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    Abenteurer Avatar von Charn
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    khorinis Khorinis #10

    Lächelnd verschwand Charn für einen Augenblick, ehe er mit einem neuen Krug Bier für sich selbst und der Nachricht, dass Marron sich ans Kochen gemacht hatte, zurück schlurfte. Innerlich belächelte er die Truppe Glücksritter, die es da an die Theke des Klabauters verschlagen hatte. Hier gab es nichts für eine Gruppe Abenteurer zu holen, nur mehr und minder ehrliche Gesellen mit einem mehr oder minder erbärmlichen Leben, die sich selbst irgendwie über Wasser halten wollen. Und vor allen Dingen hatte es auf diese Insel gerade jene verschlagen, denen Argaan zu abenteuerlich geworden war.
    "Da habt ihr euch aber versegelt. Hier gibt's keine Arbeit für Abenteurer, Glücksritter, Freischärler und Schatzsucher, nur mühselig harte Arbeit und zu wenig Lohn, als dass man es hier besser hätte, als irgendwo sonst."
    Der Mann mit den schwarzen Haaren lächelte durchtrieben und spielte mit einem kleinen Messer herum, das er aus seiner Manteltasche gefischt hatte. Mit den zotteligen, schwarzen Haaren und seinem Stoppelbart sah er als einziger aus, wie ein echter Seefahrer.
    "Und wenn wir gar nicht hier sind, um Geld zu machen, sondern vielmehr, um welches auszugeben? Würdest du dann immer noch behaupten, wir hätten uns versegelt?"
    "Dann wärt ihr nur unnötig weit weg gesegelt. Egal, wo ihr herkommt, ihr hättet sicher einen anderen Hafen gefunden, der näher gewesen, als das ferne Khorinis am Arsch der Ewigkeit."

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    Schwertmeister Avatar von Edon Mesotes
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    Edon Mesotes ist offline
    "Wir könnten sagen, wir wären aus Gorthar. Dann könnten wir einfach behaupten, dass Khorinis der nächste Hafen gewesen wäre und du würdest aus Anstand nicht weiter nachbohren, dass, selbst wenn irgendjemand so verzweifelt wäre, ausgerechnet in Gorthar nach Abenteuern zu suchen, er es im Leben nicht mit Geld, das er ausgeben wollen würde, verlassen hätte, und wir alle würden wissen, dass jeder weiß, dass das völlig offensichtlich gelogen wäre, aber es darauf beruhen lassen. Oder du kannst uns einfach nicht fragen, wo wir herkommen. Dann müssten wir uns nicht einen geselligen Abend damit versauen, dass wir uns gegenseitig belügen."
    Edon grinste selig in seinen Bierkrug, leerte ihn in einem Zug, schlug ihn auf den tisch und röhrte durch den kleinen Schankraum. Die zweite Sitte des ersten Biers in einer neuen Stadt: immer in einem Zug leeren! Arko ließ sein Messer wieder in die Manteltasche fallen, wahrscheinlich, weil ihm als letzten am Tisch aufgefallen, wie unwahrscheinlich zwielichtig er mit dem Kartoffelschäler in der Hand ausgesehen hatte. Mana schaute verwirrt in die Runde. Sie hatte den Zeitpunkt verpasst, in dem sie still beschlossen hatten, nicht groß herumzuerzählen, wo sie vier herkamen, was sie vier hier trieben und stattdessen hier zu fünft zu saufen. Das machte ohnehin viel mehr Spaß, als gegenseitig im Zinken der anderen nach deren Vergangenheit zu fingern.
    Edon schielte in den leeren Krug vor ihm.
    "Worauf trinkt man denn in Khorinis gewöhnlich in der zweiten Runde?"

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    Schwertmeister Avatar von Edon Mesotes
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    Edon Mesotes ist offline
    "Kennst du Edon Mesotes?"
    Es dauerte nicht lange, bis Mana durchs ganze Hafenviertel von Khorinis geisterte und Arbeiter, Stadtwachen, unschuldige Passanten und jeden Schankwirt, den sie finden konnte, einem neu erfundenen Gedächtnistest unterzog: "Kennst du Edon Mesotes? Er ist mein Bruder. Hast du ihn gesehen? Von ihm gehört? Hast du einen Bruder? Hat dein Bruder Edon Mesotes gesehen oder von ihm gehört? Edon Mesotes ist ein kranker Bastard. Bist du ein kranker Bastard? Bist du Edon Mesotes? Wer kennt Edon Mesotes? Wer kennt einen kranken Bastard? Hast du schon mal einen kranken Bastard gesehen oder von ihm gehört? Ist dein Bruder ein kranker Bastard? Streitest du dich viel mit deinem Bruder? Hast du von jemandem gehört, der sich mit seinem Bruder streitet? Hat der Bruder, von dem du gehört hast, der sich mit seinem Bruder streitet Edon Mesotes gesehen oder von ihm gehört? Wer von den beiden hat angefangen? Ich suche Edon Mesotes? Suchst du etwas? Suchst du auch deinen Bruder? Kann ich dir helfen ihn zu finden? Wenn ich deinen Bruder finde, sagst du mir, wo Edon Meostes ist?... ... ... Lass uns handeln!"
    Edon ließ die Beine baumeln, als er Pfeife rauchend auf dem Dach der nächstbesten windschief aneinandergerümmerten Bruchbude saß und nichts besseres zu tun wusste, als Mana zu beobachten, wie sie im Heuhaufen nach Heu suchte und nichts als Nadeln fand. Sicher, er hätte sich in dunklen Ecken verstecken und unvorsichtige Passanten mit Fragen über einen Mesotes überfallen können. Es brachte ja aber doch nichts.
    Wenn er nach Edon suchte, wäre er ja auf der Suche nach sich selbst gewesen, wobei er auf dieser Reise ja nicht einmal der Erste gewesen wäre. Dann allerdings, hätte er wildfremde Menschen überfallen, um herauszukriegen, ob sie wussten, wer er war. Sich von anderen erzählen zu lassen, wer man selber ist... war auch ein Trend, der sich schon lange selbst überlebt hatte. Edon gruselte es viel mehr vor dem Selbst, das er haben müsste, damit Andere es spazieren scheuchen konnten, wie einen morschen Gehstock oder einen vor Hunger sich selbst verschlingenden Geldbeutel (was Edon in seiner auf sich selbst gerichteten reichlich bemessenen Großzügigkeit als schöne Metapher für die menschliche Gesellschaft durchaus gelten lassen wollte)...

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    Schwertmeister Avatar von Edon Mesotes
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    Edon Mesotes ist offline
    Edon lag alle Viere von sich gestreckt auf einem Dachgiebel wie ein Bettvorleger, den man zum Trockenen draußen aufgehängt hatte, und schaute der Sonne beim Untergehen, der Welt beim Weiterdrehen, der Zeit beim Vergehen zu. Er gähnte gelangweilt. Manchmal kam ihm das Leben wie die junge Schankmagd seiner Lieblingstaverne vor, die man unvorsichtigerweise aus Versehen geheiratet hatte: früher war man mit dem Leben durch Wälder und Felder gerannt, man hatte sich mit dem Leben auf dem Marktplatz schwindelig getanzt und man hatte mit dem Leben so lange manch wilde Nacht durchlebt, bis man selber glaubte, dass das wilde Ungestüm, das einem da durch die Adern rann, wirklich Liebe wäre. Und nun? Nun stand das Leben griesgrämig und zickig vor dem Herd, beschwerte sich, dass das Leben des Nachbars jeden zweiten Tag ein neues hübsches Kleid trug, was das Leben kochte sah aus wie verwester Fisch, schmeckte nur leider nicht so dezent, und alle paar Wochen schickte einen das leben mit der Axt in den Wald, damit das Leben weiter völlig frustriert am Herd stehen konnte und man sich selber fragte, warum in Drei Götter Namen denn für das, was einem das Leben vorzusetzen verbrach, tatsächlich ein Tier hatte sterben müssen. Dann stand man da im Wald und hackte auf Holz, während man selbst doch immer mehr der Vorstellung verfiel, wie es wohl wäre, nicht auf unbescholtene Bäume, sondern auf den Nacken des Haustyrann, mit dem man sich selbst gestraft hatte, einzuprügeln. Ich hätte das Leben schwängern, verschwinden und nie wieder zurückblicken sollen! Dröge schaute er aufs Meer hinaus. Ging es wirklich darum, seinem Leben einen Sinn zu geben, oder war nicht vielmehr das Ziel, sich eine Art und Weise des Sterbens auszudenken, für die sich auch das tot Sein lohnte? Heimlich in Rhobars Palast eindringen und in jedes Fass und jede Flasche im Weinkeller ein Abführmittel schütten. Bei einer Innos-Messe vorher das Brennholz aushöhlen und den Hohlraum mit Sumpfkraut stopfen. Die Tochter des Königs entführen und als Lösegeld binnen eines Tages fünfzigtausend Apfelkuchen fordern - im Winter. Für sowas wurde man sicher gehängt, aber man hätte wenigstens noch ein bisschen Spaß gehabt, bevor man abtrat, ehe das Leben die Chance hatte, zu einem faulen, verbitterten Vielfraß zu werden. An manchen Tagen konnte man sich einfach nur wünschen, einmal in den Messwein gepisst zu haben und dafür auf dem Richtblock selig seinem Ende entgegen zu grinsen. Er schaute runter. Unter ihm war gerade die Tür aufgegangen, durch die gerade der Schankbursche gestiefelt kam, der ihnen am ersten Tag das Bier spendiert hatte.

    "DU! Sage mir etwas, dass niemand in dieser Stadt tut. Erzähle mir etwas, dass keiner macht, weil es irrsinnig, zur Gänze sinnbefreit und schlicht weg bescheuert wäre, etwas vollkommen Idiotisches und per se unsinniges!"

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    Abenteurer Avatar von Charn
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    Charn ist offline
    Im Einbeinigen Klabauter war kaum etwas los. So wenig, dass Charn sich zu wundern begann, ob die ortsansässigen Säufer vielleicht aus Versehen erleuchtet worden waren und auf den Weg der Tugend zurückgekehrt waren, wo sie ein wenig amüsierter Feuergott bereits mit der Reitpeitsche erwartete. Er hatte zwar selber nie viel von Innos und seinem Feuerkult hört, geschweige denn gehalten. Gemessen daran, dass quasi die ganze zivilisierte Welt ihrem Feuerteufel bedingungslos zu Füßen lag, schien es Charn ein halbes Wunder (wenn auch sicher nicht eins von der Sorte, die Innos wohl gelegentlich unters Volk streuselte), dass er mit seinen zwanzig Lenzen bisher dem erhobenen Zeigefinger der Feuermagier entwischt war und sein Leben weiter der frohgemuten Unwissenheit eines dreckigen Heiden widmen konnte. Einem Waisenkind machte niemand sich die Mühe das große Ganze der Welt zu erklären, die Orks von Trelis hatten sich ebenfalls nie darum bemüht, ihre Sklaven zu fügsamen Gläubigen heranzuerziehen und hier auf Khorinis lief die Sache mit dem Glauben auch ein wenig anders, als auf dem Festland - wer glauben will, der glaubt. Wer nicht glauben will, der säuft!
    Er trug gerade eine Schale mit Abfällen raus, die sie den Schweinen hinwarfen, als ihn jemand von oben her befehlend anschrie, Blödsinn zu verbechen. Charn schaute hoch und entdeckte den Seefahrer, der mit seinen Frenden seit Neuestem im Klabauter hauste und seitdem die Nachfrage nach Bier, Fleisch und Belustigung beständig hoch hielt. Er stellte die Schüssel ab und kratzte sich am Bart, ehe er an einer Hand abzuzählen begann.

    "Den Weinkeller der Fetten Sau leer saufen, die Fische am Fischmarkt rosa anmalen, von den Wachtürmen pissen​, Stolperfallen in der Unterführung legen, bei Lehmar einbrechen und in sein Schuldenbuch pfuschen..."
    Weiter kam er nicht, ehe ihn der Seefahrer rüde unterbrach

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    Schwertmeister Avatar von Edon Mesotes
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    Edon Mesotes ist offline
    "Das machen wir! Folge mir, mein lieber, ortskundiger Freund. Wenn uns das Monarchentum eines lehren konnte, dann ja wohl, dass diejenigen, die keine Ahnung haben und sich bedingungslos etwas in den Kopf gesetzt haben, die überhaupt nix wissen, sondern einfach nur wollen, am besten etwas völlig unfassbar uninteressantes und unnötig kompliziertes, immer vorausgehen sollten und alles andere, diejenigen, die sich wegen ihres Mangel an Geldes halt mit Ahnung behelfen mussten, hinterdrein trotten sollte."
    Für gewöhnlich waren Brom und Mana ja diejenigen, die Edons Launen mit ihrer kostbar ergaunerten Lebenszeit bezahlen mussten, doch nun hatte der Dieb den nächsten gefunden, den er so lange durch die Gegend schleifen konnte, bis er halbtot im Straßendreck röchelte. Er grinste feierlich und würde wohl geradewegs auf das Haus des Geldverleihers zugehalten haben, wenn er denn überhaupt eine Ahnung gehabt hätte, wo eben dieses lag. So lief er einfach planlos durch die Gassen des Hafenviertels und vertraute darauf, dass sich der Schankbursche, sich schon irgendwann melden würde, falls sie in die völlig falsche Richtung liefen. Nach einer Weile hatte der dann auch gebriffen, dass es sein leidge Pflicht war, zu navigieren und lotste den Dieb durch ein paar Seitengassen, bevor sie schlussendlich vor einem kleinen, halbverfallenen Haus stehenblieben, dass wieder allen Anschein wohl doch das Gerippe des Hauses eines Geldverleihers sein sollte. Edon schaute es lange an und kratzte sich am Kopf. Entweder hatte Lehmar es nicht ganz begriffen, dass man nur das Geld verleihen sollte, dass man im nötigsten aller Notfälle doch auch entbehren konnte, oder aber, er folgte einem aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen sehr beliebten Kult, sein Geld solange mit Argusaugen zusammenzuhalten, bis selbst der notwendigste Luxus eine mittelschwere Geldverschwendung war, die sofort von dem Kabinett lokaler Geizkragen mit schwersten Peitschenhieben zu ahnden war.
    ​"Wir warten auf die Dunkelheit. Solange könnten wir eigentlich auch zurück und ein Bier trinken..."

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    Schwertmeister Avatar von Edon Mesotes
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    Edon Mesotes ist offline
    Edon lag im Dreck. Na, welch ein Wunder. Der Dieb verdrehte die Augen, als könne er durch das bloße Umstülpen seines Blickfeldes ins Schädelinnere erkennen, welch wunderlicher Eintopf aus halbrohen bis unter einer zünftigen zweifingerdicken Schicht Schimmel begrabenen Gedanken, Ideen und Fantastereien wohl in dem Raum zwischen seinen Ohren hin und her suppte, sich beizeiten aus seinem unvorsichtig weit geöffneten Mund ergoss und manchmal sich den Weg die Speiseröhre hinab bis in seine Innereien bahnte, wo die allgemeine Folge eine heftige Magenverstimmung mit allgemeiner Lust zum Erbrechen war. Er bekam nichts zu sehen, mindestens deswegen, weil ein stümperhafter Architekt die Innenwände seines Schädels mit katastrophal wenig Fackeln versehen hatte, vermutlich war es jedoch egal, weil die Suppe ohnehin überall ihn ihm war. Er bekam sie gar nicht aus sich heraus, darum war er einfach ignoranterweise dazu übergegangen, jenen Prozess des modrigen Verfalls in seine Einzelteile aus weichgekauten Ideen und hochgewürgten Brocken als "normal" zu bezeichnen. Er würde sich wahrscheinlich doch nur selbst sehen und mit den Schultern zucken und sich denken: das muss so.
    Ja, er lag im Dreck. Da war nicht viel mehr dabei, das passierte Edon öfter, er hatte mittlerweile festgestellt, dass die Schwerkraft nicht einmal einen halben Dreck auf viel artiges Bitte Bitte, auf ununterbrochenes Fluchen und auch auf die Androhung ernsthafter Kriegsverbrechen gegen jene durchtriebene Macht eines grausamen Alltags scherte. Edon war hochgesprungen, hatte die Beine unter dem Körper weggezogen und war entweder zu doof, zu unathletisch oder zu unpräzise mit den Ortsangaben seiner eigenen Extremitäten gewesen, es hatte nicht geklappt, er lag mit dem Gesicht nach oben im Dreck und führte eine Metareflexion des soeben vorgeführten Kunststückes "Ausrutschen auf einem Kuhfladen" durch. Das Ergebnis: unbefriedigend. Die Diagnose: du warst zu doof, zu unathletisch und zu unpräzise mit den Ortsangaben deiner eigenen Extremitäten. Die empfohlene Behandlung: noch mal versuchen!
    Edon sprang wieder auf die Füße, noch mal in die Höhe und landete wieder im Dreck. Er replizierte seine bereits vorgenommene Problemanalyse und gab der Zuversicht einen weiteren Versuch, an dem sie bitterböse Tränen der Enttäuschung vergießen konnte. Wenigstens war die Einsicht, er sollte es besser bleiben lassen, genau so langsam unterwegs, wie die Erfolg, der jede weitere Einsicht ohnehin überflüßig gemacht hätte. Darum konnte er so lange weiter üben, bis sich eines der beiden endlich dazu herablassen würde, seinem Tun Beachtung zu schenken...

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    Abenteurer Avatar von Charn
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    Charn ist offline
    Hechelnd schlug Charn die Tür der Taverne hinter sich, spähte noch einmal durch das halbgeöffnete Fenster und versicherte sich, dass noch kein wütender Mob sich vor der Taverne versammelt hatte. Er schob den Riegel vor und huschte die Treppe hinauf, nachdem er sich mit einer Kerze bewaffnet hatte. In den letzten Wochen hatte er die Seefahrer und Aushilfsabenteurer mit ihren großzügig bemessenen Macken doch zu schätzen gelernt, da wäre es mehr als schade drum, wenn sie seinen Arbeitsplatz, seine Unterkunft und auch noch die gesammelte Mannschaft ihrer zahlfreudigen Kunden auf einmal niederbrennen würden. Aus einem der Zimmer drang noch der Lärm vieler ausgelassener Gestalten. Charn hämmerte gegen die Tür und schob sich in den reichlich von Kerzen erleuchteten Raum, in dem ein Dutzend Gesellen munterte vor sich hinerzählte. Fassungslos schaute er in die Runde: Charon trommelte auf einem Fass herum, von dem sich der Schankbursche sicher war, dass es gestern noch nicht da gewesen war und heute immer noch nicht hier hingehörte, Arko saß pfeiferauchend auf einem Stuhl, Beine auf dem Tisch und starrte zufrieden in die Dunkelheit, zwei Gesellen hopsten umeinander, während sie nebenbei die Umstehenden mit Bier aus Krügen sprenkelten, die eigentlich auch unten in der Küche stehen müssten, ein paar weitere spielten mit in der Aufregung Karten und der Rest amüsierte sich feixend über einen Witz, den Charn erstens nicht mitbekommen hatte und zweitens sicher nicht mal ansatzweise so lustig gefunden hätte, wie die Mannschaft. Kopfschüttelnd wandte er sich an Charon:

    "Was in... was in... was in Drei Götter Namen kann eine einfache Truppe Seefahrer denn anstellen, damit die halbe Insel Zeter und Mordio schreit?"

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    Schwertmeister Avatar von Edon Mesotes
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    Edon Mesotes ist offline
    Charn schien in den neuesten Ereignissen ein bisschen die Contenance verloren zu haben, was für eine Schande. Seelenruhe war der ehrlichste Ausdruck einer wahrhaft großartigen Persönlichkeit. Quasi war die Eigenschaft, mit Stil verlieren zu können, ein größeres Geschenk als der Sieg - schön hatte er das gesagt, für diese Erkenntnis hatte er eigentlich Applaus verdient. Er zündete sich gemütlich eine Pfeife an, lehnte sich auf seinem neulich erworbenen Fass zurück, nahm einen tiefen Zug aus der Pfeife und sinnierte kurz.
    "Wir haben das Rathaus abgefackelt." erwiderte er ernst und völlig gelassen. Er begutachtete seine Fingernägel, wischte sich ein bisschen Dreck von Hose und rauchte weiter. Charn stand wie vom Donner gerührt vor ihm und schaute den Dieb an, als fiele ihm zum ersten Mal auf, dass da gar kein Mensch, sondern ein zweiköpfiges Riesenmeerschweinchen mit Drachenflügeln, einer Schlangenzunge und dem Ringelschwanz eines Schweins vor ihm säße. Edon tat weiter unbeteiligt, ehe er mit den Achseln zuckte und grinste.
    "Siehst du, es ist schade, dass ich nur dir das erzählen kann und nicht den vielen, zutiefst unentspannten Gestalten, die marodierend auf der Straße für ihr Recht auf einen Mahagonihammer bei der Arbeit demonstrieren. Denn siehst du, wenn sie erst einmal glauben würden, dass wir wirklich das Rathaus angezündet hätten, dann wäre der Wind schnell aus den Segeln, wenn sie dann auf einmal doch feststellen mussten, dass wir nicht etwa das Rathaus angezündet, sondern sagen wir, jedem Einwohner der Insel im Durchschnitt etwa ein halbes Brötchen entwendet haben."
    Edon zuckte mit den Schultern. Es war sicher immer eine gute Idee, ein Lagerhaus abzuschließen, aber vielleicht hätte der Besitzer etwas mehr als zwei zutiefst bestechliche Wachen davor abstellen sollen, die gegen die lächerlich kleine Beteiligung des fünfzigsten Anteils der Beute einer plötzlichen Narkolepsie anheimgefallen waren. Er grinste. Er musste zugeben, dass ihm ohnehin langsam langweilig geworden war. Khorinis war einfach nicht mehr das, was es früher mal gewesen war. Er schwang sich von seinem Fass.
    "Ich denke mal, wenn grade überschwängliche Begeisterung durch die Gassen des fernen Khorinis schwallt, dann ist's eine gute Zeit, mein Jung', dass du dich schwingst auf dein Schiff und nach dem nächsten Hafen suchst, der da hat kühles Bier und willige Jungfrauen. Und hat er keine Jungfraun, so findest du doch sicher eine Frau, die das im Austausch gegen bare Münze keinem petzt. Das hat mein Vater immer gesagt. Ob er mir damit wirklich was sagen wollte, oder ob er einfach nur die ganze Zeit besoffen war, werd ich wohl nie erfahren - er Ruhe in Frieden im Schatten des Puffs von Montera. In diesem Sinne..."
    Edon grinste dem Schankburschen zu und hievte mit Brom zusammen das Fass hoch.
    "Ich würde dir ja jetzt sagen, dass du mich besuchen sollst, wenn's dich irgendwann mal in die weite Welt hinaus zieht. Aber ich weiß ja selber nich', an welche Theke es mich weitersegelt. Besuch mich trotzdem mal in der Ferne!"

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    Abenteurer Avatar von Charn
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    Charn ist offline
    Mit einem Male waren die Versammelten von einer Eile ergriffen, die kaum einen Sinn ergeben hätte, wenn man nicht wusste, welche Art Nachrichten der Schankbursche gebracht hatte. Doch noch während sie sich auf den Weg machten, um in Nacht und Nebel das Weite zu suchen, schwatzten und lachten sie miteinander, als hätten sie alle Zeit der Welt. Auch diese Truppe würde wieder davonsegeln, um am anderen Ende der Welt ihr Glück zu suchen, während Charn auf dieser Insel zurückbleiben würde, er würde zu seinem Alltag zurückkehren, würde Bier und Eintopf verteilen, würde Fässer durch die Gegend schleppen, würde die Fette Sau stumm ertragen und würde Erbrochenes vom Fußboden aufwischen. Charn spuckte aus. Es kam ihm unerträglich vor, jeden Moment seiner Zeit darauf vergeuden zu müssen, irgendetwas so unfassbar stumpfes zu tun, nur um mehr Zeit zu bekommen, die er wieder darauf verschwenden musste, etwas zu tun, das ihm nicht lag, das ihm nicht wichtig war, das er sich manchmal an ruhigen Abenden erträglich trinken musste und das er sonst einfach nur ausblendete, weil er es nicht ertragen konnte, sich bewusst zu sein, wie unfassbar austauschbar alles war, was er tagein tagaus zu tun hatte. Es kotzte ihn an. Er lauschte noch eine Weile dem Lärm, dann zuckte er die Schultern. Drauf geschissen! dachte er sich, lief die Treppe hinunter und in seine eigene kleine Kammer. Er griff sich seinen Wanderstock, seinen Umhang und einen kleinen Beutel, in den praktisch alles hineinpasste, was ein einfacher Schankbursche ohne Vergangenheit und Vermögen so besitzen konnte. Er hastete nach draußen und hätte auf dem Weg fast Marron über den Haufen gerannt, der ihn nur überrascht ansah. Er schlug ihm freundschaftlich auf die Schulter.
    "Mach's gut! Ich bin weg - weg! Für immer!"
    Er stieß ein irres Lachen aus, rannte aus der Taverne hinaus und zum Kai, wo das kleine Schiff nach im Wasser schwamm, während die Besetzung schon dabei war, Taue loszumachen. Er war der letzte der über die Planke rannte und schnaufend auf dem schwankenden Holz hinfiel, in den Himmel starrte und vor sich hinlachte. Er spürte die fragenden Blicke auf sich lasten, sah kurz auf, grinste und ließ den Kopf wieder fallen.
    "Ich hab's einfach nicht mehr ausgehalten."
    hechelte er. "Ich muss hier einfach weg!"

    Er blieb noch einen Augenblick, während er für seine Sätze einen kurzen, freudigen Aufschrei und ein paar Lacher erntete.

    Auf in die Ferne! Endlich...

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    General Avatar von Gor na Jan
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    Gor na Jan ist offline
    Schon Stunden bevor die Lichter der Stadt am Horizont erschienen, stand der Templer über die Reling gebeugt und schaute in Erwartung in die Ferne. Inzwischen war es völlig irrelevant, ob ihr Plan von Erfolg gekrönt war oder nicht. Darüber würde allein der Schläfer entscheiden. Er kam nach Hause. Oder zumindest in das einzige zu Hause, das er kannte. Khorinis. Und wenn er hier sein Ende fand, dann unter seinen Bedingungen und dort, wo er es sich erkoren hatte

    Einst einer der belebtesten und wichtigsten Orte der Welt, war es für viele nun entweder die Endstation eines tragischen und stetig bergab führenden Lebensweges oder die letzte, armselige Zuflucht auf einer Insel, die, wenn man den Gerüchten Glauben schenken durfte, in den letzten Jahren immer mehr der Gesetzlosigkeit anheimgefallen war. Für den Templer, dessen Blick - dessen war er sich zugleich bewusst - von der Vergangenheit romantisch verklärt war, war es wie dereinst eine Perle. Und wo die einen das schnelle Gold im Leid anderer suchten, während eben jene anderen lediglich versuchten, irgendwie über die Runden zu kommen oder gar diesem verfluchten Ort zu entfliehen, sah der Gor Na eine Chance.

    Gegen politische Intrigen, Ränkespiele am Hofe oder militärische Interessen hatte der einstige Templerführer in den vergangenen Jahren häufig genug gestritten und zählte zu den Wenigen, die das große Glück besaßen, die einzige Erkenntnis, die dieses Spiel brachte, nicht mit dem Leben bezahlt zu haben: Es war ein verlorener Kampf und das immer und für jede beteiligte Seite. Manch einer vermochte sich ein Imperium zu erkämpfen, nur um die Höhe seines bevorstehenden und unvermeidlichen Falls zu steigern. Und wenn es nicht die Zänkereien der Menschen waren, was hatten die lebendigen Mittelpunkte der Welt sonst zu bieten? Orkarmeen, Dämonenhorden und Drachen. Er verzichtete und überließ das Feld denen, die darin etwas finden konnten, wofür es sich zu kämpfen lohnte.

    Khorinis war nicht nur für die Menschen uninteressant geworden. Khorinis war für die Götter, ja für das Schicksal selbst uninteressant geworden. Wie lange hatten Krieger und Abenteurer der Welt keinen Fuß mehr auf dieses Land gesetzt? Erinnerte sich noch jemand an diesen Ort? Hier standen weder Könige noch Götter gegen ihn. Einzig und allein die Wildnis und die Regellosigkeit. Und nichts anderes war die Minenkolonie gewesen. Ein Ort, abgeschottet von der Welt, an dem Verbrecher und Abschaum um die Vorherrschaft kämpften. Und der Gor Na hatte das Gesetz des Stärkeren nicht nur für sich nutzbar gemacht, er war darin geboren worden, von ihm geformt worden. Er hatte das Licht einer vermeintlichen Ordnung erst erblickt, als er als erfahrener Krieger aus der Barriere hervorgestiegen war und empfand dessen Heuchelei nichts anderes als blendend… Nein, er hatte die Barriere nicht überlebt, er hatte sie bezwungen. Und auch wenn sie grausam und unnachgiebig war, so war sie doch immer eins gewesen: fair. Auf ihre Art.

    Während das Schiff in den Hafen einfuhr und vor Anker ging suchten die Augen des Templers die Dunkelheit ab. Vereinzelt huschten noch Gestalten durch die Finsternis, deren Gesichter der Gor Na nicht ausmachen konnte. Ihr Schiff war das einzige, das zurzeit im Hafen lag, was ihn mit einem mulmigen Gefühl erfüllte. Spielte es doch auf tragische Weise in ihren Plan. Thal trat an seine Seite und auch er blickte in die Dunkelheit.

    “Ich kann niemanden erkennen,“, sprach der einstige Templerführer kaum hörbar.

    Gor Na Thal antwortete nicht, sondern deutete nur mit einem Kopfnicken in Richtung Steg, wo sich ein in weite Gewänder gehüllter Mann dem Schiff näherte.

    “Einer?“, fuhr Jan fort.

    ”Hab Zuversicht,”, sprach Thal und wandte sich ab, als die Crew den Landgang zum Steg bereitete.

    Der Kapitän und eine Handvoll seiner Männer gingen an Land, während Thal und Jan auf Rhan warteten, der mit einem der Beutesäcke an Deck kam. Geschlossen schritten sie dem Kapitän hinterher, der auf dem Steg stehengeblieben war und darauf wartete, dass die Templer ihren Teil leisteten. Gor Na Thal schob sich zwischen Rhan und Jan an die Spitze der Gruppe und trat mit einer Willkommen heißenden Ausbreitung seiner Arme dem üppig gewandeten Mann entgegen.

    [I]“Arizad, alter Halunke,“[I] begrüßte der Templer ihren Kontaktmann.

    “Thal, mein guter Freund!“, entgegnete der Mann mit einem schweren varantischen Akzent.

    Die beiden Männer verstrickten sich für einen Augenblick in eine Unterhaltung, der die Anwesenden kaum folgende konnte.

    Der Kapitän drehte den Kopf zu Na Jan, ohne den Blick von den beiden Handelnden zu lassen, und sprach: “Und diese Wüstenratte hat unser Gold?“

    “Niemand kennt sich mit dem Handel von Artefakten so gut aus wie die Schatzsucher Varants“, entgegnete der Templer.

    Nach einer Weile wandte sich Thal zur Gruppe und gab ein Handzeichen. Gor Na Jan schaute zum Kapitän.

    “Alles klar, Jungs. Abladen!“, rief dieser seinen Männern zu und die gesamte Mannschaft setzte sich in Bewegung. Während Thal weiter mit Arizad zu verhandeln schien, beteiligten sich Rhan und Jan beide daran, das Gut vom Schiff auf den Hafen zu laden. Langsam aber sicher wurde es dem einstigen Templerführer mulmig. Sie waren drei, inklusive Arizad, der ihm nicht besonders geheuer vorkam, auch wenn er diesen Eindruck an nichts wirklich festmachen konnte. Wenn jetzt etwas schiefging, würde es nicht reichen…

    Sack um Sack stapelte sich die Ware auf dem Kai. Inzwischen beteiligte sich auch Thal am Transport, während Arizad begutachtend danebenstand. Und noch bevor der Templer den verhängnisvollen Satz, dass alles viel zu gut lief, denken konnte, verhakte sich einer der Männer unter eine hochstehenden Bodenplanke, stürzte und ließ den Sack vor sich auf den angrenzenden Kai fallen. Er öffnete sich nur ein Stück, doch gerade genug, dass ein Schwall myrtanischer Münzen über die Steine rollte.

    “Verdammter Idiot, kannst du nicht…“, holte der Kapitän aus, bis er die Münzen auf dem Untergrund erblickte, die zu allem Überfluss im Schein einer nahen Fackel nur zu deutlich als solche zu erkennen waren.

    Sein Blick ging sofort zu Gor Na Jan, der noch im gleichen Augenblick seinen Sack neben sich auf den Grund fallen ließ. “Veraltete Relikte also?“, stellte der Seemann mehr fest als wirklich zu fragen und zog im gleichen Augenblick sein Schwert. Ohne zu wissen, was genau geschah, taten es ihm seine Männer gleich. Wie einst auf die alten Reflexe trainiert hatten Thal und Rhan ihre Hüterklingen gezogen, noch bevor es die Söldner getan hatten, und hielten damit zumindest ihren jeweiligen Nebenmann von eben dieser Handlung ab. Doch die Chancen standen nicht gut. Die Zahl ihrer Gegner belief sich inklusive des Kapitäns auf ein glattes Dutzend von denen 10 ihre Klingen gezückt hatten. Nicht jeder der Männer war ein fürs Kämpfen bezahlter Söldner und selbst von denen war kaum einer einem kampferprobten Templer gewachsen, doch bei einem Verhältnis von 1:3 hätten es auch Bauern mit Brotmessern sein können und die Situation hätte nicht gut ausgesehen.

    “Jammerschade, besteht hier noch Verhandlungspotenzial?“, sprach Arizad und Gor Na Jan wandte ihm den Blick zu, als dieser sowohl absolut akzentfrei als auch mit einer allzu vertrauten Stimme sprach. Der einstige Templerführer zog einen Mundwinkel nach oben und schüttelte den Kopf.

    Der varantische Kaufmann warf einen Teil seiner Gewandung zurück und zog seine Hüterklinge in dem Moment, in dem seine hohe Templerrüstung zum Vorschein kam. Gerade als der Klingenhüter ihre Chancen neu kalkulieren wollte, traten drei der Hafenarbeiter, die ihre Arbeit hatten liegen lassen, um das Schauspiel zu beobachten, aus der Dunkelheit und zogen ebenfalls ihre Klingen blank.

    Selbst unter diesen Umständen hätten die Söldner noch eine realistische Chance gehabt, doch gab Thal dem Kapitän nicht die Gelegenheit, dies zu realisieren. Mit einem Aufschrei brach der Söldner am oberen Ende des Landgangs zusammen, als die Klinge des Templers sich mit einem Ruck durch seinen Hals zog. Was danach ausbrach, war seitens der Männer des Kapitäns pures Chaos. Thal und Rhan hatten jedoch bereits mit dem Ziehen ihrer Waffe die nächsten Schritte geplant, ebenso wie der einstige Templerführer. Während Arizad seine Scharade aufgelöst hatte, war er einen einzigen Gleitschritt an den Kapitän herangetreten und als dieser nun zum Schlag ausholte, war der Templer bereits zu nah. Er packte das Handgelenk des Schwertarms seines Gegenübers mit der linken, fasste mit der rechten das Heft seiner Sumpfschneide, die noch an seiner rechten hing, und durchschnitt mit dem Ziehen der Waffe die Kehle seines Angreifers. Mit einem Tritt beförderte er den Kapitän vom Steg, jedoch nur um sich genug Platz zu machen, um in einer Drehung den Einhänder hinter sich zu schleudern. Der Wurf war weder gut noch präzise, aber er erfüllte seine Wirkung, den hünenhaften Söldner zu irritieren, den sie Bärentöter nannten. Dieser stand in Gor Na Rhans Rücken, der aufgrund seiner ungünstigen Position gerade mit zwei Angreifern vor sich beschäftigt war, und musste einen Schritt weichen, um der heranfliegenden Klinge zu entgehen, was ihm einen fatalen Streich gegen den Rhan verwehrte.

    Der Bärentöter, ein rothaariger Riese aus Nordmar, nahm sich den einstigen Templerführer als neues Ziel und stürmte heran. Gut, sie hatten sich bereits auf der Überfahrt darauf geeinigt, dass er der gefährlichste aus der Mannschaft war und damit in die unmittelbare Zuständigkeit des einstigen Zweihandmeisters fiel. Jan wartete noch einen Moment, fast einen Moment zu lange, bevor er über seine Schulter griff und das in ein Tuch gehüllte Heft des Roten Windes umfasste. Der Bärentöter war kein Idiot und musste geahnt haben, dass der Templer noch eine zweite Waffe mit sich führte. Was ihn jedoch kalt erwischte war die Tatsache, dass es sich dabei um einen wuchtigen Anderthalbhänder handelte, und wie viel Kraft und Geschick in der rechten Hand des Templers steckten, nachdem dieser auf der gesamten Reise vorgegeben hatte, Linkshänder zu sein. Der Hüne parierte, doch nicht annähernd mit der nötigen Kraft. Der Rote Wind schmetterte auf die Zweihandaxt und drückte seinen Besitzer zu Boden. Der Block gab so weit nach, dass die Klinge auf die linke Schulterplatte des Söldners traf und, wenn auch sie das Metall nicht durchdrang, das darunterliegende Schlüsselbein zertrümmerte. Unmittelbar darauf traf die Stiefelspitze des Templers das Kinn des Bärentöters und brachte den Mann zu Fall.

    In dem kurzen Moment danach, versuchte der Klingenhüter sich einen Überblick zu verschaffen. Gerade zur rechten Zeit. Die Hafenarbeiter, offensichtlich Söldner, die Gor Na Khosh angeheuert hatte, waren gute Kämpfer, aber sie waren keine abgestimmte Einheit. Nur knapp sprang der einstige Zweihandmeister bei Seite, als einer der Söldner ihm in der Ausholbewegung fast den Arm abschnitt und traf dabei auf eine lose Bodenplanke. Die Instabilität reichte aus, dass er den Angriff eines von der Seite heranstürmenden Seemannes nur dürftig parieren konnte und die Klinge an seinem Oberschenkel knapp durch den Templerrock schnitt, wo diese zum Glück von den darunterliegenden Beinlingen abgefangen wurde. Mit einem Faustschlag schmetterte der Templer seinem Angreifer das Heft des Anderthalbhänders ins Gesicht und brachte die Klinge, während dieser zurücktaumelte, in die Gegenbewegung, dass ein langer roter Schnitt sich komplett über den Oberkörper des verdutzt schauenden Seemannes zog, bevor dieser zu Boden ging.

    Als Jan sich erneut dem Bärentöter zuwandte, war dieser bereits auf den Beinen und schlug einem von Khoshs Söldner einen tiefen Schnitt in den Arm, der diesen nur knapp nicht abtrennte. Wie war es möglich, dass dieser Mann trotz des gebrochenen Schlüsselbeins noch immer seine Zweihandaxt führen konnte? Jan ergriff den Roten Wind und machte sich zum erneuten Angriff bereit, doch Gor Na Khosh war schneller und sprang zwischen ihren Verbündeten und den Nordmann. Er parierte die Axt des deutlich größeren Mannes nicht, sondern ließ diese in den Stein gleiten, bevor seine Faust den bereits gebrochenen Kiefer des Mannes traf. Der Bärentöter war fast so schnell wie stark, wie der darauffolgende Schlagabtausch zeigte. Doch Khosh war nicht nur bedeutend schneller, vielleicht sogar schneller als der einstige Templerführer, er war sich auch der Verletzungen seines Angreifers bewusst und brachte ihn immer wieder in Schlagpositionen, in denen diesem das gebrochene Schlüsselbein zum Verhängnis wurde. Aus einer Parade heraus leitete er zuletzt dessen Angriff über die Schulter seines Angreifers, wo dieser durch den Schmerz nachgab und zurücktaumelte, sodass der Templer seinen Zweihänder von unten durch die Brustplatten und direkt durch das Herz des Söldners stieß.

    Mit dem Bärentöter fiel auch der letzte der Mannschaft des Kapitäns und ließ die Gruppe in der unheimlichen Stille der Nacht auf dem dunklen Kai zurück. Einer der Söldner hatte fast seinen Arm verloren, ein anderer hielt sich den Oberschenkel und Rhan hatte in seinem Duell mit zwei Seemännern offenbar einen Schnitt an der linken Seite davongetragen, doch das Überraschungsmoment hatte ihnen den nötigen Vorteil gebracht.

    In einer uralten und absolut routinierten Geste zog der Templerführer ein Stofftuch aus einem Lederbeutel an seinem Gürtel und wischte das Blut von der Klinge des Roten Windes, bevor er Anderthalbhänder und Tuch wieder verstaute. Als er über den Kai schritt, um seine Sumpfschneide wieder aufzusammeln, blickte er in das Gesicht eines völlig verstörten Milizionärs, der mit einem Gefährten zusammen in den Schatten stand. Der linke Milizionär hob beide Hände abwehrend, noch während er sein Schwert zitternd in der einen hielt.

    “Wir haben nichts gesehen! Das übersteigt unseren Sold!“, stammelte der junge Mann.

    “Doch, das habt ihr,“ erwiderte der Templer ruhig, doch ohne Bedrohlichkeit in der Stimme, auch wenn die Milizionäre dies mit Sicherheit anders sahen. “Und es ist eure Pflicht, mich und meine Männer in Gewahrsam zu nehmen und eurem Kommandanten vorzuführen.“

    Beide Milizionäre schüttelten den Kopf und wollten widersprechen, doch der Templer fuhr fort. “Da die Fracht auf diesem Schiff sehr wertvoll ist und es hier vor Halunken nur so wimmelt, schlage ich vor, dass euer Gefährte einen Teil meiner Männer auf dem Schiff unter Arrest hält, damit diese auf unsere Waren aufpassen können, während ihr uns zu eurem Vorgesetzten bringt.“

    Gor Na Jan schob die Sumpfschneide zurück in die Scheide und blickte zurück zu seinen Männern. “Khosh, Thal, mit mir. Der Rest verlädt die Säcke zurück aufs Schiff. Planänderung.“

    Die beiden Templer traten an die Seite des einstigen Zweihandmeister, während dieser die Arme hinter dem Rücken verschränkte und die Milizionäre erwartungsvoll anschaute. “Können wir, meine Herren?“
    Geändert von Gor na Jan (30.08.2016 um 03:20 Uhr)

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    “Es geht nicht darum, wer hier der bessere Mann ist, Kommandant“, sprach der Templer beschwichtigend und lehnte sich über den Tisch etwas weiter vor, die Hände beruhigend seine Worte untermalen lassend. „Es ist zweifelsohne beeindruckend, was ihr mit einer Gruppe wehrhafter Bauern erreicht habt. Doch jeder erfahrene Krieger kann sehen, dass eure Miliz es in den letzten Jahren nicht viel weiter gebracht hat, als bis zu einer Gruppe halb-organisierter, uniformierter wehrhafter Bauern.“[/i]

    “Das muss ich mir nicht bieten lassen!“, polterte der ältere Mann, der neben dem Kommandanten saß, und schlug mit beiden Fäusten auf den Tisch. “Ich habe unter Lord Hagen gedient und diese Männer eigenhändig zu einer Truppe ausgebildet!“

    Der Templer musterte den alten genauer. Er war in die Jahre gekommen, doch es steckte noch Kraft in seinen Knochen. Langsam aber sicher zeichnete sich die Rollenverteilung innerhalb der Miliz ab. Kommandant Garon kannte diese Stadt wie seine Westentasche und hatte eine gewisse Finesse in ihrer Verteidigung entwickelt, auch wenn er selbst wegen einer sehr frühen Kriegsverletzung nicht mehr aktiv am Kampfgeschehen teilnahm. Dankward war der Kämpfer von ihnen. Obwohl er niemals über den höchsten Rang der Miliz hinausgekommen war, auch wenn er immer wieder darauf pochte, wie kurz er davor gestanden hatte, in den Stand eines Ritters erhoben zu werden. Beide hatten ohne Frage stolze Ideale und gute Absichten, doch genügte dies nicht mehr.

    “Ich will weder euch noch eure Männer beleidigen, Dankward, aber ihr müsst selbst sehen, dass der einzige Grund, warum diese Stadt noch steht, der ist, das noch niemand versucht hat, sie zu nehmen“, führte der einstige Zweihandmeister aus.

    “Es ist mehrfach versucht worden! Banditen! Und Orks! Wir haben sie alle zurückgeschlagen!“, polterte der alte Fast-Ritter.

    “Streunende Räuberbanden und Orkspäher auf der Suche nach einer Herausforderung. Wenn sich die verstreuten Gauner in ihren zahlreichen Camps zusammenrotten oder womöglich die Orkstämme des Minentals beschließen, sich ihre gesamte Insel zurückzuholen, wird Khorinis fallen. Der König hat diese Insel vergessen. Oder seht ihr hier eine Garnison der Paladine? Und das obwohl der Krieg gegen die Orks längst vorbei ist? Ihr müsst den Tatsachen ins Auge blicken Dankward, “ der Templer beugte sich vor und blickte dem alten Krieger fast mit etwas Mitleid in die Augen. “Ihr seid alleine. Und wenn ihr auf dieser Position verharrt, werdet ihr nur mit eurem Stolz untergehen und diese Stadt mitsamt ihrer Bewohner in den Abgrund ziehen.“

    Garon hatte das Gesicht auf die Hände gestützt und grübelte. “Er hat recht, Dankward. Als dieses halbe Dutzend Orks vor dem Tor stand, hat die Hälfte ihrer Männer den Ruf zu den Waffen verweigert. Wir können nicht einmal die Ordnung in der Stadt halten.“

    Der alte Mann überlegte einen Augenblick, dann schüttelte er den Kopf, erhob sich und marschierte zur Tür. “Kommt mit!“

    Im Innenhof standen etwa ein Dutzend Männer mit Trainingsschwert und gingen eintrainierte Bewegungsabläufe durch. Gor Na Jan betrachtete die Truppe. Auf den ersten Blick wirkten sie motiviert, engagiert und selbstsicher, aber auch hilflos und unorganisiert. Jeder von ihnen ein passabler Kämpfer mit guten Absichten, aber keine Truppe.

    “Du, du, du uuuuund du und du!“, rief Dankward und zeigt auf fünf der Milizionäre. “Nehmt euch jeder ein Trainingsschwert und einen Schild, der Rest geht bei Seite!“

    Der alte Krieger wandte sich dem Templer zu und schnaubte einmal herausfordernd. “Ihr seid so gut? Dann sollte ein kleiner Test euch ja nichts ausmachen. Fünf meiner Männer gegen euch und eure beiden!“

    Jan betrachtete die fünf Milizionäre vor sich schweigend für einen Augenblick und wägte die Situation ab. Dann trat er wortlos herüber zum Waffenständer, nahm sich ein stumpfes Trainingslangschwert heraus und stellte sich vor der Truppe auf. Thal und Khosh schritten ebenfalls zum Waffenständer, als der Templerführer eine Hand hob und abwinkte. Die beiden Templer zögerten einen Moment und traten dann auf ihre Ausgangsposition zurück.
    Dankward schnaubte verächtlich. “Pah, Stolz. Angriff, Männer!“

    Die Milizionäre standen für einen Augenblick wie angewurzelt und blickten irritiert zu ihrem Ausbilder. Sollten sie tatsächlich zu fünft einen einzelnen Mann angreifen? Den Befehl ihres Vorgesetzten zu hinterfragen war ihr erster Fehler. Gor Na Jan lies einen gellenden Kriegsschrei erklingen, der durch seine massive Statur und den engen Innenhof um ein vielfaches verstärkt wurde und die Milizionäre zusammenfahren lies. Bevor diese reagieren konnten, hatte der Templer bereits die Strecke zum schwächsten von ihnen überwunden. Der junge Mann konnte gerade noch seinen Schild heben, als der Stahlstiefel des einstigen Zweihandmeisters diesen mit aller Wucht traf und den Knaben von den Füßen hob und in den dahinterstehenden Kämpfer beförderte, der sich ungünstig positioniert hatte, wohl in dem Versuch, eine mehrreihige Schlachtformation einzunehmen. Von seiner Position machte der Templer einen Satz zwischen die übrigen drei und begann damit, das Schwert in einem weiten Klingentanz um sich durch die Luft sausen zu lassen. Eingeschüchtert wichen die Männer vor der tanzenden Klinge zurück. Der einstige Zweihandmeister hatte diesen Klingentanz als eine der höchsten Formen der Kampfmeditation perfektioniert und auch wenn es nicht ihr primäres Ziel war, erzeugte die präzise rotierende Klinge einen eindrucksvollen Wirbel des Todes.

    Schlussendlich entschloss sich ein einzelner der Soldaten, voranzupreschen und auf den Templer einzuhacken. Die Schläge waren solide, aber emotional gesteuert, wohl in Rage darüber, dass der Hüne mit seinem ersten Angriff gleich zwei von ihnen aus dem Gefecht genommen hatte oder beziehungsweise und unter dem Adrenalin, den sein Kampfschrei ausgelöst hatte. Jan lies zwei der Angriffe ableiten und, parierte den Dritten und in einer geschickten Bewegung fixierte er die Schwerthand des Mannes, seine eigene Schneide direkt an seiner Kehle. Mit dem Milizionär als menschlichem marschierte er geradewegs auf die beiden anderen zu. Während der eine zur Seite sprang, blieb dem anderen nichts weiter übrig, als sich gegen die Wand drängen zu lassen, wo der Templer den Mann vor sich mit einem schweren Schulterstoß von sich stieß und dieser seinen Kameraden notgedrungen massiv gegen die Festungswand klatschte. Demonstrativ fuhr sein Schwert herab, um das Ende dieser beiden Krieger anzuzeigen. Ohne weitere Umwege schritt der Templer auf den letzten der fünf Männer zu, dessen Schwert mehr von gutem Willen als von Griffstärke in der Hand gehalten wurde. Immerhin machte sich der Milizionär noch die Mühe, die Schläge des Templers zu Blocken, doch am Ende des Tages stand es hier 1 gegen 1 und der junge Krieger hatte der Schwertkunst des Templermeisters nichts entgegen zu setzen. In rascher Sukzession traf die Schneide mit der flachen Seite dessen Oberschenkel, zwang ihn in die Knie und zog sich mit der stumpfen Spitze einmal über dessen Wams. Jan fuhr herum. Die zwei Milizionäre übrigen Milizionäre hatten es wieder auf die Beine geschafft, doch in der Zwischenzeit keine Anstalten gemacht, in den Zweikampf einzugreifen. Jan wandte sich Ihnen zu.

    “Worauf wartet ihr noch?! Greift an!“, schimpfte Dankward auf die beiden Milizionäre ein. Diese warfen sich und ihrem Ausbilder zögerliche Blicke zu und rührten sich nicht von der Stelle.

    Der Gor Na legte das Schwert auf die Schulter und blickte zu Dankward und Garon. Als der Lehrmeister merkte, dass die beiden Soldaten nicht mehr angreifen würden, zog er seine Klinge und trat in den Innenhof. Jan lies ohne große Hektik das Trainingsschwert fallen und zog den Roten Wind vom Rücken, den er in all seiner Pracht in Kampfhaltung brachte und sich selbst ebenso zu voller Größe aufbäumte, um dem deutlich kleineren, älteren Krieger entgegen zu treten. Dankward hielt inne. Jan schüttelte den Kopf. “Lasst gut sein. Wir sind keine Feinde, Dankward.“

    Der Veteran presste wütend die Zähne aufeinander, schien noch für einen Augenblick seine Optionen abzuwägen und dann zum richtigen Ergebnis zu kommen, als er das Schwert zurück in die Scheide steckte. “Ihr könnt kämpfen, na und?“

    “Das war nicht die Lektion, Dankward. Ich habe eure Männer nicht besiegt, weil ich besser kämpfen kann. Als jeder einzelne? Womöglich. Aber als fünf zugleich? Das ist auch für meinesgleichen unmöglich, wenn der Feind als Einheit agiert. Disziplin, Furchtlosigkeit, Organisation. Ein starker Kodex und ein ebenso starker Wille machen eine Einheit unbesiegbar“, erwiderte der einstige Zweihandmeister.

    “Und was macht euch so sicher, dass ihr einer Gruppe von Bauern beibringen könnt?!“, fauchte der bittere Krieger ohne Unterlasse zurück.

    Gor Na Jan antwortete nicht, sondern behielt die Rote Klinge in Angriffshaltung, schritt geradewegs auf Gor Na Thal zu und schwang die Klinge nach seinem Hals. Nur wenige Zentimeter vor der blanken Haut stoppte die Schneide, so dass das Klirren leicht zu hören war, als die auf dem Schulterpanzer auflegte. Dann trat der Klingenhüter einen Schritt vor und verpasst dem Templer einen Schwinger mit der Faust aufs Kinn. Thal taumelte ein Stück, fing sich rasch wieder und nahm Haltung an. Er verzog keine Miene, zu keiner Zeit. Er ließ sich nichts anmerken, selbst als etwas Blut aus seinem Mundwinkel lief.

    “Weil ich das!“, der Templerführer deutete auf Gor Na Thal “aus einem Haufen Verbrecher, Mörder und Halunken gemacht habe!“

    Dankward stand regungslos da. Offenbar endlich erschöpft an Argumenten. “Mach was du willst,“ schnaubte er zu Garon. “Aber du wirst noch sehen, was du davon hast, Fremden die Sicherheit unserer Stadt anzuvertrauen!“ Der alte Mann wandte sich ab und stampfte vom Innenhof.

    Der Kommandant schüttelte den Kopf. “So viel dazu…“, dann wandte er den Blick zu Gor Na Jan der den Roten Wind wieder an seinem rechtmäßigen Platz verstaute. “Ihr habt, was ihr wolltet. Aber was genau, ist das eigentlich?“

    “Ich will Sicherheit“, erwiderte der Templerführer. “Und dafür braucht diese Stadt eine Armee. Wir werden nie dem König oder den Mächten der Finsternis Paroli bieten können, aber wir können uns diese Insel von der Wildnis und Gesetzeslosigkeit zurückholen. Und wir beginnen mit dieser Stadt.“

    Der Kommandant verschränkte die Arme. “Dafür braucht es mehr als ein Heer von willigen Bauern und Bürgern und einen erfahrenen Ausbilder. Es braucht Waffen, es braucht Rüstungen, es braucht Gold.“

    “Lasst das meine Sorge sein. Verschafft mir die Männer, die Willens und in der Lage sind, diese Stadt zu verteidigen, und ich übernehme den Rest.“
    Garon überlegte eine Weile. Dann nickte der Kommandant, schritt zu Gor Na Jan herüber und reichte ihm die Hand. Als dieser sie ergriff, sprach er “Ich kenne den Ruf der Templer. Nur deshalb gebe ich euch diese Chance. Enttäuscht mein Vertrauen nicht.“

    Jan erwiderte dies mit einem sicheren Nicken. “Ihr habt mein Ehrenwort.“

    Dies schien Garon zu genügen, denn er nickte ebenfalls erneut, wandte sich ab und schritt zurück in die Kaserne, um alle nötigen Vorbereitungen zu treffen.

    “Beeindruckend. Ich dachte, hier würden wir scheitern“, sprach Thal, als der Kommandant außer Hörweite war.

    “Ich auch“, erwiderte der Templerführer und schmunzelte. “Los, es liegt viel Arbeit vor uns.“

    “Wo beginnen wir?“ fragte Khosh.

    “Garon hat uns eines der Kasernengebäude zugesichert. Als erstes bringen wir unsere Fracht an einen Platz, der etwas besser zu bewachen ist als ein Schiff im Hafen einer der kriminellsten Städte des Landes. Und dann brauchen wir einen guten Waffenschmied. Und einen noch besseren Rüstungsschmied.“

    Thal schaute skeptisch. “Habt ihr jemanden im Sinn oder müssen wir suchen.“

    “Beides“, erwiderte Gor Na Jan und schritt an den irritiert schauenden Templern vorbei vom Innenhof.

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    Gor Na Jan schob sich den letzten Bissen des Filets in den Mund und zerkaute dies langsam und genüsslich. Dabei waren es Situationen wie diese, die er eigentlich vermeiden wollte. Und doch es war es anders. Es war kein festliches Bankett, das ein hoher Fürst für ihn aufgetürmt hatte, um den einstigen Zweihandmeister auf seine Seite eines undurchschaubaren Intrigenspiels zu ziehen. Nur der Bürgermeister, der sich mit seiner Familie sichtlich Mühe gab, dem Templer vorzugaukeln, dass die Stadt noch etwas von ihrer alten Größe behalten hatte, die es zu verteidigen lohnte. Unnötig. Der Templer hatte seine Entscheidung bereits getroffen. Doch behielt er die Täuschung bei, sich noch nicht vollends sicher zu sein, um dem Bürgermeister in der Verhandlung keine überlegende Machtposition einzuräumen, die er eigentlich durchaus hatte. Und er hatte seit langem nicht mehr so gut gegessen. Wenn überhaupt jemals. Die Bruderschaft war nicht für ihre gehobene Küche bekannt. Weder die eine, noch die andere.

    "Und ihr meint also, Khorinis wieder zu ihrem alten Glanz verhelfen zu können?", sprach Elvrich nachdem sich die Themen lange Zeit um eher triviale Themen gedreht hatte, bei denen der Templerführer nicht zurückhaltend gewesen war, immer wieder dezent auf seine Errungenschaften vergangener Kriege hinzuweisen.

    "Nein, ich denke das kann niemand", erwiderte Jan trocken und sorgte für betretenes Schweigen im Raum. Nur der jüngste Sohn Elvrichs guckte ihn mit großen Augen an und kaute, obwohl mit geschlossenem Mund, so enthusiastisch, dass es hörbar war.

    "Und es würde der Stadt auch nicht gut tun. Reichtum und Macht zieht Aufmerksamkeit und gegen die Aufmerksamkeit von Krone, Setarrif oder gar anderen Mächten kann diese Stadt nicht mehr bestehen. Nicht in den nächsten 5 bis 10 Jahren. Aber mit einer anständig ausgebildeten und ausgerüsteten Stadtwache und dem Vertrauen der Bevölkerung ist es möglich sowohl die Stadt selbst und ihre Bürger als auch die umliegenden Höfe auf Dauer gegen Banditen und Orks zu schützen und diese Insel unattraktiv für das Gesindel zu machen, dass hier in den letzten Jahren ein Paradies gefunden hat. Sicherheit, Frieden, Wohlstand, all das ist für Khorinis seit über einem Jahrzehnt nicht mehr so greifbar gewesen."

    Der Bürgermeister schaute zu seiner Frau und auch diese schien ihm zufrieden zuzunicken. "Was benötigt ihr?"

    "Nur die Handlungsbefugnis über die wir bereits sprachen. Erstens, selbst wenn wir jeden kampffähigen Mann der Stadt für die Wache abordern, werden wir zahlenmäßig keine großen Sprünge machen. Doch das ist mir nicht neu. Entsprechend muss jeder einzelne Soldat einen größeren Teil der Kampfkraft tragen. Und das ist nur mit einem rigorosen und manchmal unorthodoxen Training möglich. Zweitens, wir müssen ein Zeichen gegen die Kriminalität in dieser Stadt setzen und dieses Zeichen muss Kunde an den Abschaum bis über das Meer tragen. Drittens, das Umland muss unter Kontrolle gebracht werden. Ich verlange kein bedingungsloses Vertrauen. Euer Wort ist Gesetz und Garon bleibt Kommandant der Stadtwache mit Entscheidungsgewalt in letzter Instanz. Entweder der Kommandant selbst oder einer seiner Offiziere wird jede Aktion von mir oder meinen Männern begleiten und Bericht erstatten. Wenn ihr mit den Ergebnissen nicht zufrieden seid, beladen meine Männer und ich unser Schiff, setzen die Segel und ihr seht uns nie wieder. Wir sind nicht gekommen, um Khorinis zu übernehmen. Wir sind gekommen, um zu helfen, für uns alle eine sicherere Heimat zu schaffen."

    Elvrich legte das Gesicht auf die Hände und überlegte lange. Was der Templer versprach war gewagt und seine Forderungen waren, wenn auch stark kontrolliert, immer noch hoch. Zu Jans Glück war der Ruf der Bruderschaft in dieser Welt, wenn er noch vorhanden war, ein ausgezeichneter. Die Jahre des Zweifels, nachdem die einstigen Verbrecher aus dem Minental gekommen und sich mit ihrem suspekten Kult im Pyramidental niedergelassen hatten, waren so gut wie vergessen. Wenn sich die Bewohner der Stadt noch an die Templer erinnerten, dann als die Krieger, die im globalen Konflikt mit Neutralität glänzten, allen Bewohnern der Insel aufgeschlossen und gastfreundlich entgegen kamen und den Armeen des Königs sowohl bei der Verteidigung des Passes als auch der Stadt gegen die Orks in der Vergangenheit selbstlos zur Seite gestanden hatten. Ganz selbstlos war es natürlich nicht gewesen, doch die klaren Motive schafften es im Laufe der Geschichte selten ins Bewusstsein des normalen Bürgers. Damit hatte Elvrich hoffentlich nicht nur ein klares Bild von der Motivation, sondern auch von der Kampffähigkeit der Neuankömmlinge.

    “Ich will ehrlich sein. Unsere Stadtwache schafft es gerade, das obere Viertel und den Markt sicher zu halten. Die Händler und Handwerker haben sich zu Gilden zusammengeschlossen und schützen sich selbst mit zwielichtigen Söldnern, die nicht selten mit unseren Wachen aneinander geraten. Die Situation muss unter Kontrolle gebracht werden.“

    Der Templer nickte und wartete immer noch auf eine Entscheidung. Schlussendlich nickte auch Elvrich. “Lassen wir es drauf ankommen. Auf eine bessere Zukunft,“ sprach der Bürgermeister und erhob seinen Kelch zum Trunk.
    Auch Gor Na Jan hob seinen Krug, der erneut lediglich mit Wasser gefüllt war und nahm einen symbolischen Schluck. Wenig später, nachdem sich die Gesprächsthemen wieder heitereren Angelegenheit gewidmet hatten, verabschiedete sich der einstige Zweihandmeister und verließ das Anwesen, wo Thal bereits vor der Tür auf ihn wartete.

    “Du siehst zufrieden aus“, sprach der Klingenhüter und betrachtete die Mimik seines Anführers.

    Gor Na Jan nickte. “Wir haben einen guten Anfang. Mit der Legitimation des Bürgermeisters und der Zusammenarbeit des Kommandanten haben wir sowohl die Männer, als auch die Mittel, sie richtig einzusetzen.“

    “Weißt du denn noch, wie man junge Templer ausbildet?“, witzelte Thal, allerdings mit einem Funken echter Sorge. Schließlich hatte ihre Kaste seit mehr als 10 Jahren keine neuen Mitglieder mehr aufgenommen.

    “Der Schlüssel wird die Motivation. Khorinis wird keinen neuen Templerorden sehen, zumal es keinen Tempel zu verteidigen gibt. Generell wird es nach all den Jahren um den Glauben der Menschen schlecht bestellt sein. Doch an irgendetwas müssen sie glauben. Blinder gehorsam und Selbstaufopferung muss auf ein Ideal gerichtet sein.“

    “Ein freies und starkes Khorinis?“, schlug Thal vor, während sie Seite an Seite das obere Viertel verließen.

    Der Templerführer nickte. “Eine freie und starke Heimat. Es hat diese Menschen bis jetzt durchhalten lassen. Eine stärkere Motivation kann ich mir nicht denken. Was ist mit Drakk und Ryu?“

    “Rhan hat heute Morgen einen Kapitän mit Kurs auf Argaan gefunden. Die Botschaft ist unterwegs.“

    Jan nickte. Dann galt es jetzt eine gute Mütze Schlaf zu bekommen, bevor der richtige Spaß begann.

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    Auf einem Hof in der Nähe der Stadt Khorinis

    “Versteht mich nicht falsch, aber sollten wir nicht langsam mit dem Training beginnen? Was tun wir hier draußen?“, hakte einer der Milizionäre nach, als der Templerführer aus dem Wohnhaus des kleinen Hofes zurückkehrte.

    Der Templer murmelte etwas, das verdächtig wie “Questen.“ klang in seinen nicht vorhandenen Bart.

    “Bitte?“, wunderte sich der junge Mann.

    “Wir erfüllen Aufträge, zeigen Präsenz, erhöhen unsere Reputation und vor allem rekrutieren wir Nachschub“, antwortete der einstige Zweihandmeister und betrachtete den zerschlitzten Kadaver eines Feldräubers zu seinen Füßen. “Das war früher auch einfacher. Da hat man ein halbes Dutzend von diesen Viechern geschlachtet und hatte die Gunst des Hofbesitzers.“

    “Da waren wir aber auch noch Taschendiebe und Halsabschneider, die sich die Anerkennung der Gurus verdienen mussten, um einen Novizenrock tragen zu dürfen und keine vollausgebildete Eliteeinheit,“ sprach Gor Na Thal, der gerade aus dem nahen Waldstück kam.

    “Wohl wahr“, stimmt der Templerführer zu. “Wie viele?“

    “Vier. Alles Späher,“ berichtete Thal.

    Der Templer schnaubte verächtlich. “Dafür hätten wir damals allerdings auch drei niedere Templer geschickt. Doch geht es ja nicht um unsere Erfahrung, es geht um eure“, sprach der Hüne an die vier Milizionäre gewandt, die sich verwirrte Blicke zuwarfen.

    Ohne weitere Erläuterungen wandte sich der Templerführer ab und marschierte gen Waldrand, Gor Na Thal dicht an seiner Seite und die vier Wachen dicht auf ihren Versen. Sie mussten nicht weit ins Unterholz, als der Schein des Lagerfeuers bereits durch das Dickicht drang. Die vier Orkspäher saßen gleichmäßig um die Lichtquelle verteilt und labten sich am Fleisch der Sau, die der Bauer mehr als ausdrücklich beklagt hatte.

    Einer der Milizionäre trat von hinten an den Templerführer heran. “Wagen wir einen Hinterhalt? Wenn ich und die Männer uns durch das Gebüsch schleichen, können wir sie umrunden und von allen Seiten gleichzeitig angreifen“

    Gor Na Jan drehte den Kopf zur Seite und schaute dem Milizionär schweigend in die Augen. “Ihr bleibt, wo ihr seid.“ sprach er leise, während er und Thal gleichzeitig ihre Schwerter zogen und auf die Lichtung marschierten.

    Jan führte die linke Hand zu den Lippen und pfiff in dem Augenblick, als er und sein Gefährte sich aus den Schatten. Zwei der Orks, unter anderem derjenige, der mit dem Rücken zu ihnen saß, sprangen auf und zogen ihre Waffen. Den Templer erfüllte ein Hauch von Nostalgie, als er die leichte Orkaxt erkannte, die diese niederen Späher schon seit einem Jahrzehnt als traditionelle Waffe führten. Dies war keine Spähtruppe des einstigen orkischen Imperiums. Dies waren Jäger des Khorinis-Stammes. Der Ork reagierte schnell, doch hatte ihn das ganze Prozedere zu viel Zeit gekostet. Thal warf sich mit der Schulterplatte der schweren Templerrüstung gegen die ungeschützte Brust des Orkspähers und stieß diesen in ihr eigenes Feuer. Brüllend rollte er sich hastig aus den Flammen und warf dabei unkontrolliert brennende Holzstücke nach seinen Gefährten. Diese verteilten sich umgehend und versuchten die Templer zu umkreisen. Jan ließ den Roten Wind durch die Luft sausen und traf auf den Block seines ersten Gegners. Thal trat noch ein brennendes Holzstück in die Richtung des freien, dritten Orks, bevor er den Schlag des vor ihm stehenden parierte und die rohe Kraft in den Boden gleiten ließ. Es wurde schnell klar, mit welcher Art von Gegnern sie es hier zu tun hatten. Die Orks waren mit dem Verschwinden der Garde übermütig geworden und hatten sich in Ermangelung natürlicher Feinde schlichtweg vereinzelt über der ganzen Insel ausgebreitet. Diese Truppe war nicht auf Widerstand vorbereitet und so kämpften sie auch. Beim Schläfer, wenn sie Glück hatten, war der gesamte Stamm nicht mehr auf Widerstand vorbereitet. Nicht dass ein Krieg gegen die Khorinis Orks sein Ziel gewesen wäre, doch machte es die Basis für kommende Verhandlungen einfacher.

    Der Templerführer passte seine Technik schnell an. Die Khorinis-Orks waren weniger geschickt, besaßen jedoch mehr rohe Kraft und Wildheit als die militärisch ausgebildeten Orks Myrtanas. Er ließ sich nicht auf einen direkten Kraftvergleich ein, sondern führte die Äxte seiner Angreifer immer wieder ins Leere. Die beiden versuchten ihn in die Zange zu nehmen, doch immer wieder gelang es dem Templer seine Gegner so auszurichten, dass sie sich fast gegenseitig verletzten, erst Recht, wenn Thal und Jan ihre Feinde ineinander laufen ließen. Die Orks waren nicht dumm und wichen im Rahmen der Möglichkeiten aus, doch behinderten sie sich erheblich gegenseitig, dass es nicht lange dauerte, bis der erste von ihnen von Thals Königsklinge durchstoßen wurde. Ab diesem Moment reihten sich die Ereignisse rasant aneinander. Die leichte Orkaxt glitt am Roten Wind vorüber in den Boden, bahnte sich seinen Weg unter dem Arm des Orkes hindurch und zog eine tiefe Furche durch dessen Brust, bevor sie auf die Verteidigung des nächsten Orks traf, dort lediglich Kontakt aufnahm, um die Deckung zu lockern, bevor der Templerführer sich in die entgegengesetzte Richtung drehte und sie mit aller Wucht durch den Oberschenkel des Spähers fahren ließ. Jan sah, wie Thal sich aus einer blockenden Drehung hinter seinen Gegner gebracht hatten und diesem die Klinge seitlich durch den Hals stieß. Der Klingenhüter machte einen weiten Schritt hinter den auf die Knie gesackten Ork und fuhr dabei mit dem Roten Wind einmal um dessen Hals herum, hob die Schneide hintern den Rücken und ließ sie mit aller Kraft auf den offenbarten Rücken des letzten Angreifers herabsausen, wo sie zwischen Hals uns rechter Schulter gute 40 cm in den Torso schlug.

    Die vier Milizionäre kamen aus dem Unterholz und betrachteten das Schlachtfeld. “Was… wie… „, stammelte einer von ihnen.

    “Punkt 1: Ehre ist die wichtigste Tugend des Templers. Finten und Hinterhalte sind im Krieg unausweichlich, doch eher sterben wir, als das wir einem arglosen Feind außerhalb des Schlachtfeldes in den Rücken fallen.“

    Gor Na Jan wischte sich das Blut mit demselben, üblichen Tuch von der Klinge und befestigte sie erneut auf seinem Rücken.

    “Punkt 2: Die Wahrscheinlichkeit, dass ihr entdeckt worden wärt, bevor auch nur einer von euch die andere Seite der Lichtung erreicht hätte, war zu groß. Und keiner von euch ist einem Khorinis-Ork im Zweikampf gewachsen.“

    Daraufhin zog der einstige Zweihandmeister die Sumpfschneide, bückte sich zu dem toten Ork herab, dem er bereits eine tiefe Wunde am Hals zugefügt hatte, und schlug diesem mit zwei Hieben den Kopf von den Schultern.

    “Punkt 3: Dies war Gruppe Jäger. Sehr gefährlich für ein Rudel Bluthunde oder sogar Snapper, ebenso gefährlich im direkten Zweikampf, aber nicht darauf ausgelegt im Verbund zu kämpfen. Wie ihr gesehen habt, ist es unter diesen Bedingungen einfacher, vier von ihnen zu töten, als zwei. Also war ein direkter Angriff einem Hinterhalt vorzuziehen.“

    Thal betrachtete die Milizionäre, die, wie sie es gehofft hatten, aufmerksam lauschten. Als diese ihm einen Blick zuwarfen, tippte er sich lehrmeisterlich dreimal mit dem Zeigefinger an die Nase. Dann trat er Erde auf das Lagerfeuer, um die Flamme zu ersticken, und folgte seinem Anführer, der sich bereits auf den Weg zurück zum Hof gemacht hatte.

    Der Bauer öffnete die Tür einen Spalt und schaute verdutzt in das Gesicht des Templers. “Was? Ihr lebt noch?“

    Gor Na Jan hielt den Kopf des Orks vor das Gesicht des Bauern, der erschrocken zurückwich. “Hier hat seit Jahren keiner mehr einen Ork getötet!“

    “Gewöhnt euch dran“, mischte sich Thal ein. “Das wird nun häufiger vorkommen.“

    Seine Frau und ein junger, kräftiger Mann standen im Raum hinter dem Bauern und beobachteten die Situation. Der verstörte Mann kniff die Augen zusammen und betrachtete die beiden Krieger eindringlicher. “Ich weiß jetzt, woher ich eure Rüstungen kenne… Ihr gehört zu dieser Bruderschaft, die mal oben im Pyramidental gelebt hat. Ich dachte, ihr wärt alle im Krieg draufgegangen.“

    “Nicht alle“, erwiderte der Templerführer und reichte dem Bauern den Orkkopf, der diesen verwirrt betrachtete. [i]“Steckt den auf einen Spieß und platziert ihn gut sichtbar vor eurem Hof. Die Orks Myrtanas würden dies als Provokation betrachten und einen Elitekrieger mit einer Truppe vorbeischicken, aber die sind nicht mehr hier. Die Chancen stehen gut, dass sich eine ganze Weile kein Ork mehr an diesen Hof trauen wird. Und mit Glück auch eine Reihe Banditen nicht mehr.

    Der Bauer löste sich nach einiger Zeit endlich aus seiner Starre und schritt durch den Raum zu einer kleinen Schatulle auf dem Kamin, aus dem er einen Beutel Münzen holte. Jan winkte ab. “Aber… irgendwas müssen wir für euch tun können?“

    “Ihr könnt etwas für euch tun“, antwortete der Templerführer und blickte auf den jungen Mann hinter dem Hofbesitzer, der seinen Blick selbstbewusst erwiderte. “Kommandant Garon sucht Nachwuchs für die Miliz. Schickt euren Sohn in die Stadt und lasst ihn ausbilden.“

    “Aber… ich brauche meinen Sohn hier auf dem Hof…“, stammelte der Bauer.

    “Und ihr bekommt ihn wieder. Wir haben genug willige Männer, um die Stadt auszurüsten, doch wir müssen sichergehen, dass auch die umliegenden Höfe gesichert sind. Und mit unserer Ausbildung, wird sich euer Sohn in Zukunft selbst um euer Orkproblem kümmern können. Vorausgesetzt, ihr gebt euch für ein oder zwei Jahre mit Tagelöhnern für die Feldarbeit zufrieden.“

    Der Bauer blickte zwischen den beiden Templern und seinem Sohn hin und her. Doch bevor er antworten konnte, fuhr Gor Na Jan fort: “Überlegt es euch. Wir sind nicht hier, um zwangszurekrutieren. Wir eröffnen nur eine neue Option für eine sicherere Zukunft für diese Insel. Erwachet!“

    Mit diesen Worten verneigten sich die beiden Templer und verließen den Hof unter den ebenso verdutzten wie immer noch skeptischen Blicken des Bauern, seiner Familie und nicht zuletzt auch der Miliz. Die Wege der Templer waren ungewöhnlich für die Bewohner der Insel. Das waren sie schon immer gewesen. Doch die Zeiten, in denen sie einfach nebeneinander leben konnten, waren vorbei. Eine Allianz war im Interesse aller.

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    In einem Augenblick, während der Templer jede Bewegung seiner neuen Schüler achtsam verfolgte, hielten seine Gedanken inne, um zu reflektieren, was gerade geschah. Eine kleine Gruppe Milizionäre hatte sich auf dem Trainingsplatz versammelt und praktizierte seit Stunden die gleiche Bewegungsfolge. Es waren nie mehr als acht Soldaten gleichzeitig auf dem Trainingsplatz. Nicht, weil es Ihnen an Männern gemangelt hätte, das Sichern der umliegenden Höfe hatte die Miliz ausreichend verstärkt, um eine solide Grundlage zu bilden, sondern weil nur so die Intensität des Trainings und der Fokus auf dem Einzelnen gewährleistet werden konnte. Sicher, das Training zog sich so über die gesamte Woche und die volle Länge jedes einzelnen Tages, doch das Ergebnis zahlte sich aus. Am Anfang hatten einige der Milizionäre, weniger die Bauern als vielmehr die, welche ein anderes Training in der Miliz gewöhnt waren, noch über die Härte der Methoden der Templer beschwert. Doch inzwischen waren Verbissenheit und schlussendlich eiserne Disziplin in die Gruppe eingekehrt. Diese würde sich über die kommenden Wochen und Monate festigen und auf die Probe stellen müssen, doch der erste Schritt war getan.

    Mit einem Schmunzeln stellte der Templerführer fest, dass immer mehr Soldaten anfingen, sich die Köpfe zu scheren. Dies war kein Teil der Bedingungen, die die Templer gestellt hatten, doch hatten einige der eifrigen Schüler die Notwendigkeit empfunden, sich den neuen Lehrmeister so stark wie möglich anzugleichen und der Rest folgte entweder schrittweise diesem Ideal oder nutze dieses Symbol, um die Gemeinschaft zu stärken. Dem Templer war es Recht und obwohl sie noch die Rüstungen der Stadtwache trugen, fühlte sich der Gor Na unweigerlich in die Zeit versetzt, als eine Gruppe junger Templer statt Milizionäre vor ihm standen und die Erinnerung der Geruchs an Sumpf, Matsch und Kraut füllte seine Sinne.

    Mit einem Ruck schnellte seine Hand vor und das Holzschwert darin traf den Oberschenkel eines Soldaten. Dieser unterdrückte einen Aufschrei und rückte den Fuß rasch auf die vorgesehene Markierung am Boden. Jan hörte es knallen, als Thal auf der anderen Seite des Hofes die Prozedur wiederholte. Aus dem Augenwinkel sah der einstige Zweihandmeister, wie Khosh in die Kaserne kam, seine Schritt in Eile.

    “Du wirkst aufgeregt“, empfing der Templer seinen Kameraden.

    “Sie sind hier“, sprach Khosh ohne Umschweife.

    Jan drehte den Kopf bei Seite und betrachtete die Gesichtszüge, denen es kaum gelang, das Lächeln dahinter zu verbergen. “Ryu und Drakk?“

    Khosh schüttelte den Kopf. Der Templerführer betrachtete ihn eine Weile, doch Khosh fügte dem nichts weiter hinzu. Jans Augen weiteten sich. “Unmöglich…“

    Ohne ein Wort an die Gruppe oder Thal zu richten, warf er das Holzschwert in ein Fass am Rande der Trainingsfläche und eilte raschen Schrittes und unter den verwirrten Blicken Thals aus der Kaserne. Khosh blieb dicht hinter ihm, während der Templer durch das obere Viertel schritt und schlussendlich den unteren Teil der Stadt Richtung Hafen durchquerte. Die Reaktionen der Bürger auf die Anwesenheit der Templer waren noch immer gemischt aus Misstrauen und Hoffnung. Keiner wusste so genau, was sie hier wollten und bis jetzt hatte sich in der Stadt noch nicht viel verändert. Noch nicht.

    Als sie den Hafen erreichten, glaubte der Templerführer seinen Augen nicht zu trauen. Er hatte gehofft, dass der Ruf eines Tages noch den einen oder anderen von ihnen erreichen würde. Aber damit hatte er nicht gerechnet. Unmittelbar vor ihm legte soeben die Scarlett im Hafen von Khorinis an. Eben jenes Schiff, mit dem die Templer einst Silden verlassen hatten, um ihr Glück in der Ferne zu suchen. Gesichter, von denen er befürchtet hatte, sie nie wieder zu sehen, standen an der Reling aufgereiht, um sich selbst davon zu überzeugen, dass die Gerüchte wahr waren. Der Gor Na wagte es nicht, zu mutmaßen, ob die fehlenden Gesichter nur nicht an Deck waren oder aus tragischeren Gründen fehlten, darum ignorierte er es und genoss einfach nur den Augenblick, den er sich so oft ausgemalt, doch nie wirklich erwartet hatte. Was von den Templern in dieser Welt noch existierte, war zum ersten Mal seit einer Dekade am gleichen Ort vereint. Mit einer Ausnahme, doch auch das sollte sich noch ändern.

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    Nur milde irritiert richteten sich die Blicke der kleinen Gesellschaft im Hinterzimmer des Hauses eines wohlhabenden khorinischen Händlers auf die Eingangstür, als diese einem Stahlstiefel nachgebend aus den Angeln brach. Drei hohe Templer und ein gutes Dutzend, das sehr nach Templern aussah, aber deren charakteristische Rüstung in die Farben der Stadtwache gehüllt waren, stürmten unter der Leitung Gor Na Jans den Raum. Um einen Tisch saßen vier Männer und eine ältere Dame, die sich allesamt vom Einbrechen der Garde erstaunlich wenig beeindruckt zeigten. Hinter jedem von ihnen standen mal zwei, mal drei vergleichsweise massige Gestalten, die geschlossen zu ihren Waffen griffen. Ob es die Einhalt gebietenden Gesten ihrer Arbeitgeber oder das Dutzend Armbrüste, das auf sie gerichtet war, war, was sie stoppte, konnte man nur erahnen, doch erblickte zu diesem Zeitpunkt keine weitere Klinge das schwummerige Licht des Hinterzimmers.

    "Herr Templerführer, meine Herren der Stadtwache, was verschafft unserer Spielgesellschaft die Ehre?", sprach einer der vier Männer zuerst und mit einer überheblichen Gelassenheit in seiner gespielten Höflichkeit. Es brauchte keinen Kenner, um zu sehen, dass die Spielkarten vor ihnen auf dem Tisch nur zum Schein dort plaziert worden waren.

    "Im Namen des Bürgermeisters und des Kommandanten der Stadtwache sind die hier Anwesenden Herren und die Dame der Verbrechen des Diebstahls, der Grabschändung, des Schmuggels, des mehrfachen Mordes sowie der Konspiration angeklagt", tönte die tiefe und unbewegte Stimme des Templersführers.

    Ein Schmunzeln zog sich über die Gesichter der fünf und auch ihre Handlanger stimmten mit ein, als sie dessen Gewahr wurden.

    "Lächerlich...", schnaubte die ältere Dame. "Auf welcher Grundlage nehmt ihr euch diese Behauptungen heraus?"

    Noch bevor die ältere Dame ausgesprochen hatte, führten zwei weitere Gardisten zwei Männer herein, die mehr als offensichtlich unter körperlicher Folter gelitten hatten. Die Gesichter der fünf Verschwörer wurden steinern, als ihre Blicke auf die beiden fielen. Zugleich löste der Templerführer einen Stapel Pergamente von seinem Gürtel und warf sie auf den Tisch. Geständnisse. Von kleinen Taschendieben bis hoch zu Auftragsmördern, Händlern und Kapitänen von Schmugglerschiffen und dergleichen. Die fünf hielten sich nicht damit auf, die Dokumente zu sichten und das war auch nicht im Sinne des Templers.

    "Und nun? Stehen wir bis zur Verhandlung unter gewahrsam?", es war nicht zu übersehen, dass keiner der Anwesenden eine wirkliche Bedrohung im khorinischen Rechtssystem sah. Zu lange schon standen nicht nur die Stadt, sondern die gesamte Insel vollständig unter ihrer Kontrolle.

    "Ich habe in den vergangenen Monaten viel Zeit und Gold darin investiert herauszufinden, mit wem ich es zu tun habe", entgegnete der Templerführer unbeeindruckt und hob die Hand. "Ihr offensichtlich nicht."

    Der Gor Na wartete genau jenen einen Moment ab, den es die fünf kostete, zu verstehen, was er damit meinte, bevor er mit einem Wink das Kommando gab. Fünf der Soldaten lösten ihre Bolzen und sorgten für eine abrupte Exekution der gesamten Führungsrige der verborgenen Gesellschaft, die das Verbrechen in Khorinis über Jahre kontrolliert hatte. Die fünf Schützen traten zurück, um die Bahn für die noch bewaffneten Templer zu ebnen, die ihre Armbrüste auf die Leibwächter richteten. Die Söldner gehörten zu den besten ihrer Art, so dass es nicht lange dauerte, bis sie realisierten, dass es keinen Sinne ergab, für tote Auftraggeber zu kämpfen, und ihre Waffen niederlegten. Und der Templer würde nicht unnötig Blut vergießen. Während die Gardisten die Leibwächter in Ketten legten und abführten, verließ der Templerführer den Raum.

    Kaum über die Türschwelle fiel ihm ein Stein vom Herzen. Es hatte fast ein Jahr erbitterte Mühen und einen beträchtlichen Einsatz an Kapitel gefordert, diesen Streich zu realisieren. Nicht zuletzt war es notwendig gewesen, die neuen Fähigkeiten der Stadtwache dilettantisch und inkompetent wirken zu lassen, was den Templern besonders schwer fiel, waren sie doch stets von Ehre getrieben. Doch nach Monaten des Überwachens, Unterwanderns, Bestechens und, wenn nicht vermeidbar, Folterns hatten sie alle Informationen beisammen, um der Schlange den Kopf abzuschlagen. Dass Khorinis so lange nahezu herrenlos war hatte definitiv seine Nachteile, war das Netzwerk im Schatten doch gefestigt und fast undurchdringbar. Doch gleichzeitig hatte es den Vorteil mit sich gebracht, dass, wenn erst einmal erkannt, die gesamte Struktur mit einem gezielten Angriff auf die Anführer zu Fall gebracht werden konnte. Zwar war diese Nacht nicht das endgültige Ende von Koruption, Schmuggel, Diebstahl und Mord, doch es war ein essenzieller Schritt, um die Kontrolle über die Insel zu erhalten. Einer, den der Templer lange geplant und der nun endlich die erhofften Früchte getragen hatte.

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    Shenkt ist offline
    "Ahja, mein Schreiberling. Mein Virtuose des geschriebenen Wortes! Ich spuckte auf Barthos von Laran und seine Traktate und Bände, vor mir steht ein Chronist, den die Menschen noch in tausend mal tausend Jahren lesen werden, wenn wir alle längst schon Staub in vergessenen Gräbern sind!"
    Die Stimme gehörte ohne Zweifel dem Mann, der in der Hafenkneipe von Khorinis einen Stammplatz in einer düsteren Ecke hatte, so wie es sich für jeden guten Verbrecher gehörte. Wie Shenkt an ihn geraten war, wusste er selber nicht mehr ganz so genau. Alkohol war mit im Spiel gewesen, viel vom einheimischen Fusel, den der Wirt namens Kardiff wohl aus Schuhsohlen, toten Goblins und Schlamm brannte. Beim ersten Schluck, die Wucht des Getränks unterschätzend, hatte Shenkt einen Moment wirklich befürchtet, blind zu werden. Ihm waren jedoch nur die Tränen in die Augen geschossen und die Galle fast hochgekommen, eine Reaktion die bei besonders starkem Schnaps fast üblich war. Er wusste weiter, dass er mit dem Schurken gespielt hatte. Irgendein Würfelspiel, das man hier gerne zum Zeitvertreib nutzte. Shenkts Nachteil war sein fehlendes Wissen über die Sitten der Khoriner, ihre Spiele und ihre Eigenart, jeden der nicht aus ihrer Stadt und ihrer Gegend war, übler zu verarschen als die, die mit ihnen aus der gleichen Gosse stammten. So konnte Shenkt nur entschuldigend lächeln, das Buch zuklappen und den Kohlestift in seine Tasche gleiten lassen. Ein Schluck Bier für Mut und Ruhe gleichermaßen.
    "Hast du mein Geld?", fragte der Mann, der eine schöne Narbe im Gesicht trug. Nicht schön im ästhetischen Sinne, das war sie absolut nicht. Aber schön von der Art, dass es einen schön ordentlichen Streich mit einem Degen gebraucht hat um sie zu schaffen. "Die hundert Münzen? Schreibst sicher schon fleißig Bücher um die Kohle reinzuholen, was?", grinste er und wirkte dabei so vertrauenswürdig und freundlich wie ein Totengräber.
    "Entschuldige, Skarlof", murmelte Shenkt, "Ich habe das Gold noch nicht. Ich brauche noch etwas Zeit, führe Gespräche mit dem Verleiher hier am Hafen. Glaube ich ... habe dein Geld bald."
    Skarlof schüttelte betrübt den Kopf. "Shenkt, Shenkt, Shenkt. Du nimmst von jemand anderen um es mir zu geben. Ein Teufelskreis. Denn dann schuldest du dem anderen wieder. Und wer gibt dir Geld? Ich. So hängst du in der Luft fest." Der Verbrecher setzte sich an Shenkts Tisch. "Schau, ich kann dich gut leiden, Schönling. Weiß nicht wieso. Weil du ein Wundertier bist. Du gehörst mit einer schicken Krone auf dem hübschen Haupt auf irgendeinen, was weiß ich, Elfenbeinthron oder so. Aber stattdessen sitzt du hier in der lausigsten und einzigen Dreckskneipe zwischen Drakia und dem Festland und trinkst und spielst mit uns Pack. Das mag ich. Aber Geld, mein lieber Shenkt, mag ich noch mehr. Viel mehr. Ich will 'ne ganze Menge davon haben, ehrlich gesagt sogar alles. Egal ob eine Münze oder eintausend. Und du schuldest mir hundert. Das ist viel, zumindest für manche Leute. Und das Geld möchte ich wieder haben. Das ist nichts persönliches, Shenkt, sondern was rein finanzielles."
    Der Reisende sank immer tiefer in sich zusammen. Eine Tatsache, die komisch wirkte, bedachte man das Skarlof ein kleiner, anderthalb Meter großer Winzling war. Aber ein Winzling mit Einfluss und Macht. Der Leute verschwinden ließ, Unfälle passieren ließ. Ein harter Hund in der Unterwelt. "Herr Skarlof", versuchte Shenkt es auf die höfliche Art, "Wenn Ihr wisst, wie ich meine Schuld abarbeiten kann, sagt es mir. Ich werde alles tun."
    Shenkt wusste nicht wieso, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass Skarlof genau auf dieses Angebot gewartet, ja darauf gesetzt hatte. Ein innosverdammt guter Spieler! Das breite Grinsen Skarlofs, unterbrochen von vereinzelten Goldzähnen, reichte bis an die Grenze des Möglichen. "Ohje, Shenkt, du kannst etwas für mich tun, ja ja. Du sagtest doch damals, dass du ... hm, die Welt sehen willst? Reisen und sowas? Ich schicke dich zum Hof einer alten Vettel."
    Shenkts Augen weiteten sich. "Aber ich soll sie nicht ... töten, oder sowas ...", stammelte er. Skarlof schüttelte entsetzt den Kopf.
    "Innos, nein! Du sollst sie überzeugen ihren kleinen Hof abzutreten. Du weißt, ich bin seriöser Geschäftsmann." - Shenkt meinte irgendwo in weiter ferne seriöse Geschäftsmänner vor Schmerz schreien zu hören - "Und ich brauche Gut, das Geld wert ist. Der Hof ist zwar winzig im Vergleich zu anderen auf der Insel, aber die Lage ist ganz gut. Gehe dort hin, stelle dich als mein, hm, Buchhalter vor. Plaudere mit ihr, iss mit ihr. Innos, wenn sie will dann steig mit ihr in die Kiste, Hauptsache der Hof ist am Ende mein Eigentum, klar?"
    Der weißblonde Shenkt nickte langsam, als wäre er geschlagen. "Ja, Skarlof, ich werde das machen. Keine Frage."
    Skarlof lachte wieder sein goldgesprenkeltes Lachen. "Hervorragend! Ich werde dir eine Karte besorgen, damit du dich nicht verläufst. Khorinis ist gefährlicher als noch vor zehn Jahren. Und einen Begleitschutz mitgeben. Ein wunderbar gesprächiger Kerl, 'ne richtige Quasselstrippe."

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    Shenkt ist offline
    Skarlof hatte bei der Wahl von Shenkts Begleitung richtigen Humor bewiesen. Der als Quasselstrippe, als Singvogel angepriesene Wachmann stellte sich als ein Schläger heraus - eindrucksvoll, keine Frage - der keine Zunge mehr besaß. Skarolf teilte ihm bei der Abreise in kurzen, entschiedenen Worten mit, dass der Kerl vorher zumindest sehr redselig gewesen ist. Zu redselig. Diese Redseligkeit hatte ihr Ende im Verlust der Zunge gefunden, ausgerissen von einigen Gestalten der hiesigen Unterwelt, die nur eines noch mehr hassten als sinnloses, störendes Geschwafel: Verrat.
    "Wie dem auch sei, Shenkt: Die alte Dame heißt Ferlia. Der Hof liegt in den Wäldern, an einer Lichtung. Glaube ihr Mann und sie hatten ein, zwei Schafe und haben ... weiß Beliar ... Kürbisse oder so angebaut. Ist mir letztenendes auch egal, wichtig ist mir, dass der Hof trotz seiner scheinbaren Abgeschiedenheit eine relativ zentrale Lage hat. Das hilft mir und meinen Geschäften, von dort aus kann ich arbeiten, meinen Einfluss ausweiten, du verstehst?"
    Shenkt verstand natürlich nicht. Nun, grundsätzlich schon, ihm war aber nicht klar, was dieses ganze unnötige Drumherum sollte. Wenn Skarlof diesen Hof so sehr brauchte, warum holte er ihn sich dann nicht? Er hatte genug Männer, einen abgestumpften Schläger hinschicken, die Vettel rausschmeißen und schon wäre das Problem aus der Welt geschafft. Der Verbrecher konnte wohl Gedanken lesen. Oder Shenkts Gesicht war ein offenes Buch, das sie wie gedruckt zeigte ...
    "Ich lass sie nicht um die Ecke bringen, da sie ... die Mutter einer Geliebten von mir ist. Schau nicht so, Shenkt. Ich bin zwar ein Arsch, aber nicht völlig herzlos. Überrede Ferlia dazu, den Hof abzudrücken und wir sind quitt. Dann kannst du weiterziehen. Verstanden?"
    Shenkt hatte verstanden. Und sich auf den Weg gemacht.

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    Shenkt ist offline
    An so manchem Abend hatte Shenkt in der Hafenkneipe von Khorinis die Chance bekommen, die Khoriner über ihre Insel schwärmen hören zu können. Von den dichten, atemberaubenden Wäldern, die angeblich schon uralt waren, als das Alte Volk noch über das Antlitz der Welt geschritten war. Über die weiten Felder und Wiesen im Innern der Insel, bestellt von ehrlichen, hart arbeitenden Bauern und Knechten. Dem wilden, dem unglaublich schönen Minental, einem Ort der vor Geschichte nur so überquoll. Nun da er sich auf dem Marsch befand, begleitet vom namen- und zungenlosen Schläger, wusste er, dass die Städter ein völlig miserables Bild ihrer Heimat hatten. Khorinis war dreckig, grau und verwildert. Wölfe heulten in den Wäldern, die Wege waren entweder verschlammt nach Regengüssen oder trocken und aufgerissen nach Hitzeperioden. Brücken wirkten baufällig, Zäune wie aus dem letzten Jahrhundert und die wenigen Menschen die sie auf ihrer Reise trafen, waren ungefähr so ehrlich und hart arbeitend wie Ratten in der Kanalisation. Oft ähnelten sie sich sogar in Gestank und Aussehen. Der Hof war Ferlia war relativ zügig erreicht, was Shenkt insgeheim freute.

    "Wie soll ich dich eigentlich nennen?", fragte der Chronist irgendwann und sah den Schläger an. Diese beobachtete ihn einige Augenblicke und wandte sich dann wieder ab.
    "Stimmt ... ohne Zunge zu antworten ist, nun ja, kompliziert. Da hast du recht, mein Freund ..."
    Einige hundert Meter und Schritte weiter, versuchte Shenkt es erneut: "Du kannst mir deinen Namen auf ein Blatt Papier schreiben?"
    Wieder bekam Shenkt einen Blick zugeworfen, der an Teilnahmslosigkeit und Gefühl nicht zu überbieten war. Genauso würde der Schläger wohl auch einen Stein oder einen Haufen welkes Laub mustern. Seufzend ging Shenkt weiter.
    "Darf ich dich, hm ... Bob ... nennen?", fragte er und drehte sich halb im Gehen um. "Oder Bill?"
    Die einzige Regung war eine hochgezogene Augenbraue.
    "Warum diese Namen? Puh, das passt irgendwie zu einem Khoriner. Moe, Bill, Bob, Jack, John. Bei mir in der Heimat setzt man eher auf unglaublich komplizierte Namen."
    Ein fragend-spöttischer Blick.
    "Naja, Shenkt ist nicht der Name den man mir gab. Der ist ewig lang und schwierig zu formulieren. Ist so ein Ding alter, ehrwürdiger Dynastien. Da ich aber in den Kneipen meines Landes gerne in Geberlaune war, den Leuten quasi etwas geschenkt habe, rief man mich dort bald, na ja, Shenkt eben. Verstehst du?"
    Ein Nicken, dann wandte der Schläger sich wieder ab und sah aus wie eine wandelnde Statue.
    "Schönes Gespräch, wirklich. Fühl mich dir gleich verbundener, mein Freund."
    Ganz unstatuenhaft schoss der Haudrauf herum, rammte dem Chronist die Faust in den Magen, dass er das spärliche Frühstück auf den trockenen, von Rissen durchzogenen Boden erbrach. Hustend fuhr sich Shenkt mit dem Handrücken über den Mund.
    "Schon verstanden, ich rede zu viel ..."

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    Lehrling
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    "Ferlia, wir kommen von Skarlof."
    Die Vettel wirkte gar nicht so alt und vettelhaft. Natürlich, ihre besten Jahren waren längst vergangen, aber die Frau die dort im Türrahmen stand, war zuerst einmal größer als Shenkt, reichte eher an Bob heran und schien ganz und gar nicht auf den Kopf gefallen. Der Blick, den sie ihm und dem Schläger zuwarf, sprühte vor Abscheu und Verachtung. Das graue Haar war straff nach hinten gebunden, nicht der Schönheit wegen, eher weil die Haare beim Arbeiten im Weg waren. Sie schien kräftig genug, sie beide mit einer Bratpfanne bis zurück in die Hafenstadt zu jagen.
    "Na schön, von Skarlof. Diesem ausgemachten Hundesohn, dem meine strunzblöde Tochter verfallen ist, ja?", knurrte sie, "Diese dämliche Pute. Hätte sie in irgendein verdammtes Kloster stecken und nicht in die Hafenstadt gehen lassen sollen, verflucht."
    "Äh ...", antwortete Shenkt nur darauf. Die Alte seufzte und schüttelte den Kopf.
    "Spar dir den Atem, Bursche. Sonst hast du nicht mal mehr nur Luft im Kopf, und die Götter wissen, was mit einem leeren Gewölbe passiert. Es bricht ein. Ich habe nicht ansatzweise Lust, einen sabbernden Tropf durchzufüttern, weil ihn der Schlag durch die Hitze getroffen hat."
    Bob machte einen Schritt auf die alte Frau zu. In dem Augenblick wurde Shenkt klar, dass er gar nicht wusste, was die Beweggründe des Mannes waren, welche Instruktionen Skarlof ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Die Hand des Hünen lag am Griff des Streitkolbens am Gürtel. Ehe er ihn jedoch lösen konnte, steckte ein Bolzen zwischen seinen Augen, die diesen fixierten und ihm dabei einen himmelschreiend dummen Gesichtsausdruck bescherten. Dann kippte er rückwärts um, schlug auf das es staubte.
    "Äh ...", wiederholte Shenkt und wirkte nun völlig und ganz übertölpelt. Ferlia seufzte nur, während sie die kleine Armbrust zur Seite warf, die sie unter ihrer bäuerlichen Tracht versteckt hatte. "Äh ... mää ..."
    "Bist du nun ein zurückgebliebenes Schaf, Junge?"
    , zischte sie.
    Shenkt schluckte, räusperte sich und musste sich zusammenreißen, sich nicht in die Hose zu pinkeln. Er hatte schon den einen oder anderen Toten gesehen. Einen Bettler am Straßenrand, einen Verwandten beim Begräbnis. Aber den Weg des Todes, wie er einen Menschen ereilt, hatte er nie gesehen. Vorallem nicht auf so kalte, berechnende und überraschende Art. Diese Frau machte ihm Angst.
    "Entschuldigung", sagte er nur höflich und wurde ohnmächtig.

    Stunden später wachte Shenkt auf. In einem Bett, kein bequemes, kein schönes, aber immerhin ein Bett. War wohl das Jenseits, welches er verdiente. Kein Licht, keine Fanfaren und Lobreden, nur eine flackernde Kerze, ein Strohsack und ein klappriger Rahmen, auf dem dieser lag.
    "Oh, Himmel ..."
    "Ein Scheiß, Junge. Wenn das deine Vorstellung vom Himmel ist, bist du wirklich zu bemitleiden."
    , knurrte Ferlias Stimme neben ihm.
    "Oh, Innos ..."
    "Wenn Innos weiblich, alternd und mit herannahendem Rückenleiden ist, dann ja, Junge, bin ich Innos."

    Langsam richtete sich Shenkt auf, sah die Bäuerin an und wirkte mit einem Mal mitleiderregend genug, dass die Frau schwer, genervt seufzte.
    "Ruhig Blut, Bursche. Ich tue dir nichts. Sonst würdest du wohl kaum in einem Bett liegen, sondern wie dein Kumpan in der Grube im Wald."
    "Er ... er ist ..."
    Ferlia knurrte. "Tot, ja."
    "... nicht mein Kumpan.",
    beendete Shenkt seinen Satz und sah die Frau mit hochgezogener Braue an. "Ebenso wenig Skarlof. Ich schulde ihm Geld, soll dich überzeugen, den Hof abzugeben ..."
    Sie lachte bellend. "Den kann er mir aus den kalten, toten Händen reißen. Und selbst dann werde ich ihn wie ein Wiedergänger verfolgen und verfluchen. Hör zu, Junge, diesen Hof hat mein Mann gebaut. Er war mal gut, er war mal stattlich und er war mal lebendig. Er, mein Sohn und ich haben hier gelebt ..."
    "Sohn? Ich dachte du hast eine Tochter."
    "...Sohn. Das Mädel, das Skarlof hinterher gerannt ist, habe ich irgendwann mal aufgeschnappt und versucht zu erziehen. Hat aber nicht funktioniert. Ja, war mir wie eine Tochter. Keine enge, keine liebe. Aber sowas in der Art."
    "Und dein Sohn, Ferlia?"
    Nun sah er so etwas wie Gram in ihrem Gesicht. "Hat versucht wie sein Vater zu sein. Hat das Schwert ergriffen und der Welt den Kampf angesagt. Hat nie verstanden, dass sein Vater das Schwert an den Nagel gehangen hat, als es Zeit dafür wurde. Und es von dort wieder abnahm, als es nötig war, als es ... seine Lieben zu retten galt. Oh, so unritterlich wie er war, war er doch ein wahrer Held." Ihre Züge härteten sich wieder. "Aber das ist vergangen. Ich lebe nun hier und bleibe hier. Egal was dieser Wicht in Khorinis dafür gibt. Gehe zu ihm zurück, sag ihm das. Soll er meinetwegen mit der ganzen korrupten Miliz antanzen, dann habe ich mehr Freude am Kämpfen!"
    Shenkt schluckte kurz. "Ich will nicht. Habe meine Heimat verlassen, weil ich die dortige Dekadenz und Arroganz nicht mehr ertragen konnte, dachte die Welt außerhalb wäre freier, schöner, besser. Aber dieses Khorinis, eure Stadt hier ..."
    Ferlia lachte hart und bitter. "Ein Drecksloch. Nun, dann bleib erstmal hier. Ich kann etwas Hilfe gebrauchen, wenn du weißt wie man den Pflug zieht ..."
    "Äh ..."
    "Oder Holz hackt."
    "Nun ja, ich ..."
    "Den Besen schwingt ... ?"
    "Das kann ich!"

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