Wenn man sich überlegt welches Spiel hätte entstehen können, wenn die Voraussetzungen besser gewesen wären … die Grundidee von Beyond war ja recht vielversprechend. Der Primärplanet als eine Art Bermudadreieck des Universums, der durch seine enorme Anziehungskraft außerirdische Schiffe und Stürme anzieht. Ein unwirtlicher Ort voller gefährlicher Kreaturen, der Spieler am Ende der Nahrungskette, kämpft ums Überleben. Außerdem waren randomisierte Ereignisse (zum Beispiel elektrische Stürme) und dynamische Wetterverhältnisse vorgesehen. Leider waren die Voraussetzungen nicht optimal und aus Beyond wurde Anthem.
Aber Anthem ist nur das Endprodukt, was von diesem gierigen und verkrusteten Konstrukt ausgespuckt wurde. Nein! Die Probleme sind viel tief reichender als diese nur auf ein Spiel zu projizieren. Ein großer Teil der Spieleindustrie, vor allem im Bereich "Triple A", steckt in einer Krise, keiner finanziellen Krise, damit wir uns richtig verstehen. Electronic Arts macht alleine mit Ultimate Team jährlich einen Umsatz von ca. 800 Millionen Dollar. Activision Blizzard erwirtschaftete 2018 einen Umsatz von 7,5 Milliarden Doller. Bobby Kotick (CEO Activision, 28.698.375 Dollar Gehalt) und Andrew Wilson (CEO Electronic Arts, 35.728.764 Dollar Gehalt) sind unter den Top 100 der zu hoch bezahlten Firmenchefs gelistet. Nein, sie steckt nicht in einer finanziellen Krise, sondern in einer moralischen. Während Vorstandsmitglieder (CEOs) millionenschwere Boni einstreichen, verlieren Hunderte von Mitarbeitern ihre Jobs, wie zuletzt bei Activision Blizzard (trotz Rekordeinnahmen) und Electronic Arts. Gewinnmaximierung um jeden Preis. Die Aktionäre wollen befriedigt werden, die CEOs nicht auf ihre dicken Gehälter und Boni verzichten … aber ich weiche vom Thema ab, zurück zu Anthem.
Warum war Anthem so ein Totalausfall? Nun, machen wir eine kleine Zeitreise. 2014 - Casey Hudson schreibt folgende Nachricht an sein Team.Und verlässt BioWare, um sich anderen Projekten zu widmen.„The foundation of our new IP in Edmonton is complete, and the team is ready to move forward into pre-production on a title that I think will redefine interactive entertainment.“
In einer Phase, in der das Team ihren Anführer dringend gebraucht hätte, übernahm Jon Warner das Ruder. In dieser Entwicklungsstufe kristallisierte sich schnell heraus, dass die Visionen aus der Vorproduktion mit der Frostbite-Engine nicht umzusetzen waren. Es wurden neue Sachen ausprobiert und wieder verworfen und so weiter. Eine klare Marschroute gab es noch immer nicht und es ging weiter bergab. Um es kurz zu machen - ein Paradebeispiel für eine kopflose Führung. Gerade weil die Voraussetzungen nicht optimal waren (keine Erfahrung mit der Onlineinfrastruktur, neue IP, Probleme mit der Frostbite-Engine) hätte das Team einen Anführer gebraucht, der genaue Anweisungen macht, eine klare Richtung vorgibt und sie verdammt noch mal, durch den Entwicklungsprozess führt.
Ein paar Worte noch zur Frostbite-Engine.
Wir wissen ja das Electronic Arts seinen Studios vorschreibt, die hauseigene Engine zu benutzen. Mich würde interessieren, ob das auch für Optimierungen gilt. Mal ein kurzer Schwenk zu Guerrilla Games. Die standen vor der Herausforderung ihre Decima-Engine, mit der Killzone Shadow Fall entwickelt wurde und die ausschließlich auf First-Person Shooter ausgelegt war, für Horizon Zero Dawn - ein Open-World-RPG - zu optimieren, oder eine neue Engine zu entwickeln. Sie entschieden sich für das Erste und stellten ein kleines Team zusammen das während der Produktionsphase von Horizon Zero Dawn an der Decima-Engine arbeitete. Komplexe Toolsets für Level und Quest Design wurden erstellt und implementiert. Außerdem holte man sich mit David Ford zusätzliche Expertise ins Haus – er ergänzte das Team als Quest und World Design Director. Die Optimierungsarbeiten dauerten 18 Monate. Bingo es funktioniert - man kann eine bestehende Engine für ein anderes Genre fit machen. Zurück zu BioWare.
Spätestens nach Dragon Age: Inquisition musste man die Schwachstellen der Frostbite-Engine ausgemacht haben aber es wurde nichts Konkretes unternommen - es deutet jedenfalls nichts darauf hin, wenn man sich mal mit der Entwicklungsgeschichte von Mass Effect: Andromeda oder Anthem beschäftigt. Es wird ein vielversprechendes Konzept erstellt, muss dann aber verworfen werden, da es kaum bis überhaupt nicht umzusetzen ist und man fängt wieder von vorne an. Untersagt Electronic Arts jede Art von Optimierung oder agiert BioWare auch hier kopflos?
Zum Schluss noch was zum Kotaku-Artikel.
Es ist wichtig, dass Journalisten wie Jason Schreier unbequeme Fakten aufdecken und die Wahrheit an die Oberfläche spülen so das jeder sie lesen kann. Besonders diejenigen, die sich gerne abschotten, in ihrer kleinen heilen Welt leben, sich alles schön reden und jeden Kritiker als Hater abstempeln. Die Antwort von BioWare ist eine Enttäuschung und ein Indiz dafür, dass sie nicht verstanden haben, was der Artikel bewirken sollte. Vielleicht sind sie auch nur zu stur oder arrogant um ihre Fehler einzugestehen. Für mich war er eine Art Weckruf. Wacht auf BioWare! Steht zu euren Fehlern und zeigt den Leuten da draußen, dass ihr euch verbessern wollt – für eure Fanbase, aber vor allem für die talentierten Mitarbeiter, die ein gesundes Arbeitsumfeld brauchen, um ihre Kreativität voll ausschöpfen zu können. Wacht endlich auf!