Zitat von
Shepard Commander
Billiges Nikotin füllte Charis´ Lungen, brannte heiß und zwang sie zum heftigen Husten. Noch einmal versuchte sie es, sog an der Zigarette und hustete erneut. Daraufhin warf sie den brennenden Glimmstengel auf den Boden und zermalmte ihn unter dem Stiefel. „Daran werde ich mich wohl nie gehören“, sagte sie, noch immer mit dem Kratzen im Hals kämpfend, zu der Asari neben ihr. Diese lächelte rätselhaft mit blassrosa geschminkten Lippen und zog an der eigenen Zigarette. Blaue Hände, rosa Fingernägel und brennende, weiße Tabakröllchen. In dem kleinen Frachtraum war kaum genug Platz für die acht Asari-Söldner; die Luft war stickig und wurde durch das fleißige Zutun von Charis rauchender Begleiterin zusätzlich verpeste. Nervös knetete Charis ihre in Lederhandschuhen steckende Finger und bemühte sich möglichst flach zu atmen, die brennenden Augen gesenkt. „Keine Sorge, Kleine. Dir passiert schon nichts. Wir passen ja auf dich auf.“ Sensorische Musik vibrierte beruhigend die Stahlröhre in der sie auf harten Plätzen saßen, während das schnelle Angriffsschiff geschickt durch den Häuserwald Illiums jagte. Wie polierte Speerspitzen schimmerten die hohen Bauten der Asari im Licht einer aufgehenden Sonne, doch Charis sah es nicht. Sie sah nur ihre Finger und die leichte Panzerung, deren gelb-schwarzer Lack an einigen Stellen bereits abgeplatzt war – so legte sie Zeugnis ab, über die Schlachten, die sie schon gesehen hatte. Und sie hatte wahrlich schon viele Schlachten gesehen! Im Gegensatz zu Charis.
Die junge Asari war nervös, noch nervöser als sie es sich selbst eingestehen wollte. Die Eclipse-Schwestern neben ihr hingegen sahen dem Missionsbeginn mit stoischer Gelassenheit entgegen, hingen trivialen Gedanken nach oder beschäftigten sich mit dem Zustand ihrer Waffen oder Fingernägel. Um ihren Händen eine Beschäftigung zu geben zog Charis ihre Pistole und wiegte sie prüfend. Dann drehte sie sie und tat so, als verstehe sie etwas von der Technik. Die Knarre war sicherlich fast so alt wie die Panzerung, die sie trug und hatte schon das ein oder andere Leben ausgelöscht. Es war eine modifizierte Carnifex mit abgegriffenem Handstück. Die Beschriftungen und Symbole, die einst an der Seite der Waffe standen waren längst abgerieben und jetzt ähnelte sie mehr einem primitiv geformten Bleiklumpen als einer Söldnerwaffe. Es war zwar nicht das erste Mal, dass Charis eine Pistole in der Hand hielt, aber das erste Mal eine Carnifex. Deren Ruf eilte ihr voraus und machte die junge Asari noch nervöser. Da halfen auch die Beteuerungen der Teamführerin nichts, die ihre Zigarette nun neben Charis´ fallen ließ. Das Schiff ruckte heftig nach rechts, einige der Söldnerinnen riefen freundliche Beleidigungen gen Cockpit und Charis ertappte sich bei dem Gedanken, selbst dort vorne zu sitzen und die Schwestern zu kutschieren anstatt mit ihnen zusammen im Laderaum eingezwängt zu sitzen, in den Händen eine Tötungswerkzeug und den Körper in einem bemalten Panzer gesteckt, was nur Ärger verheißen konnte. Die Truppführerin, die sie während des Flugs zum Rauchen genötigt hatte, schlüpfte in Handschuhe – Charis´ nicht unähnlich – und stülpte sich einen Helm über, der ihr Gesicht hinter einer Maske aus Stahl mit leuchtend gelben Augen verschwinden ließ. Sie griff zur Seite und zog eine kurze, weiße Schrotflinte, legte die Mündung auf den Knien ab, ließ sie klicken und schaute in die Patronkammer. Charis schluckte trocken, denn der Flieger ging merklich runter. Landeanflug. Die Musik, eben noch omnipräsent, verstummte augenblicklich und außer dem Surren der Triebwerke und dem Klicken durchgeladener Waffen war nichts zu hören. Dann rumpelte und polterte es heftig, das Schiff schlingerte leicht und mit jeder Sekunde fühlte sich Charis elender. Mit flauem Magen schaute sie zu der Truppführerin, das heißt zu deren Helm. Dieser starrte sie emotionslos an, nickte ihr dann aber knapp und bestimmend zu. Krampfhaft umklammerte Charis den Pistolengriff; mit beiden Händen. Ein lautes Knacken, eine verzerrte Lautspecherstimme aus dem Cockpit: „Willkommen im Paradies!“ Eine der Asari lachte trocken. Dann setzte das Schiff heftig auf und die Rampe am hinteren Teil flog zischend auf. Grelles Licht flutete in den Laderaum während die behelmte Truppführerin aufsprang und rief: „Okay, Mädels. Dann wollen wir mal!“
Charis erhob sich, wackelig und schwach auf den Beinen. In Kopf und Magen drehte sich alles, doch sie musste mitziehen. Sie musste sich erheben und mit den anderen Asari aus dem Schiff steigen. Sie konnte ja natürlich nicht ahnen, dass sie heute sterben würde.
Schüsse. Viele. Laut. In schneller Abfolge. Und wie immer wenn Schüsse erklangen, folgte ihnen panisches Gebrüll auf dem Fuße. Charis schrak hoch und blickte in eine finstere und undurchdringliche Dunkelheit. Einen Moment lang sah Charis die gelben Augen des Helmes aus ihrem Traum im Gebüsch leuchten, dann verschwanden sie. Nur langsam gewöhnten sie sich an die Dunkelheit, die den Planeten einhüllte und das Wrack der Menetekel zu einem massigen schwarzen Felsen werden ließ, der sich bedrohlich über sie und das zu einem kleinen Häufchen Lichtschein zusammengeschrumpfte Lager erhob. Sofort griff sie zu ihrer Pistole, suchte sie jedoch vergeblich. Die Waffe war ihr beim Schlafen vom Schoss gerutscht und auf den Boden gefallen. Charis schickte ein paar erlesene Flüche in den nachtschwarzen Himmel und tastete den Erdboden unter ihrem Sessel ab während das Knallen der Schüsse und die verbalisierte Panik der Lagerbewohner mit einem dritten Geräusch mischten. Ein beunruhigendes Geräusch, organisch, gefährlich und nah. Charis erstarrte in der Bewegung, die Hände unter dem Sitz und lauschte auf das, was da nur einen Steinwurf entfernt von ihr das Gebüsch rascheln ließ. Und es knurrte tief und anhaltend, während vom Lager her der Geräuschpegel anschwoll. Eine urtümliche Abscheu vor dem gutturalen, glitschigen Gurgeln kratze an Charis Verstand und ließ sie sich langsam flach auf den Boden drücken. Sie spürte die Kälte des Erdreichs unter sich, atmete langsam und kontrolliert und starrte angestrengt in dieses knurrende Gebüsch. Das Schreien ebbte ab, dann zerrissen ein paar Pistolenschüsse die Dunkelheit worauf ein tierisches Jaulen ertönte. Irgendjemand entleerte auf atemberaubende Weise zwei Magazine worauf das Gejaule verstummte, das sie umgebende Rascheln jedoch anschwoll. Zu dem besorgniserregenden Geräuschen mischte sich nun ein Miasma aus stinkendem Fell, Fleisch und ungeputzten Fangzähnen. Charis unterdrückte ein Würgen und kroch sachte unter den Stuhl und gerade als der Gestank seinen Zenit erreichte, stieß sie gegen ihre Waffe. Die Pistole rutschte über den Boden und schlug metallisch gegen eine der Konservendosen, die Charis vor dem Schlafen noch schnell geleert hatte. Zum zweiten Mal in dieser Nacht fluchte Charis, diesmal jedoch leise und kaum hörbar. Kaum.
Das erste was Charis spürte war eine Präsenz, dann ein heftiger Ruck als ein dicker Kopf wie ein Rammbock den Sitz und die darunterliegende fortstieß. Charis schrie laut auf während sie ein paar Meter über den Boden kullerte und zu dem Angreifer schaute. Ein Biest wie aus einem Märchen starrte sie mit Augen von flammendem Gelb an. Die Asari erstarrte angesichts des Tieres, das nun neugierig und feindselig zugleich auf der Lichtung tappte, den Alien anschaute und sich vermutlich fragte, ob Charis den Ärger wert war. Die Asari strampelte ungeschickt über den Boden zurück, stieß mit dem Rücken gegen einen Baum und richtete sich daran auf, die Augen nicht von dem Wesen nehmend. Dieses hatte inzwischen anscheinend den Entschluss gefasst, dass man blaues Fleisch zumindest einmal probiert haben musste, um vorherige Frage abschließend klären zu können und machte einen großen Satz in die Mitte von Charis „Lager“. Irgendwo bei den krallenbewährten Pfoten befand sich Charis´ Waffe, geladen, bereit und nutzlos.
Ein Shuttleabsturz, ein Treffen mit der irren Mörderin Orlowski allein im Wrack und ein Trio Infernale – sie hatte alles überlebt. Charis spekulierte darauf, dass ihre Glückssträhne anhielt, als sie biotische Energie durch ihren Leib pulsieren und die Hände bläulich schimmern ließ. Auf verbale Drohungen gegenüber dem Wesen verzichtete sie sondern ließ sofort Taten folgen. Vermutlich hatte das seltsame Raubtier noch nie gegen einen Biotiker gekämpft, denn der Wurf schleuderte es jaulend durch die Luft und ließ es hart gegen einen Baum donnern. Der Baum knackte, das Wesen nicht. Stattdessen erhob es sich und zeigte geifernd die langen Fangzähne. In einer Art wie es alle Predatoren taten, begann das Wesen Charis zum umwandern, richtete abschätzende Blicke auf die Asari und hüllte sie mit fauchenden Drohungen ein. Die Asari schwieg, bündelte stattdessen Energie und wählte in Gedanken die Art der Attacke. Pure Energie pochte von ihrem Herz aus in die Finger und dort wuchs sie zu einem fassbaren Ding heran, das mächtig genug war um zu zerstören und zu töten. Biotische Energie war mit Worten nicht zu beschreiben, am ehesten aber vergleichbar mit einem Stein, den man in einen See warf und dessen Aufprall mehr und mehr Wellen aussandte. In ihren Gedanken wurde eine Idee geboren, ihr Wille formte sie wie der Stein die Wellen und diese wiederum schwappten zu dem Ufer um dort zu brechen. In diesem Falle brachen nicht die Wellen…
Gerade, als das Wesen einen mächtigen Satz nach vorne tat, schoss Charis glühende Faust vor und ein weiteres Wurffeld schoss daraus hervor. Wieder fand die Attacke ihr Ziel, schleuderte das Biest einige Meter nach Hinten und ließ es dort kurz desorientierter Staub fressen. Charis sammelte ihre Gedanken und zeitgleich Energie, formte destruktive Materie und schleuderte sie auf das Tier. Der Warpangriff traf und wirkte, sodass das Wesen zu jaulen und zischen begann. Charis hätte vielleicht Mitleid gehabt, nun jedoch lief sie auf Selbsterhaltung. Zwischen den blauen Fingern funkelten biotische Kristalle als sie einen letzten Wurf formte, der die Sache zu Ende bringen sollte. Das Wesen erhob sich, die langen Vordertatzen in den Dreck gestemmt und schaute Charis feindselig an als die Asari den Angriff abschloss. Blau surrte das Geschoss heran, tanzen und von eigentümlicher Schönheit. Dann erreichte es das geschundene Raubtier und löste es in einer dumpfen Explosion destabilisierender Elemente in Fetzen auf. Die Biotikexplosion ließ das Wesen platzen wie eine reife Melone; Charis schirmte sich mit den Händen gegen das Bombardement feuchter Partikel ab und schaute dann voller Missmut auf das Feld der Entscheidung. Ihr Sessel war umgestürzt, ihre Sachen zwar noch intakt aber überall. Ihre Pistole hatte es ironischerweise direkt vor ihre Füße katapultiert, sodass sie sich nur bücken und die Waffe auflesen musste. Ohne einen Blick zurück stürzte Charis Richtung Lager. Das Knurren hinter sich hatte die Asari nicht überhört.
Am Rand des Lagers erkannte Charis, wer die Schüsse abgefeuert hatte und warum. Kathy hatte im amerikanischen Stil ihre beiden Meinungsverstärker auf eines der Wesen leergeschossen. Der blutige Kadaver enthielt nun vermutlich mehr Eisen als das Wrack der Menetekel. Charis zwang sich zu einer lässigen Miene und kommentierte trocken: „Besuch gleich in der ersten Nacht? Sie ungezogenes Ding!“ Immer mehr Leute kamen herbei um das erledigte Vieh zu betrachten, die Feiglinge stürzten sofort wieder davon und steckten die Köpfe in den Sand, die Möchtegern-Helden blieben stehen und schauten entschlossen in die Runde während sie Waffen durchluden und die Überlebenskünstler betrachteten das Wesen eingängig.
Die Feiglinge überwogen zahlenmäßig.
Charis schaute sich um und erkannte den pinken Rucksack, der in der Hand eines Mädchens mit verschlafenem und unzufriedenem Gesichtsausdruck baumelte. Ihre blauhäutige Adoptivmutter schien bei dem Anblick der Reißzähne indes der Ohnmacht nahe zu sein und reagierte nicht auf das anklagendende: „Mama, ich will schlafen“, der Kleinen. Charis warf einen Blick in die Runde der Großwildjäger, dann ging sie schnurstracks zu den beiden Damen und schaute die desillusionierte Asari an. Sie wusste nicht wieso, aber irgendwie fielen eine Asari mit einer kleinen Menschentochter deren Rucksack sie versehentlich gestohlen hatte in ihre Verantwortung. „Hören Sie mir zu!“, sagte Charis streng und schaute in das lethargische Gesicht der Myries. „Hey!“ „Wo sind wir hier bloß hineingeraten… Albtraum“, murmelte die Mutter. Charis versetzte ihre eine schallende Ohrfeige. Das half! „Hören Sie, es ist hier nicht sicher für Sie und die Kleine. Folgen Sie mir.“ „Wohin?“, fragte Myrie verwirrt. „Ins Wrack der Menetekel!“