Diese Geschichte ist ein kleiner Beitrag für den Story-Workshop, wobei ich versucht habe, die Themen "Held" und "Zweifel" miteinander zu verknüpfen.

Sie standen Schulter an Schulter, ein Lebender zwischen Toten, hoch aufgerichtet, zuversichtlich, siegesgewiss. Sie hatten ein gemeinsames Ziel. Langsam lichteten sich die Nebel.
"Noch einmal!"
Die rauchige Stimme Gormaiths schicket eine Gänsehaut über Garoths Rücken. Ganz kurz schwenkte sein Blick zu der Kriegerin neben ihm, traf auf Augen, die vor Entschlossenheit nur so strahlten, um dann sofort wieder seine ganze Aufmerksamkeit auf den Nebel vor ihnen zu richten.
Garoth sog die reine Luft Sovngardes tief in seine Lungen.
"LOK VAH KOOR!"
Der vierstimmige Schrei zerriss die Wolken, zerfetzte sie geradezu, löste sie auf. Eine traumhaft schöne, wilde Landschaft wurde sichtbar und ein Himmel, dessen Sternenpracht alles bisher gesehene in den Schatten stellte.
Doch ihnen blieb keine Zeit für lange Betrachtungen. Wütendes Grollen war die Antwort, und schon stieg der schwarze Schatten vor ihnen auf.
Alduin.
Der Weltenfresser.
Endlich war es soweit.
Endlich würde Garoth diese Geißel Tamriels für immer vernichten.
Fest schlossen sich seine Fäuste um den Zweihänder.
Dann stürmte er los.

Lange tobte der Kampf. Vier kleine Gestalten erdreisteten sich, das größte Monster zu attackieren, das die Welt je hervorgebracht hatte, ein Monster, dessen Macht so gewaltig war, dass es brennende Steine vom Himmel regnen lassen konnte.
Und doch hatte es der vereinten Kraft von Leben und Tod nichts entgegenzusetzen. "Drachenfall" lähmte seine Flügel, die bald sowieso nicht mehr flugtauglich waren, da sich Garoths und Gormlaiths Schwerter nahezu synchron durch die ledernen Häute fraßen. Der stolze Herrscher der Lüfte wurde zum Kampf am Boden gezungen. Wellen von Eis und Feuer brandeten über ihn hinweg. Er schnappte und schlug, schrie seinen Feinden Worte gewaltigster Macht entgegen. Doch es reichte nicht. Plötzlich stand Garoth direkt neben seiner Schnauze, und bevor Alduin reagieren konnte, hatte der Nord eines seiner Hörner erfasst und sich mit einem kühnen Schwung hochgezogen.
"YSGRAMOR!"
Der Schrei war nicht magisch, doch die Kraft darin schien sogar noch gewaltiger zu sein. Mit einer Wucht, die Alduin den sterblichen Würmern niemals zugetraut hätte, raste die Spitze des Zweihänders auf ihn zu, zielte genau auf seine Stirn und durchdrang die schweren Knochenplatten beinahe mühelos. Tief fraß sich die Klinge in seinen Schädel. Zu tief. Diesen Schaden konnte selbst ein Gott nicht reparieren. Ein letzter, langer Blick fand den Weg von Alduin zu Garoth. Dann löste sich der Drache langsam auf.
Es war geschafft.

Jubel brandete auf.
Garoth, der noch viel zu sehr damit beschäftigt war, neue Luft in seine brennenden Lungen zu saugen, schaute auf. Erst nach und nach gelang es ihm, den Triumph auf den Gesichtern der anderen zu sehen, erst langsam drangen die Worte zu ihm durch.
"Wir haben gesiegt!"
"Ihr seid ein Held!"
"Eure Ahnen werden stolz auf Euch sein!"

Der Abschied war kurz aber herzlich. Als letzte schlug ihm Gormlaith noch einmal auf die Schulter dass es krachte. "Ich wünsche Euch noch ein langes Leben, mein Held. Aber wenn Ihr dereinst für immer zu uns kommt, werden wir gemeinsam ein paar Fässer leeren."
Damit ging auch sie.
Als sie an Tsun vorbei die Brücke betrat, warf ihr dieser einen kleinen Beutel zu. "Immer wieder gern", hörte Garoth sie noch sagen, dann schlossen sich die Tore von Shors Halle hinter ihnen und auch für Garoth wurde es Zeit, zu den Lebenden zurückzukehren.

Weißlauf war im Festrausch. Überall hingen Fähnchen und bunte Wimpel in den Straßen. Es roch nach Gegrilltem, nach Met und heißem Wein. Niemand dachte heute daran zu arbeiten, alle hatten sich in den Straßen versammelt, um zu feiern und ihrem Helden zuzujubeln. Garoth genoss diese Aufmerksamkeit. Unzählige Hände hatte er bereits geschüttelt, mindestens fünf Babys geküsst. Ihre Mütter hatten sie ihm freudestrahlend entgegengehalten, in der Hoffnung, dass etwas von seinem Ruhm auf die Kleinen abfärben mochte.
Nur mit dem Trinken hatte sich Garoth bisher noch zurückgehalten, so schwer es ihm auch fiel. Erst am Abend würde das Fest mit dem Bankett in der Drachenfeste seinen Höhepunkt erleben, und dann erwartete jeder von ihm, dass er noch auf den eigenen Beinen stand. Wenn er sich so umsah, dann wusste er, dass etliche Städter dazu nicht mehr in der Lage sein würden.

Die dicken Bretter der Tafel im Jarlspalast bogen sich unter der Last der Speisen und Getränke. Jarl Balgruuf hatte sich nicht lumpen lassen. Selbst das Küchenpersonal der "Beflaggten Mähre" war für die Vorbereitungen zwangsverpflichtet worden, was Hulda einen säuerlichen Blick entlockt hatte. Sie hatte sich dann für ihre eigenen Geschäfte mit Hilfspersonal zufriedengeben müssen.
Die Reden des Jarl war vorbei, man hatte bereits einige Humpen geleert und auch Garoth, der auf dem Ehrenplatz an der Seite des Jarl saß, hatte seine Zurückhaltung aufgegeben. Gerade biss er in ein besonders saftiges Stück Bärenlende, als sie kurz gestört wurden. Irileth beugte sich zu Balgruuf herab.
"Mein Jarl, dieser Pferdedieb, den wir gestern gefasst haben, bittet Euch ..."
Unwirsch winkte der Jarl ab. "Jetzt nicht, Irileth."
"Aber morgen früh ..."
"JETZT NICHT! Ihr seht doch, dass wir feiern. Belästigt uns nicht weiter damit!"
"Wie Ihr befehlt, mein Jarl!"
Irileth verbeugte sich kurz und verließ den Saal.
"Sie ist meine treueste Kriegerin aber sie kann nicht abschalten", seufzte Balgruuf, um gleich darauf einem vorbeihastenden Diener seinen leeren Becher hinzuhalten. "Warum kann das ganze Diebesgesindel es nicht mal mit ehrlicher Arbeit versuchen?"

Stöhnend öffnete Garoth die Augen. Es war hell, blendend hell, und entsätzlich heiß. Er hatte das Gefühl, sein roter Bart würde in Flammen stehen, während gleichzeitig zwei Schmiede von rechts und links gegen seinen Schädel hämmerten. Mit einem unterdrückten Fluch rollte er sich herum, runter von dem Schild, der sich in der prallen Mittagssonne aufgeheizt hatte, und weg vom Licht, dass ihm in die Augen stach. Der Hof von Jorrvaskr lag vor ihm. Er hatte es also nicht mehr bis in sein Bett geschafft. Dass sich noch niemand um ihn gekümmert hatte, lag wohl einfach daran, dass es den anderen kein bisschen besser ging.
Stück für Stück stemmte er sich hoch, innerlich froh darüber, den großen Platz noch völlig leer vorzufinden. So sah wenigstens niemand, wie der große Held total verkatert durch die Gegend taumelte.
Seine Füße trugen ihn fort von Jorrvaskr, auf den heiligen Baum zu und dann daran vorbei. Auch hier war nicht viel los. Ein paar Wachen drehten müde ihre Runden, ein Lieferjunge verschwand mit zwei Körben unter den Armen im Tempel, Heimskr fegte vor sich hinbrabbelnd den Platz vor der großen Talos-Statue. Grußlos ging Garoth an allen vorbei. Ihn zog es zu dem künstlichen Wasserfall, der von der höher gelegenen Drachenfeste herabrauschte und seinem schmerzenden Schädel Linderung versprach. Ohne zu zögern beugte Garoth sich weit vor. Das eiskalte Wasser traf ihn mit Wucht, klatschte in sein überhitztes Gesicht und raubte ihm den Atem. Aber es wirkte, das Hämmern in Garoths Schädel ließ nach. Langsam nahm er seine Umwelt wieder bewusst wahr.
Langsam drangen Geräusche zu ihm durch.
Traurige Geräusche.
Jemand weinte.

Die Kleine hatte vielleicht sieben Sommer gesehen, höchstens acht. Immer noch zitternd und von zahlreichen Schluchzern unterbrochen, kauerte sie neben Garoth. Er hatte den Arm um sie gelegt, hielt sie fest und hörte nur zu.
"... ihn heute früh hingerichtet. Aber Vater war unschuldig. Er hat das Pferd nicht gestohlen. Er hat es eingefangen, draußen in der Tundra und wollte es nur zurückbringen. Aber die Wachen haben gleich "Dieb" geschrieen und ihn verhaftet und ... " wieder kamen die Tränen. Blaue, verweinte Augen starrten ihn hilfesuchend an. "... und der Jarl wollte ihm nicht einmal zuhören ..."
Garoth schaute in die Augen des Mädchens. Er sah sie und sah sie doch nicht. Andere Augen tauchten vor ihm auf, gelb und groß. Drachenaugen.
Und in seinem Kopf sah er wieder die Bilder, die ihm Alduin in seinen letzten Sekunden gezeigt hatte. Bilder einer neuen Welt. Einer Welt, in der zwar die Drachen herrschten, doch es war keine despotische Herrschaft. Vielmehr wachten sie als weise Ratgeber über ein Land, in dem endlich Gerechtigkeit herrschte. Frieden und Wohlstand für alle. Eine perfekte Welt.
Gleichzeitig kamen ihm Paarthurnax' Worte in den Sinn: "... Einige würden sagen, dass alle Dinge enden müssen, damit etwas Neues entstehen kann. Vielleicht ist diese Welt nur das Ei der nächsten, ungeborenen Welt? Wollt Ihr verhindern, dass die nächste Welt geboren wird?"

Blutrot versank die Sonne hinter den westlichen Bergen. Auf der Straße sah man eine einsame Gestalt Schritt für Schritt in den Sonnenuntergang gehen. Wer ihn nicht kannte, hätte den Mann mit dem roten Bart, den hängenden Schultern und dem leeren Blick niemals für einen Helden gehalten.