Mittlerweile beschäftigt sich auch die Mainstream-Presse kritischer mit den offensichtlich sehr zahlreichen Fällen ungerechtfertigter Polizeigewalt. Eines von zahlreichen Beispielen aus dem Artikel:
Da ist zum Beispiel die 26-jährige Spanierin Lola, die bei dem Partyprotestkollektiv Alles Allen aus dem Gängeviertel mitmacht. Alles Allen hatte am Mittwoch vor dem G20 die friedliche Nachttanzdemo organisiert, am Samstagabend zogen rund 20 der Aktivisten einen kleinen Lautsprecherwagen in Richtung Schanzenviertel. "Wir wollten für gute Stimmung sorgen", sagt Lola, eine schmale Frau von 1,60 Metern. Die Straße ist voller Polizisten, um ihr fahrbares Soundsystem sammeln sich rund 50 Leute, sie tanzen und singen auf dem Gehweg.
Plötzlich, so berichten Teilnehmer einhellig, stürmt ein Trupp von Polizisten auf die Gruppe zu und prügelt sich den Weg frei zu dem Soundwagen. Die zierliche Lola bekommt einen heftigen Schlag mit einem Schlagstock. "Ich konnte nicht mehr atmen vor Schmerzen", sagt sie. In der Notaufnahme diagnostiziert der Arzt einen Wadenbeinbruch. "Die Beamten ließen von ihren Opfern selbst dann nicht ab, als ein Großteil wimmernd am Boden lag", heißt es in einem Brief, den die Gruppe an Innensenator Grote geschrieben hat. "Stattdessen wurde auf die am Boden liegenden Personen getreten und immer wieder auf sie eingeschlagen."
Es handelt sich ganz offensichtlich nicht nur um isolierte Einzelfälle, sondern um ein strukturelles Problem.
Als ein Polizeitrupp herbeistürmte, flohen die Vermummten, der Hobbyfilmer nicht. "Ich wollte mich nicht verdächtig machen." Er habe sich in einen Hauseingang zurückgezogen und die Hände hochgerissen, dann hätten ihn die Polizisten verprügelt. "Die waren wie Pitbulls auf Speed", sagt B. "Ich habe 21 Verletzungen gezählt, sie haben mit den Stiefeln gegen meinen Kopf getreten, mit Vollspann, das war versuchter Totschlag."
Als sie nach ein paar Minuten von ihm abgelassen hätten, habe er sich noch zur Straßenecke geschleppt und sei dort zusammengeklappt. Die Notaufnahme im Krankenhaus Barmbek stellt eine Schädelprellung fest, sowie diverse Schürfungen und Prellungen am Körper. B. hat die unbekannten Polizisten angezeigt – wegen versuchten Totschlags und unterlassener Hilfeleistung. "Auf den Wasserwerfern sind doch Kameras, es muss doch Videoaufnahmen davon geben", hofft er. "Das hätte ich niemals gedacht, dass so etwas in Deutschland möglich ist."
Und die bereits beschriebenen strukturellen Probleme sorgen dafür, dass solche Fälle, auch wenn sie genau so vorgefallen sind, niemals rechtliche oder auch nur disziplinarische Konsequenzen für die Beamten haben. Als Polizist darf man de facto ganz legal das Gesetz brechen, man darf de facto ganz legal schwere Körperverletzungen bis hin zum Todschlag ausüben, ohne auch nur irgendetwasd befürchten zu müssen. Denn dank Corpsgeist und Polizistenehre deckt man sich gegenseitig.
Leo Castro heißt eigentlich anders und er hat noch keine Anzeige erstattet. Seine Anwältin hat ihm erklärt, er müsse mit einer Gegenanzeige rechnen, und dass die Polizisten sich wohl in ihren Aussagen untereinander absprechen würden. Statistisch gesehen haben Strafverfahren gegen Polizisten kaum Chancen, nach Angaben der Recherchegruppe Correctiv kommt es nur in ein Prozent der Fälle zu Anklagen, Verurteilungen von Polizisten werden nicht erfasst.