Vigilio reagierte erst dann, als Luceija längst den schmerzgeprägten Kuss erhalten hatte und sich der Schwede dabei ungünstig weit nach vorne bewegt hatte. Es tat dem Halbitaliener schon beim Zusehen weh, beobachtete aber alles weiter, wie eine Wache aus der dunklen Ecke, ohne etwas zu kommentieren. Selbst er konnte nicht abweisen, dass das Bild etwas ziemlich niedliches und gleichzeitig trauriges hatte wie seine Schwester vehement auf Schlaf verzichten wollte um Leif sicher zu wissen. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte er dabei an seine Ehe und den Beschützerinstinkt den er immer dann hatte, wenn er zurückerinnert wurde, wie viel Leid auf sie alle in den nächsten Jahren zukommen würde. Er verstand sie. Verstand, warum sie ihn mit jeder Faser ihres Körpers retten wollte, egal wie lächerlich verschwindend der potenzielle Erfolg sein mochte. Verstand die Panik, die in ihren Augen lag wenn auch nur einmal der Ton des Gerätes, an dem er angeschlossen war, nicht so klang wie der vorherige. Sie würde sich keine Pause und keinen Schlaf gönnen, ehe sie sich komplett sicher sein konnte, dass er sicher war. Denn genau so ging es auch ihm, der permanent über eine Option nachdachte, alle zu retten die er liebte. Seiner Familie, seiner Frau und seiner Tochter ein Leben bieten zu können, dass außerhalb von totaler Zerstörung lag.
"Ich könnte dir auch was für die Nacht geben, aber-...Erstmal wüsste ich gern, ob DU die für dich richtige Ansprache ist. Ganz egal was bereits vorgefallen ist." Gil sah auf und den Schweden für ein paar Momente stumm an, ohne eine Reaktion von seinem Gesicht ablesbar zu machen. Er war sich bewusst, dass Leif in dieser Konstellation das männliche Äquivalent zu Zora war. Er überlegte einen Moment länger und verzog dabei die Augen zu ähnlich bedrohlichen Schlitzen, wie es Luceija unbewusst tat, wenn sie sich zu sehr auf eine bestimmte Frage konzentrierte.
Letztlich aber antwortete er damit, dass er aufstand. Langsam und behäbig aus dem Stuhl fuhr wie ein junger Gott bereit für den Olymp, den Anzug richtete, nachdem er das Jackett wieder angezogen hatte und dann die wenigen Schritte hin zu Leifs Bett machte. Er zog es vor ihn nicht mit einem Kissen zu erwürgen, sondern ihm stattdessen die Hand entgegen zu halten.
"Ich komm' zurecht, Leif.", betonte er seinen, wenn auch ebenfalls falsch oder zumindest seltsam ausgesprochenen Namen und gab damit und mit einem halbseitigen Lächeln zu verstehen, dass das DU damit abgesegnet wurde. Die andere Hand klopfte ihm kurz kumpelhaft gegen die Schulter, hielt ihn einen Moment dort und schenkte ihm einen eindringlichen Blick, der alles aussagte, was man aussagen musste, wenn man so etwas wie die lang erhoffte Absicherung gab, die er per Telefon so nicht hatte ausrichten können: Die Geste sagte, pass auf sie auf. Du bist jetzt einer von uns.
Tatsächlich verbalisiert hatte er allerdings:
"Ich muss ohnehin nach Donal und Liz sehen, ich wette, Ravi wird sie nirgendwo anders hin als in die Bar geschickt haben. Also wenn ihr was braucht..", lies er im Raum stehen, blickte auch Luci nochmal kurz an und strich ihr brüderlich über die Stirn und Schläfe.
"Versuch wirklich ein bisschen zu schlafen. Wenns nicht von alleine geht, da hinten steht der Marsala.", sagte er auf Italienisch und nickte kurz hinter sich, wo er auf dem Stuhl die geschlossene Flasche Marsala abgestellt hatte, als wäre sie nun der stumme Zuschauer und Wächter.
"Wir sehen uns später.", schmunzelte er, klopfte im Vorbeigehen kurz auf den Metallrahmen des Bettes, schlenderte aus dem Zimmer und kramte auf dem Weg nach draußen schon wieder nach einer Zigarette.
Stille legte sich unterdessen zurück in das Zimmer und Luci...begann geschwächt zu grinsen.
"Ich hätte euch alleine lassen sollen."