„
Hör mir zu; wenn wir dort sind möchte ich, dass du hinter mir bleibst.“ „
Nate, ich kann auf mich…“ „
Jetzt keine Widerrede, Anastasia! Das ist keine Sache, die du im Training hinreichend lernst und es nichts, auf das dich die Theorie vorbereitet.“ Nix versuchte ihre Aufregung hinter einer fadenscheinigen Fassade aus Selbstbewusstsein zu verbergen. Ein Versuch, der ihr gründlich misslang. Das wusste sie ebenso sehr wie Nate. Sie knetete ihre Finger so heftig, dass die Haut schon rot war. „
Anastasia.“ Nate wandte sich ihr im Fahren zu. „
Bleib hinter mir. Tu genau das, was ich dir sage. Und halte Gott verdammt noch einmal…“ Innerlich schickte er ein entschuldigendes Stoßgebet gen Himmel „
…deine Barrieren oben.“ „
Klar“, sagte Anastasia und schluckte heftig. Sie war zwar Biotikerin, allerdings hatte sie diese Fähigkeiten noch nie im Kampf erprobt. Genaugenommen hatte sie noch nie gekämpft. Und sie hoffte inständig, dass sich das heute nicht ändern würde. Wie sehr sie sich täuschte…
*
Das Leder von van Zans Wagen knirschte bedächtig als Hanna sich zu Saenia umdrehte und sie anstarrte. Der Mann in Schwarz hatte versucht die Wogen zu glätten ehe sie entstehen, war damit aber zu spät gekommen. Hannas Einsicht einer Allianz war angesichts der Dreistigkeit der Turianerin endgültig in den Hintergrund gerückt. „
Verarschen Sie mich? Wer sind Sie? Irgendein Fatzke, der einem Boss nachläuft ohne dessen Beweggründe zu kennen? Die beiden sind wie ich von C-Sicherheit und damit die Autorität auf dieser Station. Sie werden dulden, was wir Ihnen zumuten, kapiert?“ Die Agentin drehte sich wieder um und schaute aus dem Fenster. „
Wenn wir dem Killer gegenüberstehen, werden Sie für die beiden noch dankbar sein. Sie sollten sich lieber Sorgen um das machen, was vor Ihnen liegt, nicht was in ihrem Rücken ist“, setzte Hanna nach. Dann legte sie die Hand nachdenklich an die Lippen und richtete die Augen auf ein paar am Horizont blinkende Lichter. Jede Art der Verstärkung würde helfen, Craig in diesem Industriekomplex aufzuspüren. Interne Ermittler waren zwar generell verhasst, galten aber als sehr integer. Sie erwartete daher kein doppeltes Spiel von ihnen. Im Gegensatz zu manch anderem… Die Blondine vermied es tunlichst, ihren Blick auch nur ansatzweise zu van Zan schweifen zu lassen. Sein „Einspringen“ war keinerlei von einer tiefgreifenden Meinung ihr gegenüber geprägt gewesen, davon war Hanna überzeugt. Vermutlich vertraute van Zan ihr ebenso wenig wie sie ihm. „
Der Feind meines Feindes ist mein Freund“, dachte die Agentin. „
Vorerst.“
Der Wagen setzte sanft auf und van Zan ließ alle aussteigen. Hanna war die erste, die auf dem schmutzigen Boden des Industriekomplexes stand. Überall waren Kisten, obwohl in diesem Bezirk seit dem Angriff der Geth niemand mehr gearbeitet hatte. Angeblich fanden sich hier noch immer Trümmerstücke des riesigen Schiffes, welches die Geth als Speerspitze zwischen die sich schließenden Stationsarme gestoßen hatten. Hanna bezweifelte den Wahrheitsgehalt der Gerüchte, konnte sie aber auch nicht völlig verneinen. „
Wenn Craig hier irgendwo steckt…“ Die Blondine schob den peinigenden Gedanken beiseite und wandte sich stattdessen den aussteigenden Kampfgefährten zu. Diese folgten Van Zan um den schwarzen Wagen herum. Der Mensch öffnete den Kofferraum. Ein schmales Lächeln huschte über Hannas Lippen. Van Zan hatte einen guten Geschmack, was sich nicht nur in seiner zugeschnittenen Kleidung widerspiegelte. und m Kofferraum fand sich ein wahres Arsenal an „
Spielzeug“ an. „
Alles legal, so so“, flötete Hanna ohne die Aussage des schwarzen Mannes zu negieren oder zu bestätigen. Gezielt griff sie in den Kofferraum und pflückte sich das M13-Raptor heraus. Der Griff passte perfekt in ihre Handfläche, das Material war weich und abriebfest. Sie legte an, schaute durch das Visier, prüfte den Sitz und die Haltung. Dann wechselte sie die Seite. Schließlich nickte sie einmal selbstbestätigend und ein zweites Mal zu van Zan, der das Nicken erwiderte. Er selbst erwartete offensichtlich Ärger und deckte sich mit reichlich eventuellem Nachschub an ebendiesem ein. Beyo Vhan ließ indes verlauten, dass ihm seine Waffe reichen würde und dass er den Killer lebend fassen wollen würde. Die Agentin nickte zustimmend. „
Ein Risiko gehe ich zwar nicht ein, aber Sie haben Recht: Tot nützt er uns nichts.“ Andererseits würde sie nicht zögern den Kerl umzunieten.
*
„
Was zum Teufel und allen Höllenkreisen?“ Nate hatte sein Shuttle unweit der Stelle gelandet, an der das mattschwarze Fahrzeug runtergegangen war. Er stieg aus, gefolgt von Anastasia. Er bedeutete ihr, zurückzubleiben. Denn der schwarze Wagen zeigte Zähne. „
Nate“, flüsterte Anastasia mit dünner Stimme. Nervosität ließ sie zittern wie die Saiten eines Kontrabass nachdem der letzte Ton schon längst verklungen war. Ihre Finger begannen bläulich zu schimmern. Sie spürte wie die Biotik in ihr vibrierte. Anastasia trainierte ihre Fähigkeiten regelmäßig aber seit den Tagen ihrer Ausbildung hatte sich nicht mehr derart viel Angst in ihr Aufwallen gemischt. Ihre Hand zuckte zur Waffe, als der männliche Turianer sich aus der Gruppe der sich ausrüstenden Leute löste und zu ihnen kam. Sie spürte, wie ihre Finger den Griff der Pistole berührten. Sie zitterte so sehr, atmete flach durch halb geöffnete Lippen. Der rote Turianer sagte etwas zu Nate, dann brach er mitten im Satz ab. „Vorsicht!“
Die Wucht der Explosion als das Skycar in einem Feuerball verschwand, schleuderte Anastasia fort und ließ sie heftig zu Boden stürzten. Instinktiv strömte biotisches Potenzial durch ihren Körper, schuf eine Barriere und schütze die nackten Unterarme davor, beim Aufprall aufgerissen zu werden. Nate hatte weniger Glück. Sein Vorteil war seine Erfahrung. Der ältere Detective rollte sich gekonnt ab. Unnachgiebiger Stahl empfing sein schwaches Fleisch gnadenlos, als er mit der Schulter voran auf dem Boden aufkam. Nate stöhnte vor Schmerz, begann dann aber vorwärts zu kriechen, den Kopf in Deckung haltend. Der Knall der Explosion wurde beinahe sofort von dem Knattern mehrerer Waffen abgelöst. Projektile prasselten neben Nate zu Boden. „
Anastasia!“, schrie er. „
Ja!“ Er seufzte erleichtert und kroch weiter. „
Sie ist unverletzt“, beruhigte er sich selbst. Wenn sie das Skycar – und damit die einzige Deckung – nicht bald erreichte, würde sich das aber sicherlich ändern…
„
Fuck!“ Hanna duckte sich sofort. Ihr Verhalten war so sehr antrainiert, dass es mittlerweile schon instinktgesteuert war. Sie kniete sich nieder und suchte die Stelle des Skycar die vermeintlich am schwersten zu durchschlagen war. Der Eezo-Antrieb wäre am geeignetsten. Hanna umschloss das M13 fest. Durchladen, entsichern, abwarten. Das Krachen der gegnerischen Waffen war kaum mehr als ein Untergrundrauschen in ihren Ohren, ein graues Echo ihrer Vergangenheit. Sie spürte Vincent van Zans Schulter, die sich an die ihre drückte. Hanna hockte ganz außen links, van Zan daneben. In der Mitte kauerte Saenia, die den drei Flüchtenden rasch Platz machte. Die Turianerin hatte sich eines der Mattock-Gewehre geschnappt und wartete auf eine Chance, das Feuer zu erwidern. Vhan, Nix und Hudson quetschten sich zwischen die Deckung suchenden. „Was für eine Scheiße!“, brüllte jemand. Jemand anders feuerte eine Waffe ab. Erfahrungsgemäß brauchte die Beteiligten eines Feuerüberfalls je nach Aus- beziehungsweise Vorbildung ein paar Sekunden bis zu zwei Minuten, ehe sie sich gesammelt hatten und die Lage erfassten. Hanna schwieg sich aus. Ihr Herz pochte langsam, sie atmete durch die Nase ein und langsam aus. „
Wer hier hat eine Kampfausbildung?“, fragte die Blondine schließlich gegen das Gewehrfeuer anrufend. „
Ich!“, antwortete Detective Hudson, ebenfalls brüllend. „
Nehmen Sie sich das Mattock und Munition. Und werfen Sie mir noch ein paar Magazine rüber.“ Hanna brauchte nicht hinschauen um mitzubekommen wie Nate sich unbequem verbog und stöhnend das letzte Mattock aus dem Kofferraum zerrte. Zwei Thermomagazine kullerten über den Boden. Hanna las sie auf und schob sie in die Jackentaschen. „
Sie auch, Sorax?“