„Lauft, Lauft!“, schrie ich den Leuten zu, „Lauft zu den Treppen und Schächten! Benutzt nicht die Fahrstühle!!“
Die Leute liefen an mir vorbei, während ich neben dem Eingang zu den Treppenhäusern stand mit meinen Händen wild hin und her gestikuliert um die Leite anzuleiten. Es waren so viele, ich konnte sie kaum zählen. Turianer, meine Artgenossen, die schönen Asari, die dürren Salarianer, die robusten Menschen, die kleinen Volus, die glibbrigen Hanar, die langsamen Elcor und noch viele mehr – alle Bewohner der Citadel, egal welcher Art. Erwachsene, Alte und Kinder, manchmal selbst laufend, manchmal von ihren Eltern getragend. So drängelten sich alle an mir vorbei, manchmal mit wütenden, häufig mit gehetzten und immer mit verängstigten Gesichtern.
Nur das laute Geschrei oder Gerede machte diese Situation noch schlimmer, machte die Leute noch panischer. „Beruhigt euch!“, schrie ich meine Aufgaben kennend, „Alle der Reihe nach, niemand wird vergessen!“, und da sah ich sie: unweit von mir war ein kleines menschliches Mädchen, hilflos dastehend in alle Richtungen blickend.
„Vergesst eure Kinder nicht!“, erinnerte ich die Leute, aber kaum jemand reagierte. Verdammt!
Ich blickte zu meiner rechten, wo ein großes Fenster in Richtung des Ratsturms zu finden war. Zuerst sah ich nur meine eigene Reflexion: das weiß-graue Gesicht wirkte gehetzt, über meinen blauen Gesichtsmarkierungen waren Spuren von Schmutz und Staub zu erkennen und meine grünen Augen wirkten wie die eines verfolgten Tieres. Mein Anzug, grau in erster Linie mit weißen Streifen hier und da, war an einigen Stellen zerkratzt oder zerrissen und wohl frisch aus der Müllkippe gezogen – obwohl ich diesen Anzug erst diesen morgen angezogen hatte!
Als ich meine Haltung verlagerte sah ich aber den Grund für das alles hier: ein Monster, riesengroß hatte sich um die Spitze des Ratsturmes geschlungen. Seine metallische Haut war dunkel mit blauen Tönen und hier und da schienen Lichter, die wie Gesichtsmarkierungen wirkten. Es sah aus wie eine Spinne in seinem Netz, mit seinen vielen Gliedern in alle Richtungen wedelnd und dabei rote Energiestrahlen aussendend um die verbliebenden Schiffe der Allianz zu vernichten.
Ich drehte mich schnell wieder um und drängelte mich vorwärts zu dem kleinen Kind, dessen Gesicht verriet, dass sie gleich anfangen würde zu weinen. Es waren die panischen Leute, die mich aber immer wieder zurückschoben wie eine Welle. „Lasst mich durch!“, schrie ich so autoritär wie ich vermochte, aber es dauerte immer noch weitere Herzschläge bis ich mich durchgekämpft habe, die verängstigte Stimme des Mädchens hörend: „Mama…Mama…!“
Ich hockte mich zu ihm, es war ganz plötzlich so leicht geworden. „Shhh…“, sagte ich zu dem kleinem Mädchen, dass mich nun verängstigend anstarrte, „Schon gut, schon gut…ich bringe dich zu deiner Mama.“, wobei meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern war.
Da bemerkte ich wie leise es geworden war, urplötzlich. Ich blickte auf, sah, dass die Leute stehen geblieben waren. „Was…?“, murmelte ich und erkannte, dass die Leute in Richtung des Fensters starrten, alle von ihnen. Ich erhob mich und erkannte den Grund: das Monster hatte seine Tentakel in diese Richtung ausgestreckt und ein rotes Leuchten war bereits an dessen Spitze zu erkennen.
„Nein!“, schrieen die Leute wie mit einer Stimme und das Drängeln, das Verlassen dieses Teils der Station wurde noch panischer. Die ersten Leute wurden umgeworfen, manche prügelten sich um wegzukommen und verlangsamten alles noch mehr.
Ich wusste, dass alles aussichtslos war, hatte bereits gesehen wie schnell dieses Monster seine Waffen abgefeuert hatte. Ich blickte runter zu dem Mädchen, das starr vor Schreck auf das Fenster starrte, nicht in der Lage sich zu bewegen. Tränen bildeten sich an ihren Augen und es flüsterte ganz weinerlich: „Mama…“ Ich hockte mich hin und das Mädchen schreckte auf, als ich es mit meinen Armen ergriff. „Shh…“, sagte ich beruhigend in die panischen Augen blickend, „Es wird alles gut…“, log ich und versuchte zu lächeln.
Es beruhigte das Mädchen kaum, trotzdem ließ es sich von mir umarmen, verzweifelnd nach Wärme und Geborgenheit suchend. Ich blickte in Richtung des Fensters, sah wie das Licht den Höhepunkt seiner Intensität erreichte und dann feuerte das Monster.
Und alles wurde schwarz.
Syren schreckte plötzlich hoch, mit einem entsetzten Blick auf seinem Gesicht. Seine Augen waren weit geöffnet und er blickte panisch in alle Richtungen, nicht wissend wo er war.
„Captain?“, fragte eine Stimme zunächst verwundert, dann alarmiert, „Captain!“
Syren blickte in die Richtung der Stimme und erkannte das ihm wohlvertraute Gesicht einer Turianerin: Sie hatte eine braune Plattenfarbe, es fehlte das Horn über ihrer Stirn wie es typisch war für ihr Geschlecht und ihr Gesicht war um die Augen und Wangen herum mit roten Gesichtsmarkierungen versehen. Ihre saphirblauen Augen starrten sorgenvoll auf seine smaragdgrünen und langsam wurde ihm bewusst wo er war: in seiner Limousine. Oder besagt in der Limousine des Sektionsrates der Pernicies-Sektion des Tayseri-Arms.
„Sir, alles in Ordnung?!“, fragte ihn die junge Frau mit besorgter Stimme.
Instinktiv fing er an zu lächeln. „Natürlich, Saenia.“, antwortete er ihr so selbstbewusst wie er nur konnte, „Was sollte denn mit mir los sein?“
Ihr Blick sah immer noch besorgt aus, aber sie atmete merklich erleichtert auf. „Sie sahen aus…als wären wir wieder auf Invictus…“, erklärte sie zögerlich und lehnte sich wieder zurück. Die beiden befanden sich im hinteren Teil der Limousine, wo die Sitzbänke einander zugewandt waren.
Sein Lächeln wurde selbstbewusster, ein alter Trick. „Die Piraten sind seit 15 Jahren tot…“, und er lehnte sich entspannt zurück und gähnte demonstrativ, „Muss wohl tiefer geschlafen haben, als ich erwartet habe – wo sind wir hier nochmal?“
Ihre besorgte Miene kehrte zurück.„In ihrer Limousine?“, fragte sie unsicher.
Syren lächelte nun noch breiter und dieses Mal war es sogar echt. „Das sehe ich auch.“, und er kicherte, „Wo sind wir nochmal unterwegs? Erinnere mich bitte daran, Saenia.“
Die junge Turianerin seufzte erleichtert. „Sie müssen sich wirklich einen Assistenten besorgen.“, erklärte sie mit leicht trotziger und leicht mitfühlender Stimme.
„Wozu?“, entgegnete der Turianer, „Ich hab doch dich.“
„Ich bin die Chefin ihrer Leibgarde, nicht ihre Sekretärin.“, entgegnete sie mit einem leicht amüsierten Unterton, „Und diese Arbeit hier hält mich von meinem eigentlichen Job ab.“
„Ich kann selbst auf mich aufpassen.“, entgegnete Syren desinteressiert, „Meine Termine alleine planen hingegen nicht. Trotzdem bezahlt mir die Citadel-Verwaltung nur eine Leibgarde und keinen Assistenten – ich hab die Gesetze nicht gemacht…zumindest diese nicht.“
Sie seufzte erneut. „Wir sind auf dem Weg zu ihrem Lieblingsbeschäftigung.“, erklärte sie auf ihn schauend.
„Das Waisenhaus.“, erinnerte er sich plötzlich wieder und musste sogar unwillkürlich lächeln. Er sah es zwar nicht, aber Saenia musste auch ein Lächeln verstecken, als sie sein fokussiertes Gesicht sah.
„Es muss schon…“, fing er an zu erzählen und musste dann schnauben, „…man ich arbeite schon seit meinem Amtseintritt für diesen Bau…endlich ist es fertig…“, und sein Gesicht verriet echte Zufriedenheit.
Saenia, die nicht aufgehört hatte zu lächeln, fragte leicht mütterlich klingend: „Haben sie eine Rede vorbereitet, Captain?“
Der Turianer schüttelte seinen Kopf. „Du weißt, dass ich das nicht tue.“, erklärte er selbstbewusst, „Die Leute müssen hören…dass es spontan ist.“, und als er ihren besorgten Blick wahrnahm, fügte er hinzu, „Keine Sorge, ich weiß ungefähr was ich sagen möchte.“, er blickte zu einer Ausbuchtung zur rechten der Turianerin, in der eine kleine Bar versteckt war, „Kannst du mir einen Viskanier eingießen?“, und meinte damit seine Lieblings-Whisky-Sorte, „Du weißt er beruhigt mich immer vor großen Auftritten.“
Die Augen der Turianerin starrten ihn zunächst weit offen an, bevor der besorgte Blick zurückkehrte. Anders als bisher wurde ihre Stimme nun leicht flehend: „Bitte, nicht vor dem Waisenhaus.“, erklärte sie.
„Was ist schon dabei?“, fragte er leicht amüsiert, „Ich will doch nur ein-“
„Bitte nicht vor dem Waisenhaus.“, bat die Turianerin nun dringlicher und starrte direkt in seine Augen.
Zunächst wirkte er überrascht über diesen Ausbruch, aber am Ende nickte er gelassen. „In Ordnung, wenn du es so willst.“, erklärte er und sie atmete erleichtert auf, „Dann lass uns hoffen, dass Martin nicht vor Ort ist – er ist eine absolute Nervensäge wenn ich eine Rede halten muss.“