Portal-Zone Gothic-Zone Gothic II-Zone Gothic 3-Zone Gothic 4-Zone Modifikationen-Zone Download-Zone Foren-Zone RPG-Zone Almanach-Zone Spirit of Gothic

 

Ergebnis 1 bis 17 von 17
  1. Beiträge anzeigen #1 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post [Story]Das Erbe der Druiden

    Es war früher Abend, als es an der Tür der Hafenkneipe klopfte. Sie hatte in der Woche erst ab achtzehn Uhr geöffnet. Kardif war selbstverständlich schon eine Stunde eher vor Ort, um alles für den laufenden Betrieb vorzubereiten. An diesem Abend jedoch waren außerdem noch Moe und Nagur zugegen.
    „Herein!“ Ein Mann „mittleren Alters“ betrat die Kneipe und verschloss vorsichtig wieder die alte Tür. Sein blondes Haar war vom Meereswind vollkommen zerzaust. Skepsis stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    „Da ist ja unser namenloser Freund.“, begrüßte Kardif den Neuankömmling.
    „Sparen wir uns doch die Nettigkeiten und kommen gleich zur Sache.“, antwortete dieser.
    „Scheint mir etwa ungeduldig, der kleine.“, schmunzelte Moe amüsiert.
    „Ist mir recht!“, erwiderte Kardif.
    „Dort drüben sitzt dein Kontakt. Ihr habt eine halbe Stunde, dann seid ihr wieder verschwunden.“ Unbeeindruckt von Kardifs Worten ging der Fremde zum hintersten Tisch der Taverne.
    „Ist hier noch Platz?“
    „Das hängt ganz von dir ab.“, antwortete die dort sitzende Person grinsend. Dabei war ihr schmieriges Grinsen keinesfalls eine Geste der Freundschaft.
    „Setz dich.“ Der Namenlose rückte sich einen freien Stuhl zurecht und setzte sich an den Tisch.
    „Mein Name ist Nagur und ich vermittle Aufträge mit denen man recht gutes Geld verdienen kann.“
    „Aufträge, die besser hinter verschlossener Tür vermittelt werden?“ Die Skepsis des Namenlosen amüsierte Nagur offenbar, den er schmunzelte.
    „Was hast du erwartet, wenn du ausgerechnet im Hafenviertel nach einer Möglichkeit suchst, schnell an Geld zu kommen?“ Der Namenlose ignorierte die Frage und seufzte stattdessen.
    „Es steht dir natürlich jederzeit frei, durch die Tür dort hinten zu gehen. Doch dann bekommst du nie wieder eine solche Gelegenheit.“
    „Was hast du für mich?“
    „Na also...“, antwortete Nagur zufrieden.
    „Fürs Erste sollte ein eher einfacher Auftrag vollkommen genügen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass gutes Personal nur schwer zu finden ist. Deswegen wirst du erst einmal einen Botengang für mich erledigen.“
    „Ich bin ganz Ohr.“, antwortete der Namenlose ungeduldig, da Nagur nicht fortfuhr.
    „Du wirst eine Lieferung vom Bauern Akil abholen. Er wird sie dir nicht einfach so überlassen, deswegen musst du ihm erzählen, dass du im Auftrag des Händlers „Baltram“ unterwegs bist.“
    „Und was ist mit Baltrams Boten?“
    „Um den habe ich mich gekümmert. Er wird dir nicht in die Quere kommen.“, antwortete Nagur grinsend.
    „Die Die Lieferung werde ich dann wohl auch nicht Baltram überbringen...“ mutmaßte der Namenlose.
    „Bist gar nicht so dumm, wie du aussiehst. Wenn du deine Sache gut machst, werde ich die Lieferung auf dem Schwarzmarkt verkaufen und den Gewinn mit dir teilen.“
    „Morgen hast du deine Lieferung!“ Mit diesen Worten stand der Namenlose auf.

    Miguel hatte zu diesem Zeitpunkt genug gehört und machte sich daran, die Taverne wieder zu verlassen. Keiner der Anwesenden hatte ihn bemerkt, was mitunter an seiner Verwandlung lag. Wer erwartete denn auch, dass sich hinter einer Fleischwanze ein ausgewachsener Mensch verbarg...
    Geändert von Lord Regonas (27.08.2020 um 21:07 Uhr)

  2. Beiträge anzeigen #2 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    „Ich bin wieder zurück!“, rief Miguel zufrieden, als er daheim ankam und schloss die hölzerne Tür hinter sich. Allerdings wurde er bei weitem nicht so freundlich begrüßt, wie es gerne gewollt hätte.
    „Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du dich nicht immer umhertreiben sollst! Wo in aller Welt bist du nun schon wieder gewesen?“
    „Du machst dir zu viele Sorgen, alter Mann.“, antwortete Miguel und warf seinen alten Mantel über den Stuhl. Ignaz ließ von seinem Alchemietisch ab und musterte Miguel eindringlich.
    „Kommst du mir jetzt wieder mit den üblichen Phrasen?“, fragte Miguel. Er bekam sehr wohl mit, wie er aufs Genaueste beobachtet wurde.
    „Verdammt richtig!“, erwiderte der Alchemist schnippisch.
    „Wir haben unsere Fähigkeiten nicht, um sie der verdammten ganzen Welt zu zeigen!“
    „Wir haben sie jedoch auch nicht, um uns in solchen Bruchbuden zu verstecken und sie nicht einzusetzen.“, antwortete Miguel.
    „Deine leichtsinnige Art mit dieser Fähigkeit umzugehen wird uns beide noch einmal ins Verderben stürzen!“ Ignaz war sichtlich verärgert. Es dauerte meist nicht lange, bis er bei solchen Diskussionen die Fassung verlor.
    „Ich setze sie nur für das Gute ein und versuche unschuldigen Menschen zu helfen.“
    „Dafür gibt es verdammt noch mal die städtische Miliz!“, schrie der Alchemist wütend.
    „Die Miliz ist....“ Miguel ahnte, dass es wie so oft zuvor schon zwecklos war, mit dem alten Kauz zu diskutieren und winkte stattdessen genervt ab.
    „Vergiss es einfach.“
    Schon oft hatte Miguel seinen Lehrmeister von seinem Vorhaben zu überzeugen versucht, doch bisher vergebens. Die Miliz war was das Hafenviertel anging, entweder korrupt oder außerdienstlich unterwegs. Im letzteren Fall war sie entweder besoffen oder im Bordell zugegen. Es herrschte im Hafenviertel das Gesetz des Stärkeren und dazu gehörten vor allem die Kriminellen. Während Miguel seine Fähigkeiten dafür einsetzen wollte, um eben jenen Kriminellen Einhalt zu gebieten, drängte Ignaz hingegen immer wieder darauf, sich zurückzuhalten und aus dem Hintergrund zu agieren. Dieses Verhalten resultierte aus einer längst vergangenen Zeit, als die Druiden aufgrund ihrer Fähigkeiten von den Menschen verfolgt und getötet worden waren. Ihr Geschlecht war so vor langer Zeit beinahe ausgerottet worden. Dies lag jedoch Jahrhunderte zurück und seither hatte sich vieles verändert... die Menschen hatten sich verändert.

  3. Beiträge anzeigen #3 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    Am nächsten Morgen beschloss Miguel trotz der Diskussion des vergangenen Abends wieder an seinem aktuellen Fall zu arbeiten. Jeglicher Versuch, den alten Narr umzustimmen empfand Miguel als aussichtslos. Jedoch war Miguel ebenso Stur, wenn es um sein Unterfangen ging. Er musste zunächst einmal herausfinden, was es mit den namenlosen Typen auf sich hatte, der den Auftrag von Nagur angenommen hatte. Da Miguel den Namenlosen noch nie zuvor gesehen hatte, lag die Vermutung nahe, dass es sich bei ihm um einen ehemaligen Gefangenen aus der Minenkolonie handeln musste. Genaueres wollte er jedoch erst noch in Erfahrung bringen. Dazu ging er durch die schmalen Gassen des Hafenviertels und folgte anschließend dessen Hauptstraße in nördlicher Richtung. Es herrschte der allmorgendliche Verkehr des Hafens. Schiffe wurden be- und entladen; Verkaufsstände wurden aufgebaut und mit Gütern aus den anliegenden Lagerhäusern bestückt; Der Türsteher der Hafenkneipe entsorgte die Schnapsleichen vor der Kneipe (sein Name war Moe). Schließlich lies Miguel das rege Treiben des Hafenviertels hinter sich und gelangte in die Unterstadt. Er hatte in der Vergangenheit bereits einige schmierige Geschäfte und dubiose Machenschaften aufdecken können. Dadurch hatte er einige einflußreiche Kontakte knüpfen können und einen eben solchen Kontakt wollte er nun aufsuchen. Am Freibierstand wurde er schließlich erwartungsgemäß fündig.
    „Guten Morgen Ruga.“, begrüßte er den sichtlich geschafften Soldaten.
    „Dir auch...“
    „Eine anstrengende Nacht gehabt?“, fragte Miguel stirnrunzelnd, wobei die körperliche Verfassung des Soldaten offensichtlich war.
    „Nur innosverdammte Kopfschmerzen.“
    „Vielleicht kann ich dir damit helfen.“, antwortete Miguel und übergab dem Soldaten ein kleines Paket.
    „Sumpfkraut...“, raunte Ruga schmunzelnd.
    „Brauchst wohl wieder Informationen.“, mutmaßte er.
    „Eine Auskunft zu einem Mitte dreißig jährigen Mann. Blondes zum Pferdeschwanz gebundenes Haar und etwa einen Meter achtzig groß.“, antwortete Miguel.
    „Den Typen habe ich noch nie gesehen, könnte also ein Neuankömmling in der Stadt sein; vielleicht auch ein ehemaliger Sträfling.“
    „Hausiert in der Herberge von Hanna.“, antwortete Ruga nach einigen Sekunden Bedenkzeit.
    „Hat sich mit seinen heruntergekommenen Klamotten für die Miliz beworben, doch Lord Andre hat ihn ganz schnell wieder zurück in die Gosse verfrachtet.“
    „Das hilft mir schon weiter.“, antwortete Miguel zufrieden und wollte bereits wieder gehen, ehe Ruga ihn aufhielt.
    „Der Typ pennt bis Mittags, also brauchst du da jetzt noch nicht aufschlagen.“

  4. Beiträge anzeigen #4 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    Tatsächlich verließ der Namenlose erst gegen Mittag die Herberge. Miguel hatte sich in der Zwischenzeit auf dem Marktplatz aufgehalten und als Interessent der angebotenen Waren ausgegeben, um kein Aufsehen zu erregen. Der Namenlose passierte den Marktplatz und verließ die Stadt durch das Osttor. Miguel lies augenblicklich von dem Verkaufsstand ab, an dem er sich aufgehalten hatte und nahm die Verfolgung auf. Er hielt dabei bewusst größeren Abstand, um keinen Verdacht zu erwecken. Erwartungsgemäß folgte der Namenlose den östlichen Gebirgspfad, um den Bauernhof von Akil zu erreichen. Dessen Hof lag östlich der Stadt auf einem felsigen Plateau. Aus der Ferne betrachtet, sah der Namenlose ziemlich zerlumpt aus. Jedenfalls konnte Miguel keine nennenswerte Rüstung erkennen. Seine Waffe hingegen war sehr gut zu erkennen. Ein recht großer Knüppel, wie ihn die Kleinganoven aus dem Hafenviertel benutzten, um ihre Gegner zu betäuben. Weiterhin vermutete Miguel noch eine versteckte Stichwaffe, die der Namenlose irgendwo bei sich trug. Schließlich erreichte der Namenlose den unteren Rand des Plateaus, auf dem Akils Bauernhof lag. Eine brüchige Treppe führte die Felsen hinauf zum Hof. Während der Namenlose eben diese Treppe hinaufstieg, blieb Miguel zurück. Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Namenlose wieder die Treppe hinunter kam. In seiner linken Hand hielt er ein kleiner Päckchen.
    „Ich nehme an, dass ist die Lieferung für Baltram?“, eröffnete Miguel das Gespräch und stellte sich dem Namenlosen entschlossen in den Weg.
    „Wer bist du und was willst du von mir?“ Der Namenlose war sichtlich erschrocken und umklammerte das Päckchen nun mit beiden Händen.
    „Es spielt keine Rolle, wer ich bin. Gib mir einfach die Lieferung.“, antwortete Miguel.
    „Dieses Päckchen gehört dem Händler Baltram und ich stehe als sein Bote unter seinem Schutz. Du solltest dir also noch einmal ganz genau überlegen, ob du mich wirklich überfallen willst.“ Obwohl sich der Namenlose Mühe mit seiner Antwort gab, sickerte dennoch seine Unsicherheit durch.
    „Wir wissen beide, dass du weder ein Bote Baltrams bist, noch unter seinem Schutz stehst.“, antwortete Miguel amüsiert.
    „Im Gegenteil.“, fuhr er fort.
    „Wenn Baltram von deinem Diebstahl erfährt, wird er dich der Miliz melden.“
    „Das kannst du vergessen!“, erwiderte der Namenlose mit zitternder Stimme und zog seinen Knüppel. Seine Fassade war gefallen.
    „Aus dem Weg!“ Miguel hatte geahnt, dass es darauf hinaus laufen würde und seufzte.
    „Ich will doch nur das verdammte Päckchen haben...“
    Geändert von Lord Regonas (28.09.2017 um 21:03 Uhr)

  5. Beiträge anzeigen #5 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    In den seltensten Fällen war es Miguel bisher gelungen, allein mit Worten seine Gegner zur Aufgabe zu bewegen. Doch mit der Hilfe seiner Fähigkeiten war es ihm bisher gelungen, noch jeden Gegner in die Schranken zu weisen. Er zog aus dem inneren seiner Jackentasche eine kleine Phiole und öffnete sie vorsichtig. Der Effekt auf seine Gegner war dabei nahezu immer der gleiche. So war auch der namenlose Bandit verwirrt und verharrte abwartend. Miguel trank die etwa zweihundert Milliliter in einem Schluck und entledigte sich anschließend seiner Jacke, der ledernen Oberkörperrüstung und seiner Schuhe. Die Verwandlung hatte bereits eingesetzt. Eine dichte Schuppenflechte bedeckte bereits seine Füße und breitete sich im rasantem Tempo über seinen gesamten Oberkörper aus. Er hatte diese Verwandlung schon ein dutzend Mal durchgemacht, dennoch litt er jedes Mal währenddessen entsetzliche Schmerzen. Als die Schuppenflechte schließlich seinen gesamten Körper bedeckte, begann sie flächendeckend aufzuplatzen, nur um sich dann wieder zu einer steinernen Masse zu verfestigen. Das ganze Prozedere dauerte nur wenige Minuten, doch das Endresultat war umso gewaltiger... er hatte sich in einem Steingolem verwandelt. Mit zitternden Händen den Knüppel haltend, starrte der namenlose Bandit verwirrt das monströse Ungetüm an. Er musste wahrlich an seinem Verstand zweifeln und war dementsprechend auch nicht mehr in der Lage einen Kampf zu führen. Einen Kampf, der ohnehin aussichtslos war.
    „Jetzt hör mal...“, begann der Namenlose mit zitternder Stimme.
    „Wenn du nur dieses dämliche Päckchen haben willst....“ Er machte Anstalten, das kleine Paket auf dem Boden zu legen. Miguel verharrte und beobachtete jede Bewegung seines Gegenübers. Er traute dem Banditen nicht im Geringsten über den Weg. Wie sich herausstellen sollte, völlig zurecht. Mit dem gestohlenen Päckchen in der Hand, rannte der namenlose Bandit plötzlich los und versuchte am Steinkoloss vorbeizukommen. Offenbar hoffte er durch die eingeschränkte Bewegungsfreiheit des Golems an diesem vorbeihuschen zu können. Miguel reagierte jedoch sofort und überzeugte ihn, noch bevor er am Golem vorbei gewesen war, mit einem kraftvollen Schlag auf die Stirn vom Gegenteil. Der namenlose Bandit landete mitsamt des Päckchens auf den Boden. Miguel verharrte einen Augenblick, nachdem sich sein Gegenüber nicht mehr rührte. Er rechnete fest damit, dass der Bandit im nächsten Moment wieder aufspringen und türmen würde. Dann entdeckte Miguel jedoch, wie an der Stirn des Banditen eine runde Stelle anschwoll und sich blau-lila zu färben begann.
    „Du gehst nirgendwo mehr hin.“, murmelte Miguel und setzte sich an die Felswand, neben den am Boden liegenden Banditen. Ein gewaltiger Nachteil von Verwandlungstränken war die unangenehme Tatsache, dass ihre Wirkung zeitlich bedingt waren. So musste man warten, bis die Wirkung des Trankes nachliess, um sich zurückverwandeln zu können. Oftmals war er unter ähnlichen Umständen schon in brenzliche Situationen geraten. Hatte sich zur Tarnung verwandelt und kam zeitlich nur äußerst knapp davon. Schließlich setzte die Wirkung des Verwandlungstrankes aus und Miguel begann sich zurückzuverwandeln. Die Rückverwandlung war dabei der Teil, der am meisten Kraft kostete. Eine erneute Verwandlung war so auch erst nach mehreren Stunden wieder möglich. Ignaz hatte unlängst von Fällen berichtet, bei denen es zum Todesfall gekommen war. Viele Probanden starben schlicht und ergreifend an Entkräftung. Miguel hatte sich unterdessen wieder vollkommen eingekleidet und widmete sich nun dem namenlosen Banditen. Er nahm dabei lediglich das Päckchen vom bewusstlosen Banditen an sich. Oftmals hatte er darüber nachgedacht, seine Opfer nach Wertgegenständen zu untersuchen, doch kam Diebstahl keinesfalls für ihn in Frage. Letzten Endes war es zumeist immer noch Diebesgut.

  6. Beiträge anzeigen #6 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    Es dämmerte bereits, als Miguel mitsamt des namenlosen Schurken zurück in die Stadt kam. Miguel hatte seinen gefangenen gefesselt und geknebelt und führte ihn vor sich her. Es war stets die einfachste Variante, um unvorhersehbaren Zwischenfällen aus den Weg zu gehen. Spätestens im Kerker angekommen, glaubte man den Verbrechern dann sowieso kein Wort mehr. Am Osttor angekommen, wurde Miguel von der dort stationierten Wache gestoppt.
    „Halt!“ Offensichtliche Skepsis stand dem Soldaten ins Gesicht geschrieben.
    „So zerlumpt wie der rumläuft, muss ich wohl gar nicht erst fragen...“
    „Hallo Mika.“, grüßte Miguel den Soldaten.
    „Der Kerl hat sich die Ware von Baltrams Boten unter den Nagel gerissen und ich habe ihn dabei überführt.“
    „Wie Baltrams Stammbote sieht er wirklich nicht aus.“, antwortete Mika und begutachtete den Namenlosen von oben bis unten.
    „Zeig mal her das gestohlene Zeug!“ Gierig begutachtete der Soldat das üppig geschnürte Paket des Bauern, nachdem Miguel es hervorgeholt hatte.
    „Nun gut...“, antwortete er missmutig.
    „Ich sollte mich ins Hafenviertel versetzen lasen. Scheint ein lukratives Geschäft dort unten zu sein.“
    „Du hast ja keine Ahnung.“, antwortete Miguel und führte seinen Gefangenen schließlich in die Stadt. Der Marktplatz hatte sich inzwischen nahezu geleert. Das Tagesgeschäft war vorbei und die Händler bereiteten sich allmählich auf ihren Feierabend vor. Auch Baltram war bereits dabei, seinen Stand allmählich zu räumen.
    „Guten Abend Baltram.“, grüßte Miguel den Händler und wartete gespannt auf dessen Reaktion.
    „Euch auch...“, antwortete Baltram verdutzt.
    „Kennst du diesen Mann?“, fragte Miguel und dirigierte seinen gefangenen näher an den Verkaufsstand heran.
    „Nicht wirklich...“, antwortete Baltram. Seine Verwunderung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ein Umstand, den Miguel sehr gut nachempfinden konnte.
    „Aber dieses Paket dürfte dir bekannt vorkommen.“, löste er schließlich das Geschehen auf und holte das Päckchen des Händlers hervor.
    „Darauf warte ich bereits den ganzen Tag, woher...?“
    „Dieser Mann hat das Paket gestohlen um es auf dem Schwarzmarkt verkaufen. Darüber hinaus wirst du vermutlich einen neuen Boten brauchen.“, berichtete Miguel und übergab dem Händler dessen Paket.
    „Vielen Dank.“, antwortete Baltram verwundert.
    „Es wird schwer einen neuen Boten zu finden, der die selbe Zuverlässigkeit aufweist, wie mein alter. Doch immerhin habe ich mein bestelltes Paket wieder... kein gänzlicher Verlust.“
    „Ich bringe den Kerl dann mal dahin, wo er hingehört... dir noch einen schönen Abend.“, beendete Miguel schließlich das Gespräch und führte seinen Gefangenen ab.
    „Dir auch... und vielen Dank noch mal!“, rief Baltram ihm hinterher.

    Wenig später erreichten sie schließlich den Innenhof der Kaserne. Nur wenige Soldaten waren dort noch am trainieren, denn auch hier war der tägliche Dienst für die meisten bereits vorbei. Miguel führte seinen Gefangenen ins Haupthaus der Kaserne.
    „Guten Abend, Lord Andre.“, begrüßte Miguel den Anführer der Miliz.
    „Dir auch, Miguel.“, antwortete der Paladin und wandte seinen Blick nur flüchtig hinter seinem Pult hervor. E zeigte nur wenig Interesse und konzentrierte sich hauptsächlich auf seine auf dem Pult ausgebreiteten Unterlagen.
    „Bist du mal wieder wegen eines Kopfgeldes hier?“
    „Der Kerl hat sich als Baltrams Bote ausgegeben und hat dessen bestellte Ware klauen wollen.“, berichtete Miguel.
    „Baltram wird meine Aussage darüber hinaus sicherlich bestätigen.“
    „Ein Dieb also...“, antwortete Andre beiläufig und machte sich eine kurze Notiz in seinem Buch.
    „Ich gebe dir hundert Goldstücke.“
    „Hundert“?, wiederholte Miguel. Enttäuschung lag in seiner Stimme, hatte er sich doch weitaus mehr erhofft.
    „Du kennst die Regeln.“, antwortete Andre wandte sich von seinem Pult ab. Im hinteren Teil des Zimmers öffnete er eine Truhe und kramte einen Moment darin herum. Kurz darauf kam er mit einem klimpernden Säckchen zurück.
    „Für einen Dieb, der nicht zur Fahndung ausgeschrieben ist, gibt es hundert Goldstücke. Außerdem habe ich jetzt auch schon hundert Goldstücke aufgeschrieben.“ Der Paladin machte sich nicht die Mühe, den Sack voll Gold direkt zu übergeben und warf ihm stattdessen Miguel zu.
    „Bring ihn zum Kerkermeister herunter. Baltram lasse ich dann Morgen zur Sachlage befragen...“
    Geändert von Lord Regonas (27.01.2018 um 22:22 Uhr)

  7. Beiträge anzeigen #7 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    „Wo bist du nun schon wieder gewesen!“ Miguel hätte bei den stets herzlichen Begrüßungen seines Meisters schon längst die Fassung verlieren müssen. Doch als er am frühen Abend heimkehrte, ließ er sich davon aufgrund seines Erfolges keineswegs erschüttern.
    „Ich habe unsere Kasse ein wenig aufgebessert.“, antwortete er schließlich und warf den Goldsack auf den hauseigenen Tisch. Gold war etwas, was jegliche Diskussion zumindest für den Moment beenden konnte. Amüsiert beobachtete er die verdutzen Blicke seines Meisters.
    „Du wirst uns noch eines Tages in Grab bringen!“, krächzte der alte Alchemist widerwillig und gab dann dennoch nach. „Aber immerhin zahlst du deine Miete.“
    „Also doch nicht ganz so verdorben...“, stichelte Miguel kleinlaut und legte seine Jacke über einen der drei Stühle.
    „Eines Tages...“, erwiderte Ignaz geistesabwesend, während er an seinem Alchemietisch arbeitete.
    „Aber nicht Heute...“, schmunzelte Miguel.

    Am späten Abend hatte sich Miguel unweit der Hafenkneipe postiert und wartete dort auf sein nächstes Ziel. Den Auftraggeber des namenlosen Diebes, den er bereits am frühen Abend erfolgreich überführt hatte, wollte er sich ebenfalls nicht entgehen lassen. Zu dieser Stunde befand sich ohnehin kaum noch jemand auf den Straßen. Ein vom Meer heranziehender Sturm tat sein Übriges dazu. Lange musste Miguel nicht warten. Nagur verließ offensichtlich angetrunken die Hafenkneipe. Er nahm die nördliche Straße am Meer entlang und Miguel folgte ihm in einigen Metern Abstand. Auf halber Strecke waren beide außer Sicht der Hafenkneipe und des dortigen Türstehers. Dieser hätte sich, so war sich Miguel sicher, eingemischt und auf die Seite des Kriminellen geschlagen. Ein unnötiges Risiko, das Miguel um jeden Preis verhindern wollte.
    „Wie geht es dem Dieb, den du losgeschickt hast, Baltrams Lieferung zu stehlen?“ Nagur zuckte zusammen und kam augenblicklich zum Stehen.
    „Wenn ich davon ausgehe, dass du es warst, der ihn eingebuchtet hat...“, antwortete Nagur und drehte sich zu Miguel herum. Ein alles erhellender Blitz zuckte über den nächtlichen Himmel.
    „...müsstest du es doch am Besten wissen.“, beendete er seinen angefangen Satz und fuhr mit seiner rechten Hand langsam zu seiner Gürtelschnalle herunter.
    „Versuch es gar nicht erst!“; ermahnte Miguel, der die Bewegungen seines Gegenübers ganz genau beobachtete. Nagur grinste jedoch nur und zog trotz der mahnenden Worte sein Schwert.
    „Du solltest dich nicht überschätzen, Alchemist. Im Gegensatz zu dem Taugenichts, den du hochgehen lassen hast, bin ich eine ganz andere Hausnummer.“ Miguel ließ sich von den Worten seines Gegenübers in keinster Weise beeindrucken. Oftmals kannten ihn seine Gegner und landeten letzten Endes dennoch hinter Gittern. Wieder zog er aus dem inneren seiner Jackentasche eine kleine Phiole. Die Farbe des alchemistischen Gemischs war dieses Mal jedoch eine andere. Gegen einen heruntergekommen Landstreicher war stumpfe Gewalt oftmals ausreichend. In diesem Fall zog er jedoch eine weitaus facettenreichere Verwandlung vor.

  8. Beiträge anzeigen #8 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    „Kann ich euch helfen?“ Die plötzlich ertönende Stimme ließ beide Kontrahenten zusammenzucken. Ein Soldat der städtischen Miliz war zur Überraschung der beiden von der Kaserne westlich gelegenen Treppe herunter ins Hafenviertel gekommen. Miguel hielt inne und steckte seine Phiole schnell wieder in seine Jackentasche. Nagur hingegen behielt sein Schwert in der Hand.
    „Nur eine kleine Meinungsverschiedenheit...“, beschwichtigte Nagur grinsend und steckte nun ebenfalls sein Schwert zurück. „Vielleicht sollten wir es jedoch bei einem Bier in der Hafenkneipe belassen. Meint ihr nicht auch, Alchemist?“ Miguel antwortete zunächst nicht. Er wusste sehr wohl, was ihm in der Hafenkneipe blühen würde. Zudem war er über die aktuelle Situation zutiefst verärgert.
    „Ich denken, dass ich einfach nur vollkommen übermüdet bin.“, antwortete er schließlich zähneknirschend. „Deswegen bin ich wahrscheinlich auch so gereizt und habe die Situation etwas überbewertet.“
    „Hervorragend!“, rief der Soldat zufrieden. „Dann würde ich nun vorschlagen, dass ihr nach Hause geht und euch ins Bett legt.“ Miguel konnte nicht fassen, in was für einer völlig absurden Situation er geraten war und schüttelte genervt den Kopf. Schließlich wandte er sich ab und ging nach Hause. Sein Ziel war entkommen...

  9. Beiträge anzeigen #9 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    Als Miguel gegen Mitternacht nach Hause kam, war Ignaz bereits am Schlafen. Ein Umstand, den Miguel begrüßte. Er war schlicht und ergreifend nicht in der Stimmung für die piesackenden Sprüche des alten Alchemisten. Darüber hinaus war er inzwischen tatsächlich recht müde und ging schließlich zu Bett.

    Stunden später riss Miguel plötzlich ein ohrenbetäubender Knall aus dem Schlaf. Berstendes Holz polterte zu Boden und der stickige Geruch von Verbranntem breitete sich in der kleinen Hütte des Alchemisten aus. Ein kurzer Blick zum Fenster verriet Miguel, dass die Morgendämmerung noch nicht eingesetzt hatte. Die Stadtwachen hatten also noch keinen Dienst. Völlig erschöpft mühte sich Miguel hastig aus seinem Bett heraus und torkelte ein Zimmer weiter in die Wohnküche. Die Haustür des alten Alchemisten war vollkommen zerfetzt worden. Ihre Überreste waren im kompletten Eingangsbereich verteilt. Dichter Qualm hatte sich in der ganzen Räumlichkeit verteilt und machte es Miguel unmöglich, sich einen noch genaueren Überblick zu verschaffen. Zu allem Überfluss bekam er kaum noch Luft.
    „Was ist denn hier los!“, ertönte plötzlich die krächzende Stimme des alten Alchemisten hinter Miguel.
    „Du musst hier sofort ver...!“, schrie Miguel entsetzt bei dem Anblick des halbnackten Greises, hielt jedoch mitten im Satz inne. Ein pfeilähnliches Geschoss flog plötzlich durch die zerfetze Eingangstür vorbei an Miguel und Ignaz ins Inne der Hütte. Kurz darauf erschütterte eine Detonation die kleine Wohnküche und riss die beiden Druiden zu Boden. Miguel dröhnte der Kopf. Sein rechter Arm schmerzte und das Atmen fiel ihm schwer. Dennoch versuchte er sich mit schmerzerfüllten Gesicht wieder aufzuraffen. Wenn er doch nur eine Phiole zu Greifen bekäme... doch ihm wurde schwarz vor Augen.
    Geändert von Lord Regonas (04.06.2019 um 21:49 Uhr)

  10. Beiträge anzeigen #10 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    Als Miguel wieder zu sich kam, wusste er im ersten Moment nicht, wo er war. Sein Körper, insbesondere aber sein rechter Arm schmerzte und die grelle Helligkeit des angebrochenen Tages war ihm zu allem Überfluss auch noch höchst unangenehm. Er richtete sich langsam seinem rebellierenden Körper zum trotz auf und sah sich blinzelnd um. Er befand sich auf der Krankenstation der khorinischen Kaserne.
    „Du bist also wach!“, ertönte plötzlich eine ihm wohl bekannte Stimme. Es war Lord Andre, der soeben den Raum betreten hatte. „Ich hätte ja nicht gedacht, dass du einmal bei mir zu Gast sein würdest.“
    „Wie geht es Ignaz?“, fragte Miguel und ignorierte die Anspielung des Paladins.
    „Er hatte weniger Glück“, antwortete Andre und runzelte angespannt die Stirn. „Die Explosion hat große Teile seines Rückens erwischt. Er wird wieder ganz der Alte, doch das ist mit großen Schmerzen verbunden und wird einige Zeit dauern.“ Beide Schwiegen für einige Sekunden lang. Miguel war sich im klaren darüber, dass er für all das Geschehene verantwortlich war. Er machte sich selbst Vorwürfe und rief sich immer wieder die mahnenden Worte des alten Alchemisten ins Gedächtnis. Allerdings verspürte er auch durchaus einen nicht zu ignorierenden Durst nach Rache.
    „Ich will wissen, wer dahinter steckt!“, sagte Miguel schließlich mit entschlossener Stimme. „Die Miliz muss doch irgendwelche Spuren haben. Mit solch einer speziellen Bewaffnung rennt schließlich nicht jeder Bürger in Khorinis herum!“
    „Du solltest die Sache ruhen lassen“, antwortete Andre besorgt. „Ich weiß, dass du einiges drauf hast, doch hier hast du es nicht mit den üblichen Kleinganoven zu tun. Dieses Mal ist es sogar für dich eine Nummer zu groß. Das Beste wird sein, wenn du erst einmal abtauchst und dich um den alten Alchemisten kümmerst.“
    „Du weißt nicht im Entferntesten, was ich drauf habe!“, antwortete Miguel mit bedrohlichem Unterton. „Ich will wissen wer dahintersteckt!“ Lord Andre seufzte und runzelte die Stirn. Es missfiel im sichtlich, auf die Forderung des Druiden einzugehen.
    „Also gut“, sagte er schließlich widerwillig. „Der Mann, den du suchst, ist bei der Miliz bereits seit Jahren zur Fahndung ausgeschrieben. Er ist ein Auftragsmörder und dazu noch einer der Besten“, berichtete der Paladin.
    „Ignaz und ich sind noch immer am Leben, also kann er nicht so gut sein!“, antwortete Miguel spottend.
    „Wie dem auch sei“, antwortete Andre ausweichend. „Jedenfalls ist sein Name Attila und er gehört zur Diebesgilde.“
    „Diebesgilde?“, wiederholte Miguel irritiert. „Noch nie gehört.“
    „Sie lebt im Untergrund und agiert aus dem Verborgenem. Wir wissen leider nicht mit Sicherheit, wer dieser geheimen Vereinigung alles beigetreten ist. Canthar, der fahrende Händler, Thorben der Tischler oder aber auch ein gewisser Nagur, der zumeist in der Hafenkneipe verkehrt.“ Miguel horchte plötzlich auf.
    „Die Liste der Verdächtigen ist lang“, fuhr Andre fort. „Doch Beweise fanden wir bei keinem der dreien.“
    „Nagur also“, wiederholte Miguel und überlegte einen Moment. „Und dieser Attila ist ein Auftragsmörder...“
    „Das sind knallharte Profis, Miguel. Lass die Finger davon!“, warnte Lord Andre noch einmal eindringlich. Doch Miguel hatte bereits, was er wollte. Er erinnerte sich noch sehr genau an Nagurs Worte und er erkannte, dass er sein Gegenüber und dessen Drohungen unterschätzt hatte. Ein Fehler, der ihm nicht noch einmal passieren würde.
    Geändert von Lord Regonas (02.07.2019 um 22:33 Uhr)

  11. Beiträge anzeigen #11 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    Es dämmerte bereits, als Miguel die Kaserne verließ. Er hatte also beinahe den gesamten Tag flach gelegen. Eiligen Schrittes stieg er die Treppen der Kaserne hinab. Bei jeder Stufe spürte er deutlich die pochenden Schmerzen in seinem Kopf. Er war noch nicht wieder fit. Ein Umstand, den er zunächst jedoch beiseite schob. Sollte er fündig werden, würde die Verwandlung ohnehin jegliche Schmerzen ausblenden. So passierte er binnen kürzester Zeit die Unterstadt und kam im Hafenviertel an. Insgeheim wusste er, dass von Ignaz alter Hütte nicht viel übrig sein konnte, dennoch war er... es war eine Mischung aus Neugier und Hoffnung. Als er dann jedoch nach wenigen Minuten an der Ruine ankam, fehlten ihm dennoch die Worte. Von der alten Hütte des Alchemisten waren lediglich noch die Grundmauern übrig geblieben. Der Rest war vollkommen niedergebrannt. Behutsam trat Miguel über die verkohlten Überreste seiner ehemaligen Behausung. Trauer und auch Wut überkamen ihn. Viele Erinnerungen lagen hier im Schutt begraben. Es waren trotz allem Griesgram immer noch gute Erinnerungen. Schließlich fand er, weswegen er gekommen war. Eine alte metallene Klappe am Boden. Normalerweise war diese mit Bodendielen verkleidet gewesen, doch waren diese nun niedergebrannt. Den verkohlten Schutt schob er mit seinen Füßen beiseite und öffnete die knarrende Klappe. Soweit Miguel es im schwachen Lichtschein erkennen konnte, war der Keller des alten Gebäudes noch intakt. Zumindest hatte es dort unten nicht gebrannt. Vorsichtig stieg er die schmalen Treppenstufen der Leiter hinab in den Keller. Es war ein äußerst kleiner Raum, der lediglich eine Truhe, ein altes Regal und einen Alchemietisch beherbergte. Doch das war auch schon alles, was Miguel für sein Vorhaben brauchte. Auf dem Regal standen dutzende Fläschchen mit allerlei verschiedenen Tränken... Verwandlungstränken. Zwei davon wählte er aus und verstaute sie in seiner Jackentasche.

  12. Beiträge anzeigen #12 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    Es war bereits Mitternacht, als Nagur die Hafenkneipe verlassen hatte. Er nahm taumelnden Schrittes die nördliche Straße am Hafenkai entlang. Das Meer war äußerst unruhig. Die Wellen schlugen krachend gegen die Mauern des Hafenkais und ein stürmischer Wind fegte über die dunklen Gassen des Hafenviertels hinweg. Die Geräuschkulisse des tobenden Meeres war dabei so enorm, dass Nagur auch nicht den kraftvollen Flügelschlag der über das Hafenviertel fliegenden Kreatur vernahm. Selbst als die Kreatur im Schutz der Dunkelheit in den Sinkflug überging und damit ihren Angriff einleitete, war Nagur absolut ahnungslos. Als er dann urplötzlich von zwei riesigen Pranken gepackt wurde und sich dessen Scharfen Krallen in seine Schultern bohrten, schrie er entsetzt auf. Erschrocken sah er an seiner rechten Schulter hinauf. Heißes Blut schoss ihm dabei entgegen. Bis auf einen dunklen Schatten, dessen Pranken seine Schultern inzwischen fest im Griff hatten, konnte er jedoch in der Dunkelheit absolut nichts erkennen. Dann explodierte der Schmerz in seinen Schultern plötzlich und er verlor nicht nur den Boden unter den Füßen, sondern auch sein Bewusstsein.

    Als Nagur wieder zu sich kam, lag er auf einer feuchten Wiese. Die eisige Kälte der Nacht hatte inzwischen Besitz von seinem Körper ergriffen, denn er zitterte am ganzen Leib. Weitaus schlimmer war jedoch, dass er jegliche Kontrolle über seine Arme verloren hatte. Seine Hände konnte er zwar durchaus noch zur Faust ballen, doch darüber hinaus war alles andere absolut unmöglich. Er hatte von den Schultern bis zu den Händen jegliches Gefühl verloren.
    „Wo ist Attila!“, ertönte plötzlich eine bösartige Stimme in der Dunkelheit. Sie war weit entfernt von jeglicher menschlicher Natur und konnte ebenso gut der Hölle entsprungen sein. Vollkommen aufgelöst versuchte Nagur die Kreatur ausfindig zu machen, die zu ihm gesprochen hatte... natürlich vergebens. Blanke Panik übermannte den sonst so gewieften Kleinganoven. Verzweifelt suchte er nach einem Fluchtweg, doch die nähere Umgebung war für ihn alles andere als vorteilhaft. Er befand sich auf einer überschaubaren Anhöhe... vielleicht auch auf einen kleinen Berg. Ein dutzend kahle Bäume ragten in den Nachthimmel und mehrere kleine Felsbrocken unterbrachen die sonst flächendeckende Wiese. Allerdings konnte er beim besten Willen keine Fluchtmöglichkeiten ausmachen.
    „Ich habe gefragt, wo Attila ist!“, ertönte plötzlich wieder die grausame Stimme. Kurz darauf sah Nagur einen gewaltigen Schatten in der Luft, der direkt vor ihn landete. Nagur ließ sich völlig verzweifelt auf den Boden zurückfallen und versuchte der Kreatur so zu entgehen. Allerdings spürte er bereits kurz darauf ihre riesige Pranke an seinem Hals. Erbarmungslos drückte sie ihm die Luft ab und zog ihn zu sich heran.
    „Letzte Chance... wo ist der Attentäter?“
    „In der...“, versuchte Nagur zu antworten. Er bekam jedoch kaum Luft und war erneut nahe dran, das Bewusstsein zu verlieren. „In der Kanalisation!“, schrie er verzweifelt. Der Griff der Kreatur lockerte sich schlagartig und Nagur fiel unsanft zu Boden. Hustend schnappte er nach Luft und versuchte mit seinem rebellierenden Körper ringend, bei Bewusstsein zu bleiben. Es dauerte schier endlose Minuten, ehe sich sein Körper wieder annähernd beruhigt hatte. Die Kreatur hatte sich inzwischen von ihm abgewandt und blickte den Berg hinunter.
    „Ich hätte dich aufgrund deiner Machenschaften an die Miliz ausgeliefert und die Prämie für deinen Kopf kassiert. Doch ich werde dich nun hier oben zurücklassen und du wirst deinen Verletzungen erliegen. Solltest du noch die Kraft aufbringen können, zu schreien...“ Die Kreatur machte eine deutlich zu vernehmende Pause. „Es wird dich dort draußen niemand hören!“

  13. Beiträge anzeigen #13 Zitieren
    hokuspokus 
    Registriert seit
    Jan 2014
    Beiträge
    920
     
    Ajnif ist offline
    Mit langen Schritten ging er durch die Gassen Khorinis. Seine Schritte klackerten über die unebenen Straßen und hallten in die Dunkelheit der Nacht hinaus. Hin und wieder begegnete er vereinzelten Menschen. Die meisten hatten einen getrunken, torkelten bei jeden Schritt während sie vor sich hinfaselten. Er wich ihnen galant aus und setzte seinen Weg unbeirrt fort.
    Als er sich der Kaserne näherte wurden seine Schritte langsamer. Er hätte vermutet dass jemand am Tor Wache halten würde, doch zu seiner Verwunderung war weit und breit niemand zu erkennen. Ohne weitere Unterbrechungen bewegte er sich zur Krankenstation. Er öffnete die Tür und trat in den nur spärlich belichteten Raum. Auf den unbequemen Betten lagen hier und da einige Kranke. Interessiert betrachtete er den Mann, dem man ein Bein abgenommen hatte. Er prüfte den Stumpf, an dem eine leichte Kruste gebildet war, die aber nicht die gesamte Wunde verschloss. Eher war es ein schmieriger Film aus Eiter, der sich den meisten Teil des Platzes zu Eigen gemacht hatte. Angewidert wandte er seinen Blick ab. Er konnte sich in diesem Augenblick vermutlich glücklich schätzen, dass seine Riechorgane ihm keine Dienste mehr leisteten.
    „Was suchst du hier?“, ertönte es überrascht hinter ihm.
    Er drehte sich um und betrachtete die Gestalt, die auf dem Bauch liegend auf einer Trage lag.
    „Wer seid Ihr?“, erkundigte er sich und blieb dem Mann eine Antwort schuldig.
    „Ich bin Ignaz. Und nun sag mir wer du bist und was du hier zu suchen hast.“
    „Ich bin auf der Suche nach Miguel, habe gedacht er wäre noch hier in der Krankenstation.“
    „Miguel hat die Kaserne vor ein paar Tagen verlassen.“
    Unter Stöhnen erhob sich Ignaz langsam und näherte sich dem Fremdem an. Er sah prüfend in sein Gesicht, das sich tief im Innern seines Umhangs verbarg.
    „Wer bist du?“, fragte er erstaunt. „hat Xardas dich geschickt?“
    Sein Gegenüber nickte kurz.
    „Als Xardas das letzte Mal einen seiner Diener aussandte, war auch ich unter den von ihm Erwählten“ Der alte Alchemist schwelgte schmunzelnd in Erinnerungen. „Das waren noch Zeiten.“
    „Wisst Ihr wohin Miguel gegangen ist?“, fragte der Fremde mit kalter Stimme.
    „Ich denke, er wird Jene suchen, die mir das angetan haben“, erwiderte Ignaz.
    Der Fremde wandte sich ab und war drauf und dran die Krankenstation wieder zu verlassen, als die Stimme des Alchemisten noch einmal ertönte.
    „Beim letzten Mal sind wir nur um Haaresbreite einer entsetzlichen Katastrophe entgangen. Könnt ihr mir garantieren, dass mein Sohn lebend zurückkehren wird?“
    Der Fremde blieb stehen. Angst lag in der zitternden Stimme des alten Mannes.
    „Ich wünschte wirklich, dass ich das von irgendjemanden behaupten könnte.“

    Als er wenig später vorbei an Ratten und Unrat immer tiefer in das Hafenviertel gelangte, hörte er ein laute Flügelschläge über sich. Überrascht wandte er seinen blick in den Nachthimmel. Hatte er gerade etwa eine Harpyie gesehen? Ohne zu zögern folgte er dem Wesen am Nachthimmel. Als es an der Kanalisation hinunterging und diese betrat, zögerte er kurz. Wenn es etwas gab, was er nicht mochte, dann war es noch mehr Dunkelheit als die der Nacht. Und wenn es etwas gab, was er noch viel wenig mochte, dann war es durch Dreck und Kloake zu waten.
    Er presste seinen Kiefer aufeinander, schaute noch einmal gen Himmel, bevor er sich anschickte dem Wesen zu folgen.

  14. Beiträge anzeigen #14 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post


    Erschöpft lehnte sich Miguel an das marode Mauerwerk des unteren Hafenkais. Die Rückverwandlung hatte ihm viel von seiner Kraft geraubt. Völlig außer Atem verweilte er dort ein paar Minuten, damit sich sein Kreislauf wieder einigermaßen erholen konnte.

    Vor ihm lag das Gitter der Kanalisation, welches für gewöhnlich jeglichen Zugang von außerhalb unterbinden sollte. Allerdings waren mehrere Stangen entfernt worden und die dadurch entstandene Luke bot ungebetenen Gästen nun doch einen Zugang. Vorsichtig stieg Miguel durch den schmalen Zugang in den Abwasserkanal hinein. Im inneren stieg ihm sofort der unangenehme Geruch von den städtischen Fäkalien entgegen. Er konnte beim besten Willen nicht nachvollziehen, wie man sich bei einem derartigen Gestank hier unten aufhalten konnte. Dann entdeckte er weiter dem Korridor entlang eine schwach lodernde Fackel an der Wand hängen. Allerdings drohte sie der unregelmäßig wiederkehrende Windzug immer wieder zu löschen. Miguel deutete die Lichtquelle jedenfalls als Hinweis dafür, dass sich hier unten tatsächlich Menschen aufhalten mussten und schritt widerwillig den Korridor entlang. Das marode Mauerwerk war über weite Strecken mit einer braun-grünen Substanz überzogen und dichte Spinnweben hingen von der Decke herab. Zu allem Überfluss waren weite Teile des Erdreiches dermaßen aufgeweicht, dass Miguel bei jedem Schritt mehrere Zentimeter versank. Kurzum; er war bedient.

    Nach einer Weile kreuzte sich der Korridor. Während der Gang zu Miguels linken im Dunklem lag, befand sich im rechten eine weitere Fackel an der Wand. Miguel betrat aufgrund dessen diesen Korridor. Nur wenige Meter hinter der an der Wand hängenden Fackel traf er schließlich auf einen Banditen.
    „Wer zum Henker bist du denn?“, fragte der Bandit erschrocken und stand hastig von seinem alten Holzstuhl auf. „Wie bist du hier rein gekommen?“
    „Das spielt keine Rolle“, antwortete Miguel mit ruhiger Stimme. „Ich will, dass du mich zu Attila bringst!“
    „Na klar doch“, erwiderte der Bandit schmunzelnd und zog sein Schwert. „Sonst noch etwas, bevor ich dir mein Schwert in die Brust ramme?“
    „In der Tat“ Miguel kramte etwas aus seiner Hosentasche heraus und warf dem Banditen einen kleinen Gegenstand entgegen. „Diesen Ring hier habe ich von Nagur, einem Mitglied euer Gilde soweit ich weiß. Dazu fand ich höchst interessanten Schriftverkehr, der bestimmt nicht der Miliz in die Hände fallen soll.“
    Der Bandit hielt augenblicklich inne und begutachtete verstört den giftgrünen Ring.
    „Wo hast du den her?“
    „Das sagte ich bereits“, antwortete Miguel. „Und nun wirst du mich zu Attila bringen!“
    Geändert von Lord Regonas (04.09.2020 um 22:21 Uhr)

  15. Beiträge anzeigen #15 Zitieren
    hokuspokus 
    Registriert seit
    Jan 2014
    Beiträge
    920
     
    Ajnif ist offline
    Der Bandit drehte seinen Oberkörper und wandte sich zum Gehen. Miguel spürte das Gefühl von Erhabenheit in sich. Gleich würde er auf Attila treffen und nichts konnte ihn diesen Triumph noch nehmen. Die scharfe Klinge, die sich seinem Körper näherte, als der Bandit sich umdrehte und das Schwert schwungvoll in seine Richtung bewegte, hatte er nicht kommen sehen.
    Er hätte keinen weiteren Atemzug mehr machen dürfen, nicht nach dem Hieb des Banditen. Und doch lebte Miguel noch. Mit einem Blick auf seinen Brustkorb merkte er, dass alles nach an der richtigen Stelle war. Die Klinge verharrte nur wenige Zentimeter vor ihm in der Luft. Der Bandit starrte ihn mit geweiteten Augen an, bleich, beinahe so als hätte er ein Gespenst gesehen.
    „Erklärt mir was so faszinierend an schmuddeligen Dreckslöchern wie diesen sein muss, dass jeder meint in ihnen verkehren zu müssen. Ich habe nichts gegen Löcher, solange sie warm sind, vielleicht auch etwas feucht, am liebsten sind sie mir wenn sie eng sind. Aber Dreckslöcher sind mir zuwider“, ertönte eine Stimme direkt neben Miguels Ohr. Der Bandit erbrach sich direkt zu seinen Füßen, bevor er in sich zusammen sackte.
    „Wisst Ihr, ich frage mich wieso es so verwunderlich ist jemanden wie mich zu sehen. Bei dem ganzen Getier und monströsen Gestalten, die sich des Tags und des Nachts außerhalb dieser Gemäuer und sicher auch innerhalb dieser Dreckslöcher aufhalten, ist es doch erstaunlich, dass ich solch eine Wirkung auf mein Gegenüber habe. Naja, wem sage ich das. Ihr kennt Euch ja auch bestens aus mit monströsen Gestalten, nicht wahr?!“
    Während die Stimme unbeirrt weiter redete, wandte Miguel seinen Kopf. Weiße Schemen blitzten einen kurzen Moment auf, bevor sie in einem langen Umhang verschwanden.
    „Ich sage immer wieder, dass die Banditen von heute auch nicht mehr das waren, was sie damals gewesen sind. Das waren noch Zeiten“, seufzte die Gestalt, bevor sie über den schlaffen Körper des Banditen hinüber schritt und dem Gang folgte.
    „Ihr solltet mitkommen, ich bin schon ganz gespannt auf Euer Zusammentreffen mit dem größten Attentäter seinerzeit. Bei weitem nicht der größte Attentäter den ich je gekannt habe, aber seinerzeit ist sicher nicht zu verachten.“ Die langen Schritte der Gestalt klackerten auf dem Boden, lange Schatten mit hässlichen Fratzen folgten ihm am Gemäuer entlang.
    Miguel haderte einen Moment. In was war er hier nur geraten? Dann besann er sich eines Besseren. Wenn jemand Attila zur Strecke brachte, dann sollte er es sein. Miguel eilte hinter der Gestalt her, griff nach dem Schwert des am Boden liegenden Banditen. Mit gezückter Waffe näherte er sich seinem Vordermann, der jäh zum Stehen kam. Die Schwertscheide fuhr in den Mantel, es war als würde sie Luft durchstoßen. Miguel der nicht darauf vorbereitet war ins Nichts zu treffen, wobei er auch nicht darauf vorbereitet gewesen war, dass sein Vordermann jäh stehen blieb, stolperte und kam knapp hinter der seltsamen Gestalt zum Stehen.
    „Wärt Ihr so freundlich das kalte Metall zwischen meinen Knochen zu entfernen? Ich bin meiner alten Tage etwas empfindlich geworden was Temperaturen angeht. Außerdem möchte ich mir gar nicht ausmalen in wie vielen anderen Körpern diese Klinge bereits gesteckt haben muss“, sagte die Gestalt beinahe beiläufig. Miguel, der sonst nicht auf den Mund gefallen war, erblasste. Die scharfe Klinge hätte tödlich sein müssen.
    „Wollt Ihr mir nun folgen, oder wollen wir weiter darüber sinnieren wem diese Klinge bereits einen tödlichen Kuss verabreicht hat?“, erkundigte sich die Gestalt, bevor sie sich erneut in Bewegung setzte. Ohne jeden Widerstand glitt die Klinge aus dem Umhang, nicht ein Tropfen Blut oder Fetzen Fleisch war an ihr zu sehen. Was war hier los?
    Als sie im Versteck der Banditen ankamen, lösten die Schatten sich von den Wänden. Schwarze Dämonen jagten durch die Luft und versetzten fast jeden in Angst und Schrecken, während die Gestalt unbeirrt einem unsichtbaren Wegweiser zu folgen schien, Miguel war ihm dicht auf den Fersen. Sie endeten in eine kleinen Lagerraum. Weit und breit war nichts von Attila zu sehen. Fässer und Kisten stapelten sich an den Wänden.
    „Wartet einen Moment, er wird gleich hier sein“, murmelte die Gestalt, während sie mit ihren Fingern klackerte und sich gegen eines der Fässer lehnte.
    Die Tür flog auf und ein wutschnaubender Attila stürmte hinein.
    „Ihr!“, brüllte er. „Du!“, rief er zornig als er Miguel erkannte. Miguel knirschte mit den Zähnen, er hatte sich so lange auf diesen Moment vorbereitet. Nichts sehnte er sich mehr als sich zu verwandeln und Attila in Stücke zu zerreißen. Attila zückte einen Langdolch und kam Miguel gefährlich nah, bis sich die Gestalt zwischen sie drängte. Mit ihren flinken Fingern nahm sie Attila seinen Dolch ab, der überraschte Miguel wurde dabei nach hinten an die Wand gedrückt. Schatten legten sich um seinen Körper und hielten ihn an Ort und Stelle.
    „Lasst mich sofort los“, knurrte er.
    „Was soll das?“, knurrte Attila, um dessen Körper sich ebenfalls ein schwarzer Schatten gelegt hatte, während die Gestalt seinen Dolch in seinem Umhang verschwinden ließ.
    „Ich kann Euch nur zu gut verstehen. Niemals würde ich die Möglichkeit eines guten Kampfes auslassen. Es gibt nichts befriedigerendes, neben dem Schoß einer Frau natürlich, als seine angestauten Gefühle in einem Kampf ausleben zu lassen. Wie oft ich diesem Verlangen schon nachgegeben habe“, seufzte die Gestalt,
    „Nicht schon wieder eine dieser Geschichten!“, ranzte Miguel und wehrte sich mit all seiner Kraft gegen die Schatten.
    „Mir soll es Recht sein, ich habe erlebt was ich erleben konnte und noch viel mehr. Doch ich bezweifle dass Euch beiden viel am eigenen Tod liegen wird. Ihr wollt viel lieber den anderen Sterben sehen. Was soll der Tod des anderen den nutzen, wenn Ihr kurze Zeit danach auch das Leben ins Jenseits antreten werdet. Da könnt Ihr den Erfolg doch gar nicht lange auskosten, ganz gleich wer von Euch gewinnt. Und ich wette, ihr würdet es beide nur zu gerne genießen, wenn der andere sein Leben lässt.“
    „Was redet er denn da?“,rief Attila und sah Miguel dabei erzürnt an.
    „Ich habe keine Ahnung, ich sehe ihn heute auch zum ersten Mal. Aber er geht mir bereits jetzt gehörig auf die Nerven!“
    „Nun, dann mache ich ja alles richtig“, erwiderte die Gestalt, „dann machen wie Euch beide mal reisefertig.“ Die Gestalt nickte kurz und die Schatten legten sich noch fester um Miguels Körper. Ihm war als wenn ihm heiß und kalt gleichzeitig wurde.
    „Was ist hier los?“, brüllte Cassia aufgebracht am Türrahmen. Ihre Haare waren zersaust, das Hemd wirkte mehr wie ein einziger Fetzen Stoff. Mit ihrem Degen in der Hand ging sie mit langen Schritten auf die Gestalt zu.
    „Wie könnt ihr zwei es wagen hier einfach rein zu marschieren?“, rief sie erzürnt, bevor sie zum ersten Schlag ausholte. Der Degen fuhr knapp oberhalb des Ellenbogens der Gestalt entlang. Die dünne Klinge schnitt sich ohne weiteres durch den Stoff des Mantels und legte einen weißen Knochen frei.
    Miguel spürte das Gefühl von Bewunderung in sich aufkommen, als die Anführerin der Diebe erneut zum Schlag ausholte und erneut direkt bis auf den Knochen traf. Dieses Mal erwischte sie seinen rechten Unterschenkel.
    „Das war mein Lieblingsmantel“, seufzte die Gestalt als wäre nichts gewesen, doch Miguel konnte genau die kleinen Hautfetzen sehen, die an seinem Oberschenkel vom Knochen hingen.
    Die Gestalt löste ihren Umhang und alle Anwesenden erstarrten, als der dicke Stoff zu Boden fiel.
    Cassia gab einen erstickten Ausruf von sich, die Panik stand ihr in den Augen. Das Skelett machte einen Schritt auf sie zu, nahm ihr den Degen ab und konnte sie nur noch mit den Armen auffangen, als Cassia zu Boden sackte.
    „Ja, meine Wirkung auf Frauen ist immer noch so wie sie einst gewesen ist“, murmelte das Skelett, bevor es sich umdrehte.
    „Nun zu Euch, ich hoffe Ihr seid schon einmal teleportiert worden. Denkt besser an nichts, sonst könnte es sein, dass sich Euer innerstes nach außen kehrt.“
    Das Skelett griff Attila und Miguel an die Arme. Miguel spürte wie er sich von innen aufzulösen schien, als sich schwarzer Rauch bildete und sie im Nichts verschwanden.

  16. Beiträge anzeigen #16 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post


    Als Miguel allmählich erwachte fand er sich in einer kleinen Zelle wieder. Sie bot gerade genug Platz für ein altes Bett und einen Donnerbalken. Eine rostige aber dennoch stabile Zellentür trennte ihn von der Außenwelt. Er trat an die Zellentür heran und versuchte sie vorsichtig aufzudrücken... vergeblich. Er tastete hastig alle seine Taschen ab, doch seine Verwandlungstränke waren ihm abgenommen worden. Dann sah er sich den hinter seiner Zelle liegenden Raum an. Jedoch bot dieser keinerlei Aufschluss darüber, wo er sich genau befand. Bis auf ein paar mit Staub bedeckten Regalen, die allmählich hinter überdimensionalen Spinnweben verschwanden, gab es hier nichts von Bedeutung.
    „Wer ist da?“, ertönte plötzlich eine flüsternde Stimme. Irritiert sah sich Miguel noch einmal den hinter seiner Zellentür liegenden Raum an. Er konnte jedoch niemanden ausmachen. Anscheinend gab es irgendwo hier noch mehr solcher Zellen und er war ganz offensichtlich auch nicht der einzige Gefangene.
    „Mein Name ist Miguel... aus Khorinis“, antwortete er zögerlich und ebenfalls flüsternd. „Und wer seid ihr?“
    „Miguel?“, wiederholte der Unbekannte nun deutlich hörbar. „Ich hätte dich gleich umbringen sollen, verdammte Scheiße! Dann wäre mir diese ganze Mist hier erspart geblieben.“
    „Attila!“, stieß Miguel erschrocken aus. Das Skelett hatte sie beide an diesen Ort gebracht. „Keine Sorge!“, fuhr er schließlich zähneknirschend fort. „Sobald ich aus dieser Zelle bin, werde ich dich von all deinem Leiden erlösen!“
    „Hätten sich die wehrten Herren gegenseitig umgebracht, dann wäre das nur eine unnötige Verschwendung von einzigartigen Fähigkeiten gewesen!“, ertönte plötzlich eine weitere Stimme. Dieses mal jedoch tauchte kurz darauf ein alter Mann in einer schwarzen Robe vor den Zellen auf. „Guten Abend, die Herren. Mein Name ist Xardas.“

  17. Beiträge anzeigen #17 Zitieren
    Held Avatar von Lord Regonas
    Registriert seit
    May 2006
    Ort
    Osnabrück
    Beiträge
    5.409
     
    Lord Regonas ist offline

    Post

    Ein schepperndes Geräusch riss Miguel aus dem Schlaf. Binnen weniger Sekunden saß er aufrecht auf seinem Bett und versuchte völlig verschlafen die Ursache für den Lärm auszumachen.
    „Guten Morgen, du Taugenichts! Es ist mittlerweile später Vormittag. Findest du nicht, dass du genug geschlafen hast?“, krächzte eine heisere Stimme. Miguel war mit der Situation vollkommen überfordert. Obgleich ihm die Stimme vertraut war, konnte er sie im ersten Moment nicht wirklich zuordnen.
    „Ignaz?“ Miguel traute seinen Augen kaum. Der alte Haudegen war wieder auf den Beinen.
    „Was ist los mit dir? Haben dich die paar Tage im Kerker etwa schon mürbe gemacht?“, stichelte der alte Mann und ließ sich langsam vor Miguels Zelle auf einem Stuhl nieder.
    „Du warst doch schwer verletzt...“, begann Miguel verwundert. „Wie bist du so schnell genesen?“
    „Ich hatte Besuch von einem alten Freund“, antwortete Ignaz schmunzelnd. „Du kennst ihn bereits... er besteht nur noch aus Haut und Knochen.“
    „Das Ding hat mich hier gegen meinen Willen eingesperrt!“, erwiderte Miguel aufgebracht. „Was für ein Freund tut so etwas?“
    „Deswegen bin ich ja hier“, antwortete Ignaz und grinste frech. „Wärst du nicht so verdammt stur, dann wärst ja schon längst wieder hier raus, nicht wahr?“
    Miguel schwieg. Er hatte schlicht und ergreifend keine Antwort parat. Zunächst hatte Miguel gedacht, dass sein alter Lehrmeister gekommen war, um ihn hier rauszuholen. Doch nun wirkte es ganz so, als sei der alte Alchemist auf der Seite des Schwarzmagiers.
    „Dieser Attentäter hätte dich um ein Haar umgebracht.“, antwortete er schließlich. „Wie kannst du da von mir verlangen, dass ich nun mit ihm zusammenarbeite?“
    „Das verlange ich überhaupt nicht“, antwortete Ignaz mit einer nun deutlich ernsteren Tonlage.
    „Natürlich kannst du jederzeit diese Zelle verlassen und deinen Rachegelüsten nachgehen. Doch du warst doch immer derjenige, der seine Fähigkeiten für das Gute einsetzten wollte, um unschuldigen Menschen zu helfen. Also sage mir... wie hilft das all den unschuldigen Menschen, wenn du Xardas aufgrund deiner persönlichen Gelüste deine Hilfe verwehrst?“

Berechtigungen

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
Impressum | Link Us | intern
World of Gothic © by World of Gothic Team
Gothic, Gothic 2 & Gothic 3 are © by Piranha Bytes & Egmont Interactive & JoWooD Productions AG, all rights reserved worldwide