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Nahe Bluttal
Es waren ein paar Menschen um Sumpf gewesen. Onyx und so eine Neue.
Wirklich viel brachte Gath das jetzt nicht gerade, denn er kannte weder Onyx noch besagte Neue, aber das waren Anhaltspunkte. Wenn sie im Fort waren, würde er sich einmal danach erkundigen, er war wirklich neugierig, wie es um das Dorf stand. Insgeheim hatte er gehofft, am Strand Schwarzwassers sein neues Zuhause zu errichten, ein Haus, in dem er wirklich wohnhaft werden würde, vielleicht sogar für längere Zeit. Denn ehrlich gesagt lebte er eigentlich seit Jahren das Leben eines Herumtreibers, mal in diesem Wirtshaus, mal in jener Taverne, stets darauf bedacht, dass es möglich billig war. Oder aber in Zimmern in irgendwelchen Hinterhöfen, in denen man ihn einquartiert hatte. So wirklich gewohnt hatte er eigentlich zuletzt während seiner Lehre in Vengard, vor gut 5 Jahren mittlerweile und als er für Pandillo in Bakaresh gearbeitet hatte. Allerdings zählte letzteres auch nicht wirklich, denn als Schreiber einer Handelskarawane war man nicht viel zu Hause.
Aber die Echsen und der Drache hatten diese Pläne durchkreuzt, und so wandelte er weiterhin durch die Weltgeschichte.
Eine Sache hatte er dabei aber ernsthaft gelernt, und das war auf sich selbst aufzupassen.
"Sehen sollte ich noch, Hören ist meistens auch drin, sofern es mich interessiert...
Nein, Spaß bei Seite: Ich glaube, ich bin als Nachtwache zu gebrauchen. Ich reise nicht zum ersten Mal und bin augenscheinlich noch nicht gefressen worden.", beantwortete er Bobs Frage, als sie das Lager aufgeschlagen hatten - in so einem eingespielten Team ging das ziemlich fix, auch wenn es nur bedingt gemütlich aussah. Waldläufer waren hier in ihrem Element, sie lebten mit der Natur zusammen, wie es Gath nie für möglich gehalten hatte. Oder besser gesagt, auf eine Art und Weise, die er sich schlicht nicht vorstellen konnte. Man konnte von diesen Menschen so viel lernen. Schade eigentlich, dass er den Großteil seiner Zeit mit anderen Stadtmenschen verbrachte - und seien diese auch Teil dieses Waldvolks.
"Aber verteidigen kann ich mich nicht. Ich werde Alarm schlagen, sobald ich etwas größeres als einen böswilligen Hund befürchte."
Und ehrlich gesagt kam es auch bei einem Hund auf die Größe an, denn so ganz euphorisch war Gath bei diesen Tieren noch nie gewesen.
Es wurde vereinbahrt, dass der Neuling der Gruppe die erste Wache übernehmen würde, denn alle waren müde vom langen Marsch, Bob hatte sich selbst für eine der eher schweren Schichten später in der Nacht eingeteilt und so war es an Gath für den Anfang das Schlafende Lager zu bewachen.
Und das war... Nunja, es war immer wieder befremdlich.
Die Waldvölkler hatten einen interessanten Lagerplatz ausgewählt, denn sie waren so gut vom Weg versteckt, dass kein Mensch, der diesen Ort nicht kannte, sie je finden würde. Vor allem keine Banditen.
Aber Gath fürchtete auch nicht unbedingt die Menschen, sondern eher, was sonst noch so im Wald hauste und sich vielleicht an ihnen gütlich tun wollte. Seien das nun Wölfe oder Blutfliegen oder was auch immer die Fauna Argaans noch an seltsamen Tieren im Gepäck hatte, die er so nicht gewohnt war.
Da sie kein Feuer entfacht hatten, da das im Nieselregen eine relativ sinnlose Idee gewesen wäre, war es ziemlich dunkel im Lager. Der Himmel war Wolkenverhangen und es gab keine Sterne. Der Mond schimmerte gelegentlich durch eine etwas dünnere Wolke hindurch sodass man etwas erahnen konnte, aber gute Augen waren in dieser Nacht vollkommen überbewertet.
Gute Ohren waren wesentlicher, denn das war die einzige Möglichkeit, eventuelle Angreifer auszumachen. Das Problem hierbei war nur: Des Nachts im Wald hörte man ziemlich viel. Es gab etliche Kreaturen, die nicht schliefen und Gath musste deswegen umso wacher sein. Ein wirkliches Problem ergab das aber nicht für ihn, denn er war sowieso nervös wie noch etwas - und doch routiniert genug, nicht auf jedes Kanickel der Umgebung anzuspringen.
Und doch war er ziemlich froh gewesen, als es Zeit für die Wachablösung war und er einen anderen Kerl names Konis aufwecken durfte, der den Tag über als Vorhut unterwegs gewesen war.
Am nächsten morgen wurde er unsanft aus dem Schlaf gerissen, als sich der komplette Tross wieder auf den Aufbruch vorbereitete. Wenn sich Gath richtig an den Weg erinnern konnte, müssten sie eigentlich demnächst die Pforte zum Bluttal passieren und dann hätte der ewige Anstieg an endlich sein Ende. Wirklich schneller vorran gehen würde es aber vermutlich auch nicht, denn Innos hatte leider nichts gegen den Regen unternommen. Vermutlich würden sie heute Stellenweise den Karren schieben müssen, sonst kamen sie damit nicht den Berg hoch.
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Der Raum im Inneren war ziemlich genau so, wie der Flur vermuten ließ: Nicht allzu prächtig, aber bei weitem nicht schäbig.
Nur die Dame, die öffnete, hatte den Händler aus Varant erst einmal überrascht. Es war eine Frau, noch recht jung, aber wohlgekleidet, mit mächtiger roter Mähne, die sich zwar förmlich verhielt - aber eben nicht wirklich wie die Herrin des Hauses.
Nunja, es dauerte ein paar Augenblicke, bevor sie zugab, doch nur die Schreiberin zu sein. Und sofort begann sie mit einer Höflichkeit einer Sklavin gleich ihn im Namen ihres Herrn Garn - nie gehört - zu versorgen, bevor der ehrenwerte Händler erscheinen würde.
Zumindest pries sie ihn in den höchsten Tönen und verkündete, wohin man Dinge überall hin verschiffen konnte. Allerdings fragte sich Sabnada ehrlich gesagt, was sie hier gerade hatten, das irgendwo hin sollte, und woher zur Hölle dieser Fernhändler ein Schiff haben wollte. So viele standen nicht im Hafen...
Sobald Riannon - so hieß die Schreiberin - die Beweihräucherung ihres Herrn beendet hatte und ihm einen Wein angeboten hatte, entschuldigte sie sich kurz. Vermutlich, um nach Garn zu schicken.
In der zwischenzeit nutzte Sabnada die Gelegenheit, den Raum einmal genauer zu inspizieren und den Wein zu kosten. Letzterer schmeckte vorzüglich, auch wenn er nicht mit den besten des Marktes in Bakaresh mithalten konnte. Und der Raum ... besonders interessierte ihn eine Schmitzerei aus Holz, das augenscheinlich lange durch die See behandelt worden war. So einen richtigen Reim darauf machen, was diese darstellte, konnte sich der Bootseigner irgendwie nicht.
"Nein, danke.", lehnte er das Angebot nach mehr Wein und Essen ab. Auch wenn er warten musste, gegessen hatte erst vor kurzem etwas und zu viel Wein sollte man auch nicht vor einer Verhandlung trinken. "Auch wenn der Wein vorzüglich ist. Aber sag, diese Schnitzerei da oben: Was ist das? Mir kommt diese Form bekannt vor, aber so wirklich ... zuordnen kann ich es nicht."
Er musterte die Frau zum zweiten Mal. Er schätzte sie auf etwas 10 Jahre jünger als ihn selbst und irgendwie...
"So lange arbeitest du noch nicht als Schreiberin, oder?", fragte er vorsichtig nach.
Gath
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"Nein, ein paar Wochen erst. Und dies soll wohl ... Argaan darstellen, zumindest laut meines Arbeitgebers", erklärte die rothaarige Frau und blickte ihrerseits nun zu dem mächtigen treibhölzernen Machwerk hin. Karten der größten aller Südinseln hatte sie noch nie gesehen, weshalb sie nicht im Ansatz einen Kommentar dazu abgeben konnte, ob der Holzschnitzer seine Arbeit gut oder eher miserabel gemacht hatte. Da Garn den Wandschmuck aber in seinem Arbeitszimmer aufgehangen hatte, ging sie davon aus, dass es schon nah an die wirklichen Umrisse und Formen der Insel kommen musste, sonst würde sich der Fernhändler bei Kunden und Partnern wohl eher lächerlich machen.
"Dies stellt ganz genau Argaan dar", sprach eine Stimme hinter Riannon und dem Händler Sabnada. Beide drehten sich um. Riannon räusperte sich.
"Herr Sabnada aus, äh, Varant", stellte sie den Südländer vor, "Herr Garn aus Thorniara"
Der Fernhändler musterte seinen Gast einen Moment abschätzig. "Ein Varantiner wie er leibt und lebt. Nun, Herr Sabnada, willkommen in Thorniara. Kann ich Euch helfen? Habt Ihr etwas zu verschiffen, braucht Ihr spezielle Waren?"
Der Südländer äußerte murrend seine Fragen bezüglich der eher leeren Anlegeplätze und dem Mangel eines großen Warenüberschusses in der Stadt.
"Nun, meine Schreiberin hat wohl wieder etwas übertrieben. Ich habe hier nicht direkt Schiffe. Eigentlich besitze ich in dem Sinne nicht einmal selber Schiffe, sondern habe Verträge mit Kapitänen, die für sehr gutes Gold zu festen Terminen diesen und andere Häfen anfahren. Hier wäre die Gefahr doch viel zu groß, dass die ehrenwerten Ordensherren schnell zur Überzeugung kommen, dass man 'meine' Schiffe ja beschlagnahmen und für etwaige Truppen- oder Lebensmitteltransporte verwenden kann. Gibt dazu ja mehr als genug Geschichten vom Festland, in denen Händler plötzlich ihrer - nennen wir's mal - Flotte beraubt wurden, weil des Königs Mannen der Meinung waren, statt Schiffe zu bauen, könnte man auch einfach zivile in Beschlag nehmen. Und Waren? Nun, es gibt immer Dinge, die diese Insel oder auch nur diese Stadt in Überfluss haben. Ich kaufe an und versuche es möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Gewinn in diesem Falle in Form von Lebensmitteln und Gütern, die die armen Menschen hier brauchen. Euch mag es vielleicht nicht aufgefallen sein, da es in, hm, Bakaresh - verbessert mich, wenn ich den Akzent falsch deute! - keine größeren Nahrungsengpässe gibt, doch hier haben die dunklen Wogen des Schicksals mehr als einmal den Terror des Hungerns über die Menschen gebracht. Was bringen mir Unmengen an Gold, wenn um mich herum die Stadt entvölkert wird? Dann versuche ich doch eher, den Menschen zu helfen. Essen für die Hungernden und dafür etwas weniger Gold für mich. Nicht der schnöde Geldfluss habgieriger Handelsgilden hält diese Stadt am Leben, sondern satte, zufriedene Männer und Frauen. Oder glaubt Ihr, dass der typische beleibte Handelsfürst eine Streitmacht aus Echsen und Orks und einem verfluchten Drachen zurückschlagen kann? Ich denke eher, dass das eine Aufgabe für versorgte Diener des Ordens und ihrer Helfer ist, die mit Schwert und Bogen unsere Mauern verteidigen." Garn lachte kurz. "Sollte ich falsch liegen, sagt es mir. Aber ich gehe davon aus, nicht einmal der weltgewandte Sabnada aus Varant vermag mit einer Geisterstadt Handel zu treiben und dabei auch noch zu verdienen. Lebende bestimmen Angebot und Nachfrage, nicht Tote."
Riannon hatte sich etwas zurückgezogen und seufzte. Vielleicht ließ sich dieser fremdländische Händler ja bereden. Garn konnte das gut. Sie unterdrückte stattdessen ein Seufzen und wünschte im Stillen beide Männer zur Hölle, nun, Garn vielleicht noch mehr. Dessen Herz war ein finsteres Loch. Dass des Varantiners war wahrscheinlich nicht unbedingt weniger schwarz. Die Männer von dort waren ja bekannt für ihre Skrupellosigkeit und Bosheit.
Wenn ich könnte, würde ich euch beiden etwas Rattengift in den Wein schütten und zusehen, wie ihr krepiert, dachte Ria düster.
Strahlend lächelnd trat sie einen Schritt vor, zog die Aufmerksamkeit auf sich: "Noch Wein, die Herren?", fragte sie mit der Unschuld eines Kindes.
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Die Arena
In der letzten Zeit haben die Kerkerwächter immer weniger Neuzugänge begrüßen können. Das lag aber nicht daran, dass die Kriminalität in der Hafenstadt zurückging. Es war vielmehr die hoffnungslose Unterbesetzung der Soldaten, die den Taschendieben, den Drogenschmugglern und den illegalen Waffenhändlern nahezu freie Hand ermöglichte.
In der Bastion wurde der breitgebaute Soldat deswegen auch bereits darauf angesprochen, dass er bei Patrouillengänge eigentlich dringender gebraucht werde, als im Kerker von Thorniara. Es war allein dem Umstand geschuldet, dass Hierodius Lex seine Ausbildung noch nicht beenden konnte, dass er weiterhin im Kerker eingesetzt wurde.
Nach nahezu jedem Schichtende ging er deswegen zur Arena der Stadt und übte sich in seinem Umgang mit dem Schwert. Während Hierodius Lex gerade einige Standardbewegungen durchführte, sah er den rothaarigen Soldaten bereits im Augenwinkel. Er beendete seine Bewegungen, steckte das Schwert zurück in die Scheide und begrüßte Redlef.
Geändert von Hierodius Lex (04.04.2016 um 21:04 Uhr)
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Zu Redlefs Leidwesen war Ravenne nicht in ihrer Werkstatt gewesen. So hatte Red sich gezwungen gesehen ihr eine Nachricht da zu lassen. Nach einigem Umsehen war ihm aber eine kleine Schiefertafel, wahrscheinlich ihre Ersatztafel, gefunden und schrieb mir einem Stück Kreide, welches er ordentlich aufgeräumt in einer Kiste fand, eine kurze Nachricht.
Ravenne,
leider konnte ich dich hier nicht antreffen, doch ich habe eine Bitte an dich. Graviere mir auf ein ein Fuß großes Messingschild bitte das Wort RITTMEISTER.
Vielen Dank, ich komme dann nächste Woche, um es abzuholen!
Liebe Grüße und ‚Für Innos!‘
Redlef
Anschließend gingen die Tage weiter, wie er es sich vorgestellt hatte. Arbeit, Arbeit, Arbeit… Doch Red war zufrieden damit. Es war viel Aufzuarbeiten. Unter anderem die Besetzung seines ehemaligen Postens als Kerkermeister Thorniaras. Wenn er niemanden degradieren, beleidigen oder strafen wollte, dann blieb eigentlich nur eine logische Wahl. Hierodius Lex. Er konnte diese Aufgabe gut erfüllen, da war sich Red sicher, außerdem wollte Red sowieso noch das ein oder andere Mal im Kerker vorbei sehen, da ihr die Arbeit mit den Gefangenen zu verantwortungsvoll, um sie ab sofort einfach zu vernachlässigen.
Da er ihn in Kerker nicht finden konnte, versuchte er es in der Arena. Pons hatte ihm dem Tipp gegeben, ihn dort zu suchen.
Tatsächlich übte dieser gerade im dem Schwert, als Red die Arena betrat.
»Innos auch Euch zum Gruße, Hierodius!« sagte er und kam neben dem kräftigen Kerl zum Stehen. »Wie ich sehe, ward ihr in meiner Abwesenheit nicht untätig gewesen. Pons hat mir schon gesagt, dass ihr ein Kämpfchen mit ihm gewagt habt. Das freut mich zu hören, doch gern möchte ich selbst erfahren, wie weit Ihr gekommen seid.«
Mit einem Ruck, zog er seine Klinge. Das Geräusch von singendem Stahl erfüllte die Luft und hallte in der Arena wieder. »Zieht blank!«, sprach Red ernst und taxierte seinen Gegner.
Geändert von Redlef (04.04.2016 um 23:22 Uhr)
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Die Arena
Hierodius Lex hatte bereits einige Übungskämpfe überstanden und einige Male ging er auch als Sieger hervor. Er hatte aber zugegebenermaßen auch nur mit Pons trainiert, der selbst noch im Training war. Ein Übungskampf mit einem ausgebildeten Schwertkämpfer war daher nicht mit den vorangegangenen Kämpfen zu vergleichen.
Dass Redlef sein aus Stahl geschmiedetes Schwert zog, legte die Vermutung nahe, dass der rothaarige Soldat Vertrauen in die Fähigkeiten seines Schülers hatte. Andernfalls hätte er wohl auf Holzschwerter zurückgegriffen, um die Verletzungsgefahr zu reduzieren.
Der breitgebaute Soldat tat es seinem Lehrer gleich und zog das Breitschwert aus der Scheide. Es war ein einfaches Schwert aus der Waffenkammer der Bastion. Schmucklos. Ein Produkt routiniertem Schmiedehandwerks aber weit entfernt von den wertvollen Klingen, mit denen Ritter zu kämpfen pflegten.
Hierodius Lex schloss die Augen und atmete tief durch. Dann setze er zum ersten Angriff an. Über Kopf wirbelte er sein Breitschwert und ließ es auf den rothaarigen Soldaten herunter stürzen. Es war mitnichten ein Überraschungsangriff. Doch die Wucht des Aufpralls, als sich die beiden Schwerter aufeinander trafen, sollte Redlef zurückweichen lassen.
Die Kunst des Schwertkampfes war es, die Balance zwischen Kraft und Technik zu finden. Hierodius Lex hatte einige Male erfahrene Soldaten bei ihren täglichen Übungen beobachtet. Es war wichtig, dass man sich stets auf beide Attribute konzentrierte. Wer seine Kraft zu beherrschen wusste aber keine Kampftechnik anwenden konnte, der wurde ebenso niedergestreckt, wie derjenige, der zwar das Schwert anmutig beherrschte aber keine Kraft besaß.
Redlef wich nur ein Stück zurück. Er war ein weitaus erfahrener Kämpfer und konnte die Aktion des breitgebauten Soldaten besser ausgleichen, als Pons. Um ihm jedoch nicht genügend Reaktionszeit zu geben, setze Hierodius Lex ein zweites Mal zum Angriff an. Wieder trafen sich die Schwerter.
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Red hatte den zweiten Angriff kommen sehen. Sogar erwartet. Er sprang einen Schritt zurück, ließ den Schlag ins Leere laufen und setzte sofort zum Gegenangriff an. Er täuschte einen hohen Schlag an, und als Lex, der vorher aus dem Gleichgewicht geraten war und nun verzweifelt eine Parade anstrebte, da gab er seine Finte auf und hieb mit dem Schwert seitlich in Hierodius Seite. Die Schärfe seines alten Gardeschwerts durchschnitt den Waffenrock, den der Kerkerwächter trug und wurde von dem wattierten Wams gefangen, welches jeder Milizionär trug. Redlef hatte seinen Schlag nicht mit voller Kraft durchgeführt. Das viele Üben hatte ihm zu eine sehr genaue Kontrolle über seine Waffe eingebracht.
Hierodius zu treffen war jedoch beabsichtig gewesen. Er wollte herausfinden wie der Mann auf Schmerzen reagierte.
Red zog sich mit einem schnellen Schritt zurück. Er bemerkte ein Stechen in seinem Knöchel. Allzu häufig sollte er solche Bewegungen nicht mehr durchführen, irgendwann würde ihm das Gelenk den Dienst versagen.
Doch er ließ sich nichts anmerken und betrachtete den Soldaten kühl. Eine dünne rote Linie zeichnete sich auf der Schärfe von Redlefs Schwert ab. Blut…
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Die Arena
Der breitgebaute Soldat hatte zu leichtfertig einen zweiten Angriff ausgeführt, obwohl er hätte wissen müssen, dass seine Handlungen für einen geübten Kämpfer vorhersehbar waren. Unerwartet hatte Redlef den Angriff von Hierodius Lex abgewehrt und ihn dabei empfindlich in die linke Seite getroffen.
Es war dem Polsterung des Waffenrocks zu verdanken, dass sich die Klinge des Schwertes nicht in vollständig in das Fleisch gebohrt hatte. Doch auch der verhältnismäßig kleine Schnitt verursachte einen stechenden Schmerz. Blut schien aus der Wunde zu laufen. Wäre dies ein echter Kampf gewesen, hätte ihm die Fahrlässigkeit wohlmöglich das Leben gekostet.
Hierodius Lex stieß einen Schrei aus, als er sich erneut mit schnellen Schritten auf Redlef zubewegte. Das Gleichgewicht zwischen Kraft und Technik beibehaltend, rauschte das Breitschwert erneut auf den rothaarigen Soldaten herunter. Ein metallisches Geräusch blockte den Angriff ab.
Wie auch bei den Trainingseinheiten mit Pons machte Hierodius Lex immer wieder kleinere Schritte nach vorne, um auch seinen Gegner zur Bewegung zu zwingen.
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Grimmig lächelnd fing Red die Schläge, die Lex ihm beibrachte. Er hatte sich tatsächlich ganz gut entwickelt und machte schneller Fortschritte, als Red es erwartet hatte. Immer mehr drängte sein gegenüber auf ihn ein, doch anstatt sich hilflos an eine Wand drücken, machte Red ganz unerwartet einen langen schritt auf ihn zu. Indem er das gegnerische Schwert beiseite schlug, machte er sich den Weg frei um, an Lex einen heftigen Ellenbogenschlag vor die Brust zu setzten. Der Stoß trieb dem Kämpfer die Luft aus den Lungen. Es ließ ihn taumeln und für einen kurzen Moment seine Verteidigung schwächeln. Mit aller Kraft schlug er Lex das Schwert aus der Hand und legte ihm anschließend die Klinge an den Hals.
»Tod!«, stellte er nüchtern fest und ließ das Schwert sinken, um nicht noch aus Versehen eine Verletzung zuzufügen. »Also, das was ihr mir gezeigt habt, war doch schon ganz ordentlich. Ich muss sagen, dass Ihr mich sehr positiv unterstützt habt. Ich möchte mich aber auch gleichzeitig für den letzten Schlag entschuldigen. Das was ich da tat war sehr unritterlich. Früher hätte ich mir eine solche Schande nie erlaubt, doch ich musste hier in Thorniara lernen, dass es in den Straßen anders zugeht, als auf den Schlachtfeldern. Diese Lektion lehrte mich Ritter Aaron, der sich mit solchen Umständen viel besser auskennt als ich.« Schief lächelnd erinnerte er sich an die Übungsstunden mit Aaron. Der Kerl war Abschaum, doch eines musste Red ihm lassen. Er war die beste Vorbereitung auf die Arbeit im Kerker, die er hatte bekommen können.
»Fürs Kämpfen gibt es einen ganzen Haufen ehrbarer und wichtiger Regeln, doch merken müsst Ihr euch nur dies: Macht auf Schmerzen gefasst, Ihr werdet sie nicht verhindern können und erwartet von einem Gegner keine Ehre, denn in der Regel besitzen sie keine. Dennoch solltet ihr Euch niemals auf diese Stufe hinab begeben.«
Red stellte sich in eine einfache Ausgangsposition. Er bedeutete Lex dies ihm gleich zu tun.
»Ich will Euch heute zeigen, wie Ihr erkennt, wenn Euer Gegenüber eine einfache Finte benutzt. Eine Finte ist ein angetäuschter Angriff, der die wahren Absichten vertuschen soll. So werdet Ihr falsch parieren und dem Gegner die Möglichkeit geben, Eure Deckung zu unterlaufen. Sicherlich habt Ihr gemerkt, dass ich dieses gerade mit Euch getan habe. Also nochmal!«
Red zeigte Ihm langsam die Schlagfolge, die er zuvor im Kampf verwendet hatte. »Los, zusammen!« Ein weiteres Mal vollführte er die Schlagabfolge. Red erklärte ihm, worauf es beim Antäuschen ankam. »Ihr müsst Eurem Gegner glaubhaft vermitteln, dass ihr einen bestimmten Schlag ausführen wollt, doch dann blitzschnell in den zuvor vorbereiteten Schlag wechseln. Dieses wird einem Gegner erheblich die Parade erschweren.«
Red setzte erneut zum Angriff an.
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Die Arena
Für den breitgebauten Soldaten war keine Entschuldigung nötig. Auch im Training zählten Verletzungen dazu. Denn würde meine seine Übungen mit dem Wissen vollziehen, dass man stets unverletzt bleibt, würde man auch nicht mit der notwendigen Entschlossenheit trainieren. Gerade der Wille zur eigenen Unversehrtheit war ein nicht zu unterschätzender Antrieb.
Mit einem Nicken signalisierte Hierodius Lex, dass er die Worte von Redlef nicht nur gehört, sondern auch verstanden hatte. In der Tat hatte er mit einem Täuschungsmanöver nicht gerechnet, wenngleich er auch einige Male bereits darüber gelesen hatte. Doch die Theorie in verstaubten Büchern war nicht mit der gelebten Praxis zu vergleichen.
Kaum hatte der rothaarige Soldat die Grundlagen zum Antäuschen eines Angriffes erklärt, ging die Trainingseinheit auch bereits weiter. Dieses Mal ging Redlef in die Offensive und führte einen Schlag nach dem anderen aus. Nun war es an Hierodius Lex, den richtigen Moment zu erkennen und einen Angriff vorzutäuschen, mit dem sein Gegenüber nicht rechnen würde.
Er wartete und wehrte Schlag für Schlag ab. Sein Lehrer sollte in eine Routine verfallen, um nicht unmittelbar mit einem Gegenangriff zu rechnen. Natürlich war es schwierig, einen Lehrer zu überraschen, wenn er doch gleichsam davon ausging, dass der Schüler das ihm gezeigte auch umsetzte.
Als Hierodius Lex glaubte, den richtigen Moment vor einen Täuschungsangriff gefunden zu haben, führte er ihn aus. Beim ersten Mal noch konnte Redlef den Angriff abwehren. Die Bewegungen des Schülers schienen zu offensichtlich. Doch schon beim zweiten Mal gelang es ihm besser.
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»Sehr gut«, lobte Red. »Ihr lernt schnell, die Schläge kamen schon sehr flüssig, doch auf eines möchte Ich euch noch hinweisen: Habt Euren Blick unter Kontrolle. Euer Schwert folgt Euren Augen, das macht Euch sehr berechenbar! Wenn ihr zuerst Hinseht, wo ihr hinschlagen wollt, dann ist es mir ein Einfaches Eure Angriffe vorauszusehen. Euer Blick muss immer die Augen Eures Gegners fixieren. So schult ihr Auch Euer Gespür, denn Ihr werdet merken, dass ihr aus dem Augenwinkel heraus sehr viel mehr wahrnehmen könnt, als ihr glaubt! Habt Ihr es bemerkt, dass ich nie woanders hingesehen habe, als in Euer Gesicht. Es verrät mir viel über Eure Taktiken.«
Red wischte seine Klinge an seinem Wams ab. Vorrangig um es vom Staub zu befreien. Doch auch das wenige Blut musste von der Klinge gewischt werden um ein Rosten zu verhindern.
»Das soll für Heute Rechen. Beschäftigt Euch weiter mit der Finte. Überlegt Euch die verschiedensten Angriffe, und wie Ihr sie fintieren könnt. Wichtig ist es, dass ihr auf die verschiedenen Schläge abwehren könnt und sie durch eine Finte zu Eurem Vorteil nutzt.«
Das alte Schwert verschwand wieder in der Scheide an Redlefs Gürtel.
»Wie gesagt, wie Ihr Euch entwickelt habt, das gefällt mir schon ganz gut, doch nun habe ich ein anderes Anliegen, welches mir noch wichtiger ist, als Eure Ausbildung. Ich bin befördert worden und stehe als Leutnant nun der Wache der Stadt vor. Daher wird es mir nicht mehr möglich sein, mich voll und ganz um den Kerker zu kümmern. Jedoch sehe ich diese Arbeit als besonders Wichtig an. Die Manschen, die dort hineingelangen, sind häufig bemitleidenswerte Kreaturen, um die sich sonst keiner mehr kümmert. Daher brauche ich einen verantwortungsvollen Nachfolger. Ich dachte dabei an Euch! Ich möchte Euch für eine Beförderung vorschlagen und Euch zum Sergeanten der Kerkerwache machen. Während Ihr interessiert?«
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Die Arena
Schweiß lief über das Gesicht des breitgebauten Soldaten. Es war ein gutes Training gewesen. Die neuen Bewegungen und Taktiken wird Hierodius Lex in den nächsten Tagen verbessern. Wenn er auch nicht außerhalb der Stadtmauern gegen die Bedrohungen des Königreiches kämpfen wollten, war die Hafenstadt selbst schon Grund genug, um stetig den Umgang mit dem Schwert zu verbessern.
Als sich Hierodius Lex den Schweiß abwischte und das Breitschwert sicher verstaute, erhob Redlef seine Stimme. Er war befördert worden und suchte nach einen Nachfolger für die täglichen Aufgaben im Kerker der Stadt.
Natürlich war eine Beförderung auch immer eine Wertschätzung der Fähigkeiten. Man vertraute auf die Zuverlässigkeit und Loyalität des breitgebauten Soldaten. Und das, obwohl er erst vor einigen Monaten in den Dienst des Königs eingetreten war und zuvor keinerlei Fertigkeiten im Umgang mit der Waffe hatte. Geschweige denn Erfahrung in einer militärischen Rangordnung.
Doch war der Kerker wirklich der Ort, den er in seinem Verantwortungsbereich haben wollte? Hierodius Lex erinnerte sich an seine Ankunft in Thorniara. In der Hafenkneipe tummelte sich allerlei Gesocks. Sie verspotten die Soldaten und ihr Auftreten war Indiz genug, für illegale Machenschaften.
Der Kerker war die letzte Station dieser zwielichtigen Gestalten. Es war die Aufgabe der Kerkerwache, die Männer und Frauen wieder auf den rechten Weg zu bringen oder eben nur die Verwahrungsstelle derjenigen, die in der Gesellschaft nicht mehr akzeptiert werden und ihr restliches Leben in den trostlosen Kerker verbringen.
Doch wer war Hierodius Lex, als dass er ein solches Angebot hätte ausschlagen können. Er würde folgen. "Ich fühle mich geehrt, doch warum ist Pons nicht Eure erste Wahl?"
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Red seufzte. »Pons ist ein guter Junge, ein besserer Korporal, doch leider kann er weder lesen noch schreiben oder Rechnen. Zudem ist er jung, und häufig den Anforderungen des Kerkermeisters nicht gewachsen. Der Knabe hat ein gutes Herz und das ist gut so, doch bisweilen ist auch eine - kontrollierte zwar - doch harte Hand gefragt. Die hat der gute Pons noch nicht. Dennoch war er mir immer eine ausgesprochen gute Hilfe und ein besserer Adjutant. Er genießt mein vollstes Vertrauen und ich wollte Euch bitte, ihm ebenso dieses Vertrauen entgegen zu bringen. Auch Euch wird er ein guter Adjutant sein und da ich ihn immer wieder antreibe die Tempelschule an ein bis zwei Tagen die Woche zu besuchen, kann man auch davon ausgehen, dass er Euch bald auch mit allen anfallenden Arbeiten helfen können wird.« Red machte eine kurze Pause und überlegte.
»Ich habe ein gutes Gefühl, wenn ihr den Kerker übernehmt und es ist mir ein persönliches Anliegen, dass Ihr auch Pons Pfirt als Euren Adjutanten übernehmt. Der Junge braucht Führung und Ausbildung, bitte übernehmt dies ebenfalls für mich.«
Inzwischen hatten sie die Arena verlassen. Red war mit Lex in Richtung des Tempels gegangen. Seine Wunde, die Red ihm im Kampf beigefügt hatte, musste versorgt werden.
»Geht nun zu den Heilern, ich werde Euch bezüglich der Beförderung auf dem Laufenden halten«, sprach Red, als sie vor der Heilerkammer standen. »Vielen Dank für den guten Kampf, es war mir eine Freude. Nun muss ich jedoch leider los, Ich habe Pons noch versprochen mit ihm den Waffengang zu üben, wenn seine Schicht im Kerker vorüber ist. Gute Nacht!«
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Es war Vormittag und die inzwischen wärmenden Strahlen der Sonne erhellten das Armenviertel. Die Menschen, die hier etwas zu tun hatten gingen ihren Arbeiten nach, doch ein viel größerer Teil der Bevölkerung des Armenviertels lungerte auf den Bänken vor ihren Häusern, versuchten sich von den Sonnenstrahlen die Kälte der Nacht aus den Knochen treiben zu lassen.
So hatten sich auch Kallo, Fedorn und Ajatrix, den alle Fuzzi nannten.
»Fuzzi, hast du die kleine Haselnussschnecke da gesehen?«, Kallo lehnte sich ein Stück vor, um das anvisierte Frauenzimmer nicht aus den Auen zu verlieren. Sie schlenderte einfach so durch die Straße, blickte sich manchmal um, blieb stehen, sprach mit Leuten und schlenderte dann weiter. Der älteste der drei Brüder konnte sich keinen Reim darauf machen. Doch er erkannte eindeutig, dass sie nicht von hier war. Dass sie die Stadt und ihre Regeln nicht kannte. Das konnte er ändern.
Um klarer Denken zu können zog er noch einmal an seinem Glimmstängel und erhob sich. Selbstbewusst über die Straße schlendernd hielt er auf die Fremde zu. Seine Brüder folgten ihm auf dem Fuße.
»Na du süßes kleines Feldmäuschen? Hast du dich verlaufen, brauchst du Hilfe? Ich helf‘ dir gern!« Noch einmal zog er an dem Glimmstängel und stieß dann den grünlichen Rauch durch Mund und Nase wieder aus. Das Zeug war so gut. Es war neu auf dem Markt, viel stärker als der Kram aus dem Wald, und kostete sogar weniger. Leder wr sein Beutelchen fast leer. Er musste bald mal wieder neues Besorgen. Dennoch bot er der Fremden seinen halb gerauchten Stängel an. »Hier nimm einen tiefen Zug, dann sag mir deinen Namen und setzt dich zu Kallo und seinen Brüdern Fedorn und Fuzzi.«
Mit lässigen Handbewegungen zeigte er auf die Vorgestellten. Sie hatten sich zu seiner Rechten und zu seiner Linken aufgestellt. Fedorn knackte mit den Knöcheln, Fuzzi lächelte anzüglich und musterte sie ausgiebig von oben bis unten.
Redlef
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Bei Beliar, dieser Garn laberte einen ausgesprochenen Mist. Sabnada war selbst ein Mann der Worte, wenn es angebracht war, aber er rühmte sich, den Bogen nicht vollkommen zu überspannen, so wie es der werte Herr Garn gerade gemacht hatte. Auch wenn dieser so einiges gutes getan hatte. Er hatte es ja sogar geschafft, seinen Akzent richtig zu deuten!
"Ich komme eigentlich nicht unbedingt, um euch um Güter aus fernen Ländern abzukaufen, sodern um euch etwas anzubieten."
Sabnada hohlte eine Zettel aus der Tasche seines Mantels und reichte sie Garn.
"Das sind Waren, die ich aus Varant geladen habe, und ich möchte sie hier gerne verkaufen. Von der Händlergilde habe ich ein Angebot. Aber diese Herren haben keine Ahnung, was eine Verhandlung ist - Ihr dagegen, schon, wie ich mir habe sagen lassen. Betrachtet die Waren und macht mir ein Angebot, ich bin mir sicher, dass genau das dabei ist, was Thorniara gerade braucht."
Und dem war wahrscheinlich wirklich so, denn auf dem Schreiben standen diverse Lebensmittel, aber auch Luxusgüter, welche schon lange nicht mehr in die Stadt gebracht worden waren.
Gath
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Feldmäuschen? Waren das nicht diese kleinen Nager, deren Fell ständig schmutzbeladen war und den Bauern das Leben schwer machten? Wie kam dieser dahergelaufene Straßenköter dazu, sie mit diesem kleinen Schädling zu vergleichen? Abschätzig erwiderte Chala den Blick des Redners, wobei sie seine Begleiter, die ihn beidseitig flankierten, völlig ignorierte. Der ihr dargebotene Stängel, in welchem sicherlich kein gewöhnlicher Tabak kokelte, war verlockender, als sie offen eingestehen würde. Eben deshalb griff sie auch mit einem einseitigen Lächeln nach der vermeintlichen Droge. Der Geruch, der von dem Qualm ausging, den der Kerl zuvor ausgestoßen hatte, erinnerte stark an Sumpfkraut, wenn auch…aufdringlicher.
Die Dunkelhäutige nahm einen tiefen Zug, wie er es von ihr verlangt hatte, wobei sie die Augen nicht von ihm ließ. Einige Momente behielt sie den kratzenden Rauch im Mund, ehe sie durch die Nase Luft einsog, um die benebelnden Schwaden in ihre Lunge zu drängen. Augenblicke später drangen ihr die Reste durch Nase und Mund zurück in die Freiheit des nicht ganz so klaren Tages.
Es war deutlich wärmer, als noch vor einer Woche, doch so ganz schien sich der Himmel noch nicht von den belastenden Wolken trennen zu wollen.
Wortlos, doch mit einer hochgezogenen Augenbraue, reichte sie den Stängel seinem Besitzer zurück, der ihn grinsend entgegennahm und auf eine Reaktion zu warten schien.
Die Wirkung der Droge setzte ein und in Chalas Gedanken kam Bewegung rein. Plötzlich schien sie dutzende Ideen auf einmal zu haben und doch war keine die Mühe wert, sich näher darum zu kümmern, war doch der Drang nach etwas Entspanntem viel dominanter. Ein Grinsen schlich sich in ihr hübsches Gesicht und sie machte einen herausfordernden Schritt auf ihren Gönner zu.
„Ich bin Chala“, schnurrte sie wie gewohnt, wenn sie vom Sumpfkraut gelenkt wurde und biss sich auf die Unterlippe, „Gibt es noch mehr dort, wo das da herkommt?“, wollte sie wissen und deutete mit einer raschen Kopfbewegung auf den glimmenden Stängel in Kallos Mund.
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»Da wo das herkommt, gibt es noch viel mehr. Ich habe hier noch was in meiner Hose, da kannst du gleich gerne auch noch dran ziehen.« Dreckiges Lachen erschallt. Sie zogen den Kreis um die Frau enger. Kallo zog noch einmal an seinem Glimmstängel, dann warf er ihn auf den Boden wo er im Matsch der Straße zischend erlosch.
»Warum kommst du nicht mit in unsere feine Stube, da können wir ein bisschen Reden und Rauchen. Hier so auf der Straße ist es doch ungemütlich, meinst du nicht?« Kallo sah Fedorn, der inzwischen halb hinter die Fremde getreten war. Er kannte seinen Bruder gut genug, um zu wissen, dass er es nicht mehr lange aushielt. Schließlich war er keiner von der geduldigen Sorte. Er wollte endlich zur Sache kommen.
»Also kleine Chala, red‘ nicht lange um den heißen Brei, wir zahlen auch gut.« Sagte er und zeigte auf die Tür ihrer ärmlichen Behausung.
Das mit der Bezahlung war natürlich eine Lüge, doch weil Weiber dumm waren fielen sie immer wieder darauf rein. So sicherlich auch diese. Besonders weil sie nicht aus der Stadt kam, hatte sie keinen blassen Schimmer, wie die Dinge hier auf der Straße liefen.
Gerade schien die Dame etwas erwidern zu wollen, da gingen die Pferde mit Fedorn durch. Er wartete erst gar nicht ab, bis das Erste Wort über die Lippen der Frau gekommen war, sondern griff sie grob am Arm schob sie in Richtung der Tür und donnerte ihr eine mit der Faust, als sie nicht sofort auf die Knie fiel und um Verzeihung flehte.
Kallo seufzte, er hatte nicht gewusst, wie viel sein jüngerer Bruder heute schon von dem Zeug geraucht hatte. Bisweilen machte es ihn ein bisschen Herrisch. Auch Fuzzi riss inzwischen an der Hure. Beide waren so schnell, dass Kallo gar nicht sortieren konnte was geschah.
Frustriert, weil er jetzt die nächste Stunde keine Ruhe bekommen würde, da das ganze hier nicht ohne Geschrei vonstattengehen würde, seufzte er und blickte sich um. Niemanden interessierte, war vor de Hütte der Brüder vor sich ging. Die Leute blickten zu Boden und gingen stur ihren Tagewerk nach. So war es halt. Keiner interessierte sich für den anderen. Eine abgestumpfte Gesellschaft, doch ihm sollte es nur Recht sein.
Als er nach ein paar Herzschlägen, die sein umgucken Zeit gebraucht hatte, wieder zu seinen Brüdern gucke, rangen diese immer noch mit der Frau. Sie schien von ihrem Ansinnen nicht sonderlich begeistert.
Redlef
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Es hatte sich in de Asservatenkammer tatsächlich eine ganze Menge angesammelt. Redlef war darüber nicht glücklich, denn es gehörte auch zu seinen neuen Aufgaben den Besitz und Ressourcen der Wache zu katalogisieren. Nun stand er also mit Pons in besagter Kammer im alten Kerker und versuchte Ordnung in das Chaos zu bringen.
Gerade hielt der das alte, wuchtige Orkschwert in den Händen, welches er damals Noxus abgenommen hatte. Immer noch war nur eine Seite der Klinge geschärft. Erinnerungen kamen in ihm hoch, mit denen er sich lieber nicht beschäftigen wollte. Aus diesem Grund legte er die alte, rostige Klinge zu Seite und griff nach dem nächsten Stück. Es war ein gegenstand aus einem Metall, in der Mitte mit einem gläsernen Kolben. Es erinnerte an eine kunstvoll verzierte Laterne, doch Red fand keine Möglichkeit das Glas zur Seite zu schieben, Somit konnte kein Licht darin entzündet werden.
Redlef betrachtete das Ding grübelnd. »Woher stammt denn das?«, fragte er Pons. Der zuckte bloß mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht erinnern, dass es hier hinein gebracht wurde.«
Red legte das Ding in die mitgebrachte Kiste und notierte dann, dass es keine Nachfragen oder Nachweise zu diesem Stück gab und sonderte es damit aus. Dieses rätselhafte Ding war nicht das einzige Ding, das diesen Abend in die Kiste wanderte. Es folgten viele Weitere. Sie alle wurden aussortiert und ausgetragen. Redlef musste versuchen den ganzen Kram zu verkaufen, um weiteres Geld für den Kerker zu sammeln. Die Zellen mussten neu verputzt werden. Da war etwas zusätzliches Geld gut zu gebrauchen.
Schließlich fiel ihm ein Dolch in die Hände. Das Leder der Scheide war verschimmelt, dennoch erkannte Red die Waffe sofort. Es war seine eigene! Der Dolch seiner Familie, die letzte Erinnerung die ihn an seine Heimat erinnerte. Behutsam zog er die Klinge aus der Scheide. Sie war immer noch scharf. Er lächelte, trug den Dolch sofort aus und hängte sich sich, nach einem schnellen Abwichen der Scheide, an den Gürtel. So fühlte er sich gleich wieder vollständiger.
»Pons, wir machen Schluss für Heute. Bitte bring die Kiste mit den Sachen in die Bastion, in meine Schreibstube, dann kann ich mich morgen drum kümmern.«
Der junge Mann nickte und verschwand. Red folgte ihm, schloss noch alle Türen wieder sorgfältig hinter sich ab und machte sich dann auf den Weg zur Arena. Hierodius wartete.
»Guten Abend«, rief er über den Platz. »Bereit für einen Kampf, Lex?«
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Die Arena
Mit sicherer Hand führte Hierodius Lex das Breitschwert. Seit seinem ersten Training sind bereits viele Tage und Wochen vergangen. Er war gewiss kein Anfänger mehr und wusste mit dem sorgsam geschmiedeten Stück Stahl umzugehen. Ein jeder Soldat hoffte, dass er die Waffe niemals gegen die eigene Bevölkerung einsetzen musste.
Auch der breitgebaute Soldat war nicht erpicht darauf, die armen Seelen im Hafenviertel zu bestrafen. Doch unter den Ärmsten der Armen tummelte sich allerlei gesetzliches Pack, dass mit Waffen, Sumpfkraut, gefälschten Urkunden oder Frauen handelte. Hierodius Lex erinnerte sich noch gut an das verschmitzte Lächeln, dass ihm einer dieser Schurken entgegnete. Dies wäre der erste Mann, den er in Ketten legen lassen würde.
Hierodius Lex wurde aus seinen Gedanken gerissen. Es war Redlef, der auch das heutige Training wieder begleiten wollte. "Bereit für einen Kampf?" fragte er. Der breitgebaute Soldat nickte und machte sich bereit. Nach einigen wenigen Schritten war Redlef in Reichweite und kaum hatte auch das Schwert aus der Scheide gezogen, machte Hierodius Lex einen kräftigen Schritt nach vorne und rannte auf seinen Gegner zu.
Formalitäten gab es in einem Kampf nicht. Indem der breitgebaute Soldat den Angriff unmittelbar begonnen hatte, wollte er das Überraschungsmoment nutzen. Ein solcher Vorteil konnte die Kraft eines einzelnen Mannes vervielfachen. In einem Übungskampf konnte das Potential eines solchen Angriffes zwar nicht vollends ausgeschöpft werden. Doch der Lehrer sollte einen genauen Eindruck davon bekommen, welche Techniken sein Schüler bereits beherrschte.
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Das Händler- und Handwerkerviertel, Haus des Großhändlers
"Sehr gerne!" antwortete Sir Dante, als ihm der Großhändler noch einen Wein anbot. Kurz nachdem die Krüger wieder aufgefüllt waren, setzte sich Maximuss an den kreisrunden Tisch, rieb sich die Stirn und seufzte. "Wisst Ihr, die Händlergilde hatte in ihrem letzten Rundschreiben stolz den Erfolg der Verhandlungen mit der Zitadelle verkündet. Sie verschickt Geldgeschenke und prophezeit ihren Mitgliedern eine goldene Zukunft. In der Tat ist die Entwicklung der Händlergilde auf Argaan bemerkenswert. Doch ich weiß den Gildenmeister nicht mehr einzuschätzen. Es gibt zu viele ungeklärte Fragen bei seinen Entscheidungen."
Der Edelmann Sir Dante nippte an dem Kelch. Es war ein erlesener Jahrgang, für den ein einfacher Arbeiter wohl mehrere Monate hätte arbeiten müssen. Als er den reichhaltig verzierten Kelch zurückstellte, erwiderte er: "Ich kann Euch verstehen. Der ehrenwerte Trevorius scheint mit der Expansion auf Argaan überfordert zu sein. So sollte sich die Händlergilde eigentlich schon seit Monaten bei der Zitadelle über die inakzeptable Durchsuchung und Hinrichtung in Stewark beschweren. Ich verlangte eine angemessene Entschädigung und diese sicherte mir Markom auch zu. Doch eine Beschwerde wurde bis heute nicht verfasst."
Maximuss schüttelte energisch mit dem Kopf. "Ach, darum geht es doch gar nicht. Habt Ihr Euch nicht auch gefragt, warum ein königlicher Kurator den weiten Weg vom Herzogtum Rivellon auf sich nahm, um uns zu überprüfen und nach Monaten seiner Abreise noch immer kein Bericht vorliegt? Oder was es mit dem strategischen Berater Octavianus Magnus auf sich hat, der uns erst auf der letzten Versammlung vorgestellt wurde? Ich glaube, dass der Gildenmeister noch andere Interessen verfolgt, die er uns bisher verschwiegen hat."
Einen Moment lang war es still. Kritik gegen die Gildenmeister war nicht verboten und wurde oft und gerne geäußert. Doch die ranghohen Mitglieder der Händlergilde nahmen sich meistens mit ihrer Kritik zurück. Denn sie genossen durch ihre einflussreiche Position in der Gemeinschaft der Händler nicht nur hohen Ansehen. Sie profitierten auch von den Geschäften der Händlergilde in einem weitaus erheblichen Maße. Der Großhändler Maximuss galt als besonders gildentreues Mitglied. Kritik äußerte er nur selten.
Auch Sir Dante konnte sich eigentlich nicht beklagen. Er hatte die Bemühungen des Gildenmeisters auf Argaan unterstützt, weil ihm weitreichende Handelsbeziehungen versprochen wurden. Doch auch er musste in der letzten Zeit immer häufiger erkennen, dass die Händlergilde äußerst sparsam mit ihren Informationen umging und selbst die ranghohen Mitglieder nicht mehr bei allen Versammlungen dabei waren.
Nach einer kurzen Bedenkzeit erwiderte der Edelmann: "Sicherlich verfolgt der Gildenmeister auch noch andere Interessen, als den Ausbau der Händlergilde auf Argaan und ich bin mir sicher, dass es gute Gründe gibt, warum wir nicht alle Details über die Anwesenheit des Kurators erfahren haben oder warum uns der strategische Berater erst so spät vorgestellt wurde. Aber Ihr habt recht! Die Informationspolitik von Trevorius sind verbesserungswürdig. Ich schlage vor, wir gehen morgen zu ihm und reden darüber. Ich wollte ohnehin den Schuldschein einlösen, den man mir überreicht hat."
Maximuss nickte freundlich und nahm einen großzügigen Schluck Wein. "Abgemacht! Dann kann ich auch gleich meinen Schuldschein einlösen." Er lachte.
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