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"Es gibt keine einfachen Lösung für komplexe Probleme!" - Ein Mythos?

  1. #1 Zitieren
    Held Avatar von Ulukai
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    Gerade in diesen Tagen ist die Populismus-Debatte wieder allgegenwärtig. Nicht nur, weil immer mehr politische Parteien aus dem rechten Spektrum immer erfolgreicher werden, sondern auch weil vermeintlich etablierte Parteien, wie etwa die CDU/CSU, den Populismus stellenweise wieder für sich entdecken um damit auf Wählerfang zu gehen.

    Laut Wikipedia ist Populismus "ein spezifischer Politikstil, eine Form der politischen Rhetorik bzw. Strategie zum Machterwerb"[1]. Zum anderen wird Populismus vor allem mit der "Vereinfachung" von komplexen Sachverhalten in Verbindung gebracht. Die These ist hierbei oft, dass Politiker und politische Kräfte, den Populismus deshalb bemühen, weil sie darüber hinwegtäuschen wollen, dass sie eigentlich auch keine Antworten/Lösungen für die genannten Probleme haben, aber dennoch durch die vereinfachte Darstellung der Sachlage, Menschen überzeugen können, die eine ähnlich einfaches Weltbild besitzen.

    Aber schon in der Eingangsbeschreibung des Wikipedia-Artikels heißt es, ungewohnt differenziert:

    "In der politischen Debatte ist Populismus oder populistisch ein häufiger Vorwurf, den sich Vertreter unterschiedlicher Richtungen gegenseitig machen, wenn sie die Aussagen der Gegenrichtung für populär, aber nachteilig halten. Man spricht dann auch von einem politischen Schlagwort bzw. „Kampfbegriff“."[1]

    Und genau das ist mir aufgefallen, als ich gestern die "Heute Show" gesehen habe. Als die Frage aufkam "Was ist schlecht an einfachen Lösungen?", gab es darauf keine wirklich befriedigende Antwort. Es gibt in diesem Fall zumeist eine Standard-Reaktion, die von den meisten Menschen in solchen Debatten bemüht wird und auch schon häufig von einigen Schreibern hier im Forum genutzt wurde:

    "Es gibt keine einfachen Lösung für komplexe Probleme!"

    Die Frage die sich mir dabei aber so langsam aber sicher immer häufiger stellt, ist: Stimmt das wirklich? Vor allem frage ich mich, was will der Sender dieser Nachricht uns eigentlich genau sagen? Hat er sich tatsächlich umfassend und fundiert mit dem Problem befasst, hat er Studien recherchiert, hat er Lösungsansätze testweise umgesetzt? Ist er auf Basis von Fakten und Beweisen(die ja immer so hochgehalten werden) zu dieser Erkenntnis gekommen und steckt hinter diesem Satz wirklich der geballte, jahrelange Erfahrungsschatz des Sprechers?

    Oder ist es eine hohle Phrase, die wir vor langer Zeit einmal gelernt haben und nun immer wieder gebetsmühlenartig wiederholt, als eine Art Standard-Ausrede, als Totschlag-Argument, als Waffe gegen den Populismus, der mit seinen "einfachen Lösungen" als Bedrohung empfunden wird, weshalb es DRINGEND ein kraftvolles und markerschütterndes Gegenargument geben muss, dass den Populisten umgehend als dumm und den Sprecher dieses Satzes als zweiffelos und unangefochten "intellektuell" präsentiert?

    Mir ist natürlich bewusst, dass ich diese beiden "Alternativen" natürlich sehr populistisch in Szene gesetzt habe. Und genau darum geht es mir: Ist der Populismus tatsächlich ein Ausdruck politischer Hilflosigkeit, eine Schein-Alternative zur "Alternativlosigkeit" komplexer Lösungsansätze, der nur darum verwendet wird, weil man zwangsläufig mit allen Mitteln seine "Andersartigkeit" propagieren muss, da man ansonsten ja nichts vorweisen könnte was man denn besser machen würde als der "politische Gegner"?

    Ich persönlich bin mir da nicht mehr ganz so sicher. Mittlerweile erscheint mit diese "Nebulösität" der angeblich "komplexen Lösungsansätze" fadenscheinig und erinnert ein wenig an einen faulen Wissenschaftler, der an einem vermeitlich einfachen Problem Tage und Wochen verbringt und die eigentliche völlig simple Aufgabe mit Hilfe von intelektuellen Nebelkerzen so darstellt, als wäre es eine äußert komplexe Aufgabe, die mindestens noch mehrere Wochen dauern würde um sie zu lösen. Natürlich muss so ein "fiktiver" Wissenschaftler im Folgenden alles tun, um nicht "enttarnt" zu werden. Ein Kollege etwa, der darauf hinweist, dass die Aufgabe "eigentlich simpel ist und mit wenigen Handgriffen zu erledigen sei", muss dann natürlich irgendwie in seiner Glaubwürdigkeit geschwächt werden, sofern man nicht entarnt werden will. "Inkompetenz", "fehlende Weitsicht" und ein "elementares Unverständnis für die Komplexität des Problems" könnte man dem Kollegen vorwerfen, der die These vertritt, dass man das vermeintlich komplexe Problem doch einfacher hätte lösen können. Dies funktioniert vermeintlich nur dann wirklich erfolgreich, wenn der Entscheider(etwa der Chef) selbst kein Wissenschaftler ist, und somit gar nicht zweifelsfrei entscheiden kann, welcher von beiden Wissenschaftlern nun wirklich Recht hat.

    Was ich damit sagen will ist, dass es schon seltsam anmutet, dass Politiker sich vom Populismus derartig angegriffen fühlen. So langsam kann ich gar nicht mehr zweifelsfrei sagen, ob das geschieht, weil die Gegner des Populismus sich um eine vernünftige, sachliche Situation bemühen oder ob sie nur davon ablenken wollen, dass die angeblich "komplexen Problem" eigentlich deutlich einfacher zu lösen seien, als sie zugegeben möchte. Vornehmlich natürlich aus niedrigen Beweggründe, etwa Macht- und Geldgier.

    Die Frage die sich mir dabei stellt ist: Wie erkennen wir überhaupt, ob die angebliche "Komplexität" des Problems überhaupt vorliegt? Wie soll ein Durchschnittswähler erkennen können ob Problem X einfach zu lösen ist oder nicht? Sollen wir uns da auf das Bauchgefühl verlassen? Und wenn ja, was ist dann an Populismus und an den "einfachen Lösungen" so schlimm? Wenn es keine faktisch belegbare "Komplextät" gibt, die man dem Bürger argumentatorisch darlegen kann, dann kann der Vorwurf ja nicht sein, dass die vermeintlich populistische Ansichten des politischen Gegners komplett falsch wären und jedweder Grundlage entbehren würden?

    Die Frage um die es geht ist also: Wie erkenne ich überhaupt zweifelsfrei Probleme, für die es nur komplexe Lösungen geben kann? Wie kann ich erkennen, ob ein Problem tatsächlich einfach zu lösen ist, obwohl das Gegenteil behauptet wird? Woher soll ich die Kompetenz nehmen, das unterscheiden zu können? Und ist Populismus automatisch immer als "unmoralisch" oder "verwerflich" zu bewerten, selbst wenn der Populist eigentlich für eine einfache Lösung wirbt, die nach der Durchführung sogar funktionieren würde?

    Damit das Ganze nicht zu wahlos daherkommt, stelle ich mal ein Beispiel in den Raum. Ein angeblich "komplexes Problem" ist das Thema "Rente". Volker Pispers äußerte in einen seiner Sendungen einmal, dass das Rentenproblem tatsächlich eigentlich "einfach" zu lösen sei, indem man das Renten-System zu 100% umlagefinanziert organisiert. Alle Erwerbstätigen zahlen in einen großen Topf ein und alle Bürger die Anspruch auf Rente haben bekommen ihren Anteil aus diesem Rententopf. Ein einfaches, stabiles System. Denn: Egal wie es Deutschland geht, es wird immer Erwerbstätige geben. Das System kann gar nicht kaputt gehen. Denn nur wenn es keine Erwerbstätigen mehr gibt, würde das System krachen gehen. Aber dann haben wir eh andere Problem als die Frage, ob man von seiner Rente leben kann oder nicht. Soweit also die "Idee", die Volker Pispers in den Raum gestellt hat.

    Nun sagen wir mal irgendein Politiker(oder ein Partei oder wer auch immer) würde diesen ja ohne Zweifel populistischen Vorschlag aufnehmen und versucht nun eine Mehrheit zu finden um dieses System umsetzen zu können. Nun also wieder die Frage von oben: Ich persönlich(und da spreche ich 100%tig für SEHR VIELE Menschen in Deutschland) sehe aufgrund meines Wissensstandes über das Renten-System kein Problem daran, sondern empfinde es als eine gute, stabiles, gerechte und zukunftsorientierte Lösung. Die etablierten Politiker sagen jetzt aber: "Der Vorschlag von Herr Pispers ist viel zu einfach gedacht und kann das komplexen Probleme der aktuellen Rentensituation in Deutschland nicht gerecht werden!"

    Und hier ist dann die große Frage: Wie soll ich nun wissen, wer Recht hat? Warum sollte ich mich für die (aus meiner Sicht) nebulöse Aussage der etablierten Politiker entscheiden, wenn doch nach meinem persönlichen Verständnis, der Vorschlag von Herr Pispers nicht nur besser sondern auch noch gerechter klingt? Warum sollte ich mich also GANZ KONKRET gegen den Populismus entscheiden, wenn er doch aus meiner Sicht (gefühlt) die deutlich bessere Lösung darstellt und die andere Seite aus meiner Sicht nur irgendwelches Blabla äußert, das für mich keinen Wert und auch keinen Nutzen hat?

    Ich bin gespannt auf eure Denkanstöße.


    MfG Ulukai

    [1] Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Populismus
    "In 20 Jahren wirst Du dich mehr ärgern über die Dinge, die du nicht getan hast, als über die, die du getan hast. Also wirf die Leinen und segle fort aus deinem sicheren Hafen. Fange den Wind in deinen Segeln. Forsche. Träume. Entdecke." (Mark Twain)
    Ulukai ist offline Geändert von Ulukai (26.11.2016 um 15:09 Uhr)

  2. #2 Zitieren
    General Avatar von Harvald
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    Ich halte die Aussage "es gibt keine einfachen Antworten auf komplexe Fragen" im Grunde für eine bewusste Herabsetzung des Gegenübers, dessen Antwort herabgesetzt werden soll.

    Es ist die Frage, die früher bevor dieses neumodische Wortkonstrukt geschaffen wurde mit dem "gordischen Knoten" beschrieben wurde, der unentwirrbar war. Wie wir alle wissen hat Alexander der Grosse, zumindest der Legende nach, das Problem gelöst, indem er den Knoten einfach zerschnitt. Es war eine "gewaltsame" Lösung zugegeben, aber es war eine Lösung.

    Ich gebe zu die Probleme der modernen Welt sind weit komplexer als der gordische Knoten, aber schon die Behauptung man selbst sei, im Gegensatz zum Gegenüber, in der Lage die Komplexität des Problemes auch nur besser zu erkennen, ist eine Fehleinschätzung und unzulässige Selbstüberschätzung.
    Harvald ist offline

  3. #3 Zitieren
    Sergej Petrow
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    MMn kann man komplexe Themen daran erkennen, dass selbst Experten unterschiedlichste Lösungsansätze sehen. Wenn es einfache Lösungen gäbe, muss man erkennen, dass jeder diese Lösung findet. Es gäbe unzweifelhaft keinen Streit unter den Experten oder deutlich weniger Streit. Derartige Probleme sind auch schlecht für Ideologien. Ein Missbrauch ist schlicht weg nicht möglich.

    Kommen aber mehr und mehr Parameter hinzu, dann wird es zum komplexen Problem. Für Menschen nicht mehr durchdringbar. Hier wird es viele Lösungen geben, auch Lösungen nach unterschiedlichen Ideologien. Nehmen wir mal die EU mit den vielen unterschiedlichen Ländern oder auch einfach nur das Wetter, wenn man langfristige Prognosen haben will.

    Also ich glaube nicht, dass es einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt. Das ist doch gerade der Punkt, dass es so viele Parameter gibt. Der, der eine einfache Lösung präsentiert, möchte uns sagen, dass er alles berücksichtigt hat. Warum kommen dann aber die anderen nicht drauf, dass es so eine einfache Lösung gibt?
    Ein Punkt bei komplexen Problemen ist doch oftmals auch, dass es überhaupt schwierig ist, einen richtigen Weg zu finden. Viele Lösungen, die präsentiert werden, können richtig sein, auf ihrer weise oder aber aus der Sicht einer Ideologie heraus. Es werden für komplexe Probleme unterschiedliche Ziele präsentiert. Aber welches Ziel soll jetzt richtig sein oder ist es nur abhängig von einer Ideologie, welches Ziel erreicht werden soll. Wenn das aber so ist, ist das auch ein indirekter Beweis dafür, dass es keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme gibt, da es weniger auf das Problem ankommt, sondern mehr auf das Ziel, welches erreicht werden soll.

  4. #4 Zitieren
    Trillionär  Avatar von void
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    Zitat Zitat von Sergej Petrow Beitrag anzeigen
    MMn kann man komplexe Themen daran erkennen, dass selbst Experten unterschiedlichste Lösungsansätze sehen. Wenn es einfache Lösungen gäbe, muss man erkennen, dass jeder diese Lösung findet. Es gäbe unzweifelhaft keinen Streit unter den Experten oder deutlich weniger Streit. Derartige Probleme sind auch schlecht für Ideologien. Ein Missbrauch ist schlicht weg nicht möglich.
    Das scheint mir falsch.
    Denn je stärker ein Thema zum Beispiel ideologisch, emotional oder ethisch aufgeladen/vorbelastet ist, desto unkarer wird die ganze Sache obwohl Ideologie und Werteinstellungen eigentlich nichts mit der Komplexizität eines Themas zu tun haben müssen - es sind also auch andere Faktoren als nur die Komplexität eines Themas dafür verantwortlich, dass unterschiedliche Lösungsansätze entstehen und vertreten werden. Überall da, wo der Mensch verschiedene Faktoren und Aspekte eines Problems beurteilen und bewerten muss, da bewertet er sie gerne auch auf viele Arten.
    void ist offline

  5. #5 Zitieren
    Deus Avatar von thefilth
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    Die Komplexität eines Problems ist abhängig von der Komplexität der einfachsten Lösung. Ergo kann ein komplexes Problem keine einfache Lösung haben.
    thefilth ist offline

  6. #6 Zitieren
    Ehrengarde Avatar von Thorn1030
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    Nach meiner gemachten Erfahrung, können Lösungen verhältnismäßig einfach sein. Die Wahrheit oder bestimmte Sachverhalte sind meist komplizierter als sie auf den ersten Blick scheinen, aber Lösungen... können einfach sein. Hinter der gegenteiligen Ansicht steckt mMn, das sich die meißten Menschen von den oftmals komplexeren Problemen eben regelrecht die Sicht vernebeln lassen. Um in erstmal undurchsichtigen Sachlagen trotztdem den Überblick zu behalten, bedarf es schon eines ziemlich straff durchstrukturierten, analytisch arbeitenden Verstandes. Den haben die meißten aber nicht.

    Statt dessen wird so gut wie jedes Problem auch noch statt mir dem Kopf "nach Bauchgefühl" angegangen. Sicher werden einfache Lösungen so auch gefunden; aber eben keine die funktioniert. Das Ergebniss ist dann die Überzeugung, daß keine existiert.

    Zitat Zitat von thefilth Beitrag anzeigen
    Die Komplexität eines Problems ist abhängig von der Komplexität der einfachsten Lösung.
    Sehe ich anders. Was hälst du statt dessen hiervon: Die Komplexität eines Problems definiert sich nach dem Grad der intellektuellen Leistung, die aufgewandt werden muß um eine praktikable Lösung zu finden. Nach meiner Erfahrung ist es so.

    Die gefundene Lösung kann dann selbst komplex oder einfach sein, der Grad ihrer Komplexität ist jedoch unabhängig von der Komplexität des Problems.
    Thorn1030 ist offline

  7. #7 Zitieren
    Deus Avatar von Pursuivant
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    Zitat Zitat von Ulukai Beitrag anzeigen
    Damit das Ganze nicht zu wahlos daherkommt, stelle ich mal ein Beispiel in den Raum. Ein angeblich "komplexes Problem" ist das Thema "Rente". Volker Pispers äußerte in einen seiner Sendungen einmal, dass das Rentenproblem tatsächlich eigentlich "einfach" zu lösen sei, indem man das Renten-System zu 100% umlagefinanziert organisiert. Alle Erwerbstätigen zahlen in einen großen Topf ein und alle Bürger die Anspruch auf Rente haben bekommen ihren Anteil aus diesem Rententopf. Ein einfaches, stabiles System. Denn: Egal wie es Deutschland geht, es wird immer Erwerbstätige geben. Das System kann gar nicht kaputt gehen. Denn nur wenn es keine Erwerbstätigen mehr gibt, würde das System krachen gehen. Aber dann haben wir eh andere Problem als die Frage, ob man von seiner Rente leben kann oder nicht. Soweit also die "Idee", die Volker Pispers in den Raum gestellt hat.

    Nun sagen wir mal irgendein Politiker(oder ein Partei oder wer auch immer) würde diesen ja ohne Zweifel populistischen Vorschlag aufnehmen und versucht nun eine Mehrheit zu finden um dieses System umsetzen zu können. Nun also wieder die Frage von oben: Ich persönlich(und da spreche ich 100%tig für SEHR VIELE Menschen in Deutschland) sehe aufgrund meines Wissensstandes über das Renten-System kein Problem daran, sondern empfinde es als eine gute, stabiles, gerechte und zukunftsorientierte Lösung. Die etablierten Politiker sagen jetzt aber: "Der Vorschlag von Herr Pispers ist viel zu einfach gedacht und kann das komplexen Probleme der aktuellen Rentensituation in Deutschland nicht gerecht werden!"

    Und hier ist dann die große Frage: Wie soll ich nun wissen, wer Recht hat? Warum sollte ich mich für die (aus meiner Sicht) nebulöse Aussage der etablierten Politiker entscheiden, wenn doch nach meinem persönlichen Verständnis, der Vorschlag von Herr Pispers nicht nur besser sondern auch noch gerechter klingt? Warum sollte ich mich also GANZ KONKRET gegen den Populismus entscheiden, wenn er doch aus meiner Sicht (gefühlt) die deutlich bessere Lösung darstellt und die andere Seite aus meiner Sicht nur irgendwelches Blabla äußert, das für mich keinen Wert und auch keinen Nutzen hat?

    Ich bin gespannt auf eure Denkanstöße.


    MfG Ulukai

    [1] Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Populismus
    Die Idee von Herrn Pispers klingt auf Anhieb bestechend einfach, ändert aber nichts am demographischen Problem und ist nicht zu Ende gedacht.

    Bsp.: Jemand erzielt ein Einkommen von 1 Million Euro. Er müsste davon (aufgerundet) 200.000 in die Rentenkasse einzahlen.
    Sobald er verrentet ist, bezieht er aber eine Rente von (gerundet) 500.000 Euro. Was ändert das an den klammen Kassen?
    2. Problem sind die Beamten. Sie zahlen einen fiktiven Betrag in einen Pensionsfond ein. Dummerweise gibt es diesen Fond nicht mehr, weil sich der Staat bei klammer Kassenlage immer daraus bedient hat - letztendlich wurden die Fonds aufgelöst, weil eh nie Geld darin angesammelt wurde. Man müsste Millionen von Beamten nachversichern, bloß mit welchem Geld?

    Es müsste auch 2 Kappungsgrenzen geben, einmal einen Höchstbeitrag den jemand einzahlen muss, und einmal bei der Rentenhöhe, die letztendlich ausgezahlt wird. In den meisten Ländern, die ein stabiles Rentensystem haben, gibt es diese Grenzen. In der Schweiz liegt die Höchstrente bei um die 3.000 Euro, egal wie viel man eingezahlt hat.
    Als weiteres müssten die versicherungsfremden Leistungen (Geschenke ans Stimmvieh) wieder herausgenommen werden und aus dem Steuertopf bezahlt werden.

    Meiner bescheidenen Meinung nach gibt es keine einfachen Lösungen, sondern nur gute oder schlechte Lösungen eines Problems.
    Pursuivant ist offline

  8. #8 Zitieren
    Held Avatar von Ulukai
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    Zitat Zitat von Sergej Petrow Beitrag anzeigen
    MMn kann man komplexe Themen daran erkennen, dass selbst Experten unterschiedlichste Lösungsansätze sehen.
    Ja, das ist schon richtig. Experten sehen "unterschiedliche" Lösungsansätze. Das schließt ja nicht aus, dass ein "einfacher" Lösungsansatz auch unter diesen Lösungsansätzen ist.

    Bitte nicht verwechseln: Eine "einfache Lösung" heißt ja KEINESFALLS, dass diese Lösung dann die "einzig richtige" Lösung ist. Sie ist natürlich auch nur eine von vielen Lösungsansätzen. Worum es mir geht ist, dass einfachen Lösungsansätzen ja oft überhaupt die Gleichberechtigung zu "komplexen Lösungen" abgesprochen wird, eben so, als wäre es "trivialerweise" GAR KEINE Lösung. Und das ist es ja, was ich anzweifle.


    Zitat Zitat von Sergej Petrow Beitrag anzeigen
    Kommen aber mehr und mehr Parameter hinzu, dann wird es zum komplexen Problem. Für Menschen nicht mehr durchdringbar. Hier wird es viele Lösungen geben, auch Lösungen nach unterschiedlichen Ideologien. Nehmen wir mal die EU mit den vielen unterschiedlichen Ländern oder auch einfach nur das Wetter, wenn man langfristige Prognosen haben will.
    Du sagst es schon richtig. Es geht um "Parameter". Allerdings sehe ich hier den Denkfehler: Die Parameter haben ja nichts damit zu tun ob die Lösung komplex oder einfach ist. Sondern diese werden erst im nächsten Schritt als Maßstab herangezogen um die Lösungsidee zu bewerten, im Spiegel vielfältiger Gesichtspunkte. Nur leider lösen zuviele Maßstäbe, Parameter und Bedingungen Lösungssuche irgendwann immer weiter auf, woran mMn auch das ganze demokratische System krankt. Man versucht alles unter einen Hut zu kriegen, keinen zu beleidigen, keinen zu benachteiligen und keinen wirtschaftlichen Super-GAU auszulösen, weshalb man dann irgendwann keine Lösung mehr sieht, bzw. es dann irgendwann WIRLICH keine Lösung mehr gibt, weil man aus dem Gewirr aus Bedingungen keine Lösung mehr erkennt.

    Und da finde ich Harvalds Metapher mit dem gordischen Knoten eigentlich wieder sehr passend: Der Knoten gilt als unentwirrbar, also schneidet Alexander der Große den Knoten einfach mit einem Hieb durch. Angewendet auf die Realität heißt das also:

    "Es gibt einfache Lösungen für komplexe Probleme, aber diese haben ihren Preis."

    So ist meine These zu dem Thema.

    Zitat Zitat von Sergej Petrow Beitrag anzeigen
    Der, der eine einfache Lösung präsentiert, möchte uns sagen, dass er alles berücksichtigt hat. Warum kommen dann aber die anderen nicht drauf, dass es so eine einfache Lösung gibt?
    Das glaube ich nicht. Jemand der einfache Lösungen präsentiert hat sich z.T. oder vollständig von dem (meist utopischen) Streben verabschiedet, zu versuchen, ALLEN gerecht zu werden, es ALLEN recht zu machen, ALLES und JEDEN zu berücksichtigen und hat erkannt, dass zur Lösung von großen Problemen, es auch oft notwendig ist, schmerzhafte Konsequenzen zu erdulden, weil es manchmal einfach notwendig ist. Und ja das heißt auch manchmal, dass Menschen darunter leiden müssen, was nicht schön ist, aber manchmal leider unvermeintlich, sofern man ein Problem tatsächlich lösen will.

    Nur das kann man den Menschen eben sehr schlecht verkaufen. Nehmen wir mal die Linke als gemäßigteres Beispiel: Die Linke hat erkannt, dass man nicht drumrum kommt, sich mit den Reichen anzulegen, wenn man bestimmte soziale und gesellschaftliche Probleme lösen will. Und die Konsequenz ist natürlich, dass man einige Probleme und Konsequenzen erdulden muss, die folgen würden, wenn die LINKE anfangen würde, die Reichen stärker zu besteuern. Die LINKE ist aber (laut eigener Aussage) bereit dieses Risiko einzugehen, trotz der drohenden Konsequenz. Aber mein Eindruck ist, dass die etablierten Politiker dazu eben nicht bereit sind, ebenso wenig viele Menschen in Deutschland, denen es dann natürlich während der Übergangszeit im schlimmsten Fall noch schlechter gehen könnte als jetzt. Und natürlich würde ich das auch scheiße finden, wenn ich plötzlich als Konsequenz der Politik der LINKE entlassen werden würde, weil mein Arbeitgeber in Folge der höheren Besteuerung Einsparung vornehmen würde. Aber hier ist dann die Frage nach der Konsequenz eines Menschen: Wenn ich ein Problem lösen will, muss ich mit den Konsequenzen rechnen. Und die können von "ertragbar" bis hin zu "schmerzhaft" reichen.

    Darum erneut: Ich habe den Eindruck, dass das Verneinen von "einfachen Lösungen", eher das Flüchten und die Angst vor drohenden Konsequenzen ist, als das Verneinen der Lösung an sich.


    MfG Ulukai
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    Ulukai ist offline Geändert von Ulukai (27.11.2016 um 12:31 Uhr)

  9. #9 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Meiner Meinung nach kann man die Frage, ob es einfache Lösungen für komplexe Probleme gibt nicht wirklich verallgemeinert stellen. Es kommt eben auf den Einzelfall an, auf die Art des Problems und die Art der Komplexität. In aller Regel sind Probleme deshalb komplex, weil ihre Ursachen vielschichtig sind. Um den vielschichtigen Ursachen Rechnung zu tragen, müssen in aller Regel auch die Lösungsansätze vielschichtig sein, bzw. unterschiedliche Aspekte berücksichtigen. Dass es im Einzelfall gute und einfache Lösungsansätze geben kann, die trotz ihrer Einfachheit den vielschichtigen Ursachen Rechnung tragen, kann durchaus sein. Häufiger wird man jedoch den Fall haben, dass ein komplexes Problem auch komplexe Lösungsansätze erfordert.

    Darüber hinaus stellt sich dann weitergehend die Frage, was man grundsätzlich als Lösung zulässt und was nicht. Das Problem an populistischen Lösungen ist nicht nur die Suggestion der Einfachheit, sondern auch das, wogegen sich populistische Lösungsansätze zumeist wenden; nämlich gegen Menschen und nicht gegen systembedingte Fehler. Es geht in aller Regel um Feindbilder und um die Instrumentalisierung solcher Feindbilder. Unternimmt man etwas gegen die Feinde, so der Populismus, ergeben sich auch die Probleme. Ein typisches Beispiel hierfür ist das so oft bemühte „hart durchgreifen“. In Tendenz wird man die Maxime des „hart Durchgreifens“ meistens immer nur sehr themenspezifisch finden und nicht grundsätzlich:
    „Islamisten? Hart durchgreifen, mit allen Mitteln! Rechtsradikale? Hm, naja, woher kommt denn das Problem mit den Rechtsradikalen? Da müssen auch einfach mal wieder Brücken zu den abgehängten Menschen geschlagen werden!“

    Oder auch anders: „Rechtsradikale? Grundsätzlich ausgrenzen und klare Front zeigen. Währet den Anfängen! Linksradikale? Ja gut, was ist damit jetzt gemeint? Da muss man ja differenzieren. Es gibt eben solche und solche!“

    „Hart durchgreifen“ betrifft als Handlungsmaxime eben meistens die andere Seite. Sexuelle Belästigung mit Muslimen als Täter? Da müssen wir alle Macht des Gesetzes ausschöpfen! Verschärfung des Sexualstrafrechts an sich? Naja, man muss es ja auch nicht übertreiben…

    Wer einfache Lösungen für komplexe Probleme findet, die auch tatsächlich allgemeingültige Lösungen sind, die nicht nur situativ sind sondern eben auch im Sinne einer Gesellschaftsordnung grundsätzlich wünschenswert sind, dem sollte man in jedem Fall Gehör schenken. Wenn der Reiz der einfachen Lösung aber allein darin besteht, dass sie einfach ist und einem erspart, sich über weitere Aspekte Gedanken zu machen, dann wird daraus selten etwas Wünschenswertes folgen.
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    Jean-Luc Picard ist offline

  10. #10 Zitieren
    General Avatar von Harvald
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    Nach meiner Ansicht ist das schon der falsche Ansatz Jean Luc.

    Es geht nicht nach dem Motto "wasch mich aber mach mir den Pelz nicht nass". Das ist genau der Ansatz, den diese Denkweise zugrundelegt. Man muss aber gelegentlich Entscheidungen treffen. Diese Entscheidungen haben Konsequenzen und Nebenwirkungen, wie der Brexit. Die sind auch negativ, wie wir am AfD sehen, der eine Nebenwirkung von Bankenkrise und Flüchtlingspolitik ist. Die muss man dann aber auch zu tragen bereit sein. Da sehe ich eine eklatant fehlende Bereitschaft. Sie können immer nur lamentieren und jammern.

    Im Augenblick habe ich verstärkt den Eindruck, dass die Politik ihre Entscheidungsschwäche hinter solchen Leerformeln versteckt. Niemand hat den Mut zu sagen, was es bedeutet und was es kosten wird.

    Ob in der Rentenpolitik in der Flüchtlingspolitik, ub der Griechenlandkrise oder bei der Bankenrettung und der aktuellen EU-Krise.
    Harvald ist offline

  11. #11 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Harvald
    Nach meiner Ansicht ist das schon der falsche Ansatz Jean Luc.
    Der falsche Ansatz für was? Was ich beschrieben habe betraf die Frage nach komplexen Problemen und einfachen Lösungen. Und es betraf die typische Inkonsequenz, die man gerne bei radikalen oder populistischen Vertretern aller Couleur finden kann.

    Inwieweit einzelne Politiker, Parteien oder andere Interessenverbände, die in der Politik mitmischen ehrlich sind und sich zunächst um Notwendigkeiten kümmern anstatt um den Erhalt des eigenen Einflusses ist ein ganz anderes Thema, was zum einen ebenfalls alle Lager betrifft und was zum anderen sowohl für Probleme mit einfachen als auch für Probleme mit komplexen Lösungen gilt.
    [Bild: enterprise_d.gif]
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  12. #12 Zitieren
    General Avatar von Harvald
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    Dann habe wir uns wohl zumindest teilweise missverstanden.

    nach meiner Ansicht ist es zwar richtig eine bestimmte Anzahl von signifikanten Problemen in eine politische Betrachtung mit einzubinden, aber die Tendenz zu versuchen wirklich jeden x-beliebigen Faktor in eine Entscheidungsfindung einzubinden führt zwangsläufig zu einem Mangel an Entscheidung.

    Wie bei einem Medikament muss man bestimmte Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Ein solcher Ansatz ist in meinen Augen eben nicht populistisch, sondern zeugt von Lösungskompetenz.

    Es gäbe nicht eine Kopfschmerztablette, wenn die möglichen und die mit Sicherheit eintretenden Nebenwirkungen die Forscher abgehalten hätten, diese zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

    Auch die Bewertung der Bedeutung der mit Sicherheit oder wahrscheinlich eintretenden Nebenwirkungen ist individuell unterschiedlich. Wenn man wie augenblicklich sagt, die Verdopplung der Einbruchskriminalität aufgrund der Schengenregelungen sei akzeptabel ist dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten vielleicht richtig, bezogen auf den Bürger aber falsch.

    Insoweit ist die Behauptung die Komplexität der Probleme würde, die von den angeblichen Populisten vorgebrachten Lösungsansätze, verhindern, zwar grundsätzlich richtig, aber im Bezug auf eine Lösung des Problemes ineffektiv.

    Auf die Flüchtlingsfrage bezogen war die Behauptung, man müsse dann auf Flüchtlinge schießen, z.B. eine Nebenwirkung, die von interessierten Kreisen aufgestellt wurde, die aber in der Praxis zumindest in den abgelaufenen 6 Monaten nicht eingetreten ist. Insoweit sind für mich auch die Leute, die solche Nebenwirkungen behaupten, Populisten. Es wird eine Komplexität vorgetäuscht, die nicht existiert.

    Auch die Politik Erdogans oder Putins basiert auf solchen Überlegungen. Die Positionen sind so stark weil sie bereit sind die Konsequenzen zu tragen. Insoweit ist die einfache Lösung stets mit Konsequenzen verbunden, die man auch zu tragen bereit sein muss, aber sie stellen eine Lösung dar, folgend dem alten Grundsatz: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
    Harvald ist offline Geändert von Harvald (28.11.2016 um 12:47 Uhr)

  13. #13 Zitieren
    General Avatar von Cichorium Intybus
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    Zitat Zitat von Harvald Beitrag anzeigen
    Wie bei einem Medikament muss man bestimmte Nebenwirkungen in Kauf nehmen. Ein solcher Ansatz ist in meinen Augen eben nicht populistisch, sondern zeugt von Lösungskompetzenz.

    Es gäbe nicht eine Kopfschmerztablette, wenn die möglichen und die mit Sicherheit eintretenden Nebenwirkungen die Forscher abgehalten hätten, diese zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.

    .
    Nur das Medikamente unter strengen Auflagen sehr lange und finanziell aufwendig geprüft werden, gerade eben auch weil man die Nebenwirkungen kennen und den Nutzen abwägen muss, während der hier beschriebene politische (populistische) Weg eben genau dies nicht - gründlich, geschweige denn auf Schadensminierung fixiert.

    Der Vergleich hinkt daher.
    Cichorium Intybus ist offline

  14. #14 Zitieren
    Mythos
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    Die Reichen wollen nicht die einfache Lösung, dass es eine existenzsichernde Mindestrente gibt, also ist sie angeblich "unterkomplex". Und den Pensionären will man auch nicht die viel zu hoch (im Schnitt etwa um 1000 Euro/Monat gegenüber anderen Arbeitnehmern) angesetzten Pensionen - die uns jetzt schon erdrücken - kürzen. Dem Beamtenbund wäre dieses sicherlich "unterkomplex" oder "keine Antwort auf das demografische Problem". Nun, da man dieses simple Problem mit noch so komplexen Lösungen nicht besser als mit Kürzung gelöst bekommt, zumal es gerecht wäre und deswegen niemand einen Mangel erleiden müsste, ist es doch ganz einfach. Der TE trifft den Nagel wohl auf den Kopf.
    jabu ist offline

  15. #15 Zitieren
    Starfleet's Finest  Avatar von Jean-Luc Picard
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    Zitat Zitat von Harvald
    Dann habe wir uns wohl zumindest teilweise missverstanden.
    Kann sein, nachdem was ich bei Dir lese scheint es mir aber weniger um Missverständnisse zu gehe sondern eher darum, dass Du das Grundthema eben nur auf die für Dich entscheidenden Themen anwendest und Dich nicht darum scherst, dass die Lösung von Problemen kein willkürliches Ausprobieren sein darf, sondern an grundsätzliche Regeln gebunden sein muss. Aus demselben Grund scheint für Dich ein Verweis auf Putin und Erdogan auch irgendwie Sinn zu ergeben, während mir jeglicher konstruktive Ansatz diesbezüglich abgeht.

    Wie ich bereits sagte, bei der Frage nach der Komplexität von Lösungen und Problemen muss immer noch der Einzelfall entscheidend sein. Weder kann ich sagen, dass es immer nur komplexe Lösungen geben kann, noch kann ich sagen, dass die Forderung nach komplexen Lösungen eine Ausweichstrategie sei.

    Zitat Zitat von Harvald
    Auch die Politik Erdogans oder Putins basiert auf solchen Überlegungen. Die Positionen sind so stark weil sie bereit sind die Konsequenzen zu tragen. Insoweit ist die einfache Lösung stets mit Konsequenzen verbunden, die man auch zu tragen bereit sein muss, aber sie stellen eine Lösung dar, folgend dem alten Grundsatz: Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.
    Ironischerweise ist genau das Gegenteil der Fall. Was Putin als Machtapparat installiert hat und was Erdogan gerade erfolgreich errichtet ist gerade nicht das Ende mit Schrecken, sondern der Schrecken ohne Ende!

    Ihre Positionen sind nicht „stark“, sie sind schlicht erzwungen, ungeachtet wem sie gefallen und wem nicht. Konsequenzen, wie Du so nebulös schreibst, bedeutet bei Putin und Erdogan ganz simpel nur Unterdrückung von Opposition. Es geht nicht um sachbezogene Eloquenz, sondern um machtbezogene Eloquenz. Und ich persönlich bin eigentlich ganz froh, dass hier bei uns die machtbezogene Eloquenz noch nicht ganz so effektiv betrieben wird, wie in der Türkei oder in Russland...
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    Jean-Luc Picard ist offline

  16. #16 Zitieren
    General Avatar von Cichorium Intybus
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    Zitat Zitat von Jean-Luc Picard Beitrag anzeigen
    Ironischerweise ist genau das Gegenteil der Fall. Was Putin als Machtapparat installiert hat und was Erdogan gerade erfolgreich errichtet ist gerade nicht das Ende mit Schrecken, sondern der Schrecken ohne Ende!

    Ihre Positionen sind nicht „stark“, sie sind schlicht erzwungen, ungeachtet wem sie gefallen und wem nicht. Konsequenzen, wie Du so nebulös schreibst, bedeutet bei Putin und Erdogan ganz simpel nur Unterdrückung von Opposition. Es geht nicht um sachbezogene Eloquenz, sondern um machtbezogene Eloquenz. Und ich persönlich bin eigentlich ganz froh, dass hier bei uns die machtbezogene Eloquenz noch nicht ganz so effektiv betrieben wird, wie in der Türkei oder in Russland...
    Vollste Zustimmung an dieser Stelle.
    Der Wunsch nach dem "starken Mann im Staat" ist nichts anderes, als der Ruf nach einem Despoten und hat mit Demokratie absolut nichts mehr zu tun.
    Cichorium Intybus ist offline

  17. #17 Zitieren
    Mythos
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    Einfache Probleme, für die es einfache Lösungen geben kann, werden oftmals erst von der Politik verkompliziert, indem sie Partikularinteressen durchsetzt, für deren Verschleierung, Rechtfertigung und Umsetzung man sich gerissener Winkelzüge bedient.

    Nur wenige Beispiel von vielen:

    Sagen wir, die Dobrindtsche Maut setzt sich durch. Dann haben wir komplizierte Gesetze, eine noch viel kompliziertere Infrastruktur, kompliziertes Handeln der Menschen, Milliarden an Kosten und lediglich verschobene Gelder bei Null Wertschöpfung, wo noch lange nicht derjenige die Musik bezahlt, der sie bestellt, sondern auch Deutsche, die ihre KFZ-Steuer durchs Hintertürchen erhöht (bei vielen rund verdoppelt) bekommen, nur weil sie ein altes Auto in der Garage stehen haben.

    Oder man sehe sich die ebenfalls ungerechte freiwillige Krankenversicherung der Selbständigen und Erwerbslosen an, wo u.a. wegen einer unteren Bemessungsgrenze einkommensunabhängige Pauschalen gezahlt werden. Das System ist mathematisch falsch, kompliziert und ungerecht.

    Oder man sehe sich die ebenfalls mathematisch falsche und ungerechte Steuergesetzgebung an. Damit meine ich nicht die Progression, die es geben muss, sondern solche Ecken, wo die 1-%-Regelung auf den Neuwert des betrieblich genutzten Fahrzeuges gerechnet wird, obwohl du ein altes aus deinem Privateigentum eingelegt hast. In der Fiskalmathematik gibt es also keine Gebrauchtwagen (Bei deiner alten Karre wird dir fiktiv unterstellt, es wäre ein Neuwagen), weshalb du angeblich einen zu versteuernden Vorteil von mehreren hundert Euro monatlich hast, wenn du deine 200-Euro-Karre betrieblich nutzt, für die mal vor dreißig Jahren ein anderer zigtausend Mark bezahlt hat, was dir doch keinen einkommensgleichen Vorteil bescheren kann (er entstünde erst in relevantem Ausmaß, wenn du die Karre exorbitant teuer restaurieren ließest und dieses als Betriebsausgabe geltend machtest). Nach Fiskalmathematik ist das aber so, sodass dich ein Gebrauchtwagen finanziell ruiniert, da er dir wie ein Neuwagen angerechnet wird. Du musst also einen Neuwagen anschaffen, wenn du eine Dönerbude hast. Diese komplizierten Regelungen (hier noch vereinfacht, ist alles noch viel schlimmer) haben mit der schlichten Realität, die sie behandeln sollen, nichts zu tun.

    Die Rente mit 63 ab soundsovielen Arbeitsjahren ist auch so ein ungerechter Kloppmist (von Andrea Nahles), weil Leute, die gleich lange arbeitslos waren, absichtlich ungleich behandelt werden. Sie waren nur zu anderen Zeiten arbeitslos. In der einen Variante musst du bis 63 arbeiten, in der anderen bis 65, je nachdem, wie sich die Arbeitslosigkeit über deine Erwerbsbiografie verteilt, bei gleich großen eingezahlten Beträgen. Da muss also einer zwei Jahre länger arbeiten oder bekommt große Abschläge, nur weil er nicht die typische Erwerbsbiografie der SPD-Klientel hat bzw. weil er vielleicht einmal am Stück arbeitslos gewesen ist, womit Frau Nahles sogar bei gar nicht wenigen den Zweck der eigenen Gesetzgebung konterkariert: Wer kurz vor 63 arbeitslos wird, weil er nicht mehr die volle Leistung bringen kann, der findet normalerweise keinen Job mehr. Da er nicht lange ALG1 bekomt, werden ihm keine Zeiten mehr angerechnet, während ein anderer, welcher mehrmals kurzzeitig arbeitslos war, also keinen Penny mehr eingezahlt hat (und topfit ist), diese Zeiten auf die 40 Jahre angerechnet bekommt. Merke: Wer mit 63 topfit ist, profitiert durche eine unnötig komplizierte Regelung eher, während einer, der sich quälen muss, auch noch das Nachsehen hat.

    Politiker haben es nicht so mit dem logischen Denken. Sie machen sich kein schlechtes Gewissen, wenn ihre Lösungen nicht auf die Realität mappen. Bei Informatikern, dessen Job es ist, bestmögliche Abstraktionen zu finden, ist das naturgemäß anders. Sie wissen um die potentielle Krückenhaftigkeit beinahe jeder Lösung. Deswegen bräuchten wir mehr Informatiker in der Politik, denn sie würden sich schämen, mit Seiteneffekten dem behaupteten Regelungszweck eines Gesetzes zuwiderzulaufen, weil bei ihnen eine solche Problematik grundsätzlich im Bewusstsein ist und eine Missachtung für sie verwerflich ist. Sie handeln also moralischer, weil Seiteneffekte sowie Widersprüche Systeme zum Absturz bringen, womit sie nochmals moralischer handeln, da ihnen am Gesamtsystem gelegen ist. Und für all dieses brauchen sie keine Kirchenmoral und noch nicht einmal Altruismus (obwohl es schön wäre), sondern lediglich einen funktionierenden Verstand.

    Solche komplizierten Regelungen mit Seiteneffekten (um die es eigentlich geht (Dobrindtsche Maut ist teures Geschenk für Fimen wie Telekom, Siemens usw. sowie ein Bestrafen des Besitzes älterer Autos, damit mehr neue verkauft werden)) ziehen sich überall durch das Recht, weil man gezielt Ungerechtigkeiten aufbauen wollte, was leider gelungen ist. Wenn man nun Stellschraubenpolitik macht, um daran etwas zu "verbessern", wird das Recht ein immer komplizierterer Flickenteppich, was wir andauernd beobachten können. Politiker sind eben in aller Regel asoziale Gestalten (weil sie für immer neue Verkomplizierungen zugunsten ihres Klientels, also für sich und Ihresgleichen, streiten), welche sich damit herausreden, man müsste komplizierte Umverteilungsregeln ersinnen, was natürlich Blödsinn ist, da sie selbst erst die komplizierten Probleme erfunden haben.

    Jemand mit Vernunft und Empathie würde echte Reformen wollen, wo das interessengeleitete Unkraut mit der Wurzel ausgerissen wird (Entflechtung), um von vornherein mathematisch korrekte (z.B. widerspruchsfreie) faire und gerechte Regelungen einzuführen. Es gibt also viel Raum für einfache Lösungen, welche genauer und widerspruchsfreier als die derzeitigen komplizierten von der Realität abstrahieren, wenn man nur will. Bei der Dobrindtschen Maut wäre es sogar besonders einfach: Man müsste sie unterlassen, um sein System zu verbessern. Und noch besser würde es werden, indem man die überaus ungerechte KFZ-Steuer (sie widerspricht dem Verursacher- sowie Äquivalenzprinzip um beliebige(!) Größenordnungen) abschafft und den Sprit (er entspricht dem Verursacher- sowie Äquvivalenzprinzip ziemlich exakt) verteuert.

    Wenn es "kompliziert" wird, so handelt es sich meistens um Vernebelungstaktiken von Gaunereien, wie bei den AGBs einiger Firmen. Die Wirklichkeit (vllt. passt "Natur" besser) ist erst mal erschreckend simpel, bis wir ihr unsere Konstrukte (mit denen wir uns teils das Leben zur Hölle machen) aufgezwungen haben.

    Ich stimme durchaus zu, dass man für komplizierte Probleme auch mal komplizierte Lösungen braucht, doch meistens ist die Kompliziertheit wenigstens teilweise vorgetäuscht oder sie zeugt von einem unzureichenden Systemverständnis.
    jabu ist offline Geändert von jabu (30.11.2016 um 14:01 Uhr)

  18. #18 Zitieren
    Provinzheld
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    Hallo Ulukai ,

    ich möchte mal versuchen deine Frage für mich ohne irgend einen politischen Bezug zu beantworten. Vermutlich kennen wir alle das Sinnbild von dem Blatt, welches auf einen stillen Teich fällt und damit zu einer der Ursachen für einen Vulkanausbruch werden kann.
    Vielleicht nicht genau so, aber für mich stehen alle Dinge miteinander in Verbindung. Dennoch muss man ja irgendwie in die Pötte kommen und Entscheidungen treffen. Dazu benutze ich etwas, das ich "Betrachtungsrahmen" nenne.
    Je nachdem wie groß ich diesen Rahmen wähle, werden die Problemstellungen natürlich mehr oder weniger komplex. Fraglich bleibt ob die anstehende Entscheidung auch den richtigen Betrachtungsrahmen zugebilligt bekommt.
    Wirkungen haben in der Regel immer mehr als eine Ursache. Manche Ursachen entziehen sich dem Blickwinkel des Betrachters. Aus welchen Gründen auch immer.
    Ich kann die Wirkungen meiner Entscheidungen (oder Unterlassungen) niemals vollständig überblicken, allerdings kann ich auch nicht ausschließen das es Leute gibt, welche das für sich in Anspruch nehmen. Ich vermute jetzt einfach mal, daß das, was du eine einfache Lösung nennst, bei mir dem möglichst kleinsten Betrachtungsrahmen entspräche. So etwas kann man sicher ohne Zweifel wählen, allerdings bin ich mir auch sicher das die Mankos solcher Entscheidungen sehr schnell sichtbar werden und neuerliche Entscheidungsprozesse erforderlich machen.

    MfG
    Musketeer
    Musketeer ist offline

  19. #19 Zitieren

    Foren-Mutter
    Avatar von meditate
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    respekt jabu

    das war ein einleuchtend logischer beitrag. es ginge also doch einfach. wir haben eindeutig die falschen leute oben in der politik. bloß wie dazwischengrätschen?
    meditate ist offline

  20. #20 Zitieren
    Legende Avatar von Ciao
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    @Jabu

    Guter Beitrag - wenn Du den Informatikerchauvinismus weggelassen hättest.
    Kultur-Chauvinismus findet man in der Welt doch mehr als genug.

    Schon mal was von Hackern gehört?
    Oder schon mal über die Alghorithmen der Banken nachgedacht?
    Oder darüber, dass für jede Atomrakete ein Informatiker ein Steuerungsprogramm geschrieben hat?

    Nur weil andere nachweislich doof oder kriminell sind, ist der eigene Chauvinismus noch lange nicht schlau oder ehrlich
    Ist Euch eigentlich klar, dass wir zu den reichsten 10% der Welt gehören?
    10% von 9 Milliarden sind 900 Millionen. Und unter diesen 900 Millionen gehören unsere 80 Millionen klar zu den reicheren unter den reichsten 10%.
    Also, wie verbessern WIR die Welt? Und keine Ausreden.
    Ciao ist offline

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