Ehrlich gesagt bin ich etwas verblüfft, dass eine der meistdiskutierten psychologischen Studien der letzten 10-15 Jahre hier so schulterzuckend aufgenommen wird Ich spreche mal ein paar Sachen einzeln an.
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Cichorium Intybus
Ich like nichts.
Mir ist die Studie aus der Zeitung bekannt, aber ich sehe ihren gesellschaftlichen Mehrwert nur begrenzt.
Gesellschaftlichen Mehrwert zutage fördern ist auch nicht gerade Ziel der Studie. Höchstens insofern als sie uns vor Augen führt, wie viel mehr unser Online-Nutzungsverhalten über uns Preis gibt, als wir vermuten oder explizit erwähnen. In gewisser Weise könnte man vielleicht sagen, dass der Mehrwert darin liegt, uns NutzerInnen zur Vorsicht zu mahnen. Und vielleicht kritisch zu hinterfragen, warum wir urplötzlich für dies&das Werbung zugeschickt bekommen
Ursprünglich ging es Kosinski aber nur darum, im Dienste der empirischen Wissenschaft zu zeigen, dass es da draußen eine gigantische Datensammlung für die Psychometrie gibt, die bisher nicht als solche erkannt&genutzt wurde.
Soll es mir Angst machen, dass Algorythmen mich besser einschätzen können, als mein Partner?
Nein, im Gegenteil, ich mag Überraschungen und wie das Leben, braucht auch Liebe den Faktor des Unbekannten.
Andersrum wird ein Schuh draus: Bedenklich ist nicht, dass in zwischenmenschlichen Beziehungen immer der "Faktor des Unbekannten" auftritt, sondern dass mich mittels eines Algorithmus wildfremde Menschen innerhalb von einer halben Stunde so gut kennenlernen können, dass sie daraufhin besser voraussagen können, wie ich in Situation xy reagieren werde, als meine engsten Freunde. Turings wahrgewordene Enigma-Maschine.
Kosinksi scheint darauf keine Antwort zu geben, er arbeitet halt einfach mutmaßlich "streng wissenschaftlich", sieht aber die moralischen Konsequenzen seiner Arbeit scheinbar nur bedingt.
Die anderen sehen sie dagegen sehr wohl und genau deshalb verstossen sie dagegen.
Naja, doch schon. Deswegen verkauft er seine Methode ja nicht an Konzerne. Nicht mal an andere Wissenschaftler. Der im EP verlinkte Artikel von "Das Magazin" erwähnt immer wieder, dass Kosinski beteuert, seine Methode nie an Dritte weitergegeben zu haben. Tatsächlich schreibt der sogar in seine Publikationen Warnhinweise, die auf die potenziellen Gefahren hinweisen und LeserInnen deswegen mahnen, "verantwortungsvoll" mit den Erkenntnissen umzugehen.
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Wocky
Ich frage mich. wie hoch die Trefferquoten wären, wenn einfach irgendwelche Leute andere Personen ebenfalls nach ihren Likes beurteilen würden. Einfach aus dem Bauch heraus. Ich denke, ziemlich hoch.
Tatsächlich gehen doch viele im Web ähnlich vor. Wenn mir ein User auffällt, dann checke ich sein Avatarbild, seinen Nick, einen Teil seiner Beiträge, sehe seine orthographischen Fähigkeiten, seine Ausdrucksweise usw., mache mir aufgrund all dessen ein Bild von dem Typen und würde wetten, oft ziemlich richtig zu liegen.
Sprich: So beeindruckend finde ich das alles nicht.
Natürlich kannst du auch selber Schlüsse ziehen aus Nutzerverhalten. So im Sinne einer qualitativen Untersuchung, wo du dir Profil für Profil einzeln anschaust und Vermutungen aufstellst. Kosinskis Methode ist allerdings quantitativ und maschinell automatisierbar. Cambridge Analytica hat für den US Wahlkampf derartige Nutzerprofile von allen amerikanischen Facebookprofilen erstellt. Mit einem Team von 15 Leuten. Rund 200 Millionen Profile.
Und dafür brauchen sie keine Bilder, keine Nicks, keine Avatare und keine stilistische Analyse. Sondern lediglich (je nach Fragestellung) 40 oder mehr Likes pro Person.
Die zweite Sache ist, dass Kosinskis Methode Kontexte und Korrelationen erkennt, die einem Normalsterblichen verborgen bleiben. Natürlich kann ich darauf tippen, dass du ein alternder, homosexueller, evangelischer Mann bist, wenn du Ikonen der 60s, die EKD und Village People likest. Einfach mal so ins Blaue geraten. Kosinkis Methode erkennt Indizien aber auch in wesentlich abstrakteren Hinweise, die wir als solche gar nicht erkennen würden. Also (einfach mal dahingesponnen) wenn du stattdessen Lindt, Hollandräder, Anselm Grün, den Nanga Parbat und die Knesset likest.
Es stünde dir natürlich frei, Kosinski anzuschreiben und ihm eine Wette vorzuschlagen: Du und deine Menschenkenntnis gegen seine Methode. Thing is, die Maschine wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nur Zusammenhänge erkennen, die du dir kontextuell nimmer erschließen kannst, sondern ihre Vermutung ist dann auch noch in 9 von 10 Fällen richtig. Und so gut sind selbst unter professionellen Profilern nur extrem wenige. Mal ganz abgesehen davon, dass ein Profiler für so eine Vermutung länger als ein paar Minuten braucht. Und mehr Daten.
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meditate
ich like auch. das sind vor allem klassische aufnahmen auf youtube. auf facebook like ich nur katzenbilder. was sagt das jetzt über mich? mehr like ich nicht.
trotzdem danke für diese information. ich kannte die noch nicht und werde mich damit weiter beschäftigen
Kosinskis Methode kann man an sich selbst ausprobieren via ApplyMagicSauce. Das ist Kosinskis webbasierter Test, den du mit deinem Social-Media-Profil fütterst. Wenn du also wirklich neugierig bist, probier es doch einfach mal aus