Eine Frage, die Science-Fiction Fans über Jahre, vermutlich Jahrzehnte, beschäftigen und so manche hitzige Debatte mit sich bringen wird ist: Ist Blade Runner 2049 ein besserer, schlechterer oder gleich guter Film wie sein bahnbrechender Vorgänger? Ridley Scott's Film ist ein Klassiker amerikanischer Science-Fiction, in dem lose von Philipp K. Dick adaptierten Werk ging es um Polizisten Rick Deckard (Harrison Ford), der als Teil einer Spezialeinheit in einer futuristischen Welt abtrünnige Androide jagt und dabei ihre Menschlichkeit entdeckt. Es war nicht der einzige, nicht der erste und vielleicht nicht einmal der beste Film der die Frage stellte, wann genau ein Mensch ein Mensch ist und es verdient hat, wie einer behandelt zu werden. Aber er könnte sehr gut der kunstvollste sein. Blade Runner hat den Futurismus neu definiert. Er inspirierte visuell Filme wie The Fifth Element oder die Star Wars Prequels, Anime wie Akira oder Ghost in the Shell und Videospiele wie die Deus Ex Serie oder Bioshock. Was er darstellte ist eine High-Tech, Low Life Dystopie, eine verregnete, urbanisierte, neonbelichtete Zukunft aus Armut, Repression und unreguliertem Kapitalismus, das, worauf Reagan's Amerika unweigerlich hinauszulaufen schien. Aber die 2010er Jahre, die Blade Runner zeigte entsprechen nicht komplett den 2010er Jahren in denen wir leben und ein Film, der in diesen 10er Jahren entstanden ist hat die Absicht die Zukunft von Blade Runner's Zukunft zu zeigen. Entstanden ist Blade Runner 2049 unter der Regie des französisch-kanadischen Wunderkindes Denis Villeneuve, Regisseur des Filmes Enemy, über den ich übrigens auch mal ein Review geschrieben habe, Sicario oder den kürzlich erschienen Science-Fiction Film The Arrival. Villeneuve gehört zu den talentiertesten Leuten, die zur Zeit im Studiosystem von Hollywood arbeiten, mit Abstand. Es war nahezu von Anfang an selbstverständlich, dass Blade Runner 2049 zumindest ein guter Film sein würde. Was blieb war die Frage, wie er im Vergleich mit seinem eigenen Vorgänger abschneiden würde.
Blade Runner 2049 folgt einem Androiden mit der Designation K (Ryan Gosling). 30 Jahre nach den Ereignissen von Blade Runner entstand eine neue Generation von Androiden, die unfähig zur Rebellion sein sollen, ihr Auftrag ist es, die übriggebliebenen Exemplare der älteren Generation zu exterminieren oder, wie es noch immer bezeichnet wird, "in den Ruhestand zu versetzen". Bei einem dieser Aufträge findet K die Überreste einer toten Androidin, die darauf hindeuteten, dass sie ein Kind zur Welt brachte, eine Erkenntnis, die große soziale Unruhen nach sich ziehen würde. K bekommt von seiner Vorgesetzten den Auftrag alle Beweise dafür zu vernichten und kommt dabei einem Geheimnis auf die Spur.
Blade Runner 2049 ist ein fast dreistündiger Film der sich mit nicht sehr großer Geschwindigkeit fortbewegt. Das tat sein Vorgänger auch nicht, allerdings war er dafür auch etwa 40 Minuten kürzer. Das, was je nach Perspektive die größte Stärke oder die größte Schwäche von Blade Runner 2049 ist, ist sein überwältigender Maximalismus. Er ist lang, laut, bildgewaltig und unglaublich ambitioniert. Es ist, als hätte Villeneuve sich so sehr in diese Welt verliebt dass er mehr und mehr Aspekte daran fand, die er damit erforschen wollte. K lebt in seinem Apartment mit einer holographisch dargestellten künstlichen Intelligenz namens JOI (Ana de Armas) zusammen. Ein größenwahnsinniger blinder Firmenchef (Jared Leto) und seine Handlangerin, Androidin Luv (Sylvia Hoeks) schmieden Pläne mit zur Fortpflanzung fähigen Androiden die Galaxie zu erobern. Unter den Androiden scheint sich eine Rebellion anzubahnen. Das sind nur einige von Zahlreichen Nebenhandlungen, manche davon nur angedeutet, die den Film durchziehen. Alle von Ihnen sind in das übergeordnete Thema des Verständnisses von Leben und Menschlichkeit eingebunden und alle von ihnen, oder zumindest die meisten, sind interessant aber ich würde zögern zu behaupten, dass für die Handlung selbst alle davon relevant sind. Was nicht heißt, dass sie nicht sehenswert sind. Die Beziehung zwischen K und Joi ist das emotionale Herzstück des Filmes. Joi ist ein faszinierender Charakter, eine perfekt, liebende Maschine, dazu konstruiert, emotionale Abhängigkeit zu schaffen. Der Film wertet die Beziehung zwischen ihr und K nicht aber er räumt ihr viel Zeit ein. Die Handlung selbst fängt die Film Noir Pastiche seines Vorgängers gut ein, auch wenn er ihr ebenfalls eine deutlich größere Dimension gibt. Die Antwort auf die treibende Frage des Filmes scheint bei dem verschollenen Rick Deckard zu liegen der für die ersten drei Viertes des Filmes nicht persönlich in Erscheinung tritt.
Im Mittelpunkt steht Gosling und Goslings Performance ist größtenteils sehr stark. Er wird seit Drive gerne einmal für seinen ausdruckslosen Stoizismus verspottet aber im Gegensatz zu, zum Beispiel, einem Keanu Reeves ist er schauspielerisch durchaus zu mehr in der Lage, wie seine unglaublich humorvolle Performance in Nice Guys gezeigt hat. K mag diesen Stereotyp bedienen, in dem er zumindest anfangs den kaltschnäuzigen Detektiv spielt, spätestens zu dem Zeitpunkt als die Ermittlungen beginnen, ihn persönlich zu betreffen erhält der Charakter emotionale Nuancen, die ihn zu mehr als nur seinen Archetypen machen. Harrison Ford kehrt im letzten Viertel des Filmes zurück und spielt Deckard nachvollziehbarer, als er es im alten Film jemals tat. Sylvia Hoeks stellt Joi mit einem Maß an Liebe und anteilnahme dar, die so intensiv und gleichzeitig so offensichtlich konstruiert ist. Das schwächste Glied der Kette ist Jared Leto als Niander Wallace, der Oligarch mit Allmachtsfantasien. Ich weiß nicht, was genau das Problem mit Jared Leto ist, so weit es mir bekannt ist, ist er ein unglaublich hingebungsvoller Method Actor, der sich voll in jede Rolle hineinversetzt, die er spielt aber er schafft es aus irgendeinem Grund trotzdem konsequent der schlechteste Aspekt jedes Filmes zu sein, in dem er mitspielt.
Visuell ist BR2049 ein offenes Schmuckkästchen aus unsagbar beeindruckenden Bildern, die denen aus dem Vorgänger um nichts nachstehen. Er erweckst seine Welt zum leben und weitet sie um ein vielfaches aus, ohne dabei jemals die visuellen Sensibilitäten des alten Filmes zu betrügen. Ich zweifelte für keinen Moment daran, das das, was ich sehe in der gleichen Welt spielt, in der es Blade Runner tat. Ich wünschte, ich könnte das gleiche über die Musik sagen. So viel Mühe sich das Arrangement von Hans Zimmer auch gibt, die Wahrheit ist: Im Herzen von BR2049 befindet sich ein klaffendes, Vangelis-förmiges Loch das alle Bemühungen von Zimmer nicht schließen können. Blade Runner hat einen meiner absoluten Lieblings Filmsoundtracks und leider bleibt sein Nachfolger sehr weit dahinter zurück. Und ich finde es ein wenig schade und ich gebe zu, dass es vermutlich ein wenig pedantisch ist, diesen Kritikpunkt so sehr in den Mittelpunkt zu stellen aber es ist ein Mangel, der auffällt, gerade in denen Momenten, in denen der Soundtrack des neuen Filmes den seines Vorgängers referenziert.
Blade Runner 2049 ist einer der besten und ambitioniertesten Science-Fiction Filme der letzten Jahrzehnte, ein monumentales Werk das zum Klassiker prädisponiert zu sein scheint. Er ist eine durchweg logische und natürlich wirkende Fortsetzung seines Vorgängers und die beiden Filme fühlen sich an, wie zwei Teile eines ganzen. Die Frage, die bleibt, ist folgende: Ist er besser als sein Vorgänger? Die Wahrheit ist, er ist größer, länger, ambitionierter, bildgewaltiger, thematisch reicher... und alles in allem, meiner Ansicht nach, geringfügig schwächer. Er hat nicht ganz den klaren Fokus, den Blade Runner hatte und kommt unter der Last seiner eigenen Ambition manchmal ins Stolpern. Ich möchte allerdings nicht den Eindruck erwecken, dass ihn das in irgendeiner Form nicht zu einem großartigen Film machen würde, auch wenn er ein wenig Geduld von seinen Zuschauern verlangt. Blade Runner 2049 ist alles in allem ein beeindruckendes Werk und ich zweifele nicht daran, dass viele ihn besser finden werden als seinen Vorgänger, das ist absolut legitim und aus mir mag nur die Nostalgie sprechen. Er ist ein mehr als würdiger Nachfolger und alle Kritik die ich habe, ändert nichts daran, wie froh ich bin, dass er existiert.