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DraconiZ verschmolz seinen Körper mit den Schatten. Sekundenbruchteile bis ihn die Dunkelheit empfing wie einen alten Freund und ihn in die Arme schloss. Schnell genug um dem frostigen Blitz zu entgehen den der Magier auf ihn abgefeuert hatte. Er wanderte einen Moment und sah dabei wie die rostigen Gebeine sich aufrafften. Wie Puppen die von unsichtbaren Fäden gewaltsam nach oben gezerrt wurden und ihn ihre unmenschliche Haltung einnahmen. Rostige Waffen scharrten über den Boden mit einem hässlichen Geräusch. Kurz darauf manifestierte sich der Weißhaarige hinter dem Magier und rammte ihm mit schattenhafter Hand das Kris direkt in den Schädel. Zumindest war das der Plan gewesen. Letztendlich funktionierte das Manöver leider nicht korrekt. Das Kris rutschte am zu harten Schädel ab und hinterließ lediglich eine große Schramme. Draco fluchte. Nichts war jemals einfach. Wieder versuchte er in die Schatten abzugleiten, doch diesmal packte ihn eine kalte tote Knochenhand an der Kehle und vernichtete damit seine Konzentration. Der Magier hatte sich mit dämonischer Schnelligkeit umgewendet und versuchte nun das Leben aus einem Opfer zu pressen wie aus einer überreifen Melone. Der Assassine keuchte. »So einfach wirst du mich nicht los«. Wieder kam das Kris zum Einsatz. Nun dort wo das Herz sein musste. Wieder und wieder stach er ein in der Hoffnung etwas zu finden. Doch da war nichts.
Er hörte stimmen und Schwerterklirren. Das mussten seine Gefährten sein. Er hört die Stimme von Jacques der irgendetwas heroisches von sich gab. Wie passend für diesen Moment. Draco wurde leicht schummerig. Dann zerbarst eine der Rippen und gab dem Klingenmeister Raum. Der Magier schwankte unter der Destabilisierung. Er hustete und stach dann weiter ein. Die glimmenden Augen des Magiers funkelten in dämonischem Ausmaß. Wieder und wieder schlug er und der Magier wurde gewahr, dass das nun sein endgültiges Ende bedeuten würde. Ihm entkam ein Keuchen und Laut der nicht aus dieser Welt sein konnte.
Dann begannen die Wände zu zittern. Kurz darauf der Boden, bis die ganze Umgebung in Vibration gesteckt wurde. Der ganze Höhlenkomplex bewegte sich wie ein pochendes Herz. Dem Klingenmeister lief es kalt den Rücken herunter. Der Magier hatte noch vor seinem Abgang ein Geschenk parat. Er nutzte den Erdbebenzauber. »Flieht!«, schrie Draco so laut er konnte. Doch es hatte keinen Zweck. Der Boden und die Wände begannen zu brökeln und nichts hielt dieses volatile Konstrukt mehr. Ein Stein traf ihn hart an der Schläfe und er sah wie das glimmen in den Augen des Magiers erlosch. Dann lies er seinen Körper wieder zu Schatten zerfließen und tauchte in die Dunkelheit hinab, während er in den Abgrund gezogen wurde. Er hoffte nur, dass die Anderen sich retten konnten oder weit genug weg waren um den Absturz nicht mitzumachen.
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„Scheiße, was ist das denn?“, fluchte Jacques, als plötzlich Skelette – jawohl, tote Skelette! – sich in der Dunkelheit zu bewegen begannen und die Gruppe angriffen. Es war, mit einem Wort, gruselig! Natürliche kannte Jacques die Geschichten über Untote und Nekromanten, aber so ganz geglaubt hatte er sie bisher nicht, und wie er nun feststellen musste, waren es zwei ziemlich unterschiedliche Paar Stiefel, sich am Lagerfeuer Gruselgeschichten zu erzählen, oder plötzliche Auge in Augenhöhle mit einer Horde reanimierter Toter zu stehen, sie es darauf anlegten, einen noch toter zu machen, als sie es selbst waren.
So blieb Jacques im ersten Moment wie angewurzelt stehen. Er wusste, er sollte sich bewegen, er musste sich bewegen und kämpfen, aber sein Körper wollte einfach nicht gehorchen. Er stand wie versteinert da, in der einen Hand die Öllampe, deren schwaches Leuchten sich in der Dunkelheit der Halle, die sie gerade hatten durchqueren wollen, verlor, in der anderen die Hellebarde, und starrte nur auf die Horde der Skelette, die in völliger Stille mit rostzerfressenen Waffen auf die Gruppe der Streiter eindrang.
„Jacques! Junge, schläfst du? Beweg deinen Arsch!“ Ein grober Schlag mit dem Schaft eines Speeres gegen seinen Hinterkopf riss Jacques aus seiner Trance. Es war Jörg, der ihm noch einen wütenden Blick zuwarf, bevor er den Hieb eines Skeletts mit der Speerspitze abwehrte und den Untoten dann mit einem gezielten Tritt gegen den Brustkorb zurücktaumeln ließ. Ein paar Schritte nur, wie Jacques am Rande registrierte – eigentlich hätte das Knochengestell, das wohl kaum mehr als ein paar Pfund wiegen konnte, von dem kräftigen Tritt gut und gerne durch die halbe Halle fliegen und gegen den nächsten Felsblock krachen müssen, aber das tat es nicht.
Es war jetzt allerdings nicht die Zeit, sich darüber zu wundern. „Ja!“, krächzte Jacques. klemmte sich den Schaft seiner Hellebarde unter die Achsel – nicht unbedingt optimal, aber so konnte er die Waffe kontrollieren, während er die Öllampe in der anderen Hand hielt – und ging auf das nächstbeste Skelett los. Um vollends sie Starre aus seinen Gliedern zu verscheuchen und sich auf den Kampf einzustimmen, schien ihm ein motivierender Ausruf angebracht: „Wir sind das Licht, vor dem die Dunkelheit weicht!“
Jacques konnte sich nicht erinnern, wo er den Spruch aufgeschnappt hatte, oder vielleicht hatte er ihn auch einfach nur spontan selbst erfunden – wichtig war nur, dass der kleine Trick funktionierte. Indem er diesen Schlachtruf erschallen ließ, fühlte er sich wie von Zuversicht und Mut durchflutet und die Starre wich aus seinen Gliedern. Erfüllt stattdessen mit flammendem Eifer, stürzte sich der junge Soldat in die Schlacht.
Jacques dachte kaum noch nach, er handelte einfach. Mit einem schnellen Stich erwischte er eines der Skelette, das gerade mit Jörg focht, und brachte es aus dem Gleichgewicht, sodass der andere Krieger dem Untoten mit einem Seitwärtshieb seines Speeres den Schädel zerschmettern konnte. In einem Augenblick, da er etwas Luft hatte, stellte Jacques seine Öllampe auf einem Felsblock ab, so dass sie den Kampfplatz erleuchtete, ihn aber nicht mehr daran hinderte, seine Hellebarde zweihändig zu führen.
Jetzt konnten die Skelette ruhig kommen …
Das Chaos der anfänglichen Überraschung war schnell überwunden. Ulrichs Männer formten rasch und ohne sich groß absprechen zu müssen einen Kreis, der es ihnen ermöglichte, sich nach allen Seiten zu verteidigen, und wehrten die Angriffe der Untoten ohne allzu große Mühe ab. Jacques, Chala, Sunder und Mina blieben hingegen relativ auf sich gestellt – Jacques nahm inzwischen an, dass das einfach zu Ulrichs Methode gehörte … Sie imitierten die Taktik der erfahrenen Kämpfer so weit wie möglich, und waren damit sogar recht erfolgreich. Vor allem Sunders grober Streitkolben entpuppte sich beinahe als Wunderwaffe gegen die Untoten, sobald er und Jacques sich eingespielt hatten – Jacques attackierte die Skelette mit weit ausholenden Schlägen und Stichen und zog so ihre Aufmerksamkeit auf sich, wobei er sie gleichzeitig auf Abstand hielt, so dass der alte Seemann die derart abgelenkten Gerippe ohne viel technische Raffinesse, aber mit jede Menge Enthusiasmus zu Knochenmehl dreschen konnte. Es lief gut …
Bis plötzlich der Boden unter ihren Füßen zu beben und sich zu bewegen begann. „Flieht!“, hörte er Draconiz rufen, doch es war zu spät. Gesteinsbrocken stürzten von der Decke und einer davon traf Jacques am Kopf. Wenn er nicht seinen Helm getragen hätte, dann hätte das wahrscheinlich sein Ende bedeutet, und auch so war die Wucht des Aufpralls hart genug, dass Sternchen vor seinen Augen explodierten und er ins Taumeln geriet. Blind mit den Armen rudernd suchte er nach Halt, fand aber keinen. Er stürzte zu Boden, auf einen Boden, der nach unten wegzusacken begann. Lampen und Fackeln erloschen und tauchten den Ort zunehmend in Dunkelheit, der Lärm berstenden Gesteins machte jede Kommunikation unmöglich, während feiner Kalkstaub sich in der Nase und den Augen festsetzte und jeden Atemzug zu einer Tortur werden ließ.
Jacques hatte längst jede Orientierung verloren. Er wusste nur, es ging Abwärts. Die Höhle stürzte ein, und er stürzte mit ihr geradewegs in einen tiefschwarzen Schlund. Er hielt sich an seiner Hellebarde fest, als ob das etwas nützen würde. Räuber, Goblins, Echsenmenschen, Untote, ja sogar Drachen – die konnte man bekämpfen.
Aber nicht die Erde selbst …
Geändert von Jacques Percheval (25.08.2024 um 00:51 Uhr)
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Chala landete in einer düsteren, unterirdischen Kammer, die von einer unheimlichen Stille erfüllt war, nachdem das Geröll zum finalen Erliegen gekommen war. Das, oder von dem ohrenbetäubenden Lärm des einstürzenden Bodens waren ihre Ohren in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihr war seltsam schwindelig und das Atmen fiel ihr schwer. Der Untergrund war uneben und mit Schutt und Gesteinsbrocken übersät, die von der Decke herabgestürzt waren. Im schwachen, flackernden Licht der Öllampe, die den Sturz nicht überlebt hatte, dennoch in ihren letzten Atemzügen der Pflicht nachzukommen gedachte, waren zerbrochene Stalaktiten und Stalagmiten zu sehen, die wie die Zähne eines riesigen uralten Monsters wirkten.
Die Luft war schwer und feucht, durchdrungen von einem modrigen Geruch, der an verrottendes Holz und feuchten Stein erinnerte. Der feine Kalkstaub, der sich während des Einsturzes in der Luft verteilt hatte, setzte sich langsam und bildete eine dünne Schicht auf allem, was sich in der Kammer befand, einschließlich Chalas Rüstung und Haar.
In der Dunkelheit konnte sie nur schemenhafte Umrisse erkennen. Die Wände dieser Kammer, die wohl unter der Höhle verborgen gelegen war, waren rau und unregelmäßig mit tiefen Rissen und Spalten, die wir Narben auf einer gräulich kranken Haut aussahen. An einigen Stellen schimmerte das Gestein feucht, als ob Wasser aus den Rissen sickerte und kleine Pfützen am Boden bildete. Pilze tummelten sich um diese Stellen, eine Art, wie die Aranisaani sie noch nie gesehen hatte.
Allmählich bahnte sich ein leises Tropfen in die Aufmerksamkeit der Kriegerin, welches das einzige Geräusch zu sein schien und die Stille durchbrach. Nach und nach mischte sich Stöhnen und Ächzen hinein, bildete eine Kakophonie, als die gestürzten Streiter sich bewusstwurden, dass ihr Ende noch nicht gekommen war.
Schwaches, phosphoreszierendes Glühen an den Wänden verlieh der Kammer eine gespenstische Atmosphäre, passend zu den Untoten, die sie eben noch mit Mühe auf Abstand gehalten hatten.
Chala fühlte die Kälte des Steins durch ihre Lederkluft hindurch und das Gewicht der drohenden Dunkelheit, die sie umgab. Sie spürte mehr, als dass sie wusste, dass sie sich in einer lebensbedrohlichen Lage befanden.
Ich hätte auf mein Bauchgefühl vertrauen sollen, schalte sie sich selbst, Ich hätte schon fast an der Silberseeburg sein können.
Doch es war müßig ihre Energie auf eine Möglichkeit zu verwenden, die nun nicht mehr greifbar war. Mühsam richtete sie sich auf, klopfte sich den Staub vom Körper und sah sich nach ihrem Beutel um. Ihr Schwert war ebenfalls nicht da und ohne es fühlte sie sich fast nackt – auf unangenehme Weise. Mit einem tiefen Atemzug, der den Staub in ihrer Lunge brennen ließ, tastete sie ihre nähere Umgebung ab, bis sie zwischen zwei Felsbrocken ihre Reisetasche fand. Eine der Fackeln hatte den Sturz nicht überstanden, war in zwei Teile zerbrochen. Die andere jedoch war intakt und so nahm sie sie und lief zu den kümmerlichen Überresten der Öllampe, um ihren stoischen Lebenswillen für sich zu nutzen.
Im Schein der Fackel fand sie auch Wildkatze, dem Glück sei dank unbeschadet, keine offensichtlichen Kerben oder Kratzer waren auf dem Stahl zu sehen.
Um sie herum waren auch einige der anderen bereits wieder auf den Beinen. Desorientiert und doch glücklich mit dem Leben davongekommen zu sein. Ihr Schwert fand seinen Weg zurück in die Scheide, während sie sich nach Draco umsah, der wider seiner sonst besonnenen Art und entgegen seiner Ratschläge weniger aufbrausend zu sein, allein vorgestürmt war, als sie die Höhle weiter oben betreten hatten. Doch bevor sie ihn fand, traf sie auf Mina, die noch immer benommen am Boden lag. Der Einteilung des Kommandanten entsprechend, hockte sie sich neben ihre Partnerin und versuchte sie mit beherzten Klapsen auf die Wangen zurück in die Wirklichkeit zu bringen.
Was eine schöne Scheiße, fluchte sie, während sie auf die jüngere Frau herabblickte.
Geändert von Chala Vered (25.08.2024 um 00:49 Uhr)
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„Nä dat jlaub isch jetzt nit“ murmelte Sunder zwischendurch, während er sich, soweit dies möglich war, mit einer gewissen Fassungslosigkeit umsah. Gerade noch im Kampf mit zum Leben erwachten Knochengestellen, wurde er regelrecht vom Boden verschluckt und befand sich nun, in einem von Dunkelheit umgeben, riesigem Trümmerhaufen. War das nur ein Traum, oder war das die Wirklichkeit, der alte Seemann könnte es in diesem Moment nicht beschwören, was zutreffend war. Nur langsam realisierte der Seebär, das sein rechtes Bein schmerzte, seine Rippen schienen auch etwas abbekommen zu haben, das Husten, wegen der staubigen Umgebung, tat jedenfalls weh. Schmerzen, der realistische Gestank von Verwesung, der Staub, der einem glatt das Atmen vermieste, waren dann doch Anzeichen dafür, das dies hier kein Traum war, es war die verdammte Wirklichkeit.
„Da jibbet doch nit“ brummte Sunder missmutig, der es nicht wahrhaben wollte, das er schon wieder in irgendeiner gottverdammten Höhle gelandet war, die ihm nach dem Leben trachtete. Ja, inzwischen hatte er ein gestörtes Verhältnis zu Höhlen, denn jedes mal, wenn der Seebär sich in so ein Dreckslsoch hineinwagte, passierte irgendetwas und meist nichts Gutes. Bislang dachte der alte Seemann, das die offenen Meere extrem gefährlich und unberechenbar waren, dafür bekannt mal eben ein Schiff, samt Mannschaft verschwinden zu lassen. Aber angesichts seiner schlechten Erfahrungen beim Erkunden von Höhlen, würde Sunder diese Sichtweise wohl noch einmal überdenken wollen, irgendwann, wenn es besser passt.
Gerade jetzt hatte er wahrlich andere Probleme, besann sich der alte Seemann, der inzwischen begriffen hatte das dies kein Traum war und plötzlich nur noch einen Gedanken im Kopf hatte. „Irjendwie müssen wir hier raus“ brummte er zu seiner eigenen Bestätigung, während er sich weiter umschaute, um die Lage einzuschätzen. Soweit er sehen konnte, hatte es einige Männer mit in die Tiefe gerissen, die inzwischen aber wieder auf den Beinen waren, scheinbar war Niemand ernsthaft verletzt. In einigen Schritten Entfernung stand Jemand gebeugt auf seine Hellebarde gestützt, Sunder erkannte gleich das es Jacques war und ging auf ihn zu. „Na, alles klar Kumpel“ brummte der Seebär und klopfte dem Jüngling aufmunternd auf die Schulter. „Haste die Frauen jesehen?.., lass uns nach denen suchen“ schlug der alte Seemann vor, der sich gerade daran erinnerte, was der Kommandant befohlen hatte. „Hier her..., hier geht es weiter“ erklang plötzlich eine weit entfernte Männerstimme, durch den staubigen Nebel konnte man erkennen, das Jemand eine brennende Fackel schwenkte...
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Er manifestierte sich wieder unten in der Höhle und ging einige Schritte prüfend, ob die Dunkelheit ihn wieder losgelassen hatte. Er spähte durch die Dunkelheit und der Fluch der Schattenmimik offenbarte ihm alle Einzelheiten der Höhle. Er sah Chala neben Mina. »Alles in Ordnung?«, fragte er sanft und erntete den sorg dich nicht ich kann gut auf mich alleine aufpassen-Blick. Er nickte lächelte ihr sanft zu. Sie schien zumindest unverletzt und die Schmiedin unter ihr gab auch ernste grunzende Laute von sich. Keine schlimmeren Verletzungen anscheinend. Die Szenerie musste wohl ohne Dunkelsicht beängstigend sein. Er lief ein paar Schritte weiter in die Höhle hinein und sah dort eine alte Fackel liegen. Auch wenn er selbst nicht davon profitierte und das Licht eher in seinen Augen zu schmerzen schien erzündete er mit geübten Handgriffen die Fackel und schwenkte sie, so dass auch bald Jacques und Sunder auf sie aufmerksam wurden.
Wieder wurde er vom Magnetismus angezogen. Das Schwert war nahe. Näher noch als oben. Es musste hier sein. Fast war es als könnte er den Griff fühlen. Konnte nachempfinden wie es sich vor so langer Zeit in seiner Hand angefühlt hatte. Jemand hatte es dem es nicht zustand diese Waffe zu führen. »Hier her! Hier geht es weiter«, sagte im Inbrunst der Überzeugung. Dann ging er wieder wie im Wahn weiter vorwärts. Die Kampferprobten hinter ihm sammelten sich, leckten ihre Wunden und kamen langsam wieder zur Besinnung. Sunder und Jacques redeten etwas, aber der Assassine hörte nun peripher zu. Er musste gehen. Etwas in seinem Inneren zog sich zusammen und verkehrte sich. In dem Moment wo er wieder unüberlegt nach vorne schritt bemerkte er, dass Jacques und Sunder neben ihm liefen. Doch er nahm sie kaum wahr. »Halt deinen Kolben bereit und dann volles Pfund«, meinte der Weißhaarige abwesend zu dem Seebären.
Dann kamen sie auf eine große Fläche. Es tropfte von der Decke und überall über die Szenerie verteilt gab es Risse die sich durch die Felsen zogen. Es gab kein eigenes Licht hier bis auf manche edle Steine die fahles Licht abgaben. Er trat die Fackel an Jacques ab, der sie widerwillig an sich nahm. Am Ende der Fläche war etwas. Ein kalter Schauer überkam ihn. Das war das Ende der Reise. Unwillkürlich fühlte er seine rechte Hand schmerzen. Er fühlte die Anstrengung des Hammers als er Valien in der Kaserne in Khorinis geschmiedet hatte. »Das Schwert ist hier«, raunte er den Anderen zu. »Macht euch bereit«. Dann sah er zu wie Jacques ebenfalls seine Schritte beschleunigte und auf etwas zulief, was dem Streiter bisher verborgen geblieben war. Da lag etwas aufgebahrt auf einem Stein. Der Klingenmeister hatte sich geirrt. Hier war nicht nur das Schwert. Hier war noch etwas. Etwas düsteres. Etwas, dass nicht mehr das Licht der Welt sehen sollte. Er hoffte nur, dass Jacques nun keine Katastrophe anrichtete.
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„Hat jemand von euch sowas schonmal gesehen?“, fragte Jacques und hielt die Fackel über das, was er zunächst für eine Art Altar gehalten hatte, auf dem etwas aufgebahrt lag, das sich aus der Nähe jedoch als Sarkophag herausstellte – jedenfalls vermutete der junge Soldat, dass es sich um einen Sarkophag handeln musste: Ein schwerer, steinerner Quader, dessen Oberseite offensichtlich ein Deckel sein musste, ebenfalls aus Stein gehauen.
So tief unter den Bergen und nach einem Kampf gegen Horden von Untoten einen Sarkophag zu finden, wäre für sich genommen schon beunruhigend genug gewesen, aber was Jacques wirklich einen Schauer den Rücken hinunterlaufen ließ, war die Figur, die in den Deckel gemeißelt war.
Es musste sich wohl um eine Darstellung des Verstorbenen handeln, der vom Künstler wie auf dem Totenbett liegend in Stein verewigt worden war. Er trug eine schwere Rüstung, deren Machart jedoch nicht viel mit den Rüstungen gemein hatte, die Jacques kannte, sondern ungleich massiver und archaischer wirkte. Seine Hände schlossen sich um den Schaft eines gewaltigen zweihändigen Streitkolbens, der so groß und schwer wirkte, dass Jacques davon ausging, dass die Darstellung eine Übertreibung sein musste – eine solche Waffe könnte kein Mensch effektiv im Kampf führen.
Allerdings – war dieser Krieger überhaupt ein Mensch? Je näher er ihn betrachtete, umso mehr Details fielen Jacques auf, die einfach falsch wirkten. Die Finger waren zu lang, die Knie saßen irgendwie ein Stück zu tief, die Augen unter den geschlossenen Lidern schienen hervorzuquellen wie die eines Frosches und die Zähne, die zwischen den leicht geöffneten Lippen des breiten Mundes hervorblitzten, wirkten schärfer und spitzer als sie hätten sein dürfen.
„Bei Innos … das ist kein Mensch, oder? Sagt mir, dass ich mich irre!“, flüsterte Jacques, als hätte er Angst, er könnte den unheimlichen Toten aus seinem Schlummer wecken, wenn er zu laut sprach. Er blickte in die Gesichter seiner Gefährten – Draconiz, Sunder, Chala und Mina. Sie waren durch den Einsturz der Höhle von den anderen getrennt worden. Einen Weg zurück hatten sie nicht gefunden und irgendetwas hatte Draconiz auch keine Ruhe gelassen, sondern ihn, so war es Jacques jedenfalls vorgekommen, geradezu hierher, an diesen Ort gezogen. Aber was? Und warum? War es das Schwert, von dem der seltsame Krieger immer wieder sprach?
Als ihm leider niemand bestätigte, dass er sich irren musste, trat Jacques von dem Sarkophag zurück und hielt die Fackel hoch über seinen Kopf in der Hoffnung, auf diese Art mehr sehen zu können. Langsam schritt der die Halle ab.
Der erste Sarkophag war nicht der einzige gewesen. Weitere Grabmäler säumten etwas, das wie ein künstlich angelegter Weg aussah, der schnurgerade durch die Halle führte. Einige Felsen waren mit Reliefs verziert, aber die dargestellten Schriftzeichen konnte niemand aus der Gruppe entziffern.
„Das ist ja fast schon eine … Nekropopelis!“, stellte Jacques fest und schauderte. Wie alt die Anlage sein mochte? Sicherlich hunderte, wenn nicht gar tausende Jahre! Sie musste von Menschen angelegt worden sein, deren Kultur längst der Vergessenheit anheimgefallen war.
Oder nicht einmal von Menschen …
Es waren aber nicht nur das Alter und die Fremdartigkeit der Grabmäler, die Jacques zutiefst beunruhigten. Da war noch mehr. Das Gefühl, nicht allein zu sein. Ständig verspürte er den Drang, über die Schulter zu blicken, aber immer, wenn er diesem Drang nachgab, sah er … nichts. Die Luft roch nach nassem Gestein, aber darunter mischte sich ein feiner Hauch von etwas anderem, den er nicht identifizieren konnte, ein wenig wie eine unangenehme Mischung aus Fäulnis und Salz. Er hörte das Tropfen des Wassers von der Decke und die Schritte seiner Gefährten, aber dann und wann war er sich sicher, noch andere Dinge zu hören – kratzen? Knurren? Zischen?
„Seid auf der Hut!“, mahnte er die anderen, überflüssigerweise. Niemand von ihnen fühlte sich hier unten wohl, und das nicht nur, weil sie mit einem sehr begrenzten Vorrat an Licht in einer unbekannten Höhle verschüttet waren, womit sich ihre Situation auch ohne die Bedrohung durch Untote oder … was auch immer schon schlimm genug darstellte.
Und dann war da noch Draconiz, der irgendwie abwesend wirkte, seit … eigentlich schon, seit sie die Höhle betreten hatten. Er hatte sie zielstrebig geführt und Jacques war zunächst davon ausgegangen, dass er einfach den Weg durch den Untergrund auf die andere Seite des Gebirges kannte, aber mittlerweile hatte er die starke Vermutung, dass das gar nicht der Fall war, sondern dass etwas anderes den weißhaarigen Krieger antrieb.
Und er glaubte nicht, dass dieses etwas ihnen wohlgesonnen war. Was bedeutete – Draconiz war vielleicht gefährlich …
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»Komm«. DraconiZ warf noch einen Blick auf seine Mitstreiter, dann begann er den tiefschwarzen Felsweg zwischen all dein Grabmälern mit dämonischer Schnelligkeit entlang zu schreiten. Seine Schritte beschleunigten sich. Dumpf traten seine Füße wieder und wieder auf den Boden. Grabmäler um Grabmäler. Die Szenerie sollte beängstigend sein. Hier schien kein Leben zu sein, nichts, dass ihn hier halten sollte. Doch in seinem Inneren breitete sich so etwas wie ein Heimatgefühl aus. Er sollte hier sein. Die Reise kam zu einem Ende. Seit er Valien in Khorinis geschmiedet hatte, über die Abenteuer in Tyrien, die Weihe des Schwertes mit den Tränen Innos’ und des Verrats. Es führte zu diesem Augenblick hier.
Er musste einige Treppenstufen hinauf steigen um an den Ort zu kommen der bestimmt war. Die Luft war hier faulig und roch noch intensiver als ohnehin schon hier unten. Die Waffe die ein Teil von ihm war lag auf einem auf einem großen altarähnlichen Stein aufgebahrt. Ein rotes Tuch lag unter ihr. Das geweihte Schwert war wie er es in Erinnerung hatte. Die Verunstaltung war von ihm gewichen. Rote Runen zogen sich die Klinge entlang und er erkannte den Wahlspruch den er einst eingraviert hatte. »Memento mori«, las er die Inschrift. Sei dir der Sterblichkeit bewusst. Welche Ironie in diesem Moment und mit der Geschichte die er hinter sich gebracht hatte. Nach all dem was geschehen war, schien dies ein Omen gewesen zu sein. Seine rechte Hand wollte direkt nach dem Griff fassen. Das Leder wieder in seiner Hand spüren. Der letzte Rest seiner Vernunft hielt ihn zurück. Was würde geschehen, wenn er das tun würde? Dieses Schwert hatte den armen Mann im Weißaugengebirge völlig zerstört. Was auch immer damit geschehen war es war so tiefgreifend gewesen, dass sich die heilige Waffe in etwas gänzlich anderes verkehrt hatte. Doch so wie sie dalag schien so sein wie früher. Vielleicht war der Geist des Orkfürsten längst aus ihr herausgekommen. Sie schien so wundervoll. Er musste das Schwert haben. Es war ein Teil von ihm. Er war nicht vollständig ohne es. Der Moment in dem er es fort gegeben hatte war der schlimmste Moment in seinem Leben gewesen. Er würde wieder vollständig sein. Er musste nur danach greifen. Der Drang zu Greifen wurde immer heftiger.
Von Außen betrachtet sah man einen Weißhaarigen Assassinen der mit sich selbst rang. Mal ging die Hand weiter nach unten, mal schien er sie mit Gewalt nach oben zu ziehen. Er atmete schwer. Was sollte er tun? Er musste greifen aber er durfte nicht. Etwas war hier was nicht zu ihm gehörte. Jacques hatte es gespürt und er spürte es auch. »Es wird dir vergeben werden guter Paladin. Greif danach. Es wird wie einst sein«, flüsterte eine Stimme hinter ihm. Er fühlte einen Luftzug wie den Hauch des Todes hinter ihm. »Das ist es doch was du willst! Oder nicht? Vergebung für das was du in Khorinis getan hast. Dieses Schwert ist der Weg. Mit ihm hast du Verrat geübt und mit ihm kannst du es wieder gut machen«, säuselte die Stimme hinter ihm. DraconiZ zitterte vom Kopf bis zu den Fingerspitzen. Es war als würde eisige Kälte und glühendes Verlangen in ihm kämpfen. »Erfülle dein Schicksal. Nimm was sein soll«, sprach die Stimme weiter sanft. Eine knochige Hand ergriff seine rechte Schwerthand. »Gib nach. Es soll so sein«. Kurz rebellierte der Klingenmeister noch innerlich. Dann spürte er wie erst sein Zeigefinger und dann die restlichen Finger seiner im Handschuh steckenden Hand das Heft des Schwertes umschlossen. Tiefe innere Befriedigung durchflutete ihn. Euphorie und Glück schienen von der Klingenspitze über seinen Arm in seinen Kopf und in sein Herz zu gleiten. Sein Gesicht verzog sich in Ekstase. Schwarze Linien zogen sich von der Klinge über seinen Arm bis zu seinen Augen nach oben und drangen von dort aus in seinen Kopf ein. Finsternis drang in das innere seines Körpers und verschmolz dort mit der Gabe des dunklen Gottes, wo sie auf fruchtbaren Boden traf. Valien begann in strahlendem Licht zu erblühen und feine Funken tanzten für einen kleinen Moment auf der edlen Klinge.
So als hätte Jemand die Klinge in Wasser getaucht erstarben sowohl das Leuchten als auch die Funken rasch. Vor das Sichtfeld des Spitzohrigen trat ein kahler Totenschädel mit leuchtenden roten Augen, der in ein zerfetztes schwarzes Leinengewand gehüllt war. Der Assassine erschrak bis in sein Inneres. »Gut«, säuselte der untote Zauberer erneut. »Nun knie vor dem Gott des Todes, so wie du es schon einmal getan hast«. DraconiZ Knie beugten sich und er fiel vor dem Untoten zu Boden und neigte seinen Kopf in Ergebenheit. »Ja Herr«, hörte DraconiZ seine eigene Stimme gegen seinen Willen sagen. »Du gehörtst ihm und nur ihm. Dein erbärmliches Aufbäumen ist hiermit beendet. Es gibt keine Vergebung. Nur den Tod. Das Chaos ist in dir und es ist Tod, den du bringen wirst!«. Er fühlte wie sich sein Körper gegen seinen Willen aufzulösen begann und wie die Schattenmimik gegen ihn gerichtet wurde. Er konnte zusehen, aber er konnte nicht handeln. War wie eine Puppe die an den Fäden des Magiers hing. Oder hing er den Fäden des dunklen Gottes selbst? »Und nun geh und töte seine Feinde mit der Waffe seines Bruders!«. Das entsetzliche schrille Lachen des Untoten vibrierte in seinem Kopf. Die Ironie schien ihn deutlich zu erheitern. Der Streiter wurde völlig von den Schatten aufgezehrt.
Er wurde durch die Dunkelheit gezogen und manifestierte sich in Schlagreichweite vor Jacques, der anscheinend dem Dunkeln als bestes Ziel vorkam. Ohne ein Wort oder eine Vorwarnung schlug er mit Valien zu. Einzig die Fackel die Jacques in die Dunkelheit gestreckt hatte und die den Schatten etwas früher vom Gesicht des Klingenmeister gezerrt hatten bewahrten den Krieger vor dem Tode. Die Sekunde lies ihn reagiert und vor der Klinge nach hinten taumeln. Doch es gab keine Gnade und kein Zögern. Wieder schlug der Assassine aus Varant zu.
Geändert von DraconiZ (27.08.2024 um 21:13 Uhr)
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Dieser Ort war…falsch. Fast so, als sollte er nicht hier sein, nicht im Morgrad, nicht in dieser Sphäre. Eine unheilvolle Aura waberte einem Miasma gleich durch die finstere Höhle, unsichtbar für das bloße Auge. Doch auf der Haut konnte man sie fühlen, widernatürliche Kälte, begleitet von einem feuchten Schleier, wie die Hand des Todes, welche sich um die Arme schloss, wenn die letzte Stunde geschlagen hatte. Der modrig faule Odem reizte die Nase, sodass sich Chalas Nasenflügel bebend weiteten. Das Echo fallender Wassertropfen schien sich zu vervielfältigen, einer Kakophonie gleich, die jedwedes Raumgefühl störte. Doch am schlimmsten war der Geschmack der Luft, der kaum in Worte zu fassen war, doch die Galle in den Rachen zwang, wann immer man unachtsam durch den Mund einatmete.
Das spärliche Licht der Fackeln wurde von einigen kristallisierten Steinen reflektiert, offenbarte eine Art Grabkammer, deren Existenz ein Widerspruch in sich war. Die Prägung des Sarkophags wirkte ebenso bizarr wie dieser Ort selbst, fast so, als wäre es ein verzerrtes Spiegelbild der Realität.
Die Aranisaani schauderte, zog vorsichtshalber ihr Schwert, während Draco sich tiefer in die Katakomben wagte. Wo war seine bedachte Art? Wo die Vorsicht und Vorbereitung, die er ihr nahegelegt hatte? Und wieso musste Jacques unbedingt mit ihnen hier unten sein? Seiner Nervosität mit Worten Luft zu machen half niemandem, steckte höchstens an und senkte die Moral.
Chala betrachtete eine Inschrift an einem der Gräber näher. Die Symbole wirkten fremd, fast brachial. Ob es sich um eine frühe Form der Orks handelte, die hier einst eine Kultstätte gepflegt hatten? Die grotesken Merkmale der in Stein gehauenen Abbildung des Leichnams hätte diese Vermutung bestätigen oder widerlegen können. Ihr fehlte das entsprechende Wissen und so beschied sie sich mit einem Schulterzucken für den Moment nur zu beobachten. Insbesondere würde sie ihre Augen an Draco haften, dessen Verhalten sie beunruhigte.
Auf leisen Sohlen suchte sie die Grenzen dieser Kammer nach einem Ausgang ab. Irgendwie mussten die Lebewesen, welche dies erbaut hatten, hier heruntergekommen sein. Oder waren sie gar aufgestiegen? Den Eingeweiden des Berges entsprungen? Nein, das war keine valide Option, denn sie war unvereinbar mit der Hoffnung hier wieder herauszukommen.
In einem Moment der Unachtsamkeit hatte sie das Silberhaar aus den Augen verloren. Wie war das passiert? Selbst seine Rüstung gab einen leichten Glanz ab, der ihn zu einer Art Leuchtfeuer in dieser totalen Finsternis machte. Doch es war geschehen und eine Schrecksekunde zu spät erkannte Chala ihren Fehler. Ein Aufschrei, das Scheppern von Metall und ein Keuchen rissen ihre Aufmerksamkeit auf Jacques, dem ein bedrohlicher Assassine gegenüberstand, ein Schwert in der Rechten, welches die Finsternis und Fleisch gleichermaßen durchbohrte. Eine blutrote Inschrift zierte die Klinge, ein Versprechen an den Feind, dass sie sich mit seinem Leben färben würde.
Der Blondschopf stolperte einige Schritte zurück, die Fackel fiel zerteilt zu Boden, das Einzige, was zwischen dem Schwert und seinem Arm gewesen war. Die Aranisaani reagierte, fürchtete jedoch zu spät zu sein. Doch mit Sunder hatte sie nicht gerechnet, der in einem Moment absoluter geistiger Klarheit reagierte und den unerwarteten Angreifer in Seebärmanier zurückdrängte. Nur einen Augenblick, doch er reichte, damit Chala die letzten Schritte überbrücken und ihr Schwert zwischen die Kämpfenden winden konnte.
Ein wuchtiger Ruck ging durch ihren ausgestreckten Arm, als Wildkatze einen kräftigen Hieb erdulden musste, der sie fast aus der Hand ihrer Herrin gerissen hätte. Das Handgelenk der Kriegerin protestiert schmerzhaft, doch hielt dem Angriff stand.
„Draco!“, schrie sie und brachte sich zusammen mit Mina, Jacques und Sunder in Stellung, „Soll das wieder ein Trick sein?“, fragte sie giftig, doch als sie in seine Augen blickte, erkannte sie die Gravität der Situation.
Schwarze, tote Augen blickten ihr entgegen, genährt von Adern, die ebenso dunkel waren wie der tiefste Schlund des Meeres.
Ein verdrehtes Lächeln, welches im völligen Kontrast zu seinem üblichen Grinsen stand, an welches sie Gefallen gefunden hatte, verzerrte sein ebenes Gesicht zu einer Fratze des Grauens, ehe er vor ihrer aller Augen mit der Finsternis verschmolz.
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„Draconiz! Was bei allen Göttern ist in dich gefahren?“, rief Jacques in die Dunkelheit, „Wir sind deine Gefährten, nicht deine Feinde!“
Doch die Worte schienen ihm bereits in dem Moment hohl und kraftlos, da sie seine Lippen verließen. Er hatte nur einen kurzen Blick auf Draconiz erhaschen können, aber was er gesehen hatte, ließ ihn schaudern. Diese Augen … sie waren nichts als ein tiefschwarzer, seelenloser Abgrund. Wer auch immer der Krieger war, der sich plötzlich vor ihm materialisiert und ihn angegriffen hatte – mit Draconiz hatte dieses Wesen nur das Äußere gemein. Im Inneren war es ein uraltes Böses, das Draconiz‘ Haut trug wie einen Mantel. Was war geschehen in dem Moment, da sie Draconiz aus den Augen verloren hatten?
Es war still, viel zu still. Jacques, Chala, Sunder und Mina standen Rücken an Rücken und spähten mit erhobenen Waffen in die sie umgebende Dunkelheit. Von Draconiz war keine Spur zu sehen oder zu hören …
Bis sich seine Gestalt urplötzlich wieder aus dem Schatten schälte und mit einem Satz bei Sunder war. Das seltsame Schwert mit der rotglühenden Aufschrift auf der Klinge sauste auf den Seemann nieder und hätte ihm um ein Haar den Schädel gespaltet, wenn nicht diesmal Jacques reflexartig reagiert und den Hieb mit der Hellebarde abgefangen hätte. Die Wucht des Schlages war brutal und hätte ihm beinahe die Waffe aus der Hand geprellt, und bevor Jacques zum Gegenangriff übergehen konnte, machte Draconiz einen Schritt zurück und verschmolz im wahrsten Sinne des Wortes mit den Schatten. Die Dunkelheit legte sich um ihn wie ein Mantel und wo eben noch der weißhaarige Krieger gestanden hatte, tanzten im nächsten Augenblick nur noch die vom Fackellicht verzerrten Schatten.
Jacques fluchte innerlich, presste aber die Lippen aufeinander und bemühte sich, so leise wie möglich zu sein in der Hoffnung, dass sich Draconiz vor seinem nächsten Angriff vielleicht wenigstens durch ein Geräusch verraten würde. Die Hellebarde hielt er in Anschlag und schwang sie immer wieder von einer Seite zur anderen, damit ihr Gegner sich nicht heranschleichen konnte. Es war alles, was er tun konnte – und dabei konnte er von Glück reden, dass er eine Waffe mit überlegener Reichweite besaß! Die anderen hingegen …
Er überlegte fieberhaft, wie sie gegen Draconiz bestehen könnten. Diese Fähigkeit, einfach in der Dunkelheit zu verschwinden und aus ihr aufzutauchen – sie hatten ihr nichts entgegenzusetzen! Draconiz konnte sich sein Opfer und die Momente, in denen er attackierte, nach Belieben aussuchen. Er konnte mit ihnen spielen, solange er wollte, und sie einen nach dem anderen töten, sobald er des Spielens überdrüssig geworden war.
Die Fackel …, schoss es ihm auf einmal durch den Kopf, Ich konnte Draconiz kommen sehen, als er ins Licht getreten ist!
Das war es! Nur dadurch, dass Draconiz vom Fackellicht enttarnt worden war, hatte er überhaupt den ersten Angriff überleben können. Es hatte ihm den Bruchteil einer Sekunde an Zeit verschafft, die über Leben und Tod entschieden hatten.
„Licht!“, rief Jacques und zog eine der Fackeln heraus, die in seinem Gürtel steckten. Zum Glück hatte er sie bei seinem Sturz nicht verloren. „Wir brauchen Licht! So viel wie möglich und in alle Richtungen! Dann kann er sich nicht verstecken!“
Er entzündete seine Fackel an Chalas und bedeutete Sunder und Mina, es ihm gleichzutun. Das Feuer und das Licht waren ihre einzige Hoffnung, zu überleben. Die Elemente Innos‘ gegen die Dunkelheit Beliars …
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Er hätte auf seine innere Stimme hören sollen, dann wären sie nicht in diese Misere geraten, haderte Ulrich mit seiner Fehlentscheidung, DraconiZ mehr oder minder, blindlings zu folgen. Dabei hätte der Kommandant gewarnt sein müssen, denn als sie diese Höhle betraten, hatte er gleich das ungute Gefühl, das es hier nicht mit rechten Dingen zugeht. Hinzu kam, das der Paladin von Anbeginn spürte, das hier Tod und Verderben allgegenwärtig waren und dies nicht nur in Form von zahlreichen Grabstätten und Gebeine, auf die man beim Erkunden dieser Tempelartigen Anlage, unweigerlich stieß. Auch der unerträgliche Gestank von Verwesung, war nicht das, was Ulrich hätte Sorgen bereiten sollen, das war nur eine logisch zu erklärende Begleiterscheinung, allerdings eine unangenehme. Nein, es war vielmehr eine diffuse Aura von Tod und Verderben, die förmlich in der Luft umher waberte, nicht greifbar und doch so nahe, die der Paladin als Bedrohung wahrnahm. Das war es, was dem Kommandanten hätte ernsthaft Sorgen bereiten sollen, aber er ignorierte seine Wahrnehmungen und ließ sich stattdessen von seinem Verstand leiten.
Das war keine gute Idee, wie sich schon bald herausstellen sollte, von Neugierde getrieben, tappte der Kommandant, für seine Verhältnisse, recht unbedarft durch die Gegend, weil ihm alles irgendwie vertraut vorkam. Denn diese zum größten Teil, zerfallenen Ruinen unterschieden sich augenscheinlich nicht von anderen uralten, verlassenen Gemäuern, die der Paladin in seinem Leben schon erkundet hatte, er konnte also auf eine gewisse Erfahrung zurückgreifen. Vermutlich war deshalb sein Blick nicht so geschärft, wurden Funde von ihm nur flüchtig untersucht, im Grunde nur zur Kenntnis genommen. Irgendwelche Knochen fand man schließlich in fast jeder Höhle, also warum sich näher damit beschäftigen?, das war in der Regel die Mühe nicht wert und wenn es wirklich etwas interessantes zu sehen gäbe, dann würde ihm das schon auffallen, war Ulrich sich recht sicher. Außerdem lag das Hauptaugenmerk darauf, DraconiZ nicht aus den Augen zu verlieren, der wie von irgendetwas getrieben schien und stets vorauseilte.
Mit einem Mal brach das Chaos aus, Skelette erwachten zum Leben, Wände erzitterten wie bei einem Erdbeben, alle Gefährten waren von jetzt auf gleich, in einem Kampf mit den knochigen Kreaturen Beliars verwickelt. Keine ernsthaften Gegner für erfahrene Kämpfer, die schnell Oberhand gewannen und nur wenig später kurz davor waren, dem Spuk ein Ende zu bereiten. Plötzlich bebte der Boden, der Kommandant und seine Männer wichen geistesgegenwärtig zurück, DraconiZ, Jacques, Sunder und die Frauen konnten sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen, sie wurden in die Tiefe gerissen, regelrecht vom Boden verschluckt. Was blieb war eine dichte Staubwolke und die traurige Wahrheit, das gerade Kameraden verschüttet wurden. Da war es nur wenig tröstlich, das die restlichen zum Leben erwachten Skelette in sich zusammengefallen waren und somit keine Gefahr mehr darstellten.
Nachdem sich der Staub etwas gelegt hatten, untersuchten Ulrichs Männer die Unglücksstelle, oder besser gesagt das große Loch im Boden, das von nachrutschendem Gestein und Geröll, nahezu wieder verschlossen wurde. Es würde Tage, wenn nicht sogar Wochen dauern, das alles aus dem Weg zu räumen, stellte der Kommandant nüchtern fest, der daraufhin die Idee verwarf, sich an dieser Stelle zu den Verschütteten vorzuarbeiten, sie kämen viel zu spät. Der Paladin ging in sich, fokussierte all seine Sinne auf das Wesentliche, nämlich die Wahrnehmung von Ungewöhnlichem. Er spürte eine schwache Präsenz von dunkler Energie, das erklärte, warum die Skelette zum Leben erwachten. Aber da war noch mehr, die Präsenz einer geheimnisvollen Kraft, die Ulrich aber nicht einordnen konnte, vielleicht ein Altar von Beliar gesegnet?, vielleicht ein Artefakt mit dunkler Magie aufgeladen? Irgendetwas in diese Richtung musste es sein, konnte der Paladin nur mutmaßen, der sich aber zumindest soweit sicher war, das hier irgendwo dunkele Magie wirkte, auf welche Weise auch immer. „Es ist noch nicht vorbei“ teilte der Kommandant den Anderen seine gerade gewonnene Erkenntnis mit, „lasst uns nach den Kameraden suchen..., es muss noch einen anderen Weg geben“...
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Norden, Süden, Osten und Westen. Jeder der vier Anderen hatte sich um DraconiZ herum versammelt. Wie Mahnmale standen sie in den Himmelsrichtungen und hielten Fackeln wie Leuchttürme als Richtungsweiser gegen die Finsternis in die Höhe. Der Assassine wollte in die Schatten abtauchen, doch sie hinderten ihn daran. Ihr Licht brannte gegen die Dunkelheit in ihm und gegen die Finsternis in diesem von der Sonne verlassenen Ort. Doch so wie sie wie Mahnmale standen, so sah er doch die Sorge und Furcht in ihren Augen und in ihrer Körperhaltung. Ein Umstand der von schabenden Knochen in der Nähe und dem leisen Bewegen der Gräber noch verschlimmert wurde. Sie waren gefangen hier und würden sich der Finsternis ergeben müssen. So wie der Klingenmeister gefangen war. Auf ewig mit Beliar verbunden durch das, was er getan hatte. Was er selbst nun war.
»So kommt ihr euch gegen die Dunkelheit so erheben ja?«, fragte der Weißhaarige mit dämonisch verzerrter Stimme. »Du Jacques, der du so tief an das Licht glaubst und doch so blind bist. Der nicht mit den Augen sehen kann, was direkt vor ihm liegt. Deine Naivität ist dein Untergang!«, schrie er den letzten Satz. Dann wandte er sich Mina zu. »Geh Kind bevor es losgeht. Mach mir den Weg frei und vielleicht wird der Gott des Todes dich verschonen. Dann kannst du leben, bis er dich an einem anderen Tag findet«. Die Schmiedin schien zu zittern, doch sie bewegte sich nicht. Grimmig wandte er sich an Sunder: »So alt bist du schon geworden, ohne dass er dich bekommen hat. So widerspenstig und so trotzig. Geh mir aus dem Weg und vielleicht darfst du deinen Trotz noch etwas hegen«. Auch er wich nicht zurück, sondern hielt ihm die Fackel entgegen. »Was ist mir dir Chala? Du musst nur knien. Knie vor dem Gott des Todes. Du wärst eine gute Dienerin. Sein ist die Macht. Wer könnte dir etwas anhaben, wenn du dich mit dem Tode selbst verbündest?«, lockte er sie. Doch auch sie widerstand. Alle widerstanden. Hasserfüllt wollte er Valien heben, doch das Schwert verweigerte sich ihm. Es fühlte sich an wie Blei in seinen Händen. Klobig und unbeweglich. Wie zum Trotz fing es an scheinbar wütend zu glimmen. Ein Schmerz durchzog seinen Arm der vom Schwert hochzog und ein Schmerz durchzog seinen Kopf der aus den Schatten kam. Licht und Schatten stritten ihn ihm um ihn. »Weichet!«, schrie er und hob mit Gewalt die Klinge drohend empor. Doch es tat Keiner. Die Situation war festgefahren.
Dann hörten sie Schritte. Ein mit Staub und Dreck übersäter Ulrich stapfte langsam und bestimmt in den Lichtkegel hinein. Sein Zweihänder war gezogen. »Du«, meinte DraconiZ trotzig. »Bist du gekommen unser Duell aus Bakaresh zu beenden?«, fauchte er. Dann nahm er wahr wie sich die lebenden Toten langsam anfingen zu bewegen. Die Gewalt lag zum Greifen in der Luft.
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»Bist du gekommen unser Duell aus Bakaresh zu beenden?« fauchte DraconiZ dem Kommandanten als erstes entgegen, nachdem sie die Verschütteten endlich gefunden hatten. Ulrich erkannte gleich, das der Kamerad nicht mehr Herr seiner selbst war, er schien regelrecht von Sinnen zu sein, sogar von irgendetwas besessen. Ein anderen Schluss ließen die giftig funkelnden Augen, der hasserfüllte Gesichtsausdruck des ehemaligen Generals und das aggressive Verhalten dem Kommandanten gegenüber, nicht zu. Ulrich schloss kurz die Augen, was sagte seine innere Stimme?, was signalisierten ihm seine intuitiven Wahrnehmungen? Das was der Paladin binnen weniger Augenblicke an Erkenntnissen gewann, wollte ihm ganz und gar nicht gefallen, seine schlimmsten Befürchtungen wurden bestätigt. Hier wirkte tatsächlich dunkle Magie, so mächtig, das die Toten zum Leben erwachten und DraconiZ im denkbar schlechtesten Sinne beeinflussten und ihn somit zu einer ernsthaften Bedrohung Aller machten. Das konnte, das durfte Ulrich nicht zulassen und stellte sich innerlich auf einen Kampf gegen DraconiZ ein - notfalls mit tödlichem Ausgang. „Jon, du übernimmst das Kommando“ wies der Kommandant knapp an, bevor er seinem treuen Weggefährten den Zweihänder zuwarf, „aye Sir“ bestätigte der erfahrene Ritter.
Seinen, nun Gegner, fest im Blick, zog der Paladin mit der rechten Hand sein Schwert Famulus blank, die linke Hand bewaffnete er mit seinem Langdolch. „Du gibst mir genügend Anlass, das Duell zu beenden..., dieses mal werde ich dich töten..., ist es das was du willst?, knurrte Ulrich während er langsam und kampfbereit auf Draco zuging. „Deine glorreichen Zeiten als Assassine sind längst vorbei und die Erinnerungen daran so verblasst, das sich nicht mal mehr Beliar selbst daran erinnern kann und diesem undankbaren Gott willst du wieder dienen?..., das ist armselig“ provozierte Ulrich bewusst, um die volle Aufmerksam von DraconiZ zu erlangen. Die beiden Kontrahenten belauerten sich, wie Raubtiere vor dem Sprung auf Beute und drehten sich dabei mit respektvollem Abstand im Kreis, denn Beide waren sich bewusst, das der Gegenüber mit nur einen Angriff, den Kampf für sich entscheiden konnte. „Noch ist es nicht zu spät..., du warst doch schon auf dem richtigen Weg..., willst du das Erreichte wirklich mit Füssen treten und dich vollends von Innos' abwenden? Tod und Verderben bringen, anstatt Leben und Hoffnung?“, versuchte Ulrich DraconiZ ins Gewissen zu reden. „Du kannst nicht 2 Göttern gleichermaßen dienen, du wirst dich entscheiden müssen..., was ist nur in dich gefahren?, ich verstehe es nicht.“ Die letzten Worte waren dem Paladin versehentlich herausgerutscht, aber er bedauerte es nicht, schließlich war es maßlos von DraconiZ enttäuscht, das konnte er ruhig wissen. Der ehemalige General schien Ulrichs Worte an sich heranzulassen und wirkte für einen Moment etwas unaufmerksam, der Kommandant stürmte los, drehte sich in seinen Gegner hinein, mit der Absicht ihn zu entwaffnen. Draco reagierte überraschend schnell und wich dem kraftvollen Ellbogenstoß, der seine Rippen schmerzhaft treffen sollte, geschickt aus..., Ulrich rollte sich zur Seite ab, um einem möglichen Konter zu entgehen...
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Wenn das war was Ulrich bewirken wollte, so hatte es erreicht. Die volle Aufmerksamkeit und gleichermaßen der volle Hass der in ihm wie ein Geschwür waberte wandten sich gegen ihn. Sollten die Anderen Vier sich mit den Untoten rumschlagen oder sonst etwas tun. Er würde Rache nehmen. Rache für die Schande die er in Bakaresh erlitten musste. »Dein Heim hat er dir genommen. Deine Freiheit gebrochen und dein Schicksal zerstört. Töte ihn! Strecke ihn nieder!«, verlangte die säuselnde Stimme von ihm. DraconiZ gab ihr recht. Das war, was er getan hatte. Hatte seinen Stolz gebrochen und auf seine Ideale gespuckt. Er würde es bereuen. Das Geschwür des Hasses verwandelte sich in glühende Rachsucht. Er wollte Blut sehen.
Valien wollte ihm nicht gehorchen. Er zwang die edle Klinge den Konter auszuführen, doch sie kam zu spät. So als weigerte sie sich dem Paladin zu schaden. »Er sendet Pestilenz und Plagen in eure Häuser, in eure Betten, in eure Bäche, auf euren Straßen, in eure Getränke und auf euer Brot. Er verflucht euer Vieh und eure Felder. Er kommt in eure Träume und in euren Schlaf. Bis ihr zerbrecht und nachgebt. Er sendet den Schwarm der Verderbnis. Knie vor dem Gott des Todes!«, schrie er mit dämonischer Stimme Ulrich entgegen. Es waren nicht seine Worte. Woher kamen sie? Die Waffe seines Gegenübers kam in seine Richtung und dieses Mal reagierte Valien sofort. In einer eleganten Bewegung parierte sie die herannahende Klinge scheinbar mühelos und eröffnete eine neue Möglichkeit zum Angriff. Doch statt die Möglichkeit nutzen zu können verweigerte die mit den Tränen Innos’ gesegnete Waffe wieder den Dienst und lies die beiden Kontrahenten sich wütend entgegen blicken. Statt Blut zu vergießen vibrierte sie sanft und begann in einem Licht zu leuchten, dass scheinbar gegen die Dunkelheit hier unten anzukämpfen schien. Ein Licht in der Dunkelheit.
Der Klingenmeister wollte die Waffe fallen lassen, wollte nach dem Kris greifen, doch er konnte es nicht. Es war als wäre Valien in seiner Hand festgeklebt worden. Als hätte eine unsichtbare Macht seinen Handschuh und das Schwert zu einer Einheit zusammengeschmiedet, die er nicht trennen konnte. Unter einiger Kraftanstrengung zeigte die Klingenspitze wieder auf Ulrich. Sein Arm zitterte und er spürte jetzt schon wie sein rechte Arm übersäuerte. Wieder ein Austausch von einigen schnellen Schwertstreichen zwischen den Beiden Paladinen. Doch Keiner trug eine Wunde davon oder es änderte sich irgendetwas an der Situation. Es schien als würde die Macht von Valien Ulrich und DraconiZ gleichermaßen schützen. So als würde Innos’ es nicht erlaubten, dass die beiden Streiter sich verletzten. »Hilf mir«, formte DraconiZ mit seinen Lippen so leise, dass er vermutete, dass Ulrich es kaum hören konnte.
Dann merkte er wie der Griff der Dunkelheit wieder fester um sein Herz wurde. Durch den Kampf oder warum auch immer hatte sich eine Stelle ergeben in der das Licht der Fackeln nicht drang. Der Assassine merkte wie die Schatten wieder an ihm zogen. Er stemmte sich dagegen, nahm die Worte von Ulrich ernst. Weder Beliar noch Innos waren der Weg zur Erlösung und doch rissen beide Kräfte wie Giganten an ihm. Drohten sein Inneres entzwei zu reißen. Dann wurde der Sog zur Dunkelheit zu stark und er verlor den inneren Konflikt zu Gunsten der schwarzen Gabe. »Ich werde dir zeigen was Angst ist«, meinte er wieder laut mit diabolisch verzerrter Stimme. Dann löste sich sein Körper auf und er machte sich daran wieder aus den Schatten zuzuschlagen.
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Die Axtklinge der Hellebarde fand punktgenau ihr Ziel. Morsche Halswirbelknochen splitterten und der Schädel des reanimierten Skeletts fiel Jacques genau vor die Füße. Ohne nachzudenken, stampfte der Soldat mit dem Fuß darauf und zermalmte die alten Knochen unter dem Absatz seines Stiefels. Das unheilige Feuer in den Augenhöhlen erlosch und der Körper des Skeletts, der sich auch kopflos zunächst noch aufrecht gehalten hatte, fiel unspektakulär in sich zusammen.
Ein Skelett weniger … aber es war nicht genug. Es war nicht annähernd genug.
Dabei hatte es für einen Moment so ausgesehen, als könne alles noch gut ausgehen! Irgendwie war es ihnen gelungen, den wahnsinnigen Draconiz sogar einzufangen – Jacques hatte keine Ahnung, wie das überhaupt passiert war, es war so schnell gegangen … Draconiz war aufgetaucht und hatte attackiert, aber er war so darauf fixiert gewesen, anzugreifen, dass er gar nicht gemerkt hatte, wie ihn seine Gegner umzingelten, und das Licht der Fackeln hatte ihn dann wohl irgendwie geschwächt oder etwas ähnliches. Jedenfalls hatte er den Angriff abgebrochen und war dazu übergegangen, großspurige Drohungen auszustoßen. Und dann war sogar Ulrich aufgetaucht! Er musste einen Weg zu ihnen gefunden haben, was bedeutete, dass sie nicht verschüttet waren!
Aber das Auftauchen des Paladins hatte auch Draconiz wieder neue Kraft gegeben, oder besser – ein neues Ziel. Zugleich hatten die Toten angefangen, sich zu regen und zu attackieren. Und jetzt duellierten sich Draconiz und Ulrich, während die anderen gegen die Skelette um ihr Leben kämpften. Es sah allerdings nicht gut aus …
Jacques schwang die Hellebarde in einem ausholenden Halbkreis, um sich etwas Raum zu verschaffen. Sie kamen von allen Seiten. Missgestaltete Skelette, menschlich und doch nicht menschlich, gekleidet in die Überreste uralter Rüstungen und bewaffnet mit archaischen, brutalen Mordwerkzeugen. Keine Kampfschreie, keine Flüche, keine Befehle - nur das Knirschen der alten Knochen und das Schaben rostigen Metalls waren von dieser Armee der Finsternis zu vernehmen, während sie unerbittlich auf ihre Feinde zumarschierte. Sie kamen aus dunklen Tunneln überall, und für jedes Skelett, das fiel, rückten zwei neue nach. Für sich genommen war keiner der Untoten eine ernsthafte Bedrohung für Ulrichs Veteranen, aber die Masse der Gegner forderte ihren Tribut. Jacques‘ Arme fühlten sich bereits schwer an, seine Schritte waren weniger sicher, seine Sinne weniger scharf – die Erschöpfung begann, an ihm zu zehren, und er war sich sicher, dass es den anderen Kämpfern ebenso ging. Wenn nicht ein Wunder geschah, würde dies uralte Grab unter den Bergen zu ihrem Grab werden …
Mit einem gezielten Stich rammte Jacques die Speerklinge seiner Hellebarde durch die Augenhöhle eines Skeletts, so dass die lange Stahlspitze aus dem Hinterkopf wieder austrat. Der Untote fuchtelte noch ein paar Sekunden mit dem abgebrochenen Krummschwert, das er in seinen knöchernen Klauen hielt, in Jacques‘ Richtung, konnte ihn aber nicht erreichen. Schließlich versagte die Magie und das Gerippe verlor seinen Zusammenhalt, fiel zu einem Haufen morscher Knochen zusammen. Mit einer ruckartigen Bewegung schleuderte Jacques des noch an seiner Hellebarde steckenden Schädel davon und wandte sich dem nächsten Gegner zu.
Es waren zwei – nein, drei Skelette, die sich ihm näherten, ihre knöchernen Fratzen scheinbar grinsten ihn hämisch an und in ihren Augen glomm ein kaltes, unheiliges Licht. Jacques schob einen Fuß nach hinten, um einen sicheren Stand zu bekommen, und hob seine Hellebarde zum Schlag. Dabei erhaschte er einen Blick auf den Tunnel, aus dem sich seine drei Gegner näherten, und entdeckte darin bereits den nächsten Trupp von Untoten. Kahle Schädel, die im unsteten Fackellicht rötlich glommen, Knochenhände, die Schwerter und Keulen hielten. Es wollte einfach nicht aufhören …
Jacques schluckte schwer. „Innos“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Religion hatte für ihn nie eine zentrale Rolle gespielt, und auch wenn er den Gott des Feuers, des Lichts und des Gesetzes respektierte und ihm auch die ihm gebührende Verehrung entgegenbrachte, verrichtete er seine Gottesdienste stets eher ‚nach Vorschrift‘. Er war nicht nachlässig – aber auch nie besonders eifrig.
Doch an wen sonst sollte er sich wenden in einem Moment wie diesem? Es gab niemanden. Nur Innos konnte sie noch retten.
„Innos, Herr, gepriesen sein Dein Name!“, murmelte Jacques halblaut vor sich hin, während er sich bereit machte für den Angriff, „Innos, wenn du uns sehen kannst, ich bitte dich, steh uns bei in dieser unserer dunkelsten Stunde! Ich weiß, ich habe gesündigt … wir alle haben gesündigt … wir sind unvollkommen und deiner Gnade unwürdig! Doch ich weiß, deine Güte kennt keine Grenzen, und so bitte ich dich, hilf uns! Rette uns arme Sünder aus dieser Finsternis! Steh uns heute bei, aufdass wir dir dienen können morgen und immerdar!“
Die Skelette hatten ihn beinahe erreicht. Sein Griff um den Schaft seiner Hellebarde festigte sich und er kniff die Augen zusammen.
„FÜR INNOS!“, rief Jacques und stürmte los. In dem Moment, als sein Hieb die schwache Verteidigung des ersten Skeletts durchbrach und den Brustkorb des Untoten zertrümmerte, sah er etwas: Ein schwaches Leuchten in einem der Tunnel, ein goldener Schimmer wie Morgenröte über dem Gebirge, das durch die finsteren Gänge floss und ihn zu rufen schien.
Jacques lächelte.
Innos hatte ihn erhört!
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DraconiZ verschwand plötzlich im Schatten und wurde unsichtbar, diese Fähigkeit besaßen nur gut ausgebildete Assassinen, soweit dem Paladin bekannt war, wer sonst hätte es nötig so heimtückisch zu agieren? „Bist du nun zu einem feigen Möchtegernheld mutiert, der den offenen, ehrenhaften Kampf scheut.., oder warum versteckst du dich vor mir?“ knurrte Ulrich verärgert, weil er keine Lust auf Katz und Maus Spielchen hatte. Dieses feige Verhalten passte eigentlich nicht zu DraconiZ, kam es dem Kommandanten in den Sinn, war der ehemalige General wirklich so tief gesunken? Das wäre nicht nur traurig und enttäuschend, das würde auch bedeuten, das DraconiZ soweit vom rechten Weg abgekommen war, das er alle Tugenden und den Glauben an das Gute verloren hätte. Das wollte der Paladin nicht wahrhaben...., nicht in diesem Moment und besann sich wieder auf das Hier und Jetzt, gerade rechtzeitig um einem Schwerthieb auszuweichen, der wie aus dem Nichts, auf ihn zukam..., das war knapp.
„Ich kann warten“ brummte Ulrich, der sich kurzerhand in einen erhellten Bereich der Höhle zurückgezogen hatte. „Komm ins Licht und kämpfe“ forderte der Kommandant mit Nachdruck, das seine Worte doppeldeutig interpretiert werden könnten, fiel ihm erst danach auf. DraconiZ blieb weiterhin im Verborgenen, scheute er den offenen Kampf?..., wollte er nicht...., oder konnte er es gar nicht? Zwischendurch schien es so, als müsste DraconiZ mit sich selber ringen, fiel dem Paladin im nach hinein auf, ja, es wirkte gerade so, als könne er sich nicht frei bewegen. Hatte der ehemalige General ihn nicht sogar um Hilfe gebeten oder war das nur Einbildung..., das war alles sehr verwirrend. Während die Anderen versuchten im Kampf gegen Untote, Herr der Lage zu werden, ging Ulrich nochmal kurz in sich und versuchte seine Wahrnehmungen und Eindrücke zu ordnen.
Er spürte wieder die dunkle Energie, sie füllte den ganzen Raum, hauchte den Untoten immer wieder neues Leben ein. Ulrich besaß genug innere Stärke um sich nicht von dieser destruktiven Magie beeinflussen zu lassen, seine Männer, schienen ebenfalls gut gewappnet zu sein..., aber was war mit DraconiZ?..., konnte er sich nicht dagegen wehren? - vieles sprach dafür. Eine neue Sichtweise die durchaus Sinn ergab, sinnierte der Paladin, der je mehr Details ihm dazu einfielen, immer mehr zu der Erkenntnis gelangte, das DraconiZ mit hoher Wahrscheinlichkeit, nicht aus freiem Willen so handelte. Der Paladin schaute sich um, versuchte den Ursprung der dunklen Energie zu lokalisieren, aber es gelang ihm nicht. Sie schien in Bewegung zu sein, deshalb konnte Ulrich zumindest einen greifbaren, sichtbaren Gegenstand als Quelle der Magie ausschließen.
„Hier treibt irgendwo ein Magier sein Unwesen“ brüllte der Kommandant seine neuste Vermutung heraus.
„Findet ihn und schaltet ihn aus“ befahl Ulrich in der Hoffnung, dem ganzen Spuk hier ein Ende zu bereiten..., „sucht in den Schatten“ gab er noch als Hinweis...
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Er schwebte in den Schatten. Waberte umher wie frischer Nebel in einem Moor aus Grauen. Diesmal war es anders. Anders als es früher gewesen war. Er hatte der Illusion nachgegeben, dass er derjenige war der durch die Schatten ging. Der sich leichtfüßig durch Finsternis und Ungewissheit bewegte. Doch nun kam die bittere Erkenntnis, dass er gezogen wurde. Gezogen von den dämonischen Klauen einer Macht die so uralt und so hasserfüllt war, dass es ihn fröstelte, wenn er daran dachte. Zusätzlich zog ihn noch eine weitere Kraft. Eine Kraft die mit solch einer Leichtigkeit einen flammenden Herrschaftsanspruch stellte, dass der Streiter sich genötigt fühlte zu folgen. Es gab kein hin und her gerissen sein. Nur die Knie die sich automatisch beugten. So zitterte er während er in den Schatten ausharrte. Wollte nicht gegen Ulrich kämpfen und sich der herrschenden Macht beugen und wurde doch von der hasserfüllten Macht dazu gezwungen. Wie nur sollte ein menschliches Wesen sich dagegen wehren? Wie nur sollte er dieser Situation jemals entkommen?
Er hätte wissen müssen, dass der Zeitpunkt irgendwann kommen musste. Doch er war so in seiner Lüge und Selbstherrlichkeit als Assassine verloren gegangen, dass er meinte er könnte die Macht Beliars benutzen um wirklich frei zu werden. Dass er die Lüge selbst überlisten könnte und einem Schwur des Gottes der Herrschaft entfliehen konnte. Während er sein Selbst und sein Innerstes in zwei Richtungen gezerrt wurden und er meinte unter dem Druck zerrissen zu werden, wurde es ihm klar. Er konnte nicht davonlaufen. Weder vor dem was er getan hatte, noch vor dem was aus ihm geworden war. Doch was konnte er denn tun? Sollte er einfach zusehen wie er in den Mahlstrom der Mächte gezogen wurde? Was wollte er sein? Paladin des Lichts oder Klingenmeister der Finsternis?
Er tauchte wieder auf, traf Ulrich aber nicht unvorbereitet. Sein Gegenüber schien vorbereitet zu sein. Hattean einer erleuchteten Stelle bereits auf seine neuerliche Attacke gewartet, welche sehr halbherzig ausgeführt worden war. Weder Valien noch DraconiZ wollten wirklich angreifen. Die Dunkelheit trieb sie dazu. Ulrich sah ihn und handelte instinktiv. Im Kampfe gewann derjenige der den Willen zum Handeln zeigte und so blieb der Verräter von Khorinis chancenlos. Ulrich wehrte den Schwertstreich ab, so dass eine normale Waffe wohl aus der Handgefallen wäre, doch die geweihte Klinge blieb wo sie war. Ein Stöhnen durchfuhr den Assassinen als Ulrich ihn mit seiner Schulter rammte und er hart gegen eine der Wände des weitläufigen Raumes gedrückt wurde. Er rutschte wie ein nasser Sack nach vorne und kam auf die Knie. Nur Sekundenbruchteile spürte er Ulrichs Stahl an der Kehle. Die Klinge bewegte sich nicht. Zitterte nicht einmal. Der Kommandant war ein routinierter Kämpfer. Hatte mehr als genug Schlachten erlebt. Selbst Situationen wie diese schreckten ihn nicht mehr.
Sollte er jetzt ausweichen? Mit Valien eine galante Parade vollführen und sich zur Wehr setzen? Zur Wehr gegen was bitte? DraconiZ schaute mit leeren Augen nach oben. »Und das Rad des Schicksals dreht sich immer weiter. Mal stehe ich oben und mal bin ich unten. Nun sind wir wieder da, wo wir in Bakaresh waren. Ist jetzt wieder die Zeit gekommen mich einzusperren und in Dunkelheit zu tauchen?«. Es war keine wirkliche Frage an Ulrich. Mehr eine an sich selbst. Dann schaute er seinem Waffengefährten tief in die Augen. »Wenn du was zu sagen hast, dann ist jetzt wohl der richtige Zeitpunkt«, knurrte er ihn mit blutunterlaufenden schwarzen Augen an.
Geändert von DraconiZ (05.09.2024 um 21:38 Uhr)
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Ein Skelett fiel unter den schnellen, gezielten Hieben von Jacques‘ Hellebarde, kurz darauf ein weiteres. Der junge Soldat kämpfte sich mit neugewonnener Kraft und Zielstrebigkeit durch die Horden der Untoten – Schmerz und Erschöpfung waren vergessen, wie vage Erinnerungen an lang vergangene Mühsal. Stattdessen war er erfüllt von einer eisernen Entschlossenheit und Zuversicht, wie er sie noch nie erlebt hatte.
Das Licht!
Das goldene Licht pulsierte noch immer im Tunnel. Jacques konnte zwar den Abstand nicht verringern – jeden Schritt, den er gutmachte, bewegte es sich von ihm fort, tiefer in den Berg hinein – aber er wusste, dass es ihm nicht entkommen wollte. Es wollte ihm nur den Weg weisen. Wohin, das wusste er nicht, aber das war auch noch nicht wichtig. Er würde es früh genug erfahren. Er war sich sicher, dass es den Weg zu ihrer Rettung aufzeigen würde, und das war alles, was zählte.
Das, und dass es ihm die Kraft verlieh, die er benötigte, um den vor ihm liegenden Kampf zu bestehen. Der erdrückende Odem des Bösen, von dem das ganze Höhlensystem erfüllte und der nicht nur an der Entschlossenheit und dem Kampfeswillen der Verschütteten zehrte, sondern ihnen nach und nach sogar ihrer körperlichen Kräfte zu berauben schien, hatte keine Macht mehr über ihn. Er fühlte sich leicht, frei, beschwingt … mächtig!
„Im Namen Innos‘ …“
Jacques fing den Schwerthieb eines Untoten mit der Hellebarde ab und hebelte der Kreatur mit einem geschickten Manöver die Waffe aus der Hand, bevor er ihren Schädel spaltete.
„… verbanne ich dich zurück in Beliars Reich! Du hast kein Recht mehr, auf dieser Erde zu wandeln!“
Ein weiterer Untoter stellte sich ihm in den Weg. Jacques fletschte grimmig die Zähne.
„Weiche! Im Namen Innos‘, im Namen des Feuers und des Lichts, hinfort!“
Mit einem brutalen Hieb zerschmetterte Jacques dem Skelett beide Kniegelenke und trennte ihm die Unterschenkel ab. Einen Moment später endete die widernatürliche Existenz des Skeletts unter dem Stiefelabsatz des Soldaten.
„Gelobt sei Innos, und seine Feinde sind Staub vor ihm!“, verkündete Jacques feierlich und folgte weiter dem Tunnel …
Fast hätte er zugeschlagen, als ihn plötzlich jemand am Arm packte und herumriss. Im letzten Moment erkannte er, dass es Jörg war. Der Krieger hatte einen tiefen Schnitt in der Wange, aus dem Blut hervorquoll, und seine Haare klebten ihm schweißnass in der Stirn.
„Jacques, verflucht, was ist los mit dir?“, fauchte er, „Bist du vollkommen durchgeknallt, allein in diesen scheiß Tunnel zu marschieren? Und was redest du da die ganze Zeit? Komm zu dir, Mann!“
Jacques blinzelte. „Wie? Ich hab‘ doch gar nichts gesagt!“
„Du- VORSICHT!“ Jörg riss Jacques zur Seite und machte einen Ausfallschritt an ihm vorbei, wobei er mit dem Schwert die rostige Waffe eines Skeletts abwehrte, das sich unbemerkt in Jacques‘ Rücken genähert hatte. Einen schnellen Konterangriff später fiel der Untote kopflos in sich zusammen. Jacques starrte Jörg noch immer an und bemerkte jetzt erst, dass er sonst niemanden von den Kämpfenden mehr sehen konnte.
„Wo … sind wir?“, fragte er verwundert und versuchte, in der Dunkelheit hinter Jörg etwas zu erkennen. Ulrichs Krieger hielt eine Fackel in der Hand, aber schon nach wenigen Metern wurde ihr unstetes Licht wieder von den Schatten verschlungen. Als Jacques sich die letzten Minuten in Erinnerung rufen wollte, stellte er fest, dass es ihm nicht gelingen wollte. Es war, als würde er versuchen, sich an einen Traum zu erinnern – da waren unbestimmte Gefühle und unklare Bilder, aber nichts, was er hätte in Worte fassen können. Nur in einem Punkt war er sich sicher … etwas fehlte!
„Wie bitte?“ Jörg kniff die Augen zusammen. „Junge! Was ist los mit dir? Du bist einfach drauf los marschiert, in diesen Tunnel, allein! Ja, Ulrich hat angeordnet, dass wir in den Tunneln nach dem Magier suchen sollen, aber doch nicht …“
„Das Licht!“, stieß Jacques unvermittelt aus.
„Was?“
„Das Licht! Ich … erinnere mich! Da war ein Licht, und …“
„Jacques, da ist kein Licht!“
Jacques wandte sich ab und spähte in den vor ihnen liegenden Tunnel. Einen Moment stand er wie angewurzelt da, aber dann nickte er langsam. Ein seliges Lächeln legte sich auf sein Gesicht.
„Doch ...“, sagte er verträumt und packte seine Hellebarde. „Das Licht wird mich leiten, und mit Innos‘ Hilfe werde ich diesen Ort reinigen!“
Ohne sich noch einmal nach Jörg umzudrehen, marschierte er festen Schrittes und zielsicher in die Dunkelheit.
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Warum?
Chala hieb mit ihrem Schwert auf das belebte Skelett, die Klinge schlug eine Kerbe, doch hinderte den Untoten in keiner Weise. Agil brachte sie sich aus der Reichweite der herannahenden, rostüberzogenen Waffe, die mit so viel Kraft und Geschwindigkeit geschwungen wurde, dass es bar des Menschen möglichen wirkte. Getrieben von unheilvoller Magie, die die Knochen stärkten und ihre Form bestimmten, schien es so, als hätte ein gewöhnlicher Kämpfer das Nachsehen gegen diese Streiter vergangener Zeiten, getränkt in Finsternis.
Wieso?
Mit einer Parade, die ihr im letzten Augenblick den Weg ins Jenseits ersparte, fing sie den nächsten halsbrecherischen Angriff des Skeletts ab, dessen glühende Augenhöhlen ihren Untergang vorherzusagen schienen. Ihr blutleerer Kontrahent legte keinen Wert auf Verteidigung, gab sich etliche Blößen, die ihr Instinkt ihr auszunutzen riet. Eine weit offene Flanke, ein überstreckter Schwertarm, viel zu ausladende Schwünge, als würde das Gewicht des von der Zeit zerfressenen Stahls mitreißen, was von einem einstigen lebendigen Körper übriggeblieben war.
Weshalb?
Jeder Versuch ihre Vorteile zu nutzen, endete damit, dass sie lediglich minimale Kerben und kaum merkliche Brüche in den Knochen hinterließ. Bar jedes Schmerzempfindens verlangsamten ihre Treffer das Skelett auch nicht und sie war gezwungen auszuweichen oder in ungünstigen Positionen zu parieren.
Die umgebende Dunkelheit, gepaart mit dem Miasma des Todes, welches hier unten die Vorherrschaft beanspruchte, benachteiligten die Aranisaani und sie sah sich immer weiter in die Enge getrieben. Zwischen Gräbern und verfallenen Gedenktafeln wich sie zurück, versuchte bei Mina zu bleiben, die sich mühselig verteidigte. Doch der Gegner, dem sie sich gegenüber sah, ließ kaum Raum für die eigenen Gedanken.
Was ist anders?
Ein ums andere Mal sah sie, wie die Untoten den Waffen ihrer Mitstreiter zum Opfer fielen. Als wären sie aus morschem Holz zerbarsten Knochen, zerbrachen Schädel und zerstoben Gelenke. Mit aller Wucht, eher einer Holzfällerin zu Ehr, denn einer Kriegerin, trieb Chala Wildkatze in den Halswirbel des Monsters, welches nach ihrem Leben trachtete. Der Totenkopf ruckte zur Seite und es wirkte, als würde eine hämische Fratze die auf ewig unbewegten Züge verzerren.
Wenige Tage zuvor im Sumpf hatte sie noch Untote gefällt, aufgedunsene Leichname und knochige Gerippe. Doch hier schien sie nichts ausrichten zu können.
Du zweifelst…
Die Hand des Todes strich liebevoll über die Wirbelsäule der Dunkelhäutigen. Ihre Nackenhaare stellten sich auf und ein Gefühl der Ohnmacht überkam sie.
Lass los, kehre zurück auf den Pfad, den du wandeltest, ehe Zweifel dich blendeten. Es ist nur ein kleiner Schritt.
Diese Stimme. Wo kam sie her, wer verbarg sich dahinter?
Das Meer aus Blut, in welchem du bestimmt bist zu wandeln. Es ist an dir es zu schaffen, die Ströme zu befreien, welche die Gräben füllen, die Ozeanen die Wiege sind.
Die rostige Klinge des Skeletts schlug knapp neben ihr auf den felsigen Grund ein, der poröse Stahl barst unter der Wucht und ließ den Untoten mit einem gebrochenen Schwert zurück.
Wie dieses Werkzeug bist auch du gebrochen, lass mich dich eintauchen in die kalte Glut, dich schmieden in altem neuen Antlitz.
Sie wankte, ihr Wille, ihr Körper, ihre Gedanken.
Ist es nicht Macht, nach welcher du dich verzehrst? Ich gebe sie dir, ER gibt sie dir, wenn du nur umkehrst und deiner Bestimmung die Treue zu halten bereit bist.
„Welcher Bestimmung?“, schrie sie ihre Frage dem Skelett entgegen, welches sie teilnahmslos musterte, die zerstörte Waffe unbedrohlich gen Boden gerichtet.
Es ist alles hier in deinem Kopf, jede einzelne Facette von dir und der Weg, den Berührter und Vollstrecker vorsahen.
Das Gefühl des Baumfällens war wieder da, Axt als Stimme, Stamm als Kopf. Stechender Schmerz durchfuhr ihren Geist, lähmte, was an klaren Gedanken zuletzt frei gewesen war.
Freiheit ist es, was ER dir geben kann, jenes Gut, welches du über allem schätzt. Frei sind nur jene, die die Macht haben nicht fürchten zu müssen. Entscheidungen und die Möglichkeit, jede gleichermaßen in Betracht zu ziehen, bar jeder Konsequenz, ist, wonach sich dein Innerstes sehnt. ER gibt es dir.
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„Jacques! Warte!“
Der junge Soldat reagierte nicht. Jörg presste einen Fluch zwischen den Zähnen hervor und wehrte die Attacke eines weiteren Skeletts ab. Die rostige Klinge schabte am polierten Stahl seiner eigenen Waffe entlang und er nutze die Bindung, um das Schwert seines untoten Kontrahenten zur Seite zu drücken, so dass er ihm einen gezielten Tritt gegen den Brustkorb versetzen konnte. Das Skelett taumelte zurück und ruderte mit den Armen, um die Balance zu wahren – mehr als genug Zeit für einen geübten Kämpfer wie Jörg. Er stach zu und die Spitze seines Schwertes bohrte sich in eine Augenhöhle seines Gegners. Der Unterkiefer des Skeletts klappte nach unten, als wollte es den Mund zu einem erbosten Schrei aufreißen, aber natürlich entwich kein Ton dem morschen Schädel. Bevor der Untote sich befreien konnte, riss Jörg ihn mit einem kräftigen Ruck von den Füßen und schmetterte den Schädel auf einen scharfkantigen Felsen. Die alten Knochen gaben nach und zersprangen in hundert Bruchstücke, das unheilige Feuer in den Augen des Untoten erlosch und er zerfiel.
Aber Jörg blieb keine Zeit, seinen kleinen Sieg zu genießen, denn Jacques war in den wenigen Sekunden, die der Kampf gedauert hatte, fast schon wieder aus dem Lichtradius seiner Fackel getreten.
Der Milizsoldat schien sich überhaupt nicht an der Dunkelheit zu stören. Er marschierte mit langen, selbstsicheren Schritten vorwärts und schwang seine Hellebarde mit geradezu unheimlicher Kraft und Präzision gegen alles, was sich ihm in den Weg stellte. Die Knochen der Untoten barsten unter seinen mächtigen Hieben wie trockene Äste, und dabei rief er in einem Fort Innos an, verkündete Litaneien des Kampfes und der Rache, wie Jörg sie bisher nur von besonders frommen (soll heißen: fanatischen) Paladinen vernommen hatte. Von solchen Paladinen, die er lieber mied – es gab schon einen Grund, warum er Ulrich folgte und nicht einem der anderen Ordensstreiter. Diese Innos-Eiferer waren ihm genauso wenig geheuer wie irgendwelche Nekromanten oder Dämonenbeschwörer. Allerdings hätte er Jacques bis jetzt auch nicht für einen Fanatiker gehalten. Der Junge war ihm nie über ein gewöhnliches Maß hinaus gläubig vorgekommen. Konnte er sich wirklich so in ihm geirrt haben?
Oder war Jacques mit der ganzen Situation einfach so überfordert, dass er schlicht und ergreifend den Verstand verloren hatte?
„Verdammt nochmal, Jacques! Was glaubst du, was du hier tust?! Du rennst doch kopflos in deinen Tod! Und ich Idiot renne dir auch noch hinterher!“
Jörg packte den Milizsoldaten an der Schulter und versuchte ihn festzuhalten, doch Jacques fuhr urplötzlich herum, sein Arm schoss nach vorn und der packte Jörg unvermittelt an der Kehle. Jörg krächzte überrascht auf, ließ sein Schwert fallen und schlug gegen Jacques‘ Unterarm, aber der Griff des Burschen war wie ein eiserner Schraubstock.
„Innos will es!“, schnarrte der junge Soldat in einer monotonen Stimme, die viel rauer und tiefer klang als normal, „Er ruft uns zum Kampf, und wir müssen seinem Ruf folgen!“
„Jaaccchhh … chhh!“, krächzte Jörg. Er bekam kaum noch Luft, so sehr drückte ihm Jacques die Kehle zu. Er tastete bereits mit der Hand nach dem Dolch in seinem Gürtel, als Jacques ihn endlich losließ. Hustend taumelte der Krieger einen Schritt zurück und hielt schützend die Fackel vor sich. Im flackernden Feuerschein glühten Jacques‘ Augen wie zwei Kohlenstücke. Er lächelte.
„Mit Feuer und mit Stahl werden wir diesen Ort reinigen, Bruder!“, verkündete er. Dann wandte er sich ab und marschierte weiter. Tiefer in den Tunnel.
Jörg blieb einen Moment noch wie angewurzelt stehen und warf einen Blick über die Schulter. Sollte er versuchen, zurück zu den anderen zu kommen und diesen Verrückten seinem Schicksal überlassen? Nein, das war keine Option – er konnte sich nicht sicher sein, was in dem Tunnel hinter ihm inzwischen wieder lauerte, und Jacques mochte zwar vollkommen durchgeknallt sein, aber sein Wahnsinn hatte ihn auch zu einen verdammt effektiven Kämpfer gemacht. Gemeinsam hätten sie beide größere Chancen, diese ganze Sache doch noch zu überstehen.
Und außerdem …
Jörg zögerte, es sich einzugestehen, aber es war sinnlos, es leugnen zu wollen.
Da war etwas an Jacques, das ihn – überzeugte! Auf den ersten Blick wirkte er verrückt, ja, aber … Was, wenn der erste Blick trog? Wenn der Junge nun gar nicht verrückt war, wenn Innos ihn tatsächlich leitete und ihm vielleicht einen Weg wies, den Horror zu beenden – konnte Jörg sich dann dem Ruf verweigern?
„Fuck…“, stöhnte er und hob sein Schwert auf, „Jacques, warte!“
Jacques Percheval
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Als Jacques die gewaltige Halle betrat, war ihm, als wäre er nicht zum ersten Mal an diesem Ort.
Obwohl ein Teil von ihm wusste, dass er noch nie hier gewesen sein konnte, dass er noch nie im Leben auch nur in die Nähe dieser unheiligen Stätte gekommen war, bestand ein anderer Teil von ihm darauf, dass er diesen Ort nur zu gut kannte. Er hatte hier gekämpft, er hatte hier geblutet…
Die natürliche Höhle war künstlich noch einmal erweitert worden, um ausreichend Platz zu bieten für eine monolithische Fassade aus glänzend schwarzem Obsidian, die sich auf der gegenüberliegenden Seite der Halle bedrohlich vor den beiden Streitern auftürmte.
Jörg hob seine Fackel, als ob sie dadurch mehr Licht geben würde. Der Feuerschein spiegelte sich trotz der Entfernung auf dem blankpolierten Stein wider, der dadurch wirkte, als würde er träge Wellen schlagen wie die Oberfläche einer klebrigen Teergrube.
Zwischen den beiden Kriegern und der Obsidianfassade erstreckte sich eine Ebene, auf der zahlreiche Stalagmiten in die Höhe ragten. Mit den von der Decke hängenden Stalagtiten wirkte die Höhle wie der Schlund einer gewaltigen Bestie. Zwischen den Tropfsteinen regten sich die schattenhaften Silhouetten untoter Abscheulichkeiten – unzählige von ihnen…
„Wir sind fast am Ziel, Bruder“, knurrte Jacques und packte die Hellebarde fest mit beiden Händen, „Verzage nicht, denn in der dunkelsten Finsternis brennt die Flamme nur um so heller! Innos leitet uns, er streitet an unserer Seite! Wir werden unsere Pflicht erfüllen, wie wir … wie … andere vor uns sie … erfüllt haben …“
Jacques stockte kurz. Für einen Moment flackerten Bilder vor seinem inneren Auge auf, Erinnerungen, die nicht die Seinen waren. Erinnerungen an Kampf, Mut, Verzweiflung, Schmerz, Triumph…
… ich habe hier gekämpft …
… ich habe hier geblutet …
… ich habe hier gesiegt …
… ich bin hier gestorben!
„Der Märtyrer!“, stieß Jacques aus.
Jörg sah ihn verwirrt an. „Was?“
„Der Märtyrer!“ Jacques deutete mit der Hellebarde auf eine Stelle am Fuße der Obsidianfassade, an der Jörg jedoch nichts erkennen konnte außer undurchdringlichem Schatten. „Er hat hier gekämpft, ist hier gestorben, um das Böse einzusperren! Spürst du es nicht? Es will heraus… es versucht, sich seinen Weg zu bahnen und die heiligen Siegel zu brechen! Und wir müssen es daran hindern! Das ist unsere heilige Pflicht, Bruder! Deswegen hat der Märtyrer uns gerufen!“
„Scheiße …“, murmelte Jörg, aber Jacques ignorierte ihn. Der junge Milizsoldat senkte die Hellebarde und bereitete sich auf den Angriff vor. Immer zahlreicher wurden die untoten Wächter des Grabmals, die zwischen den Tropfsteinen hervorkamen und sich ihnen von allen Seiten näherten.
„FÜR INNOS!“, rief Jacques und stürmte los.
Wieder hatte Jacques das Gefühl, alles schon einmal erlebt zu haben. Seine Hellebarde hob und senkte sich in einem gnadenlosen Rhythmus, das Axtblatt zerschmetterte rostige Panzerplatten und die uralten Knochen darunter, mit dem Schaft parierte er die ungeschickten Hiebe der untoten Marionetten. Es bereitete ihm kaum Mühe – er musste nicht denken, nur handeln. Es war, als würde sein Arm gelenkt werden von jemand anderem. Er hatte diesen Ort noch nie betreten, aber er wusste genau, wohin er sich durchschlagen musste.
Er wusste genau, wie die Stelle aussah, an der sie ihr letztes Gefecht kämpfen würden.
Das Siegel des Märtyrers!
Geändert von Jacques Percheval (11.09.2024 um 12:05 Uhr)
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