Metrostation Jury Street | Abflusskammer • Grütze im Kopf oder aufgeweichte Birne?
„Blong“ … dann „Klack“, „Klack“ … gefolgt von »Granate« … und einem gleichzeitigen »Heiliges Kanonen« sowie endend in einem »Wumm!!!«
Dann knallte die Wucht der Detonation aus dem massiven Raum aus Beton und riss diverse Gegenstände mit sich. Ein paar Tassen, ein Buch, Werkzeuge prasselten aus dem Raum und verteilten sich vor dem geöffneten Schott. Tobias hatte die wenigen Sekunden nicht in dem toten Winkel an der Tür verbracht. Er war die Sekunden zählend seitlich weggeschlichen, hatte Land gewonnen. Bei »Eins« hörte er das „Blong“. Er vermutete, dass er einen Metallspind getroffen hatte. Das „Klack“, „Klack“ war das Ausrollen der Splittergranate und die Rufe »Granate« und »Heiliges Kanonen« kamen auf seine gezählte »Vier«. Es waren zumindest zwei oder mehr in dem Raum und das Geräusch der Detonation beendete den unvollständigen Ruf der einen Stimme. Er selbst spürte die Wirkung, sah das Gewusel an Teilen und hörte das Geklimper und Geprassel der fallenden Gegenstände. Er schmeckte den Staub, der aufgewirbelt wurde. In diesen Dunst begab er sich noch weiter zurück. Denn er wollte wissen, ob jemand die Explosion überlebt hatte. Sein Gewehr hielt er schussbereit in der Hüfte, bereit es in den Anschlag hochzureißen.
Es dauerte ein wenig, dann bewegte sich doch etwas in dem Raum und jemand zog sich hinter einem quer auf der Holzplatte stehenden Tisch hoch. Er hatte keine Zeit mehr sich weitläufig zu orientieren oder gar aufzustehen. Denn Tobias schoss schnell und sicher. Der Schuss knallte durch die Abwasserkammer und offenbarte trotz des Staubes die Position des Schützen. Zumindest sollte das für erfahrene Gegner einen Vorteil darstellen. So kam es auch. »Ich polier dir die Fresse«, brüllte einer mit ´nem Irokesenhaarschnitt, Reifenteilen vor der Brust und einen rohrähnlichen Gegenstand in den Fäusten. »Jaaaa, die Fresse«, maulte ein Zweiter, den Tobias aber noch nicht sehen konnte. Er handelte zügig und entschlossen. Dem Anstürmenden mit der Handwaffe schoss er ins rechte Bein, um dessen Bewegung zu stoppen. Das gelang besser, als beabsichtigt, denn das Projektil riss ihm dieses ab und beendete so jedes Leben. Dann zog er sich in der Hocke bleibend, das Gewehr im Anschlag, zurück. Langsam, aber stetig. Das tat er, bis er die erste Biegung in der Abwasserkammer erreicht hatte. Von hier aus konnte er immer noch sehen, wer aus dem offenen Schott kam. Aber die dahinterliegende Kammer war nicht mehr einsehbar. Er hatte mit so vielen Raidern nicht gerechnet. Raider waren es zweifellos. Er mochte die mordlüsternen Gesellen nicht. Es gab überhaupt keine Möglichkeit mit ihn zu reden. Sie griffen sofort an, jede Chance auf Erfolg missachtend. Es war für ihn einen komische, aber brandgefährliche Gruppierung.
Und er wusste, wenn der, der »Jaaaa, die Fresse« gegrölt hatte, Grütze im Kopf hatte und keine vom Jet aufgeweichte Birne, dann würde er die Tür schließen und nicht herauseilen. Wenn er zu dem eine Möglichkeit haben sollte Hilfe zu rufen, dann saß er, Tobias, in einer Falle. Denn in seinem Rücken waren die Fallen beräumt, der Schachtdeckel nicht gesichert. Vor ihm lauerte dann zumindest einer. Tobias seufzte. Er wollte eigentlich nur ein Bett, ein paar Ersatzteile für ein Radio. So einen Wirbel brauchte er nicht. Bei der aufkeimenden Frage zu seinem Glück schoss etwas aus dem geöffneten Schott heraus und brüllte wiederum für den Wartenden sinnlose Sachen. Tobias sah den Raider und erlebte zugleich den Moment des Schließens der Augen, einem Luftholen durch die Nase, gefolgt von einem Hauch des Lächelns. Entspannung in angespannter Lage, für einen winzigen Moment. Doch dieser kleine Schub an Optimismus über dessen aufgeweichte Birne reichte vollkommen, um für Gleichgewicht und Cleverness zu sorgen. Er traf ihn nach einem kurzen, gewollten Luftholen und –anhalten mitten in dessen Drehung. Und weil präzise geschossen, riss es den anderen deutlich nach hinten weg. Dann zog Ruhe ein. Stille griff fressend um sich.
Tobias gönnte sich eine Pause. Nicht weil er erschöpft war, sondernd taktisch. Zuerst lud er das Gewehr nach. Es war immer eine der Sünden, wenn man mit fast leerem Magazin in die nächste Runde im Glauben des Erfolges stürmte und dann in Hektik, vielleicht noch im Kugelhagel, nachladen musste. Zum Glück hatte er zwei Magazine dabei, die immer mit Patronen gefüllt, schnell auszutauschen waren. Das hatte er auch zig Mal geübt, egal ob beim Reinigen der Waffe, mit geschlossenen Augen, was man sich auch ausdenken mochte. Das Lösen des einen Magazins und den Austausch mit dem anderen war er so gewohnt und auch hier vollzog es sich rasch. In dieser Zeit des Wartens gewann das Licht in der Abflusskammer stetig die Oberhand gegen den Staub, den die Explosion aufgewirbelt hatte. Aber es blieb still. Keine Geräusche, kein Stöhnen eines Verwundeten, nichts. Es war ausgesprochen ruhig. Nur ein paar Tropfen des Tauwassers, welches sich in der Abflusskammer stetig bildete, tropfte irgendwo in ein Gefäß zu Boden. Dass man in solchen nervenzerreißenden Geduldsproben so ein stetiges Platschen hörte, störte Tobias nicht. Er war jetzt lange genug hier unten und wusste den Schall des Auftropfens einzuordnen. Dann beschloss Tobias zurückzukehren und sich die Kammer hinter dem Schott anzusehen. Denn einen, der rausgekommen war und jetzt kopfunter an der Wand hing, ließ er in Ruhe. Er prüfte lediglich, ob er tatsächlich nie wieder aufstehen würde. Nach brauchbaren Dingen zu suchen hatte keine Eile. Zumal er immer noch sich geduckt, sehr langsam fortbewegte. Ein Öffnen von Taschen der Bekleidung würde nur Geräusche verursachen und ablenken. Vielleicht war immer noch einer drinnen, der wusste, was auf ihn zukam und warten konnte. Eine seitlich liegende Waffe, eine Schrotflinte mit abgesägtem Lauf, nahm er mit. Er brachte solche Dinge zwar nicht. Doch es war in seinen Augen ein Fehler, Waffen im rückwärtigen Bereich einfach liegen zu lassen. Schnell konnten diese von anderen, nacheilenden Gegnern aufgenommen werden und dann hatte man ein zusätzliches Problem am Hals.
Dann war er wieder an der Stelle, wo er sich entschlossen hatte das Schott zur Kammer zu öffnen. Der Raum erstreckte sich dahinter in aller Ruhe eines matten Lichtes. Er sah die beiden, die er getroffen hatte und hinten an dem einen Spind lag noch einer. In dem vorderen Bereich erkannte er eine metallene Platte voller Gerümpel. Sonst war nichts zu sehen, auch kein Schatten. Er hörte sein Herz klopfen. Mehr zu seiner Beruhigung fragte er sich: »Ob einer seitlich der Tür wartet?« Er wusste es nicht. Aber er war bereit hineinzugehen. Auch, um seine in der scheinbar endlosen Stille anwachsende innere Aufregung endlich zu bändigen. Ob der Eingang gesichert war, entfiel, denn es war ja einer rausgerannt gekommen. Aber er wusste, dass er auf so eine kurze Distanz mit einem Gewehr kaum etwas ausrichten konnte. Deshalb spielte er vor dem ersten Schritt im Geiste einen Schlag mit dem Kolben durch. Dann holte er tief Luft und rollte sich seitlich in den Raum, um …