Zitat von
Dukemon
Gut, interessant. Das zeigt aber auch, dass Walt Disney Worte wahr sind. Sie verfilmen keine Märchen, sie erschaffen Märchen die sich ein wenig an vorhandenen Geschichten orientieren.
Wobei Disney die Botschaft der Vorlage, sollte sie existieren, stets in eine mMn wesentlich platteren neuen Aussage umwandelt. Mein Lieblingsbeispiel wäre hier die Disney-Fassung von Hans Christian Andersons 'Die kleine Meerjungfrau'.
In Hans Christian Anderson Fassung umfasst der Pakt mit der Meerhexe, dass die kleine Meerjungfrau beim Sonnenaufgang des darauffolgenden Tages sterben muss, an welcher der Prinz einer anderen Frau seine Liebe gesteht. Es sei denn die Meerjungfrau tötet das Liebespaar vor Anbruch des nächsten Tages, was den Pakt rückgängig macht und ihr wieder ihre Gestalt als Meerjungfrau gibt.
Der Prinz liebt allerdings bereits ein ihn bisher unbekanntes Menschenmädchen, welches ihn nach den Schiffbruch am Strand gefunden hat, bei seinen Erwachen über ihn gebeugt war, seine Hand gehalten und ihn Mut zugesprochen hat :'Es ist gut, du bist jetzt in Sicherheit!'(In der Disney-Fassung erscheint stattdessen der Diener!), und dessen Identität er, nachdem sie sich aus den Augen verloren haben, das gesamte restliche Märchen herauszufinden versucht.
Zwar nimmt er sich der Meerjunfrau wie in der Disney-Fassung an, gesteht ihr aber dass er nur dieses eine Mädchen lieben wird, dass ihn am Strand gefunden hat.
Als er dieses am Ende wiederfindet, sie entpuppt sich als die Tochter des Königs des Nachbarreiches, gestehen sich Prinz und Prinzessin die Liebe, heiraten noch am selben Tag, und die kleine Meerjungfrau steht nun vor der Wahl: Tötet sie das junge Liebespaar in der Hochzeitsnacht und rettet so ihr eigenes Leben oder opfert sie ihr Leben für das Glück des Paares? Und obwohl sie mit einen Messer ins Schlafgemach schleicht, entschließt sich die kleine Meerjungfrau, dass das Glück des Prinzen ihr eigenes sein soll, und stirbt stattdessen willentlich beim Sonnenaufgang, erfüllt von den Wissen, dass der Prinz mit der Frau zusammen ist die er liebt.
Die Botschaft des Märchens ist hier unmissverständlich: 'Wahre Liebe ist selbstlos! Selbst wenn du nie geliebt wirst findet du Freude im Glück der anderen.'
Die Disney-Fassung verzichtet auf eine Prinzessin, welche den schiffbrüchigen Prinzen am Strand findet und in welche er sich statt der Meerjungfrau verliebt, schreibt den Pakt mit der Meerhexe kindgerecht um, damit die kleine Meerjungfrau so ungehindert die Liebe des Prinzen gewinnen kann und ihr Happy End bekommt. Womit die Botschaft dieser Fassung bestenfalls lautet: 'Wenn du einen Kerl lang genug stalkst bekommst du ihn. Träume werden immer wahr!'
Ich will jetzt auch nicht auf eine Diskussion hinaus, welche Botschaft die passendere ist. Aber Hans Christian Anderson ist zweifelsohne die tiefgründigere, die eine Lektion fürs Leben liefern kann, während die in der Disney Fassung lediglich kitschig ist.
Zumal der Disney Film ein paar Punkte mehr kritisiert an der Gesellschaft, zum Beispiel diese ungebildeten Lämmige, nennen sich Dorfbewohner, die einem Gaston alles abkaufen, nur weil sie Angst vor dem Unbekannten haben und er blendend aussieht.
Auch hier existieren zwei sehr unterschiedliche Botschaften, die sich an ein unterschiedliches Publikum richten. Während das Volksmärchen davon erzählt, wie wahre Liebe selbst das größte Scheusal läutern kann, wird in der Disney-Fassung die plumpe Botschaft vermittelt, das Äußerlichkeiten völlig bedeutungslos sind. Letztere mag zwar wieder kindgerechter sein, philosophisch interessanter ist aber wieder die Botschaft des Volksmärchen.
Interessant ist aber, das WaltDisney bei 'Der Glöckner von Notre Dame' sich mit jeder neuen Produktion und Interpretation dem Original von Victor Hugo stärker nähert. Die Uraufführung des Muscials in Deutschland 2001 war bereits anders als der Film, vor allem soll es düsterer gewesen sein, die neue Musical Version wurde noch mal erweitert und geändert und soll laut US Besuchern noch mehr dem Buch entsprechen als dem Disney Film.
Der 'Glöckner von Notre Dame' halte ich persönlich für einen der... interessantesten Zeichentrickfilme, da sich Disney hier das erste Mal wagt in seinen Zeichentrickfilm einen sehr düsteren Roman für Erwachsene als Kinderfilm zu verfilmen. Und angesichts dessen ist die Umsetzung, sieht man einmal vom, doch recht erzwungen wirkenden, Happy End ab, recht... interessant gelungen.
Auch weil Disney nicht den Fehler begeht aus Esmeralda und Quasimodo erneut Disney 'Die Schöne und das Biest' zu machen und die beiden als weiteres Liebespaar dazustellen, sondern Quasimodos Liebe, wie in der Romanvorlage, von Esmeralda unerwidert bleibt.
(Auch wenn ein Großteil der Zuschauer wohl genau das erwartet haben, dass Esmeralda und Quasimodo ein Liebespaar werden, und Disney somit erneut die Botschaft vermittelt, das Äußerlichkeiten völlig unbedeutend sind. )
Das Lied 'Höllenfeuer', in welchen Frollo seine sexuelle Lust nach Esmeralda beklagt, und glaubt sie ungeschehen machen zu können, indem er die Zigeunerin auf den Scheiterhaufen verbrennt, ist wohl das einzige Lied in den Disney-Filmen, welches sich eindeutig an ein erwachsenes Publikum richtet. Denn die Kinder werden sich schwer tun zu begreifen worin Follos Problem in diesen Lied besteht.
Den missglückten zweiten Teil des Zeichentrickfilms, wo Quasimodo auch die Liebe eines Mädchens findet, lasse ich einmal außen vor...
Die deutsche Musical-Fassung nähert sich sogar soweit weiter den Roman von Victor Hugo, dass hier Frollo nicht mehr ausschließlich als Bösewicht da gestellt wird, sondern als Opfer seines strengen Gottesglaubens, Phoebus ein Weiberheld ist (wenn auch weiterhin heroisch wie im Zeichentrickfilm), und Esmeralda tatsächlich am Ende den Tod findet. Darin liegt dann auch die Tatsache begründet, dass die letzten Lieder des Musicals nicht mehr mit den Disney-Film übereinstimmen.
Ich denke Disney war selber über den Erfolg dieser noch düsteren Musicalfassung überrascht. Was eigentlich nur beweist, dass die Zuschauer nicht zwangsläufig den platten Kitsch bevorzugen, welche ich an den Zeichentrick-Fassungen besagter Märchen kritisiere.
Zudem Disney mit Zeichentrickfilmen wie 'Taran und der Zauberkessel' oder 'Basil, der große Mausdetektiv' bewiesen hat, dass sie auch Geschichten ohne Kitsch und 'Träume werden immer war'-Botschaft erzählen können.
(Ok, zugegeben, besagt zwei Zeichentrickfilmen waren genau aus diesen Grund ihrerseits ein Flop, da sie nicht den zuckersüßen Erwartungen gerecht wurden, welche das Publikum seit Jahrzehnten an Disney-Filme stellt, und stattdessen ein vergleichsweise zynisches Weltbild lieferten.)