„Meine Güte!“ Nate warf das Datenpad auf den Tisch vor sich und rieb sich die Stirn. „Ohne Scheiß, ich hab doch denselben Job, bin sogar noch eine Gehaltsstufe höher als sie.“ Er schüttelte resignierend den Kopf, konnte noch immer nicht fassen, was die Überprüfung von Hanna Ilias‘ Bankkonto ergeben hatte. „Da muss doch was Illegales hinter stecken! So ein prall gefülltes Sparbuch hätte ich aber auch gerne.“ Detective Nix schüttelte den Blondschopf, der Pferdeschwanz schwang von rechts nach links und wieder zurück. „Das war ja schon vor dem Dienstantritt bei C-Sicherheit so. Hier, da kannst du die Geldeingänge nachverfolgen.“ Sie tippte auf eine Tabelle, die Jahre zurückreiche und die Kapitalflüsse jedes Tages nachwies. „Aktien. Hat mit ihrem Sold gut gewirtschaftet.“ „Hatte aber auch ein ordentliches Startkapital.“ Nix zuckte mit den Schultern. „Die Navy der Allianz zahlt halt gut.“ „Hmm. Die Akten sind Top-Secret. Meinst du sie ist in so einer Spezialeinheit gewesen?“, fragte Nate. „Liegt nahe“, sagte Nix. „Die machen meistens so ein Riesengeheimnis darum, genau wie die Armee. Mein Bruder hat meiner Familie erst nach drei Jahren erzählt, dass er bei den Sonderkommandos diente und sogar im N7-Programm mitmacht.“ „Harter Kerl“, brummte Nate anerkennend. Anastasia lief leicht rot an und lächelte mit verstohlenem Stolz auf ihren kleinen Bruder. „Er ist aber kein echter N7. Ich glaube N2 vielleicht“, relativierte sie. „Trotzdem. Deine Familie muss sehr stolz auf ihn sein“, meinte Nate, dann fiel ihm ein, dass Anastasia sich selbst zuweilen als das schwarze Schaf sah und fügte rasch hinzu: „Auf alle ihre Kinder.“ Nix lächelte sachte. Nate griff sich nochmals das Datenpad und starrte erneut auf die blauen Ziffern. Dann schüttelte er leicht den Kopf. „Wenn ich so viel Geld hätte, dann würde ich doch nicht mehr arbeiten gehen.“ „Macht sie genau genommen ja gerade auch nicht“, witzelte Nix. „Du weißt, was ich meine!“ Nate tastete seine Jacke ab. Aus Gewohnheit, nicht weil er wirklich erwartete etwas zu finden. Anastasia sah von dem Datenpad, das sie gerade studierte auf und hob eine Augenbraue. Sie war so stark gewölbt, dass sie wie eine dunkle Brücke über dem linken Auge aussah. „Du hast gesagt, dass du aufhörst.“ „Ich mach doch gar nichts“, gab Nate gereizt zurück, lehnte sich in den Stuhl und legte die Füße auf Nix‘ Schreibtisch. „Wie gehen wir vor?“ „Du kennst den Plan“, sagte Nix geduldig. „Ich will ihn aber noch einmal von dir hören.“ Anastasia seufzte und holte tief Luft. Nate, der einen Stift von der Tischoberfläche geklaubt hatte, wedelte damit dirigierend in der Luft herum. „Und betone es so wie eine französische Nutte. Du kannst doch französisch.“ Nate wusste, dass Nix heute eigentlich mit schlechter Laune zur Arbeit gekommen war – Stress mit dem Verlobten, einem kreativen Schnösel, den Nate nicht mochte. Darum munterte er sie nun auf jede erdenkliche Art auf. Sein Repertoire war allerdings nur spärlich und beschränkte sich fast ausschließlich auf obszöne Witze und dergleichen. Aber es half, denn Nix lächelte, wenn sie auch genervt mit den Augen rollte. „Also, wie gehen wir vor?“ „Wir laden die anderen Zeugen vor und unterhalten uns mit ihnen“, sagte Anastasia und ahmte tatsächlich einen französischen Akzent nach. Nate deutete auszeichnend mit dem Stift auf sie. „Darum bist du meine Lieblingspartnerin.“ Anastasia lief rot an und verbarg ihr Gesicht hinter dem Datenpad. „Gut, der Commander wäre der nächste, oder? Hunter war ja nicht so ergiebig.“ „Stimmt“, meinte Nix.
Sie hatte sich von der Befragung durch den hochdekorierten Special Agent mehr erwartet. Zumindest eine Richtung, oder ein paar Einblicke in Ilias‘ Privatleben. Stattdessen hatte er sie nur gelobt und geschworen, kaum etwas Privates von ihr zu wissen. „Ich war zum Beispiel noch nie bei ihr“, hatte Hunter erklärt. „Kein Techtelmechtel am Arbeitsplatz?“, hatte Nate daraufhin nachgebohrt. Hunter hatte sein Gesicht gut unter Kontrolle, streckte aber den Rücken zu sehr durch, als dass es dem Detective nicht aufgefallen wäre. „Nein, Sir.“ „Hmm, hatte sie schon einen Freund?“ „Ich weiß nicht, was das zur Sache tut.“ „Ist bloß eine einfache Frage, kein Grund so gereizt zu reagieren“, bluffte Nate, denn Hunter wirkte weit ruhiger, als er es ihn glauben machen wollte. „Sie bevorzugt Asari, soweit ich weiß.“ „Ach so, eine von der Sorte“, sagte Nate und machte sich eine Notiz auf seinem Datenpad. Ansonsten hatte das Verhör aber kaum interessante oder verwertbare Neuigkeiten ergeben und entsprechend gefrustet waren die beiden Ermittler nun.
„Ja, der Commander wäre der nächste auf der Liste. Allerdings schlage ich vor, dass wir erst einmal Craig Gillespie befragen, den Partner nach Hunter“, sagte Anastasia. „Wieso?“ „Einfach der Struktur halber. Und ein Partner, egal wie kurz sie nur miteinander gearbeitet haben…“ „Ein paar Tage?“ „Egal wie kurz, ein Partner hat einen anderen Zugang zu Ilias, als der Commander. Befehlskette und so.“ Nate kratzte sich am Kinn. Er hatte sich seit Tagen nicht rasiert und sich ein ordentliches Stoppelfeld erarbeitet. „Kluges Mädchen.“ „Ich mach die Vorladung fertig und schicke sie noch heute Nachmittag raus. Dann hat er bis morgen Zeit, um sich vorzubereiten.“ „Oder abzuhauen“, lachte Nate. „Nur wenn er was zu verbergen hat.“