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Um größere Diskussionen mit Francoise zu vermeiden, widmete sich Snydex nun wieder seiner Aufgabe und verließ die Ratskammer, noch bevor die Diskussion begann. Worüber sollten sie wohl sprechen? Jedenfalls schien es nicht für seine Ohren bestimmt zu sein. Früher oder später würde er es schon erfahren und spätestens dann, wenn er das nächste Mal bei Francoise war. Fragen kostete ja auch nichts, oder?
Zurück im Novizenviertel angelangt überlegte er sich, wie er nun wohl seine neue Aufgabe in Angriff nehmen würde. Das sinnigste wäre wohl, für jeden Zauber eine passende Verwendung zu finden.
Er ging die Übungen mit Callindor und Pierre durch und kam zu dem Schluss, dass die Aufgabe mit dem Anzünden der Kerzen am imposantesten erschien. Es zeugte von Konzentration, Genauigkeit und vor allem zeigte es die Vielseitigkeit der Magie. Er hatte eine genaue Idee, wie er Francoise davon überzeugen konnte, seine Aufgabe zu derer Zufriedenheit zu erledigen.
Und nun hieß er erst einmal üben, denn nichts wäre peinlicher, als sich vor der obersten Feuermagierin zu blamieren.
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 nomina nuda tenemus
»Nun, wenn allenthalben so große Sorge herrscht, wie wäre es dann, wenn wir dem Drachen stattdessen das Kastell der Schwarzmagier als Stelle der Schlacht anbieten?«
Er glaubte zu hören, wie Olivia die Luft wegblieb, aber er schaute sie nicht an.
»Keine Sorge, ich bin nicht verrückt geworden, nur weil ich einmal einer Feuermagierin gegenüber sitze, das habe ich früher auch schon getan. Aber es ist doch so: Das Kastell ist pure Magie, es ist durch höhere Mächte entstanden und wird durch diese auch beschützt. Nimmt der Dunkle Gott nicht seinen Schutz davon, wird es Bestand haben, was immer auch kommen möge. Sei es Wintersturm, Erdbeben oder Drachenatem. Das Kastell ist nahezu wie ein lebendiges Wesen, das sich seiner selbst bewußt ist. Seine Mauern sind ebenso fest und hart wie das Schuppenkleid eines Drachens und im Gegensatz zu diesen trotzen sie selbst der Zeit.«
Daß mittlerweile sowieso kaum noch jemand in dem alten Gemäuer wohnte und der Personenschaden äußerst gering wäre, sollte denn doch etwas passieren (was er nach seinen Erfahrungen in all den Jahren für äußerst unwahrscheinlich hielt) behielt er lieber für sich. Vielleicht brannte es ja endlich einmal diese beiden nervigen Skelette am Tor weg. Dann hätte der Drachenangriff ja sogar noch sein Gutes. Aber diesen Vorteil behielt er mal lieber für sich, denn sonst hätte sich das Angebot nicht mehr so altruistisch und damit für einen Schwarzmagier ungewöhnlich angehört.
Jetzt, da alle ruhig gestellt waren durch seinen unerhörten Vorschlag, versuchte er, die Zweifel derjenigen, die auf seine bisherigen Vorschläge reagiert hatten, zu zerstreuen.
So viele Wortmeldungen. Esteban wußte gar nicht, was er zuerst beantworten sollte. Immerhin wußten nun alle, wie der Drache verletzt worden war. Doch bloß durch simple Magie ... nein, Moment mal, das war ja ganz falsch. Er wurde immerhin Dank Magie getroffen und nicht durch irgendein langweiliges Schwert. Er hatte es schon immer gewußt: Magie war dem Eisen überlegen. Selbstverständlich galt das für Magie in ihrer Gesamtheit, ganz egal, ob Wasser-, Feuer- oder sonstige Magie. Ein beruhigendes Gefühl, das ihn in gute Stimmung versetzte.
»Hauptmann Cast«, wandte er sich sodann an den Krieger.
»Die jetzige Generation zu vergiften stößt auf einige schwerwiegende Probleme. Ich will sie kurz umreißen. Zum einen ist die Wirkung des Giftes so, daß es die Entstehung der beobachteten Mutation unterdrückt. Ist sie erst einmal voll ausgebildet, vermag das Gift auch nichts mehr auszurichten. Zum anderen halten sich die Echsen nicht alle an einem Ort auf, sondern müßten zu ihrer Vergiftung alle erst einzeln aufgesucht werden, was schon allein einen hohen Zeitaufwand bedeutet. Noch dazu dürften die wenigsten von ihnen vom Konzept der Sache zu überzeugen sein und müßten mit Gewalt dazu gebracht werden. In diesen Fällen kann man die Echsen ja auch gleich mit Waffengewalt umbringen. Was ja jetzt schon geschieht, aber eben nicht zu ihrer spürbaren Verringerung beigetragen hat, da immer wieder genug Gelege nachfolgen. Die Idee, Trinkwasser zu vergiften, entspringt sicher Euren Erinnerungen an alte Ammenmärchen aus eurer Kindheit. Ich kenne viele Geschichten von bösen Schwarzmagiern, die Brunnen vergifteten. Die meisten davon sind allerdings pure Märchen, entsprungen einem Denken, das die Welt in gut und böse, weiß und schwarz, Innos und Beliar einteilt.«
Der Magier machte eine wegwischende Handbewegung, so als ob er diese Gedanken loswerden wollte und fuhr dann fort.
»Wie dem auch sei. Was ist der Sinn, die nächste Generation zu verändern? Der Sinn liegt auf der Hand. Wenn sich die nächsten Echsen durch die ausbleibende Mutation nicht mehr durch den Drachen steuern lassen, dann werden sie sich nicht mehr zu großen geschlossenen Armeen zusammenschließen, um mit geballter Macht selbst größere Gruppen an menschlichen Kämpfern zu überwältigen und große Zerstörungen anzurichten. Nein, sie werden auch nicht mehr ihre jetzige Hierarchie in dem Maße und mit der Disziplin aufrecht erhalten, wie sie es eben unter dem Banne des Drachens tun. Das bedeutet, daß es auch keine zentrale, ja fast schon manufakturartige Gelegepflege mehr geben wird. Die Echsen werden in ihren natürlichen Fortpflanzungsrhythmus übergehen, sie werden viel kleinere Gelege ausbrüten, sie werden sich in kleine Gruppen zerstreuen und sie werden auch wieder in Rivalität untereinander zerfallen. Ihre Existenz wird wie die vieler Wesen durch die Suche nach Futter und die Aufzucht von Nachkommen definieren. Letztendlich werden sie also an Zahl stark zurückgehen und sie werden nur noch als kleine Gruppen in ihren üblichen Verbänden auf Jagd gehen und damit bald nur noch ein weiteres Monster unter vielen verschiedenen sein, die die unwirtlichen Gegenden dieser Insel bewohnen.
Und Françoise«, sprach er nun zur Obersten Feuermagierin, »ein paar Fläschchen Gift zu transportieren, sollte keinerlei logistische Probleme aufwerfen. Wir sprechen hier ja nicht von ganzen Wagenladungen voller Fässer. Das Gift wird hochwirksam sein, der Bruchteil eines Tropfens an einer stumpfen Pfeilspitze oder etwas Ähnlichem reicht aus, um ein Ei durch Berührung seiner weichen Schale zu infizieren und die sich in Entwicklung befindliche Mutation zu stoppen. Die Wirkstoffe diffundieren bis in den Stoffwechsel der ungeborenen Echse und verrichten dort ihr Werk.«
Er beendete seine Ausführungen hierzu und sagte zum Schluss enerkennend zu Ornlu: »Das Wissen des Waldvolkes über alte Mächte und sein Gespür dafür scheint wirklich hoch entwickelt zu sein. Ich muß zugeben, ich bin wohl viel zu selten in Tooshoo gewesen, um das zu erkennen. Aber so ist das: wir Magier haben den Kopf hoch aufgereckt ständig in den Wolken, hoffen, die göttliche Wahrheit zu erfahren. Doch dabei vergessen wir, uns einfach einmal hinzuknien und das Ohr an den Boden zu halten, um dem Flüstern der Erde zu lauschen, das uns auch viel mitteilen kann.
Ach ...«, der Schwarzmagier fasste in seine Tasche, die jetzt der Papiere entledigt war und zog einen Weinschlauch heraus. »Mir ist die Kehle vom vielen Reden mittlerweile etwas trocken geworden. Aber zum Glück habe ich an etwas Wein gedacht, wo der Vorrat der Zitadelle wohl leider just vor unserer Ankunft aufgebraucht war, so scheint mir.« (Und das war seine erste spitze Bemerkung bisher.)
Er nahm einen Zug und reichte den Schlauch dann weiter. »Mag noch jemand?«
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Der Marktplatz
Zusammen mit seinem Leibwächter lief der Graf über den Marktplatz der Stadt. Noch vor einigen Monaten wollte er damit die Preisentwicklung und das Warenangebot der einheimischen Händler kontrollieren, um selbst sein eigenes Angebot anzupassen. Er und seine Kundschaft waren zwar stets davon überzeugt gewesen, dass die Waren auf dem Marktplatz nicht mit dem reichhaltigen und hochwertigen Angebot des Großhändlers verglichen werden konnte. Doch es schadete bisher noch keinem Kaufmann, die Konkurrenz im Auge zu behalten.
Nun aber, wo die Expansion der Händlergilde erfolgreich war und sich Maximus auch nicht länger an die Vorgaben des Gildenmeisters halten musste, waren ihm die hiesigen Händler, ihr Angebot und ihre Preise gleichgültig. Der Graf hatte bereits vor einigen Tagen den Entschluss gefasst, ein fähiges Mitglied der Händlergilde für sich arbeiten lassen zu wollen und nur noch für ausgewählte Kunden als Ansprechpartner zu fungieren.
Das Haus Verdistis hatte seit jeher mit seltenen Artefakten und Kunstobjekten gehandelt. In der Vergangenheit waren es jedoch die Auseinandersetzungen mit den Orks, die das Adelsgeschlecht in den Handel mit Lebensmittel und Ausrüstung trieb. Maximus selbst hatte vor vielen Jahren die Spezialisierung aufgegeben, als sein Vater durch den verbissenen Handel mit Kunstgegenständen rote Zahlen schrieb.
Doch die Bemühungen des Grafen hatten sich schon lange ausgezahlt. Zwar achtete Maximus noch immer auf seine Ausgaben aber er selbst wusste, dass das eigentlich überflüssig war.
Als sich der Großhändler das Angebot der hiesigen Händler genauer anschaute, wurde seine Vermutung bestätigt. Man hatte den Versorgungsengpass noch nicht überwunden, obwohl die Händlergilde selbst keine großen Warenlieferung der angrenzenden Bauern aufkaufte. Dies war wohl vornehmlich dem Umstand geschuldet, dass einige der großen Bauernhöfe aufgrund der Bedrohung durch die Echsenmenschen nicht mehr bewirtschaftet wurden.
Einer der Marktstände konnte dann aber doch das Interesse des Grafen wecken. Es war ein unscheinbarer Stand mit ebenso unscheinbaren Waren. Hätte man annehmen können. Tatsächlich aber fiel Maximus eine altertümliche Skulptur auf. Er glaubte, sie schon einmal in einem Buch gesehen zu haben, war sich dessen aber nicht sicher.
Als Maximus den Marktstand erreicht hatte, schaute er sich die Auslage etwas genauer an. Das meiste war vermutlich im Hafenviertel zusammengesammelt oder gar aus dem Hafenbecken gefischt. Die Qualität der Gebrauchsgegenstände war in den Augen des Grafen miserabel. Er seufzte. "Das sollen Eure Waren sein!? Schade aber so werdet Ihr mit mir wohl keine Geschäfte machen."
Geändert von Maximus (11.05.2016 um 21:44 Uhr)
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Apprentice
"Magiertreffen?" Djamal blickte nachdenklich auf in den Himmel und sein Gesicht fromte ein albernes Grinsen. Wenn das stimmte, dann war es gut möglich, dass sich einer von ihnen auch irgendwann auf dem Markt rumtreiben würde. Wie gut wenn man einen verdeckten Informaten für sich arbeiten lassen kann, der zudem noch fast kostenlos ist. Er drückte dem Jungen, der ihm diese freudige Kunde gebracht hatte einen Apfel in die Hand und ließ ihn gehen.
Magier waren gefährliche Leute. Einen Feuermagier würde er nicht mal nach der Richtung zur nächsten Siedlung fragen, wenn er in der Wildnis verloren wäre. Je mehr Abstand man von ihnen hat, desto besser. Zumal die Frauen allzu streng für seinen Geschmack sind. Aber varantische Schwarzmagier waren durchaus anders: Käuflicher, lockerer und offener. Natürlich durfte man es sich nicht mit ihnen verscherzen, aber er würde nur zu gern einem von ihnen diese "Laterne" zeigen. Djamal lachte in sich hinein, wenn er daran zurückdachte, wie die Stadtwache das Ding so genannt hatte. Sie musste doch in irgend einer Weise nützlich sein, abgesehen von der Beleuchtung.
Von seinem Marktstand aus hielt er Ausschau nach wichtig aussehenden Leuten, vorzugsweise mit Roben oder sogar einem Feuerball in der Hand. Von Magiertreffen war hier jedenfalls nichts zu sehen, kein imposanter Aufmarsch oder Ähnliches. Während Djamal den Weg zur Zitadelle im Auge hielt, näherte sich jemand von der Seite und blieb vor dem jungen Händler stehen. "Das sollen Eure Waren sein!? Schade aber so werdet Ihr mit mir wohl keine Geschäfte machen."
Drei Sekunden hatte er Zeit, den Mann abzuschätzen. Teures Gewand, selbstschätzend, eingebildeter Tonfall. Trotzdem kein Magier, es musste jedoch ein gebildeter und wohlhabender Bürger sein.
"Grüße, mein Herr. Djamal, zu Euren Diensten. " Mit diesen Leuten machte Handel keinen Spaß, aber er war unter Umständer äußerst lukrativ. "Und ich muss euch leider sagen, Ihr irrt euch! Meine Waren sind äußerst divers und nicht für eine bestimmte Personengruppe zugeschnitten. Es gibt jedoch keinen Menschen in der Stadt, für den ich nicht wenigstens einen Gegenstand habe. Und sicher auch für Euch."
Sein Gegenüber gab sich unbeeindruckt und erwartete einen Vorschlag, der diesen Worten gerecht wurde. Augen zu und durch. "Dieser Kerzenleuchter ist einer von drei Exemplaren, die aus dem Feuerkloster in Myrtana hergebracht wurden. Wieso er fünf Kerzen aufnehmen kann, und dazu in dieser auffallenden Gestalt? Das Licht bietet in dieser Ausführung einen Effekt, der einem natürlichen Himmerlskörper ähnlicher kommt als bei jedem anderen Kerzenständer. Und dies ist das letze frei verfügbare Exemplar..." Nach drei Sekunden Stille legte Djamal ihn zurück und nahm ein Gedichtbuch hervor, das er demonstrativ öffnete. Mit poetischer Betonung las er den Titel vor: "Und wenn ich vor zehn Schattenläufer wär'. Diese Sammlung heroischer Schriften gebe ich nur schweren Herzens her, doch bin ich sicher sie fügt sich glänzend in euer Repetoire." Der wohlgekleidete Mann stelle unmissverständlich dar, dass dies der zweite Fehlschuss war. Aller guten Dinge sind drei, also versuchte Djamal es erneut.
"Dieses romantische Ambiente wird Euch jeden Liebesabend verzaubern." Welchen besseren Zweck könnte diese Laterne erfüllen? "Ein sanftes Glimmern mit magischer Wirkung. Hängt es in euer Schlafzimmer und Ihr werdet unvergessliche Momemente erleben."
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Der Marktplatz
"Ein Schwätzer." dachte sich der Großhändler. Wissend, dass auch er selbst seine Waren mit wohlklingenden Worten und interessanten Geschichten bewarb, ließen ihn die Ausführungen seines Gegenübers unbeeindruckt. Doch es waren nicht nur die Worte, die jeden Grund zur Begeisterung vermissen ließen. Auch mit jeder noch so schönen Geschichte vermochte der Händler den Grafen nicht davon zu überzeugen, dass es sich bei dem Dargebotenen um etwas anderes handelte, als billiger Plunder. Sicherlich war das eine oder andere Stück dabei gewesen, dass sich im Haus eines Handwerkers oder auf dem Kaminsims eines einfachen Kaufmannes gut machte.
Maximus war aber weder ein Handwerker, noch ein einfacher Kaufmann. Er war ein Adliger. Ein Hochwohlgeborener. Ein Mann mit Privilegien und Ansprüchen. Nur wenige konnten diesen Ansprüchen genügen. Ein Händler auf dem Marktplatz von Thorniara gehörte nicht dazu.
"Ihr mögt mit Euren Worten die einfältigen Bauern beeindrucken. Den Grafen von Verdistis jedoch nicht. Maximus Laenar IV. Würde ich behaupten, es sei mir eine Freude, euch kennenzulernen, wäre dies eine Lüge."
Erneut ließ der Graf seinen Blick über das Warenangebot schweifen und erhob erneut seine Stimme: "Die Insignien auf dem Kerzenleuchter deuten darauf hin, dass er in Varant geschmiedet wurde. Damit dürfte die Verbundenheit zur Kirche Innos ebenso ausgeschlossen sein, wie die Glaubwürdigkeit Eurer Geschichte. Die Gedichtbände sind mir sehr wohl bekannt. Mir ist auch das Alter dieser Stücke bekannt. Die eurigen Exemplare haben stark vergilbte Seiten. Das deutet entweder auf eine grotesk falsche Lagerung oder auf eine Fälschung hin."
Der Großhändler lachte auf und fügte dann hinzu: "Erstaunlich, dass Ihr in Anbetracht solcher Angebote überhaupt genügend Gold verdient, um die tägliche Mahlzeit zu bezahlen." Einen Moment lang war es still, bis sich Maximus der vermeintlichen Laterne zuwandte. "Wenn ich mich richtig erinnere, ist dies eine Laterne, wie sie auf den modernen Kriegsgaleeren des Königs verwendet wird. Doch die allzu schwache Leuchtkraft lässt vermuten, dass sie schon lange verbraucht ist. Die eignet sich nicht mal mehr als Nachtlicht. Nutzlose Dekoration."
Maximuss seufzte deutlich und erhob abermals seine Stimme: "Wenn Ihr Euch weiter als Händler versuchen wollt, solltet Ihr unbedingt bei der ehrenwerten Händlergilde vorstellig werden. Andernfalls wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis Ihr die hiesige Armenspeisung aufsuchen müsst. Als Großhändler der Händlergilde will ich Euch als Zeichen guten Willens diese Laterne abkaufen. Ich zahle Euch 40 Goldmünzen, was in Anbetracht des desolaten Zustandes wohl schon mehr als genug ist."
Geändert von Maximus (26.03.2025 um 23:58 Uhr)
Grund: Zweitname entfernt
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Lord Hagens Amtszimmer, Zitadelle von Thorniara
Als Yared die Räumlichkeiten des Provinzials betrat, herrschte dort das gähnende Schweigen der späten Nachtstunde einzig durchbrochen von leichtem Papiergeraschel und dem warmen aber sehr einsamen Licht einer einzelnen Öllampe.
Lord Hagen war über seinen Schreibtisch gebeugt. Er hatte sich irgendwelche Akten kommen lassen und durchforstete sie jetzt mit sonst von ihm selten zur Schau gestelltem Feuereifer. Yared blieb in gebührendem Abstand stehen, lugte jedoch hinüber und meinte erkennen zu können, dass es sich um Dossiers über bestimmte Personen, einige davon vermutlich gerade unten im Ratssaal anwesend, handelte. Vielleicht mochte er sich da aber auch irren.
Der Korsar räusperte sich, um seine Anwesenheit zu offenbaren. Hagen jedoch ließ keine Regung erkennen. Er musste längst mitbekommen haben, dass Yared, wie gewünscht, erschienen war.
Er ließ den Kapitän noch einige Momente warten, dann schien er mit dem über die vor ihm ausgebreitete Sachlage gewonnenen Überblick zufrieden und sah zum Kapitän auf.
"Yared, gut dass Ihr hier seid. Ich nehme an, Ihr habt schon von unserem seltsamen Besuch erfahren?"
"Ich habe nur mitbekommen, dass sich mehrere Magier unterschiedlicher Priesterschaften im Ratssaal versammelt haben."
"Das ist richtig. Sie haben sich mehr oder weniger selbst eingeladen, um über eine gemeinsame Anstrengung zur Bekämpfung des Weißauges zu disputieren."
Yared zog überrascht die linke Braue in die Höhe. Er hatte sich also nicht geirrt, Ornlu war hier und einige Wassermagier. Vielleicht sogar Schwarzmagier?
"Der Feind meines Feindes ist also neuerdings mein Freund?", ließ er sich zu einer etwas flapsigen Bemerkung hinreißen. Nicht, dass Yared irgendetwas gegen die anderen Priesterschaften einzuwenden hatte, wenn sie ihm nicht gerade im Feld oder in irgendwelchen niederträchtigen Intrigen begegneten. Nur irgendwie lag Flapsigkeit gerade in der Luft.
Hagen nickte zur Antwort, ehe er Yared einen Überblick gab: "Zwei Priester Adanos', darunter ihr Oberster, Tinquilius, zwei Angehörige des Waldvolkes, vielleicht kennt Ihr sie ja, - der eine nennt sich Jadewolf, der andere ist ein varantischer Nomade - und - besonders brisant - zwei Schwarzmagier - einer davon mit Verbindungen zu einem gewissen Noxus Exitus." Der Heermeister Argaans seufzte. "Egal ob dabei im besten Fall ein nützlicher Plan herauskommt, an dessen Ende wir uns des Drachen entledigen, oder im schlimmsten Fall die Beliaranhänger Verheerung über Thorniara oder einen Lynchmob gegen sich aufbringen, werdet Ihr verstehen, dass ich unmöglich in dieser Situation abreisen kann."
Yared teilte die Einschätzung Hagens grundsätzlich. Der Kapitän hatte zudem wohl noch weniger ein Problem mit Schwarzmagiern, als der Paladin. Auch die Beliaranhänger hatten einen festen Platz in Innos' Heilsplan. Und es war in jedem Fall durchaus vernünftig und im Sinne aller, den Drachen loszuwerden. Aber hätten sich die magisch Begabten nicht einen neutraleren Ort aussuchen können? Nein, man musste natürlich in der Zitadelle tagen. Der, der sich das ausgedacht hatte, tanzte wohl gerne auf Vulkanen.
Hagen griff nach einer versiegelten Urkunde, die auf seinem Sekretär bereit lag.
"Das ist die Vollmacht für Sir Girion. Ich habe ihn schon informieren lassen, dass er an meiner statt unser Ordenskapitel im Wahlkapitel der Streiter in Gotha vertreten muss. Lord Albrecht, Sir Oric und ich sind leider unabkömmlich."
Der Provinzial reichte Yared das zusammengerollte Schriftstück.
"Er wird sich im Morgengrauen auf der Santorija einschiffen. Möge Innos euch sicher nach Myrtana geleiten und uns einen würdigen Nachfolger für Lord Ferox schenken."
Yared nickte dankbar.
"Auch Euch Innos' Segen, Milord."
Der Kapitän salutierte. Dann verließ er Lord Hagens Amtszimmer und eilte wieder hinunter in die Vorhalle.
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Apprentice
Die Freudlosigkeit war ganz seinerseits. Dass es sich um ein Mitglied der Händlergilde handelte erklärte natürlich die egozentrische Art und die schlechten Manieren. Dieser angebliche Graf war nicht der Erste von dieser Sorte, dessen Bekanntschaft Djamal hatte machen müssen. Und als Zeichen des guten Willens wollte er ihm natürlich noch das Ding zu einem Spottpreis abkaufen. Djamal war durch und durch gerührt. Einem einfältigen jungen Händler mochte er einzureden vermögen, dass er die Laterne aus Mitleid erwerben wollte, doch Djamal war nicht auf den Kopf gefallen.
"Werter Graf von Verdistis, für die Lagerung der Gedichtbände bin selbstverständlich ich nicht verantwortlich, habe ich sie doch vor nicht allzu langer Zeit erhalten."
Wie dem auch war, er sollte seine 40 Münzen springen lassen und dann zurück in seine offensichtlich erdachte Grafschaft wandern oder sich den übrigen Mitgliedern der ehrenswerten Händlergilde anschließen, um sich für den Rest des Tages gegenseitig aufzuspießen.
"Und doch hatte ich scheinbar Recht, dass Ihr etwas für euch gefunden habt. Möget Ihr eure Freude mit meiner Ware haben." Mit einem Händedruck besiegelte er das Angebot und erfreute sich der baldigen Abwesenheit dieses Mannes. Die Händlergilde lies er dabei bewusst unerwähnt, denn sich ihr vorzustellen war das letzte in seinem Interesse.
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»Das sind keine überzeugenden Argumente. Ein hochdosiertes Gift mag das Transportproblem lösen, aber nicht das der Verteilung. Wir wissen nicht, wie viele Echseneier es überhaupt gibt. Nicht einmal wie viele Nester. Eine ausgedehnte Suche wäre nötig in einem Gebiet das hochgefährlich ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass derjenige, der mit dieser Aufgabe betraut wird, dabei entdeckt wird. Und sollten wir Eier übersehen, gibt es wieder neue Echsen, die dem Drachen hörig sind. Ich bestreite nicht die Wirksamkeit des Gifts, doch halte ich die Methode bei dieser Größenordnung für unbraubar.
Und eine Frage stellt sich mir dabei zwangsläufig. Sind wir sicher, dass die Echsen die Eier legen oder legt sie der Drache? Denn die Echsenmenschen tauchten erst zusammen mit dem Drachen auf und ich erinnere mich nicht daran, dass davor auf der Insel schon einmal die Rede von ihnen war. Auf Khorinis war es nicht anders, wenn mich nicht alles täuscht. Die Echsenarmeen kamen erst mit den Drachen. Und sollte der Drache die Eier legen, nützt uns das Gift leider auch nichts.«
Für einen kurzen Moment hielt die Priesterin inne und dachte über etwas nach. Es war ihr schon sehr häufig durch den Kopf gegangen, seit der Drache auf der Insel für Chaos sorgte, und ließ ihr keine Ruhe.
»Was ist mit echten Dracheneiern?«, fragte sie geradeheraus. »Ist der Drache in der Lage, allein Nachwuchs zu zeugen? Weitere Drachen? In der Literatur fand ich Argumente dafür und dagegen, aber nichts eindeutiges. Wenn wir die Möglichkeit nicht ausschließen können... nun, wir können es uns nicht leisten, die Möglichkeit zu ignorieren. Die Folgen wären fatal. Nicht nur für Argaan.«
Sie hätten unendlich lange weiter reden können und es hätten sich immer wieder neue Themen ergeben. Das lag in der Natur der Magier. Andererseits brauchte es auch einen wachen Geist, um zu vernünftigen Lösungen zu kommen.
»Bevor wir das weiter erörtern, schlage ich vor, eine Pause einzulegen und morgen fortzufahren. Eine Nacht über das Gesagte zu schlafen wird vielleicht neue Ideen zu Tage bringen. Und obwohl ich nicht ganz freiwillig zum Gastgeber wurde, werde ich für alle Quartiere hier in der Zitadelle bereiten und außerdem Speis und Trank bereitstellen lassen. Ich werde dennoch darauf bestehen bleiben, dass Esteban und Olivia die Zitadelle nicht verlassen.
Hauptmann Cast, sorg bitte dafür, dass Quartiere und Verpflegung bereitsgestellt werden und dass die Wachen in der Zitadelle entsprechend instruiert sind.«
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 nomina nuda tenemus
Da niemand nach dem Schlauch griff, selbst der Druide nicht, steckte Esteban ihn wieder zurück in den Tornister. »Dann eben nicht.«
Das war aber mittlerweile auch egal, denn das, was die Oberste Feuermagierin von sich gegeben hatte, war in vielerlei Hinsicht so unglaublich, daß daneben alles andere verblasste.
»Ihr bezweifelt also ernsthaft, daß Echsen Eier legen und aus denen dann wieder neue Echsen schlüpfen?«
Das war so unfassbar dumm. Da wußte ja jeder Bauernjunge besser über die Vorgänge der Natur und die Wesen darin Bescheid.
»Ich weiß ja nicht, womit ihr Feuermagier euch den lieben langen Tag beschäftigt, aber Bildung kann es eindeutig nicht sein«, schloss er messerscharf.
So eine Schande, da saßen diese Magier in ihren warmen Hallen, Türmen, Tempeln und Burgen, mußten ihre Zeit nicht mit profaner Arbeit vergeuden, sorgten sich auch nicht um ihr Wohlergehen, denn dies taten ein Leben lang andere für sie, hatten es warm und trocken, die Sorgen der restlichen Bevölkerung würden sie niemals tangieren und dann war alles, was dabei herauskam, die Frage, ob Echsen überhaupt Eier legen würden. Was kam als nächstes? Das Fische in Wirklichkeit schüchterne Vögel seien, die sich nur nicht trauten zu fliegen und darum unter Wasser schwammen?
Oh Innos, bei solchen Dienern, hast selbst du als Gott mein Mitleid, das Mitleid eines Sterblichen.
»Aber egal, was Ihr glaubt, ist allein Eure Sache«, sprach er dann weiter. »Was mich mehr erbost ist, daß zuerst auch wir Schwarzmagier, denen doch allenthalben Eigenbrötelei vorgeworfen wird, hierher eilen, um an dieser als nutzbringend gedachten Versammlung teilzunehmen und unser Wissen zum Nutzen aller einzubringen; Und die Gastfreundschaft der Feuermagier besteht dann allein darin, uns festzusetzen! Wie hoch wird wohl die Möglichkeit in Zukunft für eine weitere Zusammenarbeit nach einer solchen Behandlung sein?«
Er war aufgestanden und setzt zu einer anklagenden Rede an.
»Schande über Euch, daß Ihr das heilige Gastrecht brecht und mit Füßen tretet. Dies ist das Verhalten von gemeinen Verbrechern. Uns wird solch schändliches Verhalten immer wieder vorgeworfen, dabei ist schon immer jeder bei uns willkommen, wird bewirtet und beherbergt und kann sich nicht nur frei bewegen, sondern unser Haus auch jederzeit verlassen, wann immer es ihm beliebt. Uns käme nie in den Sinn, einen Gast gefangen zu nehmen. Denn jene, die solches tun, sind von den Göttern verflucht. Trotzdem gelten wir allenthalben als Verbrecher, die man ungestraft totschlagen darf und ihr Feuermagier stellt euch als leuchtende Vorbilder an Tugend dar. Aber das ist der Zustand der Welt: Die Wahrheit wird solange gedreht und gewendet, bis das Gegenteil heraus kommt und dann werden diese Lügen in die Welt geträufelt wie Gift, das überall hin sickert und seine Wirkung entfaltet«, klagte er.
»Von Anfang an habt Ihr auch diese Versammlung an Leuten, die guten Willens waren, torpediert und ein Scheitern würde Euch wohl nur zu gut in den Kram passen.
Ich glaube nicht, daß dieses Zusammentreffen noch irgendeinen nennenswerten Fortschritt bringt. Ich werde mich wohl selbst um das Drachenproblem kümmern, falls es mir irgendwann möglich ist diese Zitadelle jemals wieder eigenen Fußes zu verlassen.
Übrigens entehrt Ihr auch die wackeren Wachen, die mich im guten Glauben einließen und die Ihr nun zu Komplizen Eurer unheiligen Pläne macht.«
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Der Marktplatz
Ohne weitere Worte zu verlieren, löste Maximus einen Samtbeutel von seiner Kleidung, entnahm einige Münzen und stellte den Rest auf eine Kante des Marktstandes. Er schaute den Händler erwartungsvoll an, seufzte dann jedoch wenige Augenblicke später: "Glaubt Ihr etwa, ich würde diese alte Lampe selbst in mein Anwesen tragen!?" Erneut seufzte er, als der Händler Djamal keine Antwort gab, die dem Grafen hätte zufrieden stellen können. "Ich werde sie abholen lassen." fuhr er fort, als er sich bereits von dem Marktstand abwendete.
Wenige Minuten später hielt er einen jungen Mann auf, drückte ihm zwei Goldmünzen in die Hand und forderte ihn regelrecht dazu auf, die kurz zuvor erworbene Lampe behutsam in sein Haus im Händler- und Handwerkerviertel zu bringen. Anders, als andere Mitglieder der Händlergilde, hatte Maximus selbst noch keine schlechten Erfahrungen mit Laufburschen der Stadt gemacht. Er machte vor Allem die bedrohliche Gestalt seines Leibwächters dafür verantwortlich, dass die Laufburschen die ihnen zugetragenen Aufgaben stets erfüllten.
Im Laufe des Tages wollte sich der Graf die Skulptur näher anschauen und auch das Buch zu Rate ziehen, in welchem er eine Zeichnung dieses Gegenstandes vermutete.
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Genervt hörte sich Françoise die kleine Wutrede des Schwarzmagiers an und bereute auf ein Neues, ihm und Olivia überhaupt den Aufenthalt erlaubt zu haben. Als der Magier aus dem Kastell endlich fertig war, blickte ihm die Priesterin direkt in die Augen und sprach kalt und ohne die geringste Gefühlsregung.
»Du bist ein Schwätzer, Esteban. Ich lud dich nicht ein; du wurdest mir aufgezwungen. Du hast hier kein Gastrecht zu erwarten, denn das verwirkten jene aus euren Reihen, die Tod und Chaos in diese Stadt brachten. Als Zeichen des guten Willens hörte ich dich und Olivia an. Ich ignorierte sogar den Spott in euren Worten zu Gunsten des höheren Zieles. Wenn du nicht in der Lage bist, ebenfalls Kompromisse einzugehen und dein Ego hintanzustellen, dann verlass diese Stadt und kehre nicht mehr zurück.«
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»Habe ich doch die ganze Zeit gesagt«, brummte Olivia zum Abschluss der Rede des Magiers. Redlef warf ihr dafür einen bösen finsteren Blick zu, den sie wütend erwiederte, jedoch ab nun den Mund hielt und wieder auf den Tisch blickte. Ebenso finster betrachtete er den Schwarzmagier. Was bildete er sich ein, so mit dem Oberhaupt der Kirche umzuspringen. Doch er hielt sich zurück. Ihre Eminenz hatte genau das Richtige getan: Es war spät, die Leute waren müde und wie man an diesem Schwarzmagier sehen konnte, drohte die Stimmung zu kippen. Also war es das Beste, wenn alle auseinander gingen, sich ausruhten und Morgen frisch gestärkt die Beratungen wieder aufnahmen.
»Sehr gern werde ich mich um Eure Gäste kümmern, Eminenz!« Redlef verbeugte sich leicht in die Richtung der Obersten Feuermagierin und schritt dann zur Tür, die er sogleich öffnete und für die Gesellschaft auch offen hielt. Er hoffte dadurch alle weiteren Diskussionen erstict zu haben. »Folgt mir bitte«, forderte er die magische Gesellschaft auf.
Die Herr- und Frauschaften packten zusammen, ordneten ihre Sachen, erhoben sich und veranstalteten dabei einen ganz schönen Tumult. Die Zeit nutzte der Hauptmann, um einen Ordensbruder herbeizuwinken.
»Bruder, sei so gut und lauf zum Quartiermeister und teile ihm mit, dass ich diese Leute in den Gästequartieren unterbringen werde. Auch soll in der Küche Bescheid gesagt werden, dass wir noch einmal sechs Mahlzeiten brauchen. Sie sollen ruhig etwas ordentliches auftischen und ein Knecht soll sie dann auf die Zimmer bringen.« Der Kerl, ein recht junges Mitglied des Ordens, guckte verwirrt. »Eine Bitte Ihrer Eminenz Françoise«, fügte er hinzu, um die Sache aufzuklären. Der Jüngling nickte, warf noch einen neugierig Blick in die Halle, um einen Blick auf die Versammelten zu erhaschen, und wurde dann von Red davon geschoben.
Als er sich wieder umdrehte, suchte er zuerst die Schwarzmagier. Am liebsten hätte er sie in einer Kerkerzelle in magischen Fesseln übernachten lassen, dann hätten sie den Rest der Nacht in Frieden und Sicherheit verbringen können, doch dies schien nicht im Sinne der Feuermagierin. Immer diese fehlgeleitete Höflichkeit der Priesterschaft.
»Herr Esteban, Fräulein Rabenweil«, sprach er in die Richtung der beiden Schwarzmagier, »bitte folgt mir, ich werde Euch auf Euer Zimmer bringen.«
Olivia war die erste, die auf ihn zuhielt. Sie stolzierte auf ihn zu, wie eine Königin, stolz, erhaben aber auch mit einem spöttischen Ausdruck auf den Lippen, der ihre Verachtung ihm und der ganzen Stadt Thorniara deutlich machte. Redlef teilte diese Verachtung nur zu gerne, doch in seiner Rolle als Verantwortlicher für die Gäste, musste er seine persönlichen Gedanken hintenanstellen und auch zu dieser kleinen Hexe, die sich köstlich seine Lage in Noxus Gewalt amüsiert hatte, höflich sein. Der Mann an ihrer Seite hatte anfänglich einen angenehmeren Eindruck gemacht, doch schon wenige kritische Worte hatten auch sein wahres Gesicht zum Vorschein gebracht. Gerne hätte er die Oberste Feuermagiern verteidigt und diesem Beliarsanhänger erzählt, dass es gute Gründe gab, ihnen nicht zu vertrauen. Doch das hätte die Priesterin entehrt. Doch es lag klar auf der Hand, dass die Anhänger des Gott des Chaos dieses auch nur zu gern stifteten. Noxus war ein Paradebeispiel, aber auch die junge Olivia Rabenweil war durchaus skrupellos.
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Olivia war die erste die den Raum verließ. Estebans Reaktion auf ihre Reaktion in dem Moment, als der Hauptmann den Raum betreten hatte, war ihr nicht entgangen. Doch sie war zufrieden, da er nun anscheinend selbst zu spüren bekommen hatte, wie engstirnig diese Leute waren und dass man einfach mit ihnen konfrontieren musste. Sie ließen einem gar keine andere Wahl.
Redlef machte auf freundlich, doch Olivia konnte förmlich riechen, wie es in ihm brodelte. Sie musste an die Nacht zurück denken, als Noxus seinen Namen mit seinen eigenen Dolch in seinen Rücken geritzt hatte. Ob diese Narben immer noch den Rücken des Hauptmannes zierten? Sicherlich. Olivia konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er hatte es verdient!
Auch wenn sie Gefangene des Ordens waren, so stellte man ihnen doch zu mindestens ein ordentliches Zimmer zur Verfügung. Denn kurze Zeit später standen sie vor einer schlichten Holztür, hinter der sich ein nicht zu kleines Zimmer öffnete, in dem ein Tisch, ein Stuhl, eine Kiste und zwei ordentliche Betten befanden. Doch halt, nur ein Zimmer? Für sie und ihren Lehrmeister? »Und wo soll Meister Esteban nächtigen?«, wandte sie sich an ihren Aufpasser.
»Na ebenfalls hier«, antwortete er. »Die Zitadelle ist kein Gasthaus. Es stehen bloß drei Zimmer zur Verfügung. Also müsst Ihr Euch arrangieren. Gute Nacht.« Mit diesen Worten drehte sich der blöde Tomatenkopf einfach um und verschwand den Gang hinunter.
Böse guckte sie ihm hinterher, um sich dann mit den Schulternd zucken zu Esteban zu drehen.
»Mal sehen, was sie sich als nächstes ausdenken?« fragte Olivia eher rhetorisch, als sie beobachtete, wie tatsächlich vier Soldaten auf dem Gang Wachposten bezogen.
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"Na dann wird das ja noch ein Spaß, wenn es um die guten Sachen des erlegten Drachen gehen wird...", dachte sich Ornlu und überlegte und überlegte. Er hätte sich fast schon in den Arsch gebissen, weil er den angebotenen Wein nicht annahm, da er ein wenig Zweifel hegte ob da wirklich Wein drin war oder doch nicht eher Jungfrauenblut mit Krokodilstränen und einer Prise Kirschsaft zum nachsüßen. Dieser Moment des Zweifels genügte um die Möglichkeit zu begraben, als dann die Feuermagierin sich zu Wort gemeldet hatte. Das danach sorgte für Ornlus jetzigen Gedankengang und Entschluss sich einzumischen. Er wollte eine eloquente Rede über Gastfreundschaft, aber auch Hausrecht daherbringen und sogar den Traumruf oder das simple Sumpfkraut anbieten, das er in seinen Stiefel aus Sumpfhaileder innen seitlich versteckte, damit sich alles ein wenig entspannt. Und was dann? Dann unterbrach Herr Redlef diese unausgesprochene Rede und brachte doch tatsächlich an ihnen die Quartiere zu zeigen.
Mit gemischten Gefühlen folgte auch Ornlu der Gruppe einfach mal und blickte beim Verlassen noch einmal zur Feuermagierin. Sein Blick war weder vorwurfsvoll, noch befürwortend. Mehr ein lass-mal-was-zusammen-mit-allen-rauchen-Blick, den man hoffentlich nicht mit einem lass-mal-mit-allen-was-unanständiges-machen-Blick missverstand. Andererseits wusste Ornlu gar nicht wie der Blick ging. Sein Ruf mochte zwar legendär sein, aber betrachtete man dann Legenden mit dem wahren Hintergrund war es nicht einmal halb so schlimm.
Bei den Quartieren stellte Ornlu wie die anderen fest, dass sie sich wohl aufteilen mussten.
"Oh, armer Tinquilius. Muss er doch mit mir in ein Quartier, während die anderen Jungs mit so hübschen Mädels unterkommen. Tja, Beliar ist ein Eichhörnchen! Aber keine Sorge. Ich besorge uns ein paar trinkfeste, hübsche Dirnen. Und wenn ich dafür bis ins Bluttal rennen muss. Wir müssen sie nur hier irgendwie reinschleusen. Wie schwer kann das schon sein?", meinte er mit einem dreckigen Grinsen zum Wassermagier. Natürlich würde es nicht so mit der weiblichen Umsorgung kommen, aber da es alle hörten, konnte der Gedanke zumindest ein wenig in andere Richtungen führen. Im nächsten Moment landete Wroc auf Ornlus Schulter und krächzte kurz auf. Ornlu flüsterter diesem etwas in einer fremden, alten Sprache zu und der Schildrabe flatterte dann in den Gang, um sich dort hoch oben auf einem Balken wachend nieder zu lassen.
"Ich würde vorschlagen wir speisen zusammen. Kein Kopfzerbrechen über den Drachen, unsere Gastgeber, Ränkeschmieden oder sonst etwas was Groll schafft. Einfach in Ruhe in illustrer Runde was essen, als wären wir alle einfache Menschen mit Hunger. Die Oberste lade ich auch ein, wenn sie denn mag. Also dann gleich bei uns, wenn ihr wollt.", schlug er vor, trat in das Quartier ein und sah sich darin um. Schlicht war es und es behagte Ornlu doch ein wenig sehr, dass hier so dicke Mauern waren.
Ornlu und Tinqulius schoben die vorhandenen Tische zusammen und warteten dann darauf, dass das Essen kam. Irgend ein Knecht der das Essen brachte würde schon zur Obersten dann gehen können, um sie einzuladen.
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Die Ereignisse überschlugen sich und das in einer Art und Weise, die nicht gut war.
Ratlos saß Aniron neben ihrem Mann und sah, wie Olivia und Esteban im Handumdrehen aus dem Ratssaal geleitet wurden. Als sie Maris' Gesicht erblickte, wurde ihr ganz mulmig. Wie ein Häufchen Elend blickte er zwischen Tinquilius und Ornlu hin und her, die irgendwelche Tische verschoben. Sein Anliegen war gescheitert und anstatt eine Lösung zu finden, hatten die Fronten sich über nichtige Streitigkeiten verhärtet. Das hatte er nicht gewollt. Aber auch sie hatte es nicht gewollt und Tinquilius und Ornlu.
"Nein", sagte Aniron laut und schüttelte den Kopf.
"Ich werde nicht hier sitzen und speisen oder übernachten, wenn Esteban und Olivia in ihrem Quartier eingesperrt sind und meine Kinder da draußen in der Stadt sind. Das müsst ihr mir verzeihen, aber als einzige Mutter in dieser Runde habe ich eben jene Mutterschaft hier in die Wagschale zu werfen."
Sie seufzte und blickte unsicher zu Tinquilius. Sie war entschlossen, einmal mehr etwas zu unternehmen, aber nicht ohne den Priester. Konnte sie es tatsächlich wagen?
Tinquilius war war selbst sehr ruhig. Er strahlte eine angenehme Kühle aus, die sie an das Meer morgens am Strand bei Al Shedim erinnerte. Oder wie ein Fels in der Brandung, der jedem Sturm stand hielt.
"Würdest du mich noch einmal zu Francoise begleiten?", fragte sie ihn. Er nickte und sie schluckte. Hoffentlich ging das gut.
Während Maris und Ornlu - letzterer fühlte anscheinend um Speis und Trank betrogen - vor dem Ratssaal warteten, traten Tinquilius und Aniron noch einmal durch die Tür. Francoise machte den Eindruck, sich nicht bewegt zu haben. Aniron meinte, einen sehr nachdenklichen Ausdruck auf ihrem Gesicht zu sehen, doch als sie der beiden Wassermagier gewahr wurde, richtete sie sich auf.
Aniron trat vor, wieder blickte sie zu Tinquilius. Der aber nickte nur ein weiteres Mal. Für eine kurzen Augenblick überlegte sie, wie groß die Chance war, dass er sie retten konnte, falls Francoise Anirons Vorschlag für unverschämt empfand und sie kurzerhand braten wollte, sie wie sie dem Drachen das Auge ausgebrutzelt hatte. Tinquilius konnte bestimmt einen Eiszauber wirken. Dann war Aniron wohl der erste Mensch, der gebraten und gleichzeitig eingefroren wurde. Toll.
Sie verdrängte das Szenario und neigte leicht den Kopf gegenüber der Obersten Feuermagierin.
"Werte Francoise, auf ein Wort noch. Wir bedanken uns aufrichtig dafür, dass Ihr uns empfangen habt und bereit seid, uns zu beherbergen. Wir haben Euch im Grunde genommen überfallen und sicherlich gerade mit der Anwesenheit der beiden Schwarzmagier in eine Position gebracht, die man mit dem Rücken an der Wand vergleichen könnte. Das wollte keiner von uns. Seid noch einmal versichert, dass es uns allein um den Drachen und die Echsenmenschen geht."
Aniron machte eine kurze Pause. Francoise' Miene blieb unverändert und Aniron wusste nicht, was die Feuermagierin dachte. Sie war erneut verunsichert, doch dann spürte sie die Kühle, die von ihrer Rechten ausging. Tinquilius machte ihr Mut.
"Dürften wir dennoch um Folgendes bitten: Meine Kinder sind in der Stadt und ich möchte sie nicht allein lassen. Mit ihrer Anwesenheit möchte ich Euch aber nicht behelligen" - und erst recht nicht strapazieren, dass Francoise sie überhaupt verköstigte und ihnen etwas zum Übernachten anbot - "deswegen werden Maris und ich nicht in der Zitadelle übernachten. Ich hoffe, das trifft auf Euer Verständnis. Ferner aber missfällt mir ... uns ... der Gedanke, Esteban und Olivia in der Zitadelle zurückzulassen, während es uns gestattet ist, uns frei zu bewegen. Ich schlage daher vor, dass wir die Stadt verlassen und vor den Toren Thorniaras unser Lager aufschlagen werden, dies aber mit Olivia und Esteban. Wir, das heißt Tinquilius und ich und zur Not noch Maris und Jadewolf, bürgen dafür, dass Esteban und Olivia die Stadt nicht betreten, damit Eure Bürger unbehelligt bleiben und niemand eingesperrt werden muss."
Aniron sprach ruhig, aber irgendwie fühlte sie, dass sie mit dem Feuer spielte. Wie passend.
"Wenn Ihr damit einverstanden seid, dass wir die Stadt verlassen und unser Lager außerhalb der Mauern aufschlagen, dann würden wir noch einige Tage bleiben und uns weiter beraten. Denn wir müssen eine Lösung finden. Es wäre schön, wenn Ihr uns auch weiterhin mit Eurem Wissen und Euren Ideen zur Seite steht und vielleicht ist es für Euch angenehmer, wenn Euer Hauptmann Cast unserer Beratung ebenfalls beiwohnt."
Aniron verstummte erneut für einen Wimpernschlag. Hatte sie alles gesagt? Gab es noch etwas? Nein, eigentlich nicht. Sie blickte Francoise an und wartete auf das Donnerwetter der Obersten Feuermagierin.
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Françoise nahm ihren Stab von der Stuhllehne und sah die beiden Wassermagier an. Zuerst Aniron, der es offensichtlich wirklich Leid tat, dann Tinquilius. In der Runde hatte sich der oberste Wassermagier bedeckt gehalten und wenig gesagt. Françoise ging davon aus, dass er sich wie in der Zwickmühle gefangen fühlte. Seine gute Beziehung zu ihr stand auf dem Spiel und das gleiche galt wahrscheinlich bei den Schwarzmagiern. Doch das war nun mal das Schicksal der Wassermagier.
»Es ist nicht leicht.«, sagte die Priesterin zum Wassermagier und wandte sich dann wieder Aniron zu. »Ich akzeptiere deinen Vorschlag und werde veranlassen, dass sogleich ein ausreichend großes Zelt vor der Stadt errichtet wird. Auch, dass Verpflegung gebracht wird. Nahrhaft, wenn auch kein Festmahl. Wie dem auch sei. Ich werde mich an dein Versprechen erinnern. Wollen wir hoffen, dass das nächste Mal etwas brauchbares hervorbringt. Magie zu Ehren!«
Damit ging die oberste Feuermagierin davon. Nachdem sie den Ratssaal verlassen hatte, winkte sie einen Ritter herbei.
»Setz Redlef darüber in Kenntnis, dass die Gäste vor der Stadtmauer übernachten werden. Er soll dafür sorgen, dass dort ein Zelt für sie errichtet und ihnen Verpflegung gebracht wird. Die Gäste sollen ohne Zwischenfälle hinaus geleitet werden, und sobald die beiden Schwarzmagier, Esteban und Olivia, die Stadt verlassen haben, bleibt ihnen der erneute Zugang verwehrt. Die Torwachen sollen entsprechend instruiert werden.«
»Jawohl, Erwählte. Was ist mit den anderen Magiern? Ist ihnen der Zugang ebenfalls zu verwehren?«
Für einen Augenblick dachte Françoise darüber nach. Abgesehen von den beiden Kastellmagiern hatten sich alle als recht umgänglich erwiesen. Von ihnen würde wohl kein Streit ausgehen. Andererseits könnten sie ihn dennoch verursachen.
»Nein. Sie dürfen Thorniara wie Gäste betreten und verlassen.«
»Jawohl.«
Der Ritter verschwand sogleich und überließ die oberste Feuermagierin wieder ihren Gedanken. Ein letzter Blick zur Tür des Ratssaals, dann ging sie die Treppe hinauf in Richtung ihrer Gemächer. Hintendrein kam Samuel in respektvollem Abstand.
Tatsächlich war die oberste Feuermagierin letztlich froh über den Vorschlag der Wassermagierin. Es nahm Françoise eine aufgezwungene Bürde ab. Ihre Entscheidung, die Magier zu beherbergen, war politisch gewesen. Dies war die beste Chance, vielleicht sogar die einzige, den Drachen zu besiegen. Das Verhalten der Kastellmagier hatte ihr viel abverlangt und schließlich sogar ihre Meinung über sie nachhaltig beeinflusst. Jetzt saßen sie zumindest nicht mehr innerhalb der Stadtmauern und das war eine gute Sache.
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Vor der Stadt
"So lebt es sich doch besser.", urteilte Ornlu für sich persönlich, als er sich in seinen Mantel gewickelt hatte, als momentan Einziger am Feuer saß und über dieses wachte. In das Zelt wollte er nicht. Nicht das er so schüchtern war - keineswegs. Aber wer nahezu sein ganzes Leben draußen unter freien Himmel verbrachte, der hörte damit jetzt nicht auf. Die Temperaturen waren noch in Ordnung und Ornlu liebte den Geruch dieser Nacht. Nach den warmen Tagen hatte es kurz aber heftig geregnet und alles war einfach so einzigartig. Selbst so nah an der stinkenden Stadt.
Das Aniron dies bewirkt hatte, musste man ihr zu Gute halten. Viele unterschätzten solch eine doch simpel wirkende Art den Dingen eine Richtung zu geben. Es musste nicht immr der Hammer sein der Wände einreißt, es genügte manchmal ein Wort. Vielleicht machte nunmal genau sowas eine Dienerin des Adanos aus.
Ornlu griff in seinen Lederbeutel und holte etwas hervor, dass er immer mal wieder spielte. Vor allem die vielen Wochen allein in Tooshoo gaben genug Möglichkeiten um sein Spiel zu verbessern und es wirklich gut klingen zu lassen. Die Flöte erklang in einem sanften Ton der sich um Blätter, Bäume und Gräser schmiegte und mit dem Wind durch die Nacht schritt. Eine typische, waldvölkische Melodie die am Feuer ihre Wirkung entfachte. Das Knistern des Feuers schien intensiver, der Wind ruhiger und die Natur um sie lauschte dem Spiel des Druiden.
Wroc landete dann neben Ornlu und um das Lager schlich ein Fuchs erst zögerlich umher, dann aber schien er den Druiden zu erkennen und setzte sich für eine kurze Weile ebenso ans Feuer um zu lauschen.
Erst als der Wind wieder aufkam und die Melodie endete, zogen Fuchs und Rabe wieder ihrer Wege. Am Feuer stieg nun auch etwas grünlicher Rauch auf und Ornlu entspannte ganz auf seine typische Art mit Sumpfkraut und vielen Gedanken, die begannen sich auf ganz bestimmte Art zu sortieren.
Geändert von Ornlu (14.05.2016 um 00:24 Uhr)
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Meister Kaldrin war ein Krieger, dem man ansah, dass sein Leben einige bedeutende Wendungen genommen hatte. Gute wie auch schlechte. Ria konnte es sich gut vorstellen. Verluste von Kameraden auf dem Schlachtfeld, Siege wie Niederlagen auf ebenjenem. Mal der, der in die Flucht schlug. Mal der, der floh. Das Los der Krieger, seit der erste Mensch die Keule gepackt hatte, um seinesgleichen zu erschlagen. Kaldrin war jedoch kein tumber Haudrauf, sondern ein außerordentlich zuvorkommender Mensch, wenn er denn sprach. "Wir haben Euch eine Kajüte vorbereitet, Frau Riannon", sprach er und neigte leicht den Kopf. "Kein Luxus, aber Ihr scheint mir nicht die Art Frau zu sein, die darauf mehr Wert legt als nötig."
"Vielen Dank, Meister Kaldrin", antwortete Ria und schüttelte dem Krieger dankbar die Hand. "Ich habe ja auch nicht so viele Habe, als dass ich mehr als diese Kajüte bräuchte. Gibt es eine Möglichkeit, mich ... hm, zu waschen? Und habt Ihr, nun, etwas Kleidung übrig, die nicht so mitgenommen ist?"
Sie bot wohl immer noch einen ziemlich mitgenommenen Eindruck. Zerrissene Kleidung, dreckig und fleckig. Das Gesicht verschmutzt mit Staub und verkrustetem Blut. Kaldrin musterte sie einen Augenblick.
"Derjenige, der das tat ...", begann er grollend, doch Ria hob sanft die Hand.
"Nicht, Meister. Ich erledige das persönlich. Aus diesem Grund habe ich mich doch entschieden, Eurem Käpt'n aufs Festland zu folgen. Rache. Der, der mir das angetan hat ...", sie lächelte wölfisch, "... wird es zutiefst bereuen, glaubt es mir."
Der Krieger grinste. "Es fällt mir schwer, das nicht zu glauben, Riannon. Eine Waschmöglichkeit findet Ihr unten, neue Kleidung lasse ich bereitlegen. Bis dann, Riannon."
Die Frau nickte. "Wir sehen uns, Meister."
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Hafen von Thorniara
Beinahe lautlos schob sich Larahs Proa durch die Lücke in der Hafenmauer. Ihr Tiefgang war so gering, dass sie problemlos über die üblicherweise des Nachts hochgezogene Hafenkette glitt. Ruhig lag das Hafenbecken in der sternenlosen Finsternis vor ihr. Die Kaimauern hielten die meisten Wellen draußen in der Bucht. Nur der auffrischende ablandige Nachtwind kräuselte die Wasserfläche, durchbrochen von der flachen Bugwelle der Ausleger der Proa.
Sachte steuerte Larah ihr Boot durch das Hafenbecken. Je weiter sie in den Hafen vordrang, desto glatter zeigten sich die Wasser unter ihr. Mitternacht war längst vorüber und jegliches Zeugnis von dem für einen Hafen üblichen lauten Treiben hatte sich in die warmen Betten oder kalten Winkel unter Brücken und in engen Hinterhöfen zurückgezogen. Nur vereinzelt drangen aus der Ferne Rufe, das Miauen einer Katze und die Echos von Stiefelschritten auf Pflastersteinen aus den dunklen Tiefen der Gassen des Hafenviertels, untermalt vom stetigen, sanften Lecken der Tide an den Fundamenten der Piers und Kaimauern.
Suchend ließ Larah ihre Augen über die Silhouetten der vor Anker liegenden Schiffe gleiten. Der Hafen war sichtlich nicht ausgelastet, weniger als eine Handvoll Frachtensegler, kaum mehr Fischerkähne und nur zwei kriegsfähige Pinaßschiffe mutmaßlich gortharischer Bauart wiegten sich beinahe unmerklich zwischen den Landungsstegen. Die oberen Decks der größeren Segelschiffe waren punktuell mit Fackeln erhellt und vereinzelt konnte Larah in deren flackerndem Schein Gestalten erkennen die an Bug und auf dem Achterdeck Ankerwache gingen. Die Gortharerin ließ ihren Blick hinauf zur Takelage gleiten. Vielleicht erkannte sie ja eines der Schiffe wieder.
Wie finstere Türme erhoben sich die Masten über ihr, ragten die Spieren mit den gerefften Segeln über ihr in den tiefschwarzen Nachthimmel. Direkt vor ihr lag ein Dreimaster, das kürzere der beiden Pinaßschiffe, betakelt mit Rahen an Fock und Großmast und einem Lateinersegel am Besan. Die Takelung war nicht ungewöhnlich für ein gortharisches Schiff, von denen Larah viele aus ihren früheren Reisen durch den östlichen Kontinent kannte. Dennoch war der Schiffskörper nicht so übermäßig lang, wie er bei dieser Bauweise üblich war.
Larah ließ ihr Proa in den Schatten hinter das Spiegelheck des Pinaßschiffs gleiten. Ursprünglich hatte sie überlegt, sich weiter von den Landungsstegen auf der zu Werft- und Arsenalgelände geneigten Südseite der thorniarer Hafenanlagen zu entfernen, aber in der Lücke zwischen dem Dreimaster und dem Kopfende des hohen Hafenkais mochte ihr Boot doch eher unbemerkt bleiben, als an einer der verwaisten Piers auf der Nordseite.
Die Fischerin holte das Segel nun ganz ein. Der Rumpf ihres Bootes kam unmittelbar neben der Pier zum Stehen.
Larah sprang mit einer Leine in Händen auf die gemauerte Pier und wollte gerade einen Knoten um einen der dortigen Poller schlagen, als sie hinter sich eine Stimme vernahm: "Ein vergnügter Herumtreiber grüßt Euch, nächtlicher Stern in finsterer Nacht, von den Winden über den Ozean in die Stadt der Glut getragen. Kann er Euch vielleicht behilflich sein, oh edle Maid von Gischt und Wellenkrone?"
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Das Tempelviertel, Privatgemächer
"Bitte verzeiht die Störung, Meister Kalthar. Doch der ehrenwerte Sir Roderic wünscht Euch zu sprechen." sagte der unscheinbare Novize des Feuers mit leiser Stimme. Der Feuermagier Kalthar studierte gerade eine alte Abhandlung zum Kloster des Feuers in Nordmar, als er mit einer beiläufigen Handbewegung seine Zustimmung signalisierte.
Wenig später trat Sir Roderic in das Gemach des Feuermagiers ein. Kalthar spürte die Besorgnis des Ordensritters. Er legte das Buch bei Seite, drehte sich zu ihm und erhob dann seine Stimme: "Sei gegrüßt, mein Sohn. Warum wünscht Ihr mich zu sprechen?" Sir Roderic senkte den Kopf und holte tief Luft. Dann schaute er verunsichert in die Augen des Magiers und erwiderte: "Ich sehe es als meine heilige Pflicht an, Euch über Folgendes zu informieren: In der vergangenen Nacht haben sich Magier in der Zitadelle eingefunden, um mit ihrer Eminenz Françoise über die Bedrohung durch den Drachen zu diskutieren. Meister Kalthar, Schwarzmagier sind in unserer Mitte und die oberste Priesterin befindet sich augenblicklich mit ihnen in Verhandlungen."
Der Feuermagier wollte den Worten des Ordensritters zunächst keinen Glauben schenken. Doch in seinen Augen konnte Meister Kalthar erkennen, dass er die Wahrheit sprach. "Woher habt Ihr diese Information!?" fragte er. Der Ordensritter erzählte davon, dass er die Schwarzmagier in den Ratssaal der Zitadelle begleitet hatte und dort auf Geheiß der obersten Feuermagierin für die Sicherheit sorgen sollte. Er erzählte auch, dass die Versammlung unterbrochen wurde und nun am nächsten Tag weitergeführt wurde.
"Bei Innos!" erwiderte Meister Kalthar. Hatten die Schwarzmagier ihre dunklen Künste dazu genutzt, um die oberste Priesterin zu manipulieren? Energisch schüttelte der Feuermagier den Kopf. Françoise war eine mächtige Magierin des Ordens. Sie hätte der heimtückischen Magie Beliars widerstehen können. War es Verrat? Hatte die oberste Feuermagierin den Orden verraten?
"Sir Roderic, sammelt Eure Männer. Wir werden dieser Bedrohung ein Ende setzen!"
Maximus
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