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    Lied im Schilf  Avatar von Dawnbreaker
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    Ein Beitrag zu unserem Story-Workshop:
    Thema: Was macht einen Held aus?
    Vorgabe: Zweifel

    Vom Mut, nichts zu tun ...

    Edric ließ sich von jubelnden Menschen regelrecht in die Taverne spülen. Er und seine Kameraden hatten auch allen Grund zu feiern, denn immerhin konnten sie den Kaiserlichen Truppen einen vernichtenden Schlag zufügen. Drinnen herrschte Gedränge und die vorherrschende Farbe der Kleidung war das Blau der Sturmmantelrüstungen. Es roch nach Schweiß, Leder und billigem Alkohol. Etliche Hände klopften ihm anerkennend auf die Schultern, fremde Gesichter lachten ihn an und nach und nach verlor sich Edric im Getümmel, welches ihm immer unerträglicher zu werden schien.
    „Trink mit uns!“ Er wurde am Arm zurückgehalten und erkannte seinen Kameraden Sigund, der ihn an einen vollen Tisch zog und zwischen zwei andere Soldaten presste, so dass Edric kaum die Arme heben konnte. Man schob ihm einen Becher Met hin, er angelte sehr umständlich danach und verschüttete die Hälfte, als sein Nebenmann den eigenen Becher hob und den anderen grölend zuprostete.
    Der Lärm war kaum zu ertragen, aber dann setzte die Wirkung des Mets ein und der sonst so stille Nord fing an mit den anderen mitzujohlen. Becher um Becher wurden seine Hochrufe auf Ulfric lauter und er stachelte die Kameraden damit an, ebenfalls Loblieder auf ihren Oberbefehlshaber zu singen.
    Gegen Morgen taumelten sie ihrer Unterkunft entgegen, aber schließlich hatten sie ja noch Ausgang und konnten sich in aller Ruhe ausschlafen. Edric fiel auf sein Bett wie ein gefällter Baum, das halblange blonde Haar hing ihm wirr ins Gesicht und er schlief auf der Stelle ein.

    „Männer! Diese Schlacht wird ohne Zweifel eine Herausforderung, aber wir werden die Kaiserlichen aus Himmelsrand verjagen!“ Ulfric marschierte vor seinen Leuten auf und ab und badete regelrecht im Jubel seiner Soldaten, die für ihn sterben würden.
    Eine Woche war seit dem letzten Kampf vergangen, die Wunden verheilten und der Hass auf die Kaiserlichen nahm stetig zu. Edric und seine Kameraden schlenderten durch Windhelm, als einer von ihnen eine Dunkelelfe anpöbelte. „Und Ihr seid die Nächsten! Solches Pack dulden wir hier bald nicht mehr!“ Die völlig verschreckte Frau ließ ihren Korb voll Brot fallen und rannte davon.
    Der Ausdruck in ihrem Gesicht … Edric bekam Gänsehaut und er blaffte seinen Kameraden Sigund an: „Was hat Dir diese Frau getan? War das wirklich nötig?“
    Der Angesprochene winkte ab. „Sie sollen wissen, was wir von ihnen halten. Sie sind Abschaum.“ Er spuckte in den Schnee, aber Edric hob den Brotkorb auf. Er wusste, dass die Elfen hier nur geduldet wurden und mehr als dürftig bezahlt wurden. Das Brot konnte eine Familie tagelang ernähren. „Wir treffen uns in der Kaserne.“ Mit diesen Worten ließ er seine Kameraden stehen und eilte der Elfe hinterher.
    Im Bezirk, in welchem man sie und ihre Landsleute eingepfercht hatte, wurde er fündig. Auf einer Steintreppe saß sie. In sich zusammengesunken und weinend. Er räusperte sich und die Elfe fuhr erschrocken auf. Sie drückte sich an die Haustür und rief: „Bitte tut mir nichts!“
    Edric stellte den Korb langsam vor ihr ab und ging. Auf dem Weg zur Kaserne fragte er sich, ob er etwas hätte sagen sollen. Irgendetwas. Dann drehten sich seine Gedanken wieder um den morgigen Abmarsch. Er hatte seine Sachen schon gepackt, aber eine Kontrolle konnte nicht schaden.

    Ein leichter Wind wehte über die Ebene und Edric wartete mit vierhundert anderen Sturmmänteln auf das Signal zum Angriff. Es erfüllte ihn mit Stolz ganz vorne zu marschieren, zu den Unerschrockenen zu gehören, zu jenen, die überlebten, weil sie stärker waren als alle anderen. Eine Sekunde schoss es ihm durch den Kopf, dass es bei dieser Einstellung kein Wunder war, sich für etwas Besseres zu halten, andere als Schwächlinge abzutun.
    Er verdrängte diesen Gedanken und konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Neben ihm klopfte Sigund mit dem Schwert auf seinen Schild, um sich Mut zu machen. „Schicken wir diese Schweine zu ihren Göttern“, knurrte er.
    Edric selbst trug einen Zweihänder. Sigund würde voranstürmen, den Schild als Rammbock benutzen und sein eigenes Schwert hielt dann blutige Ernte. So machten sie es immer und es funktionierte jedes Mal. Vor ihnen befand sich nur eine dünne Linie Sturmmäntel mit angespitzten Pfählen, welche die gegnerischen Reiter aufhalten sollten. Sie rammten diese Pfähle in den Boden und die Pferde wurden regelrecht aufgespießt. Er hörte ihre gequälten Schreie, als das Holz sich tief in ihre Körper schob. Ihre Reiter stürzten zu Boden und wurden von ihm und den anderen niedergemacht, noch ehe sie dazu kamen, sich zu wehren.
    Immer weiter rannten die Sturmmäntel auf die feindlichen Linien zu. Sie schrien und ihre Gesichter verzerrten sich zu Grimassen voller Hass und Wut. Sie wüteten in den Reihen der Kaiserlichen, welche ihre Formation auflösen mussten und Ulfrics Truppen setzten wie hungrige Wölfe nach.
    Das Gemetzel dauerte Stunden und Edrics Arme waren schwer geworden. Vor ihm lag ein Kaiserlicher am Boden und hob schützen die Hände vor das Gesicht, seine Waffe war ihm beim Sturz entglitten. Der Nord holte mit dem Zweihänder zu Schlag aus. Alles, was zählte, war der Tod dieses Mannes, der ihn mit traurigen blauen Augen anschaute. Er wusste, dass sein Ende nun gekommen war, dann schloss er die Augen und erwartete den Hieb.
    Edric zögerte, das Schwert immer noch erhoben. Der Mann war wehrlos, aber Sigund nahm ihm die Entscheidung ab und köpfte den Kaiserlichen. „Los! Weiter!“ Er rannte voraus, während Edric immer noch vor dem Toten stand und diesen ansah. Hatte er Familie gehabt? Der Ruf seines Kameraden riss ihn aus der Betrachtung und er eilte seinem Trupp hinterher. Ihnen war es gelungen, einige Kaiserliche von ihrer Kompanie zu trennen und nun setzten die Sturmmäntel nach.
    In einem kleinen Wäldchen fielen sie übereinander her wie Raubtiere, die um ein Stück Fleisch kämpften. Das Schwert rutschte ein paar Mal aus Edrics Hand, weil das Blut seiner Feinde überall klebte und er sah aus, als hätte er darin gebadet. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie Sigund von einem Pfeil getroffen wurde, der dann aus seiner Stirn ragte. Der Riese fiel nach vorne um und blieb reglos liegen.
    Edrics Wut gab ihm neue Kraft, er blickte sich um, aber seine Kameraden … wo waren sie? Dann bemerkte er, dass er alleine war, genauso wie der Kaiserliche vor ihm, der sich schwer atmend gegen einen Baum lehnte. Der Nord knurrte wie ein Tier, fletschte die Zähne und wappnete sich für einen letzten Angriff. Das schwarze Haar seines Gegners klebte genauso in dessen Gesicht, Blut, Schweiß und er zeigte nicht die kleinste Spur von Angst. „Ich wusste, dass ich heute sterben werde.“ Er lächelte.
    Edric verstand es nicht. Seine Hände umklammerten den Schwertgriff. „Ja, das wirst Du. Genauso wie Deine verdammten Kameraden“, zischte er dem Gegner durch die Zähne entgegen.
    „Und Du ebenfalls. Keiner von uns wird diesen Tag überleben.“ Es klang resigniert und der Kaiserliche stieß sich vom Baumstamm ab, kam einige Schritte näher. „Ich will nicht sterben. Und Du?“
    Edric zog ein ungläubiges Gesicht. „Wenn es sein muss, dann gebe ich für Ulfric mein Leben.“
    „Und dann? Dankt er es Dir, Deiner Familie?“
    „Jeder Sturmmantel würde das tun.“
    „Ja, und jeder Kaiserliche würde sich für Tullius opfern. Wir sind Soldaten, aber wir sind auch Menschen.“
    Edric hob das Schwert wieder an, weil der Kaiserliche immer näher kam. Er war unerschrocken und das verwirrte den Nord. „Ich mache Dir einen Vorschlag: wir gehen beide wieder unserer Wege.“
    „Das könnte Dir so passen!“, schrie der Nord ihm entgegen. Mittlerweile war es dunkel geworden und er nahm sein Gegenüber nur noch als Schemen wahr. Hinter ihnen knackten Äste im Unterholz, ohne Zweifel Soldaten auf der Suche nach Überlebenden. Nur: welcher Armee gehörten sie an?
    Auch der Kaiserliche wurde unruhig. „Sind das Deine Leute?“
    Edric zuckte mit den Schultern, lauschte, aber er konnte die Soldaten nicht anhand der Sprache identifizieren, schließlich sprachen in Himmelsrand alle die gleiche.
    „Lass uns abhauen!“
    Der Nord lachte leicht hysterisch. „Wohin denn?“
    „Ich bin hier aufgewachsen, ich weiß wie wir wieder aus diesem Wäldchen herauskommen.“ Er trat unruhig von einem Bein aufs andere. „Willst Du Dich wirklich abschlachten lassen?“
    Edric schnaufte ungehalten. „Geh' voran, damit ich Dich im Auge behalten kann.“ Der Kaiserliche führte ihn einen schmalen Pfad entlang hinauf auf einen kleinen Berg. Trotz der Dunkelheit fand er sich gut zurecht und im Gegensatz zu Edric, der sein Schwert mittlerweile wieder auf dem Rücken gegürtet trug, strauchelte er kein einziges Mal. „Dir ist schon klar, dass wir nun Deserteure sind?“
    Er hörte das Lachen des Kaiserlichen. „Ja. Aber was nützt es zu kämpfen, wenn ich nicht einmal weiß gegen wen? Soll ich mich in der Dunkelheit von meinen eigenen Kameraden abschlachten lassen“

    ***

    Ein halbes Jahr nach der großen Schlacht kam eine kleine Patrouille Soldaten an einem Bauernhof vorbei, der aus nichts weiter als zwei kleinen Hütten und ein wenig Ackerland bestand, das dem felsigen Boden abgetrotzt wurde. Der Anführer der Sturmmantelsoldaten winkte die beiden Bauern zu sich, zwei verschwitzte Männer, die unterschiedlicher nicht hätten aussehen können. Ein Nord mit blondem Haar, das er zu einem Zopf gebunden hatte, und ein Kaiserlicher mit kurzem schwarzem Haar. „Habt Ihr einen Soldaten gesehen? Er müsste gestern hier in der Nähe gewesen sein. Er ist desertiert.“ Auf dem Acker bemerkte er eine dritte Person, die gerade dabei war, den Kohl zu ernten.
    Der Blonde schüttelte den Kopf. „Hier verirren sich nur selten Menschen her. Wir haben seit Wochen niemanden mehr gesehen.“ Er stützte sich auf seine Schaufel und auch sein dunkelhaariger Begleiter verneinte die Frage. Als sich die Patrouille wieder entfernte, gingen sie zu jenem, der mit dem Kohl beschäftigt war und klopften ihm aufmunternd auf die Schultern. „Lasst uns eine Kleinigkeit essen, das haben wir uns verdient. Deine Rüstung vergraben wir am besten im Wald.“
    Dawnbreaker ist offline Geändert von Dawnbreaker (30.06.2016 um 10:22 Uhr) Grund: Habe das Ende umgeschrieben
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    Thema: Was macht einen Held aus?
    Vorgabe: Übermut

    Überlebenskünste

    Aerith war es gewohnt, dass man ihn nach getaner Arbeit entsprechend würdigte, denn immerhin handelte es sich bei ihm um niemand Geringeren, als das Drachenblut selbst. Er posierte neben dem erlegten Drachen und überlegte sich, ob er diesmal nicht eine etwas dramatischere Haltung einnehmen sollte. Nach einer kurzen Diskussion mit seinem Chronisten Tulir, der auch ein begabter Zeichner war, entschied er sich dafür, das Breitschwert in der Hand zu halten. Den rechten Fuß stellte er auf das Haupt des einst so edlen Tieres, der Körperspannung wegen. So verharrte er einige Minuten, denn sein Assistent brauchte nicht lange, um diesen Augenblick mit wenigen Strichen des Kohlestiftes einzufangen. In Rifton hatte Aerith ihm ein Atelier im Keller eingerichtet, in dem Tulir die Skizzen in prachtvolle Ölgemälde umsetzte. Die meisten davon hingen in den verschiedenen Häusern, welche man dem Drachenblut nur allzu freimütig dafür überlassen hatte, dass er die Drecksarbeit der Jarls erledigte, denen er zum Dank jeweils eine Malerei überließ.
    Jarl Balgruuf geriet jedes Mal in nervöse Hektik, wenn die Wachen das Drachenblut ankündigten. Dann nämlich jagte er seinen Huscarl Irileth in seine Gemächer, um von dort jenes unsägliche Porträt zu holen, welches Aerith ihm einst untergeschoben hatte. Die Dunkelelfe hängte es dann über dem Thron auf und jedem verging beim Essen an der großen Tafel der Appetit. Trotzdem gebot es die Höflichkeit, diesen vor Selbstbeweihräucherung nur so triefenden Schinken gut sichtbar aufzuhängen. Wenn auch nur für kurze Zeit.

    „Ihr seid heute vergleichsweise langsam, Tulir?“, stellte Aerith verärgert fest.
    „Verzeiht mir, dass der Drache meinen rechten Arm versengt hat“, antwortete der ehemalige Hofmaler schnippisch und bedauerte sich wieder einmal selbst dafür, dass er die gutbezahlte Stelle in der Kaiserstadt aufgeben hatte, um das große Abenteuer zu suchen. Seine ziemlich romantische und naive Vorstellung von diesem Unterfangen zerfiel in jenem Moment, in welchem er die Grenze nach Himmelsrand überquerte und ausgeraubt wurde. Mit nichts als der Kleidung am Leib war er in Flusswald gestrandet und verdiente sich sein Gold damit, in der Taverne die Dorfbevölkerung zu porträtieren. Dass diese Banausen keine Spur von Kunstverständnis zeigten, machte die Sache nicht leichter.
    Aerith traf er, als dieser dem Schmied einen Besuch abstatte und genau in jenem Moment setzte sich ein Frostdrache auf eines der Häuser, brach mit dem Dach ein und zermalmte dort Hilde, die Mutter des Barden, mit seinen gewaltigen Pobacken. Zugegeben, das Drachenblut erledigte seine Arbeit zuverlässig und schnell, aber dafür fiel das nachfolgende Brimborium recht üppig auf. Der Held stolzierte durch das Dorf, ließ sich ausgiebig feiern und gab in der Taverne eine Lokalrunde aus. Allerdings ohne musikalische Untermalung, denn Sven war immer noch dabei, die Überreste seiner Mutter zu bergen, was Aerith zutiefst bedauerte. Also, das Fehlen der Musik zumindest.

    Nachdem Tulir sich zwei Heiltränke verabreicht hatte, kramte er die ebenfalls angesengten Zeichnungen in eine Ledermappe zusammen und verstaute diese in seinem Rucksack. „Wir sollten überlegen, ob wir die Mappe nicht aus einem feuerfesten Material anfertigen lassen könnten. Wir wollen ja nicht, dass die Skizzen beim nächsten Mal verbrennen.“ Aerith zeigte mal wieder so viel Feingefühl wie ein Riese beim Frühlingstanz.
    „Euer Mitgefühl ist kaum zu ertragen“, blaffte der Künstler ihn an.
    „Nicht wahr?“ Das Drachenblut drehte sich um und machte sich auf den Rückweg. Rorikstatt war zwar ein Kaff voller Hinterwäldler, die seine hohe Kunst des Tötens nicht zu würdigen wussten, aber wenigstens hatten sie eine warme Unterkunft für die Nacht in Aussicht. Zurück ließ er einen erschütterten Tulir, der sich vornahm, den Titel seiner Memoiren in „Ich reiste mit einem Idioten“ abzuändern.

    „Wo gehen wir jetzt hin?“, fragte der Maler das von Frauen umschwärmte Drachenblut. Offensichtlich hatte man sämtliche Dorfschönheiten der Nachbarhöfe in die Taverne gekarrt.
    „Langsam! Ihr kommt alle mal dran!“ Aerith lachte und schubste eine blonde Frau von seinem Schoss, denn schließlich wollte er allen seine Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen. Nach so einem üppigen Mal konnte er sich wenigstens auf diese Art „bedanken“. Dass sich die Dörfler die nächsten Wochen nur von Kohl und Rüben ernähren mussten, fiel höchstens Tulir auf, der angenervt den Kopf schüttelte. „Schreibt das auf, werter Chronist und macht eine nette Zeichnung!“ Keine Frage, das Drachenblut hatte dem Alkohol nur allzu gierig zugesprochen, aber es bemerkte niemand. Der säuerliche Geruch von hochprozentigen Getränken mischte sich mit dem Gestank von Schweiß und der Künstler musste aufpassen, dass sein gutes Essen an Ort und Stelle blieb, nämlich da, wo es vor einer Stunde durch sein Gedärm hingewandert war.
    „Ich höre“, hakte er ungeduldig nach.
    „Oh, Ihr seid noch da?“ Aeriths Gesicht tauchte zwischen den Brüsten einer drallen Brünetten auf und blickte ihn fragend an. „Ihr habt meine volle Aufmerksamkeit.“ Er gab der Frau noch einen Klaps auf den Hintern mit auf den Weg.
    „Könntet Ihr Euch wenigstens darum bemühen, Euch etwas zivilisierter zu benehmen?“, schnaufte Tulir.
    „Ich bin ein Nord! Wir sind halt sehr direkt und nicht so … verschnörkelt wie Ihr Kaiserlichen.“ Das Drachenblut lachte schallend und mit ihm alle Umstehenden, egal ob sie die Bemerkung gehört hatten oder nicht.
    Der Künstler stand auf. „Entschuldigt mich, ich begebe mich zur Nachtruhe.“ Mit schnellen Schritten erreichte er sein Zimmer, nur um zwei Stunden später von lautem Stöhnen aus dem Schlaf gerissen zu werden, welches aus dem Nebenzimmer zu ihm drang, als stünde keine Wand zwischen ihnen. „Arschloch“, brummte Tulir und presste sich das Kopfkissen aufs Gesicht.

    Das Frühstück wurde rüde unterbrochen, als ein Bauer in die Taverne taumelte und unmittelbar vor dem Eingang mit den Worten: „Ein Drache. Es ist ein Drache“, zusammenbrach.
    Aerith sprang auf und rief theatralisch: „Wohlan, mein Freund! Die Pflicht ruft!“ Er stieg über den bewusstlosen Mann hinweg und trat hinaus ins Freie. Keine Frage, über ihren Köpfen kreiste ein Blutdrache.
    „Oh, nein!“, entfleuchte es Tulir und das Drachenblut klopfte ihm herzhaft auf die Schulter.
    „Ach, kommt schon, was soll an dem anders sein, als an seinen Vorgängern?“
    „Bisher begegneten wir nur niedrigen Drachen“, warf der Künstler ein.
    „He! Wollt Ihr etwa meine Taten schmälern?!“
    Tulir wischte sich den Speichel aus den Augen, den Aerith voller Wut dort hin befördert hatte. „An Eurer feuchten Aussprache sollten wir unbedingt arbeiten.“ Er beobachtete, wie der Drache über der Anhöhe vor dem Dorf eine Schleife drehte und nun direkt auf sie zuflog. „Seid nur vorsichtig, das Biest hat es in sich.“
    Aerith zog das Schwert und schrie: „Ich bin das Drachenblut!“ Mit diesen Worten rannte er dem riesigen Tier entgegen, während Tulir in Deckung sprang. In der Tat: das Drachenblut sah für genau zehn Sekunden wirklich erhaben aus, dann schleuderte ihn ein Feuerstoß in die Sickergrube der Taverne.
    „Verdammte Scheiße“, murmelte der Künstler und zückte schnell seinen Skizzenblock.
    Währenddessen krauchte Aerith hustend aus der Jauche. Die neueste Mode aus Einsamkeit war wohl nicht mehr zu retten, denn was von seinem teuren Zwirn tropfte, machte aus den einst so wertvollen Kleidungsstücken bessere Putzlappen. Er tastete nach dem Schwert, welches ihm aus der Hand geglitten war und versuchte, sowohl Griff als auch Hände zu reinigen. „Tulir, ich brauche Eure Hilfe!“
    Der Kopf des anderen kam hinter zwei Fässern zum Vorschein. „Das könnt Ihr vergessen! Ich bin nicht Euer Handtuch!“ Er deutete gen Himmel. „Und außerdem hat unser Freund da oben seine eigenen Pläne.“ Er tauchte wieder ab und überließ Aerith seinem Schicksal.
    Dieser übergab sich ein letztes Mal und brüllte dem Drachen diesmal einen Schrei entgegen, der das Tier in die Höhe katapultierte und aus dem Konzept brachte. Eine stärkere Wirkung war nicht zu verzeichnen. Das Drachenblut seufzte vernehmlich und bereitete sich auf den nächsten Angriff vor. Einen Moment lang dachte er an Flucht, aber da er sich nicht blamieren wollte, musste er sich dem Feind wohl oder übel stellen. Zum Glück blieb ihm so viel Zeit, dass er einen erneuten Schrei vorbereiten konnte. Diesmal holte er das Riesenvieh vom Himmel und der Drache fiel mitten auf die Hauptstraße des Dorfes. Der seltsame Geruch, den Aerith verströmte, irritierte das Tier zutiefst und so gelang es dem Drachenblut, einen ersten Treffer auf dem Kopf des Drachen zu landen. Auf dramatische Gesten verzichtete Aerith lieber, er war zu sehr mit Überleben beschäftigt, denn der Blutdrache schnappte nach ihm, spuckte ihn aber umgehend wieder aus. Nun tropften nicht nur Fäkalien am Helden herab, sondern auch Drachenspeichel.
    Tulirs Mund stand offen, während sein Zeichenstift nur so über das Papier flitzte. Das Drachenblut hingegen hinterließ auf Schritt und Tritt große undefinierbare Lachen. Er hechtete erneut heran, landete einen zweiten Treffer und nutzte damit die Übelkeit seines Gegners gekonnt aus. Ja, ohne Zweifel war er unverdaulich und der Drache würgte zwei Sturmmäntel hoch, die er wahrscheinlich unterwegs so nebenbei gefressen hatte. Auf Patrouilie zu gehen war dieser Tage gefährlicher, als gedacht.
    „Nimm das!“ Aerith hatte zu alter Form zurückgefunden und rammte dem Drachen das Schwert ins Auge. Ein erneuter Stoß in die Kehle brachte den Sieg und das Tier verendete. Allerdings nicht an der Kampfkraft des Drachenblutes, wie sich später herausstellte. Es war schlicht und ergreifend erstickt, weil ihm die Rüstung eines Kaiserlichen in der Kehle stecken geblieben war.

    „Ich sage es ja immer: Wir Kaiserlichen sind zäher“, zog Tulir ihn auf, als sie zwei Stunden und fünf Bäder später aufbrachen.
    „Ach, haltet die Klappe“, motzte Aerith ihn an, aber der Künstler kannte kein Erbarmen. Die Gelegenheit war einfach zu verlockend.
    „Zumindest wissen wir jetzt, wie wir einen Drachen zum Kotzen bringen können.“ Sein Kichern klang wenig verhalten. „Eine neuartige Kampftaktik.“
    „Das werdet Ihr mir ewig vorhalten, oder?“ Vor einem Wegweiser blieben sie stehen. „Einsamkeit oder Markarth?“
    „Mir wäre jetzt erst einmal nach viel Ruhe.“ Tulir schaute Aerith prüfend an.
    „Gehen wir angeln“, erwiderte das Drachenblut lachend. „Das haben wir uns verdient.“
    „Wir? Ich bin gerührt.“ Der Künstler grinste breit. Es bestand wohl doch noch Hoffnung für Aerith?
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