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Der »MOJAVE • KURIER«

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    Deus Avatar von VRanger
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    ... unvorhersehbare Erlebnisse im Ödland ... war die Mojave doch nicht so leer wie gedacht ... im Umland von Boston geschehen berichtenswerte Überraschungen ...

    Sicher, so etwas gibt es hin und wieder. Es ist wie bei einem wunderbaren, blutroten Sonnenaufgang. Man hofft auf so etwas, dann ist er da, man könnte stehen bleiben. Denn wer will verpassen, wie die Sonne den Horizont verlässt? Wer will verpassen, auf was man hofft? Man möchte es nicht verpassen. Aber es folgt die sich immer wieder gestellte Frage: »Wer hört dem einsamen Wanderer zu?« Meist folgt ein Seufzen. »Es ist wirklich ärgerlich«, könnte man denken und bleibt schon deshalb nicht stehen. Schade um den Sonnenaufgang und schade um den nie geschriebenen Erlebnisbericht.

    Doch mit dem »MOJAVEKURIER« steht jetzt dafür ein Medium zur Verfügung. Hier können die wunderbaren Geschichten, das Prosa und die Lyrik, Gedanken zu einem Bild, Reportagen zu einem einprägsamen Erlebnis aus dem Umland in Fallout einem Publikum zugänglich gemacht werden. Diese Storys werden in einem Inhaltsverzeichnis zusammengefasst. So ist es auch möglich den Überblick zu behalten, was ein Autor oder eine Autorin alles zu berichten hat. Klar ist damit auch, dass man so eine Fortsetzung nicht aus dem Blick verliert.

    Ein Gedankenaustausch, Meinungen, Lob, aber auch Hinweise sind natürlich hier in der Diskussion erwünscht. Eine Veröffentlichung geschieht immer im Interesse, dass es andere lesen. Man möchte es auch erfahren, dass es gelesen wurde. Also sollte der Leser oder die Leserin das auch mitteilen können. Dieses kann sachlich und nett erfolgen. Dafür ist ein Diskussionsbereich vorgesehen. So wie man die Zeitung in einer Bar liest und seinem Nachbar erzählt, dass im »MOJAVEKURIER« von einem phänomenalen Sonnenaufgang im Ödland berichtet wird.
    Also: ... Schreib Deine Story ...



    Autorenverzeichnis:

    - eclipse500 -
    [Roman] Das Arche Noah-Projekt
    Kapitel I WAR ... WAR NEVER CHANGES Kapitel IIBin ... ich ...? Kapitel III - VI • auf Fanfiktion.de

    - VRanger -

    - Golden Girl -
    Gedanken Herzklopfen!

    - gbruckmann -

    - Dawnbreaker
    Der lange Weg
    K #1Leb' wohl K # 2Raus hier!

    - -
    Kapitel x
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  2. #2 Zitieren
    Deus Avatar von VRanger
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    Wird hier einer abgeknallt?

    »Gleich geschafft«, dachte sich Tobias und setzte den Zylinderverschluss in sein Jagdgewehr ein. »Nun sieht es wieder gut aus«, sagte er vor sich hin und kippte den Kammerstängel nach oben, zog den Verschluss zurück, prüfte, ob eine 32er-Patrone aus dem Magazin mitgenommen wurde. »Ja, klappt ja wunderbar«, … bei diesem Gedanken wurde er unterbrochen. »Na, wer wird denn heute abgeknallt?«, tönte es gleich neben ihm. Es war Walter, der das fragte. »Oh, geht schon in Ordnung«, stammelte Tobias und versuchte in der Überraschung nicht vom Dach der Vargas etwas fallen zu lassen. Denn dort saß er gewöhnlich, wenn er sich mit Basteleien oder dem Waffenreinigen beschäftigte.

    »Reinige die Waffe nur«, antwortete er dann schon fester im Ton. »Zeig mal«, forderte der 61jährige und damit älteste Bewohner in Megaton. Tobias entlud die Waffe und sicherte diese. Dann reichte er die Jagdflinte an Walter. »Hier!«, sagte er noch. Der Afro-Amerikaner, der sich rührend um die Wasserversorgung und das Kanalisationssystem in dem Ort kümmerte, staunte: »Oh, kein Stacheldraht und Klebeband, welches die Waffe zusammenhält. Und was sehe ich da?« Prüfend fuhr ein Finger über den Lauf und berührte zwei Halterungen, die vor und nach dem Verschluss angebracht waren. »Für ein Zielfernrohr? Vermute ich!« wollte er wissen und gab die Waffe zurück. Tobias griff nach dem Gewehr und nickte. »Ist von Nathaniel. Er hat mir das Gewehr vor einigen Wochen geschenkt. Er brauche es nicht mehr, das habe er noch gesagt.« erklärte der junge Mann. »Ja, der alte Vargas. War mal ein Karawanenführer, viele Jahre lang«, erinnerte sich Walter. »Und ist auch ein Zielfernrohr vorhanden?« bohrte er weiter. »Ja!«, sagte Tobias mit Stolz und zeigte auf ein geöffnetes Holzkästchen, in dem in Ölpapier ein solches optisches Zusatzteil noch eingepackt war. »Bin gerade dabei alles vorzubereiten«, berichtet er.

    »Was soll vorbereitet werden?«, wollte der Techniker wissen und strich sich so wie immer mit den Händen über seinen RobCo-Overall. »Nun, ich möchte in den nächsten Tagen zur Metrostation Jury Street. Will dort schauen, ob es in Hanks alten Elektroladen Ersatzteile für Manyas Radio gibt. Es hat leider den Geist aufgegeben.« »Das trifft sich gut«, sagte der weißhaarige, alte Mann. »Wenn Du einen kleinen Umweg für mich machen kannst, dann schaue doch, bevor Du gehst bei mir in der Wasseraufbereitungsanlage vorbei.« Tobias nickt, sagte »mache ich«. Er putze weiter sein Jagdgewehr. Dieses konnte nicht sauber genug sein. Walter hingegen setzte seine Runde in dem Ort Megaton fort. Ein wenig grübelte er, ob Tobias tatsächlich vorbeischauen würde. Es war schon wichtig. Nicht nur für ihn, sondern für alle Einwohner der Stadt. Ob er es hätte sagen sollen, fragte er sich das eine um das andere mal.

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  3. #3 Zitieren
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    Nachdenken - Rückbesinnung

    Die Bitte von Walter war noch eine Weile im Kopf von Tobias sehr aktuell. Denn er fragte sich, was es wohl sei? Parallel dazu schraubte er das Zielfernrohr an sein Gewehr. Er hatte sich aus einem gebrochenen Sägeblatt einige Schraubenzieher angefertigt, die er in einer kleinen Tasche hatte. Diese Tasche stammte von Manya. Sie hatte ihn verwundert gefragt, was er da tue, als sie ihn am Schleifstein gesehen hatte. Er hatte es ihr erklärt, dass Sägeblätter aus Federstahl sind und deshalb würden die Schraubenzieher lange halten. Sie hatte ihm ein Tuch mit Fächern genäht. Dieses konnte er wie ein Bündel zusammendrehen und mit zwei angebrachten Riemen gut verschnüren. Wo er das Wissen her habe, war er noch gefragt worden. Tobias musste es nicht. Er konnte solche Dinge nicht erklären. Die Kenntnis und die Fertigkeiten waren einfach da. Und so wurde Stück um Stück im Haus der Vargas in Ordnung gebracht. Auch die Nachbarn kamen, wenn der Toaster mal ausfiel. Es sprach sich herum in dem kleinen Ort, dass Tobias zwei geschickte Hände hatte. Auch Walter konnte ihn bei seiner Wasseraufbereitungsanlage gebrauchen. Und weil Bewohner von Megaton wussten, dass er eigentlich immer auf dem Dach des Anwesens saß, brachten sie es meist …

    Tobias konnte seine Herkunft nicht genau beschreiben. Er wurde in der Nähe von Megaton im Alter von 23 Jahren mit einer Kopfwunde aufgefunden. Die Dinge, die er über sich berichten kann, hatten ihm die Vargas erzählt. Denn Manya Vargas hatte ihn aufgenommen, nach dem Doc Church ihn zusammengeflickt hatte.

    Er selbst schätze sein Äußeres als angenehm ein. Mit seinen gut 180 cm Größe kam er auch in die obersten Regalreihen. Das brachte ihm bei Manya ein Lächeln. Aber ihr Mann reagierte, weil er eben einen Kopf kleiner war, völlig anders. Das wiederum war Tobias dann auch nicht egal. Aber was sollte er tun. Der Hut kam auf seinen Kopf, weil er sich schämte mit einem kahlrasierten Kopf durch Megaton zu laufen. Denn die Haare hatte der Arzt entfernen müssen. Weiterhin glaubte er, dass eine Brille und ein Dreitagebart ihm ein cooles Aussehen verschaffen würde.

    … in dem Werkeln an der Waffe fragte er sich, wie er denn überhaupt hier gekommen war. Leider bereitete diese Frage Kopfschmerz, aber er stellte sie sich wieder und wieder.

    »Wo bin ich?« das sollen seine ersten Worte gewesen sein, als er bei Doc Church seine Augen öffnete. Der hatte ihn auf einer Trage liegen und schaute sehr verdutzt. »Nicht so hastig junger Mann«, hörte Tobias noch und vernahm das Geräusch einer Spritze, die aufgezogen wurde, und spürte dann einen Stich. »Atom!« war das nächste Wort, was er wieder vernahm. Er saß auf einer Bank mit ‘ner dicken Binde um den Kopf. Und die vorbeigehenden Leute schauten ihn komisch an. »Da hat Doc wieder einen zusammengebastelt!« drang zu ihm vor. Und als er sich langsam umdrehte, saß er vor einem Blechschuppen mit dem Symbol eines Arztes. Bald stellte er fest, dass vor ihm eine Art Theke aufgebaut war. An dem wippenden Schild konnte er lesen: »Bra …«, »Bra …«, »Brass Lan …« »The Bras Lantern«, hörte er sagen und hell klang die Stimme. »Kann man essen und es ist fast strahlungsfrei«, sagte die helle Stimme und er tippe auf eine Frau. Dann stand sie vor ihm und er musste lachen. »Na, es wird ja!«, frohlockte Manya. »Ja, von einer Stimme kann man nicht auf das Alter schließen!«, sagte die fast 60jährige Frau von Nathan Vargas. Er nickte nur. »Kannst Du aufstehen und mitkommen?«, fragte sie ihn. Er antwortet: »Will es versuchen.« Sie half ihm dabei und hakte ihn ohne groß zu fragen unter. Sie sagte dabei: »Wir, mein Mann und ich, werden Dich aufnehmen, und wenn Du wieder auf den Beinen bist, werden wir weiter sehen.«

    Ein Ruf riss Tobias aus seinen Gedanken: »Tobias! Kommst Du nun! Das Essen wird kalt!« Und als er antwortete: »Gleich!«, kam Manya zu ihm aufs Dach. Die alte Frau schaute kurz und sagte dann mit einigem Vorwurf in der Stimme: »Ich habe jetzt das dritte Mal gerufen. Komme, sofort!«

    Tobias wusste, hier gab es keinen Widerspruch. Selbst ihr Mann sagte bei dem Tonfall nichts mehr. So packte er seine Sachen ein und sah mit einem Blick über die Dächer von Megaton, es war wirklich Abendzeit. Die Sonne war im Begriff unterzugehen. Dieses Nachdenken über sich wiederholte sich stetig seit seinem Aufwachen bei Doc Church und dauerte so schon gute zwei Jahre. Aber Tobias war voller Dankbarkeit, als er zum Abendessen ging. Sie hatten ihm geholfen. Jeder auf seine Weise und er hatte sich vieles abgesehen. Auch hatte Nathan Vargas ihm im Gebrauch von Gewehren unterrichtet. »Wenn nur sein endloses Gerede von der Enklave nicht gewesen wäre. Doch er musste viele nützliche Dinge.« Später hatte er mit einfachen Botendiensten angefangen etwas zum Lebensunterhalt beizutragen. Doch wie immer bohrten die Fragen in seinem Kopf »Wer er war?« und »Woher er kam?« Und »Wer der Misthund gewesen war, der auf ihn geschossen hatte?«

    Doch zuerst galt es Manya zu besänftigen. Denn die war einfach in der Tür stehen geblieben. Und wie er sie Luft holen sah, sagte er: »Sorry, aber nun bin ich ja da!« Und er versuchte zu lächeln, so gut es die Narbe an seinem Kopf zu lies.

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    Nachfrage

    Die letzten Sonnenstrahlen mahlten ein glutrotes Licht in die Welt und dieses drang auch in die Behausung der Vargas. Tobias löffelte seine Suppe und dachte daran, dass gleich die blaue Stunde anbrechen würde. »Dann sollte man wirklich in einer sicheren Unterkunft sein«, dachte er sich. Seine beiden Quartiereltern unterhielten sich. Er hielt sich da lieber heraus. Nicht, dass das Gespräch ihn interessierte. Nein, er war lieber für sich, hörte zu. Doch ein Einmischen, Einbringen oder sogar Widerspruch, da hielt er sich lieber zurück. Dennoch war er hilfsbereit. Er nahm gern kleine Aufträge an. Bei diesen kam er nie mit der Ausrede eines eventuellen Scheiterns. Dafür war er viel zu optimistisch eingestellt. So dachte er an das Radio und an alten Mann in seinem grauen RobCo-Overall. In diesem Nachsinnen und Grübeln über die anstehende Reise zur Metrostation Jury Street platze Nathaniel‘s Frage: »Was wollte Walter von Dir?«

    »Was wird er schon gewollt haben? Hilfe für seine Wasseraufbereitungsanlage. Tobias ist ja eh die gesamte Zeit dort bei ihm«, witzelte Manya ein wenig. Obwohl es die ältere Frau auch interessierte, was der Älteste des Ortes von ihrem Aufzögling wollte. Aber sie hatte klug gewartet, bis es ihr Mann nicht mehr aushielt und nachfragte. Sie hatte gesehen, wie er auf seinem Hocker herumgerutscht war, wie er das Brot in die Suppe krümelte. Sie kannte Nathaniel und seine Wissbegier.

    Nathaniel hingegen war klug genug, nach dem leichten Spott seiner Frau nicht nachzulegen. Das hatte sich bereits das eine oder andere Mal als Fehler herausgestellt. Er vertraute ganz darauf, dass Tobias antworten würde.

    Tobias musste schmunzeln. Er fand die beiden einfach wunderbar. Wie einer den anderen kannte und wie sich die Dinge wiederholten. Doch er hatte jetzt den Kopf voll. Denn es war seine erste größere Reise, mal abgesehen von einigen Besorgungen im näheren Umfeld, wenn eine der Händlerkarawanen vorbei kamen. So antwortete er rasch: »Er hat mich gebeten, einen kleinen Umweg für ihn machen. Ich soll vorher noch bei ihm in der Wasseraufbereitungsanlage vorbeischauen«, … und dann fügte er noch an, weil die beiden Alten so verdutzt schauten …, »mehr war es nicht!«

    »Und gehst Du hin?« fragen beiden gleichzeitig und Tobias lachte jetzt laut auf und klopfte sich leicht, dabei an seine Verletzung denkend, drei mal auf dem Kopf und sagte: »Gut Holz!« Da mussten die alten Eheleute auch lachen. Anschließend antwortete Tobias: »Denke schon. Anhören kann ich mir doch, was Walter will.« »Das tust Du recht«, stimmte ihm Manya zu. Weil niemand mehr Anstalten machte noch etwas zu essen, räumte sie das Geschirr weg und beendete so das Abendessen.

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    Der Abend vor der Reise

    Tobias verabschiedete sich so wie jeden Abend von seinen Gastgebern. Denn zu dritt konnte man wirklich in dem umgebauten Bus schlafen. Er hatte sein Bett im Gemeinschaftshaus beziehungsweise fand er da immer eins. Denn man kannte sich. Viele wussten um seine geschickten Hände und so hatte er dort keine großen Dinge zu beachten. Weil Moriarty's ehemaliger Salon auf dem Weg lag, schaute er mal rein und begrüßte einige Anwesende und schritt schnell zur Theke. »Guten Abend«, sagte er, während Gob ein Glas aus dem Regal nahm mit einem mehr oder minder sauberen Tuch dieses auswischte, nach unter griff, eine dubiose Flasche vorholte, das Glas dreiviertel voll kippte und sagte: »Geht aufs Haus!«

    Tobias kannte das Prozedere. Denn seit dem er einige Dinge hier in dem Salon instand gesetzt hatte, konnte er den ersten aus der merkwürdigen Flasche umsonst trinken. »GrRrrh!« schüttelte es Tobias. »Das Zeug wird immer besser«, fügte er noch an. Nach einer Weile fragte er Gob, der sich auch um die anderen Gäste kümmerte: »Wie sieht es mit Stimpaks aus?« »Was willst Du damit?« wollte der Guhl wissen. »Nun ich will die nächsten Tage zur Metrostation Jury Street und dort paar Teile besorgen.« Und weil Gob ihn immer noch erwartungsvoll anschaute, fügte er an: »Nun, will zumindest zur Sicherheit paar mitnehmen, man kann ja nie wissen, wer einem den Weg versperrt.«

    »Reichen drei?« wollte Gob wissen. »Geht in Ordnung, will ja auch nicht so viel in den Taschen haben«, entgegnete Tobias. »Nun, dann komm vorbei, habe die Menge da. Wann soll es denn losgehen?« wollte der Guhl noch wissen. »Morgen!« sagte Tobias relativ kurz. »Warum die Eile?« hakte Gob nach. »Ach«, sagte Tobias, »ist für Manyas Radio und sie weiß es vermutlich noch nicht. Soll ne Überraschung werden. Und für das, was die beiden für mich getan haben, sollte es keinen Aufschub geben.«

    »Macht‘s Du richtig«, erwiderte Gob. »Man sollte die beiden nicht warten lassen. Nur eine Sache kommt mir nicht bei!« sagte er ziemlich laut. So laut, dass sich paar von den Gästen umdrehten. Tobias legte seine Hand auf die des Barkeepers, um ihn zu beruhigen und lachte ihn an: »Nun Du kannst doch Dein GNR so oft hören, wie Du willst und Nathaniel mag eben einen anderen Sender.« »Nur weil Du es bist«, entrüstete sich Gob. »Wie kann man zu diesem Geplärre Sender sagen … hör hin«, fügte er noch an und versuchte das alte Radio, das schon den Lautstärkeknopf auf dem Anschlag hatte noch lauter zu drehen. Denn im Radio war »I Don't Want to Set the World on Fire« zu hören und Gob summte die Musik mit.

    »Muss los, sonst sind die Betten weg und bis Morgen«, erklärte Tobias und schwang sich vom Barhocker. »Ja, ja«, antwortete Gob und aus alter Gewohnheit witzelte er noch: »... aber nicht schlagen.« Doch da war Tobias schon aus dem Salon.

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    Herzklopfen!

    Da stehe ich.
    Vor mir erstreckt sich die riesige hermetisch verriegelte Tür.

    Ich habe Herzklopfen.

    Meine Erinnerungen sind vage.
    Nukleare Detonationen, Vault, Dekontamination, mein Mann… mein Sohn!

    Ich habe Herzklopfen.

    Die Kryokapsel… bin ich wach? Träume ich?
    Ich bin allein. Keine Menschenseele. Es ist still.

    Ich habe Herzklopfen.

    Ein Schuss… was war das? Mein Mann… tot?
    Ich muss meinen Sohn finden.

    Ich habe Herzklopfen.

    Wie lange hat wohl mein Kälteschlaf angehalten?
    Ist draußen die Welt die ich kenne?

    Ich habe Herzklopfen.

    Da stehe ich.
    Ein Lichtstrahl fällt auf meinen Overall.

    Ich habe Herzklopfen.
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    Deus Avatar von VRanger
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    Ein früher Morgen

    Tobias hatte gut geschlafen, wenn man die einfachen Verhältnisse im Gemeinschaftshaus so bezeichnen konnte. Doch eine nicht so verwanzte Matratze, kaum Geschnarche, ein Dach über den Kopf und möglichst keine Prügelei, das reichte ihm eigentlich aus. Und so war es auch in diese Nacht gewesen. Trotzdem wurde man früh wach, denn manche kamen erst in den frühen Stunden des Morgens und so wurde einfach die angewärmte Pritsche getauscht. Er reckte sich und lies sich vom Wind seine Hände und sein Gesicht nach der doch bescheidenen morgendlichen Toilette trocknen. Seine Narbe am Kopf juckte wie immer, wenn er etwas Aufregendes vor sich hatte. Und diesmal war es die Reise zur Metrostation Jury Street. »Gut«, sagte er zu sich, »so weit ist es ja nicht. An Springvale vorbei, die Vault umgehen, eine nicht funktionsfähige Autobahnbrücke mit einem Raiderquartier, eine zerstörte Farm«, zählte er in Gedanken für sich auf und stand vor Nathaniel, der vor seinem Anwesen auch in den frühen Morgen schaute. »Du kommst recht«, sagte dieser, »gehen wir rein, sie wartet schon mit dem Frühstück.«

    Manya, er und Nathaniel aßen schweigend. Als dann Tobias begann das Geschirr abzuräumen, sagte Manya: »Musst Du wirklich nach Jury Street? In der Schule von Springvale soll man Raider gesehen haben!« Tobias legte einen der Teller auf den Tisch zurück und überlegte, was er antworten solle. Er wusste, egal was er sagen würde, es wäre nicht wichtig genug und von dem Radio, welches hinter der alten Frau stand und nicht mehr spielte, wollte er nichts sagen. Und so entgegnete er: »Ich gehe jetzt erst mal zu Walter und höre mir an, was er zu sagen hat.« Darauf sagte sie: »Du kommst doch aber noch mal vorbei?« »Wenn Du es möchtest, gern«, antwortete Tobias und fügte noch an: »Da kann ich ja meine Sachen bis dahin hier stehen lassen.« Sie nickte. Tobias sagte nichts mehr, lies auch den Tisch so, wie er war und ging aus diesem umgebauten Bus in den frühen Morgen hinaus. Die beiden Alten schauten ihm besorgt nach.

    »Warum muss er Megaton verlassen? Warum sucht er fortwährend etwas da draußen?« fragte Manya. Nathaniel antwortete nicht. Denn er wusste, dass sie ihre und auch eigentlich seine Besorgnis in den Raum stellte. Nach einer geraumen Zeit, in der keinen von den beiden sich aufraffen konnten, endlich das Geschirr wegzuräumen, sagte er noch: »Vielleicht erfahren wir nachher doch, was Walter von ihm will.« »Ja, vielleicht«, seufzte die alte Frau.

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    Eine alte Sache

    Tobias blieb auf dem Weg zu Walter stehen. Er presste sich beide Hände an den Kopf, sackte selbst etwas in die Knie und sagte leise: »Verdammt!« Dann taumelte er zur Seite, doch ein Geländer gab Halt und ein besorgter Bewohner Megatons griff nach seinem Arm, stütze ihn und fragte: »Brauchst Du Hilfe?«

    »Ja, ein wenig«, antwortete Tobias mit einem versuchten Lachen. Doch das Lachen misslang. Er setzte sich auf die von dem Hilfsbereiten organisierte Kiste und musste sich zusammennehmen. Diese Schmerzanfälle kamen ab und zu. Sie rührten von seiner Verletzung, die ihm jede Erinnerung an das auslösende Ereignis genommen hatten. Nur heute, gerade heute, hatte er nicht damit gerechnet. Sollte er umdrehen oder zu Walter? Das war eine der Fragen, die ihm durch den Kopf schossen.

    Er beschloss, nach dem die Schwindelgefühle abgeklungen waren, aufzustehen. Das tat er auch und sah in ein besorgtes Gesicht. »Ist es wieder gut?«, fragte ihn der Siedler, der bei ihm geblieben war. »Es geht und ich will ja nur zu Walter. Ist er in der Wasseraufbereitungsanlage?« fragte er noch, um Sicherheit vorzutäuschen.

    »Mmh, lasse mich überlegen«, antwortete der Siedler, »ich glaube, er steht davor und ...« »... das sieht ihm ähnlich, er raucht wieder«, ergänzte Tobias den Satz und verabschiedete sich mit einem Dankeschön. Aber er sah auch die immer noch vor Schreck geweiteten Augen seines Gegenübers. Tobias nickte ihm zu. Er musste sich zusammenreißen nicht erneut die Hand an die schmerzende Stelle zu legen. So biss er die Zähne zusammen. Er ging, das Geländer mit einer Hand haltend weiter. Er wusste, dass der Hilfsbereite immer noch seine Blicke auf ihn richtete. Irgendwie ist es immer peinlich, wenn in aller Öffentlichkeit eine eigene Schwäche so zutage tritt. Insgesamt waren es ja wirklich nur wenige Schritte, aber diesmal klangen die Bleche, auf denen er lief, nicht so munter. Aber das wird daran gelegen haben, dass er am Anfang wie ein alter Mann gelaufen war. Doch dann straffte sich seine Haltung. Er war bei Walter seiner Arbeitsstätte angekommen, aber keine Spur von dem weißhaarigen Mechaniker. Also öffnete er die Tür und rief in den Raum voller Geräusche surrender Maschinen: »Walter! Bist Du hier drin?«

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    Ein Ionentauscher

    »Walter! Bist Du hier drin?« hatte Tobias gerufen. Doch er erhielt keine Antwort. Das Stampfen der alten Wasseraufbereitungsanlage, das Gescheppere aus Metall, Nieten, Bolzen und das Vibrieren der Befestigungsstreben erzeugten schon eine beachtliche Geräuschkulisse. So entschloss sich Tobias in den hinteren Bereich zu gehen. Denn dort gab es einen kleinen Raum, den sich der Mechaniker als eine Art Büro eingerichtet hatte und noch einen Schlafplatz. Tatsächlich hier war Walter anzutreffen. Er trug wie gewohnt seinen ausgeblichenen RobCo-Overall und trank eine Tasse Kaffee.

    »Ach hier bist Du«, sagte Tobias und nickte in Richtung des alten Mannes. Was einen guten Morgen bedeuten sollte. »Soll es losgehen?«, fragte der mehr als 60 Jahre alte Techniker. »Ja, ich will heute zur Metrostation Jury Street.« Und er fügte noch an, weil man nie wusste, wie lange so eine Reise wirklich dauerte: »Werde wohl dort übernachten und dann erst am nächsten Tag zurückkommen. Doch Du hattest etwas auf dem Herzen?« fragte der groß gewachsene Mann dem Techniker. »Richtig«, nickte Walter. Dabei stand er auf, drehte sich zu Tobias um, lächelte ihn an und sagte: »Es ist nett von Dir, dass Du einen alten Mann mit seiner Bitte nicht vergisst.« Tobias wusste nicht, was folgen würde, aber das Lob überraschte ihn. Er entschloss sich nichts zu sagen. Denn damit hatte der alte Mann auch nicht gerechnet. Denn in dem Gebrumme und Gescheppere von der Wasseraufbereitungsstation hatte dieser vermutlich schon zahlreiche Selbstgespräche geführt und war eine Antwort einfach nicht mehr gewohnt. »Komm!«, sagte Walter noch und ging in den Maschinenraum. »Siehst Du diesen Druckbehälter? Er ist etwa 5 Kilogramm schwer. Kannst Du bei Hank Elektronik vorbeischauen?«

    Tobias wartete, ob noch etwas kommen würde. Doch mehr sagte Walter nicht. »Für was brauchst Du das Teil?«, fragte er den Mechaniker. Walter schmunzelte und antwortete: »Lasse uns vor die Tür gehen, hier kann man es schlecht erklären.« Tobias war froh über diesen Vorschlag. Denn sein Kopf war bereits nach wenigen Minuten in der Anlage zu spüren gewesen. Und als sie vor der Tür standen, holte er tief Luft und sagte zu dem weißhaarigen Mann: »Walter, wie hältst Du das da drinnen aus?« Doch der Gefragte beachtete das nicht. »Diesen Druckbehälter nennt man richtigerweise Ionentauscher. Er gehört zu den Verfahren der Nanofiltration.« Hier unterbrach Tobias den Redner: »Was für ´ne Filtration?« Der musste laut Lachen, was wiederum Tobias etwas Farbe ins Gesicht brachte. Doch bevor er noch etwas dazu sagen konnte und sich eigentlich wieder in die Wasseraufbereitungsanlage wünschte, erklärte Walter: »Na schön. Es ist ein Verfahren, mit dem Schwermetalle, wie Uran, aus dem Wasser geholt werden. Oder warum kannst Du hier unverstrahltes Wasser trinken, trotz der dicken Bombe da unten?« »Oh«, antwortete Tobias, erhob seine Hände und schwenkte paar Mal diese mit gespreizten Fingern. Ein typisches Zeichen bei ihm für »das wusste ich nicht!«

    »Ist schon gut«, nahm Walter den Gesprächsfaden wieder auf. »Der Tauscher, den wir jetzt haben, wird nicht mehr lange durchhalten. Und ich habe mir immer welche von Hank Elektronik geholt. Doch ich bin zu alt dafür.« Und mit einem verschmitzen Lächeln fügte er noch an: »Für die Reise, verstehst Du?« »Das trifft sich aber gut«, entgegnete Tobias. »Ich will auch in den Laden, denn ich brauche ein paar Teile für Manya’s Radio. Denn sie hat ja bald Geburtstag und es spielt nicht mehr so richtig.« »Das tust Du richtig!«, sagte Walter, denn sie war schon bei mir deswegen. »Sie war schon bei Dir?«, wollte Tobias wissen. »Ja, sie vermutete, dass Nathan das Enklave-Radio besser hören wollte und dabei etwas schief gegangen ist«, erklärte Walter. »Jetzt wird mir klar, warum eine der Verstärkerröhren nicht nur aus der Fassung, sondern auch zerstört war. Gut zu wissen …«

    Tobias spürte wieder ein Zucken im Kopf und griff sich hinter die linke Schläfe. Er tat es geschickt, sodass es wie ein Nachdenken aussah. Aber er hatte sich bald im Griff und sagte zu Walter: »Sehen die Ionentauscher alle so aus, wie das Gerät in der Wasseraufbereitungsanlage?« »Die bei Hanks? Denke schon«, antwortete Walter. »Gut, dann bringe ich Dir einen mit«, erklärte Tobias und Walter drückte ihm einen Beutel in die Hand. Tobias rüttelte an dem ledernen Säckchen und riss die Augen auf: »So viel für einen Druckbehälter?« »Nicht ganz«, lachte Walter, dem sichtlich anzusehen war, welche Sorgen das »Ja« von Tobias von seinen Schultern genommen hatte. »Der Rest ist für Dich! Es kommt ganz auf Dein Verhandlungsgeschick an und nun muss ich los, denn meine Beste darinnen kann man nicht lange allein lassen«, sagte er und liest den verdutzten Tobias auf der Plattform einfach stehen.

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    Auf dem Weg

    Tobias hatte noch bei Manya und Nathaniel vorbeigesehen, so wie er es vor dem Besuch bei Walter ihnen versprochen hatte. Für einen Moment glaubte Manya ihm die Sache ausreden zu können. Doch die alte Frau verstand auch, dass es für alle in Megaton wichtig war. Denn sie hätte doch keine Ruhe gegeben, bis Tobias endlich mit der Sprache rausrückte. »Er will einen Ionentauscher und es ist ja nur bis Hank Elektronik«, hatte er den Zweck des Gespräches erklärt. Beide hatten eine entspanntere Haltung eingenommen, als Tobias ihnen berichtete, dass Walter immer bei Hank dieses Ersatzteil für die Wasseraufbereitungsanlage geholt hatte, aber sich zur eigenen Reise zu alt fühlte. Anschließend hatte Tobias seine Sachen genommen und sein Gewehr eher lässig über die Schulter gelegt.

    Auf dem Weg zum Tor lief Tobias noch den Sheriff in die Arme. Der konnte oder musste eine Belehrung loswerden. Wie man sich in Megaton benimmt und so weiter ... Tobis trug danach die Waffe etwas ordentlicher. Obwohl es in seinen Augen egal war, wie man das Gewehr trug. Es war eben eine Waffe und die war abschussbereit. Doch mit dem Sheriff war schlecht diskutieren an dieser Stelle. Er mochte seine Stadt halt. Also dann Tobias ihn nach dem Weg fragte, das aber auch nur, um ihn endlich loszuwerden, wusste dieser aber keine direkten Neuigkeiten zum Weg nach Jury Street. Doch zumindest hatte der Sheriff auch jetzt noch etwas anderes vor. Denn er musste ganz schnell zum Doc. Tobis schmunzelte auf seinem weiteren Weg, denn sein kleiner Trick hatte funktioniert. Er hatte von Nathaniel erfahren, dass der Ordnungshüter seit langer Zeit Megaton nicht mehr verlassen hatte.

    Die letzten Schritte zum Ausgang aus der Stadt waren schnell genommen. Hoch den Hügel, vorbei an den geflickten Rohren, die das Wasser aus der Wasseraufbereitungsanlage für Megaton transportierten, dann stand er an der Außenmauer aus Blech. Anschließend gab Tobias am Tor den Wachen das Signal zum Öffnen und etwas kreischend schob sich die Metallwand zur Seite.

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    Reise zur Metrostation Jury Street • Part I

    So behäbig sich das Tor von Megaton geöffnet hatte, so rasch schloss es wieder. Es blieb jedoch bei dem nervigen Geknarre und Quietschen. Tobias überlegte eigentlich nicht, obwohl sein Warten und ein prüfender Blick in Richtung Springvale darauf hindeuten konnte. Aber er würde wegen der wenigen Dinge, die er benötigte, bei den Raidern nicht vorbei gehen. Einen Bogen schlagen, links der Vault 101 vorbeizugehen und dann von Südosten zu bis Hank Elektronik, das war sein Plan.

    Der Tag war ja noch im Wachsen und so machte er sich auf. Seinen Hut hatte er gut in die Stirn gezogen. Denn der plötzliche Kopfschmerz, der am gestrigen Tage aufgetreten war, sorgte ihn. Es war diese alte Verletzung. Er konnte sich an nichts davor erinnern. Doch wo die Vault war, das wusste er. An den paar Maulwurfsratten, die zwischen dem zerstörten Highway und Megaton öfters anzutreffen waren, würde er schon ohne großes Gewese vorbeikommen. Vielleicht traf er oben am Pass auch einen von den Händlern. Denn sie nutzen diese Straße, um nach Megaton zu kommen.

    Ab und zu waren auch andere Patrouillen, wie die der stählernen Bruderschaft oben an dem zerstörten Highway anzutreffen. Aber die mochte er nicht und sie ihn nicht. Er verstand nicht, warum sie so herablassend waren und ihn zu dem noch beschimpften. So sprach er sie nur in großer Not an und wann war die schon einmal.

    Er fühlte sich mit seinem Gewehr relativ sicher. Das Zielfernrohr war aufgesteckt, aber eine Kappe schütze die wertvolle Optik vor dem doch oft auftretenden Sturm. Dieser hatte immer Sand im Gepäck und so konnte so eine Zielvorrichtung schnell blind werden. Zumal sie ihm glatt ein Fernglas ersparte. Zu mal er für sich meinte, dass die Zusatzeinrichtung von Nathaniel aus irgendeinem Grund eine Aufhellung brachte. Zumindest konnte er in den Abendstunden noch ganz gut sehen. Auch waren die Visierlinien gut gefertigt. Wo der Alte man solch ein Unikat wohl herhaben mochte? Das hatte er sich schon oft gefragt. Aber der ehemalige Karawanenführer hielt sich bedeckt. Was vielleicht auch an den Blicken von seiner Frau Manya liegen konnte. Nur über die Enklave konnte man mit ihm reden.

    Noch einmal rückte er seine Sachen zurecht und dann ging es los. Umdrehen wollte er sich nicht.

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    Reise zur Metrostation Jury Street • Part II

    Der blecherne Ton von Deputy Weld begleitete ihn in den Ohren noch eine Weile. Tobias orientierte sich an dem großen Wasserbehälter, der links zur Straße nach Springvale stand. In etwas gebückter Haltung, aber schnell laufend passierte er den Turm, dessen Wasser leider verstrahlt war, an seiner linken Seite. Er kam rasch voran und stand unterhalb des Highways. Hier waren gehörig Straßenteile in die Tiefe gestürzt. Doch es gab einen Weg vorbei an den Betontrümmern. Die zwei Autos, die vor dem Weg zur Vault standen, waren schon immer seine Orientierung gewesen. Doch er hielt sich weiter in Richtung Westen und lief nicht zur Vault.

    Ein vorbeistreifender Schatten lies ihn halten. Oben auf einem Stück der Hochstraße, die man betreten konnte, sah er etwas nicht Großes, aber es bewegte sich schnell. Er holte sein Gewehr vom Rücken. Auf dieses hatte er ja ein Zielfernrohr befestigt. So schaute er hindurch in Richtung dieses Schattens. Er konnte gut sehen, was es war. Er erblickte einer dieser Hunde, die wer weiß, warum auch immer, die Verstrahlung gut abkonnten. Doch er schoss nicht. Tobias nahm die Waffe wieder herunter. Zum einen waren Patronen teuer und zum anderen, er musste jetzt kein Tier töten. »Es hat mich noch nicht bemerkt«, sagte er zu sich und blieb in der gehockten Haltung und wartete noch ein wenig. Dann setzte seine Reise fort. Doch seine Schritte waren jetzt bedächtiger. Er brauchte viel mehr an Zeit und so dachte er sich: »Es fängt ja gut an!« Aber er erinnerte sich auch daran, dass Hunde meist in Rudeln jagen und wer weiß, wie viele von diesen Kreaturen dort auf Beute warteten.

    Nach einer Weile erblickte er dann die Umrisse von mehreren Gebäuden. Eine verlassene Farm sah er. Zugleich wusste er, er war an der Vault vorbei, auch an den Raidern, die in Springvale, in einer ehemaligen Schule hausten. Ganz am Ende, am Horizont konnte er den Wasserspeicher der Metrostation Jury Street bereits sehen.

    Er lief jetzt wieder schneller. Doch er blieb in seiner gebückten Haltung. Was sich bereits wenige Meter als richtig erwies. Tobias erkannte er mit bloßen Augen einen einzelnen Mann. Er trug eine eng anliegende Kleidung, die sich an dem Körper anschmiegte. Auf den Kopf hatte er eine runde Kappe oder so etwas Ähnliches. »Vermutlich ein Späher«, sagte er leise zu sich und nahm das Gewehr zurück auf seinen Rücken. Tobias hatte durch das Zielfernrohr gesehen, dass die Person eine Laserwaffe auf dem Rücken trug. Um allen Dingen aus dem Wege zu gehen, vergrößerte sicherheitshalber er den Bogen bis zu seinem Zielort. Dabei suchte er einen verlassenen Lkw, der an einem Kontrollpunkt stand und dessen Ladung längst geplündert war. Er erreichte diese Stelle ohne weitere Besonderheiten.

    Er sah die Konturen der Metrostation Jury Street schon deutlich besser. Er bewegte sich immer noch aus einer Hocke heraus. Weil er aber diesmal südlicher als sonst zu seinem Ziel wollte, kam er an der Wasserstelle, wo ein Container mit radioaktiven Fässern umgestürzt war, auf der anderen Seite an. Er war öfters an diese Stelle gewesen, aber eben nicht so von Süden her kommend. Und so staunte er nicht schlecht. Dann er sah etwas, wo er die anderen Male glatt vorbei gegangen war. Klar er musste vorsichtig vorgehen, um nicht in das verstrahlte Wasser zu kommen. Denn die beiden Kisten waren halb von Teilen einer ehemaligen Brücke verdeckt und waren eben auch sehr nah am Wasser.

    »Schau an, schau an. Zwei Munitionskisten!«, frohlockte Tobias und wünschte sich, dass diese nicht leer waren. Beide erwiesen sich als verschlossen. Doch Tobias konnte diese mit einer Haarnadel und einen Schraubendreher öffnen. So eine Schlossknackerei war immer ein schwieriges Unterfangen. Drehte man zu schnell oder zu wild, brach die Haarnadel ab. Wenn es ganz schlimm lief, brach diese so entzwei, dass auch der Verschluss zerstört wurde. So lauschte er aufmerksam auf das Klicken der Schlosszylinder und achtete auf einen möglichen Widerstand. Die erste Kiste sprang schnell auf. Die zweite Munitionskiste erforderte mehr an Geduld. Diese erwies sich als schwieriger. So musste er mehrfach mit der Haarnadel ansetzen, denn die Zylinder wollten sich nicht bewegen. Erst als er es nach der anderen Seite versuchte, hatte er Erfolg. Als er anschließend die Deckel hob, schaute er gespannt in das Innere. Zwei Handgranaten und mehrere Magazine an Munition. »Zwar nicht mein verwendetes Kaliber, aber handelbar«, dachte er, als er die Funde in einer Tasche verstaute.

    Aus dieser Sicht des Fundes war ihm der Umweg, denn er wegen der wilden Hunde und der einzelnen Person gegangen war, doch nicht mehr so gram. Dann erreichte er einem quer auf der Straße liegenden Bus und wusste, er hatte es fast geschafft. Doch Tobias eilte nicht die wenigen einhundert Meter den leichten Hügel hinauf. Er schritt sehr langsam am Bus entlang und beschloss einige Zeit im Schatten zu warten und die Örtlichkeit zu beobachten.

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    Metrostation Jury Street • Ein Rundgang

    Tobias meinte lange genug gewartet zuhaben. Außer ein paar von diesen RAD-Kakerlaken und einem Augenbot der Enklave war nichts passiert. Er mochte diese schwebenden, ausrufenden Aufklärungs- und Überwachungsroboter nicht. Doch jede Patrone war zu schade für so ein Ding. Zu dem wusste man nie, wen der Knall des Schusses noch so auf die Straße bringen würde. Sicher, Nathaniel durfte er seine Antipathien gegen dieses fliegende Enklaven-Radio nicht sagen. Denn dieser mochte, ja verehrte alles, was mit der Enklave zu tun hatte.

    Tobias beschloss zu Hanks Laden zu gehen. Er blieb in der gebückten Haltung. Es lies auf der Linken das zerstörte Bistro »Dot’s Dinner« liegen, zu seiner Rechten befand sich eine »Red Rocket« Tankstation, aber auch der Eingang zur Metrostation Jury Street. Er meinte, er war lange nicht mehr unten gewesen, zumindest in den letzten zwei Jahren nicht. Die Metrostation war aufgrund der Schäden von den anderen Zugverbindungen getrennt. Aber neben dem in der Nähe befindlichen Funkmast, waren die Gebäude für Tobis eine gute Orientierung. Er beschloss so wie immer eine Rund zu drehen. Dieser Entschluss war insofern verwunderlich, weil es ja seine erste große Reise aus Megaton heraus war. Ihm erstaunte es schon, als er die noch intakten Zeituhren am Parkplatz nach Geld prüfte, dass er den Weg so aus dem Gedächtnis zum dem westliche der Vault 101 gelegenen Ort gefunden hatte. »Da muss ja noch ne Menge drin stecken«, mutmaßte er, freute sich dann über den ein oder anderen Zugewinn. Dabei zog er instinktiv seinen Hut etwas tiefer in die Stirn. Er kam, war es nun an der dritten oder der vierten Parkuhr, ins Grübeln. Denn seit seiner Kopfverletzung hatte er vieles vergessen oder staunte so wie jetzt, dass das Wissen plötzlich da war. Aber auch seine Art sich zu orientieren, etwas zu erkunden, nicht gleich loszustürmen waren etwas, dass er schon glaubte so öfters erlebt zu haben.

    Nach der Runde auf dem Parkplatz und dem Blick über die Straße sah er die Eingangstür von dem Elektrowarenladen. Für einen Moment war es ihm so, als wenn auf dem Dach des Gebäudes ein Schatten vorbeigehuscht war. So blieb er zuerst auf der Gegenseite der Straße, an einer Gebäuderuine, schaute noch einmal und ordnete zugleich seine Ausrüstung. Aber vielleicht hatte er sich auch getäuscht. Doch dieses Ereignis brachte ihn dazu sich zu überlegen, wie er in den Laden gehen sollte.

    Tobias wusste es nicht, wer in dem Geschäft war. Er hoffte, nur den notwendigen Gegenstand für das Radio von Manya und ebenso den Ionentauscher für Walter vorzufinden. Deshalb war ihm die vorhin an der Brücke gefundene Handgranate willkommen. »Doch in einem Gebäude, sollte man so etwas nicht einsetzten«, sagte ihm sein Verstand. So griff er nach seinem Springmesser und prüfte, ob es einsatzbereit sei. Dann holte er tief Luft, duckte sich, so tief es ging und schlich über die Straße und drückte vorsichtig den Griff der Ladentür nach unten.

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    Hanks Elektrovorrat • Ein Faden der Ariadne

    Tobias drückte die Klinke mit aller Bedächtigkeit der Welt nach unten. Es gibt so eine Art, da knackt es nicht einmal. Denn die Feder, die das Schloss spannt, gibt eben langsam nach und so kann ein Stück Metall mit dem sinnigen Namen Falle eben auch langsam zurück. Man muss dabei die Klinke unten halten und kann die Tür aufziehen. Tobias war sich bewusst, dass er mit der gleichen Geschwindigkeit für den Türgriff die Zeit verstreichen lassen sollte. Dann war der Laden zu Hanks Elektrovorrat, so wurde das Gebäude im PipBoy angezeigt, soweit offen, dass man hinein konnte. Aber der junge Mann tat es nicht. Er erhob sich auch nicht aus seiner Hocke. Er behielt sogar die Hand an der Tür, obwohl er loslassen konnte.

    »Mist«, murmelte er. Dieses knappe Wort kennzeichnete dass, was er sah, was er verarbeitet hatte und zeigte auch, wie es weitergehen sollte. Zurück konnte er nicht. Er wollte den Ionentauscher. Da stand er bei Walter im Wort. So schaute er auf einen gespannten Faden, der den gesamten Türrahmen durchlief und in seiner Kopfhöhe irgendwo hinter der Tür an der Wand befestigt war. Neben diesem Bild drangen Geräusche aus dem Gebäude. Die, was der Faden bereits ausschloss, nicht von einem Kundengespräch stammen sollten. Es hörte sich eher an wie ein … ja wie ein Saufgelage. Klirren von Glas, derbe Sprüche, das Glucksen der Luft, wenn einer eine Flasche so in einem Zug austrinkt und etwas Streit schien auch dabei zu sein. Tobias schaute unter dem Faden vorsichtig in den Raum, der eigentlich die Regale mit den Waren beinhalten sollte, hindurch. Er sah links an der Wand auf eine Flinte. Um es genauer zu sagen, es war ein verrostetes altes Stück. Für Schrot gedacht und auf nächster Entfernung eingesetzt verheerend in der Wirkung. Nicht nur von der Trefferwirkung, nein, auch von dem Stoß an Energie, die sich auf den Beschossenen entlud. Diese schlecht gepflegte Waffe hatte einen trommelähnlichen Unterbau, das Magazin. Diese auch als Kampfflinte bezeichnete Schusswaffe konnte mehrere Schrotpatronen in rascher Folge verschießen und hatte somit eine extreme Wirkung auf kurze Distanz.

    Tobias wusste, um was es ging, als er nach oben griff. Ihm war klar, dass das Auflösen der Falle an der Eingangstür nur der Beginn war zu etwas, dass er nicht im Geringsten abschätzen konnte. Aber es juckte ihn und er wollte sich beweisen. So sicherte er die Flinte, löste den gespannten Faden vom Abzug und nahm das Schrotgewehr aus seiner primitiven Holzhalterung aus der Wand. Er lehnte vorsichtig dieses verrostete Stück an die linke Innenwand und wagte die zwei, drei Schritte in den Verkaufsraum. Dann zog er auf die gleiche Weise, wie er die Tür geöffnet hatte, diese zu sich heran und zog sie in das Schloss. Als er den Widerstand der Türzarge spürte, gab er behutsam der Klinke nach. Diesmal gab es einen Geräusch. Einen sehr leisen Klick, aber für ihn dröhnte es in den Ohren. Seine Nerven waren auf das Äußerste angespannt, er fühlte sich eigentlich bereit.

    »Doch wie viele sind es?« diese Frage bohrte in seinem Kopf richtige Tunnel. Er beschloss sich zuerst an die Umgebung zu gewöhnen. Denn es war in dem Raum nicht sonderlich hell. Zu dem lagen an vielen Stellen zerbeulte Büchsen, Inventar aus den Regalen, ein Toaster war auch dabei und irgendwo hörte er zu dem Three Dog seine Texte runterrasseln. Irgendwo musste hier ein Radio laufen, welches GNR spielte. So nahm er die angelehnte Waffe mit und wollte zum nächsten Regal schleichen und sah sich urplötzlich vor einem Kerl mit hochstehenden Haaren, miesen Klamotten.

    »Wen haben wir denn da?«, hörte er. Das Hören, Aufstehen, dem Gegenüber mit dem Gewehrlauf in der Hand den Kolben über den Schädel ziehend war eine sehr flüssige Bewegung. Sie war auch gut konditioniert. Denn der andere flog in einem guten Bogen, nach dem es ihn quasi aus den Schuhen gehauen hatte, in das Regal, zu dem Tobias wollte. Er kam noch zu einem Schrei, mehr aber nicht. Tobias warf den Rest der Kampfflinte zur Seite. Denn der Schlag hatte an dieser wirklich sehr schlecht gepflegten Waffe den Kolben aus seiner Arretierung gerissen.

    Das Folgende waren Bruchteile. Sekundensplitter, die man nie vergisst. Die einem wie Stunden vorkommen. Eine ewige Zeit. So verhält es sich auch. Es geschieht etwas, aber das sehr, sehr langsam. So ist das Empfinden. Die Wirklichkeit kennt nur eine Zeit. Aber das war bei Tobias nicht so. Er sah diejenigen, die an dem Gelage teilnahmen. Diejenigen, die jetzt Hanks Laden als ihr Quartier ansahen. Dieser kurze Blick reichte für ein Wort: »Raider!« Dieses Momentum reichte aber auch, um zu erkennen, wie einer von diesen Burschen einen Raketenwerfer von der Schulter holte. »Himmel!« Dann versuchte Tobias eine Sprungrolle. »Weg! Nur weg!« könnte einer seiner Gedanken gewesen sein.

    Peeennng!!!

    Ohrenbetäubend krachte das Geräusch durch alles. Die Druckwelle lies das Gebäude erzittern. Regale kippten, Glassplitter schwirrten durch die Luft, weitere Regale fielen um. Der Knall fraß sich auch in Ohren und Körper. Und er war viel zu gewaltig für eine Rakete, die in einem kleinen Raum abgefeuert wurde und in dem nächsten einschlug. Dann war Ruhe. Wirkliche Ruhe. Selbst GNR spielte nicht mehr. Kein Raider-Gequatsche, nichts. Einfach Stille. Nur Rauch und Qualm blieben, ein Nebel erster Klasse.

    Herrschte Totenstille?

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    Es hatte alles so harmlos angefangen. Redmond, Mike und ich hatten an diesem Tag eine verlassene Farm in der Nähe von Goodsprings von Rad-Kakerlaken gereinigt und uns dort eingerichtet.

    Wir hatten vorgehabt hier einige Tage zu verbringen, nachdem wir in der Mojave mit einigen Raidern aneinander geraten waren. Während Redmond die Kakerlaken aufspießte, damit sie über dem Feuer kross werden konnten, hatten sich die Umrisse des Händlers und seines Brahmin in der vor Hitze flimmernden Luft abgezeichnet.
    Man konnte weit sehen in Mojave und es dauerte eineinhalb Stunden bis er schließlich in Rufweite war. Mike, der alte Spinner, hatte ihn, die ganze Zeit über, durch sein Fernglas beobachtet, nur um Redmond und mir zu verdeutlichen, das ER der alleinige Herrscher über eben dieses Fernglas war.
    Die ganze Zeit.

    Naja, immerhin war er es auch gewesen, der sich dafür eine Schrotladung eingefangen hatte. Seine Plattenweste hatte das meiste zwar abgefangen, aber er hatte dennoch eine angeknackste Rippe davon getragen.

    Auf jeden Fall war es Mike, der den alten Kerl heranwinkte. Er war sonnenverbrannt, faltig und abgerissen, aber er hatte allerhand Nützliches dabei und wir hatten – für unsere Verhältnisse – ziemlich viele Kronkorken, die wir den Raidern abgenommen hatten. Ich meine, im Grunde waren wir nicht viel besser als dieses Pack, aber in unseren Köpfen bestand dennoch ein Unterschied zwischen uns und ihnen.

    Dann, nachdem wir den Handel abgeschlossen hatten, ich hatte einige Patronen für meinen angerosteten 44er und zwei Stimpacks erstanden, saßen wir im Kreis ums Feuer, knabberten an den Kakerlaken herum und teilten uns eine Nuka.
    Wir erzählten uns dies und das. Der Händler hieß Danny Dollars, sagte er und berichtete ein wenig von seinen Reisen. Cesars Legion wäre auf dem Vormarsch, meinte er, und dass uns allen schlechte Zeiten bevor-stünden.

    Das machte uns wenig Angst. Wir alle waren der absoluten Überzeugung, bereits jetzt in schweren Zeiten zu leben, was uns die Illusion gab, dass wir richtig harte Burschen waren und es auf gar keinen Fall schlimmer kommen konnte.

    Heute muss ich darüber lächeln, über diese arglose Naivität.

    An diesem Abend waren meine Gedanken abgeschweift, während ich ins Feuer gestarrt und an einem Kakerlakenbein geknabbert hatte. Irgendwann stieß Redmond mich an.
    „Friss nicht zu viel von dem Zeug, sonst bist du morgen wieder völlig unbrauchbar. Hör´ lieber dem Alten zu.“

    Ja, der Alte. Er hatte einen stetigen, einlullenden Strom von Worten abgesondert mit seiner heiseren Stimme. Jetzt klinkte ich mich wieder in diesen Strom ein und hörte ihm zu.

    „ ...und diese Kerle, die sagten sie seien von der stählernen Bruderschaft. War´n ganz in großes Stahlzeug gehüllt und ihre Stimmen waren ganz komisch wegen der Helme. Und ein Dreibein hatten sie dabei, einen Sentry, so hamse ihn genannt. Und so nen andren Kerl mit Gläsern auf der Nase. N‘Wissenschaftler muss der wohl gewesen sein, nechnech.
    Das war von hier aus gesehen hinter Goodsprings, in den Bergen. Würd´ ich an eurer Stelle übrigens lieber umgehen. Da is´n komischer Typ aufgetaucht, der der Sheriffsfrau zur Hand geht. Nicht ungefährlich, der Kerl. Hätte am liebsten alle meine Patronen gekauft, hatte aber nicht genug Korken....hihihi....ich bin sicher, er hat kurz überlegt, ob er mich umnieten soll, um da ranzukommen.“

    „Mann, Alter, komm lieber zurück zu den Stahlheinis. Was in Goodsprings los ist, interessiert doch noch nicht mal die Mirelurks.“

    „Nur die Ruhe. Warum ist die Jugend immer bloß so ungeduldig? Naja, die Stahlheinis ham mir auf jeden Fall nen H...“
    Er zögerte und schaute Mike argwöhnisch an.
    „...ein paar Kronkorken geboten, um auf ihr Zeug aufzupassen, während sie in diese Höhle gehen wollten. Wir haben eine ganze Weile ver-handelt, der Wissensbubi ist ganz aufgeregt gewesen. Konnts kaum abwarten. Hat ganz schön gedrängelt. Wir sind uns also recht schnell einig geworden. Sind noch nen paar Stunden gelaufen, ich und der Bubi in der Mitte, der Sentry vorne und die Stahlkerle um uns rum. Einmal ist nen Rad-Scorpion aufgetaucht, aber der Sentry hat ihn vor uns allen entdeckt. Das war der Wahnsinn, wie der das Vieh gegrillt hat, sag ich euch!“

    Er nahm grinsend einen Schluck aus der Flasche, die wir kreisen ließen.

    „Als wir dann bei der Höhle angekommen sind, ist das Sentry-Ding auf Wache und wir haben unser Lager aufgeschlagen. Der Bubi hat gedrängelt, wollte unbedingt gleich reingeh´n in die Höhle. Aber der Chef von den Stahlburschen wollte, dass wir bis zum Morgen warten.
    Hat dem Bubi nicht gepasst, gar nicht. Die ham dann geflüstert miteinander, und irgendwann ist der Bubi laut geworden. Hatte wohl mehr zu sagen als der andere. Die haben dann noch zwei Türme aufgestellt, ihr wisst schon, die mit den Bleispritzen drauf und dann sind sie rein.“

    Redmond, der gerade an der Reihe war, setzte die Flasche an, schluckte und schüttelte sich anschließend. Dann wandte er sich an den Alten.

    „Und was ist dann passiert? Sag schon!“

    Dollars kicherte heiser. „Was dann passiert ist? Nichts. Nichts ist pas-siert. Rein gar nichts. Ich warte einen Tag. Ich wartete zwei Tage. Am dritten Tag haben die Türme ein paar Cazadore aus der Luft geschossen, aber ich hab mich nicht hingetraut, um mir das Fleisch zu schnappen. Ich mag die Dinger nicht, also die Türme. Man kann nie wissen, was die denken. Am vierten Tag hat sich auch nichts getan. Am fünften ist mir langsam das Essen ausgegangen. Ich hab mich dann aufgemacht, habe meine braves Brahmin beladen, meine Gerda, und bin hinter den Türmen vorbei geschlichen. Die Kerle hatten mich nur für drei Tage bezahlt, da brauch ich mich nicht schämen. Ich bin immer an der Fels-wand lang, bis ich weit genug weg war von den Dingern und bin meines Weges gezogen.“

    Sein Tonfall machte deutlich, dass er die Geschichte für beendet hielt. Mike passte das ganz und gar nicht.
    „Und dann? Komm, sag schon!“
    Redmond fuhr ihn maßregelnd an.
    „Mike, du Strahlhirn, Du hast nicht verstanden was er uns sagen will, oder? Mann, die sind tot! Die sind tot, und ihr ganzer Kram liegt noch da rum! Power-Rüstungen! Ein Sentry-Bot! Zwei autonome Geschütztürme! Damit könnten wir uns etwas aufbauen! Er...“

    Redmond nickte in meine Richtung.

    „...kann die Dinger hacken! Das alles kann uns gehören! Was wir damit anstellen könnten! Denkt doch mal nach! Wir könnten uns einen guten Ort suchen und ihn sichern. Endlich leben, ohne Angst vor Raidern, Ghulen oder Rad-Zeuch haben zu müssen!“

    Die Leidenschaft, die er in seine Worte legte, überraschte mich nicht, er war des Umherziehens schon eine Weile müde, das wusste ich. Und jetzt, als er das alles laut aussprach, merkte ich, dass es mir genau so ging. Eine eigene Siedlung. Wäre das nicht großartig?
    Aber da war ein Haken, ein klitzekleiner.
    Mike sprach aus, was ich dachte.

    „Und warum, Redmond, glaubst du, verdammtes Atom nochmal, dass das, was drei Typen von der Stählernen Bruderschaft umgebracht hat, nicht auch uns umbringen könnte?“

    Die Worte hallten lange nach in unserer kleinen Runde und am Ende war ich es, der wieder das Wort ergriff.

    „Das ist schon ein Punkt, Mike, aber auf der anderen Seite: wie lange willst Du denn noch planlos durch die Mojave ziehen? Soll das denn wirklich alles sein, was es für uns gibt? Uns mit Raidern anlegen, Kakerlaken fressen und von Tag zu Tag leben? Diese Ausrüstung ist mit Kronkorken oder Patronen nicht aufzuwiegen. Wir könnten ein Gebiet sichern, Essen anbauen. Leute würden zu uns kommen und bei uns wohnen wollen. Frauen. Kinder. Wir könnten ihnen Schutz bieten. Endlich mal ein halbwegs anständiges Leben!“

    Ich hatte Feuer gefangen.

    Wir haben an diesem Abend noch eine ganze Weile diskutiert, aber schließlich konnten wir Mike überzeugen. Der Alte lächelte verschmitzt, als wir ihn baten, den Weg zur Höhle ein weiteres Mal zu beschreiben.

    Ich war mir sicher, dass er eine Sekunde lang überlegte, ob er uns für die Informationen weitere Kronkorken abluchsen sollte, aber dann schien er sich daran zu erinnern, dass wir ihm unser Geld schon beinahe restlos ausgehändigt hatten und ließ es gut sein.

    Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg.

    Die Temperatur, die über Nacht empfindlich gesunken war, stieg zu-sammen mit der erbarmungslosen Sonne bald in schwindelerregende Höhen. Der alte Händler hatte noch ein paar Tage in dem Haus bleiben und sich ausruhen wollen. Dann würde er nach New Vegas aufbrechen, nach New Vegas, wo es Klimaanlagen und fließendes Wasser gab. So ein Weichei, dachte ich, aber ich verzieh es ihm sogleich aufgrund seines Alters. Sein Brahmin sah nicht viel besser aus als er und ich nahm mir vor den beiden die Daumen zu drücken.

    Wir umgingen Goodsprings, so wie der Alte es uns geraten hatte. Hätten wir sowieso getan, denn es gab Gerüchte über Pulverbanditen, die sich dort herumtreiben sollten. Nicht dass wir Angst vor den Kerlen gehabt hätten, wir doch nicht, aber wir wollte auch keinen Ärger riskieren, nicht so kurz vor einem Jacken-Pot.
    Am späten Nachmittag kamen wir an den Bergen westlich von Goods-prings an und arbeiteten uns in Richtung Norden voran.
    Aufgrund unserer Handelstätigkeiten waren wir etwas schwerer beladen als sonst. Deswegen kamen wir nur recht langsam vom Fleck.
    In der ganzen Zeit, in der wir einen Fuß vor den anderen setzten und hin und wieder eine Pause einlegten, redeten wir kaum. Jeder von uns schien seinen ganz eigenen Gedanken von Ruhe und Wohlstand nachzuhängen.

    Es war Redmond, der den Todeskrallenschädel entdeckte, den Dollars uns als Wegmarkierung genannt hatte. Das untere Drittel des ausge-bleichten und vom Wüstensand und den Jahren glatt geschmirgelten Gebeins schien fest mit den Felsen verwachsen zu sein, aber es schüttelte mich trotzdem, als wir daran vorbeigingen. Das Vieh musste zu seinen Lebzeiten gigantisch gewesen sein. Wer es wohl getötet hatte?

    Mike blieb stehen und suchte mit seinem Fernglas den Hang über uns ab. „Ich sehe die Geschütztürme und das Zelt, dass sie aufgebaut haben. Wir müssen jetzt ganz nah an den Felsen bleiben und uns von der Seite nähern, sonst zersieben die Dinger uns.“
    Ich folgte seinem ausgestreckten Zeigefinger. Ja, da oben war ein metallischer Lichtreflex zu sehen.
    Das mussten sie sein. Ich hoffte nur, dass es mir wirklich gelingen würde, die Türme zu hacken.

    Als wir auf zwanzig Meter herangekommen waren, konnten wir bereits leise das bedrohliche Summen und Fiepen ihrer Servo-Elektrik hören.
    Sie waren aktiv, scannten die Gegend und suchten nach Zielen.
    Ich riss meinen Blick von dieser Gefahr los und lenkte ihn auf den, sich direkt unterhalb der Waffentürme befindenden, Pfad.
    Inzwischen lagen dort noch mehr tote Rad-Viecher herum, als nur die, von denen der Alte erzählt hatte und auch wenn es hauptsächlich Blähfliegen waren, verstanden wir diese Tatsache als Warnung.

    Das würde kein Spaziergang werden.

    Wir schlichen im Gänsemarsch und dicht an den Felsen gepresst weiter. Mit einem Mal kam mir die Idee, den Worten von Mister Dollars zu vertrauen, nicht mehr besonders klug vor. Selbst, falls sie hundert-prozentig der Wahrheit entsprachen, konnten wir nicht sicher sein, uns wirklich außerhalb des Bereiches zu befinden, den die beiden Türme sicherten.

    Das Summen ihrer Elektrik wurde immer lauter.

    Da! Der Lauf der Minigun, die uns am nächsten war, begann sich in unsere Richtung zu drehen!

    Als uns nur noch zehn Meter vom provisorischen Camp der Stahl-brüder trennten, löste sich ein Stein unter Redmonds Stiefel und polterte den Abhang hinunter.
    Redmond nuschelte einen Fluch in sich hinein und die Türme reagierten sofort.
    Wieder surrten die Servos, die Läufe der Miniguns begannen zu rotieren und spuckten unter höllischem Getöse einen Bleihagel in Richtung des kullernden Steins.

    Das war unsere Chance. Wir rannten die letzten zehn Meter und dann waren wir endlich raus aus der Gefahrenzone, endlich hinter den Läufen der autarken Waffensysteme.
    Mike trat an eine von ihnen heran.
    „Die Munitionsgurte sind noch beinahe voll!“
    Ich zeigte ihm den Daumen nach oben, während ich nach dem Kontrollterminal suchte. Neben mir mühte Redmond sich mit einer Haarnadel, von denen er immer einige mit sich herumtrug, und einem Schraubenzieher am Schloss einer großen Ausrüstungstruhe ab, auf die in militärisch wirkenden Lettern „Bruderschaft des Stahls“ geschrieben stand.

    Endlich fand ich das Terminal. Es stand unter einer Zeltplane, die sie mit ein paar Teleskopstangen aufgespannt hatte, auf einem Klapptisch. Ich ging hinüber und schaltete es ein. Die Sicherheitsabfrage war nicht einfach zu knacken, aber dennoch schaffte ich es beim zweiten Versuch und dann flackerte das Befehlsmenü in grünen Buchstaben vor meinen Augen.


    TURMSTEUERUNG
    SENTRY-BOT STATUS
    EXPEDITION XM9T/73 AUFTRAGSPARAMETER
    PERSOENLICHES LOGBUCH QUENTIN DAWSON


    „Soll ich die Türme abschalten, oder wollen wir damit warten, bis sie wir wieder aus der Höhle raus sind?“
    Mike und Redmond, der den Deckel der Truhe nach oben klappte, sahen sich an.
    „Schalte sie ab. Wär´ doch schade wenn sie leer geschossen wären, wenn wir zurück kommen“
    Ich tat es und bewegte danach den Cursor auf SENTRY-BOT STATUS, um zu sehen ob der mobile Roboter noch funktionstüchtig war.

    „Das Dreibein ist offline. War zuletzt auf den Scout-Modus geschaltet. Sie haben den Sentry als Vorhut benutzt.“
    „Ist er zerstört? Kam es von Redmond.
    „Weiß ich nicht, kann auch sein, dass einfach nur die Verbindung abgebrochen ist. In diesem Fall wäre er immer noch im Scout-Modus und könnte nur direkt gehackt werden.“
    „Das hieße aber, dass du nahe ran müsstest, richtig?“
    „Richtig“
    Wir alle wussten was das bedeutete. Es war fast unmöglich, so nahe an einen Sentry-Bot heran zu kommen, dass man Zugriff auf die Direktsteuerung hatte. Und sehr gefährlich.
    „Ist da noch was?“
    „Ja, warte mal.“

    --------------------------------------
    Die komplette Version gibt es hier: https://goo.gl/ak74db als kleines .Pdf zum Download.

    Ich hoffe ihr habt Spaß daran ! :-)
    gbruckmann ist offline

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    Hanks Elektrovorrat • Knirschen der Zähne

    Ein Knistern füllte den Raum. Es rührte von einem Kabel, dessen Enden durch das Wippen einer nicht vollständig abgerissenen und durch die Wucht der Detonation noch pendelnden Deckenlampe, sich periodisch berührten. Weil noch stromführend erzeugte dieser Wust aus Seele und Drähten eben dieses Geräusch mit gleichfalls bläulichen Blitzen.

    Tobias hörte zuerst dieses elektrische Brennen und weil er die Augen geschlossen hatte, war der Lichtschlag über ihm gedämpft. Er wusste nicht, wie lange er so in ein Regal geschleudert in dem Raum gelegen hatte. Er hörte aber nichts anderes. Kein Stöhnen, keine Rufe, keine Schritte … nichts, außer dieses Prasseln aus dem Kabel. Doch er wusste noch nicht das Geräusch zuzuordnen, weil er seine Augen noch nicht geöffnet hatte. Der Kopf tat ihm erstaunlicherweise nicht so direkt weg. Gut, seine Körper hatte die Wucht der Druckwelle zu spüren bekommen. Aber auch den Einschlag in die diversen Gegenstände und Regalbretter waren immer noch spürbar. Zumal sein Gewehr quer über seinen Rücken noch dazwischen kam und so ebenfalls für ihn wahrnehmbar war.

    Aus irgendeinem Grund wollte er die Augen nicht öffnen. So begann er vorsichtig seine Finger zu bewegen; zuerst die eine und dann die andere Hand. Er spürte sie. Denn versuchte er mit seinen Zehen in den Stiefeln zu wackeln. Das ging nicht so, wie er sich das gedacht oder erwartet hatte. Er konnte die Zehen bewegen. Aber irgendwie kann dabei man seine Beine ja nicht so starr halten, wie es gedacht ist. Doch das rechte Bein saß fest. Ein vorsichtiges Drehen in die eine oder andere Richtung, nur so ein Tippen, wurde blockiert. Aber er spürte keinen Schmerz. Trotzdem wollte ein Fluch über seine Lippen. Denn »schluckte« er gekonnt weg und biss dabei fest die Zähne zusammen.

    Es knirschte. Er spürte den Sand im Mund. Es war ihm zu viel. Er öffnete die Augen und sah nichts. Schrecken bohrte durch sein Gehirn. »Verdammter Mist, warum sehe ich nichts?«, dass war eine von den Fragen, die durch seinen Kopf rasten. Dann fasste er mit seiner rechten Hand in das Gesicht. Es war ihm jetzt das Sehen wichtiger, als die Gefahr, dass jemand nur darauf wartete, dass er sich bewegen würde. »Nimm die Brille ab«, sagte ihm sein Kopf, nach dem die Hand diese erfasst hatte. Es war eine gute Sonnenbrille, die er so aus Daffke, rein so zum Spaß, um eben richtig cool auszusehen, ständig trug. Diese abgenommen, verbesserte sich das Bild. Es hing eine Staubwolke in dem Raum, die zu dem Geschmack und dem Knirschen zwischen seinen Zähnen passte. Er sah die hängende Lampe, die das Knistern in ihrem Schwingen verursachte. Dann schaute er eher zögend nach unten zu seinem Bein …

    »Verdammter Mist«, fluchte er erneut, als er das Rasenmähermesser aus seinem Bein ragen sah. Zumindest war es durch die lederne Beinbekleidung gefahren und hatte sich gut im Boden von Hanks Laden verrammelt. Weil er Handschuhe trug, griff er danach und zog. Er hatte seine Kraft nicht gut dosiert und krachte erneut mit Gewehr und Rücken in das hinter ihm liegende Regal oder das, was es einmal gewesen war. Dann schaute er sich das Hosenbein näher an. Es war schon ein größerer Schlitz und sein Bein war auch betroffen, aber es floss kein Blut. »Merkwürdig«, murmelte er und griff mit der Hand durch den Schlitz in der Hose. Er erstarrte. Er blieb regungslos. Hinter dem, was sich in der Hand wie Haut anfühlte, was er auch vom Waschen in dem Gemeinschaftsraum kannte, ja dahinter, fühlte er Metall. Das verstand er nicht und verlor in dem Erschrecken, welches mit ansteigender Erkenntnis wuchs, erneut das Bewusstsein.

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    Hanks Elektrovorrat • Verdrängung

    Als Tobias erneut zu sich kam, war er wie ausgewechselt. Er stellte an der Lampe fest, dass er doch für mehrere Stunden nicht seiner bewusst gewesen war. Denn die Deckenbeleuchtung hatte sich ausgependelt und das Knistern der zusammenschlagenden Kabel war sehr selten geworden. Mühsam erhob er sich aus dem Regal, in welches ihn die Detonation geschleudert hatte. Er schaute nur kurz nach unten, als er wieder auf seinen Füßen stand. Mit seinem Bein oder was es war, wollte er sich später beschäftigen. Wie auch immer, er wusste, dass er allein in dem Anwesen war. Er nahm trotzdem seine Waffe vom Rücken. Das Fernglas saß noch auf der Halterung und die beiden Abdeckklappen hatten die Optik vor dem Gröbsten geschützt. Er stieg über den Raider, den er den Holzkolben der Kampfflinte über den Schädel gezogen hatte. Dann sah er in einem der nächsten Regale, die alle schräg aneinander lagen, oben mehrere Radios. Aber der Griff zu den Drehknöpfen hatte das gleiche Ergebnis wie bei Manya. Die Geräte blieben stumm. Er ersparte sich den Fluch. Er hatte mit dem Ergebnis gerechnet. Aber hin greifen kann man ja mal, hatte er sich gedacht. Trotzdem schwang ein wenig Enttäuschung mit. Sie war von Radio zu Radio angewachsen.

    Dann kam er in den nächsten Raum, von dem aus früher sicherlich verkauft worden war. Die Gittertür stand offen. Durch diese war auch die Rakete geschossen worden. Der Träger des Raketenwerfers und noch drei weitere Kumpane lagen in der Mitte des Raumes. Eine offene Klappe eines Herdes zeigte Tobias an, was hier genau abgelaufen war. Vermutlich hatten sie diesen nutzen wollen, waren aber nicht mit den Einstellungen zurechtgekommen. Er sagte nur: »Gas!« Dann ging er weiter. Obwohl er gutes Schuhwerk anhatte, schaute er, wohin er trat. Das Knirschen gebrochenen Glases, sei dieses nur von Flaschen oder einem Schrank, lies ihn vorsichtig gehen. Ein Werkzeugschrank enthielt nicht das, was er suchte. Denn er sollte ja für Walter einen Ionentauscher mitbringen. Das Geld wäre bei dem Zustand des Ladens ja zu sparen, aber in dem Metallschrank fand sich keiner. Auch nicht hinter der Werkbank, wo er ein weiteres Regal ausmachte. Dagegen fanden sich mehrere Munitionskisten. Dabei auch das Kaliber, welches er für sein Gewehr gebrauchen konnte. Tobias war sehr praktisch eingestellt. Dieser Zufallsfund war sein Geld wert, er hatte einen Nutzen und fast sah es so aus, als wenn ein Lächeln über sein Gesicht huschte.

    Der letzte Raum war eigentlich von dem Verkaufsraum abgetrennt worden und musste mal eine Art Büro gewesen sein. Zu mindestens deutete der PC, der erstaunlicherweise noch funktionierte und ein Safe, darauf hin. In dem Speichermedium fand sich, nach dem er die Sperre der Raider geknackt hatte nichts weiter nützliches. Vieles war gelöscht oder beim ersten Hackversuch beschädigt worden. Ein paar Lieferlisten sah er noch, aber dort war auch nicht der Ionentauscher vermerkt. »Ob Walter sich geirrt hatte?«, fragte er sich. »Ach, er wird es schon wissen …«, murmelte Tobias so vor sich hin. Denn er war schon längst bei dem Tresor, den die Raider hatten nicht öffnen können. Ein paar Schmauchspuren und Kerben von Axthieben zeigten, mit was für Mitteln sie an die Beute gelangen wollten. Er musste grinsen, als er mit einer Haarnadel und einen Schraubenzieher nach mehreren Versuchen das gute alte Ding öffnete. Ob er enttäuscht war, als er den Inhalt sah? Viel war es nicht, was man heute brauchen konnte. Die 32-mm-Pistole nebst zwei Schachteln an Munition konnte man verkaufen. Das Geld aus der Vorkriegszeit auch. Der Papierkram, Besitzurkunde und so ein Zeug, wer wollte heute solche Dinge. So schloss er den Safe und dachte nach. Was war als Nächstes zu tun? Wo sollte er das Ersatzteil für Manyas Radio und den Ionentauscher herbekommen?

    So holte er seine alte, vergilbte Karte von den Vororten von DC aus seiner Beintasche. Diese Karte hatte er bei sich getragen, als er wieder aufwachte. Besser, er hatte in die Augen von Doc Church gesehen und anschließend war diese Karte in seinen Habseligkeiten gewesen. So gesehen betrachtete er sie als seine. Zumal die Beschriftungen auf der Landkarte ja eindeutig seine Handschrift waren. »Meresti … ja der Meresti-Güterbahnhof … eventuell hat Karl, ja was ich suche«, sagte Tobias, als er das ehemalige Büro in Hanks Laden verlies.

    Doch zuvor schaute er bei den Raidern nach, was diese so bei sich hatten und was sich als brauchbar erweisen konnte. Anschließend wollte er sich sein Bein ansehen. Sein Rechtes, um es genau zu beschreiben. Denn er hatte die Tatsache, dass er, als das Rasenmähermesser wieder entfernt war, auf Metall gegriffen hatte nicht vergessen. Er hatte es nur für den Moment verdrängt.

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    Hanks Elektrovorrat • Weitblick

    Die Raider hatten nicht das dabei, was Tobias sich erhofft hatte. Statt Stimpak war es Jet, statt unverstrahltem Wasser war es Whisky, statt einer guten Motorradbrille fand er einen Raider-Blastmasterhelm. Das ist so eine Kombination aus Feuerwehrhelm und Gasmaske. Zu dem wollte er sich nicht mit deren Rüstungen abschleppen. Sie waren schwer, brachten aber bezogen auf ihr Gewicht wenig Geld. Wer kauft schon Dinge, die vielleicht auch Untote getragen hatten.

    Wie er sich auch anstellte, in seinem Kopf arbeitete es. »Schau Dir jetzt das Bein an!«, wummerte es dort. Aber aus irgendwelchen Gründen fand er immer wieder etwas Neues. Etwas, was noch zu prüfen war. Etwas, wo es galt Munition zu verstauen. Etwas, einfach …

    Doch dann konnte er es nicht umgehen, nicht mehr verhindern. Die innere Stimme hatte gewonnen. Er stellte sein Bein auf die Werkbank. Es kam damit in eine angewinkelte Position, während das andere ihm den Halt gab. Wie er so an seine Beinbekleidung griff, schaute er unwillkürlich mehr nach vorn, als nach unten. Er sah eine Stufe aus Metall. »Holt Euch der Donner!«, sagte er laut. Damit er zu dieser angeschweißten Metallstrebe fassen konnte, mussten beide Beine gut auf dem Boden sein. Nichts tat er lieber. Er hatte doch noch einen Ausweg gegen seine innere Stimme gefunden. Aber es wuchs zugleich etwas in ihm, was man auch als schlechtes Gewissen bezeichnen konnte. Doch das war jetzt egal. Die Stufe war aus Moniereisen, stammte also aus einer Bautätigkeit. Er griff hin und alles fühlte sich solide an. Sein Blick folgte der nächsten, der nächsten und der nächsten. Es war eine Treppe, die nach draußen führte.

    Er erinnerte sich, dass er beim Ankommen gemeint hatte, einen Schatten auf dem Gebäude gesehen zu haben. Diese Erinnerung versetzte ihn aus dem Nichts in eine helle Aufregung. »Sollten auf dem Dach auch noch Raider sein?«, fragte er sich selbst. Nach einer Weile folgte ein »Nein!« Denn die wären ja nach der Explosion längst unten gewesen. Das stimmte zwar, beruhigte ihn aber nicht. Denn direkt nach der Explosion konnte er nicht sagen, was in den Räumen von Hanks Elektrovorrat tatsächlich angelaufen war. Ihn hatte es ja in eines der Regale geschmissen und er war ohne Besinnung. Aufgrund des Staubes, der alles überzogen hatte, er erinnerte sich an das Knirschen in seinen Zähnen, hatte er so ausgesehen, wie alle anderen. Die Waffe auf seinen Rücken war nur in Teilen zu sehen. Zumal aus diesem nicht darauf zu schließen war, dass das Gewehr mit einem Zielfernrohr verbessert worden war. Es war also gut möglich, dass da einer oder mehrere auf dem Dach gewesen waren.

    Er nahm sich vor vorsichtig zu sein. Dann begann er die Stufen mit seinen Händen zu erfassen, schaute sich noch einmal um und kletterte dann strebig die Leiter nach oben. Tatsächlich! Oben war eine Dachluke. Er öffnete diese so langsam, wie er konnte. Sie gab kein Geräusch und er war auf dem Dach. Er ging in die Hocke und schob seine Füße Stück für Stück in Richtung Mauer, die das Gebäude an dem rückseitigen Parklatz begrenzte. Er musste aufpassen sich durch Geräusche nicht zu verraten. Leere Flaschen, meist irgendeine Alkoholsorte, verbeulte Büchsen, aber auch noch volle Bierflaschen lagen auf dem Dach herum. Das war mit Sicherheit nicht Hank gewesen, dachte er sich. Aber es war niemand auf dem Dach und es gab auch keine Fallen, die das Dach sicherten.

    Es wurde ihm erst langsam bewusst: Es dämmerte. Er zwang sich ruhig zu bleiben. Hier bleiben wollte er nicht und konnte er nicht. Denn möglicherweise kamen die, die auf dem Dach waren, in den Abendstunden zurück. Aber der Weg nach Megaton war zu weit, um rechtzeitig vor dem einbrechenden Abend noch dort anzukommen. Im Dunklen wollte er aber nicht reisen. So lief er behutsam an der Dachkante in gebeugter Haltung entlang. Da war der Lebensmittelhändler, die Metro selbst. Aber nichts für ihn. Es war zu unsicher. Dann sah er, als er an der Wand des Eingangsbereiches angekommen war einen Funkmast. Dieser war sehr hoch und konnte gut zur Orientierung diesen. Warum ihn die Örtlichkeit bekannt vorkam, wusste er nicht.

    Aber er erinnerte sich …
    -.-. --.- -.-. --.- -.-. --.- -.. . / --- - --- - --- - -.-
    ... Oscar Tango ...
    wenn doch dieses Hämmern im Kopf nicht ab und zu aufflammen würde

    … und ihm kam Kanaldeckel in der Nähe des Funkmastes in den Sinn. Dort konnte er unterkommen. Dieser war über die Nacht zu sichern.

    So machte er sich wieder daran vom Dach zu kommen und das Begutachten seines Beines war erst einmal verschoben. Er störte ja nicht. Schmerzen hatte er auch nicht und so hob er vorsichtig die Luke zu Hanks Elektrovorrat an.

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    Hanks Elektrovorrat | Metrostation Jury Street • Feuer

    Mit der Erinnerung an den Funkmast »Oscar Tango« und den Räumen, die in seiner Nähe über einen Kanaldeckel zu erreichen waren, kletterte er die Leiter in Hanks Laden herunter. Zu normalen Zeiten wäre er einfach nach dem Schließen der Luke gesprungen. Doch diesmal wollte er es nicht. Zum einen wusste er ja noch nicht, was mit seinem Bein war. Er wollte jetzt, wo es ohne Schmerzen war, kein Risiko eingehen. Dann hasste er Staub. Den würde es geben. Denn wenn er so mit beiden Beinen aus gut drei Meter Höhe auf dem Fußboden des Ladens landete, würde alles aufgewirbelt. Das lag an der doch heftigen Detonation aus diesem Gasgemisch. Der eigentliche Grund für »Ich will leise sein«, war der Verdacht oder eine Vermutung, dass erneut Raider in dem Gebäude sein könnten.

    Er kam gut in dem Lagerraum herunter. Ein wenig blieb er in der Hocke. Das einzige Geräusch war dieses Überschlagen der elektrischen Energie aus dem Kabel an die Lampe, die davon immer etwas pendelte und einen Blitz erzeugte. So bewegte er sich langsam vorwärts. Er hatte hier alles abgesucht. Seine Aufmerksamkeit lag an der Tür. Im Verkaufsraum angekommen schaute er trotzdem noch einmal auf die kunterbunt durchgewirbelten Radios. Ein Kopfschütteln begleitete die Suche. Es waren leider alle defekt, nicht mehr zu gebrauchen. Er drehte sich um und hielt inne. Er nickte dann, öffnete den Sicherungskasten und schraubte alle aus ihren Fassungen. Abbrennen sollte das Gebäude ja nicht. Die Sicherungen nahm er mit.

    Draußen auf der Straße angekommen blieb er in der Hocke. Er musste sich sputen, denn die Dämmerung war nur kurz und es konnte schlagartig Dunkel werden. Er wollte hier in Jury Street mit seiner Metrostation nicht mehr herumsuchen. Der Weg sollte kurz sein. Rechts vorbei am zerstörten Bistro »Dot’s Dinner«, dann die Straße entlang auf den Funkmast zu. Dieser war üblicherweise von einem hohen Zaun umgeben. Es gab nur wenige Häuser auf dem Weg dorthin. »Es sollte schnell gehen«, dachte er oder zumindest war sein Wunsch so gewesen.

    Ein Rascheln lies ihn anhalten. Irgendetwas huschte durch das tote Gestrüpp, krabbelte über herumliegende Autoreifen, eilte unter umgefallene Wände. »RAD-Kakerlaken«, schoss es durch seinen Kopf. Er hasste diese Dinger. Sie waren bisweilen klein, es gab auch Größere. Sie waren schnell und konnten zu dem auch noch gut springen. Er war schon im Begriff aus seiner Beute zu einem Baseballschläger zu greifen. Meist reichte so etwas aus. Und er sparte gern an der Munition, als er etwas Rötliches dabei sah. »Verdammt, verdammt«, fluchte er in sich hinein und sah zu, dass er ein paar Meter zurückkam. Doch das ist in einer Hocke nicht so einfach getan, wenn man sich nicht umdrehen will. Als er sich dann im Abstand sicher fühlte, nahm er sein Gewehr und entfernte die Schutzkappen von Zielfernrohr. In diesem waren fluoreszierende Linien eingebracht, die ein wenig das Sichtfeld erhellten. Jetzt in der Dämmerung sah er ganz passabel. Er hatte so etwas noch nicht gesehen. Eine der Kakerlaken war rötlich, die Farbe verlief in Teilen, je nach Bewegung bis ins Gelbliche. »Was ist dass denn?« mischte sich mit dem Betätigen des Abzuges. Klar hatte er getroffen, aber er jubelte nicht. Er setzte sich einfach auf seinen Hosenboden und war platt. Was für eine fatale Sache wäre das mit dem Baseballschläger geworden!?

    Vor ihm war ein Feuerball aufgestiegen, circa fünf Meter hoch und hatte alles mitgenommen, was um ihn herum war. Die toten und verbrannten anderen Kakerlaken flogen durch die Luft oder fielen in einem größeren Umkreis wieder herunter.

    Er sah zu, dass er wegkam. »Die wenigen Meter, was für ein Viehzeug!«, brummelte er. Dann sah er rechts auf der Asphaltpiste, vor dem Mehrfamilienhaus, den Schachtdeckel mit der Aufschrift »SEWER«. Bei dem Gedanken »nichts wie rein« bekam er ein mulmiges Gefühl. Denn seit dem Besuch in Hanks Laden fragte er sich, ob ihn sein Glück verlassen hatte. Er beschloss vorsichtig zu bleiben, als er den Metalldeckel anhob, um in die Abflusskammer zu gelangen.

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  20. #20 Zitieren
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    Metrostation Jury Street | Abflusskammer • Wo ist das Glück?

    »Verdammte Sch …«, fluchte Tobias in sich hinein. Er war sofort nach dem Einsteigen in die Hocke gegangen, aber in der Abflusskammer nur zwei Schritte weit gekommen. Vor ihm spannte sich so gefühlte 10 Zentimeter über den nassen Betonboden der Kammer ein Draht. Dieser war kaum zu erkennen, aber noch nicht lange angebracht. Zumindest war kein Grünspan darauf, was ältere Metalle bei langer Lagerzeit im schwachen Licht und klammer Luft so anzulegen pflegten. Ein Blick an die Decke hoch hatte seinen Unmut ausgelöst und die Sorge verstärkt. Oben an der Decke hingen, an einem dünnen Faden zwei oder drei Splittergranaten. »Böse Falle!«, murmelte er und löste gekonnt den Draht. Dabei ging er mit Bedacht vor. Einfach durchschneiden, das war natürlich ein Unding in seinen Augen. Man musste den Draht schon führen, damit er nicht unter der Spannung, unter der er natürlich angelegt war, dann irgendwo an eine der Wände der Abflusskammer klatschte. Es ging nicht nur um das Geräusch, welches es zu vermeiden galt. Nein! So ein Draht konnte auch zurückschnellen und mal eins, zwei, soeben ne blöde Verletzung beifügen oder zumindest die Bekleidung beschädigen. Dann erhob er sich langsam und pflückte die Granaten von den Faden. Das erhellte beim Hinhocken kurzzeitig sein Antlitz. Es waren drei. Und Splittergranaten konnte man immer gebrauchen.

    Er versuchte sich alle Zeit der Welt zu nehmen, als er weiter ging. Eigentlich wollte er nur eine normale Matratze, um schlafen zu können. Doch das hier konnte arger ausgehen, wie in Hanks Laden. Die Kammer war in Rundungen gebaut. Mögliches Wasser sollte keinen Widerstand vorfinden, schnell, ohne Wirbel und Strudel abfließen. Deshalb war alles etwas gerundet. Die Übergänge vom Boden zu den Wänden, von den Wänden zu Decke und selbst die Gänge liefen nicht gerade zu. Das hatte sein Gutes und sein Schlechtes. Positiv war für Tobias, dass er bis zur nächsten Kurve etwas zügiger vorankam. Negativ war, dass man nichts einsehen konnte. Also nicht wusste, ob einer mit ´ner passablen Schleichfähigkeit ihn auf sich zu kommen lies. Es gab kein Zögern und Zaudern. Er wollte schlafen und er brauchte ein Bett. Warum auch immer funktionierte in der Abflusskammer eine matte Beleuchtung. Sie half ihm auch eine Metallplatte, kreisrund, auf dem Boden, mitten in einigen Unrat, der sich hier so angesammelt hatte, zu erkennen. Er schaute in den Wust aus Reifen, Fässern, Kisten und sah eine Kampfflinte auf ihn gerichtet. Diesmal verkniff er sich einen Spruch. Tobias entschärfte die Gewehrfalle und deaktivierte auch die auslösende Platte. Er ahnte bereits, wen er hier unten antreffen würde oder wer sich hier eingerichtet hatte: »R A I D E R!«, tickte es buchstabenweise durch seinen Kopf. Sie hatten vermutlich den gesamten Ort infiltriert und überall, wo es ihnen wichtig war, Fallen aufgebaut.

    Diese Fallen hatten Vorteile, aber auch Nachteile. Der Vorteil lag klar auf der Hand. Ein zufällig vorbeikommender Siedler würde in diese rennen und die perfiden Mechaniken konnten „Arbeit“ abnehmen. Nachteilig wirken sich Fallen auf das Sicherheitsempfinden aus. Besser, lang ausgelegte Fallen und deren damit verbundener Fortbestand wiegten alle, besonders diejenigen, die zur Wache einteilt waren, in Sicherheit. Da wurden die eigenartigsten Dinge getan, die eine Wache verrieten. Angefangen von einem Rauchen, weil man seine Laster nicht im Griff hatte, bis zum Quatschen mit dem Begleiter reichte oft die Palette. Tobias war froh, dass er dieses fies ausgelegte Teil in dem Müllberg entdecken und entschärfen konnte. Er fragte sich jedoch: »Wo ist mein Glück geblieben?« Dabei vergaß er völlig, dass auch zum Entdecken und Entschärfen zweier Fallen Glück erforderlich war. Doch so sind nun mal die Wasteländer. Aber wer will ihnen das verübeln?

    Dann schlich Tobias um die letzte gerundete Ecke und er erblickte ein Schott. Es war geschlossen. So ging er vorsichtig heran und lauschte. Stimmen, Prahlerei, Flaschengeklirr.

    Er war kurz entschlossen. Hatte in Sekunden einen Plan. Er wollte nicht im Schleichen die Tür öffnen und dann zurück gehen und warten, was da käme. Siedler waren es nicht, das stand für ihn fest. Also drückte er sich an die linke Seite der Wand, entsicherte eine Handgranate und öffnete quasi im toten Winkel bleibend die metallene Tür. Diese fuhr mit einem für ihn ohrenbetäubenden Lärm in die dafür vorgesehenen Halterungen zurück. In das „Hallo, Wer da?“ warf er seine entsicherte Handgranate und sah zu, dass er Land gewann. Was in der Hocke erst einmal geschafft werden sollte ...

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