„Heute ereignete sich eine Schießerei mitten in der Sektion Pernicies…“, fing der Nachrichtensprecher von CBC an zu berichten, aber der Kanal wurde bereits umgeschaltet.
„Schießerei in den Green Meadows, drei Verletzte…“, fing der Nachrichtensprecher auf TFacts an, aber auch hier wurde schnellstmöglichst umgeschaltet.
„Ich bin der festen Überzeugung, dass es ein Angriff auf mein Leben war.“, erklärte Martin Trumbo dem Nachrichtensprecher auf ANN.
Syren saß in seinem Sessel, ein Glas mit Viskanier in seiner Hand haltend, und dieses Mal schaltete er nicht um, sondern blickte auf die beiden Menschen, die auf dem Bildschirm zu sehen waren.
„Und wer glauben sie war dafür verantwortlich?“, fragte der Nachrichtensprecher neugierig nach.
„Was glauben sie wohl?“, entgegnete Trumbo, der auch hier wieder unter dem Licht der Scheinwerfer zu schwitzen schien, „Syren Vox natürlich!“, der Turianer nahm einen Schluck, „Hat mit Sicherheit einen C-Sec Beamten bezahlt um seinen größten Konkurrenten abzumurksen.“, wobei er hier die Gäste des Hals abschneidens vollführte.
Der Nachrichtensprecher schien mit den Augen zu rollen, versuchte es aber nicht vor der Kamera zu machen. „Gibt es Hinweise darauf?“, fragte er ganz neutral klingend.
„Natürlich nicht!“, antwortete Trumbo und er schien den Nachrichtensprecher förmlich anzuspucken, „Dazu ist er doch viel zu aalglatt! Wenn Syren Vox eines kann, dann ist es den Dreck unter dem Teppich verschwinden zu lassen. So wie damals bei den Wahlen! Er-“
Und hier wurde der Bildschirm deaktiviert. Syren, der gerade dabei gewesen war, sich ein weiteres Glas aus der Flasche auf dem Cocktailtisch neben dem Sessel einzuschenken, bemerkte es einen Moment später und drehte seinen Kopf nach hinten. Dort stand Saenia, äußerst traurig dreinblickend, bevor sie erklärte: „Tun sie sich das nicht an, Captain. Das ist nur Gerede.“
Der Turianer schnaubte. „Gerede, dass man überall hören kann.“, antwortete er frustriert, schenkte sich seinen Viskanier zu Ende ein und stand dann auf, „Und auf keinem der Sender wird über die Eröffnung eines Zentrums für Waisenkinder berichtet, obwohl es vermutlich das größte auf der ganzen Citadel ist.“
Er ging um den Sessel herum, trug die Flasche ebenfalls mit sich, weil sie leer war. Er erreichte eine Hausbar, gemacht aus dunklem Holz, dass man auf Palaven finden konnte, die sich entlang einer der Wände schlängelte, und setzte dort die Flasche ab.
„Es wird abflauen.“, klammerte sich die junge Turianerin an den letzten Hoffnungsschimmer, mit ihrem Kopf ihm folgend.
„Das hilft aber dem Zentrum nicht.“, erklärte Syren dieses Mal sogar verbittert klingend, nachdem er einen Schluck genommen hatte, „Das einzige was es brauchte, war Publicity. Dank dieses ganzen Vorfalls ist es nur noch für den Skandal bekannt.“, er drehte sich halb zu Saenia um, „Welches Kind wird sich an einem Ort sicher fühlen, an dem Zivilisten niedergeschossen wurden?“
„Es wird abflauen und dann wird das Zentrum sich um alle annehmen können, die Hilfe benötigen.“, wiederholte Saenia, nun energischer klingend.
Der Turianer schnaubte erneut. „Am Ende ja.“, gestand er schlussendlich, „Aber zu welchen Preis? Die Kinder müssen jetzt von der Straße und nicht in ein paar Wochen, wenn nicht sogar Monaten.“, er schüttete sich den Rest des Viskaniers ein, „Ich will nicht erneut der Leiches eines Kindes über dem Weg laufen.“, fügte er laut einatmend hinzu.
Saenias Blick sah betrübt aus, als sie sich an dieses grausige Ereignis erinnerte und ihr Blick senkte sich. „Ich…ich komme von C-Sec.“, erklärte sie schlussendlich, bewusst das Thema wechselnd.
Syren blickte sie noch für einige Momente an, bevor er sich nickend umdrehte. Er holte eine weitere Flasche aus einem der Regale der Bar und schenkte sich mehr Viskanier ein. Dabei konnte man die Stärke der Flüssigkeit erblicken: 40%.
„Und was sagen unsere Freunde von C-Sec?“, erwiderte der Turianer resignierend.
„Das alle drei Opfer von demselben Schützen getroffen worden sind.“, erklärte die Turianerin, sich sicherer fühlend, nachdem sie über ein vertrautes Gebiet sprechen konnte,„Dieselben Kugelform, dieselben Muster der Beschleunigung und dasselbe Material.“
„Können sie den Schützen identifizieren?“, fragte der Turianer sich umdrehend.
„Nein, keine elektronischen Markierungen feststellbar.“, entgegnete Saenia unzufrieden.
„Also war es ein Profi.“, schlussfolgerte Syren seinen Kopf schüttelnd, „Als wenn das nicht vorher klar gewesen wäre. Bei der ganzen C-Sec Präsenz hätte sich ein Amateur-Schütze so etwas nie getraut, geschweige denn, dass er unerkannt entkommen wäre.“, und er genehmigte sich wieder einen Schluck.
„Immerhin gibt es gute Nachrichten…“, klammerte sich die Turianerin an die letze Neuigkeit, „Es wird keine Tote geben.“
„Ich weiß.“, antwortete Syren, eher desinteressiert klingend. Als er den fragenden Blick der Turianerin sah, fügte er hinzu: „Kenne ein paar Ärzte des Krankenhauses. Haben mir erklärt, dass jeder wieder gesund wird und auch keine bleibenden Schäden zurückbleiben werden. Martin…!“, er schwenkte mit seiner Hand in Richtung des Bildschirmes, „…konnte sogar seinen verdammten Arm wieder bewegen! Als wäre er niemals angeschossen worden!“, er nahm erneut einen Schluck und leerte das Glas, „Ich werde morgen früh das Krankenhaus besuchen. Die Ärzte werden sie über Nacht bei sich behalten.“
„Dann werde ich das in ihren Terminplan eintragen, Sir.“, erklärte Saenia, nicht wirklich glücklich klingend.
„Nein.“, widersprach Syren plötzlich, „Du wirst morgen nicht mitkommen.“
„Was?!“, fragte die Turianerin entsetzt, „Sir, ich rate davon dringend ab!“
„Muss ich dich erneut daran erinnern, wer von uns beiden hier nicht auf sich selbst aufpassen kann?“, fragte der Turianer und hob seine rechte Hand hoch: sie war vollständig von Narbengewebe gekennzeichnet. Der Blick der jungen Frau senkte sich augenblicklich und die Scham war ihr übers Gesicht geschrieben. „Ich war ein Ranger und bin es immer noch.“, setzte Syren fort, „Wenn es da draußen etwas gibt, womit ich nicht fertig werden kann, ist es das Unbekannte.“, er senkte seine Hand wieder, „Als Politiker kann ich nicht einfach herumlaufen und ein Verbrechen untersuchen.“
Saenia hob ihren Blick wieder und er sah überrascht aus.„Sie wollen das ich…“, fiel der Groschen bei ihr, „…ein Verbrechen untersuche?“
Der Turianer nickte. „Wir wissen beide, wer der Hauptverdächtige ist: Martin Trumbo.“, erklärte Syren, „Er profitiert am meisten von dieser ganzen Geschichte und wie wir wissen, hat er Kontakte zu extremistischen Gruppierungen – vermutlich stammt unser Täter von diesen Typen.“
„Sollte…“, fing sie zögerlich an, „…Sollte das nicht C-Sec machen?“
„Dieser korrupte Haufen wird nie und nimmer gegen diesen Möchtegern-Märtyrer ermitteln!“, erklärte Syren brüsk und wies erneut auf den Bildschirm, „Dazu haben sie zu viel Schiss. Am Ende ist es doch viel angenehmer am Boden des Brunnens zu sein, anstatt an der Front.“, er drehte sich um und schenkte sich wieder seinen Whisky ein, „Nein. Sie werden erst gegen ihn ermitteln, wenn alle Beweise vernichtet sind. Bevor das passieren kann, musst du irgendetwas herausfinden.“
Saenias Blick sah unentschlossen aus. Sie überlegte für einige Zeit, in der Syren bereits das Glas an seinen Mund legte. Daraufhin fragte sie mit ernster Stimme: „Sir, was ist das Ziel dieser Ermittlungen?“
„Ziel?“, fragte Syren perplex und senkte sogar sein Glas, bevor er etwas davon getrunken hatte.
„Soll ich ein Verbrechen aufklären oder…“, setzte sie fort, zögerte am Ende aber dennoch für einige Momente, “…oder Dreck ausgraben?“
Die Augen des Turianers fixierten sie. Die grünen Augen waren fest, bohrend und sogar nüchtern aussehend, trotz des Alkoholkonsums. Saenia senkte auf der Stelle ihren Blick, fühlte sich wieder wie beim Bataillon.
Syren ging auf sie zu, während die Turianerin nur seine Schritte hören konnte. Als er vor ihr stehengeblieben war, passierte zunächst nichts. Das dauerte sogar so lange an, dass sich die Turianerin wunderte, was jetzt passieren würde und sich dabei die schrecklichsten aller Szenarien ausdachte.
Aber am Ende legte der Turianer nur eine Hand auf ihre Schulter. Auf der Stelle hob sie ihren Blick wieder und dieses Mal begrüßte sie ein anderes Gesicht: ein warmes Lächeln. „Wie lange kennen wir uns schon, Saenia?“, fragte Syren dann, fast flüsternd, aber klar und sie wusste, dass dieses Lächeln nicht nur gespielt war.
„19 Jahre…“, erwiderte die junge Turianerin, leicht nervös klingend, fügte dann noch hinzu, „…29 Wochen, 2 Tage und 16 Stunden…“, und weil sie sich wirklich unbehaglich fühlte, fügte sie am Ende noch hinzu, „…Sir.“
Syren versuchte ein Schmunzeln zu verbergen. „So präzise wie immer.“, erklärte er, „Und hab ich dir in all dieser Zeit jemals einen Grund geliefert, dass du glauben könntest, dass ich auf Taktiken zurückgreifen würde, die ER benutzt?“, und zeigte dabei wieder auf den Bildschirm.
Die Turianerin brauchte nicht lange um zu überlegen und ihren Kopf zu schütteln. „Nein, Sir.“, antwortete sie verlegen.
„Dann hoffe ich, dass ich diesen Standards immer gerecht werde.“, entgegnete Syren und überraschte Saenia mit seiner Ehrlichkeit, „Diese Arbeit hier…sie verlangt viel von einem.“, er nahm die Hand herunter, „Dein Geist ist dabei das größte Angriffsziel. Deine Prinzipien, deine Werte, deine Moral.“, er drehte sich wieder um, „Manchmal frage ich mich warum ich diesen Weg überhaupt eingeschlagen habe…“, und er klang niedergeschlagen.
In diesem Moment erwachte in Saenia der Wunsch diesem Mann irgendwie die Last von den Schultern runterzunehmen. Sie überlegte fieberhaft und kam schlussendlich zu einer einfachen Lösung. „Um den Leuten zu helfen.“, erklärte sie und brachte ihn dazu sich wieder zu ihr umzudrehen, „Denen, die sich selbst nicht helfen können.“, und dann noch ein bisschen ungeschickt,„…Sir.“
Dieses Mal musste Syren schmunzeln. „Ja, das war…“, erklärte er und korrigierte sich auf der Stelle, „…ist immer mein Ziel gewesen.“, er blickte auf zu ihr, blickte ihr in die Augen, „Zwei Leute wurden heute verletzt und ins Krankenhaus gebracht. Und wofür? Damit ein drittklassiger Demagoge, der sich ‚seriöser Politiker‘ schimpft, bei den Umfragen aufholen kann?“, er schüttelte seinen Kopf, „Ich will wissen wer das war und wer sich noch unter dem Deckmantel Trumbos versteckt, obwohl er keineswegs das Allgemeinwohl im Sinn hat.“, der Schluss ist ein bisschen zögerlicher, „Kannst du das für mich herausfinden, Saenia?“
Die Turianerin brauchte keinen Moment zu überlegen um ihre Antwort zu geben: „Natürlich, Sir.“
Das Lächeln des Turianers wurde noch freundlicher. „Danke.“, und als sie sich bereits umdrehte, fügte er noch hinzu, „Und keine Stunts wie damals mit dem Raketenwerfer, okay?“, wobei er dies in der Form eines Witzes erzählt hatte.
Sie drehte ihren Kopf noch einmal um, antwortete deutlich ernster: „Nur wenn sie das auch mal ablegen.“, wobei sie hier auf das Glas zeigte,„…Captain.“
Syren blickte darauf, bevor er entgegnete: „Ich werde sehen ob es sich einrichten lässt.“
Sie nickte zufrieden und verließ kurz darauf die Wohnung. Syren blickte ihr nach, immer noch das Glas in der Hand haltend. „Ich wünschte ich könnte es…“, erklärte er dann zu niemanden sprechend und nahm einen weiteren Schluck.