Gerade in diesen Tagen ist die Populismus-Debatte wieder allgegenwärtig. Nicht nur, weil immer mehr politische Parteien aus dem rechten Spektrum immer erfolgreicher werden, sondern auch weil vermeintlich etablierte Parteien, wie etwa die CDU/CSU, den Populismus stellenweise wieder für sich entdecken um damit auf Wählerfang zu gehen.
Laut Wikipedia ist Populismus "ein spezifischer Politikstil, eine Form der politischen Rhetorik bzw. Strategie zum Machterwerb"[1]. Zum anderen wird Populismus vor allem mit der "Vereinfachung" von komplexen Sachverhalten in Verbindung gebracht. Die These ist hierbei oft, dass Politiker und politische Kräfte, den Populismus deshalb bemühen, weil sie darüber hinwegtäuschen wollen, dass sie eigentlich auch keine Antworten/Lösungen für die genannten Probleme haben, aber dennoch durch die vereinfachte Darstellung der Sachlage, Menschen überzeugen können, die eine ähnlich einfaches Weltbild besitzen.
Aber schon in der Eingangsbeschreibung des Wikipedia-Artikels heißt es, ungewohnt differenziert:
"In der politischen Debatte ist Populismus oder populistisch ein häufiger Vorwurf, den sich Vertreter unterschiedlicher Richtungen gegenseitig machen, wenn sie die Aussagen der Gegenrichtung für populär, aber nachteilig halten. Man spricht dann auch von einem politischen Schlagwort bzw. „Kampfbegriff“."[1]
Und genau das ist mir aufgefallen, als ich gestern die "Heute Show" gesehen habe. Als die Frage aufkam "Was ist schlecht an einfachen Lösungen?", gab es darauf keine wirklich befriedigende Antwort. Es gibt in diesem Fall zumeist eine Standard-Reaktion, die von den meisten Menschen in solchen Debatten bemüht wird und auch schon häufig von einigen Schreibern hier im Forum genutzt wurde:
"Es gibt keine einfachen Lösung für komplexe Probleme!"
Die Frage die sich mir dabei aber so langsam aber sicher immer häufiger stellt, ist: Stimmt das wirklich? Vor allem frage ich mich, was will der Sender dieser Nachricht uns eigentlich genau sagen? Hat er sich tatsächlich umfassend und fundiert mit dem Problem befasst, hat er Studien recherchiert, hat er Lösungsansätze testweise umgesetzt? Ist er auf Basis von Fakten und Beweisen(die ja immer so hochgehalten werden) zu dieser Erkenntnis gekommen und steckt hinter diesem Satz wirklich der geballte, jahrelange Erfahrungsschatz des Sprechers?
Oder ist es eine hohle Phrase, die wir vor langer Zeit einmal gelernt haben und nun immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt, als eine Art Standard-Ausrede, als Totschlag-Argument, als Waffe gegen den Populismus, der mit seinen "einfachen Lösungen" als Bedrohung empfunden wird, weshalb es DRINGEND ein kraftvolles und markerschütterndes Gegenargument geben muss, dass den Populisten umgehend als dumm und den Sprecher dieses Satzes als zweiffelos und unangefochten "intellektuell" präsentiert?
Mir ist natürlich bewusst, dass ich diese beiden "Alternativen" natürlich sehr populistisch in Szene gesetzt habe. Und genau darum geht es mir: Ist der Populismus tatsächlich ein Ausdruck politischer Hilflosigkeit, eine Schein-Alternative zur "Alternativlosigkeit" komplexer Lösungsansätze, der nur darum verwendet wird, weil man zwangsläufig mit allen Mitteln seine "Andersartigkeit" propagieren muss, da man ansonsten ja nichts vorweisen könnte was man denn besser machen würde als der "politische Gegner"?
Ich persönlich bin mir da nicht mehr ganz so sicher. Mittlerweile erscheint mit diese "Nebulösität" der angeblich "komplexen Lösungsansätze" fadenscheinig und erinnert ein wenig an einen faulen Wissenschaftler, der an einem vermeitlich einfachen Problem Tage und Wochen verbringt und die eigentliche völlig simple Aufgabe mit Hilfe von intelektuellen Nebelkerzen so darstellt, als wäre es eine äußert komplexe Aufgabe, die mindestens noch mehrere Wochen dauern würde um sie zu lösen. Natürlich muss so ein "fiktiver" Wissenschaftler im Folgenden alles tun, um nicht "enttarnt" zu werden. Ein Kollege etwa, der darauf hinweist, dass die Aufgabe "eigentlich simpel ist und mit wenigen Handgriffen zu erledigen sei", muss dann natürlich irgendwie in seiner Glaubwürdigkeit geschwächt werden, sofern man nicht entarnt werden will. "Inkompetenz", "fehlende Weitsicht" und ein "elementares Unverständnis für die Komplexität des Problems" könnte man dem Kollegen vorwerfen, der die These vertritt, dass man das vermeintlich komplexe Problem doch einfacher hätte lösen können. Dies funktioniert vermeintlich nur dann wirklich erfolgreich, wenn der Entscheider(etwa der Chef) selbst kein Wissenschaftler ist, und somit gar nicht zweifelsfrei entscheiden kann, welcher von beiden Wissenschaftlern nun wirklich Recht hat.
Was ich damit sagen will ist, dass es schon seltsam anmutet, dass Politiker sich vom Populismus derartig angegriffen fühlen. So langsam kann ich gar nicht mehr zweifelsfrei sagen, ob das geschieht, weil die Gegner des Populismus sich um eine vernünftige, sachliche Situation bemühen oder ob sie nur davon ablenken wollen, dass die angeblich "komplexen Problem" eigentlich deutlich einfacher zu lösen seien, als sie zugegeben möchte. Vornehmlich natürlich aus niedrigen Beweggründe, etwa Macht- und Geldgier.
Die Frage die sich mir dabei stellt ist: Wie erkennen wir überhaupt, ob die angebliche "Komplexität" des Problems überhaupt vorliegt? Wie soll ein Durchschnittswähler erkennen können ob Problem X einfach zu lösen ist oder nicht? Sollen wir uns da auf das Bauchgefühl verlassen? Und wenn ja, was ist dann an Populismus und an den "einfachen Lösungen" so schlimm? Wenn es keine faktisch belegbare "Komplextät" gibt, die man dem Bürger argumentatorisch darlegen kann, dann kann der Vorwurf ja nicht sein, dass die vermeintlich populistische Ansichten des politischen Gegners komplett falsch wären und jedweder Grundlage entbehren würden?
Die Frage um die es geht ist also: Wie erkenne ich überhaupt zweifelsfrei Probleme, für die es nur komplexe Lösungen geben kann? Wie kann ich erkennen, ob ein Problem tatsächlich einfach zu lösen ist, obwohl das Gegenteil behauptet wird? Woher soll ich die Kompetenz nehmen, das unterscheiden zu können? Und ist Populismus automatisch immer als "unmoralisch" oder "verwerflich" zu bewerten, selbst wenn der Populist eigentlich für eine einfache Lösung wirbt, die nach der Durchführung sogar funktionieren würde?
Damit das Ganze nicht zu wahlos daherkommt, stelle ich mal ein Beispiel in den Raum. Ein angeblich "komplexes Problem" ist das Thema "Rente". Volker Pispers äußerte in einen seiner Sendungen einmal, dass das Rentenproblem tatsächlich eigentlich "einfach" zu lösen sei, indem man das Renten-System zu 100% umlagefinanziert organisiert. Alle Erwerbstätigen zahlen in einen großen Topf ein und alle Bürger die Anspruch auf Rente haben bekommen ihren Anteil aus diesem Rententopf. Ein einfaches, stabiles System. Denn: Egal wie es Deutschland geht, es wird immer Erwerbstätige geben. Das System kann gar nicht kaputt gehen. Denn nur wenn es keine Erwerbstätigen mehr gibt, würde das System krachen gehen. Aber dann haben wir eh andere Problem als die Frage, ob man von seiner Rente leben kann oder nicht. Soweit also die "Idee", die Volker Pispers in den Raum gestellt hat.
Nun sagen wir mal irgendein Politiker(oder ein Partei oder wer auch immer) würde diesen ja ohne Zweifel populistischen Vorschlag aufnehmen und versucht nun eine Mehrheit zu finden um dieses System umsetzen zu können. Nun also wieder die Frage von oben: Ich persönlich(und da spreche ich 100%tig für SEHR VIELE Menschen in Deutschland) sehe aufgrund meines Wissensstandes über das Renten-System kein Problem daran, sondern empfinde es als eine gute, stabiles, gerechte und zukunftsorientierte Lösung. Die etablierten Politiker sagen jetzt aber: "Der Vorschlag von Herr Pispers ist viel zu einfach gedacht und kann das komplexen Probleme der aktuellen Rentensituation in Deutschland nicht gerecht werden!"
Und hier ist dann die große Frage: Wie soll ich nun wissen, wer Recht hat? Warum sollte ich mich für die (aus meiner Sicht) nebulöse Aussage der etablierten Politiker entscheiden, wenn doch nach meinem persönlichen Verständnis, der Vorschlag von Herr Pispers nicht nur besser sondern auch noch gerechter klingt? Warum sollte ich mich also GANZ KONKRET gegen den Populismus entscheiden, wenn er doch aus meiner Sicht (gefühlt) die deutlich bessere Lösung darstellt und die andere Seite aus meiner Sicht nur irgendwelches Blabla äußert, das für mich keinen Wert und auch keinen Nutzen hat?
Ich bin gespannt auf eure Denkanstöße.
MfG Ulukai
[1] Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Populismus