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    Waldläufer
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    Weyland ist offline
    »Warum, Boss, legen wir nicht direkt in Stewark an?«

    Weyland knurrte unwirsch, während Rag nur da stand und ihn dabei beobachtete, wie er das Boot auf den Strand zog und sich dabei einen abrackerte. Als sich der verfluchte Kahn nicht einen Meter bewegen wollte, ließ er es unflätig fluchend sein, wirbelte herum und baute sich vor dem Nordmann auf, der wahrhaftig einen Schritt zurückmachte. Unter Schmugglern und jenen, die es werden wollten oder zumindest für sie arbeiteten, war Weylands Jähzorn wohlbekannt und berüchtigt.

    »Weil die Stadt immer noch diesen Fanatikern vom Festland gehört! Weißt du, Rag, dort hat's mir gefallen, als noch Krieg war. Das wusste jeder, wo er steht. Alles war klar geregelt. Jeder gegen jeden, mal miteinander, mal nicht. Es war eine Wonne, für die Orks zu streiten, wirklich. Ich konnte mein Wesen ausleben wie nur selten. Das Gefühl, einen der Rebellen irgendwo in eine Sackgasse zu treiben wie ein Beutetier ... unbezahlbar. Im Umkehrschluss später natürlich auch, selbst als mir das Kämpfen der Verwundungen wegen verweigert wurde. Hatte schon immer ein Gespür für Gefahr, aber auch für die Schwäche anderer. Und als nach dem Krieg das Großreich seinen Siegeszug begann, war mir klar, dass ich verschwinden musste. Irgendwo würde sich irgendein beschissener Ritter daran erinnern, dass ich ja einst ein Orksöldner war. Und dann wär mein Arsch am Strick gelandet. Schau nicht so. Ja, du junger, starker, freier Nordmann. Du würdest gerne nach Vengard rennen und dem König den Kopf abreißen, aber denk dran, dass deine Clansbrüder oder wie du sie auch nennen willst, als erste gekatzbuckelt haben. Und deswegen sollten wir in Stewark verflucht aufpassen und nicht zu viel Aufmerksamkeit erregen.«

    Der Nordmann spuckte aus, schien einen Moment wütend, ehe ihm doch der Sinn der Worte Weylands einleuchtete. Er half ihm nun, zog das Boot quasi alleine an Land. Schnell wurde es abgetarnt, dann die Umgebung sondiert.

    »Wir begeben uns dort ins Fischerdorf, etwa drei Meilen an der Küste entlang. Vielleicht findet sich jemand, der uns nach Stewark bringt. Im schlimmsten Fall verkleiden wir uns als Fischer und klauen uns eine der Pinnen und treffen dann unseren Mann in der Festungsstadt. Hach, ich fiebere dem Treffen wahrlich entgegen.«

    Weyland tätschelte seinen Knüppel. Selbst Rag lächelte süffisant.

    »Klar, Boss. Bin auch schon ganz gespannt.«

  2. Beiträge anzeigen #142
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline
    Das Fischerdorf war so, wie man sich Fischerdörfer vorstellt. Schmucklose, windschiefe Katen, Fisch in vielerlei Variationen zum Trocken aufgehangen, Boote an einem kleinen Anleger und mundfaules, finster dreinblickendes Volk. Die einzigen Gestalten, die Leben in die Tristesse brachten, waren die Halbwüchsigen und Kleinkinder, die kreischend, lachend und spielend zwischen den Hütten umher jagten, am Strand spielten oder ihren Pfeife rauchenden und Schnaps trinkenden Vätern auf die Nerven gingen. Als Salophilus und Isegrim in das Zentrum des kleinen Dorfes kamen, verstummte all der Lärm und Blicke flogen ihnen zu. Die wenigsten davon freundlich, aber das war bei den hiesigen Lebensumständen wohl kein Wunder.

    »Waidmannsheil!«, rief Sal aus und winkte. Die Menge wurde finsterer. Grim stöhnte halblaut auf, stieß seinen Kumpanen an und erklärte ihm eindringlich, worin sich Jäger und Fischer unterschieden. Sie trotzen zwar der Natur ihre lebende Beute ab, sind aber sonst nicht zu vergleichen. Vor allem nicht lautstark.
    »Äh, entschuldigt, ich meine, äh, guter Fang heute?«
    Ein besonders düsterer, besonders wettergegerbter erhob sich, spuckte aus und kam näher.
    »Das hier ist Land der Myrtaner«, knurrte er unwirsch, »Land, auf dem Innos verehrt wird.«
    Isegrim versteifte sich merklich. Auch Sal schluckte. Sie hatten ihre Roben soweit wie möglich verdeckt, wirkten eher wie leicht abgerissene Pilger, aber dass sie dann doch so einfach zu enttarnen waren ...
    »... aber wir trotzen jeden beschissenen Tag Adanos die Fische ab. Sein Segen und seine Diener sind hier gerne gesehen.«
    Der Novize und der Adept entspannten sich. Der Fischer spuckte erneut aus, in dieser Gegend wohl eine harmlose Geste, und deutete auf die schnapstrinkende Runde.
    »Setzt euch. Die Weiber werden etwas Fischsuppe bringen. Hoffe das passt. Sonst hungert ihr halt.«
    Bevor Sal irgendwelche Einwände vorbringen konnte, sagte Grim hastig zu.

    So hockten sie alsbald im Wind mit den Fischern und tranken vermaledeiten Korn, der dem Großbauern in der Gegend abgeluchst worden war. Das einzige Problem bestand nun wohl nur noch darin, einen nüchternen Fischer zu finden, der sie nach Stewark bringen würde.

  3. Beiträge anzeigen #143
    Waldläufer
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    Weyland ist offline
    »Götter, seit wann ist dieses Kaff so gut besucht?«
    Ein Fischer, der gerade seine Netze ausbesserte und dabei ein Stück abseits des Dorfes saß, blickte auf, als er Weyland und Rag sah, die den Strand entlang kamen. Die Schmuggler versuchten einen friedlichen Eindruck zu machen, doch wurde das dadurch versiebt, dass der Nordmann nun einmal ein Nordmann war und der Treliser letztendlich eine Fresse besaß, die an einen fuchsteufelswilden Kampfhund erinnerte. Selbst wenn der Mund geschlossen war und ein steifes Grinsen darauf lag.
    »Was seid ihr für welche?«, fragte der Fischer und werkelte weiter am Netz herum. Rag schwieg, blickte irgendwie verträumt zum Meer hin. Weyland räusperte sich.
    »Zwei Reisende auf dem Weg nach Stewark.«, sprach er, »Wir suchen einerseits eine Bleibe für die Nacht als auch eine Überfahrt in die Stadt.«
    Der Fischer schaute misstrauisch. »Latscht den Weg. Is' nich' weit.«
    Weyland grunzte nur. »Ja, und dann geraten wir entweder in die Fänge der Echsenmenschen, die sich hier überall verstecken können, oder geraten an fanatische Paladine, die uns sonst was vorwerfen und ins Kittchen sperren.«
    Der Mann mit den Netzen nickte langsam. Längst war bekannt, dass es in Stewark einige Beliardiener gegeben hatte, die von einem Fanatiker namens Jun ausgerottet worden waren. Ein Ritter, dessen Ruf auf dem Festland mit Schwert und Feuer verbreitet worden war. Wey spuckte aus.
    »Na, dann müsst ihr euch ein Boot mit zwei anderen Reisenden teilen. Zwei ... Pilger.«
    Rag und Weyland sahen sich an. »Pilger?«, fragte der Schmuggler.
    »Pilger.«, der Fischer nickte, »Kamen vom See her. Der Schnöselige der beiden hat unsere Boote gesegnet. Adanos beherrscht die Meere, den muss man gütig stimmen. Weiß nicht, was die in Stewark wollen. Müssen fürchterlich aufpassen, nicht dass man sie wegschnappt.«
    Die Schmuggler hoben die Schultern. »Dann wird es eben eng auf dem Kutter. Uns egal. Wir haben Geld, wir brauchen eine Überfahrt, da kommt man ins Geschäft, denke ich. Ich schätze, die beiden befinden sich dort bei dem Pulk? Ach komm schon, Saufen und Rauchen als Prediger? Na, gesellen wir uns hinzu.«

    So wurde kurz geschwätzt, ein Geldsäckel wechselte den Besitzer und die beiden Schmuggler speisten und tranken mit dem Fischersvolk und den beiden Pilgern. Die wirkten etwas misstrauisch, fanden aber keine wirklichen Anhaltspunkte, die auf Gefahr hindeuteten. Insgeheim lächelte Weyland jedoch. Ihm kam da so eine Idee ...

  4. Beiträge anzeigen #144
    Schwertmeister Avatar von Edon Mesotes
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    Edon Mesotes ist offline

    Küste, südlich von Stewark

    Jauchzen und Frohlocken, die Horde bierwütiger Bärtiger um ihren Edelmann vom Armenhaus beehrte die Insel endlich wieder mit ihrer unseligen Ausgelassenheit. Arkos Tochter der Weiten hatte ihren Weg aus den wilden Wirren myrtanischer Verklausulierkunst bis an die Küste Argaan und ihrer leutseligen Untergangsstimmung gefunden. Ein Fass Bier für den, der darauf nicht anstoßen wollen würde, dass die Freibeuter gerade recht kamen, um hilfsbereit und selbstlos, wie es seit Alters her die ureigenen Tugenden dieser rechtschaffenen Gesellen waren, jeder Schandtat mit Rat und Tat und Säbelrasseln auszuhelfen.
    Arko sprang als Erster von Bord, um die beiden zu drücken, die am liebsten direkt selbst aufs Deck gehopst wären, um allen Unbillen am Arsch der Ewigkeit entgegenzusegeln. Charon trug seinen Schnitzer schon ein paar Wochen spazieren und wusste gut, es war an der Zeit, um ihn mal gehörig in ein bisschen Gardistenblut zu taufen. Und eine schöne Geschichte, an deren Ende böswillige Buben ihre Männlichkeit dank unartiger Abartigkeiten zu verlieren verdient hatten, galt es aufzuarbeiten. Gareo hatte sein Leben, sein Wohlergehen und seine zukünftige Familienplanung aufs Spiel gesetzt, um Charon und Mana mit dem Auftragsmeuchler hetzen zu können, jetzt galt es, ihm die Flausen auszutreiben und den Verstand gründlich durchzusezieren, wer für solche Schweinereien auch noch bare Münze entblößte.
    Geplant, gesagt, getan, wo Arko doch von Berufs wegen ein begrenztes Verständnis für die machtlüsternen Arschkriecher Format Gareo mitbrachte und besagten Streitsüchtigen ohnehin noch ein, zwei, drei, ganz viele Gefallen schuldete.

    Zwei Tage Zeit für die Mannschaft einmal die Vorräte und natürlich sich selbst ganz kräftig aufzufüllen, dann wird weitergeschippert bis Thorniara, wo man die beiden Ehrengäste mit allem, was man zum unfreundlich werden brauchen könnte, in die Stadt schleusen würde und dann konnte der Spaß im Sinne verdienter Unfreundlichkeiten schon anrollen ...

  5. Beiträge anzeigen #145
    Drachentöter Avatar von Murielle
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    Murielle ist offline
    Strähnen ihres zersausten Haares fielen Murielle ins Gesicht und kitzelten sie dort unangenehm. Dennoch hielt sie den Kopf gesenkt und den Blick auf den Boden vor sich gerichtet, während sie neben Jilvie kniete, zu der herüberzublicken sie im Moment auch nicht wagte. Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren, ihre Atmung ruhig zu halten, bloß nicht aufzufallen.

    "Soso...", hörte sie Gjar mit tiefer Stimme sagen, dann machte dieser eine bedeutungsschwere Pause, ging langsam und abschätzend ein paar Schritte um die beiden Gefährtinnen herum und begutachtete diese vermutlich, bevor er dann wiederholte:

    "Soso.."

    Abrupt blieb er hinter den Frauen stehen.

    "Wen haben wir denn da? Besonders schön seid ihr ja nicht."

    Die Belustigung in seinem Tonfall übertünchte nur unzulänglich die Bedrohlichkeit, die in seiner Stimme mitschwang.
    "Aber vielleicht habt ihr zwei Täubchen ja andere Qualitäten? Manch einer meint ja, es käme auf die inneren Werte an."
    Die Art und Weise wie er die Worte betonte, machte Murielle eine Gänsehaut. Man musste schon unglaublich naiv sein, um auf den netten Plauderton dieses ekelhaften Typen hereinzufallen.

    Sie schloss die Augen und versuchte nachzudenken. Wenn sie nur wüsste, wo die anderen waren! Sie zuckte zusammen und unterdrückte ihren Ekel, als Gjar seine unrasierte kratzige Wange von hinten an ihre presste und sie dabei an den Haaren zog. Der faulige Geruch seines heißen Atems stieg ihr in die Nase. Nach nur wenigen Augenblicken, die Murielle wie eine halbe Ewigkeit vorkamen, ließ er sie unsanft wieder los und ging zu Jilvie hinüber, mit der er ebenso verfuhr.

  6. Beiträge anzeigen #146
    Schwertmeister Avatar von Kjarl
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    Kjarl ist offline
    Das regelmäßige Knarren der Wagenräder erklang im immer gleichen Rhythmus und rang dem bärtigen Jäger ein herzhaftes Gähnen ab. Die warm streichelnde Sonne trug ihr übriges bei und so hätte Kjarl sich gern ein kleines Schläfchen gegönnt.

    “Und was wollt ihr Thorniara? Seht nicht aus wie ein Stadtmensch.“ Da war sie wieder, diese nervige Stimme, die dem Jäger jeglichen Schlaf verwehrte. Kjarl streckte sich und kratzte sich ausführlich den Bauch, während er den Frager auf dem Kutschbock mit müdem Blick betrachtete. Nun gut, es war eine freundliche Geste gewesen, den Jäger auf der Kutsche mitzunehmen, doch seit Kjarl Platz genommen hatte, hatte der Kutscher den Mund nicht mehr zu bekommen. Kjarl schnaufte hilflos und antwortete: “Ich will auf die Märkte.“
    Kjarl wusste, dass jetzt weitere Fragen folgen würden. Und tatsächlich öffneten sich die schmalen, blassen Lippen des Kutschers, dessen kleiner Kopf ohne erkennbaren Übergang auf einen fleischigen Hals aufgesetzt war. “Seid Ihr Händler?“
    “Jäger.“, antwortete Kjarl knapp. Und bevor der Kutscher fragen konnte, gab Kjarl auch schon ungefragt die nächste Antwort. “Ich will ein paar Trophäen in der Stadt verkaufen. Dort sind die Preise besser.“
    Der Kutscher grunzte. War das das Zeichen, das er Kjarl in Ruhe lassen würde? Kjarl gähnte nochmal und sah sich um. Zu ihrem Tross gehörten noch einige mehr. Tagelöhner, die zu den Höfen im Norden wollten, Händler und andere Wanderer. Sie hatten sich zusammen gefunden, um besser vor Banditen und Untieren geschützt zu sein. Denn die Straßen von Argaan waren dieser Tage nicht sicher. Man konnte nicht vorsichtig genug sein.

  7. Beiträge anzeigen #147
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Irgendwo in der Wildnis

    Schritte. Schwere Schritte. Isegrim regte sich langsam, ächzte, murmelte undeutliche Worte. Er spuckte Blut, Speichel und Dreck aus, rollte sich vom Bauch auf den Rücken und öffnete langsam das gesunde Auge, welches nicht von einem blühenden Veilchen bedeckt war. Blauer Himmel, Wolken, Sonnenschein. Nun, das Paradies war es nicht. Im Paradies stinkt es nicht nach eigener Exkrementen, Schweiß und Blut. Ebenso wenig gibt es im Nachleben überlebensgroße Echsenwesen, die nur ein rotes, kalt blickendes Auge besitzen und die das breite Maul geöffnet haben, als würden sie grinsen. Isegrim brauchte ein, zwei Augenblicke ehe er sich ungewollt erneut besudelte. Blutauge in all seiner Pracht. Das kaltblütige Wesen sah auf ihn herab, schien abzuwägen. Wahrscheinlich, dachte Grim, trotz seiner miserablen Situation, amüsiert, ob er mich mit bloßen Krallen zerfetzt oder mit diesem widerwärtigen Schwert. Ein Lachen kam ihm jedoch nicht über die Lippen. Die Verzweiflung wuchs an, verlor jedoch an Macht, als sich der Gedanke einstellte, dass das, was folgen würde, unausweichlich war. Isegrim schluckte schwer. Nun, er akzeptierte es. Im Grunde war es auch ausgleichende Gerechtigkeit, immerhin hatte er dem Wesen ein Auge genommen. Das Blutauge ihm gegenüber nicht unbedingt liebenswürdig war, konnte niemand verübeln. Er schloss das gesunde Auge, seufzte kurz und murmelte dann undeutlich: Dann tu's eben.
    Ein dumpfes Geräusch im Gras. Schritte, die sich entfernten. Minuten, wahrscheinlich Stunden lag Isegrim da und regte nicht einen Muskel. Dann öffnete er das Auge, sah sich um. Immer noch nicht im Paradies. Blutauge hatte ihn am Leben gelassen. War das Respekt gewesen? Das unausgesprochene Versprechen, sich eines Tages in einem fairen, ehrenhaften Duell zu begegnen? Oder weniger pathetisch einfach nur der Sadismus der Kreatur, die wusste, dass Isegrim nun noch paranoider werden würde. Nach all der Zeit hatte sie ihn schließlich wieder gefunden, obwohl er einige Monate innerhalb einer Burg verbracht hatte und letztlich sogar fast zwei Monate in einer Höhle in Gefangenschaft. Er schluckte schwer und fühlte sich irgendwie erleichtert. Er stank zwar immer noch wie ein Abort, aber zumindest war er am Leben. Sein Blick ging zu dem schweren Gegenstand, den die Echse neben ihn geworfen hatte. Im allerletzten Augenblick hielt sich der Novize die Hände vor den Mund, um den Schrei zu unterdrücken. Ein Schädel, der im sehr weit fortgeschrittenen Stadium der Verwesung war. Aber Isegrim wusste, wer es war. Schuld brach wie eine Flutwelle über ihn herein, er wälzte sich auf dem Boden, hielt sich den Kopf, presste dann die Hände auf die Augen, ignorierte den stechenden Schmerz des Veilchens. Godars Schädel. Godars verfluchter Kopf. Blutauge war wahrlich ein Geschöpf Beliars, bar jeder Gefühle. Aber Blutauge wusste, welch Schaden Isegrim bei dem Anblick nehmen würde. Die Erinnerung an einen Verrat, die die gerade vom Schorf überzogene Wunde eines weiteren aufriss und das rohe, blutige Fleisch der Scham darunter freilegte.
    "Adanos", wimmerte der Novize, während Tränen aus seinen Augen flossen, "Adanos, hilf mir."
    Du bist schuld. Feigling, Verräter, Mörder. An deinen Händen klebt mein Blut. Und das Blut deines Vaters und deines Freundes. Du bist die wahre Ausgeburt des Bösen, das Todesurteil für jeden, der deinen Weg kreuzt! Die freigelegten Kieferknochen bewegten sich, Godar sprach mit zischender, vorwurfsvoller Stimme, direkt aus dem Grabe und dem Reich Beliars. Eine Schande für den Clan, für unsere Ahnenreihe! Ich hätte dich nach der Geburt die Klippe hinabwerfen sollen, so wie es Brauch in den alten Tagen war. Möge dir auf ewig die Einkehr bei den Ahnen verwehrt bleiben! Du bist keiner meiner Söhne! Die Stimme Fyresgrims, seines Vaters. Herrschaftlich, hasserfüllt, tönend. Wieso, Grim, Bruder? Wir beide haben uns in Adanos' Dienste gestellt und doch hast du mich ihnen ausgeliefert? Verrat schneidet tiefer als alles andere, Bruder. Feigheit sichert dein Überleben und meinen Tod! Möge Adanos dich verfluchen, Brudermörder! Salophilus' Stimme. Der Verrat, der schwer wog. Die Schmuggler hatten sie gefangen genommen, nahe Stewark. Weyland hieß er, Ragner sein Kumpan. Sie hatten sie mit Schlägen malträtiert, wollten alles wissen. Geheimnisse, Aufenthaltsorte von allerlei wertvollen Dingen. Natürlich wussten Isegrim und der Adept nichts. Sie waren Diener der Magier, keine Priester des Kreises. Als sie ihm den Nagel des rechten, kleinen Fingers abgerissen hatten, hatte Isegrim geschrien und alles gesagt, was sie wollten. Irgendwann war ihm über die Lippen gekommen, dass Salophilus dem Adel Setarrifs angehörte, dass er irgendwo Schätze der Familie hortete, dass ihnen Reichtum winkte. Als hatten sie Isegrim irgendwo halb tot im Wald zurückgelassen, inmitten der Wildnis und den Adepten mit sich genommen.

    Rasend vor Schuld, Wut und Verzweiflung packte der Novize den Schädel und warf ihn ins Unterholz. Er brach in Tränen aus, fluchte, verfluchte. Sich, Adanos, die Welt. Alles. Er blieb liegen. Er würde hier einfach liegen bleiben und sterben. Ganz einfach. Aber auch da hatte er seine Rechnung falsch gemacht. Am Ende schlug Isegrim dem Tod doch wieder ein Schnippchen.

  8. Beiträge anzeigen #148
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Stewark

    Stunden später erwachte er an einem warmen, trockenen Ort. Eine Hütte, von einer Feuerstelle beheizt. Zwei Stimmen unterhielten sich gedämpft, leise. Entweder als würden sie Isegrim nicht aufwecken wollen oder hätten etwas zu verbergen. Als er sich bemerkbar machte, verstummten sie. Schritte. Jemand trat an sein Bett, eine junge Frau. Sie musterte ihn von oben bis unten, erst kritisch. Dann lächelte sie.
    "Es geht dir besser", stellte sie fest, "Der Schlaf hat dir gut getan. Wobei die beste Veränderung wohl das Bad war."
    "Ihr", krächzte Grim, "Habt mich gewaschen?"
    Die Frau lachte auf. "Natürlich. Du hast gestunken wie eine Jauchegrube."
    Der Novize räusperte sich. "Wo ... bin ich?"
    Sie sagte nichts, ging an ein Fenster, welches einige Schritte entfernt war, öffnete es. Fackelschein. Umrisse von hohen, steinernen Gebäuden. Isegrim unterdrückte ein verzweifeltes Gelächter. Stewark, ganz offensichtlich. Endlich da. Was hatte es gekostet, diese unglaublich geringe Strecke? Ein Menschenleben und viele, viele Schmerzen. Die Götter mussten ihn wirklich zu ihrem Narren erkoren haben. Isegrim, Trottel der Götter. Er ließ den Kopf zurück auf das Kissen sinken, sein Schädel brummte, alles drehte sich. Die Frau trat an ihn heran, legte ihre weiche Hand auf seine Schulter.
    "Sschh", machte sie, "Beruhige dich. Du bist in Sicherheit. Im Warmen. Wir sorgen für dich."
    "Wer ... wer seid ihr?", brachte Grim über die Lippen.
    "Meine Mutter und ich. Wir sind ... waren so etwas wie Heilerinnen. Aber seit einigen Jahren, da die Paladine hier das Sagen haben, mussten wir unsere Arbeit ... einschränken. Die Angst der Fanatiker vor dem Wissen. Wissen für die Allgemeinheit." Sie seufzte. "Warum dem Feuermagier ganze Goldsäcke überlassen, wenn einfache Heiler es für weniger Gold genauso gut machen?" Sie schüttelte den Kopf. "Hast du Hunger? Durst?"
    Wie auf Kommando knurrte Isegrims Magen. "Hunger", meinte er knapp, "Ziemlichen."
    "Gut, wir haben Eintopf. Ordentliche, gute Kost. Macht dich stark und gesund."
    Isegrim versuchte zu lächeln. "Hoffen wir es, ... äh ..."
    "Dela", stellte sich die junge Dame vor, deutete scherzhaft einen Knicks an, "Und meine Mutter heißt Pava."
    "Sehr erfreut", antwortete er, "Ich würde mich ja verbeugen, wenn ich nicht so bettlägerig wäre."
    Aus der Ecke der Hütte kam eine Antwort: "Heuchler. Der steht doch drauf, von zwei Frauen bemuttert zu werden. Wahrscheinlich war er vorhin beim Waschen gar nicht bewusstlos, hat ihn wahrscheinlich noch gefreut!"
    Dieses Mal musste Grim wirklich lachen. Es tat gut. Kittete die Narben, die hinterlassen worden waren. Dela brachte Eintopf. Ächzend richtete er sich auf, löffelte langsam und vorsichtig. Tja, dem Tod mal wieder entkommen. Ob das gut oder schlecht war ... wer wusste das schon?

  9. Beiträge anzeigen #149
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline
    Selbst nach fast einem Monat sah Isegrim noch übel zugerichtet aus. Das war normal, sagten die Frauen, nach so einer üblen Tracht Prügel von so widerlichen Banditen. Der Novize hatte nur stumm genickt, nichts gesagt. Ein Teil von ihm wünschte sich, dass er mehr Mumm besessen hätte. Ein anderer Teil war eigentlich ganz froh überlebt zu haben, fürchtete sich jedoch vor den Folgen bei einer Rückkehr in die Silberseeburg. Verständlicherweise, da Sal Adept gewesen ist, ein Anwärter auf die Robe eines Magiers. Aus gutem Hause, sicherlich gab es sogar noch genug Bekannte und Freunde, denen dies bewusst war. Und die die Schuld für sein Ableben - richtigerweise - bei Isegrim suchen würden. Er schluckte, brachte kein Wort heraus.
    "Hallo, Isegrim", sprach jemand. Der Novize wandte sich um, begrüßte mit einem Nicken Tamasz, örtlicher Schmied, enger Bekannter von Dela und ihrer Mutter, dem der Genesene zum Dank für die Versorgung in seiner Schmiede half. Größtenteils nur bei Aufgaben, die das Rechnen und Wirtschaften betrafen, weniger das Schmieden an sich. Grim hatte eine Inventur im Lager des Schmiedes durchgeführt, hatte alte Verträge durch gesehen und neue für den Mann aufgesetzt. Ein herzensguter, liebenswerter Mensch, der Tempelschulen jedoch stets nur von außen gesehen hatte. "Wie gehts? Alles gut? Siehst immer noch übel geschunden aus ..."
    Der Nordmann hob die Schultern, lächelte schief. "Ist weniger der Körper, Tamasz, mehr die Seele. Da heilt manches langsamer ..."
    Der Schmied nickte betrübt. Auch er hatte Verluste erfahren. Einen Neffen hatten die Ritter Innos' weggesperrt, angeblich als Kultisten und Häretiker. Als einen Götzenanbeter und Beliardiener. Allgemein, so war hier die gängige Meinung, hatten die Innosler seit die Stadt ihnen gehörte, recht schnell und brutal die Kontrolle über die Gedankenwelt, gerade im Hinblick auf Auslebung von Kultur und Religion, übernommen. Hier war nicht gerne gesehen, was als unmyrtanisch galt. Und die Stewarker liebten ihre unmyrtanische Stadt auf ihrer unmyrtanischen Insel. Es herrschte zwar Frieden im Ort, doch im Volk brodelte nach wie vor Unmut und Abneigung gegenüber den Invasoren vom Festland.
    "Innos geb', dass es bald heilt. Ich wollte dich noch einmal für die Sache mit den Verträgen helfen. Du hast mir da einiges an Ärger mit der Obrigkeit erspart.", er nestelte hinter seinem Rücken in einer Umhängetasche herum, "Hier, für dich. Ein Geschenk."
    Isegrim stockte der Atem, als eine Brosche zum Vorschein kam, gefertigt aus bestem Argaaner Stahl. Darauf prangte ein Wolfskopf, dunkel lackiert.
    "Dela meinte, dass dein Name aus dem Nordischen kommt und dort so viel wie eiserner Wolf oder dergleichen bedeutet. Und ... naja, du hast zwar, deiner Aussage nach, deine Schuld bei den Frauen abgearbeitet, aber ich wollte dir trotzdem für deine Hilfe danken. Hiermit. Deine Bezahlung, wenn du so willst."
    Der Nordmann schluckte, nahm die Brosche entgegen und schloss die Hand darum. Er verstaute sie, drückte dem Schmied kräftig und dankbar die Hand.
    "Dies bedeutet mir mehr und ist wertvoller als Tausende von Münzen, Tamasz." Grim schaute den Mann an, sah sich um. Räusperte sich. "Adanos ... Adanos' Segen mit dir, möge dir das Gleichgewicht stets das Beste bringen."
    Der Schmied sah ihn einen Moment mit großen Augen an, dann nickte er grinsend, halb wissend, halb verschwörerisch. "Und mit dir, Isegrim. Bis dann."
    Aber dies hörte er gar nicht mehr. Grim hatte die Brosche wieder hervorgeholt. Tränen sammelten sich in seinen Augen. Ungewollt hatte der Schmied jene Brosche kopiert, die seine Mutter ihm einst, vor vielen, vielen Jahren angesteckt hatte, kopiert. Irgendwann ... irgendwann hatte sein Vater sie die Klippen beim Clan hinab geschmissen und seitdem hatte er sie nie wieder gesehen. Seine Mutter hatte damals gedacht, er hätte sie verloren und war enttäuscht gewesen.
    "Adanos ... es wird wohl Zeit, wieder einiges richtig zu stellen ..."

  10. Beiträge anzeigen #150
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Stewark

    "Du packst."
    "Ich packe, ja."
    Dela seufzte. Ihre Mutter schlief im obersten Stockwerk des Hauses, während Isegrim still seine wenigen Habe gepackt hatte, die quasi gar nicht existent waren. Alles was er nun besaß, war ein Geschenk der beiden Frauen, Kleidung, die sie ihm gekauft, einen Dolch, den sie ihm überlassen hatten.
    "Du gehst dann wohl."
    "Ich gehe, Dela. Entschuldige. Und danke, danke für alles. Für die Hilfe, die Pflege ... das Vertrauen. So etwas habe ich ... lange Zeit nicht mehr bekommen. Vielen, vielen Dank."
    Die Frau schnaubte. Sie wirkte aus irgendeinem Grund wütend. Isegrim schwieg, packte weiter. Sie trat an ihn heran, legte ihm die Hand auf die Schulter. Er schwieg immer noch. Er hatte ihre Blicke gesehen, hatte die scheinbar zufälligen Berührungen schnell durchschaut. Nun sah Grim auf, erhob sich, legte seinerseits der Frau die Hände auf die Schulter.
    "Götter, Dela", flüsterte er heiser, "Wäre ich nicht, was ich bin ... und diese Welt nicht, wie sie ist, ich würde bei dir bleiben. Dir schenken, was du mir schenken möchtest. Aber ... es geht nicht. Entschuldige, Dela."
    Er erwartete eine Ohrfeige, wüste Beschimpfungen. Nichts. Sie trug es mit Fassung, schluckte kurz und nickte. "Ja, es ist wohl besser so.", meinte sie kurz angebunden. "Mach's gut, Isegrim."
    "Auf Wiedersehen, Dela. Grüße deine Mutter von mir, richte auch ihr meinen tiefsten Dank aus. Und Tamacz ebenso. Ich ..."
    Einen Moment stand der Eisenwolf unschlüssig da, überlegte ob er ihr einen sanften Kuss auf die Wange geben sollte, ob eine Umarmung vielleicht schon zu viel oder zu wenig war. Aber das Schicksal war schneller. Sie drückte ihm einmal fest die Hand, dann wandte sie sich ab und begann aufzuräumen, obwohl es gar nicht nötig war. Grim seufzte lautlos, dann ging er.

    Das Saatgut, welches der Wassermagier vor einer gefühlten Ewigkeit gebraucht hatte, trug er mit sich. Isegrim machte sich auf den Rückweg, verließ schnell die Stadt, trat über die Brücke zurück argaanischen Boden. Dieser Gang würde wohl wirklich schwer werden.

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    Isegrim ist offline

    Irgendwo in der Wildnis

    Die Nacht lag über Argaan, in der Ferne konnte man die Lichter der Silberseeburg sehen. Sie spiegelten sich auf der Oberfläche des Sees, irgendwie ein beruhigender Anblick. Isegrim seufzte leise. Er zog seine Kreise. Weite Kreise, die ihn jedoch nicht eine Meile näher an die Burg und seine Verpflichtungen brachten. Ja, er gab es sich selbst gegenüber zu, er hatte Angst. Davor, was geschehen könnte. Was die Strafe für seine Feigheit war. Sein Gewissen drückte ihn hinab wie ein zentnerschweres Gewicht und lag ihm ebenso schwer im Magen. Das Kaninchenfleisch, welches über dem Lagerfeuer gebraten worden war, lag kalt und unberührt auf einem Holzteller. Ein Räuspern aus dem Unterholz ließ Isegrim aufhorchen und nach dem Dolch greifen. Drei Männer traten in den Schein des Feuers. Einer war ein großer, hagerer Kerl. Blass, gestutzter schwarzer Braut und graumeliertes Haar. Er wirkte sehr vornehm. Sein Begleiter war klein, wirkte ungleich bodenständiger und volksnäher. Kurz geschorenes Haar, grobes Gesicht und das Auftreten und die Lautstärke eines Städters. Der Dritte im Bunde war der mit Abstand seltsamste. Er war gefesselt und geknebelt. Seine Kleidung wirkte ebenso gut wie die des Blassen. Braunes, nasses Haar fiel in ein abgehärmtes Gesicht mit blitzenden Augen. Der Vornehme räusperte sich erneut.
    "Guten Abend, Herr.", begann er und deutete eine Verbeugung an, "Kann ich davon ausgehen, dass Ihr kein Raubmörder oder Wahnsinniger seid?"
    Isegrim blickte auf, eine Braue erhoben. "Weiß ich nicht. Könnt Ihr? Sehe ich wie ein Wahnsinniger aus? Was ist die Definition von Wahnsinn, wenn wir schon dabei sind ..."
    Der Mann hüstelte in die Faust. "Ihr wirkt anständig, wenn ich ein gewisses Misstrauen auch nicht verhehlen kann."
    Nun seufzte der Novize etwas entnervt. "Guter Mann, Ihr tretet an mein Lager und sucht das Gespräch mit mir, nicht ich mit Euch. Was wollt Ihr?"
    "Entschuldigt" - eine erneute Verbeugung - "Wir wollten uns nur etwas leihen."
    "Gold? Ein Pferd? Salz?"
    Der Geknebelte kicherte dabei. Das gefiel dem Bodenständigen nicht. Er schlug ihm in die Rippe, kurz und kräftig. Isegrim funkelte den Mann an.
    "Mein Freund, solange Ihr an meinem Feuer seid, schlagt Ihr den Gefangenen nicht. Ich sage es Euch nur einmal. Es ist mir egal, was er verbrochen hat, aber ich werde nicht zusehen, wie Ihr einen Wehrlosen malträtiert." - sein wölfischer Blick fixierte den Kerl - "Ist das klar?"
    Ein kurzes, für Isegrim siegreiches Blickduell. Der Mann nickte.
    "Also, was wollt ihr leihen?", fragte der Nordling den Blassen.
    "Einen Strick. Wir wollen eine Strafe vollziehen. Wir waren zwar schon am Silbersee, aber der dortige Gesetzeshüter lachte uns aus, nannte uns himmelschreiende Vollidioten, da wir in den Tagen, da Echsenmenschen das Land durchstreifen, selber dafür sorgen wollen, dass die Einwohner der Insel dezimiert werden. Er schlug uns dreien vor, sich Ethorn anzuschließen. Da gingen wir verständlicherweise. Wir möchten nur den Gefangenen an den Strick bringen. Verdientermaßen."
    Einige Augenblicke betrachtete Isegrim den Gefesselten. Dessen Blick hatte etwas Herausforderndes, dass ein Teil des Nordmanns dafür war, ihnen wirklich ein Seil zu geben. Aber nein, das wäre nicht richtig ...
    Der Bodenständige spuckte aus. "Haben ihn in Schwarzwasser gefunden. Da haben sich, nachdem diese Waldfutzis verschwunden sind, einige Leute wieder niedergelassen. Allerschlimmstes Diebesgesocks. Den hier suchen einige Leute. Jemand aus Stewark, unserer Stadt, lässt dafür einige Goldmünzen springen. Es brauchte also nur dies und meine Armbrust, um ihn gefangen zu nehmen. Dummerweise erwies sich unser Freund hier als wehrhaft. Wir waren ursprünglich zu dritt, doch er schaffte es, unseren Kumpan zu erstechen. Ein guter, langjähriger Kumpan. Also dachten wir uns: Drauf geschissen, an den nächsten Ast mit ihm. Aber, Beliar nochmal, es scheint nirgendwo ein scheiß Seil zu geben."
    Isegrim schüttelte den Kopf. "Harte Zeiten. Gut, ihr kriegt einen Strick. Vorher jedoch folgen wir alten Traditionen. Der Mann soll am Feuer sitzen und seine Henkersmahlzeit bekommen. Verstanden?"
    Die beiden Männer blickten sich an, überlegten. Stimmten zu. Isegrim packte seinen Dolch, trat an den Gefangenen heran. Er schnitt ihm die Fesseln durch, drehte die Waffe in der Hand und reichte den Griff in die Hände des Mannes. Die Kopfgeldjäger sahen es nicht, hatten sich schon dem Feuer zugewandt.
    "Ich helfe dir", flüsterte Isegrim, "Du mit dem Dolch auf den Kleinen, ich schnappe mir den Großen. Wir Diebe müssen doch irgendwo einen gewissen Zusammenhalt wahren." Dann spuckte der Mann den Knebel aus und nickte.
    "Jetzt!", zischte Isegrim und schon ging es los.

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    Provinzheld Avatar von Slicer
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    Am Feuer eines Wanderers

    Beliar war ein zynischer Geselle.
    Gewiss, Slicer hatte mit dem schwarzen Gott des Todes nie viel abgewinnen können. Daran hatten weder seine Reise, noch die Tatsache, dass er beinahe regelmäßig Menschen bereitwillig zu ihm schickte ohne nach dem Warum und Wieso zu Fragen. Er war eben kein durch und durch religiöser Mann sondern dachte sich die Welt lieber pragmatisch.
    Doch was er hier wieder erlebte, lieb ihn beinahe glauben dass Beliar tatsächlich etwas für ihn im Schilde führte. Wie sonst konnte man sich die skurille Entwicklung seiner kürzen Pechsträhne erklären?
    Nicht nur das diese Kopfgeldjäger aus Rache für ihren Kameraden darauf verzichteten, ihn Lebend ans Messer zu liefern und damit eine ungleich höhere Summe zu kassieren, nein, ihr persönlicher Rachefeldzug drohte auch noch daran zu scheitern, dass sie sich nicht trauten ihm einfach ein Messer zwischen die Rippen zu bohren und ihn mit aufgeschlitztem Gedärm ausbluten zu lassen. Wie lange hatten sie ihn jetzt durch die Wildnis gezerrt, auf der Suche nach einem behelfsmäßigen Seil? In Gefahr gebracht hatten diese Kerle sich. Wo Banditen und Echsenmenschen herumstreiften, war es klüger sich jeden unnützen Balasts so schnell wie möglich zu entledigen. Doch diese Kerle waren entweder zu rechtschaffend oder zu feige, den kalten Strahl sprechen zu lassen. Und genau diese Haltung, woher sie auch immer kommen mochte, bot Slicer nun die einmalige Gelegenheit. Dies und die Entscheidung ihres misstrauischen Gastgebers.
    Slicer erkannte einen Mörder wenn er ihn sah. Dazu bedurfte es keinerlei Zauberkräfte, sondern schlicht die Arbeit in seinem Millieu. Und dieser Mann dort, der so gemütlich am Feuer gesessen hatte bevor sie ihn aus seinem starren gerissen hatten, war zweifellos ein Mörder wie er im Buche stand. Slicer hätte seinen Dolch dafür verwettet, wenn man ihm diesen nicht abgenommen hätte.
    Nun, die Kopfgeldjäger mochten ihn erkannt haben, aber den Mörder in ihrem Gastgeber, den verkannten sie. Und damit besiegelten sie wohlmöglich ihr Schicksal.
    Der teufliche Pakt war mit einem stummen Nicken und einem zustimmenden Blick geschlossen. Slicer spuckte den dämlichen Knebel aus seinem Mund und drückte den Dolch nah an seine Hüfte. Er machte einen Schritt auf das Feuer zu, wand sich dann jedoch auf der Stelle herum und fiel damit zeitgleich in den Angriff den sein Retter auf den großen Grobian wagte.
    Der kleine Städter sah den Angriff nicht kommen, doch als Slicer herumwirbelte und seine linke erhob, wehrte er dessen behänden Faustschlag fast souverän ab. Das triumphale aufblitzen seiner Augen währte nur kurz. Kalt und ohne mit den Wimpern zu zucken zog Slicer den Dolch mit der Rechten aus dem warmen Leib des Städters. Vom plötzlichen und unmenschlichen Schmerz durchzuckt, krümmte dieser sich und stieß seine Hände zum verzweifelten Angriff nach vorne. Damit warf er sich buchstäblich selbst ein zweites Mal in die Klinge. Slicer schob seinen Fuß zwischen die seines Gegners und mit einem Tritt brachte er diesen aus dem Gleichgewicht. Seufzend kippte dieser ins Gras, wo er mit fiebrigen Augen liegen blieb, nicht einmal mehr einen Versuch unternahm sich aufzurichten. Slicer bückte sich und erledigte die Sache, schnell und einigermaßen sauber. Am Leid dieses Kerl hatte er keinerlei Interesse. Dafür war er zu unbedeutend.
    Als er sich erhob, stand sein Retter wie ein Abbild des finsteren Gottes über dem Grobian. Die scharfen, hier und da vernarbten und gezeichneten Gesichtszüge blieben unbewegt, die eisblauen Augen unergründlich. Slicer wartete bis der Mann sich zu ihm herumdrehte, beobachtete ihn abschätzig. Ein leichtes, fast schon normales Lächeln suchte sich auf Slicers Gesicht.
    "Ich weis nicht, wieso du das getan hast. Aber ich schulde dir mein Leben, Fremder"
    Eine überflüssige Feststellung, die jedoch ausgesprochen gehörte, seiner Meinung nach.
    "Ich bin übrigens Slicer." Fügte er nach einiger Zeit des stillschweigenden Lächelns hinzu.

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    Isegrim ist offline

    Irgendwo in der Wildnis

    Wieder zwei Leben mehr, die ich mir aufbürden darf. Adanos, vergib, habe ich wirklich geglaubt, diese Sache hier ohne Tote regeln zu können? Selbst du in deinem göttlichen Irgendwo siehst, dass der mehr Mörder ist als fünf von diesen Kopfgeldjägern. Ich Idiot habe jemanden in Fesseln gesehen und - einer dummen, naiven Hilfsbereitschaft folgend - befreit. Vielleicht wäre der Strick doch besser gewesen ...
    Diese Gedanken rasten durch Isegrims Schädel, als er den Dolch an der Kleidung des Kopfgeldjägers reinigte. Eigentlich hatte er ihn nur unschädlich machen wollen, doch ein gezückter Dolch in der Hand des Mannes, der sich von ihm verraten fühlte, hatte den Kampf gleich ernster, tödlicher gemacht. Isegrim waren nur seine Jahre auf den Straßen zugute gekommen. Der Befreite, Slicer mit Namen, sah freilich mehr in ihm. Das sagte sein Blick. Als wären hier zwei Kollegen aufeinander getroffen. Der Nordling versuchte den Kloß in seinem Hals zu schlucken, scheiterte jedoch daran.
    "Isegrim", antwortete er heiser, "Isegrim Fyresgrimson, wenn wir der Höflichkeit und meinem alten Herrn - Innos hab ihn selig - genüge tun wollen."
    Wollte natürlich niemand, aber ihm gefiel für den Augenblick der Gedanke, wie sein Vater im Jenseits zwischen all den ruhmreichen Ahnen wie von der Blutfliege gestochen rumhüpfte und schimpfte ob dieser aalglatten Lüge seines lebendigen Sprosses.
    "Warum ich das getan habe, weiß ich auch nicht. Ein plötzlicher, ganz schlimmer Fall von Altruismus." Grim seufzte. "Ich habe in meinen Jahren in der Gosse gesehen, wozu solch Kopfgeldjäger fähig sind. Ich hasse Fesseln und Ketten, vielmehr hasse ich jedoch jene, die sie anlegen oder anlegen lassen." Er steckte den Dolch weg. "Vorausgesetzt der Gefesselte hat sein Schicksal nicht verdient."
    Der Mann namens Slicer hob nur die Schultern, eine universelle Geste, die aussagte: Na ja, so schlimm ist's auch nicht.
    Isegrim deutete auf das Kaninchenfleisch. "Bitte, greif zu. Hast bestimmt Hunger. Am Feuer ist genug Platz. Ich ... Götter ... sorge dafür, dass die beiden Leichen verschwinden. Vielleicht fressen die Echsenmenschen sie ... oder einer von Ethorns oder Rhobars Männern findet sie, entwickelt einen unmenschlichen Spürsinn und bringt uns beide dann doch noch letztendlich an den Galgen." Er schüttelte den Kopf. "Glaubst du's mir, wenn ich dir sage, dass ich vor einigen Wochen beschlossen habe, ein besserer Mensch zu werden? Pustekuchen." Während er die Taschen des Grobians abklopfte - routiniert, mit der Erfahrung eines Gossenbewohners - kam ihm eine Frage:
    "Was führt dich aus dem Süden her? Abgesehen von unseren beiden Freunden hier. Soviel ich weiß´... gibt's da nur monster- und orkverseuchte Gegenden und angeblich eine Festung voller Dämonen und Hexer, ein Ort, an dem Beliar selbst zu leben scheint." Er grinste schwach. "Nicht dass ich am Ende doch bereue, den beiden kein Seil gegeben zu haben."

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    Slicer ist offline

    Irgendwo in der Wildnis

    Sollte er in seiner geistigen Wette das Gold auf das falsche Pferd gesetzt haben?
    Dieser Mann, Isegrim hatte zwar die Augen eines Mörders, doch nun wo die schändliche Tat begangen war, brach der entschlossene Glanz aus ihnen und machte einer moralischen Zerflossenheit Platz. Reue. Bedauern. Ein nagendes Gefühl, dem Slicer sich schon in jungen Jahren entledigt hatte. Nicht viele kamen über diesen Schritt hinweg, aber genau er hatte damals auf der Straße die Spreu vom Weizen getrennt.
    Slicer offenbarte seine Verwunderung nicht auf dem Silbertablett, aber er verbarg sie auch nicht völlig. Der Fremde mochte ebenso denken können, dass er lediglich über den ausgesprochenen Namen überrascht war.
    „Isegrim.“ Wiederholte er und nickte.
    „Ich kannte einst einen Mann von diesem Namen. Er war stark und groß wie ein Schattenläufer. Mir scheint, deine… Fähigkeiten liegen woanders.“ Mochten die Augen dieses Mannes ihre Schuld auch noch so sehr herausschreien, der tote Kopfgeldjäger am Boden war Zeugnis seines Talents. Auch wenn dieser Isegrim es offenbar nicht wahrhaben wollte. Der bittere Zynismus in seinen Worten prallte an Slicer ab, obwohl jeder einzelne Seitenhieb meisterlich gesetzt war. Slicer behielt sein lockeres Lächeln auf, aber der überraschten Neugierde wisch das gewöhnliche Misstrauen des langjährigen Verbrechers. Die Schuldgefühle dieses Mannes konnten noch zur Gefahr werden. Slicer entsann sich an seinen Bruder, diesen unverbesserlichen Gentlemanschurken. Cleaver war größer und stärker als er selbst und stand ihm in Sachen Verbrechertum in Nichts nach. Zumindest war das einst so gewesen. Zu dem Tag, an dem er entschieden hatte, seine Talente dem guten Zweck zu widmen. Die Erfahrung hatte Slicer merklich getroffen und war ihm ein guter Lehrmeister gewesen. Sobald Verbrecher sich entschieden, ihr Leben der guten Sache zu opfern, wurden sie unberechenbar. Da lobte man sich die ehrlichen Unehrlich. Man wusste zumindest, woran man bei ihnen war.
    Slicer hob als abwiegelnde Geste die Schultern und machte sich schon daran, sich an dem Feuer ein behagliches Plätzchen zu suchen, als Isegrim sich aufmachte, die Leichen beiseite zu schaffen, Isegrim lies es sich dabei nicht nehmen, deren Taschen fachmännisch nach Besitztümern zu durchkämmen. Tat dieser Mann eigentlich irgendetwas, das nicht im totalen Widerspruch zu seinen Worten stand?
    „Ich glaube dir. Du bist wahrlich der erste Mann den ich treffe, der sich darüber grämt einem Mann das Leben gerettet zu haben. Das, oder du spielst deine Reue wirklich ausgezeichnet.“ Tat er gelassen kund und sah dabei zu, wie Isegrim die Toten einen nach dem anderen vom Feuer schleifte. Den Gedanken, ihm dabei kameradschaftlich unter die Arme zu greifen, schob er nach einigem hin und her wieder beiseite. Nicht das Isegrim sich doch noch umentschied. Zumal er neben seinem offensichtlichen Talent keineswegs auf den Kopf gefallen schien. Da traf dieser Kerl doch tatsächlich den Nagel auf den Kopf.
    Slicer wartete somit, bis Isegrim mit seinem Schaffen fertig war. Erst dann griff er nach dem köstlichen Fleisch. Er wollte nicht unhöflich wirken und sich in Abwesenheit seines Gastgebers bedienen. Den mittlerweile gesäuberten Dolch nutze er, um sich einige Streifen des erkalteten Fleisches abzuschneiden. Beim bloßen Anblick lief ihm das Wasser im Mund zusammen.
    „Ein paar Wochen sind noch keine besonders lange Zeit, hm?“ Griff er dabei Isegrims Worte wieder auf. Er probierte ein winziges Stück des Kaninchens und lies es förmlich auf der Zunge zergehen.
    „Falls du wirklich vorhast einen ‚besseren Menschen‘ aus dir zu machen, täte ich so bald nicht zuviel von dir erwarten. Nicht von einem Mann mit deinen Qualitäten.“
    Als Isegrim bei der Wortwahl schier zusammenzuckte, hielt Slicer kurz Inne.
    „Aber wenn du wirklich vorhast dich zu ändern… Dein Gewissen ist offenbar schon mal ein guter Anfang. Wobei es wirklich Dinge gibt über die man sich eher den Kopf zerbrechen könnte, als zwei Tote Kopfgeldjäger. Unschuldig ist nun wirklich etwas anderen.“
    Mit diesen Worten schloss er dieses leidige Thema und lies sich das köstliche Fleisch endlich schmecken. Zu lange war es her, das er nichts vernünftiges mehr gegessen hatte. Die Kopfgeldjäger hatte bei all ihrer Weichlichkeit nun wirklich nicht vorgehabt, ihre Speisen mit einem Totgeweihten zu Teilen.
    "Soetwas habe ich vom Süden auch gehört, bevor ich losgezogen bin. Das... und mehr."
    Slicer stellte den säuberlich aufgegessenen Holzteller beiseite und rutschte ein wenig näher an das Feuer heran, dabei den zwiegeteilten Isegrim nicht aus den Augen lassen. Den bissigen Kommentar überging er geflissentlich.
    "Ist tatsächlich keine Einladende Gegend. Insofern ist deine Frage durchaus berechtigt. Ich kann dir nur raten, da runter zu stiefeln wenn du einen ordentlichen Grund hast, so wie ich."
    Slicer lächelte gespielt verschwörerisch, ehe er mit der halben Wahrheit herausrückte.
    "Ein alter Mann hat mich runtergeschickt. Das war vor gut einem Jahr, glaube ich. Ist allerdings anders gekommen als erwartet und ich hab dann in Schwarzwasser jemanden getroffen, den ich echt nicht erwartet hätte, im Leben noch mal sehen zu müssen."
    Das Lächeln auf Slicers Gesicht wurde beinahe noch ein wenig breiter, bevor er nachdenklicher wurde.
    "Tiefer im Süden bin ich auch gewesen. Orks gibt es da keine. Dämonen habe ich auch nicht getroffen. Dafür die stinkigste, unheimlichste Wüste die man sich vorstellen kann. Das ist eine verdammte Todesfalle gewesen. Hab mich ein paar Tage durchgequält, bevor ich hingeschmissen habe. Hab mich kurzerhand wieder umgedreht und mir gedacht, der alte Sack soll seine Angelegenheit selbst erledigen, meine Haut ist mir dafür nun wirklich zu teuer. Aber auf halbem Wege zurück... traf ich diese Bastarde. Die haben mich noch mal über die halbe Insel geschleift."
    Slicer musste sein zusammenzucken nicht einmal spielen. Obwohl ihn der alte Leopold geschickt hatte und obwohl er mit solcher zuversicht aufgebrochen war, hatten ihm beim Anblick der todbringenden Schluchten des Südens ordentlich die Knie gezittert. Und erst das Kastell...
    Für einige Sekunden galt sein Blick dem Feuer. Und er hatte gedacht, Setariff wäre schlimm gewesen.
    "Und was führt dich in die Wildnis?" Wechselte er blitzschnell das Thema, um sich von dieser nagenden Nervosität in seinem Kopf zu befreien. Diese Gedanken waren nicht für eine Nacht mit einem beliebigen Fremden gedacht. "Du siehst mir nicht wie einer aus, der in der Silberseeburg nicht wüsste, wie er zu Geld und einer sicheren Unterkunft kommen könnte."
    Slicer nickte in die Richtung des Sees, der wie ein schwarzer Spiegel in der Ferne die Lichter der Silbersiedlung und des prächtigen Nachthimmels zu langen, mysteriösen Schlieren verzog. Darüber thronte die Burg in all ihrer Pracht. Nicht zu vergleichen mit Ethorns ehemaligem Sitz, aber dennoch ein imposantes Bauwerk.
    "Die paar Stunden Fußmarsch die dich von der Siedlung noch trennen, und du kampierst in der Wildnis?"

  15. Beiträge anzeigen #155
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Irgendwo in der Wildnis

    Einige Zeit blickte der Nordling ins Feuer und dachte über die Worte des Schurken nach, der ihm da gegenüber saß und herausfordernd zu ihm sah. Irgendwo hatte er bei Isegrim einen wunden Punkt getroffen. Der Wille, ein besserer Mensch zu werden, war groß. Aber die Angst vor der Veränderung, die Angst davor, es vielleicht nicht zu schaffen und am Ende eine üblere Person zu werden, war noch größer. Was, wenn er zu den Magiern zurückkehrte und sie ihn verbannten? Oder in den Kerker steckten. Würde er sich dort bessern? Geläutert werden? Nein, die Chance war gering, das wusste Grim nur zu gut. Kerker hatten ihn nicht besser gemacht, vielmehr schlimmer. Wochen und Monate in nassem Stroh, zwischen Ratten, Exkrementen und ein, zwei Leichen, hatten nie dafür gesorgt, dass er als neuer Mensch in die Freiheit trat. Er hatte denunziert und verraten, um jeden Strohhalm zu greifen, der seine Situation hätte verbessern können. Mithäftlinge waren auf seinen Hinweis hin getötet worden. Am Galgen gelandet, auf dem Richtblock oder vor einem Erschießungskommando mit Armbrüsten. Oder er hatte selber gemordet. Zu gut erinnerte sich Isegrim an ein Verlies in Braga, zu einer Zeit, da kein größenwahnsinniger, selbsternannter Baron darüber geherrscht hatte. Die Assassinen dort waren ein menschenverachtendes Pack gewesen, vorallem wenn man aus dem hohen Norden stammte und sich unter die "Milchtrinker" mischte. Sie hatten Grim in eine Zelle mit einem anderen Nordmarer geworfen. Das Essen war knapp, sie mussten sich alles teilen. Der andere Mann war größer und stärker gewesen; Isegrim hingegen hatte gehungert. Irgendwann - eines Nachts - hatte er sich zu dem Mithäftling geschlichen, leise die Hände um dessen Kehle gelegt und mit einem eisenharten Griff gewürgt, bis der Kerl blau anlief. Die Assassine hatten nur gelacht und in ihrer schnarrenden Muttersprache gescherzt und ihn verhöhnt.

    Isegrim schüttelte den Kopf.
    "Ich werde sehen, ob meine Bemühungen mit Erfolg gekrönt sind", antwortete er langsam, "Vielleicht bessere ich mich, vielleicht nicht. Oftmals liegt es weniger an uns als an der Umwelt, ob wir gut werden oder nicht. Wie soll man scheinen, wenn die Mitmenschen einen nur mit Dreck bewerfen?"
    Er wartete nicht auf eine Antwort, sondern blickte zur Burg hinüber. Heimat. Irgendwie.
    "Gebe zu, ich habe Angst vor den Konsequenzen dort. Bisher hatte ich zwar das Glück der Götter auf meiner Seite, aber ich will's nicht überstrapazieren. Am Ende kriegt mich Beliar doch ... und ich lebe doch schon an meinem Leben." Grim seufzte. "Vielleicht mag ich die Burg auch nicht. Ich bin Novize. Ja, schau nicht so. Hat sich so ergeben. Aber alles dort ... auch der Rest der Insel ... Stillstand. Als hätte Adanos die Zeit in seiner Sphäre angehalten. Seltsame Vorstellung, oder? Stillstand bis zum Ende der Zeit ..."
    Der Nordling lachte auf und hob die Schultern. "Und wo kommst du her, Slicer? Hast du eine Heimat, etwas, wofür du lebst und arbeitest?"
    Geändert von Isegrim (10.10.2017 um 20:02 Uhr)

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    Stewark

    Ragnar schob den Stofffetzen, den jemand als Gardine am Fenster befestigt hatte, ein Stück zur Seite und blickte suchend, beobachtend auf die Straßen unter ihm hinab. Weyland hatte ihn zur Wache eingeteilt, wie so oft, wenn sie mit ihrem Kontakt in Stewark sprachen. Ein jährliches Ritual, eingespielt und routiniert. Der Schmuggler vertraute in dieser Hinsicht auf seinen Kameraden und Untergebenen, appellierte im Stillen an dessen Ehrgefühl als Nordmann, auch wenn der es stets auslegte wie er wollte. Die Unterredungen mit dem Kontaktmann waren wie immer unterhaltsam, begleitet von einer fast schneidbaren Atmosphäre von Gewalt und Zorn. Lazlo war ein untersetzter Mann, ein typischer Städter in jeder Hinsicht und das bedeutete, bis über beide Ohren himmelschreiend arrogant zu sein. Das Stewark dann noch als ach so alte und ach so ruhmreiche Stadt - zumindest den eigenen Chroniken nach - galt, tat ihr übriges. Ja, der Ort war schön, Vengard, Montera, Geldern, Bakaresh oder Mora Sul jedoch größer und schöner, vorallem da nun jegliche Kriegsschäden behoben worden waren. Die Hauptstadt des Myrtanischen Reiches galt gar als Juwel des Midlands, eine wachsende, blühende Metropole. Stewark wirkte da wie der feuchte Traum eines taktisch völlig debilen Herrschers, eine möglichst große Festung auf einen möglichst kleinen Felsen zu setzen.

    "So so, Herr Weyland, Ihr maßt Euch einen unziemlichen Ton an", begann Lazlo dann wieder, nachdem der Schmuggler ein, zwei Minuten lang geschwiegen und in sein Glas mit Portwein geblickt hatte. Ekelhaft süßes Zeug, Bier wäre ihm lieber gewesen. Aber das war hier gerade unter gewissen Leuten nicht in der Mode. Oh, wie Weyland Modeerscheinungen und ihre menschlichen Anhängsel hasste ... "Redet man bei Euch auf dem Festland so? Geschäfte mit mir setzen Manieren voraus, merkt Euch das."
    Wey spürte die Wut in sich kochen. "Natürlich", knirschte er, "Selbstverständlich. Mich wundert nur, warum Ihr noch nicht so redet, Lazlo, seid Ihr doch unlängst Untertan des Myrtanischen Reiches, ebenjener unmanierlichen Bande Wilder."
    Hochmütig schüttelte der Händler den Kopf. "Wir knien vor niemandem, Festländer."
    Das reichte dem Schmuggler, er sprang auf, warf dabei das Glas um und verschüttete den teuren Wein. Beide Fäuste auf den Tisch gestützt, baute er sich vor seinem Gegenüber zu all seiner breiten, grobschlächtigen Größe auf. Sein Gesicht war eine wutverzerrte Maske, seine Zähne gefletscht wie bei einem Bluthund auf der Jagd nach schwacher Beute.
    "Noch ein hochgestochenes Wort, noch etwas selbstverliebtes Gehabe, Lazlo, und unsere Geschäfte sind beendet. WIR haben EUCH den Arsch gerettet, als die Myrtaner hier Einzug gehalten haben. Ich weiß ganz genau, zu welchem verbotenen Kult in dieser Stadt Ihr Kontakte hattet. Ich werde nicht einen Moment zögern, Euch zu verpfeifen, wenn Ihr weiter meint, wir wären gleichgestellt in diesem Geschäft, ja gar ich Euer ausländischer, ungebildeter Untergebener. IHR dient MIR, kapiert? IHR gehört MIR mit Haut und Haaren. Ich werde jetzt vor die Tür gehen, mir die Beine vertreten, etwas frische Luft atmen und Euch Bedenkzeit geben. Dann könnt Ihr mir in einem Ton, der sich für einen Untergebenen gehört, Meldung über die Vorgänge im letzten Jahr hier machen. Vorallem in Sachen Handel und Geschäfte der Myrtaner. Vielleicht auch die Pläne des Barons Renwick, den Ihr ja so gut kennt."
    Wey nahm die Hände vom Tisch, klopfte sein Wams ab. "Denkt daran, Lazlo, dass ich die Schlinge in der Hand halte, in der Euer Kopf hängt. Wisst, dass ich keine Skrupel habe, sie über den nächsten, starken Ast zu werfen und Euch daran straucheln und sterben zu sehen."

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    Stewark

    Die Drohung war angekommen und - so hoffte Weyland für Lazlos körperliches Wohl - verarbeitet worden. In der Klippenschenke waren der Schmuggler und sein Leibwächter untergekommen. Dem Wirt waren sie bekannt, einen Rabatt gab das nicht. Eher den wohlgemeinten Rat, keinen Ärger zu machen, da die Wache stets in der Nähe sei und keine Skrupel habe, ihre lederumwobenen Knüppel zu nutzen. Wey wusste, wann er sich großspurig geben konnte und wann nicht. Und bei Gastwirten in größeren Ortschaften war stets Vorsicht geboten. Entweder konnten sie gut mit den Ordnungskräften oder mit der Verbrecherwelt. Einerlei, dachte er sich und nippte an seinem Bier, schaute in die Flamme der blakenden Kerze und überlegte, wie sie weiter vorgehen sollten.

    "Wie sollen wir vorgehen?"
    Ragnar schüttete sich einen weiteren Stollengrollen in den Rachen, verzog keine Miene und machte sich über seinen Eintopf her. Weyland beobachtete ihn einige Augenblicke dabei, ehe er langsam anfing, seine Gedanken in Worte zu fassen. Ein weiterer Schluck Bier, dann sprach er.
    "Ich würde mich ja am liebsten auf die Jagd nach der Krähe machen. Wer immer er oder sie ist, wir sind ihr ein Dorn im Auge. Das in den letzten Monden nichts passiert ist, mag nur Glück sein. Glück für unsere ganze Bande ... oder nur für uns beide, während Rorik und die anderen im Hafen von Sendar mit aufgeschlitzten Kehlen rücklings im Wasser treiben. Du weißt ja, wie die Leute da drüben drauf sind. Wahnsinnig. Und goldgierig, da wird die Krähe mehr als genug Gefolgsleute finden."
    Der Hüne sah ihn nur an, schmatzte und hob die Schultern. Teilnahmslos. Harter Hund.
    "Lazlo konnte mir nicht viel über die Leute erzählen, mit denen sich Renwick umgibt. Die üblichen Verdächtigen. Kirchliche Würdenträger, Ritter des Ordens, Händler und dergleichen. Ein Mann ... sei relativ spät dazu gestoßen. Damien sein Name.", fuhr Weyland fort, "Charmanter, junger Kerl. Ist wohl Bankier, Angehöriger irgendeiner Gruppe von Kaufleuten und Aristokraten vom Festland, die bemerkt haben, dass es rentabler ist, Gold zu verleihen, Zinsen darauf zu packen und am Ende alles wieder zurück zu holen. Zukunft nennen sie es. Dumm, so nenn ich es. Ich mein, was hindert die Schuldner, sich abzusetzen?"
    Ragnar grinste kurz. "Ehre, Anstand", das Grinsen wurde breiter, "Angst."
    "Ja, mag sein. Jedenfalls scheint dieser Damien oft mit der Obrigkeit vor Ort zu verkehren. Lazlo vermutet, ich betone vermutet, dass er mit der Krähe irgendwie zu tun haben kann. Soll angeblich eine Unterredung mit angehört haben. Aber Lazlo ist ein windiger, kleiner, schleimiger Wurm. Der erzählt uns, was wir hören wollen. Fakt ist ... wir müssen diesen Damien mal erwischen, ausquetschen ..."
    "Das birgt Gefahren. Vielleicht gehört er nirgendwo zu, ist wirklich nur Bankier ... und wir zwei Hübschen landen am Galgen."
    Wey lachte auf. "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt."
    "Ja, und wer zu viel wagt, verliert am Ende alles. Aber ich vertraue dir, Weyland."
    Des Nordmannes Miene verdüsterte sich, sein Blick wurde ernst. "Noch etwas", knurrte er, "Als hättest du es heraufbeschworen ... es gibt Nachricht von Rorik."
    Weylands Züge entglitten. "Tot?"
    "Schlimmer."
    Die Faust des Schmugglers fuhr auf den Tisch nieder, der Wirt an der Theke protestierte lautstark.
    "Verrat?", zischte er.
    "Aye, Boss, Verrat."
    Weyland spuckte auf den heubedeckten Boden aus. "Rorik. Verfluchter Verräter. Ich hätte ihn schon beim ersten Mal, da wir wegen ihm fast drauf gegangen wären, kalt machen sollen. Wie dem auch sei, darum kümmern wir uns zu gegebener Zeit. Erst einmal will ich alles wissen, was dieser Damien weiß."
    Ragnar nickte bestätigend. "Ich werde mich darum kümmern, Boss. Auf uns!", prostete er.
    Weyland tat dies ebenfalls. Schweigend. Der Hüne futterte weiter, schenkte ihm erstmal keine Beachtung mehr. Der Schmuggler sah ihn an, lange, durchdringend, lauernd.
    Verrat ...

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    Slicer ist offline

    Irgendwo in der Wildnis

    Der Ganvoe schüttelte lächelnd den Kopf, wobei er verhalten in sich hinein kicherte. Das Philosopische Gesülz dieses Isegrim hörte er gewiss nicht zum ersten Mal. Und scheiße, er musste ihm sogar zustimmen. Wenn er als feiner Pinkel der Oberschicht das Licht der Welt erblickt hätte, hätte er jemals zum Messer gegriffen? Hätte er jemals Täuschung und Heimlichkeit zu seinem Handwerk machen müssen, wenn der Weg zu einem besseren Leben für ihn so viel Einfacher gewesen wäre? Die Antwort musste: "Vermutlich nicht" lauten. Aber er machte sich darüber keine großartigen Gedanken mehr. Als ob die reichen Städter, oder auch die weniger Wohlhabenden, als gut zu bezeichnen wären.
    "Von Dreck kann man nicht leben, das stimmt. Aber er bringt einen auch nicht um. Wenn mir jemand mit Verachtung begegnet... denke ich mir nur, das er vermutlich in irgendeinem langweiligen Leben feststeckt. Vielleicht als Fischer, oder Ordensbürokrat. Ich ignoriere ihn also und kümmere mich ums Geschäft."
    Slicer zog die Kapuze etwas enger um seinen Kopf, wobei seine Gesichtszüge unter dem Schatten des dunklen Stoffes verschwanden. Er streckte seine behandschuhten Hände dem Feuer entgegen und wärmte sich so Arme und Oberkörper. Ein lautloser Seufzer entwich ihm.
    "Konsequenzen?" Eine der beiden Hände bewegte sich fließend vom Feuer weg, zeigte irgendwo ins Unterholz und wanderte dann zum Feuer zurück.
    "Wegen den Beiden? Wohl kaum. Die sind Futter für die Scavenger. Und wenn sie doch jemand findet, tja, dann wird man denken es waren die Banditen. Du machst dir doch keine Sorgen das dich irgendwelche Milizen aufgreifen. Ne. Du hast Angst das Innos, Adanos, Beliar oder König Rhobar mit seiner Kristallkugel dich beobachten und grade den Schlussstrich unter deine Bilanz ziehen. Hm?"
    Slicer fielen beinahe die Augen aus, als Isegrim etwas von Novize fasselte. Kurz musste er überlegen wo zum Beliar Novizen in Silbersee lebten, bis ihm tatsächlich die Wassermagier einfielen. Er hatte ihnen bisher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
    "Novize? Na das erklärt so einiges... ich hoffe sehr, du wirst bei deiner nächsten Beichte nicht den Namen Slicer erwähnen?"
    Diesmal lächelte er nicht, anders als Isegrim, der in einem melancholischen Lachen ausbrach. Mittlerweile hatte Slicer sich dazu entschieden, dass er wohl keine Gefahr darstelle. Zumindest nicht an diesem Abend. Was die fernere Zukunft mit seinem reumütigen Geist anstellte, blieb abzuwarten.
    "Adanos hat damit ganz bestimmt nichts zu tun. Da sind Ethorn und Rhobar ganz alleine Schuld dran. Der Drachen ist tot und jetzt weigern die beiden sich, irgendwelche Veränderungen zuzulassen. Haben sich mit ihren letzten verbliebenen Männern in ihren Städten verbarrikadiert und warten auf ein Wunder."
    Slicers Blick folgte dem von Isegrim zur Silberseeburg.
    "Du kommst nicht von hier. Ich schon. Trotzdem ist diese Insel für mich nicht mehr Heimat als für dich oder irgendjemand anderen. Seit ich denken kann ziehe ich umher. Von Setariff nach Thorniara, dann rüber nach Stewart, Schwarzwasser, wieder von vorne. Das ist mein Leben, aber dafür Lebe ich nicht. Ich lebe gerne und tue was ich tue, weil darin bin ich gut. Das sind meine Gründe."
    Der Blick Isegrims konnte wirklich nur von einer gemarterten Seele stammen, die sich nicht vorstellen konnte das dies der einzige Lebensunterhalt eines aufrechten Mannes war. Slicer hinterfragte seine Leidenschaft jedoch nicht. Es fühlte sich gut an. Wieso sollte er sich den Kopf zerbrechen, ob es nicht ein anderes, besseres Leben gab, nur um dann vor Schuldgefühlen schier zu ersticken die seiner Meinung nach eh sinnlos waren? Zugegeben, er machte sich Gedanken um das "danach." Aber die waren keineswegs pessimistischer Natur. Nicht nach dem, was er erfahren hatte...
    "Isegrim, du magst von mir halten was du willst. Im Grunde ist mir egal, ob du mir grade den Beliar an den Hals wünschst, oder ein ordentliches Paket Schuldgefühle. Wenn es nach dir geht, müssen wir uns meinetwegen nie wieder begegnen. Aaaaber... ich will es so ausdrücken, ich erkenne einen Mörder wenn ich ihn sehe. Vorallem, wenn ich sein Werk hautnah miterlebe. Wie kommt es, dass du dich deiner Talente schämst statt sie zu nutzen. Oder meinetwegen einfach akzeptierst?"

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    Waldläufer
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    Weyland ist offline

    Stewark

    Ragnar hatte irgendwo im verwinkelten Stewark in irgendeiner Hintergasse irgendeinen gottverlassenen Keller gefunden, in dem er ein Treffen arrangiert hatte. Etwas an der Art, wie er es Weyland erzählt hatte, hatte diesen verwirrt. Eine Absprache zu einem Treffen? Keine Drohungen, keine Entführung? Nein, dieser Damien hatte Ragnar direkt bemerkt, ihn höflich angesprochen. Der Leibwächter hatte also die Chance genutzt und um eine Unterredung für seinen Boss gebeten. Ohne zu zögern hatte der Bankier zugestimmt. Nun warteten die beiden Schmuggler auf ihren späten Gast. Zwei Fackeln brannten, auf dem Tisch stand eine Laterne, die den Keller völlig ausleuchtete. Es klopfte an der Tür. Ragnar öffnete vorsichtig, nickte, ließ den Mann ein.
    "Seid gegrüßt, Herr Damien", Weyland erhob sich von einem klapprigen Stuhl, streckte die Hand aus. Die Rechte, die er schüttelte, wirkte arg mitgenommen, doch schien der Bankier keinerlei Schmerzen oder Behinderungen im Umgang damit zu haben. Der Griff war sogar überraschend fest. Im Licht der Fackeln und der Laterne hatte Damien ein schmales, humorloses Gesicht, schwarze Augen, blasse Haut und langes, schwarzes Haar das er in einem schmucklosen Zopf trug. Auch die Kleidung - schwarz wie die Nacht - wirkte völlig schlicht.
    "Grüße, Weyland", antwortete der Bankier heiser, "Ihr habt Wein?"
    "Natürlich."
    Es wurde grob aus Holzbechern getrunken. Selbst Ragnar genehmigte sich etwas, hatte die Hand jedoch stets am Griff seiner Bartaxt.
    "Nun, ihr Herren, worum geht es?", fragte Damien langsam, nachdem er den Becher abgesetzt hatte. Weyland faltete die Hände, seufzte, überlegte sichtbar und machte einen gespielt zerknirschten Eindruck.
    "Ach nun, Herr Damien, wir sind ... Händler. Zwischen dem Festland und den Inseln, unabhängig von Grenzen und Fraktionen ... wir ..."
    "Ihr seid Schmuggler. Nennen wir die Sache beim Namen. Schmuggler, die an Myrtaner wie an Argaaner verschachern. Jetzt schau nicht so, Weyland, man sieht es euch an. Wenn ihr rechtschaffene Kaufleute wärt, würden wir uns nicht hier zu solch unheiliger Zeit treffen. Dann würde es in der Schenke bei einem teuren Essen stattfinden. Ihr habt etwas zu verbergen, wollt unerkannt sein. Das ist als Schmuggler schlau und richtig." Damien beugte sich vor, die schwarzen Augen teilten nicht das schmale Lächeln auf den Lippen. "Aber verkauft mich nicht für dumm, Weyland. Ich ... bitte Euch darum."
    Die Drohung in der Stimme war nicht zu überhören. Nein, viel mehr war sie so präsent, als hätte der Bankier sich vor Weyland aufgebaut und ihm eine Klinge vor die Nase gehalten. Und da geschah etwas, dass nur selten eintrat. Der Schmuggler fühlte sich unwohl. Unsicher. Die Drohung wirkte, wussten die Götter wieso.
    "Gut, ja, wir sind Schmuggler. Sehr gute, sehr erfolgreiche. Zwischen den Inseln, dem Festland. Mal für das Großreich, mal die Rebellen. Mal Banditen, Piraten oder Söldner. Ich habe keine Skrupel. Null. Ich liebe Gold. Viel davon. Was scheren mich Ehre, Anstand und meine Herkunft? Geld kennt keine Grenzen, ich kenne keine Grenzen. So einfach ist das."
    Der Bankier schüttelte den Kopf. "Ehre und Anstand sind Tugenden, die selbst Verbrecher nie vergessen sollten. Niemals. Selbst ich als Bankier, für den Gold die Welt ist, halte mich daran. Ich sehe das schlicht. Ich bin an einem Ort geboren, der zum Großreich zählt. Ich zahle meine Steuern für den König, ich vertraue auf den Schutz seiner Truppen. Da ist es nur richtig, dass ich einen seiner Vasallen berate, natürlich im Sinne meiner Auftraggeber." Er seufzte. "Eure Art missfällt mir da. Aber ich in ein gutmütiger Mensch. Erzählt bitte, was Ihr möchtet, Weyland. Dann denke ich darüber nach und antworte."
    Weyland trank seinen Becher leer, seufzte und stellte seine Frage: "Wer ist die Krähe?"
    Damien sah ihn schräg ein. "Was wäre die bessere Frage. Nicht wer. Ein Tier, offensichtlich."
    Zorn wallte in Wey auf. "Ach, wirklich? Ich meine natürlich eine Person, die sich so nennt. Eine ... einflussreiche Person der Unterwelt des Festlandes. Ich ... hörte, dass Ihr von einer solchen Person gesprochen habt." Er beugte sich vor. "Also? Wer ist es?" Ragnar trat näher, seine Knöchel traten weiß hervor, so fest packte er seine Waffe. "Sprecht!"
    Damien lächelte nun, dieses Mal jedoch außergewöhnlich widerwärtig. "Erstens: Dein Maskottchen soll die Hand von der Waffe nehmen. Er soll nicht so dumm dreinblicken, sonst verliert er neben den Fingern auch noch mindestens ein Auge. Zweitens: Mach nicht den Fehler und denke, dass ich, weil ich deiner Einladung folgte, hier in irgendeiner Art Falle sitze. Drittens: Wenn du nicht am Galgen oder alternativ im Meer landen willst - tot natürlich - sprechen wir in einem höflicheren Ton weiter. Verstanden, Weyland?"
    Auch diese Drohungen, wenngleich ruhig ausgesprochen, wirkten. Ragnar, sonst furchtlos, trat einen Schritt zurück, lockerte den Griff. Wey lehnte sich zurück, schluckte ein, zwei Mal.
    "Wirklich verstanden, Weyland? Ja?", kam die Nachfrage.
    "Ja, verflucht. Hättet Ihr nun die Güte, mir meine Frage zu beantworten?"
    "Selbstverständlich, Herr Weyland: Die Krähe ist tatsächlich ein mächtiger Mann auf dem Festland. Sehr mächtig. Angeblich schulden ihm viele, viele Leute viel, viel Gold. Selbst der eine oder andere Statthalter. Wenn er will, das jemand stirbt, stirbt dieser Jemand. Meist verschwindet er einfach. Zack" - er schnipste - "und weg. In der Unterwelt geht der Spruch um, dass der Tod zwar sicher ist, die Krähe jedoch selbst den Tod verschwinden lassen kann. Bei den Varantinern ist er beliebt und bekannt. Verdächtig viele ehemalige Assassinen haben regen Kontakt zu ihm. Vielleicht war er mal einer von ihnen, vielleicht auch nicht."
    Der Bankier schenkte sich ein, trank einen Schluck. "Und ja, unsere Informanten berichten davon, dass die Krähe gegen allerlei Schmuggler und Piraten arbeitet. Er ist wohl verflucht konservativ und heimattreu. Ein echter Festländer." Nun lächelte er wieder schmal. "Verständlich, dass er einen Groll gegen dich hegt, Weyland. Du kennst ja keine Grenzen und Reiche. Er hingegen schon. Es ist weniger ein Interessenkonflikt als eher ... ja, Ehrensache." Nun kicherte Damien sogar und nahm einen weiteren Schluck.
    "Und wo befindet er sich? Wissen Eure Informanten, wo er sich hauptsächlich aufhält?", fragte Weyland.
    "Überall und nirgends. Die Gerüchteküche kocht viel. Höfling in Vengard, Berater des Statthalters von Ishtar, eine endloses Höhlensystem in Nordmar, ein alter Tempel in Varant. Fast wie ein Phantom." Erneutes Lachen. "Vielleicht ist er auch ein Phantom und hinter seinem Namen stehen mehrere hochrangige Diebe. Wer weiß ..."
    Weyland schüttelte frustriert den Kopf. "Also jagen wir einen Schatten, verflucht. Einen verdammten Windhauch."
    "Trotz deiner mangelhaften Manieren, Weyland, wäre ich bereit, dir, hm, zu helfen. Gebe dir Kontakte, nenne ein, zwei meiner Informanten. Fäden, denen du folgen musst, an deren Ende vielleicht, ganz vielleicht, die Krähe hockt und überrascht sein wird, dich zu sehen." Der Bankier lächelte wieder humorlos. "Natürlich gegen einen gewissen Preis. Du beteiligst mich an deinen Geschäften. Mir persönlich missfallen sie, meine Auftraggeber hingegen ... lieben das Gold. So wie du. Ihr wärt gute Freunde. Schlägst du ein?"
    Ein langer Blick, den Weyland und Ragnar austauschten. Am Ende nickte der Nordmann knapp, also nickte auch der Myrtaner. "Wir sind im Geschäft."
    "Fein!", rief Damien aus, erhob sich. Er reichte Wey die Hand über den Tisch hinweg, "Ich melde mich. Schönen Abend noch. Ragnar, bringst du mich bis zur Hauptstraße? Ich mag das Dunkel nicht so. Herr Weyland, ich empfehle mich."
    Der Schmuggler nickte nur. Nachdem die beiden Männer zur Tür raus waren, sank er in sich zusammen. Was wie ein Geschäft unter Gleichen klang, war ganz offensichtlich eine Niederlage. Eine verheerende. Dieser Bankier machte ihm Angst. Alles an ihm schrie nach Gefahr. Bankier? Händler? Angst vor der Nacht? Lächerlich! Wahrscheinlich trug er in den Taschen seiner Bankierskleidung mehr als genug Klingen. Obwohl er steif wirkte, hatte Weyland ihm angesehen, dass er sich geschmeidig bewegte. Als würde er sich nur verstellen.
    Er vertraute ihm nicht ein Stück.
    "Verfluchte Scheiße", knurrte er, "Verfluchte, große Scheiße."
    Geändert von Weyland (11.10.2017 um 04:53 Uhr)

  20. Beiträge anzeigen #160
    Kämpfer
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    Isegrim ist offline

    Irgendwo in der Wildnis

    "Die Talente sind, was man daraus macht", antwortete Isegrim und streckte den Rücken durch, ließ die Wirbel knacken. "Jemandem ein Messer in den Wanst zu jagen, ist es jedoch nicht. Weißt du, in Varant habe ich mal einen dieser Assassinen bei der Arbeit gesehen. Ist Jahre her, da bin ich noch heimatlos, ohne Dach überm Kopf und meist mit leerem Magen durchs Land gezogen und irgendwie hatte es mich dann nach Bakaresh verschlagen. Da gab es einen Aufstand oder so. Irgendwelche Assassinen gegen andere. Da habe ich gesehen, wie diese professionellen Mörder arbeiten. Mein Freund, das war Talent. Das war fast Kunst. Keine schöne, denn was ist Schönes, Erstrebenswertes und Majestätisches daran, einen anderen Mann zu töten? Da ist nichts Angenehmes. Nur Blut und Scheiße und Gestank, mehr nicht. Nun, das wirst du sicherlich nicht kennen, der du nur diese Insel kennst. Ich kenne den Gestank von Blut und Exkrementen, wenn jemand verreckt und dabei nicht still mit dem Messer im Halse drauf geht, sondern schreiend, weinend und sich in die Hose pissend." Er spuckte ins Feuer, es zischte. "Ist das das Talent, das du erkennst? Dann behalte es für dich und deinen Hochmut, den du unverständlicherweise mit dir herum trägst, weil du angeblich gut im Morden bist."
    Isegrim schüttelte den Kopf, nahm den Wasserschlauch vom Gürtel und trank. Hustete. Etwas Schnaps. Relativ stark, aber schmackhaft.
    "Ich akzeptiere, wer und was ich bin. Ein Novize, der keine weiße Weste hat. Von Zweifeln zerrissen.", erklärte er, "Ich habe Blut an den Händen, sehe es aber nicht als ... Erfolg oder als Trophäe. Ich bin, was ich bin. Ich habe getan, was ich tun musste. Selbst wenn es am Ende falsch war, akzeptiere ich es. Was soll ich sonst machen? An der Flasche hängen und wehklagen? Nein, ich denke der Weg des Magiers und Priesters, den ich einschlagen möchte, ist schon richtig. Wie soll man anderen Menschen aus ihren misslichen Lagen befreien, wenn man sie nie gekannt hat?"
    Der Nordling erhob sich, grinste. "Mh, insofern hat dieses Gespräch gut getan, Slicer. Ich mag dir nicht zu nahe treten, aber wie du möchte ich nicht werden. Mein jüngeres Ich sicherlich, damals in Nordmar, aber ich, nun, Jahre später? Niemals. Danke für diese Erkenntnis, Slicer." Sein Blick ging zur Burg. "Möchtest du mich begleiten? Vorausgesetzt da wartet niemand, der dich an den Galgen bringen will. Und wenn, lege ich als Novize Adanos' ein gutes Wort für dich ein, versprochen. "Er grinste erneut. "Wenn nicht, hat es mich gefreut, deine Bekanntschaft zu machen. War auf jeden Fall ... erleuchtend."

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