Anstatt ihre Chance zu nutzen und Charis das Licht auszublasen steckte die Halbasiatin tatsächlich ihre Waffe weg. Niemand war mehr überrascht als die Asari die mit ihrem Leben bereits abgeschlossen hatte. Jetzt wo Kathy die Pistole geholstert hatte und sie merkwürdig versöhnlich ansah spürte Charis eine Mischung aus Erleichterung, Wut und Enttäuschung. Nicht nur, dass sie jetzt auch noch in dieser Scheißwelt weiterleben musste, sie konnte sich nicht einmal damit revanchieren der vorwitzigen Schwarzhaarigen den Schädel zu zerstampfen, was ihr diesen schwer zu ertragenden Tag versüßt hätte. Die Frauen einigten sich darauf sich bei der Durchsuchung des Wracks nicht in die Quere zu kommen und während Kathy wie ein Katzenmusik-Orchestra lärmte sammelte Charis so viel Nahrung und Trinken wie möglich ein. Der Rucksack hatte nur ein erbärmliches Fassungsvermögen und war schon mit allerlei Krimskrams beschwert. Die Asari stopfte dennoch so viel Fressalien wie möglich hinein denn sie hatte den leisen Verdacht, dass auch der Rest der Überlebenden den sie festhaltenden Schrecken abschütteln würden und sich ebenfalls an dem Überbleibsel der Vorräte zu schaffen machen würden. Und dann würde dieser philanthropische Batarianerarzt sicherlich die Vorräte einteilen und jeden der von den Gemeinschaftsgütern profitieren wollte für irgendwelche selbstlosen Aufgaben einteilen… Charis spuckte in die Ecke!
„
Miss Vale, ich glaube ich habe etwas gefunden was eher in ihre Suchparameter passt.“ Charis blinzelte doch außer ihr gab es hier wohl keine Vales. Also folgte sie dem Ruf und traf Kathy inmitten eines geheimen Lagers an, in den Händen mehrere Zigaretten die sie der verwundert dreiblickenden Asari reichte. Dieser klappte angesichts dieser freundlichen Geste der Versöhnung doch tatsächlich der Mund auf. Sie nahm die Schachteln entgegen und setzte ihren pinken Rucksack ab, stopfte sich zwei Schachteln in die Taschen, den Rest in den Rucksack. Dann räusperte sie sich und sagte mit ausweichendem Blick: „
Also ich werde Sie jetzt nicht irgendwie erfreuen, falls Sie das gehofft haben. Aber trotzdem danke! Vielleicht finde ich ja mal… keine Ahnung… irgendwelche Folterinstrumente oder nuttige Fetzen die ich Ihnen dann gern überlasse.“ Dieses Angebot schien ihr angesichts Kathys implizierter Vorliebe für Gewalt und deren Kledage aufrichtig sinnig.
*
Nachdem die Frauen sich also so beladen hatten wie es ihnen die Möglichkeiten eröffneten traten sie den Rückweg an. Kathy erinnerte an einen Barbaren mit ihrem schweren Gepäcksack, ihrer Axt und dem langen Haar. Die Asari kannten die Gesellschaft der Menschen nur aus den Videos und Aufzeichnungen der Erdbewohner doch war ihre Rasse anders als die der Asari ein wildes, kriegerisches und merkwürdig verschiedenes Volk. Ihre Kriegslust erinnerte an die Batarianer, ihre Disziplin an die Turianer und ihre Verschiedenheit war ein Modell der gesamten galaktischen Rassen. Aus dem Fundus der an den Erduniversitäten mittlerweile schon für Aliens zugänglichen Menschheitsgeschichte schöpften die Asari phantastischste Märchen und Geschichten über dieses Volk die wohl kaum ihrer eigenen Vorstellung entsprungen wären und vermutlich rein gar nichts mit der Tatsächlichkeit zu tun gehabt hatten. Doch genauso wie Kathy jetzt aussah stellte sich Charis die Menschenbarbaren vor die vor Urzeiten in den dichten Wäldern ihres Heimatplaneten gelebt hatten. Hoffentlich steckte darin etwas Wahrheit, denn dann würde Kathy in diesem Urwald hier bessere Überlebenschancen haben als wenn sie nur wusste wie man eine Waffe abfeuert und Kriminelle beeindruckt. Andererseits sollte es Charis herzlich egal sein und sie wunderte sich einen Augenblick über den vorangegangenen Gedankengang. „
Verfluchtes Miststück. Jetzt kann ich dir momentan nicht einmal böse sein!“, dachte sie die Augen auf den von schwarzem Samt verdeckten Hinterkopf gerichtet. Sie war sich jedoch sicher, dass sie schon bald wieder Möglichkeit zum Wüten und Verfluchen bekommen würde. Doch nun, kaum dass sie das Schiff durch einen klaffenden Riss verlassen und sich auf den Boden hatten fallen lassen, gab es anderen Grund zu wüten und zu verfluchen. Geschrei, welches nicht von einem Angriff lebensfeindlicher Planetenbewohner her rührte. Sie brauchten nur wenige Schritte zu eilen, dann sahen sie den Grund. Ein gar widerliches Bild stand da vor ihren Augen: drei Männer, eine Frau. Sie zu Boden gepresst und an den Handgelenken fixiert, einer der Kerle ein sogar für seine Spezies ausgesprochen hässlicher Batarianer, nestelte gerade an den Verschlüssen seiner Hose bis Kathy ihn harsch unterbrach. Charis folgte der Axtträgerin und besah sich das Opfer. Eine aus ihrem Volk, eine Asari die eingeschüchtert und kleinlich zu Boden gedrückt dalag. Völlig wehrlos, oder zumindest nicht im Begriff dies zu tun. Neben ihr verstreute sich Plündergut. Charis wunderte sich. Sie wunderte sich über die Asari! Jede ihrer Art war mit natürlicher Biotik ausgestattet und obwohl nicht alle militärisches Training durchliefen waren sie doch alle darin trainiert sie zumindest zu kontrollieren. Schon der Anschein einer biotischen Attacke sollte die meisten Gegner einschüchtern, solange es sich nicht um Kroganer handelte. Kroganer schüchterte nichts ein. Außer vielleicht ein Dreschschlund.
Kathy gebot dem Tuen mit bedrohlichem Auftreten vorerst Einhalt. Doch des Batarianers renitentes Verhalten brachte ihn angesichts von Kathys Hand an der Waffe lediglich dazu die Seinen von seiner Gürtelschnalle zu nehmen. Anstatt jedoch wie erhofft zu kapitulieren unterbreitete er der Halbasiatin jedoch lieber ein schlüpfriges Angebot und als dieses nicht zündete wandte er sich an Charis. Sein Artgenosse unterstütze ihn dabei tatkräftig. Typische Korlusschläger. Solche wie Kathy sie gut hätte anheuern können, wäre sie auf dem Müllplaneten geblieben. Die Menschenfrau versuchte es mit einer für sie schon fast diplomatischen Androhung von Verstümmelung was den Batarianer jedoch kaum zu interessieren schien. Obwohl Charis eigentlich dessen baldigen Tod erwartete ließ sie sich dennoch zu einer Antwort herab, als der vieraugige Alien schließlich sie ansprach und ihr abermals einen Platz in der Peepshow anbot. „
Ich sehe es eher wie …“, beinahe hätte sie Kathy
diese Schlampe genannt. Stattdessen räusperte sie sich. „
…sie. Fass die Asari an und du kannst nie wieder in den Dschungel pinkeln ohne dabei befürchten zu müssen, dass sie hier auf dich anlegt. Und meine Begleitung hier ist eine hervorragende Schützin.“ Ihr Tonfall wurde bedrückend bedrohlich - und leiser: „
Ich jedoch gehe sogar noch einen Schritt weiter. Weißt du was Asari abgesehen vom Tanzen noch am besten können? Wir können einem solch jämmerlichen Wesen wie dir die eben erwähnten Geschlechtsteile mit unseren Gedanken abreißen. Und ich habe eben dies auch vor; wäre schade um die Munition. Und dann nagele ich sie zur Warnung an einen der Bäume hier. Du kannst dir auch aussuchen welcher es werden soll.“ Charis geschlossene Faust glomm von biotischem Blau. „
Du hast die Wahl. Ich zähle bis eins!“ Der Batarianer knurrte und obwohl er keine Biotik beherrschte ballte er die Faust. „Schon gut! Schon gut!“ Der Mensch der zuvor nur bewegungs- und meinungslos neben der Szenerie verweilte hatte mischte sich nun ein und hob nun die Hände in entwaffnender Haltung. „Wir suchen keinen Ärger.“ „
Ihr habt aber welchen gefunden…“ „Wir wollten nur ein wenig Spaß. Zerstreuung. Wir brauchen doch alle Entspannung“, versuchte er an die Frauen zu appellieren. Das Schluchzen der verängstigten Asari nahm ihm allerdings jegliche Verhandlungsbasis. „Halt´s Maul, Marek!“, bellte der Batarianer. „Ich lass mir doch nicht meine erste Asari von einer anderen Asari wegschnappen. Lieber mach ich zwei draus. Denkst du die sind so dumm uns umzunieten?“ Charis schlug die Augen nieder, die biotische Faust lockerte sich. Er hatte Recht. Sie zu töten würde vermutlich ihren eigenen Tod nach sich ziehen. Wieso für eine Fremde sterben? „
Nein.“ Die Augen der Männer und auch Kathys richteten sich auf die Schmugglerin, die den Rucksack über die Schulter warf und die Hand in die Hosentasche steckte. „
So dumm wäre ich nicht.“ „Braves Mädchen. Und jetzt verpiss dich bevor ich dich kaputtspiele!“ Charis trat einige Schritt an ihnen vorbei, den Rücken zu dem Batarianer gedreht. Erst dann hob sie den Kopf wieder und schaute den Mensch an. „
Andererseits…“ Der pinke Rucksack fiel schwer beladen und rasch zu Boden und noch ehe er ihn berührte fuhr Charis zu dem Batarianer herum dessen gieriger Blick auf Charis eng verpackten Hinter verweilte und ließ ihre blauleuchtende Faust auf ihn zusausen, die Finger in dem metallischen Schlagring. Der Rucksack schlug hart auf dem Boden auf während Charis Faust selbiges in dem knotigen Gesicht des Aliens tat. Es knackte widerlich, der Batarianer stolperte und spuckte einen Schwall von Blut und Zähnen auf den Dschungelboden. Auf dem Hosenboden sitzend und völlig benommen befingerte er das zerschlagene Gesicht und als er das Blut erkannte heulte er wie eine Sirene auf. Sein Kamerad griff zur Waffe, zog sie jedoch aufgrund der auf ihn gerichteten Pistole Kathys nicht. Die Schwarzhaarige sah ihn mit einem empfehlenden Blick an und schüttelte bedeutungsschwer den Kopf. „
Das musste sein. Du verstehst?“, richtete Charis das Wort an den Menschen. Er nickte heftig zum Zeichen, dass er verstand. „
Gut. Dann packt euch endlich! Na los, nimm den Kerl mit ehe ich hier eine Party des sensorischen Schmerzens abfeiere!“, fauchte Charis. Mensch und Batarianer stemmten ihren blutenden Kompassen hoch und schleppten ihn davon. Hoffentlich würde dies kein negatives Nachspiel haben.
Nachdem die Kerle verschwunden waren kümmerte sich Charis um die noch immer schluchzende Asari, nahm sie entgegen ihrer Empfindungen in den Arm und wiegte sie leicht bevor sie fragte: „
Wieso hast du sie nicht einfach mit Biotik platt gemacht?“ Die Asari schaute sie erschüttert an. „Kann ich nicht. Ich muss… ich darf nicht…“ Sie brach schluchzend ab und verweigerte weitere Rechtfertigungen erst einmal. Nach ein paar Minuten trösten half Charis ihr auf die Beine. Sie zitterte noch immer. „
Du solltest nicht alleine unterwegs sein“, sagte Charis und ignorierte die Doppelmoral in dieser Aussage geflissentlich. Kathy, der Charis zugetraut hätte nicht zu warten, stand noch immer bei den beiden Blauen und beobachtete den Dschungel. Sie erwartete wohl eine Rückkehr und Ärger. Eben dieser Leitgedanke brachte sie auch dazu die beiden Aliens zum Abmarsch anzutreiben was im Falle der geretteten nur mit
an der Hand führen ging. Das vorher als „Plündergut“ angedachte Material stellte sich als marginal heraus. Eine quietschgelbe Zahnbürste, ein kleines Handtuch, eine Speicherchip. „
Was hast du hier eigentlich gesucht…“ „Myrie“ „
Myrie?“ „Ich suchte… oh…“ Die Augen der anderen Asari weiteten sich bei dem Anblick von Charis Rucksack. „
Was: oh?“ „Der Rucksack… wo hast du ihn her?“ Charis lief blau an und zuckte mit den Achseln. „
Gefunden…“ „Den hab ich gesucht. Er gehört meiner Tochter.“ „
Oh...“
Wie sich herausstellte war Myrie die Adoptivmutter eines Menschenkindes dessen Vater die Asari erst nach der Geburt der Tochter getroffen hatte. Der Mann lebte mit Myrie und der Tochter auf Illium musste jedoch häufig geschäftlich nach Korlus - er arbeitete bei einer der größten Recyclingfirmen der Terminussysteme - und so wollten Myrie und Anhang ihn dort besuchen. Das Töchterchen hatte den Absturz zum Dank aller Götter fast unbeschadet überstanden nur der Schock saß tief also hatte Myrie entgegen ihrer Furcht das Wrack nach dem Rucksack und persönlichen Gegenständen durchsucht um der Kleinen zumindest ein wenig Normalität zurückzugeben. „
Es war trotzdem dumm“, beschied Charis. Myrie nickte.