die er zwischen seinen Reiseetappen sammelte. Natürlich galt dies nur für solche, die kein eigens Jagdgebiet besaßen und sich den freien Gebieten, die niemand bestimmtem gehörten zunutze machen wollten. Soweit er informiert war, musste man äußerst vorsichtig sein, konnte man doch schnell für Wilderei belangt werden, wenn man in jemandes Besitz jagte.

    Eine für diese Aufgabe viel zu lange Weile später, hatten sich die Dinge auf dem Bett dezimiert. nun lagen dort lediglich noch der Reisemantel, der Dolch, die Wasserschläuche, die Hälfte des Proviants, Feuerstein und Zunder, sowie ein kleines Notizbuch. Das Besteck war an seinem Gürtel befestigt, das feste Schuhwerk würde er ohnehin die ganze Zeit über tragen. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, hatte Hoid lediglich ein Buch und einen Teil des Proviants abgestrichen. Außerdem fielen ihm gerade Dinge wie Kochgeschirr und ein Zelt ein, die er gern dabei hätte. Ratlos, wie er alles mitnehmen sollte, was er seiner Meinung nach brauchte, räumte er zunächst das in seinen Beutel, was passte. Über Zusätzliches würde er morgen nachdenken und eventuell hatten Camon, Marsch oder gar Haana einen Rat für ihn, was wirklich nützlich war und was man getrost auch weglassen konnte.
    Nachdem er dies entschieden hatte, trank er noch einen Becher Wein. Wer wusste schon, wann er wieder einen so guten Tropfen würde genießen können? Immerhin hatte nicht jedes Wirtshaus nordmarischen Spätburgunder vom Südhang nahe des Passes. Diese unvergleichliche Frische und bestärkende Säure fand man in kaum einem anderen Rotwein.
    Derartigen Luxus gewohnt zu sein, war für Hoid etwas, auf das er nur schwerlich würde verzichten können, doch war er nicht so dumm, sich davon einen neuen Weg in die Zukunft verbauen zu lassen. Viel mehr genoss er diesen Moment der Wonne, ehe er zu Bett ging. Die Fensterläden ließ er geöffnet, um auch ja nicht zu verschlafen.

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    Hoid ist offline
    Scheinbar ebenso müde wie Hoid, kroch die Sonne nur langsam hinterm Horizont hervor. Er hatte ewig gebraucht, um in einen unruhigen Schlaf, für den er seine Aufregung verantwortlich machte, zu fallen, sodass er nur wenige unerholsame Stunden Ruhe gehabt hatte. Derartig gerädert stand er nun vor seinem Heim, wo ihn Camon, Marsch und Haana bereits erwarteten. Die drei Jägersleute wirkten alle gut gelaunt - wenn man bei Haana etwas derartiges überhaupt feststellen konnte - und putzmunter.
    "Da scheint jemand aus dem Bett gefallen zu sein!", lachte Marsch bellend.
    "Wo sind Eure Sachen?", fragte Camon, was Hoid zusammenzucken ließ.
    "Sie sind noch im Haus, weil ich unsicher bin, was ich brauchen werde und was nicht", gab der Kaufmannssohn zu und unterdrückte ein Gähnen.
    Der Anführer der Gruppe nickte unterdessen.
    "Besser Ihr fragt uns, als dass Ihr darauf besteht unnützes Zeug mitzuschleppen. Zeigt Ihr es uns?"
    Hoid bat die Drei herein und eilte die Treppe herauf, um die gepackte Tasche zu holen. Als er wieder im Erdgeschoss ankam, inspizierte Marsch einen kunstvoll bemalten Schild, der als Wandschmuck im Hausflur hing, während Haana sich einen ausgestopften Habicht ansah, der immerzu die Tür im Auge behielt. Camon hingegen wartete auf die Ankunft seines neuen Schützlings und streckte die Hand nach dem Beutel aus, um ihn zu begutachten.
    Er holte all die Dinge hervor, die Hoid am gestrigen Abend eingepackt hatte und legte sie an verschiedene Orte auf dem Boden vor sich. Dann schien er zu überlegen.

    "Ausgewachsen, Midland", murmelte Haana, die noch immer bei dem Habichtpräparat stand, "gebrochener Flügel, überdurchschnittliche Schnabellänge."
    Sie schien das Tier zu analysieren, konnte offenbar seine Herkunft eingrenzen und Details feststellen wie einem Bruch oder wenige Millimeter mehr Schnabel, als durchschnittlich. Hoid war beeindruckt, war er doch immer der Ansicht gewesen, dass dieses Exemplar eben wie jedes andere aussah.
    "Sagt mal, Hoid", meldete sich nun auch Marsch zu Wort, der mit der Hand über den Zierschild strich. Habt Ihr oder eure Familie Kontakte nach Vengard? Dies ist ein ausgezeichnetes Stück und ich meine den Schildbauer zu kennen, der diesen angefertigt hat."
    "Vengard? Ich weiß nicht. Soweit ich mich erinnere lebte ein Cousin meines Vaters dort, doch von ihm habe ich lange nichts mehr gehört", berichtete der Kaufmannssohn.
    Der bärtige Hüne brummte etwas unverständliches und wandte sich schließlich etwas anderem zu. Camon legte einige der Gegenstände unterdessen zu einem kleinen Stapel zusammen. Unteranderem das Notizbuch, die Wechselkleidung, den Dolch und einen Wasserschlauch.
    "Diese Dinge sind in der Wildnis weder hilfreich, noch unabdingbar", bewertete er das Aussortierte.
    Hoids Magen machte einen Hüpfer.
    "Und was, wenn meine Kleidung reißt oder der Wasserschlauch ein Loch bekommt?", wollte er wissen."
    "Dann tragt Ihr bis zur nächsten Ortschaft eure zerrissene Kleidung und trinkt direkt aus Flüssen und Bächen", kam die Antwort prompt.
    "Aber einen Dolch werde ich doch wohl brauchen, oder etwa nicht?", ereiferte sich der Dunkelhaarige für das Geschenk seines Vaters.
    "Ein Dolch ist etwas für feine Herren, die die Stadt nicht verlassen oder für gedungene Meuchelmörder, die ebenfalls selten die Stadt verlassen", meinte Camon geringschätzig.
    Hoid schnaubte entrüstet über diesen Vergleich von feinen Herren und Meuchelmördern.
    "Das Notizbuch werde ich dennoch brauchen!", begehrte er auch für das letzte Stück noch einmal auf, "Ich will Zeichnungen anfertigen und die Dinge, die ich erfahre aufschreiben können!"
    "Was Ihr in dieses Buch schreiben wollt, solltet Ihr in eurem Kopf haben, dann könnt Ihr es auch nicht verlieren", war Camons einzige Erwiderung darauf.
    Er packte die übrigen Dinge wieder in den Reisebeutel, erhob sich und hielt sie Hoid entgegen, der sie zögerlich annahm. Dabei fiel der Blick des Jagdführers auf den Gürtel des jungen Mannes.
    "Was ist das da an eurer rechten Hüfte?", wollte der Varanter wissen.
    "Mein Besteck", kam die trotzige Antwort.
    Marsch lachte aus dem Hintergrund leise in sich hinein, was den Dunkelhaarigen insgeheim auch das letzte Bisschen Hoffnung verlieren ließ, dies behalten zu dürfen.
    "Macht es ab! Ein so kleines Messer wird Euch im Wald nichts nützen", ordnete Camon an.
    "Dann nehme ich stattdessen den Dolch mit!"
    Der Jäger seufzte ob dieser Starrköpfigkeit, nickte dann aber, um dem jungen Herren nicht jegliche Lust an ihrer Unternehmung zu nehmen.
    "Seid Euch jedoch bewusst, dass es von hier an nicht einfacher wird. Ihr verspracht gehorsam zu sein und sobald wir in der Wildnis sind, werdet Ihr ohne zu zögern unseren Anweisungen folgen!"
    Sein Tonfall war harsch gewesen, doch verstand Hoid, weshalb.
    "Jawohl."
    Er willigte ohne Murren ein, denn er schämte sich bereits für seine störrische Art und wollte sich seine Chance nicht verbauen. Entsprechend tauschte er den Dolch gegen das Besteck an seinem Gürtel und machte sich daran, die anderen Dinge fortzuschaffen, damit sie nicht bis zu seiner Rückkehr auf dem Boden im Hausflur lagen.
    "Wir warten draußen auf Euch", ließ Camon verlauten, der bereits im Türrahmen der Haustür stand.

    Nachdem die Kleidung wieder an ihrem angestammten Platz lag und der Wasserschlauch wieder in einer Kiste verstaut war, blieb nur noch das Notizbuch übrig. Hoid zögerte es wieder in den Schrank zu stellen.
    Er wird es schon nicht bemerken, dachte er und stopfte sich das schmale Buch unter die Tunika in den Bund seiner Beinkleider.
    Kurz darauf trat auch er durch die Haustür, wo alle seine Ankunft erwarteten. Der Varanter hielt ihm etwas entgegen.
    "Das hier werdet Ihr brauchen, wenn Ihr mit Eurem Feuerstein und Zunder ein Feuer entfachen wollt. Es ist ein Funkenschläger."
    Der Kaufmannssohn nahm das stählerne Stück entgegen und wog es in der Hand. Es hatte einiges an Gewicht und ähnelte ein wenig einem Kleiderhaken.
    "Ihr müsst die Hand in die Lasche stecken und damit auf den Feuerstein schlagen. Die Funken entzünden dann den Zunder", führte Camon die Erklärung fort.
    "Vielen Dank!"
    Hoid sah dies als eine Art Versöhnung an, da ihm so viele Dinge nicht gestattet worden waren mitzubringen.
    "Dann geht's los", kam das Aufbruchssignal und die kleine Gruppe zog los Richtung Westen.

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    Die Luft war stickig im Wald. Die Hitze der letzten Tage hatte selbst den sonst weichen, feuchten Boden des Waldes beeinflusst und auch wenn die Temperaturen unter den Baumkronen niedriger waren, wirkte es so, als könnte man die Luft mit einem Messer schneiden. Hoid war angewiesen worden, sich hinter den Jägern zu halten, laute Geräusche zu vermeiden und zu beobachten, wie sie vorgingen.
    Soweit so gut, dachte er, während sein Blick starr gen Boden gerichtet war.
    Die drei geübten Waldschreiter vor ihm mussten kein einziges Mal schauen, wo sie ihre Füße absetzten. Marsh, der in der Mitte lief, führte einen großen Jagdspeer, während Camon und Haana ihn mit etwas Abstand und Bögen als Waffen flankierten. Ihm war erklärt worden, dass er insbesondere darauf achten sollte, wie sie ihre Beute ausfindig machten. Sprich, es ging ums Lesen von Fährten und dem Finden eben solcher.
    Noch ruhten die Waffen in ihren Halterungen, sodass die Hände frei blieben und man sich voll auf die Spuren konzentrieren konnte. Camon ging mit einem Mal in die Hocke und das dabei entstehende Geräusch ließ auch die anderen innehalten. Er legte die rechte Hand auf den Boden und murmelte etwas Unverständliches.
    "Was habt Ihr gerade gesagt?", wollte Hoid wissen, der nichts verpassen wollte.
    "Kommt her", wies der Anführer ihn an.
    Der Kaufmannssohn gehorchte und trat näher heran. Der Jäger deutete auf einen kleinen Strauch Beeren.
    "Kann man die essen?", fragte der Dunkelhaarige interessiert.
    "Das solltet Ihr lieber nicht, wenn Ihr eine Vergiftung vermeiden wollt", schaltete sich Marsh ein und grinste über den schockierten Ausdruck im Gesicht ihrer Begleitung.
    "Sehr ihr hier? Die Beeren wurden von den Ästen abgeknabbert, jedoch nur nahe am Boden. Außerdem ist ein wenig Erde plattgedrückt, genau dort", erklärte Camon und deutete auf eine Stelle zwischen seinen Knien, wo tatsächlich ein kleines Stück Boden wie geglättet aussah, wobei sich in einer groben Form darum etwas Erde aufgeschichtet hatte., "Ein Hase hat hier halt gemacht, sich auf die Hinterläufe gestellt und von den Beeren gefressen."

    Beeindruckend, dachte Hoid, der mit Sicherheit nie auf die Idee gekommen wäre, einen Hasen in den abgefressenen Zweigen des Beerenstrauchs und dem unscheinbaren Pfotenabdruck zu erkennen.
    "Und wohin ist das Tier verschwunden?", wollte der Lernwillige in Erfahrung bringen.
    "Das ist schwierig zu sagen. Wir müssen nach Spuren in der näheren Umgebung Ausschau halten, um das einschätzen zu können", antwortete der Varanter und erhob sich wieder, "Ihr kommt mit mir."
    Zusammen mit dem Jagdtruppsführer lief Hoid Richtung Norden, während Haana im Westen und Marsh im Osten suchten. Aus dem Süden waren sie gekommen und waren auf keine Fährten gestoßen, weshalb sie dort nicht suchen mussten.
    "Haltet nach zerdrücktem Gras, abgeknickten Ästen oder frischen Blättern, die am Boden liegen, Ausschau", wies Camon den Neuling an, der zum Zeichen des Verstehens nickte und sogleich tat, wie ihm geheißen.
    Für den Kaufmannssohn stellte es sich als schwierig heraus all die ähnlichen Farben auseinanderzuhalten. Es war, als verschwämme der Boden mit den Wurzeln und Pflanzen, sodass er kaum mehr einen Unterschied ausmachen konnte. Plötzlich ertönte ein schriller Pfiff, der Camon aufsehen ließ.
    "Kommt, Haana hat etwas gefunden."
    Mit diesen Worten lief der Dunkelhäutige voraus, folgte dem Pfad zurück, den sie hierher genommen hatten.

    Wortlos deutete die Nordmarerin auf einige kaum sichtbare Spuren im hohen Farn. Er wölbte sich entgegen seiner natürlichen Wuchsrichtung und verriet somit, dass kürzlich etwas oder jemand darauf eingewirkt hatte.
    "Kann noch nicht so lange her sein", meinte Marsh, der die großen Blätter genauer untersuchte.
    "Dann heißt es ab jetzt: Leise sein und noch besser aufpassen, wo ihr hintretet", wies Camon seine Leute und auch Hoid an - insbesondere Hoid.
    Er hob einige trockene Blätter auf, die dank der Hitzewelle nahezu überall herumlagen, und zerbröselte sie in seiner Hand. Die einzelnen staubartigen Teile überließ er dem Wind, der sie Richtung Westen trug. Einige Handzeichen später liefen Camon und Hoid Richtung Südwesten, während Marsh und Haana einen weiten Bogen nach Nordwesten nahmen.
    "Ich dachte, der Hase sei im Westen", flüsterte der Kaufmannssohn, erntete jedoch nur ein energisches "Pschhht!", das ihn sogleich wieder verstummen und sich auf seine Füße konzentrieren ließ.
    Es wollte ihm nicht in den Kopf, weshalb sie sich aufgeteilt und noch dazu in unterschiedliche Richtungen fortbewegten. Was sollte ein kleiner Hase schon gegen drei erfahrene Jäger unternehmen?
    Die Zeit verging, das Singen der Vögel begleitete sie auf ihrer Pirsch und das Rascheln der Blätter untermalte das Lied der Natur. Es musste sich langsam gen Abend wenden, denn sie liefen grob in die Richtung der Sonne. Das Gepäck, welches der Kaufmannssohn mit sich trug wurde ihm langsam schwer. Die Tragelasche seines Reisebeutels schnitt ihm in die Schulter, sodass er sie häufig wechselte. Allerdings hatte das nur dazu geführt, dass ihm beide Schultern schmerzten, sobald er sie belastete. Außerdem brannten seine Füße und sie schwitzten, da er sich für sein festes Schuhwerk entschieden hatte. Aber neben seinen Füßen schwitzte auch der Rest seines Körpers. In seinen Augenbrauen sammelte sich die salzige Körperflüssigkeit immer wieder, nur um ihm in einem ungünstigen Moment in die Augen zu laufen. Sein Magen zog sich bereits vor Hunger zusammen und...Camon hob mit einem Mal die Hand, sodass Hoid abrupt stehenbleiben musste, um nicht mit ihm zusammenzustoßen. Dabei machte er ein ungewolltes Geräusch, hielt sich aber hoffentlich schnell genug die Hand vor den Mund.
    Der Jäger machte einige Handzeichen, die der Dunkelhaarige aus seiner Position nicht erkennen konnte, sah sich daraufhin jedoch im Wald um, bis er schließlich Haanas blonde Mähne zwischen einigen Büschen ausmachte. Sie waren einige Körperlängen vor ihnen. Der Varanter nahm seinen Bogen, zielte auf seine Gefährten, sodass Hoid den Atem anhielt.
    Er wird doch wohl nicht...!
    Der Pfeil flog.

    Ein zweites Geschoss wurde von der Nordmarerin abgegeben, kurz nachdem Camon geschossen hatte. Ein kurzes quietschendes Geräusch gefolgt von einem leiseren, dumpferen und die Jagd war vorüber. Sie alle erhoben sich und grinsten einander an - zumindest Camon und Marsh grinsten. Die Beute lag mit einem Pfeil im Auge unweit zwischen den beiden Zweiergruppen. Ein Weiterer Pfeil steckte einige Schritt von dem erlegten Tier im Boden. Diesen zog der Varanter heraus und verstaute ihn wieder in seinem Köcher.
    "Guter Schuss, Haana. Wie üblich", lobte er die Jägerin und überließ es Marsh den Kadaver aufzuheben.
    "Das wird heute Abend ein nettes Mahl", freute er sich und zwinkerte Hoid verschmitzt zu, der noch immer zu begreifen versuchte, was genau geschehen war.

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    "Das lief heute doch ganz zufriedenstellend", ließ Marsh verlauten, dem das Fett der Hasenkeule, die er gerade verspeiste, durch den Bart lief. Dabei grinste er wie ein kleiner Junge, wobei sein Schneidersitz das Übrige dazu beitrug.
    Haana saß stumm neben ihm und nagte an einem dünnen Knochen, brach ihn schließlich mit einem Messer auf und saugte das Mark heraus. Diesen Anblick hätte Hoid sich lieber erspart, weshalb er dem Blick auswich, den die junge Frau ihm zuwarf. Sie wirkte immer so verschlossen und gleichzeitig, als wollte sie ihm an den Kragen.
    "Es hätte auch schief gehen können", meinte Camon, der Marsh gegenüber saß. Das Feuer, auf dem die Überreste des Hasen brutzelten, trennte die beiden voneinander. "Wenn ich nicht so schnell geschossen hätte, wäre unsere Beute vielleicht entwischt. Immerhin musste der junge Herr ja lauter sein, als nötig, sodass das Tier ihn bemerkte. Die Löffel hatte es bereits aufgestellt und einen Augenblick später wäre es weg gewesen."
    Ob dieser Analyse des Geschehenen ließ der Kaufsmannssohn den Kopf hängen. Es stimmte, dass er aufgrund des plötzlichen Stehenbleibens Camons überrascht gewesen war, doch sicherlich war es keine Absicht gewesen.
    "Nun sei doch nicht so streng", versuchte der Bärtige den Niedergeschlagenen aufzumuntern und gleichwohl die Stimmung wieder zu lockern, "Es ist das erste Mal, dass der junge Herr in der Wildnis ist."
    "Er war den ganzen Tag über schon zu laut", fuhr der Varanter unbeirrt fort.
    Wut schwoll in Hoids Bauch an. Was dachte sich dieser Kerl denn? Dass er von jetzt auf gleich so gut war wie er? Woher sollte er bitte wissen, wie man sich lautlos durch den Wald fortbewegte?
    "Dann bringt mir doch bei, mich leise fortzubewegen!", ließ er seinem Ärger Luft und erntete damit überraschte Blicke von den beiden andern Männern der Runde. Haana ignorierte ihn und interessierte sich offenkundig viel mehr für die Hasenpfoten, welche sie ihrer Beute abgenommen hatte.
    "Habt Ihr gedacht, ich wollte wegen eines kleinen Abenteuers im Leben eines betuchten Kaufmanns mit Euch kommen?", fuhr er wütend fort, "Gebt dem jungen Mann seinen Willen, damit er uns unsere Ware abkauft", äffte er nun Camons Stimme nach, dem das seines Gesichtsausdrucks nach zu urteilen gar nicht gefiel, "Ich wollte Euch begleiten, um zu lernen, Dinge zu verstehen, von denen ich zuvor keine Ahnung hatte, ein neues Ziel für mein Leben finden, weil mir mein altes genommen wurde!"

    Schweigen und betroffene Mienen. Das war alles, was Hoid sich gegenübersah, nachdem er seinem Ärger Luft gemacht hatte. Er erwartete, dass man ihn zurückschicken würde, ihn beschimpfen würde. Langsam machte er sich daran, sich aufzurichten.
    "Wohin wollt Ihr?", wollte Marsh wissen, der mit geschiedenem Blick den Jüngling beobachtete.
    "Ich will Euch keine Last sein, also kehre ich zurück nach Silden", antwortete der Kaufmannssohn tonlos.
    "Das ist viel zu gefährlich!", wandte der Bärtige ein, "zwar gibt es hier seit Jahren keine Orks mehr, aber die Abwesenheit dieser Bestien hat das Wiederaufblühen anderer Raubtiere ermöglicht. Ich werde nicht zulassen, dass Ihr einem Snapper oder schlimmerem in die Arme lauft!"
    "Das soll nicht mehr Euer Problem sein", wandte Hoid bockig ein und machte sich daran, gänzlich aufzustehen, als er einen Druck auf seinen Schultern wahrnahm, der mit einem Mal heftig zunahm und ihn zurück auf den Boden drückte.
    "Du bleibst", hörte er die einzige weibliche Stimme der Runde und erschrocken blickte er auf, nur um festzustellen, dass Haana es war, die ihn aufgehalten hatte, "Morgen zeige ich dir, wie man sich im Wald verhält", entschied sie und begab sich zurück auf ihren Platz am Feuer.
    Nun saßen sie alle dort. Camon mit einer Miene, die kaum finsterer hätte sein können, Marsh, der sich scheinbar nicht zwischen Besorgnis und Belustigung entscheiden konnte, Hoid, der mit offenem Mund völlig perplex über das eben Geschehene sinnierte und Haana, die sich wieder den Hasenpfoten zugewandt hatte, als sei nichts gewesen.
    "Er wird ab sofort deine Verantwortung sein", versuchte der Varanter seiner Autorität in der Gruppe gerecht zu werden, was ihm aber kaum gelang, als die Nordmarerin nicht einmal aufsah, um ihm zu antworten.
    "Du hast ihn mitgenommen", stellte sie lediglich klar und machte deutlich, dass das Gespräch damit beendet war.
    "So ist sie halt!", lachte Marsh plötzlich laut auf. Scheinbar hatte er sich für die Belustigung entschieden, welche ihm auch viel besser stand, als Besorgnis.
    Der vermeintliche Anführer murrte nur etwas unverständliches, ehe er verlauten ließ, dass alle schlafen gehen sollten, würde es morgen doch nicht leichter werden, als heute.
    Noch ehe sich Hoid jedoch auf sein Lager legte, ging er zu Haana herüber, die ihn abweisend ansah.
    "Danke für...das eben", flüsterte er und lächelte auf seine charmanteste Weise.
    "Schlaf, morgen wird's für dich schlimmer, als heute", erwiderte die blonde Jägerin nur und legte sich ihrerseits auf ihr Lager.

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    "Pass auf! Ich will mich nicht unnötig wiederholen müssen, also hör gut zu", begann Haana die Unterweisung Hoids in der Kunst der Pirsch.
    Hoid schaute sie aufmerksam an, bereit alles in sich aufzunehmen, was er an Wissen von dieser verschlossenen Jägerin empfangen konnte.
    "Bei der Pirsch geht es darum, sich der Beute nähern zu können, ohne dass sie dich frühzeitig bemerkt", führte sie die erste Lektion ein.
    Der Kaufmannssohn nickte verstehend, hatte er den Zweck hinter dem lautlosen Fortbewegen doch bereits begriffen, nur an dem Wie haperte es noch.
    "Dabei ist es besonders wichtig, dass du darauf achtest, wo du deine Füße aufsetzt. Vermeide am Boden liegende Äste und trockenes Unterholz im Allgemeinen."
    Während sie ihn belehrte, deutete sie auf Laub am Waldboden, welches durch die Einwirkung der Sonne, die zwischen dem Blätterdach hindurchbrach, völlig vertrocknet war. Demonstrativ nahm sie ein Blatt auf und zerbröselte es, wie Camon am gestrigen Tag.

    "Trockenes Laub ist jedoch nicht nur etwas, das du meiden solltest, denn es kann dir auch einen wichtigen Hinweis darauf geben aus welcher Richtung der Wind weht. Im Wald ist dies durch die vielen Bäume, die den Wind brechen, nicht immer einfach herauszufinden. Trockene Krümel wie diese hier, reiten jedoch auf den sanften Luftströmen."
    "Das hat Camon gestern auch gemacht, allerdings habe ich nicht verstanden, wozu das gut sein soll. Wieso sollte ich wissen wollen, aus welcher Richtung der Wind weht?", fragte Hoid nach, der sich noch immer keinen Reim darauf machen konnte.
    Offenbar war seine Frage jedoch dumm gewesen, denn der finstere Ausdruck, den die Jägerin bekam, ließ ihn förmlich zusammenschrumpfen.

    "Ist es nicht offensichtlich?", wollte sie offensichtlich genervt wissen und fuhr fort, als keine Antwort erfolgte, "Wenn du mit dem Rücken im Wind einem Tier nachstellst, wird es dich mit Sicherheit wittern und damit fliehen."
    Erleuchtung zeigte sich in den Augen des Schülers, ehe er sich eine Hand an die Wange legte und etwas rot anlief. Es war so offensichtlich gewesen!
    "Natürlich, entschuldige", schämte er sich kleinlaut.
    "Entschuldige dich nicht für Dinge, die nicht mit Absicht geschehen sind", fuhr sie ihn wieder an.
    Der kann man wirklich gar nichts recht machen, beschwerte sich Hoid in Gedanken, verzog dabei jedoch das Gesicht, da sie ihm immerhin helfen wollte, immerhin erklärt es die Vorgehensweise von gestern, als sie nicht direkt auf den Hasen zugelaufen sind, sondern ihn von Norden und Süden eingekesselt hatten.

    "Neben dem Boden musst du auch auf deine nähere Umgebung achten. Wenn du an einem tiefhängenden Ast hängenbleibst oder einen niedrigen Busch streifst, werden die Geräusche deine Beute warnen", ergänzte sie die Lektion und deutete dabei auf einen nahen Baum, der eben solche tiefhängenden Äste besaß, "Weite Kleidung wie deinen Mantel, solltest du also vermeiden, wenn du nicht genügend Erfahrung hast."
    Wortlos streifte sich der Kaufmannssohn den Reisemantel ab. Ohnehin war es viel zu heiß für Kleidung. Wieso nur trugen sie alle welche, wenn Innos' Zorn sie ohnehin bald alle verbrennen würde. Denn was sonst sollte bitte der Grund für diesen ungewöhnlich heißen Sommer sein?
    "Vorzugsweise suchst du dir also einen weichen und feuchten Untergrund, der die Geräusche deiner Schritte dämpft, der zudem nicht von Büschen überwuchert und tiefhängenden Ästen bestückt ist. Alles klar?", fasste Haana die Lektion noch einmal zusammen.
    Hoid nickte unterdessen eifrig, fragte sich jedoch gleichzeitig, ob er solche Bedienungen irgendwo in diesem Wald erfüllt finden würde.

    "Jetzt zeige ich dir, wie du deine Füße aufsetzen musst, um möglichst wenig Lärm zu verursachen", leitete die Nordmarerin die nächste Lektion ein, wobei sie ihren Fuß von ihrem engen Lederstiefel befreite.
    Der leere Schuh fiel kurz darauf in sich zusammen, was für sehr weiches Leder sprach. Haana hielt unterdessen ihren Fuß hoch und zeigte Hoid ihre Sohle. Damit sie nicht fiel, hatte sie sich auf einen alten Baumstumpf gesetzt.
    "Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie du deinen Fuß aufsetzen kannst. Wenn du nicht schnell sein musst, setzte zuerst die Ferse auf", sie deutete auf den hintersten Teil ihres Fußes, "und arbeite dich bis zu den Zehen vor, mit denen du dich langsam abrollst. Genau andersherum, wenn du rückwärts gehen willst, kapiert?"
    Der Dunkelhaarige nickte und wiederholte die erhaltenen Tipps wortgetreu. Die Jägerin wirkte zufrieden und fuhr mit ihren Erklärungen fort.
    "Diese Technik hat auch den Vorteil, dass deine Spuren weniger tief sind und somit nicht so leicht zu lesen, wenn du auf härterem Untergrund unterwegs bist. Zusätzlich ist es wichtig, dass du dich nah am Boden hältst. Etwa so."
    Sie erhob sich, reichte ihm dabei gerade bis zum Brustbein, und ging in eine hockende Position. Ihre Knie waren leicht angewinkelt und ihr Oberkörper neigte sich etwas nach vorn, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    "Auf diese Weise verteilt sich dein Gewicht gleichmäßig und du reduzierst sowohl Geräusche, als auch Spuren."
    "Ich verstehe", meinte Hoid und versuchte sich seinerseits an der Haltung, die ihm seine Lehrerin soeben vorgeführt hatte.

    "Du gehst zu tief in die Hocke", schätzte Haana die Haltung ihres Schülers ein, "Und dein Gleichgewicht ist aus dem Ruder."
    Tatsächlich schwankte der Kaufmannssohn bedenklich und versuchte mithilfe seiner Arme die Balance zu finden. Sein nächster Schritt war auch gar nicht so, wie von ihm gewollt, sodass er eher seitlich auftrat und beinahe umgeknickt wäre.
    "Halt dich weniger gebeugt und behalt deine Arme näher am Körper, sonst wirst du früher oder später gegen etwas stoßen und somit jedes Tier im Umkreis auf dich aufmerksam machen", beratschlagte die Bogenschützin den Halbvaranter.
    Dieser gab vor verstanden zu haben und machte sich gleich an einen neuen Versuch, doch noch ehe er seinen ersten Schritt machen konnte, unterbrach die Lehrerin ihn.
    "Zieh deine Stiefel aus!", befahl sie.
    "Meine...was?", fragte der Dunkelhaarige verdutzt und schaute auf sein Schuhwerk.
    "Los, zieh sie aus!", forderte sie energisch und er tat, wie ihm befohlen.
    Nun mehr mit nackten Füßen auf einem Untergrund, der darauf ausgelegt zu sein schien, seine Sohlen zu durchbohren, traute er sich kaum noch ordentlich aufzutreten. Haana hatte sich unterdessen die schweren Stiefel geschnappt und wog sie in ihrer Hand.
    "Viel zu schwer und hart", war ihr Kommentar dazu und stellte sie beiläufig zur Seite.
    "Was willst du damit sagen?", verlangte Hoid zu wissen, der aussah, als würde er einen irren Tanz aufführen aus Ermangelung an geeigneten Plätzen für seine Füße.
    "Das Gewicht der Stiefel zieht dich zu schnell runter und du spürst den Boden nicht richtig, sodass du im Notfall nicht stoppen kannst, wenn sich ein Ast unter weichem Moos oder Sandboden verbirgt."
    "Aber wie soll ich bitte mit nackten Füßen über den Waldboden laufen? Ich werde mir die Sohlen aufschlitzen!", protestierte der Kaufmannssohn, erntete jedoch nur einen geringschätzigen Blick der Jägerin.

    Derartig argumentativ geschlagen seufzte der junge Mann und machte sich erneut daran, den Anweisungen der "Dame" zu folgen. Widerwillig setzte er die Füße richtig auf, versuchte das Stechen der kleinen Steine und der rauen, kompostierten Früchte zu ignorieren. Vorsichtig ging er in die Hocke, nicht zu tief, und hob sein rechtes Bein an. Er spürte wie sich etwas von dem Unterholz an seine Sohlen klammerte, es schmerzte und kitzelte zur selben Zeit. Beim Aufsetzen der Ferse war auch noch alles gut, auch wenn sein linkes Bein zu zittern begonnen hatte. Doch als er sich über den Fußballen abrollen wollte, jaulte er auf wie ein Hund, dem man auf den Schwanz getreten war. Er riss den Fuß wieder hoch, geriet dabei aus dem Gleichgewicht und landete rittlings auf dem Hintern. In seiner rechten Fußsohle steckten mehrere spitzte Kiesel und sein Gesicht spiegelte tatsächlichen Schmerz wider.

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    "Langsam wird's", kommentierte Haana die Fortschritte ihres eifrigen Schülers.
    Hoid war mittlerweile in der Lage, nicht bei jedem kleinen Stein aufzuschreien, wenn er sich in seine Fußsohle bohrte. Außerdem schaffte er es das Gleichgewicht zu halten und nicht wieder zu Boden zu gehen. Schweiß rann ihm übers Gesicht und all seine Muskeln waren zum Zerreißen gespannt.
    "Achte darauf, dass du die Füße sanft aufsetzt. Deine Haltung muss stimmen und du musst in der Lage sein, den Fuß noch einmal anzuheben, wenn du bemerkst, dass sich etwas unter deinen Sohlen befindet, das ein Geräusch verursachen könnte."
    Ein wenig komisch kam sich der Kaufmannssohn mittlerweile schon vor, wie er immer wieder von einem Baum zum anderen hin und her tigerte. Er selbst bemerkte kaum Verbesserungen bei sich, viel mehr konzentrierte er sich darauf, den Schmerz, der von seinen Sohlen bereits seine Beine emporstieg, zu ertragen. Glücklicherweise waren Camon und Marsh schon seit Tagesanbruch auf der Jagd, weshalb er sich vor ihnen keine Blöße geben musste. Immerhin war es schon schlimm genug, dass die Nordmarerin ihn derartig hart rannehmen musste, dass er überhaupt Fortschritte machte. Für gewöhnlich war er es, der Frauen Dinge zeigte, die sie noch nicht kannten. Ein scheeles Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, doch bereute er die schmutzigen Gedanken wenige Augenblicke später bereits, da er seine Konzentration verlor, den Fuß zu ruckartig aufsetzte und damit einen Ast, den er sicherlich schon ein dutzend Mal umgangen war, zerbrach. Wie ein Stein, der in einen stillen Tümpel geworfen wurde, breitete sich neuerlicher Schmerz wellenartig über die gespannte Haut aus. Nur knapp konnte er einen neuerlichen Aufschrei unterdrücken, ging jedoch trotzdem in die Knie, da sein anderer Fuß ihn nicht allein halten wollte.

    "Hör auf mit deinen Gedanken abzuschweifen!", fauchte die Jägerin ihn an.
    "ja, ich hab's begriffen!", maulte Hoid, dessen Stimmung im Keller war, "Können wir nicht mal eine Pause einlegen?"
    "Eine Pause? Von was denn? Bisher bist du nur hin- und hergetapst wie ein Wolfswelpe", höhnte sie, was dem Halbnordmann so gar nicht passte.
    Er knurrte etwas unverständliches, ehe er sich einige Splitter von dem Fuß fegte, um einen neuen Anlauf zu wagen. Er würde dieser eingebildeten Schnepfe schon zeigen, wer hier ein Wolfswelpe war! Seine Wut in Kraft umwandelnd setzte er die Übung fort, wurde mit jedem Gang von Baum zu Baum besser. Als er langsam glaubte, den Dreh herauszuhaben, meldete sich Haana erneut zu Wort.
    "Gut, versuch jetzt ausschließlich auf den Ballen zu laufen", wies sie ihn an.
    Ohne sich nach ihr umzusehen, folgte er dem Befehl und folgte seiner Route weiterhin, nur dass er sich fühlte, als würde er dabei Treppensteigen. Schnell fiel ihm dabei etwas auf.
    "So ist es viel einfacher, leise zu sein", stellte er fest.
    "Richtig, aber es ist auch weitaus anstrengender, als das sanfte Abrollen über die Zehen. Außerdem hinterlässt du tiefere Spuren, weil sich den Gewicht auf die Fußballen konzentriert. Du musst auch mehr darauf achten die Knie höher anzuheben, um nicht über den Boden zu schleifen."

    Hoid schaute nach unten und konnte dies als Tatsache bestätigen, sah man doch ganz deutlich, wo er aufgetreten war, wohingegen seine vorherigen Schritte mit dem ganzen Fuß schwieriger auszumachen waren.
    "Wir nennen es Fuchslauf und es ist insbesondere dann hilfreich, wenn du dich schneller fortbewegen musst, ohne unnötig viele Geräusche zu machen. Um Verfolger abzuschütteln, eignet er sich allerdings nicht", erläuterte die Jägerin diese Art der Fortbewegung.
    "Verfolger?", fragte der Händlersohn überrascht und bemerkte gleich, dass er besser die Klappe gehalten hätte.
    Haana ließ sich zu keiner Antwort herab, doch würde Hoid diesen Ausdruck in ihren Augen sicher nicht so bald vergessen; pure Panik.

    "Wir sollten dein erworbenes Können testen", entschied die Nordmarerin kalt und erhob sich, um sich einige Schritte vom Lager zu entfernen, wo sich die wenigsten Tiere auch nur hinwagten, "Die Umgebung in der Wildnis besteht nicht nur aus Pflanzen und deiner Beute. Es leben tausende Tiere im Wald und jedes von ihnen könnte dafür sorgen, dass deine Beute flieht. Besonders Vögel sorgen mit ihren Warnrufen dafür. Hör genau hin!"
    Hoid, der immer noch genau darauf achten musste, wo er hintrat, lauschte auf das Singen der Vögel. Er konnte weder sehen, von wo die Geräusche kamen, noch war er fähig festzustellen, ob es sich um Warnrufe oder das übliche Gezwitscher handelte. Lediglich ein raues Rätschen, was beinahe alle anderen Gesänge übertönte, fiel ihm besonders auf.
    "Du hast ihn bemerkt, hm? Das prominente Krächzen ist ein Eichelhäher und vermutlich die beste Wache, die du in der Wildnis finden wirst. Sein Ruf warnt alle Tiere in einem großen Umkreis vor Gefahr und nicht selten wirst du nicht einmal in der Lage sein zu bestimmen, ob einer in der Nähe ist. Er ist sehr geschickt darin, seinen Gesang dem anderer Vögel anzupassen."
    "Ein wahrer Tausendsassa", kommentierte der Halbvaranter, amüsiert über die Faszination in Haanas Stimme.
    Sie hatte wirklich ein Faible für die Fauna, erinnerte er sich doch gerade an die genaue Bestimmung der Herkunft des Schattenläuferhorns und des Habichtpräparats in seinem Heim.
    "Deine Aufgabe wird es sein, dich fortzubewegen, ohne dass der Eichelhäher einen Warnruf ausstößt", erklärte sie die nächste Lektion, "Ich mache es dir vor, sobald er sich beruhigt hat.

    Einige Minuten verstrichen, in denen der Vogel unermüdlich seine Warnungen ausstieß. Doch irgendwann schien er die Lust zu verlieren oder aber davon auszugehen, dass die vermeintliche Gefahr vorüber war. Denn es wurde deutlich ruhiger um sie und neben den harmonischen Gesängen der Vögel konnte Hoid leises Rascheln im Unterholz hören. Es kam in kurzen Intervallen und schien sich jedes Mal etwas weiter zu entfernen. Ob das ein Tier war, dass sich durch den Wald stahl?
    Ein Handzeichen machte ihn auf seine Lehrerin aufmerksam, die im Inbegriff war zu demonstrieren, was sie von ihm verlangte. Sie deutete auf einen Baum, der etwa dreißig Schritte entfernt stand und ein großes Astloch auf etwa Kopfhöhe besaß. Es würde das Ziel sein, das es zu erreichen galt, ohne den Eichelhäher auf den Plan zu rufen.
    Vorsichtig machte sich die Nordmarerin daran, sich durch das dichte Unterholz zu stehlen. Sie hielt ihre Arme dicht am Körper, stützte dabei ihr Jagdmesser, damit es kein Klappern verursachte, auch wenn das ohnehin unwahrscheinlich war. Behutsam setzte sie einen Fuß vor den andern, drehte immer wieder die Hüfte mit und glich ihr Gewicht aus. Hätte Hoid sie nicht gesehen, wäre er davon ausgegangen, dass sie noch immer dort stand, wo sie gestartet war. Kein Knacken von Zweigen war zu hören und auch jegliches Rascheln von trockenem Laub blieb aus. Es dauerte eine Weile und doch erreichte die Jägerin den anvisierten Baum ohne dass ein Warnruf ertönte. Mit einer Geste forderte sie nun ihren Schüler auf, es ihr gleich zu tun.

    Verwundert darüber wie sehr er sich bereits an die Strecke beim Lager gewöhnt hatte, fixierte der Lehrling den Boden viel intensiver als zuvor. Er hielt seine Arme nicht ganz so dicht an seinem Körper, aus Angst der Stoff seiner Ärmel könne ein Geräusch verursachen, wenn es über den Rest der Tunika rieb. Seinen Beutel hatte er nicht mitgenommen, wohl aber alles, was sich an seinem Gürtel befand. Aufmerksam setzte er einen Fuß vor den anderen, wich einem kümmerlichen Strauch aus und trat stattdessen auf einen von Gras bewachsenen Fleck. Leider hatte er die Pilze, welche dazwischen wuchsen, nicht gesehen und so rutschte er auf den winzigen Hüten aus. Seine linke Hand schnellte zu Boden, um einen Sturz zu verhindern, doch der Schaden war angerichtet. Das rauche Krächzen des Eichelhähers erklang und machte damit Hoids ersten Versuch zunichte.
    Zwar hatte er sich abfangen können, doch das unnatürliche Rascheln des Ausrutschens im Gras und die unkontrollierte Hand, welche den Boden aufgewühlt hatte, waren genug, um den Vogel zu alarmieren. Während sich der Händlersohn aufrichtete und die dreckige Hand abklopfte, kam Haana auf ihn zu.
    "Gar nicht schlecht für den Anfang", lobte sie, auch wenn er nur etwa zehn Schritte hinter sich gebracht hatte, "Warte einfach, bis sich der Eichelhäher beruhigt hat und versuch es noch einmal."
    Geändert von Hoid (08.08.2018 um 19:41 Uhr)

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    Hoid ist offline
    Es dauerte lange bis sich der Eichelhäher endlich beruhigt hatte, doch gab es Hoid einiges an Zeit, welche er zum Nachdenken nutzen konnte. Das kurze Rascheln im Gebüsch, was immer wieder stoppte und schließlich wieder anfing, ließ ihn nicht los.
    Es wäre doch sicher eine gute Idee sich genauso fortzubewegen. Man hat Zeit die Umgebung erneut zu prüfen und sich einen Pfad zu suchen, der am wenigsten Hindernisse aufwies, überlegte der Schüler und nahm sich gleichwohl vor bei seinem nächsten Versuch eben dies zu testen.

    Endlich hatte der Warnruf des Vogels aufgehört und es war an der Zeit, die ausgedachte Technik anzuwenden. Ruhig ging der Halbnordmann in eine leichte Hocke, verteilte sein Gewicht so gleichmäßig wie möglich und machte den ersten vorsichtigen Schritt, gefolgt von dem zweiten und einem dritten. Nach dem sechsten Schritt behielt er seine Position bei, sah sich die Strecke, die noch vor ihm lag genau an. Rechterhand wucherten allerhand Sträucher und Büsche, an denen dunkle Beeren hingen. Direkt vor ihm schienen sich besonders viele Wurzeln aus dem Erdreich zu schlängeln und linkerhand war neben vereinzelten Sträuchern und Grasbüscheln nahezu ebener Waldboden. Hoid entschied sich für den linken Pfad und musste sogleich das erste knorrige Gestrüpp umgehen, wobei er behutsam auf eine Wurzel des mittleren Weges trat. Er war verwundert, dass es so gut wie gar kein Geräusch erzeugte, wollte seine Wahl jedoch nicht revidieren. Den Strauch hinter sich gelassen, wandte er sich nun den nächsten Schritten zu, die durch einige kümmerliche Büschel Gras führten. Natürlich hatte er seinen letzten Versuch nicht vergessen und so prüfte er vor jedem Schritt, ob sich etwas zwischen den gelblich grünen Halmen verbarg. Beinahe hätte er dabei einen trockenen Ast übersehen, den er jedoch glücklicherweise mit seinen empfindlichen Sohlen gespürt, ehe er sein Gewicht auf den Fuß verlagert hatte.

    Eine weitere Pause war offenkundig nötig und so hielt der Schüler erneut inne. Als er den Blick hob erkannte er, wie nah er seiner Lehrerin schon gekommen war, die ihn mit undeutbarer Miene beobachtete.
    Ob es ihr imponiert, dass ich es schon soweit geschafft habe?, schoss es ihm durch den Kopf.
    Zwei Drittel des Weges hatte er hinter sich gebracht und doch wollte er sich noch nicht zu sicher fühlen. Das letzte Stück gab ihm kaum Möglichkeiten zur Auswahl und so lief er gezwungenermaßen direkt auf Haana zu, wobei er zur Linken einige tiefhängende Äste umgehen musste, während parallel dazu zu seiner Rechten ein hüfthoher Busch den Pfad schmälerte.
    Oh man, wie ist Haana denn hier vorbeigekommen?, versuchte sich Hoid daran zu erinnern.
    Leider wollte es ihm nicht einfallen, war er doch wohl etwas zu sehr vom Einsatz ihrer Hüfte abgelenkt gewesen.
    Die Hüfte!, griff er das Schlagwort auf und bemerkte, dass er sie bisher nur unbewusst benutzt hatte.
    Eventuell konnte sie ihm beim letzten Stück helfen. Angespornt davon, die richtige Idee gehabt zu haben, näherte er sich der heiklen Passage bis auf einen weitern Schritt und versuchte sich, nachdem er durchgeatmet hatte, seitlich fortzubewegen.
    So bin ich am weitesten von beiden Hindernissen weg, lobte er sich in Gedanken selbst, bereute seine Entscheidung jedoch eine Sekunde später bereits.

    Um den Ästen zu entgehen lehnte er den Oberkörper ein wenig nach hinten, verlor dabei jedoch das Gleichgewicht, da er nicht genügend in die Hocke gegangen war, weil er sich auf die Mitarbeit seiner Hüfte konzentriert hatte. Kurzerhand saß er also in dem Busch, was natürlich den Eichelhäher lauthals Krächzen ließ. Beinahe war es so, als lachte er Hoid für dessen Ungeschick aus.
    Eine Hand streckte sich ihm entgegen, die er verdutzt nahm, um sich aus dem Gestrüpp helfen zu lassen. Es war Haana, die ihm so etwas wie ein Lächeln schenkte - ein Mundwinkel war leicht erhoben, wenn man nur genau hinsah!
    "Besser, aber zwei Dinge waren falsch", fiel sie direkt in den Lehrmodus.
    "Zwei?", fragte der Dunkelhaarige verdutzt, der tatsächlich nur seinen Sturz als Fehler ansah.
    "Du hättest über die Wurzeln gehen sollen. Sie erzeugen keine Geräusche wie Blätter oder Zweige. Du musst dir lediglich sicher sein, dass sie fest im Boden sitzen", erklärte die Jägerin geduldig den ersten Fehltritt, "Und wenn du dich selbst richtig einschätzen könntest, hättest du die letzte Passage umrundet. Du bist zu groß und zu ungeübt für so einen engen Durchgang. Zwar dauert es länger etwas zu umrunden, als hindurch zu laufen, aber immer noch besser, als entdeckt zu werden", schalte sie ihn mit Recht.

    Hoid senkte den Kopf, niedergeschlagen, dass es ihm wieder nicht gelungen war.
    "Komm, wir gehen zurück ins Lager und machen eine Pause. Ich denke, dass Marsh und Camon wieder zurück sein dürften und mir knurrt der Magen...noch etwas, das dich verraten könnte."
    Sie macht aus allem eine Lektion, dachte der Händlersohn belustigt und spürte eine Art sich bildende Bindung zwischen ihnen.
    "Starr mich nicht so an und beweg dich, sonst beruhig sich der arme Eichelhäher heute gar nicht mehr!", raunzte sie im nächsten Moment schon wieder und ging vor, hinter sich einen grinsenden Hoid.

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    Hoid ist offline
    Als Haana und Hoid wieder im Lager ankamen, waren Marsh und Camon tatsächlich bereits wieder dort. Das Feuer knisterte fröhlich vor sich hin, während der Varanter es schürte. Der Bärtige arbeitete derweil mit dem Rücken zu ihnen auf einem breiten Baumstumpf. Der Geruch nach Blut lag in der Luft und der Händlersohn ahnte, dass es von ihrer Beute kam. Trotzdessen knurrte der Magen des Dunkelhaarigen und er lächelte entschuldigend, als Camon ihn daraufhin ansah.
    "Wie lief Euer Training?", fragte der Anführer der Gruppe mit ernster Miene.
    Er ist wohl noch immer wütend wegen gestern, fürchtete Hoid, der sich seine Gedanken jedoch nicht anmerken ließ.
    "Ich denke, dass ich bereits einige Fortschritte gemacht habe, auch wenn ich gern schon weiter wäre", gab er zu und griff nach seinen Schuhen, die er hier zurückgelassen hatte.
    "Schaut erst nach, ob sich ein Tier dort drin aufhält", riet Camon in dem Moment, in dem der Halbnordmann den rechten Stiefel anziehen wollte.
    Er tat wie ihm geheißen, während er sich fragte, was für Tiere sich im Schuhwerk eines Menschen einnisten würden, verfolgte diesen Gedanken jedoch zum Selbstschutz nicht weiter. Glücklicherweise waren seine Schuhe frei von jeglichem Getier und so stülpte er sie über seine lädierten Füße. Dabei bemerkte er nicht den Blick, den der Varanter auf ihn warf, nachdem er die wunden Sohlen gesehen hatte. Dass er danach Haana vorwurfsvoll ansah, entging ihm jedoch nicht, doch ohne den wahren Grund dafür zu kennen, vermutete Hoid, dass es damit zusammenhing, dass sie ihn trainierte.

    Um die aufkeimende, schlechte Stimmung gar nicht erst zur Blüte kommen zu lassen, wandte sich der Bürger aus Trelis an den bärtigen Jäger, der bisher noch kein Wort gesagt hatte.
    "Marsh, was werden wir heute essen?"
    "Gejagtes!", kam die Antwort prompt in Begleitung eines vielsagenden Blickes.
    Verwirrt schaute Hoid dumm aus der Wäsche, was dem gestandenen Mann eines seiner ansteckenden Lacher entlockte.
    "In der Wildnis ist es nicht immer wichtig, [b]was[/i] man isst, sondern dass man isst, versteht Ihr?", klärte er seine ungenaue Antwort.
    "Ja, das ergibt durchaus Sinn", gab der Dunkelhaarige zu und kratze sich am Oberarm, wo ihn ein Insekt gestochen hatte.
    "Aber wenn Ihr euch dann besser fühlt", setzte er noch einmal an, "es gibt Dachs, sobald ich ihm sein Fell abgezogen habe."
    "Dachs? Habe ich noch nie probiert."
    "Ist auch schwierig zu erlegen, da sie selten ihren Bau verlassen", schaltete sich Camon in die Unterhaltung ein.
    Fast erwartete Hoid, dass Haana nun mit einem Fakt über dieses Tier aufwarten würde, doch war sie wieder in ihr schweigsames Ich verfallen. Ob es an der Anwesenheit der beiden anderen Jäger lag? Es war irgendwie seltsam gewesen, dass sie bei ihren Lektionen so viel gesprochen hatte. Allerdings war er wohl auch ein recht langsamer Schüler, was viele Erklärungen erforderte. Oder etwa nicht?

    Nachdem Marsh seine Arbeit an dem Kadaver abgeschlossen hatte, dauerte es nur eine kleine Weile länger ehe das Tier, welches in etwa die Größe eines Fuchses hatte, langsam am Feuer garte.
    "Das riecht schon jetzt herrlich", lobte der Lehrling das Essen, was Marsh ein Grinsen abgewann.
    "Ich habe einige Kräuter dazugetan, die den Geschmack verbessern", erläuterte der vermeintliche Koch der Runde.
    "Marsh ist gut im Umgang mit Gewürzen, die er in der Wildnis findet", lobte nun auch Camon seinen Gefährten.
    "Ich esse gern, was Marsh zubereitet", reihte sich Haana in die Schlange der Lobpreisungen auf Marsh ein, was dem armen Kerl schlussendlich die Schamesröte ins Gesicht trieb und ihn verlegen Auflachen ließ.
    "Hört auf, zu viel der Ehre!"
    Kurz darauf wendete er den Dachs, sodass er nicht von einer Seite verbrannte.
    "Sag mal Marsh", begann Hoid, "kannst du mir zeigen, wie man ein erlegtes Tier häutet?"
    Der Blick des Händlersohns ruhte auf dem Fell, welches gespannt auf dem Baumstumpf lag. Noch immer sah man das Blut an dem Holz, obwohl das Tier vorher ausgeblutet und die Gedärme entfernt worden waren.
    "Erst einmal werdet Ihr lernen Euch an ein Tier heranzupirschen. Erst wenn Ihr eure eigene Beute macht, wird Marsh Euch zeigen, wie Ihr sie häutet, Zähne und Klauen entfernen könnt", entschied der Anführer, bevor Marsh überhaupt antworten konnte.

    Da offensichtlich keine Widerworte geduldet wurden und Hoid nicht in der Stimmung war, sich zwei Tage hintereinander mit seinen Reisegefährten auseinanderzusetzen, schwieg er darüber, was Camon als stille Zustimmung wertete. Marsh wirkte etwas zerknirscht, während er den Dachs erneut wendete und Haana hatte einen leeren Blick, so als sei sie mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen.
    Allmählich überkam den Städter die Anstrengungen des Tages und seine Glieder wurden schwer. Er würde nach dem Abendessen sehr bald schlafen gehen, um am morgigen Tag eifrig weiter die Pirsch zu üben. Er spürte, dass er nah dran war, den Anforderungen Haanas gerecht zu werden.

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