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Der Rotgesichtige Priester, eine dunkle Gasse, Reichenviertel
»Ich habe gehört Ihr habt nach mir verlangt?« Aus dem Schatten einer der Gassen trat hinter der hübschen, fremdländischen Priesterin der rotgesichtige Priester hervor. Seine schlichte, schwarze Robe, mit der grob geschnitzten Roten Maske über dem Antlitz stand in starkem Kontrast zu ihren weiten, wallenden und scheinbar sehr kostbaren Gewändern. Umgeben von Ihren Lakaien, war sie für Ihn nicht direkt erreichbar, doch seine stechenden Blicke, die sie direkt trafen, konnte auch ihr Leibwächter nicht abfangen.
Der Priester schwieg nun. Still stand er halb von der Dunkelheit verschluckt am Eingang der finsteren, engen Gasse und wartete auf die Reaktion der Gruppe.
Schon seit Tagen hatten ihm seine Zuhörer berichtet, dass diese Fremde nach ihm suchte. Sie wagte es sogar ganz offen heraus nach ihm zu fragen. Da die Schar der Leute, die er um sich gesammelt hatte, jedoch halbwegs bei verstand gewesen ist, hatte Niemand ihr eine direkte Antwort gegeben. Doch wahrscheinlich war das auch nie ihr Ziel gewesen. Es hatte ihr gereicht ein paar Steine auf die Schlangengrube zu werfen, die Schlange kam dann schon von ganz alleine hervor.
Er musste schmunzeln, was ihr jedoch unter der Maske verborgen blieb. Er mochte diese Vorgehensweise. Sie hatte sich von ihm finden lassen. Ganz nach der Art einer varantischen Prinzessin. Erstaunlich, dass es auf dieser Welt geistliche gab, die dieselben Umgangsformen an den Tag legten. Vielleicht hatte er sich für sein Exil den falschen Platz ausgesucht und sollte es einmal in ihrer Heimat versuchen? Dort schienen die Leute zivilisierter, als hier auf der Insel zwischen diesen roten Barbaren.
Immer noch blickte er die Frau regungslos an. Ignorierte ihre Gefährten, die ihren Kreis pflichtbewusst enger um ihre Herrin zogen, um sie vor möglichem Übel zu schützen. Bereit loszuschlagen.
Auch in ihm herrschte eine gewisse Spannung. Bereitgehaltene Magie kribbelte in seinen Fingerspitzen. Er kannte die Absichten der Fremden nicht und war wir immer bereit sich zu verteidigen. Dabei war die Nacht natürlich sein Verbündeter. Die meisten Menschen fürchteten die Dunkelheit und glaubten, dass schlimme Dinge besonders in der Nacht passierten, doch er, als Ergebener des Dunkeln Gottes, wusste sie als seinen Freund zu schätzen.
»Zeigt Euch und stellt euch vor!«, herrschte ihn die Begleiterin der Priesterin an. »Tritt aus den Schatten, wenn Ihr mit der Priestess reden…«
»Sie will mit mir reden«, fuhr er ihr dazwischen und sein Blick ruhte weiterhin auf der Priesterin. Er bewegte sich kein Stück. »und vorzustellen brauche ich mich wohl nicht. Also sprecht.«
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Interessiert blickte Madlen in die Richtung des Mannes, welcher aus den Schatten getreten war. Sicher, seine stechenden Augen wirkten sich auf die junge Frau aus, aber sie hatte lange genug am Hof Zubens gelebt, um damit umgehen zu können. Solange er sie nicht zu lange anstarrte, konnte sie sich damit abfinden. Immerhin übte sie selbst die gleiche Wirkung auf die meisten Männer aus, seitdem sie von einem bösen Zauber getroffen worden war.
Es war viel zu einfach gewesen, diesen Priester zu finden. Wäre sie an seiner Stelle gewesen, hätte sie zuerst lange Überwachungen durchgeführt. Sie wusste, wie man in den Schatten lebte und operierte. Dieser Mann hier verhielt sich dazu völlig gegensätzlich und es war verwunderlich, dass er noch nicht von der Obrigkeit beseitigt wurde. Entweder waren die Herren dort oben nicht wirklich Herr über ihre Stadt oder sie wusste eine wahre Gefahr nicht zu erkennen, selbst wenn sie vor ihren Toren stand. Und jetzt stand diese vor ihr und meinte sie mit seinem Auftreten einschüchtern zu können? Nun, um ehrlich zu sein, es wirkte natürlich. Aber sie war eine Adlige und wusste, wie man sich manches nicht anmerken ließ. Sie schloss kurz die Augen, atmete noch einmal tief durch und trat dann vor ihre Wache, nachdem sie kurz zu Elesil gesprochen hatte.
„Seid gegrüßt. Ihr sprecht wahr, ich weiß wer Ihr seid, dennoch kenne ich nicht Euren Namen. Euch gegenüber habt Ihr eine Delegation des goldenen Tales und der vier Königslande. Wir sind von unserer Heimat aus aufgebrochen, um die Gepflogenheiten des Großreiches kennenzulernen.“ Die Fürstin lächelte leicht. „Warum, werdet Ihr Euch fragen. Ganz einfach, Wissen, welches Macht bedeutet. Aber ich denke, darüber seid Ihr Euch im Klaren.“ Schließlich deutete die junge Frau eine leichte Verbeugung an. „Verzeiht mir, wenn ich es an Anstand fehlen lasse. Mein Name ist Madlen Aynur, Priestess der westlichen Auen und Lady des goldenen Tales, Botschafterin der neuen und der alten Götter. Wir haben in unserer Heimat mit Wesen zu kämpfen, welche Ihr noch nie gesehen habt. Als wir auf dem Festland erfahren haben, dass hier ein Drache lebt, haben wir uns sofort hierher auf den Weg gemacht. Vielleicht existiert hier das Wissen darüber, mit den Kreaturen der Finsternis umzugehen!“ Die Prinzessin lächelte erneut. Einst gehörte auch sie der Dunkelheit an und lebte in ihr. Sie fürchtete sich davor nicht. So war es zumindest bisher immer gewesen.
Schließlich zuckte sie mit den Schultern. „Aber anscheinend herrscht in dieser Stadt eine Lethargie, welche ich nicht erklären kann. Niemand ist sich scheinbar der wahren Gefahr bewusst und lebt ein dekadentes Leben. Erst als ich von Euch hörte, schien eine Lösung der nahenden Nacht wieder greifbar. Die Dunkelheit in meiner Heimat ist nicht mehr fern und wenn wir sie nicht aufhalten können, dann ist sie früher oder später auch bei Euch und auf dieser Insel angekommen. Die Menschen hier glauben, der Drache sei schrecklich?“ Jetzt lachte Madlen laut auf. „Sie haben keine Ahnung!“ Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort. „Aber sei es wie es sei. Ihr scheint mir kein Mann zu sein, der sich dieser Illusion hingibt und deswegen trete ich mit der Bitte an Euch heran: Helft mir, Wissen zu sammeln. Es wird Euer Schaden nicht sein!“
Geändert von Madlen (18.09.2016 um 20:08 Uhr)
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Der rotgesichtige Priester, eine dunkle Gasse, Reichenviertel
»Ihr habt den rotgesichtigen Priester gesucht und diesen auch gefunden. Damit ist dann wohl alles gesagt…« Er war froh über seine Maske, denn was diese Dame ihm sagte war erstaunlich. Er wusste, dass er kurz die Augen überrascht aufgerissen hatte und war dankbar, dass das Holz dieses vor den Anderen verborgen hatte.
»Nun fast alles. Denn bei Euren Problemen kann ich wahrscheinlich wenig weiterhelfen.
Der Drache ist nicht ein Teil dieser Finsternis, soviel kann ich Euch sagen. Er hat sich keinem der Götter verschrieben. Überhaupt verhält er sich für einen Drachen unauffällig und lässt lieber seine Echsenlakaien agieren, als selbst etwas zu unternehmen. Das hört sich ganz gegensätzlich zu Eurem Problem an.« Er legte eine kurze Pause ein, sah die gesamte Gesandtschaft an. Die leisen Worte, die die kleine Aynur mit ihrer Begleitung gewechselt hatte, waren ihm nicht entgangen. Er blieb wachsam.
»Wie Ihr ja auch schon bemerkt habt, ist der Orden nicht fähig, irgendetwas zu erreichen. Die Leute gehen sich auf offener Straße an, der Drache wird immer mächtiger und die Ordensstreiter lassen sich zunehmend seltener auf den Straßen sehen. Hier wird Euch also Niemand helfen können. Auch ich bin nur ein einfacher Philosoph. Ich spreche mit den Leuten, erzähle ihnen unverfälscht die Wahrheit, die sie nirgend wo anders zu hören bekommen. Aber wie erhofft Ihr Euch denn da von mir Hilfe? Mächtig bin ich nicht.«
Madlen Aynur, ein Name den er schon lange nicht mehr gehört hatte. Sie war eine rücksichtslose Frau, eine totgeglaubte, rücksichtslose Frau. Sie war unberechenbar und das machte sie gefährlich.
»Aber sind wir ehrlich. Mit der Dunkelheit müsstet Ihr doch bestens vertraut sein, Madlen Aynur. ich kenne Euren Namen. Ich weiß wer Ihr seid, aus welchem Loch Ihr einst gekrochen kamt und was Ihr getan habt. Denn obwohl ich Euch so wortreich vorgestellt habt, spracht Ihr also nicht die Wahrheit. Lange wart Ihr untergetaucht, doch Euch nun hier zu sehen überrascht mich. Warum seid Ihr also wirklich hier? Solltet Ihr mich weiter belügen, kann ein weiteres Gespräch nicht zielführend sein, da ich nicht mit einer Priestress spreche. Ich kenne die westlichen Auen gut genug, um zu wissen, dass man dort einen solchen Posten nicht über Nacht erlangt.«
Er sah sie weiterhin ruhig an. Die Finsternis verdichtete sich ein wenig um ihn und langsam begann er Freude an diesem Gespräch zu entwickeln.
»Sagt mir wirklich was Ihr wollt oder ich lasse Euch in Finsternis zurück… Und gerade Ihr solltet schon früh gelernt haben, dass die Finsternis mehr als nur diese Dunkelheit für Euch bereit halten kann.«
Redlef
Geändert von Die Bürger (20.09.2016 um 23:51 Uhr)
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Kurz entglitten ihre Gesichtszüge, als dieser Mann sie erkannte und davon sprach, wer sie wirklich war. Scheinbar kannte er sich aus und wusste, was sie gewesen war. Jetzt gab es nicht mehr viele Möglichkeiten für die junge Frau. Im Grunde musste sie ab jetzt die Wahrheit sagen. Und anschließend blieb ihr nur die Hoffnung heil aus der ganzen Geschichte rauszukommen. Nun gut, sie versuchte ihr bestes, holte einmal tief Luft und setzte wieder ihre starre Mimik auf.
„Scheinbar seid Ihr gut informiert. Nicht viele der hier lebenden Menschen wissen, wer ich wirklich bin. Wo die westlichen Auen liegen, darüber haben noch weniger überhaupt einen blassen Schimmer.“ Erneut verbeugte sie sich leicht. „Lady Madlen Aynur, Fürstin von Al Shedim und des goldenen Tals, Prinzessin von Varant und des östlichen Königreiches. Ihr sprecht wahr, aber nicht in allen Punkte. Ich bin die Finsternis, der letzte Ausweg des dunklen Ordens. Ich habe mehr verbrochen, als sich irgendwer auch nur ansatzweise vorstellen kann. Und plötzlich waren alle meine Freunde tot, wegen einem rachsüchtigen König, der in ein Land einmarschiert ist ohne eine einzige Berechtigung. Mein Mann, gestorben für nichts. Anschließend stellte sich heraus, dass mein ganzes Leben eine einzige Lüge war.“ Die Bardin ging in langsamen Schritten um den Mann herum, während sie immer leiser sprach, bis ihre Stimme nur noch ein Säuseln des Windes war. Auf einmal wurde sie wieder lauter. „Und immer noch begleitet mich die Dunkelheit. Sie ist ein Teil von mir, ich weiß nicht, ob Ihr Euch das überhaupt ansatzweise vorstellen könnt. Ich fühle schon lange nichts mehr. Ich lebe schon lange nicht mehr. Es ist genau das, was ich verdiene.“ Madlen sah den Mann nun fragend an. „Also, was wollt Ihr tun? Eine Verstorbene töten? Wohl kaum, ich hab nichts mit Euch oder den Herrschern dieser Stadt zu schaffen.“ Sie seufzte leise. „Nur die Rettung meiner Heimat habe ich noch vor Augen. Also, denkt über mich, was Ihr wollt. Ich bereue nichts. Meine Vergangenheit ist das, was ich bin. Tötet Ihr mich dennoch, warten nicht weit entfernt genug Krieger, um Euch zur Strecke zu bringen. Wir mögen keine Magie im goldenen Tal haben, wie es sie hier gibt. Aber wir können kämpfen und das ohne Gnade.“
Kurz blieb die junge Frau erneut stehen und drehte den fremden Mann den Rücken zu. „Aber sei es wie es sei. Die letzten Tage waren interessant gewesen. Ich habe genug über das rote Sumpfkraut herausgefunden, um zu wissen, was es mit einem anstellt und wie es wirkt. Es wäre mir ein leichtes jeden großen Kopf dieses traurigen Handels auszuschalten. Und dann führten mich die Spuren in Eure Richtung und ich frage mich warum? Nun, es war schon fast zu einfach. Ob es direkt von Euch oder Eurem Dunstkreis ausging, weiß ich nicht. Eigentlich ist es mir auch egal. Mich würde nur interessieren wieso?“ Madlen lachte kurz auf. „Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten Menschen zu töten, aber nicht auf solch grausame Weise.“ Schließlich tippte sich die Fürstin an die Stirn, als wäre ihr ein Gedanke gekommen. „Soll das vielleicht eine Art Rettung sein? Nein, wahrscheinlich nicht. Jetzt seid Ihr dran, mir die Wahrheit zu erzählen.“ Nun drehte sie sich wieder um. „Und eines kann ich Euch versprechen: Sie bleibt unter uns. Die wichtigen Informationen sind an meinen Auftraggeber schon längst weitergegeben, was nun folgt wird er nicht mehr erfahren.“
Erneut ging sie ein paar Schritt auf und ab: „Denn ich kann durchaus Eure Hilfe brauchen. Ihr habt Charisma und genau das benötige ich in meiner Heimat, um das goldene Tal zu befreien. Erzählt mir die Wahrheit und ich bringe Euch auf einem meiner Schiffe in Sicherheit, denn in dieser Stadt seid ihr totgeweiht. Anschließend könnt Ihr entscheiden, ob Ihr mir weiterhelfen wollt. Und seid Euch versichert, ich halte mein Wort. Ich töte nicht wahllos.“ Schließlich blickte sie den Mann wieder direkt an. „Handelt nun, wie Ihr wollt. Geht, erzählt oder stecht mir einen Dolch ins Herz. Eure Wahl!“
Völlig entspannt nach außen hin wirkend, stand Madlen da. Innerlich war sie aber aufgewühlt. Hier stand tatsächlich jemand, der viel zu wissen schien und gut reden konnte. Sie konnte diesen Mann wirklich brauchen. Und dennoch war dies nicht vorrangig. Allerdings war dieser Weg ihre letzte Hoffnung heil aus der Geschichte zu kommen…
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Der rotgesichtige Priester, dunkle Gasse, Reichenviertel
»Ihr überrascht mich… Doch bei Jemand, der so lange im Dunstkreis Zubens gelebt hat, sollte es mich nicht verwundern. Diese Leute haben viel nicht verstanden und die Welt mit ihren Lügen gepeinigt.« Er ließ einen genaueren Blick über die junge Frau gleiten. Beim zweiten Hinsehen viel ihm auf, dass sie müde aussah. »Ihr sucht den Tod? Ich hatte nie vor ihn Euch zu bringen, doch ein Wort von Euch reicht und Euer Wusch ist mir Befehl.« Er machte eine kleine Verbeugung. »Ich kann Euch sanft einschlafen lassen und friedlich in Beliars Reich führen. Der Tod ist keine Strafe sondern ein Segen. Das verstehen sie hier auch nicht! Wie nach einem anstrengen Tag schließ Ihr Eure Augen und schlaft glücklich ein, erfahrt die Ruhe die Ihr Euch ersehnt. Doch die Frage ist, ob Ihr Eure Aufgaben schon erfüllt habt und Euch den wohltuenden Schlaf auch verdient habt. Doch wie ich Euch verstanden habe, seht Ihr euch noch nicht so weit. Doch akzeptiert Ihr die Finsternis? Oder wollt ihr lieber die Finsternis in Euch beherrschen lernen? Bevor Ihr Euer Tal befreit solltet ihr Euch darüber im Klaren sein. Ich werde Euch gerne behilflich sein den vor Euch liegenden Pfad besser verstehen zu lernen.«
Er trat zurück in die Gasse, denn er konnte es nicht leiden, wenn man um ihn herumlief.
»Nun müsst ihr mir bitte aber nur noch erklären, welche Spuren Euch warum zu mir geführt haben. Wem habt Ihr was erzählt? Euer Angebot klingt vielversprechend, wobei ich natürlich wissen möchte, mit wem ihr zusammenarbeitet, wenn ich mich weiter auf Euch einlassen soll.«
Redlef
Geändert von Redlef (21.09.2016 um 16:26 Uhr)
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„Seht Ihr, genau das ist nicht korrekt. Richtig oder falsch, das liegt im Auge des Betrachters. Warum geht Ihr davon aus, dass es nur Lügen waren? Ich bin nicht naiv, Zuben war ein grausamer Mann, aber er war ein Herrscher. Genauso wie Rhobar III. Es gab Provokationen, aber mit keinem Recht der Welt und durch keinen Gott beauftragt kam das Großreich und rollte durch die Wüste. Glaubt Ihr, die Menschen haben dadurch nicht noch mehr gelitten? In meiner Heimat herrscht Bürgerkrieg und sobald das goldene Tal wieder befreit ist, verspreche ich Euch eins. Varant ist immer noch ein Zuhause, ich habe es nicht vergessen!“ Dann winkte Madlen nur ab und seufzte. „Dieses Gerede über Politik ermüdet mich. Es erinnert mich daran, was noch alles vor mir liegt.“
Schließlich lächelte die junge Frau. „Ihr wollt mich erlösen? Das könnt Ihr nicht. Ihr wollt wissen, ob ich die Finsternis des ewigen Eises beherrschen kann? Nein, ich bin ihr ausgeliefert. Ich lebe mit ihr, stehe im Einklang, wenn man das so sagen kann. Aber es ist nicht die Dunkelheit von Beliar, sondern eine völlig andere. Ich bin weder tot, noch lebe ich. Würdet Ihr mich mit einem Schwert niederstechen, so zieht mich die Nacht zu sich und wiegt mich in ihrem ewigen Schlaf. Bis eines Tages die Unendlichkeit endet.“ Jetzt lachte die Fürstin sarkastisch auf. „Also, wie wollt Ihr so etwas töten?“
Es herrschte einige Augenblicke lang ein tiefes Schweigen zwischen den beiden Gesprächspartnern. Madlen blickte aus ihren goldenen umrandeten Augen in die Maske, welche das Gesicht des Priesters verdeckte. Schließlich fuhr sie fort: „Ihr habt so eindeutige Spuren gelegt, dass es mich wundert, dass Ihr nicht schon längst gefunden worden seid. Ein Infiltration des Hafenviertels und eine peinliche Befragung brachten mich in das Reichenviertel. Und um ehrlich zu sein, ein Schnösel, welcher hier lebt hat meiner Freundin und mir alles verraten, was wir wissen wollen. Das war wirklich nicht schwer. Und dann war es nur noch nötig, offensiv nach Euch zu fragen. Was glaubt Ihr denn? So etwas mache ich nicht zum ersten Mal.“ Die Bardin strich sich eine Strähne aus dem Gesicht und sprach weiter. „Mein Angebot bleibt so, wie es ist. Entweder Ihr akzeptiert oder Ihr werdet hier wahrscheinlich sterben. Vermutlich werdet Ihr einige Männer und Frauen in den Tod mitnehmen, aber Ihr werdet dabei Euer Leben geben. Ist es Euch das wert? Wollt Ihr nicht auf einem königlichen Schiff von hier weggebracht waren. Zusätzlich zu Eurer Macht würdet ihr von gut sechzig Kriegern bewacht werden.“ Die Prinzessin legte den Kopf schräg. „Mehr werdet Ihr von mir nicht erfahren. Egal was Ihr versucht. Ich wurde lange genug gefoltert, sodass Ihr Monate brauchen würdet, um mich zu knacken. Und der Tod schreckt mich, wie gesagt nicht. Ihr denkt, ich bin wahnsinnig? Ihr sprecht war, aber nicht mehr und nicht weniger als die meisten Menschen. Töricht? Mit Sicherheit. Der einzige Unterschied ist, ich sehe mein Werk nicht als das Gute an und alles andere ist schlecht. Es ist notwendig, dass Menschen sterben, wenn man etwas erreichen will. Ich stelle keinen Gott in den Vordergrund, keine Regeln oder Gesetze. Nur die Ehre ist mir wichtig. Und die kann mir keiner nehmen!“
Madlen blickte fragend in die Richtung des fremden Mannes. „Das ist alles, was ich sagen kann. Nehmt Ihr an oder wollt Ihr abwarten?“ Sie hoffte natürlich, dass der Priester die versteckten Hinweise verstehen würde. Er mochte mächtig sein, aber er würde hier sterben und das fand die Bardin völlig sinnlos. Vielleicht kam er ja von selbst drauf, mehr würde die Fürstin ihm wirklich nicht verraten…
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Der rotgesichtige Priester, dunkle Gasse, Reichenviertel
Nun war es an ihm laut aufzulachen. Doch er fing sich sofort wieder und faltete die Hände vor dem Bauch. »Mein gutes Kind«, sprach er amüsiert, »wenn Ihr denkt, dass ich den Weg der Myrtaner im Gegensatz zu dem Zubens gut heiße, dann habt ihr überhaupt nichts verstanden. Varant ist nicht nur Eure Heimat.« Mehr ließ er zu seiner Herkunft nicht verlauten. Immerhin war das Ansprechen von persönlichen Informationen hier, an dieser Stelle, wenig angebracht. »Zuben war ein Tor, der bekommen hat, was er verdiente und diese Rhobars sind noch schlimmere Verbrecher! Die Menschen verdienen Freiheit und Selbstbestimmung. Dass kann und konnte keiner von dieses sogenannten Herrschern bieten. Die Menschen, besonders hier aber auch in Varant, sind zivilisiert und haben Werte, die aus jahrhundertealten Kulturen verwurzelt, meiner Meinung nach wäre eine Regierung des Volks für das Volk weitaus verträglicher für Gesellschaft, Wirtschaft und Frieden, als jeder König oder Magier das je sein könnte.«
Der rotgesichtige Priester legte eine kurze Pause ein und sah Madlen fest, beinahe durchdringend an. Dann trat er auf sie zu, soweit, dass kurz Bewegung in ihre Leibwächter kam. Doch sie ließen ihn gewähren und so konnte er mit leiser, fester Stimme fortfahren: »Dieses Land braucht dringend eine Veränderung. Jedoch dürfen keine Krieger oder gar Götter diese herbeiführen, sondern der Willen zum Wandel muss aus dem Volke selbst erstarken. Nur dann kann die Veränderung nachhaltig und gewinnbringend sein.«
Nun war es an ihm, sie zu umkreisen. In ihrem Rücken blieb er stehen. »Ihr sprecht von Ehre, und dass Ihr Eure erhalten wollt, das sie Euch wichtig ist. Dass sie alles ist was Ihr noch habt. Das Gerede über Politik mag Euch ermüden, doch wenn ihr als Fürstin ein Reich befreien, vielleicht sogar regieren wollt, dann sollte es Euch interessieren. Ich bin kein Fürst, doch das Wohl der Menschen ist mir dennoch das höchste Gut. Ich haben den Leuten hier meine Hilfe versprochen und will ihnen den Weg in die Selbsbestimmtheit weisen.« Seine Stimme wurde versöhnlicher. »Wie wäre es um meine Ehre bestellt, wenn ich nun eurem gutgemeinten Angebot folgte und einfach verschwände?« Er stellte sich wieder vor sie, nun so nahe, dass er die goldenen Sprenkel in ihrer Iris erkennen konnte. »Ihr erkennt es sicherlich selbst: Nicht sehr gut. Ganz im Gegenteil. Also werde ich bleiben und weiter mit den Menschen reden, ihren etwas über die Wahrheit beibringen. Dennoch weiß ich Euer Angebot sehr zu schätzen und bedanke mich dafür. Solltet Ihr auch weiterhin meine Hilfe wünschen, so steht sie Euch selbstverständlich zur Verfügung, solange ich meine Pflichten hier nicht vernachlässige.«
Er ging zurück in die Gasse. Langsam wurde es Zeit zu gehen. Dennoch war noch einen Moment für ein paar letzte Worte angebracht. »Eure Beweise sind nicht Stichhaltig! Auch muss ich mich ja schon ein wenig beschweren, dass Ihr mir so etwas unterstellt. Ich warne Euch, Eure unwahren Informationen an Eure sogenannten Auftraggeber weiterzutragen. Sie haben Euch in den Hafen geschickt, weil sie selbst es nicht hinbekommen, gleichzeitig können sie aber auch alles auf abwälzen können, sollten unangenehme Fragen auftauchen…«
Die Finsternis um Ihn herum waberte, verdichtete sich zu tiefster Schwärze, als er in die Gasse schritt. Sie umschloss ihn wie einen schützenden Mantel, dann gab es einen Knall und er war weg.
Redlef
Geändert von Redlef (21.09.2016 um 23:02 Uhr)
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Gasthaus am Marktplatz
Madlen flüsterte noch einige Worte in die Finsternis, obwohl der Mann schon längst vielleicht verschwunden war. Vielleicht hörte er sie noch, möglicherweise auch nicht mehr. „Eine Fürstin mag ich sein, aber ich werde niemals regieren. Dafür bin ich nicht gemacht. Und Zuben war auch ein Mensch! Wer ihn näher kannte, wusste das!“ Im Grunde waren aber die Worte dieses Priesters interessant gewesen. Sie hätte sich gerne und länger ausführlich mit diesem Herren unterhalten, denn er war intelligenter als die meisten anderen hier. Sein Ansichten waren…nun, aufschlussreich. Er war selbst ein Verrückter, wenn er glaubte, in dieser Gesellschaft etwas erreichen zu können. Aber er versuchte es zumindest.
Schnell wandte sich die junge Frau um. Sie sprach zu Elesil: „Wir gehen jetzt zurück in das Gasthaus am Marktplatz. Dort findet ein Rollentausch statt. Du wirst meine Kleidung anziehen und da es nun doch schon kälter in der Nacht ist, wird dich unter meinem Mantel niemand erkennen. Ihr geht dann zu dritt hinaus aus den Stadttoren. Auch wenn es Nacht ist, ihr müsst noch heute diesen Moloch verlassen. Wir steuern, so glaube ich, auf eine Katastrophe zu. Und wenn ihr hierbleibt, dann kann ich euch nicht mehr helfen. Also, wir schreiten langsam zu unserem Zimmer. Und dann wird es so gemacht, wie ich bereits sagte!“
Die Piratin wusste, wann es nicht ratsam war, Madlen zu widersprechen und so machten sie sich auf den Weg. Nach einiger Zeit waren sie auch dort angekommen und vollzogen den Rollentausch. Die junge Frau trug nun wieder ihre einfache Reisekleidung und hatte sich in eine Ecke des Gasthauses zurückgezogen. Dort würde sie auf Rupert warten, irgendwann würde er schon vorbeikommen. Und was Elesil betraf. Nun, sie konnte genug Aufmerksamkeit auf sich ziehen, damit alles andere um sie herum in Vergessenheit geriet. Sie war eine exzellente Schauspielerin.
Aber all das war der Bardin egal. Sie war hier für einige Stunden in Sicherheit und dachte immer noch über die Worte des roten Priesters nach. Madlen hoffte wirklich, diesen Mann eines Tages wieder zu treffen. Er konnte ihr mit Sicherheit helfen, im goldenen Tal einen stabilen Frieden aufzubauen. Und schließlich waren die restlichen Auen dran. Ein großes Ziel, aber sie war ja noch jung. Sie hatte noch so viel Zeit und würde diese künftig auch nutzen, sobald sie mit ihren Vorbereitungen auf dieser Insel fertig war…
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Rupert, Kerkerwächter,Marktschänke
»Die Stadt geht vor die Hunde und ich passe auf einen stinkenden Säufer auf. Ja, natürlich habe ich Spaß«, knurrte Rupert und sah genervt auf den Haufen Dreck, den dieser Bardasch inzwischen zusammengekehrt hatte. Gerade wollte er den Kerl zur Arbeit antreiben, da bemerkte er eine Gesandtschaft, die sich in der Marktschänke aufhielt. Eine Frau viel ihm dabei besonders auf und Rupert hoffte spontan auf etwas Ablenkung.
»Los, komm. Wir gehen was trinken.« Ohne ein weiteres Kommentar machte sich der alte Kerkerwächter auf den Weg zur Marktschänke.
Die beiden Männer wurden vom Wirt missmutig angesehen, doch da Rupert nach wie vor die Uniform trug, wagte er es nicht die beiden anzusprechen.
»Zwei Bier und einen Apfelmost«, rief Rupert in Richtung des Wirts, während er einen Stuhl unter einem kleinen Tisch herauszog und Bardasch ebenfalls mit einer harschen Handbewegung einen Platz zu.
Als der Wirt die Getränke brachte, blickte er zu Madlen herüber und schob eines der Biere in ihre Richtung. »Magst du dich zu mir setzten, meine Schöne?«, säuselte er zu ihr herüber. Die Kleine war nicht seine Kragenweite, doch um keine weitere Aufmerksamkeit zu erwecken, mimte Rupert gerne den sonderlich, lüsternen Alten.
Bardasch bekam den Most, der war ausgegeben, damit sollte er bloß zufrieden sein…
Redlef
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Marktschänke
Und prompt war Rupert dann auch schon in der Marktschänke aufgetaucht. Er kam mit jemand anderem herein. Einem dermaßen abgewrackten Individuum, dass es Madlen schon beinahe Leid tat. Sie konnte nicht sagen, wie alt der Mann war oder was er eigentlich genau sein sollte, aber trotzdem hatte sie das untrügliche Gefühl diesem Rinnsal an Leben schon einmal begegnet zu sein. Sie wusste nur nicht wo. Und das nagte an ihr. Nun, vielleicht fiel es ihr wieder ein.
Mit einem leichten Knicks nahm die Bardin die Einladung dankend an. Sie war sich nicht sicher, wie viel sie gegenüber dem Fremden sagen konnte, doch Rupert wirkte in der Anwesenheit des heruntergekommenen Mannes nicht sonderlich nervös und gab ihr auch keine verdeckten Hinweise. Also war es ihr egal, wie viel er mithören konnte. Allerdings hatte sie jetzt endgültig genug vom Spielen. Sie wollte sich nicht mehr verstecken, sondern würde weiterhin in die Offensive gehen. Die Zeiten des Versteckens waren vorbei. Nun war sie an der Reihe mit ihren Feinden abzurechnen, ihren Freunden zu helfen und ihre Heimat zu befreien. Und sie würde auch nicht vor solchen kleinen Aktionen, wie diese Ermittlungen es waren, den Kopf einziehen. Von heute an war Schluss damit.
„Nun, kommen wir gleich zum Geschäftlichen. Fassen wir die letzte Zeit noch einmal zusammen. Im Hafenviertel regieren drei große Köpfe, die Namen habe ich dir und deinem Chef bereits geliefert. Hilfe bei der Aushebung von deren Nestern kann ich ebenfalls stellen. Meine Recherchen brachten mich in das Reichenviertel. Viele im Armen- und Hafenviertel sprachen immer wieder hinter hervorgehaltener Hand den roten Priester an. Kennst du ihn?“ Madlen winkte ab. „Ist ja auch egal, ob ja oder nein. Wichtig ist nur, dass ich ihn getroffen habe. Wir haben ein ausführliches Gespräch geführt und ich bin mir nicht völlig sicher, ob das rote Sumpfkraut in seinem Garten gewachsen ist. Da ist aber nicht der Hauptgrund. Diese Plage kann man leicht erledigen, indem man das Hafenviertel aufräumt. Wichtiger ist nur, dass du wissen solltest, dass er dabei ist eine Rebellion zu starten. Er hat…interessante Ansichten, was das herrschende System in dieser Stadt angeht. Seiner Meinung nach soll die Macht vom Volke ausgehen. In Bezug auf den König ist er, sagen wir, eher gespaltener Meinung. Und er wird nicht von hier fortgehen. Setzt ihn unter Druck und er wird sich zeigen. Er trägt eine rote Maske und eine schlichte schwarze Robe. Ich glaube nicht, dass er irgendeiner Religion angehört, auch wenn sein Name dies vermuten lässt. Er lehnt einen König oder Gott grundsätzlich ab. Für ihn gibt es nur eine Zukunft des Volkes. Er glaubt auch, dass nur er die einzige wahre Wahrheit erzählt. Und glaub mir eines, er ist absolut tödlich. Ihn umgibt eine Finsternis, welche ihn schützt und nährt. Sollte man jemals gegen ihn vorgehen wollen, dann mit viel Macht und Stärke!“
Madlen hob schließlich die Hand und zählte mit ihren Fingern, während sie weitersprach: „Ich schlage daher folgendes vor: 1. Vollständige Säuberung des Hafen-, Armen- und Reichenviertels. Im Grund muss die ganze Stadt gereinigt werden. Wie gesagt, stehen meine Leute dafür auch zur Verfügung. 2. Harte Bestrafung für jedes noch so kleine, unwichtige Verbrechen. Nur so kann man den roten Priester aus seiner Reserve locken. 3. Offene Fahndung nach eben jenem erwähnten Mann. 4. Vorbereitung der Ordenskrieger, Wachmannschaften und Magier auf einen harten Kampf mit dem Priester.“
Schließlich blickte die Bardin kurz noch einmal zu dem Fremden, welcher sich dem Met hingab und scheinbar mit den Gedanken woanders war. „Sollte der hier irgendwelche Probleme machen, gib mir Bescheid. Dann kümmere ich mich um ihn. Aber ich gehe davon aus, dass er weiß, wann er besser Informationen für sich behält. Ansonsten…“ Die letzten Worte ließ die Fürstin unausgesprochen.
Nach einigen Augenblicken des Schweigens seufzte sie und fuhr fort: „Das ist alles, was ich berichten kann. Von nun an stelle ich keine Ermittlungen mehr an, außer es gibt mehr als gute Gründe dafür. Ich setze nicht weiter mein Leben aufs Spiel und es geschieht am Ende doch nichts. Dies hier ist nicht mein Krieg und ich schulde niemanden etwas.“ Madlen lächelte leicht. „Meine letzten Worte darfst du ruhig weitergeben. Und mit Erpressung braucht darauf keine Antwort folgen. Darauf reagiere ich nicht…“
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Marktschänke
Diese aggressive, zickige Art der Frau, diese Haltung und diese Wortwahl der Fremden ließen in Bardasch das Gefühl aufkeimen, der Alten schon einmal begegnet zu sein. Er achtete in diesem Moment weniger auf die Reaktion seines Aufpassers, als mehr auf die unterschwellige Drohung, die diese Dirne da ausgesprochen hatte. Ja, sie war bestimmt die Sklavin eines reichen Schnösels, dem sie vor Jahren einmal die Kehle durch schnitt – so die Vorstellung des Nomanden. Eine Vorstellung, an der Bardasch sich fest haftete und die Andere mit finsterer Mimik betrachtete.
Keine Frau durfte sich so ein Gebaren erlauben, mit Ausnahme einer Einzigen, zwischen deren Schenkeln der Ergraute einst lag.
„Geh zurück an den Herd, wo Du hin gehörst“, brummte der Nomade. Echte Geschäftspartner konnten eben nur Männer sein. Frauen schwätzten zu viel.
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Vor dem Westtor
"Red keinen Unsinn", raunte der Alte, als sie auf das Westtor der Stadt zu hielten.
"Ohne deine Hilfe wäre es mir doch genauso ergangen wie Bruder Konstantin. Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass irgendeiner diese Prüfung hätte allein bestehen können."
Ob das für die Entscheidung, wer die Prüfung bestanden hatte, ausschlaggebend war? Wer wusste schon, nach welchen Maßstäben hier bewertet wurde?
"Du hast es mehr verdient als ich. Immerhin ist der Schatten über mich gekommen. Ich werde auf keinen Fall eine Entscheidung akzeptieren, die deinen Erfolg bei der Prüfung nicht anerkennt. Innos erwählte mich schon einmal und brachte mich auf den rechten Pfad - dieses Wissen reicht mir und ich weiß, wo mein Platz ist. Für dich hat der Rang eines Feuermagiers sicher eine höhere Bedeutung."
Einen Moment lang liefen sie schweigend nebeneinander her, stets auf das nahende Tor zu - der letzte Weg ihrer Prüfung fand ein Ende. Da setzte sich ein schalkhaftes Grinsen auf die Züge des Primus.
"Es sei denn natürlich, wir lassen Max mit dem Sonnenkranz antreten, mit uns beiden als Begleitung. Wir haben diese Prüfung gemeinsam gemeistert, also machen wir es ihnen unmöglich, einen Sieger unter uns auszumachen..."
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“Ich glaube, du hast Recht.“, begann Snydex erfreut. “Wir beide wären ohne den anderen nicht weit gekommen. Und ohne Max natürlich.“
Freudig lächelnd durchschritten die Novizen das Tor. Die Wache machte keine Anstalten sie aufzuhalten, schließlich waren sie, wenn auch verdreckt, als Novizen zu identifizieren. Ihr Ziel: Die Zitadelle.
Nur wenige Minuten brauchte es, bis sie eben jene erreichten.
“Max, begegne der obersten Feuermagierin stets mit Respekt, und lasse zuerst uns sprechen.“
Der Hirte nickte nervös. Snydex' Stimme war ernst. Gleich war es soweit. Er schluckte.
“Gehen wir hinein.“
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Noch immer war Mary wütend darüber, Françoise nicht auf die Reise begleiten zu dürfen. Sie wollte nicht untätig in Thorniara herumsitzen, während ihre Hilfe an anderer Stelle vermutlich viel dringender gebraucht wurde. Doch was die oberste Feuermagierin sagte galt als Gesetz. Außerdem wusste die Novizin, wie sehr Françoise Ungehorsam missbilligte. Schweren Herzens hatte Mary darum alle Pläne, der Priesterin heimlich zu folgen über Bord geworfen. Bei ihrem Glück wäre sie entdeckt worden, noch lange bevor sie auch nur in die Nähe von Setarrif gelangten.
Statt dessen beschäftigte sich die Novizin nun intensiv mit Heilmagie. Wenn Françoise etwas im Sinn für sie hatte, dann den Heilern bei einem erneuten Angriff auf die Stadt hilfreich zur Seite zu stehen. Denn das war definitiv eine der großen Schwachstellen von Thorniara; die wenigen Heiler. Und mit Françoise waren sie noch weniger. Widerwillig erkannte Mary den Sinn hinter dem Treiben der obersten Feuermagierin.
Es klopfte. Die Novizin erwartete niemanden. Vor allem nicht hier, in den Gemächern der Priesterin. Sollte sie aufmachen? Ein wenig unangenehm war es Mary schon. Zwar hatte Françoise immer wieder betont, dass die Novizin die Bücher in ihrem Arbeitszimmer studieren dürfe. Doch ohne sie war es schon etwas anderes. Was, wenn Lord Hagen vor der Tür stand? Bei dem Gedanken lief es der Novizin kalt den Rücken runter.
Es klopfte erneut. Es nutzte nichts. Vielleicht war es eine wichtige Nachricht. Dann müsste Mary sie in Empfang nehmen. Sie stand vom Tisch auf und ging zur Tür, um sie zu öffnen. Als sie das getan hatte, blickte Mary keineswegs in das Gesicht von Hagen oder irgendeinem anderen wichtigen Würdenträger. Es waren zwei Novizen und ein Bauer. So sah er jedenfalls aus. Und die beiden Novizen schienen sich ebenfalls auf einem Acker vergnügt zu haben.
»Innos zum Gruß. Was wünscht ihr?«, sagte Mary und erkannte dann die beiden Novizen wieder: Snydex und Vicktar. Sie waren zur Prüfung des Feuers berufen worden. »Wolltet ihr zu Meisterin Françoise? Dann muss ich euch enttäuschen. Sie ist vor einigen Tagen zu einer äußerst wichtigen Mission aufgebrochen.«
Dann erblickte die Novizin eine große, goldene Scheibe, die die drei Männer bei sich trugen.
»Habt ihr etwa die Prüfung gelöst?«, fragte Mary perplex. Sie kannte die Lösung des Rätsels nicht, doch was könnte es sonst bedeuten, wenn zwei erwählte Novizen mit so einer Scheibe zur obersten Feuermagierin wollten?
Françoise
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Das war doch mal wieder typisch. Natürlich war Francoise nicht da. Snydex hatte Verständnis dafür, dass die oberste Feuermagierin viel zu tun hatte, doch wieso müsste sie gerade jetzt weg sein? Doch dies sollte seine Freude nicht trüben.
“So ist es.“, begann er stolz. “Es war ein harter Weg, aber wir haben es geschafft. Zusammen. Aber ich denke das sollten wir mit einem der hohen Feuermagier besprechen. Weisst du, ob jemand abkömmlich ist?“
Snydex blickte zu Vicktar, dann zu Max.
“Und ohne diesen Jungen hier übrigens auch nicht. Er bat um die Aufnahme bei uns. Wärst du so freundlich und würdest dich seiner annehmen?“
Er konnte es.noch immer nicht fassen. Er hatte es tatsächlich geschafft.
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Mit Verwunderung guckte Mary die goldene Scheibe an und dann die drei Männer. Das war doch schon zu gut, um wahr zu sein! Außerdem bezweifelte die Novizin, dass mehrere auf einmal die Prüfung absolvieren konnten. Jedenfalls hatte sie davon noch nichts gehört. Andererseits lag es auch nicht an ihr das zu entscheiden. Ebenso wenig wie das Schicksal des Jungen.
»Wenn du dem Orden betreten möchtest, dann wirst du wie jeder andere auch den Tribut an den Tempel bezahlen müssen. Ein Schaf und...«
Mary machte die obligatorische Pause, wie sie in den Statuten des Ordens seit je her fest vorgeschrieben war.
»Tausend Goldstücke.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ob es etwas nützt, dass du ihnen bei der Aufgabe geholfen hast. Vielleicht durftest du gar nicht helfen. Das beste wird sein, wenn du mit ihnen gehst. Zu Meister Icarion. Er ist als Tempelvorsteher nach Françoise der ranghöchste Feuermagier in der Stadt. Ich denke, in ihrer Abwesenheit wird er sich auch um die Prüfung kümmern. Er sollte um die Uhrzeit im Tempel in seinem Gemach zu finden sein. Findet ihr den Weg allein? Ansonsten zeige ich ihn euch.«
Françoise
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Rupert prustete in sein Bier und verteilte die Hälfte davon über den Tisch. Sich mit dem Ärmel den Bart sauber wischend stellte er de Krug ab und warf Bardasch ein dreckiges Grinsen zu. »Jetzt habe ich Spaß«, raunte er in seine Richtung und wandte sich dann Madlen zu.
»Ein Mann mit Macht und interessanten Ansichten über Politik? Na das klingt doch ganz spannend. Ob und wie dagegen vorzugehen ist, soll aber die Sache des Hauptmanns bleiben. Besser Ihr besprecht das mit ihm. Er ist übrigens jeden Tag vor Sonnenaufgang in den Ställen, bei seinem Gaul. Er sagte, dass ihr Euch gerne bei ihm melden könnt, wenn Euch der Sinn immer noch nach einem harten Ritt steht…«
Immer noch feixend nahm er einen weiteren tiefen Schluck von seinem Bier und überlegte sich, ob es sich vielleicht doch lohnen würde, Bardasch ein Bier auszugeben. Wurde er dann noch griffiger, oder vertrieb der steigende Pegel die Schlechte Laune und damit auch sein scharfe Zunge?
Redlef
Geändert von Redlef (22.09.2016 um 23:22 Uhr)
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Tempel - Icarions Gemach
"Nein, wir finden den Weg allein. Vielen Dank, Schwester. Du hast uns sehr geholfen. Innos' Segen mit dir bei deiner Mission, über die Kammer der hohen Herrin zu wachen", entgegnete Vicktar mit einem milden Lächeln. Das ungleiche Trio zog unverrichteter Dinge von dannen und steuerte zielstrebig das Tempelviertel an - sie wollten die goldene Last endlich loswerden und klären, wer die Prüfung erfolgreich absolviert hatte.
Icarion war also wieder einmal derjenige, der über das Wohl und Werden Vicktars innerhalb der Gemeinschaft entscheiden sollte. Der einstige Novizenschinder, als der er in der Position des Novizenmeisters verschrien war, hatte selbst einen Schritt nach oben in der Hierarchie gemacht und nun war es an ihm, in der Abwesenheit der obersten Feuermagierin zu bestimmen, wer würdig war. Vicktar fragte sich, ob es nützlich war, dass er über seine Arbeit als Primus eine gute Beziehung zum meister aufgebaut hatte, oder ob das sogar hinderlich war. Immerhin würde man einen neuen Primus finden müssen, wenn die Prüfung als bestanden zählen würde.
"Meister Icarion ist mürrisch, aber gerecht. Ich denke, dass wir auch bei ihm gute Chancen haben, wenn wir ihm erklären, dass niemand die Prüfung hätte allein absolvieren können", meinte der Alte auf dem Weg durch die leeren Straßen.
Bald schon ragte der Tempel vor ihnen auf und die Drei verloren keine Zeit, die Kammer von Meister Icarion ausfindig zu machen. Auf ihr Klopfen hin kam zunächst nur eine leise, mürrische Antwort aus dem Inneren, dann öffnete sich einige Momente später die Tür.
"Bei Innos, es ist mitten in der Nacht! Was wollt ihr?"
"Innos zum Gruße, Meister Icarion", eröffnete diesmal der Primus.
"Wir sind von der Prüfung des Feuers zurückgekehrt, und da Herrin Françoise nicht in der Stadt weilt, möchten wir Euch als ranghöchstem Ordensmitglied das Ziel unserer Reise überreichen. Ich weiß, es ist unüblich, doch Snydex und ich lösten die Aufgabe gemeinsam, denn einer allein hätte die Gefahr nicht überwinden können, die uns auflauerte. Bruder Konstantin zum Beispiel fiel ihr leider zum Opfer."
Er deutete auf ihren jungen Begleiter.
"Und der junge Max hier half uns ebenfalls beträchtlich bei unserer Aufgabe. Er möchte ebenfalls ein Diener Innos' werden."
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Argwöhnisch betrachtete Icarion die drei Männer. Jede Altersklasse war vertreten. Vom Jüngling bis zum Greis. Innerlich seufzte der Tempelvorsteher. Normalerweise hätte er alle drei zum nächtlichen Putzen des Hofs verdonnert, denn er war im Begriff gewesen zu Bett zu gehen. Ja, selbst diesen eigenartigen Bauerjungen, der ihm nicht ganz gescheit vorkam. Doch außergewöhnliche Umstände erforderten außergewöhnliche Nachsicht.
In der Tat hatte die oberste Feuermagierin ihn vor ihrer Abreise instruiert, was er zu erwarten und zu tun hätte. Was für eine seltsame Fügung des Schicksals, dass ausgerechnet jetzt eine Prüfung des Feuers abgehalten wurde. Innos' Tun blieb einfach unergründlich. Zumindest wusste Icarion, was er zu tun hatte. Es wäre das erste Mal für ihn, eine Prüfung des Feuers abzunehmen und gegebenfalls eine Weihe durchzuführen. Details, die die Novizen nichts angingen.
»Ihr seid also auf Feshyr gewesen und habt den Schrein gefunden?«, fragte der Feuermagier misstrauisch. Ein einvernehmliches Nicken aller drei Männer erhielt er als Antwort. Mehr noch, sie präsentierten eine goldene Scheibe. Icarion erkannte sie als jene Scheibe, die Françoise ihm beschrieben hatte. Sie besaß viel Ähnlichkeit mit den Sonnescheiben, die üblicherweise an den Innosstatuen befestigt waren. Der Feuermagier nahm die Scheibe und betrachtete sie genauer.
Sie musste schon etliche Jahrzehnte hinter sich haben. Trotzdem hatten die feinen Verzierungen, die in das Gold getrieben waren, die Zeit beinahe unbeschadet überstanden. Ein wirklich schönes Stück, doch gewiss steckte mehr dahinter, als das bloße Auge zu erkennen vermochte.
»Nun gut. Ziel der Prüfung war das Bergen dieser Scheibe. Doch was meint ihr mit gemeinsam lösen? Die Prüfung soll doch eure Fähigkeiten unter Beweis stellen!?«
Icarion runzelte die Stirn. Das erste Mal sollte er über eine Prüfung des Feuers entscheiden und dann kamen diese Tölpel mit so etwas! Er selbst hatte seine Prüfung allein bewältigt. Ohne Hilfe von anderen Novizen. Oder Bauernjungen. Die beiden ließen nicht locker und erklärten abwechselnd die wichtigen Details ihrer Reise.
Françoise hatte ihm dieses Amt als Strafe auferlegt. Das musste es sein. Eine andere Möglichkeit gab es schlicht und ergreifend nicht. Und sie wusste genau mit was er sich jetzt hier herumschlagen müsste. Deshalb war sie so überstürzt aus der Stadt aufgebrochen. Am liebsten hätte Icarion diesen drei Tagedieben die Tür vor der Nase zugeschlagen. Selbst Vicktar, den er eigentlich immer als brauchbare Kraft geschätzt hatte. Hinfort, hinfort mit ihnen allen!
»Ruhe!«, fuhr der Tempelvorsteher schließlich zwischen die Erzählungen der Novizen. »Zusammen also. Den Punkt habt ihr klar gemacht. Das ist im höchsten Maße unorthodox.«
Er schnaufte hörbar.
»Es ist aber nicht verboten. Noch nicht. Wie dem auch sei, hätte Innos es anders gewollt, dann wäre es anders geschehen.«
Lange hielt der Feuermagier inne und betrachtete eingehend die Sonnenscheibe. Er musste eine Entscheidung treffen. Dafür hatte ihm Françoise diese Aufgabe übertragen. Was sollte schon geschehen?! Seine Entscheidung als Feuermagier und Tempelvorsteher besaß Gewicht im Orden. Und wenn jemand anderer Meinung war, sollte er bloß kommen.
»Dann ist es eben Innos' Wille. Ihr habt beide die Prüfung bestanden. Das bedeutet, ihr beide werdet in den Kreis des Feuers aufgenommen. Nein, du nicht, Bauernjunge. Wenn du in den Orden willst, wirst du den Tribut bezahlen wie alle anderen!«
Seine Großmütigkeit für heute, und wohl die nächste Woche, war aufgebraucht.
»Die Weihe für euch beide wird unverzüglich abgehalten, wenn die nötigen Vorbereitungen getroffen sind. Der Rundsaal muss geschmückt werden, der Chor muss üben, die nötigen Utensilien für die Zeremonie aus dem Lager geholt werden. Dann kann es von Statten gehen. Bis dahin seid ihr noch immer Novizen, vergesst das nicht. Und jetzt geht in Innos' Namen schlafen!«
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Tempel
Die Tür schlug zu, und die Novizen schlugen grinsend in die Hände.
"Ha, wer sagt's denn?", raunte Vicktar so leise, dass es nicht durch die Tür des Meisters drang.
"Wir werden Feuermagier! Was sagst du dazu?"
Der arme Meister Icarion hatte eigentlich gar keine große Wahl gehabt. Er hätte entweder die Prüfung für alle als gescheitert werten, oder sie beide zu Gewinnern erklären müssen. Vicktar und Snydex war es gelungen, beide zugleich als würdig für die Weihe befunden zu werden!
"Ich würde jetzt gern mit euch beiden feiern gehen, aber ich freue mich zu sehr auf mein eigenes Bett und darauf, meinem Mündel die frohe Botschaft zu verkünden", gestand er lachend.
Mit einem Blick auf Max, der etwas unschlüssig, gar geknickt dreinblickte, weil sich sein Traum nicht erfüllt hatte, wurde der Weber wieder ernst.
"Was dich angeht: den Tribut treiben wir schon für dich zusammen, mach dir keine Sorgen. Und wenn wir noch einmal nach Feshyr zurück müssen, um ein Schaf herüber zu schiffen."
Aufmunternd zwinkerte er dem Burschen zu.
"Morgen Abend in der Marktschänke - ich gebe einen aus. Und bis dahin sollten wir den Chorsängern ordentlich einheizen und beim Schmücken helfen, meinst du nicht? Schlaft gut, Innos' Segen für euch Zwei!"
Damit ließ er Snydex und Max allein. Johanna würde große Augen machen, wenn sie von der Geschichte hörte. Nachdem sie sich im Voraus schon solche Sorgen gemacht hatte, ob es eine gute Idee war, an der Prüfung teilzunehmen, würde sie aus der Haut fahren, wenn sie hörte, wie gefährlich es tatsächlich war! Mit einem seligen Grinsen stapfte der alte Mann von dannen. Es war ein großartiger Abend.
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